31

Es war schon dunkel, in der Stunde der Ratte, als ich nach Dinghai zurückkehrte und mich in mein Kämmerchen schlich.

Und es war auch noch dunkel, als ich zwischen der Stunde von Tiger und Hase die Anhöhe hinter der Stadt erklomm.

Ich schlüpfte aus meiner Jacke, zog mein Schwert, atmete tief ein und aus.

Ich begann langsam. Mit neili, um meine Kraft zu wecken und zu lenken. Im Reigen von Pferd, Goldenem Hahn, Affe, Schlange, Tiger, Kranich, Schwarzem und Weißem Drachen.

Mein Atem formte sich zu Lauten, fauchend, zischend, bellend, brüllend, als ich den Kampf gegen die Schatten aufnahm. Laute, die mehr und mehr Lebensenergie aus der Tiefe heraufbeförderten und durch meine Glieder jagten. Während ich Räder schlug und Saltos, über den Boden rollte, in die Höhe sprang und Pirouetten drehte. In zhaoshi, der von Generation zu Generation weitergegebenen Abfolge von Bewegungen, in denen ich mein Schwert schwang, seine Klinge im ersten Licht des neuen Tages ein Band aus silberner Seide, das mich nach und nach in ein Netz aus Gold spann.

Kein Gegner aus Fleisch und Blut verlangte Körper und Geist so viel ab wie der Kampf mit sich selbst. Der Kampf gegen die eigenen Dämonen.

Andere zu beherrschen, ist Macht. Dich selbst zu beherrschen, macht dich furchtlos. So hatten es mich meine Meister gelehrt.

Schwer atmend hielt ich inne, als ich aus dem Augenwinkel einen Schatten bemerkte, der den Hügel heraufkam. Langsam, wie zögernd. Ich wischte mir den Schweiß aus den Augen. Länger und länger zog sich dieser Schatten vor der aufgehenden Sonne, wurde zur Gestalt eines hochgewachsenen Mannes.

Mein pumpender Herzschlag kippte für einen Augenblick ins Unregelmäßige, und ein Lächeln glitt über mein Gesicht.

»Ich hatte nicht geglaubt, dich hier wiederzusehen«, begrüßte ich ihn.

»Ich auch nicht.«

Etwas an ihm wirkte entschlossener als gestern. Entschiedener.

»Aber ich musste einfach kommen.«

Er schälte sich aus seiner Jacke und krempelte die Ärmel seines Hemdes auf.

Ich bückte mich und steckte mein Schwert zurück in seine Scheide, hob dafür die beiden Bambusstöcke auf, die ich gestern im Wald geschlagen hatte. Einen davon warf ich Fortune zu, der ihn ungeschickt mit beiden Händen fing und zweifelnd beäugte.

Ich schwang meinen Stock durch die Luft, wirbelte ihn in den Händen herum, damit ich wieder ein Gefühl für diese schwere, klobige, aber so wirksame Waffe bekam.

»Fertig?«

»Nein.«

Ich schlug zu, und mit einem trockenen, hohlen Geräusch prallte Fortunes Stock gegen meinen. Ein reiner Reflex musste es gewesen sein, so erstaunt blickte er drein.

»Du kämpfst nicht fair«, beklagte er sich im Scherz.

Ich musste lachen, und auch um Fortunes Mund zuckte es.

»Sei auf der Hut, triffst du eine Frau in der Schlacht«, zitierte ich einen General der Ming, während ich zum nächsten Schlag ausholte. »Sie bedienen sich der Zauberkünste.«

Während die Sonne ihren roten Schleier ablegte und sich im hellen Tagesgewand über dem Horizont erhob, trieb ich Fortune über den Hügel vor mir her.

Die einzigen Geräusche neben dem Morgenlied der Vögel waren das Aufeinanderschlagen der Stöcke und unsere Atemzüge. Unsere Schritte im Gras: tänzelnd und flink meine, schwerfällig, stampfend und stolpernd die seinen. Meine Ausrufe zwischen seinem Keuchen, seinem Schnaufen und Prusten, ein leises Auflachen dann und wann.

Immer wieder trafen sich unsere Blicke. Herausfordernd. Angestrengt, fast grimmig. Unsicher und überrascht. Lächelnd.

Und die ganze Zeit über war ich froh über die Distanz, in der uns die Bambusrohre hielten.

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