»Ich habe es dem unsterblichen Gustav Adolf, dem Wallenstein und andern Feldherrn immer gesagt, die Beinschienen müßten nach meiner bescheidenen Meinung auch kugelsicher sein.«

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Wir müssen Kapitän Dalgetty seinem Schicksal überlassen, um in Kürze die militärischen Operationen Montroses wiederzugeben, die freilich eines umfänglicheren Buches und eines besseren Geschichtsschreibers würdig wären. Mit dem Beistand der früher erwähnten Häuptlinge und nach dem Bündnis mit den Morays, Stewarts und andern Sippschaften von Athole hatte er bald ein Heer von zweitausend bis dreitausend Hochländern zusammengebracht, zu denen noch das irische Korps unter Colkitto kam. Die ganze Streitmacht war bei Strathearn, am Rande der Hochlande von Perthshire vereinigt.

Sein Gegner hatte sich gerüstet, ihn zu empfangen. Argyle zog an der Spitze seiner Hochländer dicht hinter den Irländern, die auf dem Marsch von Westen nach Osten begriffen waren, her und hatte eine Armee vereinigt, die stark genug war, mit Montrose eine Schlacht zu wagen.

Zuvörderst kam es zu einem Zusammentreffen zwischen Montrose und dem Heere Lord Elchos auf der Ebene von Tippermuir – einer offenen Heide.

Niemals ist eine Schlacht, die von großer Wichtigkeit war, mit so großer Leichtigkeit entschieden worden. Montrose schlug das feindliche Heer völlig aufs Haupt.

Die Sieger besetzten Perth und erbeuteten bedeutende Geldsummen und Vorräte an Waffen und Munition. Diese Vorteile wurden jedoch aufgewogen durch einen unüberwindlichen Übelstand, der sich stets bei einem hochländischen Heere einstellte.

Die Sippschaften waren nicht dahin zu bringen, sich als reguläre Soldaten zu betragen. Wenn eine Schlacht geschlagen war, so war ihrer Meinung nach auch der Feldzug zu Ende. War die Schlacht verloren worden, so flüchteten sie in die Berge, um sich selbst in Sicherheit zu bringen, war sie gewonnen worden, so kehrten sie ebenfalls dorthin zurück, um ihre Beute in Sicherheit zu bringen. Ein andermal wieder mußten sie heim, um die Herden zu versorgen, die Felder zu bestellen, die Ernte herein zu holen, da ihre Familien sonst verhungert wären.

In beiden Fällen taten sie keine Kriegsdienste mehr. Sie waren wohl durch die Aussicht auf neue Beute zur Rückkehr zu bewegen; bis dahin aber war der günstige Zeitpunkt des Erfolges verpaßt, der später nicht wieder kam.

Hieraus erklärt es sich, weshalb Montrose ungeachtet seiner glänzenden Erfolge nie festen Fuß im Flachlande fassen konnte und weshalb er oft sich zu plötzlichem Rückzug vor demselben Feinde gezwungen sah, den er vor kurzem geschlagen hatte. Auf eben dieselbe Ursache war es zurückzuführen, daß Montrose nicht imstande war, einem zweiten Heere Argyles die Spitze zu bieten, das unter dem Marquis selber von Westen aus ihm entgegenrückte.

Was ihm an Stärke fehlte, wollte er durch Schnelligkeit wieder gut machen, und er zog von Perth nach Dundee. Als ihm aber diese Stadt die Tore nicht öffnete, marschierte er nach Aberdeen in der Erwartung, daß dort die Gordons und andere Royalisten zu ihm stoßen würden. Diese aber wurden durch eine etwa 3000 Mann starke Abteilung Covenanters unter Lord Burleigh in Schach gehalten.

Dieses Korps nun griff Montrose kühn an, obgleich er ihm um die Hälfte unterlegen war, und siegte wieder.

Es war aber das Mißgeschick dieses Feldherr, das er immer nur den Ruhm, selten die Früchte des Sieges ernten konnte. Kaum konnte er seinem kleinen Heer in Aberdeen Ruhe gönnen, da mußte er erkennen, daß er auf Vereinigung mit den Gordons nicht rechnen durfte, und Marquis von Argyle rückte ihm entgegen mit einem weit stärkeren Heere, als ihm bisher eines gegenübergestanden hatte.

Nur ein Rückzug blieb dem Grafen von Montrose, und er schlug ihn ein: er zog in die Hochlande. Dort war er vor Verfolgung sicher und konnte auch die Wehrpflichtigen wieder sammeln, die ihn verlassen hatten. So konnte er sich furchtbarer als je dem Feinde wieder entgegenwerfen, dem er vor kurzem noch nicht hatte widerstehen können.

Das Parlament sandte wiederholt Befehl an Argyle, das Heer Montroses anzugreifen und zu zersprengen. Dieser Befehl entsprach weder dem stolzen Sinn noch der vorsichtigen zögernden Politik dieses Staatsmannes, und als Montroses Heer durch mehrere Verstärkungen zu gewaltiger Zahl angewachsen war, behagte es Argyle nicht länger, an der Spitze der gegen ihn ausgesandten Armee zu stehen. Er kehrte nach Edinburgh zurück und legte den Oberbefehl nieder unter dem Vorwande, daß sein Heer in ungenügender Weise verstärkt und nicht ausreichend mit Proviant versehen worden sei. Von Edinburgh begab sich der Marquis zurück nach Inverary, um in voller Sicherheit über seine eigenen Lehensleute zu herrschen.

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Ein glänzender Weg lag jetzt dem Grafen von Montrose offen, wenn seine tapfern, aber unregelmäßig kommenden und gehenden Truppen und die unabhängigen Häuptlinge sich bereit erklärten, ihm zu folgen. Das ganze Flachland war ihm freigegeben, denn es war kein genügend starkes Heer da, ihm in den Weg zu treten. Er brauchte sich nur dort zu zeigen, und der schlummernde Geist der Ritterlichkeit und Königsliebe, der die Edelleute im Norden des Forth beseelte, würde neu erwachen. Auch wäre es dann möglich gewesen, eine Verbindung mit den noch nicht unterworfenen Streitkräften des Königs herzustellen.

Dieser Plan, der glänzenden Ruhm verhieß, entsprach dem kühnen ehrgeizigen Geiste des Feldherrn. Die westlichen Häuptlinge aber sahen alle in dem Marquis von Argyle das unmittelbare und einzige Ziel ihrer Feindseligkeiten. Für sie war es daher wichtiger und wünschenswerter, Inverary einzunehmen, als Edinburgh zu erobern. Sie wollten sich für die Vergangenheit rächen und für die Zukunft sichern.

Diese Absichten berührten eine entsprechende Saite im Herzen Montroses, die nicht ganz dem Edelsinn seines Wesens entsprach. Zwischen den Häusern Argyle und Montrose herrschte von früher her bittere Feindschaft, die zwischen den gegenwärtigen Repräsentanten beider Geschlechter infolge ihrer eifersüchtigen Nebenbuhlerschaft auf den Höhepunkt gestiegen war.

Trotzdem es nun Montrose innerlich sehr danach verlangte, nach Argyleshire zu rücken, wollte er doch seinen glänzenden Plan zu dem Feldzug ins Flachland nicht so leicht aufgeben, und mehrmals schon hatte er mit den höchsten unter seinen Häuptlingen Kriegsrat abgehalten.

Eben hatte abermals ein solcher Rat getagt, und Montrose war in die Hütte gegangen, die ihm zum Zelte diente, und hatte sich auf seine Schütte trockenen Heidekrautes ausgestreckt – da meldete der Soldat, der vor seinem Zelt auf Posten stand, zwei Männer wünschten Se. Exzellenz zu sprechen.

»Wie heißen sie?« fragte Montrose, »und was führt sie zu so später Stunde her?«

Der Mann, ein Ire von Colkittos Leuten, konnte hierüber keine Auskunft geben, und Montrose hatte sich kaum von seinem Lager erhoben, als die beiden Männer auch schon hereintraten: Der eine in einem Kleide von Gemsleder, das fast ganz zerfetzt war, der andere, ein großer, alter, hochaufgerichteter Hochländer, dessen eisengraues Gesicht in Frost und Sturm verwittert war.

»Womit kann ich Euch dienen, Freunde?« fragte der Graf und legte unwillkürlich die Hand an eine seiner Pistolen, denn die Zeit überhaupt wie auch die nächtliche Stunde ließen einen Verdacht, den obendrein ein nicht gerade harmloses Aussehen seiner Gäste verstärkte, durchaus als gerechtfertigt erscheinen.

»Mein edler General und ehrenwerter Lord,« sagte der im Gemskleide, »ich möchte Euch Glück wünschen zu den großen Siegen, die Ihr errungen habt, seit ich das Glück hatte, von Euch zum Abgesandten erkoren zu werden. Das Treffen von Tippermuir war eine sehr hübsche Bataille – dennoch aber möchte ich Euch den Rat geben –«

»Ehe Ihr das tut,« unterbrach ihn der Graf, »laßt mich doch bitte wissen, wer mich mit seinen Ratschlägen beehren will.«

»Meiner Treu, Mylord,« war die Antwort, »ich hätte nicht geglaubt, daß dies vonnöten sei, da ich doch vor gar nicht langer Zeit erst als Major mit einem halben Taler Sold pro Tag bei Euch in Dienst getreten bin. Hoffentlich hat Eure Lordschaft nicht ebenso meinen Sold wie meine Person vergessen.«

»Mein guter Freund, Major Dalgetty,« rief Montrose, sich jetzt des Mannes vollkommen erinnernd. »Bedenkt, wieviel sich inzwischen ereignet hat, daß ich wohl die Gesichter einiger Freunde habe vergessen können. Auch ist die Beleuchtung sehr schlecht. – Was bringt Ihr neues aus Argylshire? Ich gab Euch schon verloren und wollte eben nachdrücklichste Rache an dem alten Fuchs nehmen, der das Kriegsrecht in Eurer Person verletzt hat.«

»Meiner Treu, mein edler Lord,« antwortete Dalgetty, »ich verdanke es auch keineswegs der Gunst oder Gnade des Marquis von Argyle, daß ich jetzt vor Euch stehe, und es sei ferne von mir, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Daß ich mit dem Leben davon gekommen bin, verdanke ich zunächst Gott, dann meiner eignen Geschicklichkeit als erfahrener Krieger und schließlich der Hilfe dieses alten Hochländers, den ich der besondern Gunst Eurer Lordschaft empfehle. – Knie nieder, Ranald, und küsse Sr. Exzellenz die Hände.«

Da diese Ehrerbietung nicht der in Ranalds Vaterland üblichen Sitte entsprach, begnügte er sich, die Hände über der Brust zu kreuzen und das Haupt tief zu neigen.

»Was ist Euer Name, Freund?« fragte Montrose den Hochländer.«

»Mein Name darf nicht genannt werden,« antwortete der Bergbewohner.

»Das heißt,« setzte Major Dalgetty erläuternd hinzu, »er wünscht seinen Namen geheim zu halten, weil er nämlich früher mal ein Schloß überfallen, ein paar Kinder getötet und noch andere Streiche verübt hat, wie es eben im Kriege so zugeht.«

»Ich verstehe,« sagte Montrose, »dieser Mann liegt mit einigen meiner Anhänger in Fehde. Er mag auf die Wachtstube gehen, und wir wollen uns überlegen, wie wir ihm am besten Schutz gewähren können.«

»Hört Ihr, Ranald,« sagte Major Dalgetty mit großtuerischer Miene, »Se. Exzellenz wünscht mit mir einen Kriegsrat abzuhalten. Ihr müßt so lange auf die Wache gehen – er weiß nicht, wo das ist, der arme Kerl – er ist zwar ein alter Mann, aber noch ein sehr junger Soldat. Ich will ihn unter die Obhut eines Postens bringen und bin sofort wieder bei Eurer Lordschaft.«

Die ersten Fragen, die Graf von Montrose an Kapitän Dalgetty richtete, betrafen die Gesandtschaft nach Inverary. Als die Papiere ihm übergeben worden waren, die Dalgetty im Kabinett Argyles sich angeeignet hatte, riß Montrose eine Fackel von der Wand und vertiefte sich eine zeitlang in diese Akten, die anscheinend etwas enthielten, das seinen Ingrimm gegen seinen Rivalen Argyle erregte.

