27 Die Extremisten

Carlos Eliasson, der Leiter der Landeskriminalpolizei, erschrickt und verschüttet eine größere Menge Fischfutter ins Aquarium, als Joona Linna die Tür aufreißt.

»Warum wird keine systematische Suchaktion durchgeführt?«, fragt Joona. »Es geht um das Leben von zwei Menschen, und wir schicken keine Boote.«

»Die Wasserschutzpolizei trifft ihre eigenen Entscheidungen, das weißt du genauso gut wie ich«, antwortet Carlos ihm. »Sie haben das gesamte Gebiet mit Hubschraubern abgesucht, und alle sind sich einig, dass Penelope Fernandez und Björn Almskog entweder tot sind oder nicht gefunden werden wollen … und keine der beiden Alternativen lässt eine Suchaktion zu Land besonders dringlich erscheinen.«

»Die beiden haben etwas, was der Mörder haben will, und ich denke ehrlich gesagt …«

»Es bringt doch nichts herumzuraten … Wir wissen nicht, was passiert ist, Joona. Der Staatsschutz scheint zu glauben, dass die jungen Leute untergetaucht sind und es gut möglich ist, dass sie in diesem Moment in einem Zug nach Amsterdam sitzen und …«

»Hör auf damit«, unterbricht Joona ihn. »Du kannst doch nicht auf den Staatsschutz hören, wenn es um zwei …«

»Es ist ihr Fall.«

»Warum denn das? Warum ist das ihr Fall? Björn Almskog soll angeblich an Krawallen beteiligt gewesen sein. Das heißt nichts, gar nichts.«

»Ich habe mit Verner Zandén gesprochen und er hat zu einem frühen Zeitpunkt erklärt, dass Penelope Fernandez Verbindungen zu linksextremen Gruppen unterhält.«

»Das mag ja sein, aber ich bin mir sicher, dass es bei diesem Mord um etwas anderes geht.«

»Natürlich! Natürlich bist du dir sicher«, ruft Carlos.

»Ich weiß noch nicht, worum es geht, aber der Mann, dem ich in Penelope Ferandez’ Wohnung begegnet bin, war ein Profikiller und keiner, der …«

»Der Staatsschutz scheint aber zu glauben, dass Penelope Fernandez und Björn Almskog ein Attentat planen.«

»Penelope Fernandez soll eine Terroristin sein? Hast du mal ihre Artikel gelesen, sie ist Pazifistin und distanziert sich von …«

»Gestern«, unterbricht Carlos ihn, »gestern hat der Staatsschutz jemanden von der Brigade verhaftet, der gerade in ihre Wohnung wollte.«

»Ich weiß nicht mal, was die Brigade ist.«

»Eine militante linksgerichtete Gruppierung. Sie steht in einem losen Kontakt zur Antifaschistischen Aktion und zur Revolutionären Front, ist aber unabhängig. Ideologisch steht sie der RAF nahe und will genauso operativ arbeiten wie der Mossad.«

»Das passt doch alles nicht«, sagt Joona.

»Du willst, dass es nicht passt, aber das ist was anderes«, sagt Carlos. »Man wird zu gegebener Zeit eine Suchaktion durchführen und wir werden uns die Strömungsverhältnisse ansehen, damit wir wissen, welchen Weg die Jacht genommen hat. Dann können wir den Grund mit Draggen absuchen und eventuell auch Taucher einsetzen.«

»Gut«, flüstert Joona.

»Wir müssen nur noch herausfinden, warum sie getötet wurden oder warum und wo sie sich verstecken.«

Joona öffnet die Tür zum Flur, bleibt jedoch stehen und dreht sich noch einmal zu Carlos um.

»Was ist mit dem Typen von der Brigade passiert, der versucht hat, in Penelopes Wohnung zu kommen?«

»Sie haben ihn laufen lassen«, antwortet Carlos.

»Haben sie herausgefunden, was er dort wollte?«, erkundigt sich Joona.

»Sie besuchen.«

»Sie besuchen?« Joona seufzt. »Das ist alles, was der Staatsschutz herausgefunden hat?«

»Du gehst nicht zur Brigade«, sagt Carlos mit plötzlicher Sorge in der Stimme. »Ich hoffe doch sehr, das ist dir klar?«

Joona verlässt den Raum und holt sein Handy heraus. Er hört Carlos rufen, dass dies ein Befehl ist und er keine Befugnisse hat, sich in die Kompetenzen des Staatsschutzes einzumischen. Joona sucht Nathan Pollocks Nummer heraus, wählt sie und wartet vor dem Aufzug.

»Pollock«, meldet sich Nathan.

»Was weißt du über die Brigade?«, erkundigt sich Joona, während die Aufzugtüren auseinandergleiten.

»Der Staatsschutz hat über Jahre hinweg versucht, die militanten linken Gruppierungen in Stockholm, Göteborg und Malmö zu infiltrieren und sich ein Bild von ihnen zu machen. Ich weiß nicht, ob die Brigade wirklich so gefährlich ist, aber der Staatsschutz scheint zu glauben, dass die Gruppe über Waffen und Sprengstoff verfügt. Jedenfalls haben mehrere Mitglieder Aufenthalte in Erziehungsanstalten hinter sich und sind wegen gewalttätiger Straftaten verurteilt worden.«

»Ich habe mitbekommen, dass der Staatsschutz vor Penelope Fernandez’ Wohnung einen Mann mit Verbindungen zur Brigade verhaftet hat.«

»Sein Name ist Daniel Marklund, er gehört zum innersten Zirkel«, antwortet Nathan.

»Was weißt du über ihn?«

»Nicht viel«, erwidert Pollock. »Er ist wegen Vandalismus und illegaler Beschaffung von Computerdaten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.«

»Was hat er bei Penelope Fernandez gemacht?«, fragt Joona.

Der Aufzug hält, und die Türen gleiten auf.

»Er war unbewaffnet«, erzählt Nathan. »Bei der ersten Vernehmung hat er einen Rechtsbeistand gefordert, keine Fragen beantwortet und ist noch am selben Tag wieder auf freien Fuß gesetzt worden.«

»Dann wissen wir also nichts?«

»So ist es.«

»Wo finde ich ihn?«, fragt Joona.

»Er hat keinen festen Wohnsitz«, erklärt Nathan. »Laut Staatsschutz wohnt er zusammen mit dem innersten Zirkel in den Räumlichkeiten der Brigade am Zinkensdamm.«

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