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Der Frühling flutete das Tal mit dem Duft der Teesträucher. Feucht, mineralisch, grasig und von einer belebenden Frische, lag er überall in der Luft.

Dieser Frühling in Anhui, der Fortune mit dem gelben Funkenregen von Forsythia viridissima beschenkte und gleich mit mehreren Arten von Viburnum: Schneebälle aus immer weißen, aber mal kleineren, mal größeren Blüten.

Wenn er nicht den Teebauern bei der Ernte über die Schulter schaute, streifte er über die Hügel und durch die Wälder. In der Hoffnung, etwas Neues für den kleinen Garten zu finden, den er auf dem Dachboden der Wangs angelegt hatte.

An diesem Tag hatte er Glück gehabt, ein unglaubliches, unwahrscheinliches Glück: Im Wald hatte er nicht nur die blaue Rebe der Wisteria sinensis wiedergefunden, die ihn im vergangenen Frühling in Zhoushan bereits betört hatte. Sondern auch genau die gleiche in Weiß.

So rein, dass sie fast durchsichtig schien gegen die feinen Streifen der Sonne, die durch das Gewölbe des Waldes fielen, ein schwereloser Wasserfall aus Blüten.

Wie trunken fühlte er sich, auf seinem Weg zurück ins Dorf, betrachtete immer wieder die geschnittenen Zweige in seinem Arm: die Blüten von Wisteria sinensis var. alba und einer weiteren Art des Schneeballs, wie ein Berg feinster Daunen.

Er stieg gerade den felsigen Pfad hinauf, als er sie sah, auf der Bank vor dem Haus. In einer anderen Jacke, blau statt braun, weshalb er zuerst stutzte.

An eine Sinnestäuschung glaubte er. Ein Trugbild, aus all den Momenten erschaffen, in denen er sich gewünscht hatte, sie wiederzusehen. Misstrauen begleitete ihn bei jedem Schritt den Hang hinauf, dann Hoffnung.

Sie war es wirklich.

Sein Herz setzte einen Schlag aus, fing dann umso heftiger zu pochen an.

Lian ließ die Schale sinken, aus der sie gerade getrunken hatte, schickte ihm ein scheues Lächeln entgegen.

Sein Schweigen war unbeholfen und vorwurfsvoll, ihres schuldbewusst, fast trotzig.

»Was sitzt du hier draußen?«, fragte er endlich, barsch und fast abweisend.

Sie zuckte leichthin mit den Schultern. »Zu viele Menschen im Haus.« Ihr Daumen rieb über den Rand der Schale. »Hast du … Nachricht bekommen, aus England? Über die Pflänzchen? Die aus Tiantung?«

»Sind eingegangen. So gut wie alle.«

Ihre Hände schlossen sich fester um die Schale; es sah aus, als ob sie sich daran festhielt.

»Ich war das, Fortune. Ich habe die Kiste aus Glas beschädigt. Ich wollte, dass sie sterben.«

Fortune wich das Blut aus dem Gesicht. So etwas wie Zorn stieg in ihm auf, ein kalter, weißer, stiller Zorn. Um der Setzlinge willen, die ihm so kostbar gewesen waren. Weil sie ging und zurückkam, wie es ihr beliebte, und jetzt vor ihm saß, als wäre es das Natürlichste auf der Welt

»Ich wollte …«

»Ich nehme an, du hattest deine Gründe«, presste er hervor und tauchte in den Lärm des Hauses ein.

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