Freitag, 1. 6. 90


Lieber Jo!

Ich habe Dir die Stelle versprochen, und ich werde mein Versprechen halten, schon aus Eigennutz! Aber ich brauche noch ein paar Tage, vielleicht sogar ein oder zwei Wochen, um Klarheit zu schaffen. Ich weiß nicht, was in den letzten Tagen hinter meinem Rücken passiert ist. Von einem Augenblick auf den anderen hat alles die schlimmstmögliche Wendung genommen. Die Atmosphäre ist völlig verändert und läßt mich kaum mehr atmen.

Morgens beginne ich mit allen guten Vorsätzen, um dann, mit jedem unerwiderten Gruß, jedem mir ausweichenden Blick, jedem ins Leere gesprochenen Satz mehr und mehr zu jenem tückischen Wesen zu werden, für das man mich hält.

Vielleicht bin ich mit zuwenig Geschick zu Werke gegangen. Aber das Taktieren widerstrebt mir. Vielleicht hätte ich warten und Jörg allein abpassen sollen. Doch gerade das wußte er zu verhindern. Marion und er spielen glückliches, unzertrennliches Paar.

Ich habe sie gefragt, was sie von meinem Papier hielten, der Kalkulation für das Anzeigenblatt. Jörgs Unterkiefer senkte sich förmlich bei meinem Anblick.»Papier ist geduldig«, sagte er. Marion hatte sich mit meinem Eintritt in ihre Arbeit vertieft. Wegen eines Käseblattes, sagte Jörg, habe er nicht seine Arbeit als Diplomingenieur aufgegeben!

Du mußt wissen, Jo, ich will das Anzeigenblatt ja nicht als Selbstzweck, sondern als Schutz und Geldverdienmaschine, um das» Wochenblatt «von Anzeigen zu entlasten, ohne daß diese uns verlorengehen. Wir müssen das Möglichste aus unseren Ressourcen herausholen, die vorhandene Struktur nutzen, wie mit den Stadtplänen oder den Leserreisen, die ich gemeinsam mit Cornelia plane. Zu Jörg sagte ich:»Wir wollen doch das gleiche!«

«Jede ordentliche Zeitung hat ihre Chance«, erwiderte er,»wenn sie sich auf das Eigentliche konzentriert. «Sobald wir in Gera druckten, könne die Zeitung genügend Anzeigen aufnehmen, ohne den Text zu vernachlässigen. Dann hätten wir alles, was wir brauchten.

Ich versuchte ihm klarzumachen, daß das eine das andere nicht ausschließe, daß wir aber Positionen besetzen müßten, bevor andere sie einnähmen. Ich halte es mit Barrista, der sich bückt, wenn Geld auf der Straße liegt.

Ich könne doch selbst ein Anzeigenblatt machen, sagte Jörg, denn was ich bisher geschrieben habe, eigne sich sowieso besser dafür. Marion lachte, sah aber nicht auf, als hätte sie gerade etwas Lustiges gelesen.

Ich steckte auch das weg. Wir seien verpflichtet, sagte ich, alles nur Mögliche zu versuchen, um die Zeitung zu schützen, im eigenen Interesse, aber auch in dem unserer Angestellten. Ich wolle nichts weiter als sein Einverständnis, es wenigstens zu versuchen.»Und wenn es schiefgeht, was dann?«fragte er.

In diesem Moment wandte sich Marion um und sagte zu Jörg, sie verstehe gar nicht, warum er überhaupt mit mir diskutiere. Er und sie wollten es nicht, das sei ja wohl ein ausreichender Grund.»Und wenn ihm das nicht gefällt, kann er uns ja seinen Anteil wieder zurückgeben.«303

Ach, Jo, ich stand da wie ein dummer Junge. Jörg hatte mich bei seinen Ungeheuerlichkeiten wenigstens angesehen, Marion hielt nicht mal mehr das für nötig!

Um unsere Angestellten müsse ich mir keine Gedanken machen, sagte Jörg. Niemand von ihnen wolle ein Anzeigenblatt. Ich könne sie ja fragen. Und dann machte er eine Anspielung auf Frau Schorba, meine Busenfreundin, was er überdeutlich auf der ersten Silbe betonte. Die habe der neue Bürgermeister ja gleich am ersten Tag davongejagt, was im übrigen allgemein bekannt sei, was ich ihm jedoch aus so bedauerlichen wie unerklärlichen Gründen verschwiegen hätte. Aber glücklicherweise absolviere sie ja hier nur eine Probezeit.

