Raphael Guidi geht mit einer schwarzen Ledermappe in der Hand durch den Speisesaal, legt sie auf den Tisch und schiebt sie zu Axel Riessen hinüber.
»Pontus Salmans Albtraum war, wie Sie vielleicht begriffen haben, zwischen seiner Frau und seiner Schwester wählen zu müssen. Ich weiß nicht, bisher habe ich es nie für nötig erachtet, so explizit zu werden, aber ich habe … Wie soll ich mich ausdrücken? Ich musste die Erfahrung machen, dass sich manche Leute eingebildet haben, ihrem Albtraum durch den eigenen Tod entfliehen zu können. Verstehen Sie mich nicht falsch, die meiste Zeit geht alles sehr nett und zivilisiert zu, Menschen, die mir treu ihre Loyalität zeigen, behandele ich ausgesprochen großzügig.«
»Sie drohen mir, Beverly etwas anzutun.«
»Sie können zwischen ihr und Ihrem jüngeren Bruder wählen, wenn Ihnen das lieber ist«, sagt Guidi, trinkt einen Schluck seines Vitaminsafts, streicht sich über den Mundwinkel und bittet Peter, die Geige holen zu gehen.
»Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, dass ich nur Instrumente besitze, auf denen Paganini gespielt hat?«, fragt er. »Das ist das Einzige, was mich interessiert. Es heißt, dass Paganini sein Gesicht hasste … und ich persönlich glaube, dass er seine Seele verkauft hat, um berühmt zu werden. Er nannte sich einen Affen … aber wenn er spielte, kamen die Frauen angekrochen. Das war den Preis wert. Er spielte und spielte, bis ihn Feuergeruch umgab.«
Axel sieht durch die großen Panoramafenster, hinter denen ganz ruhig die gewaltigen Wassermassen liegen. Durch die kleineren Fenster zum Vordeck kann er schemenhaft den weißen Hubschrauber erkennen, mit dem er auf die Luxusjacht gekommen ist. Axels Gedanken pendeln zwischen dem furchtbaren Film und der Suche nach möglichen Fluchtwegen.
Er ist schrecklich müde, sitzt nur regungslos da und hört Guidi zu, der weiter über Geigen spricht, Stradivaris Fixierung auf die hellsten Klänge, die Härte des Holzes, den langsam wachsenden Ahornbaum und die Fichte.
Raphael Guidi hält inne, lächelt leblos und sagt:
»Solange Sie sich loyal verhalten, können Sie genießen, was in der ersten Waagschale Platz findet, Sie werden eine gesunde Leber haben, gut schlafen und Ihr Leben führen, und als Gegenleistung verlange ich lediglich, dass Sie unseren Vertrag nicht vergessen.«
»Und Sie wollen, dass ich die Ausfuhrgenehmigung unterschreibe.«
»Die bekäme ich so oder so, aber ich will Sie nicht zwingen, ich will Sie nicht umbringen, das wäre Verschwendung, ich möchte Ihre …«
»Meine Loyalität«, ergänzt Axel.
»Finden Sie das etwa dumm?«, fragt Guidi. »Denken Sie bitte kurz nach und nennen Sie mir anschließend die Menschen, auf deren hundertprozentige Loyalität Sie zählen können.«
Es wird still zwischen ihnen. Axel starrt vor sich hin.
»Sehen Sie«, sagt Raphael Guidi nach einer Weile mit traurigem Blick.