»Er fürchtet mich nicht!« rief er, »so soll er meine Macht fühlen. Schloß Murdoch will er in Brand stecken! – vorher sollen in Inverary die Rauchwolken aufsteigen! hätte ich nur jemand, der mich durch den Forst von Strathfillan führte!«

Dalgetty begriff sogleich, worauf Montrose hinaus wollte, und erwiderte:

»Wenn Eure Exzellenz einen Angriff gegen Argyleshire plant – dieser arme Mann Ranald und seine Gefährten kennen jeden Weg und Steg in diesem Landstrich.«

»Wirklich?« rief Montrose. »Woher glaubt Ihr das zu wissen?«

»Ich bin eine zeitlang bei dieser Sippe gewesen, bis meine Wunde geheilt war, und da hatte ich reichlich Gelegenheit, ihre ganz ausgezeichnete Kenntnis dieses Landes zu bewundern. Diese biedere, schlichte Kreatur, Ranald Mac Eagh, hat mich und meinen edeln Gustavus auf sichern Pfaden hergeführt und ich habe mir selber gesagt, wenn man Führer oder Kundschafter auf einem Streifzuge durch dieses Gebiet braucht, kann man keine bessern finden, als ihn und seine Genossen.«

»Könnt Ihr dafür bürgen, daß der Mann zuverlässig ist?« fragte Montrose. »Wie heißt er und was treibt er?«

»Von Beruf ist er Räuber und Dieb, ab und zu auch ein bißchen Mörder und Totschläger,« antwortete Dalgetty, »und heißt Ranald Mac Gagh, das bedeutet Ranald, Sohn des Nebels.«

»Ich erinnere mich dieses Namens,« erwiderte Montrose. »Aber es ist sehr fatal, daß zwischen dieser Sippe und den Mac Aulays tödliche Feindschaft herrscht. Allan war sehr tapfer im Kriege und hat durch seine Wildheit und sein geheimnisvolles Wesen großen Einfluß auf seine Landsleute. Es könnte unangenehme Folgen haben, ihn irgendwie zu kränken. Wie könnten wir uns aber davor sichern, daß diese Fehde wieder zum Ausbruch kommt?«

Er schwieg und setzte dann hinzu:

»Ich vergaß, daß ich schon zu Abend gegessen habe, Ihr aber habt einen Ritt bei Mondschein gemacht.«

Er ließ durch einen Diener Wein und Erfrischungen bringen, über die sich Kapitän Dalgetty mit dem Appetit eines Rekonvaleszenten hermachte.

»Noch liegt mir Argyles schwarzes und schimmliges Brot im Magen, und die Gerichte der Kinder des Nebels haben so wenig bei mir angeschlagen, daß ich in meiner Rüstung saß, wie ein verschrumpfter Kern in einer Nuß. Ich werde auch nicht eher das verlorene Gewicht wieder ersetzen können, als bis ich allen rückständigen Sold ausbezahlt bekommen habe.« »Laßt uns nur erst noch eine Schlacht gewinnen, nur einen Sieg noch, Major, und alle Eure Wünsche sollen erfüllt werden! Inzwischen trinkt noch einen Becher Wein!«

»Auf Euer Wohlsein, Exzellenz!« rief Dalgetty. »Mögt Ihr siegen über alle Eure Feinde und besonders über Argyle!«

»Schon gut!« versetzte Montrose. »Was aber die Kinder des Nebels anbelangt, so muß es selbstverständlich ein Geheimnis zwischen uns beiden bleiben, daß wir diese Sippe bei uns haben, und wozu wir sie gebrauchen.«

Der Major, über dieses Zutrauen seines Generals entzückt, gab durch ein Kopfnicken sein Einverständnis kund.

»Wie groß an Zahl ist Ranalds Sippschaft?« fragte Montrose.

»Soviel ich weiß, sind es nur noch ihrer acht oder zehn und ein Paar Weiber –« antwortete Major Dalgetty.

»Wo halten sie sich jetzt auf?« fragte Montrose.

»In einem Tale drei Meilen von hier,« erwiderte der Soldat. »Sie harren dort der Befehle Eurer Exzellenz, denn ich hielt es nicht für angebracht, sie in Euer Lager zu bringen.«

»Das war sehr vernünftig von Euch,« sagte Montrose. »Die Leute mögen nur bleiben, wo sie sind. Ich will ihnen Geld schicken – allerdings habe ich jetzt selber herzlich wenig.«

»Wie Euer Exzellenz beliebt.«

»Ranald Mac Eagh soll zwei seiner Leute aussuchen, auf die er sich verlassen kann. Er selbst und diese Männer sollen dann unsere Führer sein. Morgen bei Tagesanbruch sollen sie vor mein Zelt kommen. Hat der alte Mann noch Kinder?«

»Die haben alle im Kampfe oder am Galgen ihr Ende gefunden,« versetzte der Major, »er hat aber noch einen vielversprechenden Enkel –«

»Dieser Knabe soll mein Leibpage werden, ich glaube er wird soviel Verstand haben, daß er seinen Namen geheim halten kann. Der Knabe soll mir eine Geisel für die Treue seines Vaters sein. Und nun, Major Dalgetty, muß ich Euch für heute abend entlassen, morgen führt mir diesen Mac Eagh unter irgend einem Namen vor. Mein Kammerdiener wird Euch Euer Quartier anweisen.«

Achtundzwanzigstes Kapitel

Bei Morgengrauen empfing Montrose den alten Mac Eagh. Die Antworten, die Ranald ihm auf seine vielen Fragen erteilte, schrieb er sich auf und verglich damit die Antworten der beiden Männer, die ihm Mac Eagh als die gewandtesten und erfahrensten zuführte. Obgleich die verschiedenen Aussagen völlig übereinstimmten, befragte er doch noch zur Vorsicht die Häuptlinge, deren Besitzungen Argyleshire am nächsten lagen, und verglich nun auch deren Bescheid mit der Auskunft der Söhne des Nebels.

Nunmehr fest überzeugt von der Richtigkeit der Angaben, beschloß er, vertrauensvoll darauf einzugehen. Nur in einem Punkte wich er von seiner Absicht ab. Er hielt es nicht für angebracht, den Burschen Kenneth zu seinem Pagen zu machen, er bat daher Major Dalgetty, den Knaben in seinen Dienst zu nehmen, womit dieser einverstanden war.

Zur Frühstückszeit besuchte Major Dalgetty seine alten Bekannten, Lord Menteith und Allan Mac Aulay, denen er seine Abenteuer mitzuteilen wünschte. Das Wiedersehen bereitete ihnen natürlich Vergnügen, denn jede Abwechslung in ihrem gleichförmigen Soldatenleben war ihnen willkommen.

Nur Allan Mac Aulay benahm sich etwas zurückhaltend, worüber Major Dalgetty natürlich ein wenig pikiert war.

Ranalds Tracht aus gewürfeltem Zeug war inzwischen mit einem Anzug vertauscht worden, der, aus einem Stück verfertigt und von oben bis unten mit Schnüren besetzt, aus einer Ärmelweste mit Schößen, einer gewirkten Hose und einer Mütze aus kariertem Stoff bestand.

Den Blick auf Allan Mac Aulay heftend, stellte Major Dalgetty den Sohn des Nebels vor unter dem erfundenen Namen Ranald Mac Gillihuron von Benbecula, mit dem er zusammen aus dem Kerker Argyles entronnen sei. Er lobte die Künste des Mannes im Harfen- und Zitherspiel, auch sei ihm die Gabe des zweiten Gesichts verliehen.

Bei diesen Worten geriet Major Dalgetty in Verlegenheit, er stammelte und stockte, was sonst bei seiner Zungenfertigkeit gar nicht seine Art war. Hierdurch hatte er Allan Mac Aulay mißtrauisch machen müssen, hätte dieser nicht seine ganze Aufmerksamkeit darauf verwendet, gespannten Blickes in den Zügen der ihm vorgestellten Person zu lesen. Dieser feste Blick brachte Ranald derart aus der Fassung, daß er, eines Angriffs gewärtig, die Hand an seinen Dolch legte – da kam Allan Mac Aulay plötzlich auf ihn zu und reichte ihm die Hand zum Gruß.

Sie setzten sich nebeneinander und unterhielten sich leise und geheimnisvoll.

»Tritt das Gesicht finster vor Euern Geist?« fragte Allan seinen neuen Bekannten.

»Finster wie der Schatten vor den Mond,« erwiderte Ranald, »wenn er sich auf seiner Bahn verdunkelt und Seher böse Zeiten prophezeien.«

Während die beiden in ihr mystisches Gespräch vertieft waren, traten die beiden englischen Ritter in das Zelt und meldeten Angus Mac Aulay, daß sich alles für einen baldigen Marsch nach Westen bereit halten sollte.

»In diesem Falle,« sagte Angus, »muß ich Befehl erteilen, daß Annot Lyle sicher transportiert wird, denn bis ins Gebiet Mac Cullum Mores ist es ein weiter und beschwerlicher Marsch.«

»Ist denn Annot Lyle beim Heere?« fragte Major Dalgetty.

»Gewiß,« antwortete Sir Miles Musgrave, »wir können nicht marschieren noch kämpfen, nicht vorrücken noch zurückgehen ohne diese Königin der Harfe.«

»Würdet Ihr ein unschuldiges Mädchen, die Gespielin Eurer Kindheit, in Not und Elend umkommen lassen? Kein Dach ist jetzt auf der Stätte meiner Väter – unsere Ernte ist vernichtet – unser Vieh hinweggetrieben – Ihr Herren könnt Gott danken, daß Ihr nicht in einem Lande wohnt, wo unbarmherziger Krieg beständig Euer Leben und die schutzlosen Pfänder Eurer Liebe gefährdet!«

Die Gesellschaft zerstreute sich, und ein jeder ging seinen besonderen Verrichtungen nach.

Allan blieb einen Augenblick zurück, um Ranald Mac Eagh über eine Vision zu befragen, die ihm große Unruhe bereitete.

»Öfters hatte ich die Vision eines Galen,« sagte er, »der seine Waffe in Menteiths Leib zu stoßen schien – dies ist der junge Edelmann im scharlachroten Mantel. Ich starrte hin, und meine Augen traten fast aus ihren Höhlen, aber wie sehr ich mich auch anstrengte, das Angesicht dieses Hochländers habe ich nicht sehen können. Auch kann ich mir nicht denken, wer es sein mag, obzwar mir Haltung und Gestalt bekannt vorkamen.«

»Habt Ihr Euern Mantel umgekehrt?« fragte Ranald Mac Eagh. »Erfahrne Seher machen es so.«

»Das tat ich,« entgegnete Allan leise, vor innerm Seelenschmerz erschaudernd.

»Und wie erschien Euch dann der Schemen?«

»Er hatte auch den Mantel umgedreht,« antwortete Allan leise und krampfhaft.

»Dann könnt Ihr überzeugt sein, daß Ihr selber und niemand anders die Tat vollbringen werdet, die Ihr als Spukbild gesehen.«

»Was habe ich voller Angst oft selber vermutet,« entgegnete Allan. »Aber das ist unmöglich! Wenn ich es selbst lesen könnte im ewigen Buche des Schicksals, ich würde es für unmöglich erklären! Wir sind Blutsverwandte und durch engste Freundschaft mit einander verknüpft – wir haben in Schlachten nebeneinander gefochten – unsere Schwerter haben gedampft vom Blute derselben Feinde – es ist unmöglich, daß ich gegen ihn den Dolch zücken sollte!«

»Es steht fest, daß Ihr es tun werdet,« antwortete Ranald Mac Eagh, »wenn auch die Ursache im Dunkel der Zukunft liegt. Ihr sagt, Ihr wäret Seite an Seite mit Bluthunden Euerm Wilde gefolgt? Saht Ihr noch nie, wie Bluthunde die Zähne gegeneinander fletschten und um den Kadaver eines erwürgten Hirsches sich stritten?«

»Es ist nicht wahr,« rief Allan, »nicht die Vorbedeutung des Schicksals ist es, sondern die Versuchung eines bösen Geistes der Hölle!«

Mit diesen Worten ging er hinaus.

Der Sohn des Nebels sah ihm mit verzückten Blicken nach.

»Ha!« rief er aus. »Der Widerhaken des Pfeiles sitzt in deiner Hüfte! Freut euch, ihr Geister der Erschlagenen! Die Schwerter eurer Mörder werden sich baden im eigenen Blute!«

Neunundzwanzigstes Kapitel

Am nächsten Morgen war alles bereit. In Eilmärschen erreichte Montrose den Tayfluß und überflutete mit seinen Streitkräften das romantische Tal des gleichen Namens. Die Bewohner waren Vasallen des mit Argyle nah verwandten Hauses Glenorchy. Sie vermochten keinen Widerstand zu leisten und mußten die Verwüstung wehrlos mitansehen, der ihre Häuser und Herden anheimfielen.

Selbst für ein Heer unserer Zeit wäre der Marsch durch diese weite Wildnis eine schwere Aufgabe gewesen. Damals aber war noch gar keine Straße vorhanden, und die Schwierigkeit war dadurch noch gesteigert, daß schon Schnee auf den Bergen lag. Erhaben sah die in glänzendem Weiß erstrahlende Masse aus, während die dahinter liegenden Höhen in rosigem Abendrot erstrahlten. Weit über alle hinweg ragte der Ben Cruachan, die Feste der Berggeister dieser Gegend, mit seinem leuchtenden Gipfel viele Meilen weit sichtbar.