Ich bat ihn, sich alles noch einmal zu überlegen, am Mittwoch, in der Redaktionssitzung, würde ich das Thema erneut zur Sprache bringen.

Das hoffe er nicht, sagte er, womit er mir den Rücken zukehrte. Vielleicht war es einfach Feigheit, die mich hinderte, sofort die Entscheidung zu suchen. Jedenfalls erschien mir gestern früh (wie lang ist das her!) die Erinnerung an dieses Gespräch wie ein böser Traum, der mit dem neuen Tag vorbei und vergessen sein sollte, so sehr vertraute ich meinen Argumenten.

Sie aber hielten meine Freundlichkeit für Schwäche. Ilona, der ich noch vor ein paar Tagen eine neue» Operntasche «verehrt hatte, war zu beschäftigt, um beim Grüßen von ihrer Arbeit aufzusehen, Jörg murmelte irgendwas im Vorbeigehen, Marion übersah mich völlig, Fred besprach, in den Türrahmen gelehnt, etwas mit Ilona (plötzlich verstehen sie sich, plötzlich hatte Ilona Zeit), was ihn so in Anspruch nahm, daß er mir nur wie einem zufälligen Kunden zunickte. Selbst Kurt huschte schnell in sein Zimmer. Pringel war ständig unterwegs. Allein Astrid, der Wolf, kam mir wie jeden Morgen freudig entgegengesprungen. Aber seit Ilona auf Astrids Spielball getreten ist und sich den Fuß verknackst hat, beargwöhnt sie sogar diese Begrüßung. Frau Schorba präsentierte mir die Ausbeute der Akquisiteure, ohne den ganzen Kladderadatsch auch nur mit einer Silbe zu erwähnen. Sie lächelte, das Geschäft läuft unglaublich gut.

Daß ich mich dann ausgerechnet zu Georg, meinem alten Chef, flüchten würde! Ich traf ihn auf dem Markt, bei den Fischbrötchen. Obwohl wir erst vor zwei Monaten bei ihm ausgezogen sind, habe ich Georg kaum wiedererkannt, so anders waren seine Bewegungen. Keine Spur mehr von dem steifen Ritter auf seinem Pferd. Auf seinen langen Beinen bewegt er sich jetzt geradezu geschmeidig. Verschwunden sind auch die Wurzelfalten zwischen den Augenbrauen und auf der Stirn. Zur Begrüßung hätte er mich fast umarmt. Ob ich einen Kaffee oder Tee bei ihm trinken wolle. Ich bejahte, allein schon um nicht gleich wieder in die Redaktion zu müssen.

Die Gartenpforte ist jetzt von Rosen überwuchert. Wie aber staunte ich, als ich beim Betreten der alten Redaktionsstube den gleichen Bildschirm wie bei uns und daneben den Apple erkannte. Sein Drucker ist etwas kleiner als unserer.

Der Baron hat zwei Bücher angeregt und jeweils tausend Exemplare im voraus bezahlt. Das Buch über den Erbprinzen wird das erste sein, dann ein Buch über die Juden in Altenburg und Umgebung und über ihre Vertreibung. Er selbst habe so viele Ideen, sagte Georg, die reichten für Jahre. Obwohl das Barometer, die Uhr und die Briefwaagen, überhaupt alles noch an seinem Platz war, schien ich mich in einem ganz anderen Raum zu befinden. Genauso erging es mir mit dem Garten, der nun grün und voller Blumen ist und an seinen Rändern nahezu undurchdringlich.

Franka umarmte mich, als wäre ich von einer langen Reise zurückgekehrt. Als ich die große Kaffeetafel im Garten sah, an der die drei Jungen mit ihren Großeltern auf uns warteten, gestand mir Georg, heute Geburtstag zu haben.

