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Ich hätte nicht hier sein sollen.

Ich wollte auch nicht hier sein.

Klöster hatte ich auf meinen Wanderungen immer gemieden.

Nonnenklöster waren selten im Reich, und traurige Orte waren es noch dazu. Kaum ein Mädchen oder eine Frau folgte aus freien Stücken dem Ruf des Klosterlebens. Eher wurden sie dorthin verbannt: Mädchen, die in Sünde gefallen oder mit Gewalt ihrer Unschuld beraubt worden waren. Für die sich kein Mann fand, weil sie zu hässlich waren, es zu viele Mädchen im Umland gab oder die Eltern den Brautpreis nicht aufbringen konnten. Ehefrauen, die sich nicht mit einer wachsenden Zahl von Konkubinen im Haus abfinden wollten oder unfruchtbar blieben. Witwen, die Kindern und Enkeln als unnütze Esser lästig waren.

Meist zogen sie den Freitod einem Leben im Kloster vor, das schien ihnen wohl einfacher. Ehrenhafter.

In den meisten Mönchsklöstern hingegen hatte ich als Frau keinen Zutritt. Darüber hatte ich mich immer geärgert. Gerade von Mönchen hätte ich etwas anderes erwartet, schließlich waren Mönche auch nicht überall hoch angesehen. Lass nie drei Großmütter an deiner Halle vorbeigehen, hieß es schon zu Zeiten der Ming. Lass unter keinen Umständen eine Nonne herein. Keinen Mönch, keinen Meister, keine Hebamme und keinen Geldverleiher.

Vielleicht zwei oder drei Klöster waren es gewesen in all den Jahren, wo ich um Aufnahme für eine Nacht gebeten hatte. In solch entlegenen Gegenden, dass ich sonst nichts gefunden hatte, wo ich unterkommen konnte, und mir eine Nacht unter freiem Himmel zu riskant erschien. Weil ich um umherstreifende Tiger wusste oder es die Witterung, die Jahreszeit geboten.

Nie war ich länger als eine Nacht geblieben.

Hier in Tiantung waren die Mönche freundlich zu mir. Hatten mir sogar eine hübsche Kammer gegeben, von der aus ich am nächsten Morgen einen Blick auf die Berge haben würde, und eine herrlich weiche und warme Decke für mein Lager.

Nur dass ich mein Schwert in der Kammer lassen müsse, darum hatten sie mich gebeten, solange ich mich innerhalb der Klostermauern aufhielt.

Nie trennte ich mich von Long Yuan. Immer musste ich es zumindest in meiner Reichweite wissen. Trotzdem war ich dieser Bitte nachgekommen und hatte auch das Messer dazugelegt, das stets in einer Schlaufe innen in meinem Stiefel steckte.

Waffen und Blutvergießen waren eigentlich mit der Lehre des Buddha unvereinbar, die Friedfertigkeit und Liebe beschwor. Die Achtung vor der Heiligkeit allen Lebens, war es auch noch so klein, noch so gering.

Nur wenige Klöster gab es, in denen Mädchen und Jungen zusammen aufwuchsen, als Brüder und Schwestern. Und weniger als eine Handvoll Klöster, in denen man die Kunst des Kampfes lehrte.

Nicht um Gewalt auszuüben, zu erobern und zu vernichten. Sondern um Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen, auf dem Weg zur Erleuchtung.

In meiner Erinnerung konnte ich sie hören, die vielen hellen Kinderstimmen, eine davon meine, wie sie die Worte des Meisters wiederholten. Auf eine Art leidenschaftlich und hingebungsvoll, wie es nur Kinder vermögen.

Unser Leib ist der Baum des Bodhi, unser Geist ein klarer Spiegel.

Sorgsam wischen wir sie, Stunde um Stunde, damit kein Staub sich darauf niederlässt.

Kampf und Gebet waren eins in diesen Klöstern.

Es waren die Zeiten, die es nötig machten, mit diesem Gebet den Glauben und die Freiheit zu verteidigen. Den Kampf aufzunehmen, in einer Welt der Ungerechtigkeit und Tyrannei.