Montroses Mannen ließen sich durch den erhabenen, aber doch auch furchtbaren Anblick nicht abschrecken. Hinter dem Schneegebirge winkte Raub und Rache, und das flößte ihnen Eifer ein, alle Schwierigkeiten zu überwinden.

Mit der Schnelligkeit von Bergbewohnern rückten die Truppen vor, und hatten bald den gefahrvollen Paß erreicht, auf dem Ranald sie führen sollte. Die schwache Menschenkraft erscheint am allerverächtlichsten im Kontrast zu erhabenen und furchtbaren Naturszenen. Montroses überall siegreiches Heer, vor dem ganz Schottland erbebte, erschien nur noch wie eine Handvoll elender Nachzügler, als der erste schauerliche Paß überwunden war. Jeden Augenblick konnten sie in den Schluchten des Gebirges versinken, deren Abgründe unter ihnen klafften.

Montrose selbst bereute fast die Tollkühnheit seines Unternehmens, als er vom Gipfel der ersten erklommenen Höhe herab sein auseinander gezogenes Heer übersah. Schon waren in der Marschkolonne weite Lücken, die Verwirrung hervorriefen und Gefahr mit sich brachten. Später äußerte er oft, 200 beherzte Kerle hätten die Pässe halten und sein Heer zurückwerfen können.

Um einer weitern Panik vorzubeugen, teilte Montrose sein Heer in drei Abteilungen; das erste führte der alte Ranald, das zweite Colkitto, das dritte Montrose selber. Nun konnte er von drei Seiten in die Grafschaft Argyleshire einrücken. Das erste Zeichen dieses furchtbaren Überfalls war, daß die Schäfer von den Bergen flüchteten. Ehe noch die Mannen des Clans aufgeboten waren, hatte der Feind, ihren Bewegungen zuvorkommend, sie schon niedergemacht, entwaffnet oder zerstreut.

Argyle konnte sich nur durch rasche Flucht vorm Tode oder der Gefangenschaft retten. Wenn aber Argyle auch dem Gericht entging, so wurde sein Land und seine Sippe umso schwerer heimgesucht, und die Verwüstung dieses unglücklichen Landes ist oft mit Recht als ein Flecken auf dem Ehrenschild Montroses bezeichnet worden.

Der Marquis war nach Edinburgh geflüchtet, um beim Parlament Klage zu erheben. Im Drang des Augenblicks war eine zahlreiche Armee unter dem gewandten und zuverlässigen General Baillie aufgeboten worden. Auch Argyle hatte in seinem Rachedurst eine beträchtliche Anzahl von Streitern gesammelt. In Dunbarton vereinigte er sich mit Baillie und rüstete sich zum Anmarsch gegen seinen Feind.

Inzwischen war noch ein drittes Heer unter dem Grafen von Seaforth zusammengetreten, das Montrose von Invernesshire aus bedrohte. Nun schien Montroses Untergang gewiß, denn er war von allen Seiten von überlegenen Streitkräften eingeschlossen. Allein gerade in solchen Gefahren riß die Tatkraft und Unternehmungslust des großen Mannes seine Freunde zur Bewunderung, seine Feinde zu erstauntem Schrecken hin. Wie mit einem Zauberschlage hatte er seine verstreute Macht aus dem verheerten Lande geführt und sich nach Norden in die Gebirge von Lochaber zurückgezogen.

Scharfsinnig erkannten die gegen Montrose entsandten Generäle sofort, daß ihr tatkräftiger Gegner beabsichtige, dem Grafen Seaforth eine Schlacht anzubieten, um ihn womöglich zu vernichten, ehe ihm noch Hilfe gebracht werden konnte. Sie änderten nun ihre Maßnahmen entsprechend. Baillie trennte sich von Argyle, zog an der Südseite der Grampianberge hin, rückte in die Grafschaft Angus und wollte von dort bis nach Aberdeenshire vorgehen, um Montrose aufzufangen.

Argyle marschierte hinter Montrose her, um ihm, wenn

er sich mit Seaforth oder Baillie in einen Kampf einließ, in den Rücken zu fallen.

In diesem Zweck rückte Argyle wieder nach Inverary. Hier stand er nun an der Spitze von 3000 mutigen Kriegern. Er hatte den Oberbefehl, seine Unterbefehlshaber waren Sir Duncan Campbell von Ardenvohr und Sir Duncan Campbell von Auchenbreck – ein erfahrener, alter Soldat, aber bei Argyles unzugänglichem Wesen war es unmöglich, daß die Ratschläge seiner unerschrockenen Kommandeure zur Ausführung gelangten. Trotzdem er die Übermacht hatte, blieb er dabei, hinter Montrose herzumarschieren und ein Gefecht vorläufig zu vermeiden.

Dreißigstes Kapitel

Obwohl die zur Verfügung stehenden Wege schon schlecht genug waren, schlug Montrose doch noch schlechtere ein, und wie ein Rudel wilder Hirsche zog seine Schar von Gebirg zu Gebirg, von Forst zu Forst. Dabei wurden Argyles Operationen scharf überwacht, und jede Kunde über sein Verhalten dem General sofort übermittelt.

Von den Strapazen des Tages erschöpft, hatte Montrose sich in einer Mondnacht zum Schlafe in einem Schuppen niedergestreckt. Kaum hatte er ein paar Stunden geschlummert – da faßte ihn jemand an der Schulter. Er sah auf und erkannte an der hohen Gestalt und der tiefen Stimme den Häuptling der Camerons.

»Ich bringe Euch wichtige Meldung,« sagte der Häuptling, »steht auf und hört!«

»Mac Ilduy bringt nur Wichtiges,« sagte Montrose. »Ist es gute oder schlechte Kunde?«

»Wie Ihrs nehmt,« antwortete der Häuptling.

»Und zuverlässig?« fragte Montrose.

»Ja, sonst hätte sie Euch ein andrer Bote gebracht,« antwortete Mac Ilduy. »Hört! Mit sechs meiner Leute bin ich voraus gegangen nach Inverlochy zu, und ich stieß auf Jan von Glenoy, der als Kundschafter ausgeschickt war. Argyle ist auf dem Marsche nach Inverlochy mit 3000 auserlesenen Kriegern – dies ist meine Nachricht, sie ist zuverlässig, was sie wert ist, mögt Ihr selber abschätzen.«

Er ließ sich Licht bringen und überzeugte sich bald, daß er über nicht mehr als 1200 bis 1400 verfügte, denn seine Anhänger hatten sich wieder zum größten Teil zerstreut, um ihre Beute in Sicherheit zu bringen.

»Ein Drittel von dem, was Argyle hat,« sagte Montrose. »Hochländer gegen Hochländer! Mit Gottes Segen für die Sache des Königs würde ich nicht zaudern, wären wir nur bloß zwei gegen einen!«

»Wohl, so zaudert nicht!« sagte Mac Ilduy. »Gebt das Zeichen zum Angriff gegen Mac Cullum More, und niemand in den Tälern wird taub bleiben gegen Eure Mahnung. Ich selber würde mit Feuer und Schwert die erbärmlichen vernichten, die zurückbleiben sollten. Morgen oder übermorgen soll der Tag der Schlacht für alle sein, die sich Mac Donell oder Cameron nennen!«

»Mutig gesprochen, edler Freund, wir wollen also die Häuptlinge so rasch wie möglich zusammenrufen. Ihr selbst, Mac Ilduy, sollt uns auf dem nächsten Wege dem Feinde entgegenfahren!«

Bald darauf war Alarm im Lager, und alles erhob sich von der rauhen Lagerstatt.

»Ich hätte mir nie träumen lassen,« sagte Major Dalgetty, als er sich von einer Schütte von Heidekraut erhob, »daß ich von einem Bette, das so hart ist wie ein Stallbesen so mißmutig aufstehen würde!«

Mit diesen Worten ging er in den Kriegsrat. Hier stimmte auch er dafür, daß man zurückmarschieren und Argyle die Spitze bieten sollte.

Die Häuptlinge von Glengarry, Keppoch und Lochiel sandten das feurige Kreuz ihren Vasallen, um jeden kampffähigen Mann zu dem Heere Montroses zu rufen, das nach Inverlochy vorrücken sollte. Der nachdrücklich gegebene Befehl wurde schnell und willig befolgt.

Während Montrose seinen Marsch ausführte, war Argyle an der Spitze seines Heeres bis zum Fluße Loch–eil vorgerückt. Das alte Schloß Inverlochy, früher eine königliche Festung, bot ein geräumiges Hauptquartier für Argyles Heer. Im Kriegsrate äußerte Argyle seine feste Überzeugung, daß Montrose so gut wie vernichtet wäre, daß seine Truppen sich lichten mühten, sobald er auf so rauhen Pfaden weiter gen Osten rückte, daß er, wenn er weiter gen Norden rückte, dem Heere Seaforths nicht entrinnen könne; wenn er aber Halt machen würde, so wäre er dem Angriffe von drei Heeren auf einmal ausgesetzt.

»Ich kann keinen Geschmack an dem Plane finden, daß wir so wenig bei der Vernichtung James Grahams mitwirken sollen, mich verlangt danach, Blutstropfen gegen Blutstropfen mit ihm abzurechnen. Mir paßt es nicht, daß für solche Schulden ein dritter Abrechnung halten soll.«

»Da nehmt Ihrs zu genau,« sagte Argyle, »was hat es zu sagen, durch wessen Hand Grahams Blut vergossen wird? Vor allem ist es Zeit, daß keines mehr von den Söhnen von Diarmid fließe. Was meint Ihr dazu, Ardenvohr?«

»Ich meine, Mylord, Auchenbreck wird Gelegenheit erhalten, persönlich mit Montrose abzurechnen. Unsere Vorposten haben gemeldet, die Camerons zögen ihre ganze Macht am Rande, des Ben–nevis zusammen. Daraus geht nicht hervor, daß sie den Rückzug zu decken, sondern daß sie sich dem Heere Montroses anzuschließen beabsichtigten.«

»Jedenfalls verfolgen sie den Plan, uns anzulocken,« sagte Argyle. »Montrose beabsichtigt sicher, unsere Vorposten anzugreifen oder sich morgen mit uns in Plänkeleien einzulassen.« »Ich habe Kundschafter nach jeder Richtung ausgesandt,« sagte Sir Duncan, »und wir werden bald hören, wo und in welcher Absicht der Feind sich zusammenziehen, wird.«

Einunddreißigstes Kapitel

In später Stunde erst, als der Mond schon aufgegangen war, trafen die Nachrichten ein. Gleich darauf war Alarm im Lager und im Schlosse.

Von den Kundschaftern, die Ardenvohr ausgesandt hatte, brachten einige nur unverbürgte Mitteilungen über Truppenbewegungen im Lande der Camerons. Andere, die sich weiter gewagt hatten, waren in einen Hinterhalt gefallen und erschlagen worden.

Die Vorhut Montroses stieß mit den Vorposten Argyles zusammen, beide tauschten ein paar Musketenschüsse aus und zogen sich dann auf ihr Gros zurück, um Meldung zu erstatten und weiteren Befehl zu empfangen. Sir Duncan Campbell und Auchenbreck revidierten unverzüglich die Vorposten, und Argyle als Oberbefehlshaber machte seiner Stellung einigermaßen Ehre, indem er seine Truppen geschickt in der Ebene aufstellte, weil ein Überfall bei Nacht oder ein Angriff am frühen Morgen sicher zu gewärtigen stand.

Montrose hatte sich so vorsichtig in den Schluchten verborgen, daß Sir Duncan und Auchenbreck trotz aller Bemühungen keine genauen Erkundigungen über die Zahl seiner Streitkräfte einziehen konnten. Das jedoch konnten sie erkennen, daß er bedeutend schwächer sein mußte als sie. Sie teilten Argyle ihre Beobachtungen mit, der aber gar nicht glauben wollte, daß Montrose selber zugegen wäre.

Dies wäre seiner Meinung nach eine Anmaßung, die selbst James Graham in seinem wahnwitzigen Dünkel nicht zuzutrauen wäre. Er glaubte, nur seine alten Feinde, Glenco Keppoch und Glengarry vor sich zu haben.

Argyles Anhängen dürsteten nach Rache für das Ungemach, das ihrem Lande zugefügt worden war. Die Nacht verbrachten sie in der gespannten Hoffnung, mit Tagesanbruch Vergeltung üben zu können. Die Vorposten beider Heere hielten sorgfältig Wacht, und Argyles Streiter schliefen in Gefechtsbereitschaft.