So verbrachte ich eine heitere Stunde im Kreise seiner Familie. Georg erzählte von einer merkwürdigen Begegnung. Vor ein paar Tagen, es schüttete wie aus Eimern, klingelte es spätabends bei ihnen. Vor ihm stand eine kleine, völlig durchnäßte Frau, der die Haare am Kopf klebten. Sie trat ein und fragte, ob sie bei ihnen übernachten dürfe, ihr Auto sei kaputt und im» Wenzel «gebe es für alles Geld dieser Welt kein Bett mehr. Im selben Augenblick, da er sie fragen wollte, warum sie ausgerechnet bei ihnen klingele, erkannte er sie: Die Zeitungszarin aus Offenburg. Franka und Georg übernachteten selbst auf Luftmatratzen, damit ihr Gast in einem richtigen Bett schlafen konnte. Am nächsten Morgen aber saß die Zeitungszarin bleich und mit Augenringen in der Küche und behauptete, keine Minute geschlafen zu haben, das Bett sei eine Katastrophe.

In Frankas Sachen, die ihr zu groß waren, machte sie sich dann bald auf den Weg. Das Bad duftet angeblich immer noch nach ihr.»Eine richtige Millionärin«, sagte Franka zum Schluß.

Später stieg ich mit Georg den Hang hinauf. Während wir über die Stadt bis hin zu den Pyramiden sahen und die Augen mit den Händen vor der Sonne beschirmten, erzählte ich ihm von meinen Nöten.

«Ihr müßt es machen, wie du es sagst, genau so, sonst habt ihr keine Chance!«pflichtete mir Georg bei. Ich hatte Zurückhaltung und Bedenken, wenn nicht gar Widerspruch erwartet. Nun aber sprach ich wie befreit.

Wäre doch Jörg dabeigewesen! Dort oben auf dem Berg hätte ich ihn überzeugt! Nie zuvor hatte ich mir selbst die Notwendigkeit eines Anzeigenblattes so deutlich vor Augen geführt.

Laut Georg ist es beschlossene Sache, daß die großen Konzerne die Parteizeitungen unter sich aufteilen, allerdings nach Ländern geordnet. Da Altenburg Thüringen zugeschlagen werde, blieben wir die einzigen Grenzgänger und könnten eines nicht allzu fernen Tages von Ronneburg bis Rochlitz, von Meerane bis vor die Tore Leipzigs jeden Haushalt beliefern, wir würden nicht nur die Region zusammenhalten, wir wären auch ein kleines Imperium mit Altenburg als Zentrum.

Wir ergingen uns in Schätzungen über die Auflage — ich rechne mit hundert- bis hundertzwanzigtausend —, und ich begriff, daß der Baron unrecht hat. Denn es ist vollkommen belanglos, ob man reich werden will oder nicht! Ganz gleich, zwischen wie vielen Möglichkeiten man zu wählen glaubt, es gilt immer nur eine Entscheidung zu treffen, nämlich die, die das Überleben sichert. Ja, am Ende gibt es immer nur das Richtige oder das Falsche. Und letztlich ist es viel schöner, selbst etwas zu tun, als über das, was andere getan haben, zu schreiben.304

Noch auf dem Rückweg gab ich die Stempel für unser SONNTAGSBLATT in Auftrag.

In der Redaktion empfing mich Frau Schorba mit einer Hiobsbotschaft. Das Käferchen ist gestorben, der Alte sinnt auf Rache. Wenn er zurückkommt, schützt mich niemand vor ihm, denn weder darf er von der Polizei in Gewahrsam genommen noch in die Psychiatrie gesperrt werden, bevor er nicht irgend etwas angerichtet hat. Zumindest Marion wir sich darüber freuen.

Die morgendliche Stunde, in der mir Frau Schorba Nachhilfe am Computer gibt, ist wie das Atemholen für den ganzen Tag. Komme ich nicht weiter, sagt sie mir vor, doch so, als wäre ich sowieso im nächsten Augenblick selbst draufgekommen. Ihre Ungeduld verrät nur die Oberlippe, die wie eine rosa Raupe auf dem scharfen Strich ihrer Unterlippe hin und her kriecht. Meine erste selbstgesetzte Anzeige waren Cornelias» Italienische Wochen für Fußballfans«. Das WM-Signet haben wir aus der LVZ ausgeschnitten und einfach aufgeklebt.