Im Kloster der Alten Haine und Jungen Bäume, auf dem Berg von Song. In den Ablegern dieses Klosters, auf anderen Bergen, verstreut in den Weiten des Reiches.

Doch trotz aller Unterschiede zwischen den Klöstern Buddhas waren die Gemeinsamkeiten groß. Zu groß, als dass sie mich nicht an früher erinnert hätten.

Die Sonnenfarben der Kleidung. Das Rot und Gold der Säulen, der Statuen und Schriftzeichen.

Die Wahl der Worte. Die vielen flackernden Lichter. Der Rhythmus der Tage, der sich in die Mauern gegraben hatte.

Geräusche: Schritte bloßer Füße oder in Sandalen. Gesungene oder gemurmelte Gebete und das Klackern der Gebetsketten. Das silberne Klingeln von Glöckchen, das bauchige Dröhnen großer Glocken, das durchdringende Hallen eines Gongs.

Die klare Luft der Berge. Der Duft von Wolken, Nadelbäumen und Moos. Der Geruch von Räucherwerk und Öllampen. Sogar das Essen schmeckte für meinen Gaumen ähnlich.

Vor die Gesichter der Mönche am Tisch schoben sich andere Gesichter.

Nicht nur das von Yun. Das Meister Qiangs, Meister Shens oder Anshins.

Quan, der Yun und mir ein so enger Freund gewesen war. Und Yaowu, die mir von allen Mädchen am nächsten stand.

Meine Familie. Für zehn nicht immer leichte, aber meist glückliche Jahre.

In Tiantung zu sein war, wie nach Hause zurückzukehren. Als eine Fremde, die nur geduldet wurde und niemals mehr bleiben durfte, weil sie nicht mehr dazugehörte.

Deshalb hatte ich Klöster immer gemieden.

Ich wollte nicht hier sein.

Ich beobachtete Fortune, der in seinem bedächtigen Chinesisch dem Abt von Tiantung von seinem Interesse für die Pflanzenwelt erzählte. Das gelbe Mönchsgewand war ihm viel zu klein. Die Ärmel reichten gerade bis über seine Ellbogen, der Saum ließ die halbe Wade frei.

Haarige Beine hatte er, wie ein Affe, das hatte ich gesehen, bevor er sich mit überkreuzten Beinen auf seinem Polster niedergelassen hatte. Auch seine Arme waren von dunklen Haaren bedeckt, das hatte ich bei unseren Kämpfen in Zhoushan entdeckt. Und jedes Mal schauderte es mich unwillkürlich, wenn mein Blick darauf fiel. Dabei hatte er eigentlich schöne Arme, dachte ich, als ich beobachtete, wie er mit seinen Stäbchen hantierte. Starke, schwerknochige Arme, von kräftigen Muskeln und Sehnensträngen durchzogen.

Fremd wirkte er hier, im Licht der Öllampen, in dieser geborgten Kleidung. Als ob jetzt, da diese Haare sichtbar waren, etwas Wildes an ihm zum Vorschein käme. Etwas, das so gar nicht zu diesem sanften Riesen passen wollte.

Zu diesem Blütensammler, der einen Blick für das Allerkleinste hatte. Für das Unscheinbare, Verborgene. Der sich so viele Gedanken machte über Dinge, die andere Menschen nicht einmal bemerkten.

Die aus der Stirn zurückgestrichenen Haare machten seine Züge klarer, regelmäßiger, seine Augen noch schmaler. Fast so, als ob mein Land ihm inzwischen seinen Stempel aufgedrückt hätte. Eine kaum merkliche Veränderung, die erst jetzt, im Landesinnern, zwischen den Mauern dieses Klosters, sichtbar wurde.

Aus irgendeinem Grund wünschte ich mir, dass dem wirklich so wäre. Kein Hirngespinst, keine Illusion.

Sein Blick kreuzte meinen. Fragend, forschend. Spürend.

Mein Gesicht begann zu glühen. Mir wurde heiß, und ich schlug die Augen nieder.

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