Die Zentrale des Staatsschutzes befindet sich in der dritten Etage des großen Landespolizeiamts mit Eingang in der Polhemsgatan. Auf dem Pausenhof des Untersuchungsgefängnisses, der auf dem Dach desselben Gebäudes liegt, ertönt eine Trillerpfeife. Der Leiter der Abteilung für Sicherheitsmaßnahmen heißt Verner Zandén. Er ist ein großer Mann mit spitzer Nase, kleinen, pechschwarzen Augen und einer sehr tiefen Stimme. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch mit weit gespreizten Beinen auf einem Bürostuhl und hält beruhigend eine Hand hoch. Durch das kleine Fenster zum Innenhof fällt bleiches Licht herein. In dem ungewöhnlich tristen Raum steht eine junge Frau namens Saga Bauer. Sie ist Kommissarin und hat sich auf Terrorismusabwehr spezialisiert. Saga Bauer ist erst fünfundzwanzig Jahre alt und hat grüne, gelbe und rote Stoffbändchen in ihre langen blonden Haare geflochten. Sie trägt eine Pistole größeren Kalibers in einem Schulterhalfter unter einer offenen Trainingsjacke mit Kapuze und einem Aufdruck des Boxvereins Narva.
»Mehr als ein Jahr habe ich den Einsatz geleitet«, sagt sie flehend. »Ich habe gefahndet, ich habe Wochenenden und Nächte darauf verwandt …«
»Aber das hier ist etwas anderes«, unterbricht ihr Chef sie lächelnd.
»Bitte, bitte … Du kannst mich nicht schon wieder einfach übergehen.«
»Übergehen? Ein Kriminaltechniker der Landeskripo ist schwer verletzt worden, ein Kommissar wurde angegriffen, die Wohnung hätte explodieren können und …«
»Das weiß ich alles, deshalb muss ich da jetzt hin …«
»Ich habe Göran Stone geschickt.«
»Göran Stone? Ich arbeite hier seit drei Jahren, ich habe nichts zu Ende bringen dürfen, dabei ist das mein Spezialgebiet. Göran hat von so was doch überhaupt keine Ahnung und …«
»In der Kanalisation hat er sich gut geschlagen.«
Saga schluckt.
»Das war auch mein Fall, ich habe die Verbindung zwischen …«
»Aber die Sache wurde gefährlich, und ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.«
Saga wird rot, senkt den Blick, sammelt sich und versucht, ruhig zu sprechen.
»Ich schaffe das schon, genau dafür bin ich ausgebildet worden …«
»Mag sein, aber ich bin nun einmal zu einer anderen Einschätzung gelangt …«
Er zupft an seiner Nase, seufzt und legt die Füße auf den Papierkorb unter dem Schreibtisch.
»Du weißt, dass ich nicht das Ergebnis eines Gleichstellungsplans bin«, erklärt Saga langsam. »Ich bin nicht wegen irgendeiner Frauenquote hier, sondern weil ich bei allen Tests die Beste in meiner Gruppe gewesen bin, ich war die Beste Scharfschützin, die es jemals gab, ich habe zweihundertzehn verschiedene Fälle …«
»Ich mache mir doch nur Sorgen um dich«, sagt er schwach und begegnet dem Blick ihrer hellblauen Augen.
»Aber ich bin kein Püppchen, ich bin keine Prinzessin oder Elfe.«
»Aber du bist so … so …« Verner errötet heftig und hebt die Hände in einer hilflosen Geste. »Okay, verdammt, dann machen wir es eben so, du leitest die Ermittlungen, aber Göran Stone bleibt dabei und passt auf dich auf.«
»Danke«, sagt sie und lächelt erleichtert.
»Aber vergiss bitte nicht, die Sache ist kein Kinderspiel. Penelope Fernandez’ Schwester ist tot, die Frau wurde förmlich hingerichtet, Penelope ist verschwunden …«
»Und ich habe bei mehreren linksextremistischen Gruppierungen verstärkte Aktivitäten festgestellt«, fällt Saga ihm ins Wort. »Wir untersuchen, ob die Revolutionäre Front für den Diebstahl von Sprengstoff in Vaxholm verantwortlich ist.«
»Das Wichtigste ist natürlich herauszufinden, ob eine unmittelbare Bedrohung vorliegt«, sagt Verner.
»Im Moment verläuft die Radikalisierung gewisser Kreise ziemlich rapide. Ich habe eben erst mit Dante Larsson vom Militärischen Nachrichtendienst gesprochen, und er meint, dass man dort in diesem Sommer mit Sabotageakten rechnet.«
»Aber im Moment konzentrieren wir uns auf Penelope Fernandez«, erwidert Verner lächelnd.
»Natürlich. Ja, selbstverständlich.«
»Die kriminaltechnische Untersuchung führen wir in Zusammenarbeit mit der Landeskripo durch, aber ansonsten sollen die aus der Sache möglichst rausgehalten werden.«
Saga Bauer nickt und wartet kurz, ehe sie ihre Frage stellt.
»Werde ich diesen Fall zu Ende führen dürfen? Das ist wichtig für mich, denn …«
»Solange du sattelfest bist«, unterbricht er sie, »aber wir haben keine Ahnung, wo das alles enden wird, momentan wissen wir ja nicht einmal, wo es anfängt.«