Während ich auf Fred wartete, lähmten mich die Gedanken an die bevorstehende Auseinandersetzung am Nachmittag. Vor mir lagen Freds Listen von den Landtouren. Ich verglich die Zahlen der letzten beiden Wochen auf dem obersten Zettel miteinander. Mal war ein Exemplar weniger verkauft, mal drei. Im besten Fall stagnierte es. Die Summe jedoch wies ein Plus von dreißig verkauften Zeitungen aus!

Von den zehn Listen, die ich bis zu Freds verspätetem Eintreffen überprüft hatte, stimmten zwei. Die Rechenfehler brandmarkte ich mit rotem Filzstift und Ausrufezeichen. Eigenartigerweise wogen die Fehler einander mehr oder minder auf.

Als er hereinkam, war gerade Manuela, unsere Wunderwaffe, bei mir (sie bringt mehr Anzeigen als die drei anderen Akquisiteure zusammen). Fred, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände über dem Bauch gefaltet, verdrehte die Augen, um kundzutun, für wie überflüssig er es hielt, daß ich mir Manuelas Tratsch anhörte. Als er auch noch den Kopf schüttelte, reichte ich ihm wortlos seine Listen. Würde ich ihn nicht kennen, sagte ich, müßte ich Betrug unterstellen. Dann verabschiedete ich Manuela und bat sie, mir Ilona nach hinten zu schicken.

«Kannst du mir das erklären?«fragte ich Fred nach einer langen Pause.»Kannst du mir sagen, wie du abgerechnet hast?«

Er hätte immer alles Geld abgeliefert, nie etwas zurückbehalten, und Ilona hätte es ihm quittiert.

«Und dir sind«, fragte ich und ordnete die Blätter wieder der Reihenfolge nach,»nie Unstimmigkeiten aufgefallen?«

Fred zuckte mit den Schultern. Ich schwieg. Ob er gehen könne, fragte Fred.»Nein«, sagte ich,»wir warten auf Ilona.«

Dieser Satz blieb für einige Zeit der letzte, bis Fred von sich aus fragte, ob er Ilona holen dürfe.

«Ach du Schreck«, sagte sie, als ich die Listen vor ihr ausbreitete.

«Und du hast ihm das Geld abgenommen und quittiert?«

«Ich hab’s gerollt und zur Bank geschafft, heij«, sagte sie, als erwarte sie dafür Lob. Sie schien nicht einmal zu ahnen, was das mit ihr zu tun haben sollte.

«Und nichts nachgerechnet?«

Sie habe das Geld genommen und zur Bank geschafft, wiederholte sie.

Die beiden schnieften um die Wette, als ich sagte, daß sie alles stehen- und liegenlassen und die Listen nachrechnen sollten. Heute nachmittag brauchten wir die Zahlen.»Vielleicht«, sagte ich zum Schluß,»sind wir ja schon längst pleite.«

Als es kurz nach fünf losging, war die Stimmung unerträglich. Ilona und Fred saßen mir gegenüber und redeten über etwas, was sie ständig zum Lachen reizte. Anstatt nachzurechnen, hätten sie andere Aufträge erledigen müssen. Ich sei doch ihr Kontrolleur, eigentlich sei das meine Aufgabe.

Pringel saß für sich und starrte auf das leere Blatt vor ihm. Er wußte bereits, was ihn erwartete, nur ich hatte keine Ahnung. Kurt fehlte, die Akquisiteure waren nicht geladen. Allein Jörg schien von alter Herzlichkeit.

Er stellte als erstes Ilona und Fred zur Rede, warum sie meiner Anordnung nicht gefolgt seien, sich um die Abrechnung zu kümmern. Sie waren völlig verblüfft.

Frau Schorba gab die Werbeeinnahmen bekannt. Wir brauchten gar kein Anzeigenblatt mehr zu werden, sagte Jörg, wir seien bereits eins. Ab der letzten Juniwoche solle das» Wochenblatt «in Gera gedruckt werden, um vier oder acht Seiten verstärkt. Dann gebe es auch wieder Platz für Artikel, was unseren Verkaufszahlen wesentlich besser bekommen werde als diese Anzeigenschwemme, mit der wir uns selbst das Wasser abgrüben. Damit war Jörgs Ausblick in die Zukunft beendet. Er stellte seinen neuen Aufmacher vor, den ihm die» Kommission gegen Korruption und Amtsmißbrauch «frei Haus geliefert hatte (nun mußten sie schon den dritten Vorsitzenden wählen, weil die beiden ersten selbst der Korruption verdächtigt wurden).