Kaum rötete das erste Dämmerlicht die Gipfel der riesigen Berge, da rüsteten sich schon die Führer beider Heere zum Kampfe.

Es war am zweiten Februar. Argyles Heer stand in zwei Treffen zwischen dem Fluß und dem See in gewaltiger Schlachtordnung.

Auchenbreck war dafür, den Angriff selber zu eröffnen; aber Argyle in seiner vorsichtigen Manier entschloß sich, abzuwarten.

Bald verkündeten Signale, daß der Feind zum Angriff vorging. Von der Schlucht des Passes her erscholl ein lauter Trompetenstoß – jenes alte Signal, womit nach schottischer Sitte des Königs Banner begrüßt wurde.

»Nun hört Ihrs, Mylord,« sagte Sir Duncan Campbell, »daß jener Mann, der sich zum Stellvertreter des Königs aufwirft, selber dabei ist.«

Argyle antwortete nicht; er sah auf seinen Arm, den er in der Binde trug; denn er war am Tage vorher mit dem Pferde gestürzt.

»Ihr selbst, Mylord,« fiel Ardenvohr sofort beflissen ein, »seid allerdings nicht imstande, Degen oder Pistole zu führen. Ihr müßt an Bord Eurer Galeere zurückkehren; denn Euer Leben ist uns kostbarer als das eines Häuptlings.«

»Nein,« versetzte Argyle, im Zwiespalt zwischen Stolz und Unschlüssigkeit, »nie soll man sagen können, ich sei vor Montrose geflüchtet. Wenn ich auch nicht fechten kann, so will ich doch inmitten meiner Kinder sterben.«

Auch andere Häuptlinge beschworen ihr Stammesoberhaupt, den Oberbefehl an diesem Tage an Ardenvohr abzutreten, und diesem Drängen gab Argyle schließlich nach.

Es soll ihm nicht der Vorwurf der Feigheit gemacht werden, denn wenn er sich auch in seinem Leben durch keine Tat der Tapferkeit ausgezeichnet hat, so hat er doch bei seinem Tode auf dem Schafott Fassung und Würde bewahrt. Hier möge seine Handlungsweise nur aus Unschlüssigkeit erklärt sein; denn in der Geschichte hat man viele Beispiele weit tapferer Männer, die für ihre Selbsterhaltung sorgten, wenn die Versuchung zu nahe an sie herantrat.

Auchenbreck trat unter die Soldaten und ermahnte sie, ihres alten Ruhmes, ihrer Überlegenheit und der Schmach, die sie zu rächen hätten, eingedenk zu sein. So flößte er ihnen ein wenig von dem Feuer ein, das in seinem eigenen Herzen glühte.

Argyle ließ sich inzwischen langsam und scheinbar mit Widerstreben an Bord einer Galeere führen, von wo aus er wohlgeborgen dem nun sich abspielenden Kampfe zusehen konnte.

Jetzt erklang ein lauter Schlachtruf. Es war dem Feinde nicht entgangen, daß Argyle selber sich zurückgezogen hatte.

»Sie bringen ihr kostbares Oberhaupt in Sicherheit,« sagte Montrose mit bitterem Lächeln. »Es soll sogleich zum Angriff geblasen werden! Glengarry, Keppoch, Mac Vourigh, auf zum Kampfe! Major Dalgetty, reitet zu Mac Ilduy, er soll so heiß angreifen, wie er Lochaber liebt! Ihr selbst bringt die Reiterei zu meiner Fahne, sie soll mit den Irländern zur Reserve!«

Zweiunddreißigstes Kapitel

Die Trompeten und Dudelsäcke, die lärmenden Vorboten von Blut und Tod, gaben vereint das Zeichen zur Schlacht, das in den Gebirgsschluchten lautes Echo fand und von mehr als 2000 Kriegern wiederholt wurde. In drei Treffen drangen Montroses Truppen aus den Pässen hervor und warfen sich tollkühn auf den Feind. Hinter diesen Angriffskolonnen marschierten als Reserve die Irländer unter Colkitto. Dort befand sich die Fahne des Königs und Montrose selbst. Fünfzig Reiter unter Dalgetty standen an den Flanken.

Die Hochländer griffen mit der sprüchwörtlichen ingrimmigen Tollheit ihrer Clans an, aber der Feind widerstand ihrem Angriff mit größter Tapferkeit. Die königstreuen Clans gingen zum Handgemenge über und es gelang ihnen, an zwei Punkten die Stellung des Feindes zu erschüttern.

Für eine reguläre Truppe wäre hiermit der Sieg errungen gewesen. Hier aber standen Hochländer gegen Hochländer, die einander an Ausrüstung und Streitbarkeit ebenbürtig waren.

Es entspann sich ein verzweifelter Kampf. Schwerter, Streitäxte und Schilde krachten widereinander, dazwischen erscholl das kurze wilde Jauchzen, das der Hochländer in jedem Kampfe anstimmt.

Viele von denen, die sich hier als Feinde gegenüberstanden, kannten einander persönlich und suchten sich nun durch haßerfüllte Zurufe zu überbieten. Niemand wollte auch nur einen Zoll weichen, und wo einer stürzte – und deren waren viele auf beiden Seiten – da sprang sofort ein anderer an den gefährdeten Platz.

Ein Dampf wie aus einem Kochkessel stieg in die dünne frostige Luft und schwebte über den Streitern.

Auf dem rechten Flügel gewann Sir Duncan von Ardenvohr durch militärische Gewandtheit sowie durch seine Übermacht ein wenig Terrain. Er hatte bei Beginn des Kampfes den äußersten Flügel seiner Stellung schräg vorwärts geschoben und hatte so die Angreifer in der Front und von der Flanke zugleich in Feuer genommen. Sein Vorteil wurde ihm aber wieder entrissen, indem die irische Reserve in die gelichteten Reihen einrückte und ihn durch wirksames, gut unterhaltenes Feuer wieder zurückwarf. Inzwischen war es Montrose gelungen, mit der Reiterei die rechte Flanke des Feindes zu umfassen und ihm in den Rücken zu fallen.

Die Wirkung der jähen Trompetenstöße und der galoppierenden Pferde läßt sich nicht beschreiben. Als der Feind plötzlich seine Reihen durchbrochen und den Gegner in seiner Mitte sah, entstand eine allgemeine Panik. Der Anblick des Majors Dalgetty allein, der mit seiner undurchdringlichen Rüstung angetan, sein Pferd hin und her springen ließ, jagte die Leute in Schrecken, die noch nie einen derartigen Reiter erblickt hatten.

Der Kampf war für Argyles Heer nicht länger zu halten, die Reihen lösten sich in Flucht auf. Auchenbreck selbst fiel bei einem tapferen Versuch, die Ordnung wiederherzustellen.

Mit fruchtlosem Heldenmute versuchte der Ritter von Ardenvohr mit 200 bis 300 Mann – sämtlich Herren von hohem Stande – die wilde Flucht zu decken. Ihr Mut wurde ihnen zum Verhängnis, sie wurden auseinandergeworfen und schienen schließlich dem Heldentode nicht mehr entrinnen zu können.

»Ergebt Euch, Sir Duncan,« rief Major Dalgetty, seinen Wirt erkennend, und ritt mit erhobenem Schwerte auf ihn zu.

Sir Duncan antwortete mit einem Pistolenschüsse, der zwar nicht den Reiter, aber sein edles Schlachtroß Gustavus traf, das ins Herz getroffen zu Boden stürzte. Ranald Mac Eagh, der gleichfalls Sir Duncan angegriffen hatte, benutzte die Gelegenheit, als dieser sich, um die Pistole abzufeuern, von ihm wegwandte, und schlug ihn mit einem Schwertstreich nieder.

In diesem Augenblick kam Allan Mac Aulay herzu.

»Schurken!« rief er. »Wer hat dies getan? Gab ich nicht ausdrücklich Befehl, den Ritter von Ardenvohr lebendig zu fangen?«

Ein halb Dutzend Kerle, die damit beschäftigt waren, den gefallenen Ritter zu plündern, ließen von ihrem Treiben ab und bezeichneten Ranald als den Täter.

»Hund von einem Inselbewohner!« rief Allan aus. »Folgt den andern und laßt ab von dem Gefangenen, wenn Ihr nicht von meiner Hand sterben wollt!«

Sie waren jetzt beide allein, denn Allans Drohungen hatten Ranalds Genossen verscheucht. Der günstige Augenblick ließ Mac Eaghs Rachsucht auflodern.

»So gut Ihr mir droht, ich solle von Eurer Hand fallen, die freilich schon rot ist vom Blute meiner Anverwandten,« rief Ranald herausfordernd, »so gut könnt Ihr durch meine Hand fallen!«

Mit diesen Worten hieb er auf Allan ein, daß dieser kaum Zeit hatte zu parieren.

»Schurke!« rief Allan erstaunt, »was soll das?«

»Ich bin Ranald, ein Sohn des Nebels!« war die Antwort, und ein zweiter Schwertstreich folgte.

Nun entspann sich zwischen beiden ein wilder Zweikampf.

Das Schicksal schien es so bestimmt zu haben, daß Allan Mac Aulay seine Mutter an dem wilden Stamme vollgiltig rächen solle. Nach wenigen gewechselten Klingen erhielt Ranald eine tiefe Kopfwunde und stürzte.

Allan Mac Aulay setzte ihm den Fuß auf die Brust und wollte ihm eben das Schwert in den Leib stoßen, als die Spitze seiner Waffe von einem Dritten weggestoßen wurde, der in diesem Augenblick herzutrat.

Dies war niemand anders als Major Dalgetty, der, erst vom Sturze seines Pferdes betäubt, inzwischen seine Besinnung wieder erlangt hatte.

»Hebt Euer Schwert auf!« sagte er zu Allan Mac Aulay, »und fügt diesem Manne kein Leid weiter zu! Er steht unter meinem Geleit und unter dem Schutze und im Dienst Sr. Exzellenz!«

»Narr!« rief Allan, »geht und wagt Euch nicht zwischen den Tiger und seine Beute!«

Dalgetty ließ sich nicht abschrecken, schritt über Mac Eagh hinweg und gab Allan zu verstehen, wenn er sich einen Tiger nenne, so könne er leicht einem Löwen begegnen. Eine Handbewegung und diese herausfordernden Worte genügten, die Kampfeswut Allans auf ihn zu richten.

Dreiunddreißigstes Kapitel

Der Kampf zwischen Allan und Mac Eagh war nicht aufgefallen, denn den letztern kannten nur wenige; der Kampf zwischen Allan und Dalgetty jedoch, die jedermann genau kannte, erregte sofort Aufsehen.

Glücklicherweise kam auch Montrose herbei, und als er Mac Eagh auf dem Boden liegen und Dalgetty mit Allan fechten sah, sprengte er herbei, um dem Zwist ein Ende zu machen.

»Schämt Euch, Ihr Herren!« riet er aus. »Auf einem so glorreichen Felde des Sieges Händel zu treiben! Seid Ihr von Sinnen? oder seid Ihr berauscht von dem Ruhme dieses Tages?«

»Es ist nicht meine Schuld,« sagte Dalgetty; ich bin als bueno camerado in allen Heeren Europas bekannt; wenn aber jemand den Mann antastet, der unter meinem sichern Geleit steht –«

»Und wenn einer,« fiel Allan ihm ins Wort, »mich an einer gerechten Rache zu hindern wagt –«

»Schämt Euch, Ihr Herren!« wiederholte Montrose. »Ich habe wichtigeres für Euch beide zu tun. Ihr, Major Dalgetty kniet nieder –«

»Was! Ich soll knien?« rief Major Dalgetty.

»Im Namen des Königs und seines Stellvertreters!« rief Montrose.

Als Dalgetty sich mit Widerstreben fügte, berührte ihm Montrose die Schulter mit der flachen Degenklinge und sprach:

»Im Namen und in Vollmacht unsers Königs und zur Belohnung für Eure Tapferkeit in dieser Schlacht gebe ich Euch den Ritterschlag! Seid tapfer, treu und glücklich! Und nun, Sir Dugald Dalgetty, verseht Euern Dienst! Sammelt Eure Reiter und verfolgt den Feind, wagt Euch aber nicht zu weit! Aufs Pferd, Sir Dugald!«

»Was für ein Pferd soll ich besteigen?« rief der neugebackne Ritter. »Mein Gustavus liegt auf dem Felde der Ehre.«

Montrose stieg ab.

»Mein eigenes Pferd schenke ich Euch,« sagte er. »Führt nur die Aufträge aus, deren Ihr Euch in so vorzüglicher Geschicklichkeit entledigt.«

Unter Danksagungen bestieg Sir Dugald das ihm so freigiebig überlassene Pferd und ritt davon.

