92 Ertappt

Axel Riessen wird davon geweckt, dass auf seinem Nachttisch das Telefon klingelt. Erst gegen Morgen ist er neben Beverlys verschwitztem Körper eingeschlafen.

Nun betrachtet er ihr junges Gesicht und erkennt erneut Gretas Züge darin, ihren Mund und ihre Lider.

Beverly flüstert etwas im Schlaf und dreht sich auf den Bauch. Axel spürt beim Anblick ihres zierlichen kleinen Körpers, ihres herzzerreißend jungen Körpers eine Welle der Zärtlichkeit in sich aufwallen.

Er setzt sich im Bett auf und streckt sich nach dem dünnen Buch »Die Panne« von Friedrich Dürrenmatt, als es plötzlich an die Schlafzimmertür klopft.

»Warte«, sagt Axel in dem Moment, als Robert das Zimmer betritt.

»Ich habe gedacht, du wärst schon wach«, sagt sein Bruder. »Ich würde gerne deine Meinung zu einem neuen Instrument hören, das ich …«

Robert erblickt Beverly und bleibt abrupt stehen.

»Axel«, stammelt er. »Was geht hier vor, Axel?«

Beverly wird von seiner Stimme geweckt. Als sie Robert sieht, versteckt sie sich unter der Decke. Axel steht auf und wirft sich den Morgenmantel über, aber Robert weicht vor ihm zurück.

»Der Teufel soll dich holen«, sagt er leise. »Der Teufel soll dich …«

»Es ist nicht so wie du …«

»Hast du sie missbraucht?«, schreit Robert beinahe. »Ein krankes Mädchen?«

»Ich kann dir das erklären«, sagt Axel.

»Du Schwein«, flüstert Robert und packt ihn, reißt ihn zur Seite.

Axel verliert das Gleichgewicht, schlägt mit dem Arm eine Lampe zu Boden. Robert weicht aus dem Zimmer zurück.

»Warte«, sagt Axel und folgt ihm. »Mir ist schon klar, wie das jetzt aussieht, aber du irrst dich. Du kannst sie fragen, wenn …«

»Ich fahre mit ihr zur Polizei«, sagt Robert. »Ich hätte niemals geglaubt, dass du …«

Vor Entrüstung versagt ihm die Stimme, seine Augen füllen sich mit Tränen.

»Ich bin kein Pädophiler«, versucht Axel mit gedämpfter Stimme zu erklären. »Das musst du verstehen. Ich brauche nur …«

»Du brauchst es nur, dich an Kindern zu vergreifen«, unterbricht Robert ihn und sieht völlig verzweifelt aus. »Du nutzt einen anderen Menschen aus, obwohl du versprochen hast, dich um sie zu kümmern und sie zu beschützen.«

Axel bleibt in der Bibliothek vor ihm stehen. Robert lässt sich schwer auf die Couch fallen, sieht seinen Bruder an und versucht, mit fester Stimme zu sprechen:

»Axel, dir ist doch wohl klar, dass ich mit ihr zur Polizei gehen muss«, sagt er.

»Ja«, antwortet Axel. »Das ist mir klar.«

Robert bringt es nicht über sich, seinen Bruder anzusehen, er streicht sich über den Mund und seufzt.

»Am besten tue ich das direkt«, sagt er.

»Ich gehe sie holen«, sagt Axel und geht ins Schlafzimmer.

Beverly sitzt im Bett, lächelt und wackelt mit den Zehen.

»Zieh dich an«, sagt er ernst. »Du wirst Robert begleiten.«

Als er in den Salon zurückkehrt, steht Robert augenblicklich von der Couch auf. Sie stehen wortlos zusammen, den Blick gesenkt, und warten.

»Du bleibst hier«, sagt Robert leise.

»Ja«, flüstert Axel.

Nach einer Weile kommt Beverly. Sie hat eine Jeans und ein T-Shirt angezogen. Sie ist ungeschminkt und sieht noch jünger aus als sonst.

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