Dann zog Jörg ein Papier hervor und sagte:»Wir müssen darüber reden, Gotthold, da mußt du jetzt durch. «Pringels Kindergesicht wurde noch kleiner. Jörg referierte den Inhalt eines Briefes, unterzeichnet von mehr als dreißig Leuten vom Anlagenbau. Darin wurde Pringel als» roter Schreiberknecht «bezeichnet.»Was hat ein roter Schreiberknecht in Eurer Zeitung zu suchen?«Beigelegt hatten sie einen Artikel aus Pringels Betriebszeitung vom Oktober 89.

Jörg begann daraus zu zitieren und brach nach Formulierungen wie» mit der geballten Härte des Gesetzes«,»Wohl und Gesundheit unserer Kinder sind bedroht «mit einem Undsoweiterundsofort ab.

Als Pringel aufsah, erkannte ich ihn kaum wieder. Seine Lippen bebten. Er versuchte zu lächeln, sein Blick huschte über uns hinweg.

Er verstehe eigentlich nicht, sagte Jörg, warum er so überrascht von diesem Brief sei. Vor allem aber wolle er ihn fragen, warum er uns gegenüber nicht mit offenen Karten gespielt habe. Das sei für ihn das eigentliche Delikt. Pringel nickte. Im Oktober habe wirklich niemand mehr solche Sachen schreiben müssen, murmelte Fred und verhinderte damit eine Antwort Pringels, der gerade Luft geholt hatte.

Es sei nach den Dresdner Ausschreitungen gewesen, stammelte Pringel schließlich. Aber der Text sei ihm vorgegeben worden, er habe gar keine andere Wahl gehabt, als das zu veröffentlichen, es sei gar nicht sein Artikel, er habe ihn aber zeichnen müssen, als verantwortlicher Redakteur habe er seinen Namen hergegeben. Sein Blick irrte herum.»Was hätte ich denn tun sollen?«

«Uns mal die Zeitung zeigen«, sagte Marion, worauf Pringel wieder stammelte, es sei doch gar nicht sein Artikel.

Ich fragte ihn, wovor er denn Angst gehabt habe? Ich meinte natürlich seine damalige Situation im Herbst. Er mißverstand mich.

«Daß Sie mich nicht mehr schreiben lassen«, sagte er. Nie zuvor habe ihm Zeitungmachen so viel Freude bereitet, ihn so erfüllt. Jeden Morgen sei er froh, daß er hierherkommen könne …

Was sollten wir ihn weiterquälen? Er war einverstanden damit, daß sein Name bis auf weiteres nicht in der Zeitung erscheint. Pringel ist ein freundlicher Mensch und intelligent. Ihm muß man nur sagen, was man braucht, und bekommt es am nächsten Tag. Seine kleinen Firmengeschichten sind beim» Gallus «der Renner. Möbel-Hausmann schaltet seither eine halbe Seite pro Woche.

Ob es Fragen gebe, wollte Jörg wissen.

Ja, sagte ich, über das Wichtigste hätten wir gar nicht gesprochen.

Das sei eine Redaktionssitzung, unterbrach er mich, das Grundsätzliche müßten wir zu zweit klären. Wann ich das endlich begreifen würde. Außerdem sei die Sache vom Tisch.

Für mich, sagte ich, ist die Sache noch nicht mal auf dem Tisch, und wenigstens meine Argumente sollten die anderen hören. Doch» die anderen «waren bereits aufgestanden. Selbst Frau Schorba griff schon nach ihrer Handtasche. Nur Pringel war sitzen geblieben. Uns beiden war offenbar die Entschlußkraft abhanden gekommen. Da spürte ich die Schnauze von Astrid, dem Wolf, auf meinem Knie. Mit seinem einen Auge sah er mich an. Du kannst mich auslachen, aber ich bin mir sicher, daß der Wolf die Situation genau verstand. Mir wird nichts anderes übrigbleiben, als den Einsatz zu verdoppeln. Ich glaube an den Sieg.

Sei umarmt, Dein E.


PS: Vielleicht ist es besser, wenn Du Anton Larschen bei Georg herausbringst. Ich glaube, Georg würde sich freuen, und das Buch hätte dann einen richtigen Verlag.

Загрузка...