»Und Ihr, Allan Mac Aulay,« wandte sich Montrose an den Hochländer, der mit zur Erde gesenktem Schwert der Feierlichkeit des Ritterschlags mit Hohn zugesehen hatte – »Euch, der Ihr den gewöhnlichen Menschen weit überlegen seid – der Ihr bei Eurer tiefen Wissenschaft mir ein wertvoller Ratgeber seid – Euch finde ich im Kampfe mit einem Manne wie Dalgetty. – Dieser Sieg soll ausgenutzt werden, um Seaforth für unsere Partei zu gewinnen. Er ist nicht aus Untreue, sondern weil er an der guten Sache verzweifelt, zu den Gegnern übergegangen. Jetzt ist er vielleicht zu bestimmen, sich mit uns zu vereinigen. Ich will meinen tapferen Freund, den Oberst Hay, zu ihm entsenden; aber ein Edelmann aus den Hochlanden von hohem Range muß mit ihm gehen. Dieser Mann muß Fähigkeit und Einfluß besitzen, um Eindruck auf ihn zu machen. Ihr seid die geeignetste Person, Ihr kennt jeden Paß und jedes Tal im Hochland und auch die Sitten jedes Stammes. Geht daher zu Hay, er hat seine Unterweisung und harret Eurer. Seid sein Führer, Dolmetsch und Gefährte.«

Allan Mac Aulay sah den Grafen finster und durchdringend an, wie um zu erforschen, ob er aus geheimen, nicht angegebenen Gründen zu dieser Sendung bestimmt wurde. Montrose, der es wohl verstand, andre Beweggründe zu durchschauen, war ebenso ein Meister darin, seine eignen Absichten zu verbergen.

In diesem Moment der entflammten Leidenschaft mußte Allan auf jeden Fall auf eine zeitlang aus dem Lager entfernt werden, damit Montrose, wie seine Ehre es gebot, die Männer in Sicherheit bringen konnte, die ihm zu Führern gedient hatten. Den Zwist Dalgettys mit Allan hoffte er dann leicht ausgleichen zu können.

Allan empfahl nur noch Sir Duncan Campbell der Sorge Montroses. Dieser ließ den Verwundeten in Sicherheit bringen und sorgte auch dafür, daß Mac Eagh unter die Obhut einer Abteilung Irländer kam.

Dann bestieg er ein neues Pferd und ritt fort, um sich am Anblick seines Sieges zu weiden, der entscheidender war, als seine kühnsten Hoffnungen es erwartet hatten.

Argyles Heer von 3000 tapfern Kriegern war in der Schlacht und auf der Flucht auf die Hälfte reduziert worden. Die Flüchtlinge waren auf jenen Teil der Ebene gedrängt worden, wo zwischen dem See und dem Fluß jeder weitere Rückzug versperrt war. Hunderte wurden in den See getrieben und ertranken.

Von denen, die mit dem Leben davon gekommen waren, hatte ein Teil sich schwimmend über den Fluß gerettet, ein andrer Teil hatte sich in das alte Schloß Inverlochie geflüchtet. Da sie aber keine Vorräte hatten, mußten sie sich ergeben auf die Zusicherung freien Abzuges. Waffen, Munition, Fahnen und Bagage fielen den Siegern zur Beute.

Dies war der schwerste Schlag, von dem der Stamm von Diarmid – wie die Campbells in den Hochlanden genannt wurden – je betroffen wurde. Aber der schwere Verlust war nach Ansicht vieler Häuptlinge nichts gegen die Schande, die in dem schimpflichen Benehmen ihres Oberhauptes gelegen habe. Als die Schlacht verloren war, lichtete die Galeere die Anker und fuhr, so schnell Ruder und Segel sie zu bewegen vermochten, den See hinab.

Vierunddreißigstes Kapitel

Montrose selber hatte seinen glänzenden Sieg über seinen Rivalen gleichfalls mit Verlusten bezahlen müssen, wenn sie auch nicht den zehnten Teil der gegnerischen betrugen. Manchem tapfern Manne hatte die zähe Tapferkeit der Campbells das Leben gekostet. Mehr noch waren verwundet, darunter Lord Menteith, wenn auch nicht schwer.

Mit froher, wenn auch etwas leidender Miene überreichte er seinem Feldherrn das Banner Argyles, das er mit eigner Hand dem Fahnenträger entrissen hatte. Montrose liebte seinen edeln Vetter, dessen angeborne Ritterlichkeit er hochschätzte.

»Mein edler tapfrer Vetter!« rief er und drückte ihn an die Brust.

Und diese schlichten Worte innig empfundenen Lobes erfüllten Menteith mit wärmerer Freude, als es die Anerkennung am Throne eines Fürsten vermocht hätte.

»Ich habe nun nichts weiter zu verrichten, Mylord,« sagte er. »Nur eine Pflicht der Menschlichkeit gestattet mir zu vollbringen – wie ich höre, ist der Ritter von Ardenvohr schwer verwundet und gefangen?«

»Und da ist ihm durchaus nach Verdienst geschehen«, sagte Dugald Dalgetty, der in diesem Augenblick herzutrat, »denn er hat meinen armen Gustavus erschossen.«

»Wir müssen Euch also unser Beileid über Euern Verlust aussprechen,« sagte Lord Menteith.

»So ist es, Mylord,« erwiderte der Soldat, tief seufzend. »Und ich will jetzt den Resten meines alten Waffengefährten einen Besuch abstatten.«

»Wollt Ihr ihm ein feierliches Begräbnis zuteil werden lassen?« fragte der Marquis.

»Das freilich nicht,« antwortete Dalgetty; »ich verfolge dabei einen weniger romantischen Zweck. Ich will mich mit den Vögeln des Himmels in die Erbschaft des armen Gustavus teilen und ihm die Haut abziehen, die ich in liebevoller Erinnerung zu Wams und Beinkleidern verarbeiten lasse, da es um mein Unterzeug zurzeit sehr schlecht bestellt ist.«

»Dann möchte ich Euch raten,« sagte Lord Menteith, »Euch nach der Bagage des Feindes zu begeben. Ich selber habe gesehen, wie einer dort einen prächtigen Anzug aus Büffelleder, mit Seide und Silber gestickt, herausgenommen hat.«

»Voto, a dios, wie der Spanier sagt!« rief Ritter Dugald aus. »Und irgend ein Bettelbube wird sich ihn aneignen, während ich hier stehe und plaudere.«

Er gab seinem neuen Pferde die Sporen und jagte über das Schlachtfeld.

»Da reitet er hin, der Hund!« sagte Menteith, »und zerschmettert manchem Manne, der zehnmal mehr wert ist als er, mit seinen Hufschlägen das Gesicht und zerstampft die Leichen. Er ist so erpicht auf seine schmutzige Beute wie der Geier auf Aas. Aber die Welt, nennt diesen Menschen einen Soldaten – und Ihr, Mylord, haltet ihn für würdig der Ehre der Ritterschaft und hängt die Kette des Rittertums um den Hals eines Bluthundes.«

»Was blieb mir übrig?« entgegnete Montrose. »Knochen, die ich ihm hätte vorwerfen können, hatte ich nicht; und irgendwie mußte ich ihn bestechen. Außerdem hat der Hund auch seine guten Eigenschaften. Es hat auch seinen Vorteil, Soldaten unter sich zu haben, auf deren Beweggründe und Triebfedern man mit mathematischer Gewißheit rechnen kann.«

Nach diesen Worten sprang er plötzlich von seinem Gegenstande ab und fragte, wann Menteith zum letztenmal Annot Lyle gesehen habe. »Gestern abend,« antwortete der junge Lord errötend. »Und dann nur einen flüchtigen Augenblick kurz vor der Schlacht.«

»Mein teurer Freund,« sagte Graf Montrose in wohlwollendem Tone, »wir sind hier im Lande der Verzauberung, wo aus den Haarflechten der Frauen Netze, fest wie Stahl, geflochten werden. Und Ihr seid ein Ritter, wie geschaffen für solche Fesseln. Dieses arme Mädchen ist sehr schön und begabt und macht Eindruck auf Euer romantisches Empfinden. Ihr könnt nicht daran denken, ihr weh zu tun – aber Ihr könnt auch nicht daran denken, sie heimzuführen.«

»Mylord, Ihr habt schon öfters so gesprochen – ich kann es nur für Scherz halten –«, antwortete Lord Menteith. »Annot Lyle ist von unbekannter Herkunft – wahrscheinlich die Tochter eines Räubers – sie lebt von der Gastfreundschaft der Mac Aulays.«

»Verübelt mirs nicht, Menteith,« fuhr der Graf fort. »Ich würde Euch vielleicht gar nicht damit behelligen, wenn es sich nur um Euch und Annot Lyle handelte. Aber Ihr habt einen sehr gefährlichen Nebenbuhler in Allan Mac Aulay, und man kann nicht wissen, wie weit er in seinem Groll gehen könnte. Es ist meine Pflicht, Euch zu sagen, daß jeder persönliche Zwist für den Dienst des Königs von Nachteil ist.«

»Ich weiß, Mylord, daß Ihr es gut mit mir meint,« antwortete Menteith, »und ich hoffe, Ihr werdet zufrieden sein, wenn ich Euch die Versicherung gebe, daß ich, mit Allan Mac Aulay hierüber gesprochen habe. Ich habe ihm erklärt, irgendwelche schnöden Absichten inbezug auf diese Name wären meinem Charakter nicht entsprechend. Jeder ernste Gedanke aber sei infolge ihrer niedern Herkunft völlig ausgeschlossen. Freilich will ich Eurer Lordschaft nicht verhehlen, daß Annot Lyle meinen Namen und Rang teilen würde, wenn sie von hohem Stande wäre. So aber ist es unmöglich. – Doch Eure Lordschaft muß entschuldigen, ich habe da eine kleine Schramme.«

Mit diesen Worten blickte er auf seinen Arm, den er mit einem Schnupftuch verbunden hatte.

»Eine Wunde?« fragte Montrose ängstlich; »laßt mich sehen. Ich hätte wohl nichts davon erfahren, wenn ich nicht eine tiefere schmerzlichere Wunde berührt hätte. Menteith, Ihr dauert mich – auch ich habe es kennen gelernt – doch was hülfe es, den alten Schmerz zu wecken, der sich schon lange nicht mehr geregt hat?«

Mit diesen Worten drückte er seinem edeln Vetter die Hand und begab sich ins Schloß.

Fünfunddreißigstes Kapitel

Wie das in den Hochlanden nicht zu den Seltenheiten gehörte, verstand Annot Lyle mit Arzeneien umzugehen und war in der wundärztlichen Tätigkeit bewandert. Wie begreiflich war die Arzneikunde oder die Medizin als Wissenschaft und Kunst für sich ganz unbekannt. Die ärztliche Behandlung, die geübt wurde, lag in der Hand der Frauen.

Bei ihrer Sorgfalt und Aufmerksamkeit war Annot Lyle mit ihren Dienerinnen und den ihr unterstellten Personen während dieses Feldzuges mit großem Erfolg tätig gewesen.

Wo sie nur immer von nutzen sein konnte, ließ sie ihre Hilfe Freunden und Feinden bereitwillig zuteil werden.

Augenblicklich weilte sie im Schlosse, wo unter ihrer Leitung Arzeneien aus Kräutern gegen Verwundungen angefertigt wurden.

Während sie sich von ihren Frauen über die ihrer Sorgfalt anvertrauten Verwundeten berichten ließ und alles verteilte, was zu deren Heilung vorhanden war, trat plötzlich Allan Mac Aulay ins Zimmer.

Sie fuhr auf; denn sie hatte gehört, daß er als Gesandter abgeschickt worden sei.

Obgleich sie es gewöhnt war, bei ihm ein finsteres Gesicht zu sehen, so schien doch auf seinen Zügen jetzt ein noch tieferer Schatten zu liegen als sonst.

»Ich glaubte,« sagte sie mit mühsamem Tone, »Ihr wäret schon fort.«

»Mein Reisegefährte wartet auf mich,« sagte Allan. »Ich gehe gleich.«

Dennoch blieb er vor ihr stehen und erfaßte ihren Arm mit einem Griff, der ihr zwar keinen Schmerz bereitete, an dem sie aber doch seine große Kraft verspüren konnte, denn seine Hand hielt sie wie die Klammer einer Zange. »Soll ich die Harfe holen?« fragte sie furchtsam. »Senken sich wieder die Schatten auf Euch nieder?«

Er antwortete nicht, sondern führte sie ans Fenster des Gemaches, von dem aus das Schlachtfeld mit all seinen Greueln zu übersehen war.

Es war besät mit Toten und Verwundeten, und Marodeure waren damit beschäftigt, den Opfern des Krieges die Kleider vom Leibe zu reißen.

»Gefällt Euch das Bild?« fragte Allan.

