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Fortune horchte auf, wischte sich über die Augen und blinzelte ins Wasser hinunter.

Ein Schatten glitt auf ihn zu, schillerte mal blassgolden, mal fast weiß, mit einer fließenden Mähne wie pechschwarzes Seegras.

Er konnte sich nicht rühren; sein Verstand war blank, seine Seele wie gebannt.

Ein Wassergeist, wie aus einer alten Sage. Eine Nixe.

Ein Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier, das durch die Oberfläche brach, sich schüttelte und dabei nach allen Seiten Tropfen versprühte.

Lian, die aus voller Kehle lachte. Ein Lachen, das ihn tief im Magen traf.

Lian, die ihn anlächelte, aus ihren dunklen, unergründlichen Augen. Ohne ihr Schwert. Ohne einen Faden am Leib.

Genau wie er.

Hastig beugte er die Knie, tauchte bis über die Schultern unter.

Eine letzte Spur von Scham verwässerte. Der letzte Rest von Willenskraft wusch aus, und er driftete auf Lian zu, die der See in seine Arme trieb. All ihre sanften Rundungen, ihre Muskeln, die auf eine Art stark waren, wie sie es wohl nur bei einer Frau sein konnten, fein und stramm zugleich, wie Stränge von Seide.

Sie umschlang ihn mit den Armen, den Beinen, dem ganzen Leib. Nahm ihm für einen Augenblick die Luft zum Atmen. Er musste sie festhalten, damit sie nicht zusammen untergingen.

Ihre Haut war kühl vom Wasser; darunter ging eine Wärme von ihr aus, die ihn einhüllte, bis weit unter seine eigene Haut sickerte.

Es waren ihre Augen, in denen er sich verlor. In dieser dunklen Tiefe, die ihn einsog, der er sich ohne Gegenwehr überließ. Ihr Mund schmeckte nach dunklen Beeren, mit einer Schärfe, die ihn hungrig machte nach mehr.

Nicht hier. Nicht so.

Er nickte, unsicher, ob es ihre Worte gewesen waren oder seine. Ob überhaupt jemand sie ausgesprochen hatte, sie nicht vielmehr als Gedanke in der Luft lagen, während Lian ihr Gesicht in seine Halsbeuge presste, seine Hand über ihr nasses Haar strich.

Als ob sich Partien seiner Haut abschälten, so war es, als Lian sich von ihm löste, untertauchte und unter Wasser davonglitt, einmal mehr nur ein Schatten und ebenso flüchtig.

In seiner Brust, seinem Becken brannte es, und doch war ihm kalt.

Lange saß er danach auf einem Stein, mit weichen Knien, fahrigen Händen, unter seinen Kleidern bereits wieder trocken.

Er hatte noch nie eine andere Frau berührt außer Jane. Nicht … so.

Auf eine solch unbeherrschte Art, die sich tief in seine Seele grub. Gierig. Wollüstig. Ohne Verstand. Ohne Gewissensbisse.

Er war Jane noch nie untreu gewesen.

Als er Schritte hörte, hob er den Kopf. Angezogen und in Stiefeln, das Schwert auf dem Rücken, wich Lian seinem Blick aus, lächelte nur mit gesenktem Kopf vor sich hin.

Während er ihr nachging, den schmalen Pfad entlang, der sich an der Flanke des Berges entlangwand, blieb sein Blick auf ihren Zopf geheftet. Auf das Wasser, das aus ihrem Haar tropfte, über dem schmalen Flügel des Schwerts einen dunklen Streifen auf ihre blaue Jacke malte.

Als könnte er nur so sichergehen, dass es kein Traum gewesen war.

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