»Es ist entsetzlich,« entgegnete Annot, die Hände vor die Augen schlagend. »Wie könnt Ihr mich auffordern, dorthin zu schauen!«

»Ihr müßt Euch abhärten, da Ihr doch bei diesem dem Untergange geweihten Heere weilt. Auf solchem Schlachtfelde werdet Ihr den Leichnam meines Bruders suchen – auch den Menteiths – auch meinen – doch dies wird Euch einerlei sein – Ihr habt mich doch nicht lieb?«

»Es ist das erstemal, daß Ihr mich der Lieblosigkeit zeiht,« sagte Annot weinend. »Ihr seid mein Bruder – mein Erretter – mein Beschützer – muß ich Euch nicht lieb haben? Noch die Stunde der Finsternis kommt über Euch – soll ich die Harfe holen?«

»Bleibt,« sagte Allan und hielt sie noch immer fest; »ob nun meine Visionen aus dem Himmel oder der Hölle oder aus der Sphäre körperloser Geister stammen – oder mögen sie nichts sein als die Täuschungen einer überhitzten Phantasie – ich bin jetzt frei von ihrem Einfluß und rede die Sprache der sichtbaren Naturwelt. Ihr habt mich nicht lieb, Annot – Menteith liebt Ihr – und er liebt Euch wieder – Allan aber gilt Euch nicht mehr als die vielen Leichen, die dort auf der Heide liegen.«

Es ist nicht anzunehmen, daß was diese seltsamen Worte enthielten, dem Mädchen etwas Neues war. Es hat noch nie ein Weib gegeben, das nicht unter den gleichen Umständen den Zustand ihres Verehrers erkannt hätte.

Indem Allan aber plötzlich den Schleier – so dünn er auch gewesen sein mochte – hinwegriß, sah sie schon die Folgen vor sich, die bei dem Ungestüm seines Wesens furchtbar sein mußten.

Sie versuchte, seinen Verdacht zurückzuweisen.

»Ihr vergeht,« sagte sie, »was ihr Euerm Seelenadel selber schuldig seid, indem Ihr ein so hilfloses Mädchen beleidigt, das vom Schicksal Euch ganz in die Hand gegeben worden ist. Ihr wißt, wer ich bin und wie unmöglich es ist, daß Menteith oder Ihr die Sprache der Liebe zu mir reden dürftet. Ihr wißt, aus welchem unglückseligen Stamm vermutlich ich bin.«

»Ich kann das nicht glauben,« sagte Allan. »Nie floß ein Kristalltropfen aus unreiner Quelle.«

»Und selbst wenn Ihr daran zweifelt, dürft Ihr so nicht zu mir reden.«

»Ich weiß, daß dadurch eine Schranke zwischen uns ist – ich weiß aber auch, daß Ihr deswegen doch nicht von Menteith getrennt seid – hört mich denn, geliebte Annot, verlaßt diesen Platz der Gefahr und des Greuels – ich will Euch in das Haus der edeln Dame Seaforth geleiten –«

»Wie könnt Ihr solches von mir verlangen?« versetzte Annot. »Nein, ich will hier bleiben unterm Schutz des edeln Montrose, und wenn wir uns dem Flachlande nähern, so werde ich Gelegenheit finden, Euch vom Anblick eines Mädchens zu befreien, das Euch ein Dorn im Auge geworden ist – obgleich es nicht weiß, weshalb?«

Allan stand zwischen Mitgefühl und Zorn seltsam bewegt.

»Annot,« sagte er, »Ihr, wißt selbst am besten, wie sehr das, was Ihr sagt, im Widerspruch steht zu dem, was ich für Euch empfinde. Ihr freut Euch aber darüber, daß ich abreise, denn nun könnt Ihr ungestört mit Menteith verkehren, ohne daß ein Spion Euch bewacht. Noch seid beide auf der Hut!« setzte er in finsterem Tone hinzu. »Denn wer hatte je gehört, daß Allan Mac Aulay geschmäht worden sei, ohne daß er zehnfache Buße dafür gefordert hatte.«

Mit diesen Worten drückte er ihr heftig den Arm, zog die Mütze in die Stirn und ging hinaus.

Sechsunddreißigstes Kapitel

Annot Lyle sah jetzt den Abgrund vor sich, den die Liebeserklärung Allans und seine glühende Eifersucht vor ihr aufgetan hatte. Ihr war, als taumle sie am Rande ihres Unterganges, jeder Rettung und jeder menschlichen Hilfe entrückt.

Schon lange Zeit wußte sie, daß sie Lord Menteith inniger als einen Bruder liebte. Allein ihre Zuneigung war von jener stillen, schüchternen, sinnigen Art, die sich mehr am Glück des geliebten Mannes freut, als für sich selbst große Ansprüche und Hoffnungen stellt.

Durch Allans Erklärung wurde ihr romantischer Plan, im geheimen ihre Liebe zu hegen, ohne nach Erwiderung zu trachten, vereitelt. Schon lange fürchtete sie Allan – jetzt betrachtete sie ihn voller Entsetzen; denn sie kannte ja seinen Charakter. Wie edelmütig er sonst auch war, so wußte sie doch nur zu gut, daß er sich in seinem Ungestüm nie Zwang antat. Wie ein gezähmter Löwe, dem niemand zu widersprechen wagte, schritt er im Hause seiner Väter umher.

Wie viele Jahre waren dahingegangen, seit ihm je einmal nicht der Wille geschehen war, oder seit irgendwer einen Wortwechsel mit ihm begonnen hatte. Und hätte er nicht – abgesehen von den Zeitpunkten, wo die mystische Stimmung ihn befiel – gesunden Menschenverstand besessen, so hätte er die Plage und der Schrecken seiner ganzen Umgebung sein müssen.

Annot Lyle hatte jedoch nicht Muße, ihren Gedanken nachzuhängen; denn in diesem Augenblick trat Sir Dugald Dalgetty bei ihr ein.

»Annot Lyle,« begann der alte Kriegsmann, »ich möchte Euch bitten, daß Ihr einen meiner Brüder im Rittertum, der in der heutigen Schlacht schwer verwundet worden ist, einmal aufsucht und ihm durch Eure Magd Arzeneien bringen laßt, denn die Wunde scheint – wie die Gelehrten sagen – ein damnum totale zu sein.«

Wenn es den Dienst der Barmherzigkeit galt, zauderte Annot Lyle nie. Sie fragte schnell nach der Beschaffenheit der Wunde, und da sie Anteil an dem würdigen alten Häuptling nahm, den sie in Darnlinvarach kennen gelernt hatte, und dessen sie sich noch aufs lebhafteste erinnerte, so bemühte sie sich, ihren eigenen Schmerz über der Aufgabe, andern zu helfen, wieder auf kurze Zeit zu vergessen.

Sir Dugald führte Annot Lyle in das Zimmer, wo der Kranke lag. Dort fand sie zu ihrem Erstaunen auch Lord Menteith. Sie errötete unwillkürlich – aber um ihre Verwirrung zu verbergen, untersuchte sie schnell, die Wunde

des Ritters von Ardenvohr und erkannte sogleich, daß es hier mit ihrer Kunst nicht mehr getan sei.

Sir Dugald ging inzwischen in ein großes Nebengebäude, wo auf dem Fußboden unter andern Verwundeten Ranald Mac Eagh lag.

»Mein alter Freund,« sagte der Ritter, »ich will, wie ich Euch schon sagte, gern alles tun, um Euch gefällig zu sein, damit ich Euch für die Wunde entschädige, die Ihr empfangen habt, während Ihr noch unter meinem sichern Geleit standet. Ich habe daher Annot Lyle hergesandt, damit sie nach Sir Duncans Wunde sehen soll, obgleich es mir nicht ganz einleuchtet, was Ihr davon haben solltet. Und nun, guter Sohn des Nebels, könnt Ihr mir nicht sagen, was aus Euerm hoffnungsvollen Sprößling geworden ist? Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er mir vor der Schlacht die Waffen anlegen half. Der bummlige Schlingel verdient die Peitsche.«

»Er ist nicht weit,« antwortete der verwundete Räuber – »hebt nicht die Hand wider ihn, denn er ist Mannes genug, Euch für eine Elle lederner Geißel einen Fuß harten Stahles zurückzugeben.«

»Nehmt nur das Maul nicht gar so voll,« sagte Sir Dugald. »Da ich Euch aber für einige Gefälligkeiten Dank schuldig bin, so will ich darüber hinwegsehen.«

»Wenn Ihr mir Dank zu schulden meint,« entgegnete Ranald, »so könnt Ihr mir einen Gegendienst erweisen. Sorgt dafür, daß ich in das Zimmer getragen werde, wo Annot Lyle bei dem Ritter von Ardenvohr weilt. Ich habe beiden etwas Wichtiges zu sagen.«

»Es verstößt freilich gegen die Standesordnung,« sagte Dalgetty, »einen verwundeten Räuber zu einem Ritter zu bringen; denn die Ritterschaft war früher schon und ist auch heute noch die höchste militärische Würde; da aber der Gegendienst, den ihr verlangt, an sich gering ist, so will ich ihn erfüllen.«

Mit diesen Worten befahl er drei Kriegern, Mac Eagh auf den Schultern in Sir Duncans Zimmer zu bringen. Er selbst ging voraus, den seltsamen Besuch anzukündigen.

Die Soldaten waren aber so flink, daß sie ihm dicht auf den Fersen folgten. Sie traten mit ihrer unheimlichen Last herein und legten Mac Eagh auf den Boden des Zimmers.

Seine an sich schon wilden Züge waren vom Schmerz verzerrt, das Hemd und die wenigen Kleider, die er anhatte, vom eignen Blute und dem anderer befleckt, das keine milde Hand abgewischt hatte, obgleich die Wunde verbunden worden war.

Mühsam hob er den Kopf und sah nach der Lagerstatt des Mannes, der ihm vor kurzem noch als Feind gegenüber gestanden hatte.

Siebenunddreißigstes Kapitel

»Seid Ihr der Häuptling,« fragte er, »den die Leute den Ritter von Ardenvohr nennen?«

»Der bin ich,« antwortete Duncan. »Was habt Ihr zu schaffen mit einem Manne, dessen Stunden gezählt sind?«

»Für mich sind nicht nur die Stunden, sondern die Minuten gezählt,« versetzte der Räuber. »Um so mehr von mir, wenn ich die wenigen Minuten noch dem Manne erweise, dessen Hand stets gegen mich erhoben war – wie meine gegen ihn.«

»Deine gegen mich! – erbärmliches Gewürm!« rief der Ritter, auf seinen jammervollen Feind herabsehend.

»Jawohl,« erwiderte der Räuber mit fester Stimme, »und höher war mein Arm über ihn gereckt! In dem hartnäckigen Kampfe zwischen uns beiden habe ich die tiefsten Wunden geschlagen, wenn auch die, die Du schlugest, nicht leicht und schmerzlos waren – wisse, ich bin Ranald Mac Eagh – Ranald, der Sohn des Nebels – die Nacht, in der ich dein Schloß als hohe Feuersäule den Winden preisgab, ist ebenbürtig diesem Tage, an dem du fielest vom Schwerte meiner Väter. Gedenke des Unglücks, das Du über unsern Stamm gebracht hast – nie tat uns ein andrer außer Dir schweres an bis auf einen – doch der ist vom Schicksal, wie man sagt, gegen unsre Rache gefeit. Das wird sich zeigen.«

»Mylord Menteith,« sagte Sir Duncan, sich in seinem Bette aufrichtend. »Dieser Mann ist ein Schurke, ein Feind des Königs und des Parlaments zugleich, ein Abscheu Gott und den Menschen – einer der geächteten Banditen des Nebels, ein Feind Euers Hauses, der Mac Aulays und meines Hauses. Ich hoffe, Ihr werdet es nicht dulden, daß die wenigen Augenblicke, die mir vielleicht noch vergönnt sind, mir durch den Triumph dieses Barbaren vergällt werden.«

»Er soll seine wohlverdiente Strafe empfangen,« sagte Menteith, »bringt ihn auf der Stelle weg.«

Sir Dugald wollte sich ins Mittel legen – allein der Räuber überschrie ihn mit seiner rauhen Stimme.

»Nein!« rief er. »Möge die Folter oder der Galgen mein Lohn sein! Laßt mich verwesen zwischen Himmel und Erde, gebt mich den Geiern und Adlern des Ben–Nevis zum Fraße – nun so soll dieser Ritter und der siegreiche Thane nie das Geheimnis erfahren, das nur ich enthüllen kann. Ein Geheimnis, bei dem Ardenvohrs Herz laut aufjauchzen würde vor Freude, läge er auch im Todeskampfe – ein Geheimnis, für das Lord Menteith seine weite Grafschaft hingeben würde – komme hierher, Annot Lyle!« setzte er hinzu, sich mit einer Kraft aufrichtend, die ihm niemand Mehr zugetraut hätte; »fürchte Dich nicht vor meinem Anblick – hattest Du Dich doch als kleines Kind an mein Knie geklammert. Sage diesen stolzen Herren, die Dich verachten als Sproß eines alten Stammes – sage ihnen, daß Du nicht aus unserm Blute bist. Du bist keine Tochter vom Geschlechte des Nebels, Du bist geboren in einem Schlosse, Du hast in einer Wiege gelegen auf so weichen Kissen, wie nur je das verzärteltste Kind im stolzesten Paläste.«

Menteith bebte vor Erregung.

»Im Namen Gottes,« rief er »wenn Ihr etwas, von der Herkunft dieser Dame wißt, so entlastet Euer Gewissen von diesem Geheimnis, ehe Ihr aus der Welt scheidet.«

»Nicht wahr?« entgegnete Mac Eagh mit einem boshaften Blick. »Segnen soll ich meine Feinde noch mit meinem letzten Atemzuge. Das predigen Euch Eure Geistlichen, aber wann richtet Ihr selber Euch danach? Erst sagt mir, was Euch mein Geheimnis wert ist, ehe ich es preisgebe – was würdet Ihr geben, Ritter von Ardenvohr, um die Gewißheit zu erlangen, daß Euer abergläubischer Fastenstag unnütz ist und daß ein Sproß Euers Hauses noch lebt? – ich warte auf Antwort – sonst spreche ich kein Wort weiter.«

»Dafür könnte ich,« begann Sir Duncan, und seine Stimme schwankte zwischen Zweifel, Haß und banger Hoffnung – »dafür könnte ich – doch ich weiß ja, Dein Geschlecht ist dem bösen Feinde gleich – Lügner und Mörder von Kindesbeinen an – wäre es aber wahr, so könnte ich dafür Dir fast das Ungemach verzeihen, das Du mir angetan hast.«

»Hört nur,« sagte Ranald, »für einen Sohn von Diarmid hat er viel geboten – und Ihr, edler Thane, es heißt ja, Ihr würdet Gut und Blut dafür hingeben können, erführet Ihr, daß Annot Lyle keine Tochter eines geächteten Stammes sei, sondern daß sie aus einem Hause sei, das für ebenso vornehm gilt wie das Eure. Wohlan, nicht aus Freundschaftlichkeit gegen Euch sage ich, es – sondern weil die Zeit dahin ist, wo ich dieses Geheimnis für die Freiheit verkaufen könnte: Annot Lyle ist das jüngste, und das einzige am Leben gebliebene Kind des Ritters von Ardenvohr, das allein gerettet wurde, als alles andere in seiner Halle den Untergang in Blut und Feuer fand.«

»Ist es möglich, daß dieser Mann die Wahrheit spricht?« murmelte Annot Lyle fast unbewußt.

»Mädchen,« sagte Ranald, »hättest Du länger bei uns gelebt, so hättest Du besser erkennen gelernt, wie Wahrheit klingt. Dem Lord hier und dem Ritter werde ich für das, was ich sage, Beweise geben, die jeden Zweifel ausschließen. Geh Du inzwischen – ich habe Dich geliebt als Kind – ich hasse Dich nicht als Maid – kein Auge haßt die Rose, die im Aufblühen ist, wenn sie auch, über einem Dorne prangt. Deinetwegen nur bedaure ich etwas, das in Bälde sich ereignen wird. Wer aber Rache nehmen will an einem Feinde, darf nicht darauf achten, ob ein schuldloses Wesen mit leiden wird.«

»Der Rat ist gut, Annot,« sagte Lord Menteith, »geht in Gottes Namen!«

»Ich will nicht weg von meinem Vater, den ich endlich gefunden habe,« sagte Annot Lyle. »Ich will ihn nicht in so furchtbarer Lage allein lassen.«

»Und ein Vater will ich Euch immer sein«, sagte Sir Duncan. »Nun denn,« sagte Menteith, »so will ich Mac Eagh ins Nebenzimmer bringen lassen und dort seine Aussage zu Protokoll nehmen lassen – Sir Dugald Dalgetty wird mir dabei Hilfe leisten.«

»Mit Vergnügen, Mylord, antwortete Sir Dugald. »Da könnt Ihr keinen bessern finden, zumal ich die ganze Geschichte schon vor vier Wochen etwa im Schloß von Inverary gehört habe – aber bei so viel Angriffen und Stürmen ist es in meinem Gedächtnis allerdings etwas kunterbunt geworden, wo man ohnedies an so viel Wichtigeres zu denken hat.«

Achtunddreißigstes Kapitel

Lord Menteith hielt genaue Nachforschungen betreffs der Aussagen Ranalds. Die zwei Begleiter, die als Führer im Lager waren, bestätigten sie. Er verglich die Erklärungen sorgfältig mit dem Bericht, den Sir Duncan über die Zerstörung seines Schlosses noch zu geben vermochte. Es war natürlich äußerst wichtig, den Beweis zu liefern, daß die Erzählung keine Erfindung des Räubers sei, die derselbe angebracht habe, um eine falsche Person zur Erbin von Ardenvohr zu machen.

Vielleicht war Menteith nicht der geeignete Mann, die Nachforschungen über den wahren Tatbestand anzustellen, da es in seinem eigenen Interesse lag, der Erzählung Glauben beizumessen. Ein Muttermal wurde genannt, von dem man wußte, daß es bei dem Kinde Sir Duncans vorhanden gewesen sei – und es fand sich auf der linken Schulter von Annot Lyle.

Während Menteith das Ergebnis der Untersuchungen den am nächsten dabei beteiligten Personen mitteilte, begehrte der Räuber, sein Enkelkind zu sprechen – das er seinen Sohn, zu nennen pflegte. Man werde ihn nebenan finden, sagte er, wo er selber zuerst gelegen habe.

Wirklich entdeckte man nach längerem Suchen den jugendlichen Wilden in einer Ecke, in verfaultes Stroh eingewickelt. Man führte ihn zu seinem Großvater.

»Kenneth,« sagte der alte Räuber, »höre die letzten Worte, die der Ahn deines Vaters zu dir spricht. Ein Kriegsmann aus dem Flachland und Allan mit der blutigen Hand sind vor kurzem aus dem Lager aufgebrochen, um nach Caberfä zu reisen. Folge ihnen, wie der Bluthund dem verwundeten Hirsch nachgeht – schwimme durch den See – klettre auf den Berg – ziehe durch den Wald – ruhe nicht eher, als bis du sie erreicht hast.« Die Wangen des Knaben röteten sich bei den Worten seines Großvaters, und er griff nach einem Messer, das er in einem ledernen Riemen trug, der seinen zerschlissenen Mantel zusammenhielt.

Der Alte sah die Gebärde.

»Nein,« sagte er, »nicht durch deine Hand soll er fallen; aber sie werden dich fragen, was es Neues im Lager gebe. Sage ihnen, Annot Lyle, die Harfenspielerin, sei als Tochter Duncans von Ardenvohr erkannt worden, Thane von Menteith wolle sich mit ihr trauen lassen, und du seist abgesandt, die Gäste zur Hochzeit zu laden. Warte nicht auf ihre Antwort, sondern verschwinde wieder wie der Blitz, den die schwarze Wolke verschlingt. Und nun geh, geliebtes Kind meines geliebtesten Sohnes! Nie wieder werde ich dein Antlitz erschauen, noch deines Fußes Schritt vernehmen – noch einen Augenblick warte und höre meine letzte Mahnung: sei eingedenk des Schicksals unsers Stammes – halte inne die alten Bräuche der Söhne des Nebels. Wir sind jetzt nur eine Handvoll Heimatloser, die aus jedem Tal mit dem Schwerte vertrieben worden sind – und andre Stämme hausen in den Besitzungen, wo unsre Ahnen Holz fällten und Wasser trugen. Doch auch im Dickicht der Wildnis, Kenneth, Sohn Erachts, bewahre dir die Freiheit fleckenlos, die ich als einzig Erbteil dir hinterlasse. Gib sie nie hin um ein reiches Kleid, noch um ein Dach von Stein, noch um einen gedeckten Tisch, noch um ein Daunenlager! – in Berg und Tal – in Überfluß und im Hunger – im grünen Sommer und im eisernen Winter – Sohn des Nebels, bleib frei, wie deine Ahnen! Nenne niemand deinen Herrn – laß dir kein Gesetz schreiben – nimm keinen Lohn an und zahle auch selber keinen Sold – baue keine Hütte, noch einen Zaun um eine Weide und säe auch kein Korn! – Die Hirsche des Berges laß deine Herde sein! –Die Söhne von Diarmid das Geschlecht von Darnlinvarach –die Ritter von Menteith – Kind des Nebels, mein Fluch falle auf dein Haupt, so du einen dieses Namens verschonst, wenn sich Gelegenheit bietet, ihn niederzuhauen! Die Gelegenheit aber wird kommen, denn sie werden sich selber mit ihren Schwertern zerfleischen und in den Nebel flüchten und durch dessen Söhne umkommen! – Noch einmal geh! Leb wohl, geliebtes Kind! Mögest du sterben wie deine Ahnen, ehe Krankheit und Alter dir den Mut zerbricht! – Geh! – Bleib frei! – Vergelte alles Gute, was dir getan wird – und räche das Ungemach, das deinem Stamme angetan worden ist!«

Der jugendliche Räuber beugte sich hernieder und küßte seinem sterbenden Großvater die Stirn. Von Kindheit daran gewöhnt, jede Gefühlsregung nach außen hin zu verbergen, ging er ohne Tränen, ohne Gruß und war bald weit vom Lager weg.

Ranald Mac Eagh aber richtete sich auf, so daß er aus dem Fenster des Schlosses hinaussehen konnte. Der dichte Nebel, der auf den Spitzen der Berge gelastet hatte, rollte jetzt in die zerklüfteten Gründe und Schluchten hinab, und die schwarzen Rücken der Berge ragten wie Inseln aus einem Dunstmeer hervor.

»Geist des Nebels,« sagte Ranald Mac Eagh, »von unsern Ahnen Vater und Retter genannt, nimm mich hin, wenn der Todeskampf vorbei ist. Nimm mich, dessen Leben du so oft beschütztest, nimm mich auf in dein Zelt von Wolken!«

Er sank in die Arme derer, die ihn hielten, und drehte das Gesicht der Wand zu.

»Den unbesiegbaren Feind,« murmelte, er, »an dessen Händen das Blut klebt, das mir das Teuerste ist, gegen den alle Waffen nutzlos waren, den die Kugel verfehlte, und an dem der Pfeil zersplitterte– diesem Manne habe ich Seelenschmerz, Eifersucht, Verzweiflung und jähen Tod oder ein Leben jämmerlicher als der Tod hinterlassen. Dies wird das Los Allans mit der blutigen Hand sein, wenn er hört, daß Annot die Gemahlin Menteiths wird – nur die Gewißheit möchte ich haben, so wäre mein Tod, den seine Hand mir gab, mir noch versüßt!«

Bald darauf hauchte Ranald Mac Eagh, der Sohn des Nebels, seinen Geist aus.

Neununddreißigstes Kapitel

Inzwischen hatte sich Menteith mit Montrose in ein eifriges Gespräch eingelassen.

»Mein lieber Menteith, ich habe bemerkt und auch erkannt, daß die Euch interessante Entdeckung in enger Beziehung mit Eurem Glück steht. Eure Liebe zu der vornehmen Dame findet Erwiderung. Gegen ihre Geburt und ihre großen Vorteile ist auch nicht das geringste einzuwenden. Aber übereilt Euch nicht; denn Sir Duncan ist Fanatiker und ist ein Feind des Königs, als dessen Gefangener er in unseren Händen ist – denn ich glaube, es gibt einen Bürgerkrieg. Habt Ihr keine Aussicht auf anderem Wege zum Ziele zu gelangen, so sucht den Ritter durch gute Vorschläge zu gewinnen!«

Jedoch der leidenschaftliche Charakter veranlaßte den jungen Edelmann zu mancherlei Einwendungen. Er machte Montrose klar, von Ardenvohr sei gegen Religion und Politik gleichgiltig, erwähnte seine eigne Tätigkeit dem König gegenüber und wies auf die einflußreichen Folgen hin, die eine Heirat mit der Erbin von Ardenvohr auf seine eigene Person ausüben würde. Er befürchtete eine Verschlimmerung der Wunde Sir Duncans, ferner daß die Übersiedelung der jungen Dame nach dem Campbellschen Gebiete alle seine Hoffnungen vernichten könnte. Er berief sich auf die Gefahr, daß nach dem Tode ihres Vaters sicher Argyle die Vormundschaft übernehmen würde und daß dann alle Hoffnung verloren wäre; er müßte denn seine königliche Partei aufgeben.

Montrose sah ein, daß die Angelegenheiten trotz aller Schwierigkeiten so schnell wie möglich erledigt werden müßten, da man damit dem König einen Dienst erweise.

»Möge alles zu unserer Befriedigung ausfallen, nachdem sich die schöne Briseis aus unserem Lager entfernt hat, bevor Allan Mac Aulay zurück ist. Es wird das beste sein, Ihr fordert Sir Duncan das Ehrenwort ab und entlaßt ihn und seine Tochter. Macht die Reise zu Wasser, damit Eure Wunde sich nicht verschlimmert. Da Ihr selbst auf einige Zeit abwesend seid, werdet Ihr von mir ehrenhaft entschuldigt.«

»So lange die königliche Fahne über Euer Exzellenz Lager weht,« entgegnete Menteith, »bleibe ich. Möge immerhin dadurch mein Wunsch nicht in Erfüllung gehen, aber des Königs Angelegenheiten gehen vor, sonst wäre ich es wert, daß mein Arm auf immer lahm bliebe.«

»Dies ist also Euer Entschluß?«

»Er ists, so wahr Ben Nevis steht!« sagte Menteith. Dann,« erwiderte Montrose, »verhandelt mit dem Ritter von Ardenvohr. Hattet Ihr Glück, so werden Mac Aulay und ich schon einen Ausweg finden und seinen Bruder einfach fortschicken, bis er nicht mehr daran denkt. Möge durch einen Traum jede Spur der Annot Lyle verschwinden! Denkt Ihr, das ist unmöglich, Menteith? Nun gut, gehe jeder seinem Dienste nach – Ihr an den des Cupido, ich an den des Mars!

Sie nahmen Abschied voneinander; am nächsten Morgen nach diesen Erörterungen warb Menteith bei dem verwundeten Ritter um die Tochter. Trotzdem Sir Duncan von der Zuneigung der beiden wußte, kam ihm die Erklärung des Grafen Menteith doch zu früh. Zuerst entgegnete er, daß er seinen Gefühlen in einer Zeit freien Lauf gelassen habe, in der sein Geschlecht so großen Verlust und so tiefe Demütigung ertragen mußte; in einer derart unglücklichen Zeit wollte er zunächst dafür Sorge tragen, daß sein Geschlecht sich von den schweren Schicksalsschlägen erhole und vor weiterm Ungemach gesichert werde.

Als der Brautwerber heftiger in ihn drang, bat er ihn um einige Stunden Frist, damit er eine so wichtige Angelegenheit reiflich erwägen und mit seiner Tochter besprechen könne. Diese Unterredung und Beratung fiel für Menteith günstig aus. Sir Campbell erkannte, daß seine neugefundene Tochter nur mit ihrem Geliebten glücklich werden könne; Menteiths Charakter war so tadellos, und der Rang, den er durch Abkunft und Vermögen inne hatte, so bedeutend, daß nach Sir Duncans Meinung der Zwiespalt in ihrer politischen Überzeugung keine Rolle spiele.

An sich hatte es etwas Demütigendes, daß die Erbin von Ardenvohr als Waise und Harfenspielerin in Darlinvarach aufgewachsen war. Wurde sie aber eingeführt als Braut oder Gemahlin Menteiths, zumal ihr Liebesbund schon entstanden war, als sie noch ein armes Mädchen gewesen war – so war für die Welt der Beweis geliefert, daß sie sich des hohen Ranges, den sie jetzt innehatte, allezeit würdig gezeigt hatte.

Auf Grund dieser Betrachtungen erklärte Sir Duncan sich einverstanden, daß die Trauung durch Montroses Kaplan in der Kapelle des Schlosses insgeheim vollzogen werden sollte.

In wenigen Tagen war der Befehl zu erwarten, daß Montrose von Inverlochy aufbrechen solle; dann sollte die junge Gräfin sich mit ihrem Vater in ihr Elternhaus begeben und dort bleiben, bis eine günstigere Lage des Staates ihrem Gatten einen ehrenvollen Rücktritt aus dem Kriegsdienst ermöglichte. Nach einmal gefaßtem Entschluß wollte Sir Duncan nichts hören von den mädchenhaften Einwendungen seiner Tochter, die einen Aufschub der Hochzeit wünschte, und es wurde beschlossen, das Fest am nächsten Abend, dem zweiten nach der Schlacht, zu feiern.

Vierzigstes Kapitel

Alle Vorbereitungen waren getroffen, und Braut und Bräutigam sollten der Sitte des Landes gemäß erst vor dem Altare zusammenkommen.

Schon stand die Stunde bevor – der Bräutigam wartete in einer kleinen Sakristei neben der Kapelle auf den Marquis, der der Brautführer sein sollte.

Begreiflicherweise erwartete Menteith ihn mit Ungeduld – und als die Tür sich öffnete, rief er lachend:

»Ihr laßt lange auf Euch warten!«

»Vielleicht komme ich Euch noch zu früh!,« rief Allan Mac Aulay – denn er war es, der ins Gemach stürzte. »Zieht, Menteith, und verteidigt Euch wie ein Mann, oder sterbt wie ein Hund!« »Ihr seid von Sinnen, Allan,« erwiderte Menteith, verblüfft über sein plötzliches Auftreten und die furchtbare Wut, in der er sich gebürdete.

Allans Wangen waren totenblaß – die Augen traten ihm fast aus den Höhlen – vor den Lippen stand ihm Schaum – seine Gebärden waren die eines Irrsinnigen.

»Ihr lügt, Betrüger!« war die Antwort, »Ihr lügt hierin wie in allem, was Ihr mir sagt. Euer ganzes Dasein ist eine Lüge!«

»Hätte ich nicht schon gesagt, was ich denke, indem ich, Euch verrückt nannte?« entgegnete Menteith zornig, »so könnte Euer eignes Leben jetzt ein rasches Ende nehmen. Was berechtigt Euch zu dem Vorwurf, ich hätte Euch betrogen?«

»Habt Ihr mir nicht gesagt, Ihr würdet Annot Lyle nicht heiraten?« entgegnete Allan – »und jetzt, falscher Verräter, erwartet sie Euch vor dem Altare!«

Menteith wies die Beschuldigung von sich.

»Ihr sagt die Unwahrheit! Ich habe nur gesagt, ihre niedrige Herkunft sei das einzige Hindernis, weshalb ich sie, nicht zur Frau nehmen könnte. Dies Hindernis ist jetzt aufgehoben. Für wen haltet Ihr Euch denn, daß ich Euretwegen zurücktreten sollte?«

»Zieht!« rief Allan. »Wir verstehen einander.«

»Nicht jetzt,« antwortete Menteith, »und nicht hier, Allan!« Ihr kennt Mich – wartet bis morgen, und ich will Euch harte Arbeit machen!«

»In dieser Stunde – in diesem Augenblicke – oder nie!« entgegnete Allan. »Nicht länger als bis zu dieser Stunde soll Euer Triumph über mich währen! Menteith! bei unserer Verwandtschaft, bei den Kämpfen und Mühsalen, die wir zusammen bestanden haben, fordre ich Euch, auf – zieht das Schwert und verteidigt Euer Leben!«

Mit diesen Worten ergriff er Menteiths Hand und preßte sie so heftig, daß das Blut aus den Nägeln hervortrat. Ungestüm stieß ihn Menteith von sich mit dem Rufe: »Hinweg, Verrückter!«

»So erfülle sich denn mein Schicksal!« rief Allan.

Und er zog den Dolch und stieß ihn mit seiner ganzen riesenhaften Kraft dem Grafen gegen die Brust.

Die Waffe glitt an dem stählernen Harnisch hinan, aber dennoch wurde der Graf zwischen Hals und Achsel schwer verletzt, und die Kraft des Stoßes streckte ihn nieder.

Im selben Augenblick trat Montrose in die Sakristei.

Über den Lärm erschrocken, war die Hochzeitsgesellschaft in Angst und Bestürzung. Ehe jedoch Montrose flüchtig übersehen konnte, was sich ereignet hatte, war Allan wie der Blitz an ihm vorbeigesprungen und die Treppe hinuntergeeilt.

»Wachen!« rief Montrose, »schließt die Tore! – ergreift ihn! stecht ihn nieder, wenn er Widerstand leistet – er ist, des Todes, und wäre er mein eigner Bruder!« Allein Allan stach mit einem zweiten Dolchstoß eine Schildwache nieder, durchflog das Lager wie ein Hirsch, sprang in den Strom, schwamm ans andre Ufer und war bald in den Wäldern verschwunden.

Es geht von ihm das Gerücht, in wunderbar kurzer Zeit nach der Untat sei er in ein Gemach des Schlosses Inverary getreten, wo Argyle zu Rate saß, und habe den blutbefleckten Dolch auf den Tisch geworfen.

»Ist das James Grahams Blut?« fragte Argyle – und ein abscheulicher Ausdruck der Hoffnung paarte sich mit der Miene des Entsetzens über den unvermuteten Anblick.

»Das Blut seines Lieblings ists!« entgegnete Mac Aulay. »Es war mein Schicksal, es zu vergießen – obgleich ich lieber mein eigenes vergossen hätte!«

Mit diesen Worten verließ er das Schloß, und von diesem Augenblick an weiß man nicht mehr mit Bestimmtheit, was aus ihm geworden ist.

Da man bald darauf den Knaben Kenneth über den Lochfine setzen sah, so vermutet man, sie wären seinen Spuren gefolgt und er wäre in unbekannter Wildnis von ihrer Hand gefallen.

Einem andern Gerücht zufolge hat Allan das Land verlassen und ist als Kartäuser gestorben. Für beide Ansichten ist ein Beweis nicht erbracht worden.

Seine Rache war nicht so vollgiltig, wie er selbst wohl gedacht hatte. Menteith war zwar schwer verletzt worden und schwebte lange zwischen Leben und Tod.

Für Montroses Dienst war er verloren. Man hielt es für das beste, daß er mit seiner künftigen Gattin, die jetzt eine trauernde Braut war, und mit seinem gleichfalls verwundeten Schwiegervater nach Schloß Ardenvohr gebracht würde.

Nach einigen Wochen war Menteith so weit wiederhergestellt, daß er sich mit Annot im Schlosse ihres Vaters trauen lassen konnte.

Der Vater überlebte die Verlobung nur um wenige Wochen.

Menteith war noch zu schwach, als daß er sich Montrose auf dessen kurzer und ruhmreicher Laufbahn ferner hätte anschließen können. Als dieser heldenmütige Feldherr sein Heer entließ und selber Schottland verließ, lebte Menteith bis zur Wiedereinsetzung des Königtums völlig für sich. Nach diesem glücklichen Ereignis erhielt er eine seinem Range angemessene Stellung im Lande und lebte lange, beglückt durch Ansehen im öffentlichen Leben und durch häusliche Liebe – bis er hochbetagt starb.

Der handelnden Personen in unsrer Erzählung sind so wenige, daß wir – abgesehen von Montrose, dessen Leben und Taten der Geschichte angehören – nur des Ritters Dugald Dalgetty zu erwähnen haben.

Dieser Herr empfing auch fernerhin mit größter Pünktlichkeit seinen Sold und verrichtete seinen Dienst – bis er auf dem Schlachtfelde von Philipphaugh in Gefangenschaft geriet. Er wurde wie seine Mitgefangenen zum Tode verurteilt.

Mehrere Offiziere des Flachlandes legten nun für Dalgetty Fürsprache ein, indem sie ihn als einen Mann bezeichneten, der bei seiner Gewandtheit dem Heere von Nutzen sein könne und der leicht zu bestimmen wäre, in andre Dienste zu treten. Aber Ritter Dugald Dalgetty zeigte sich hier unerwarteterweise sehr hartnäckig: er habe sich auf eine bestimmte Zeit für den Dienst des Königs anwerben lassen und seine Grundsätze erlaubten ihm nicht, an eine Änderung zu denken, ehe dieser Termin vorüber sei.

Mit einiger Schwierigkeit erlangten seine Freunde einen Aufschub für den Zeitraum von vierzehn Tagen, um den es sich hier handelte. Nach dieser Frist fanden sie Sir Dugald ohne weiteres bereit, auf ihre Bedingungen einzugehen.

Er trat nunmehr in den Dienst der Stände und brachte es bis zum Major in Gilbert Kers Korps, welches man gemeinhin das Leibregiment der Kirche nannte.

Wie es ihm weiter ergangen ist, wissen wir nicht. Nur das ist uns bekannt, daß er in den Besitz seines väterlichen Gutes Drumthwacket gelangte – freilich nicht durchs Schwert – sondern indem er Hannah Strachan heiratete, eine schon etwas bejahrte Dame und die Witwe des Covenanters aus Aberdeenshire.

Vermutlich hat Sir Dugald Dalgetty sogar die Revolution überlebt; denn Überlieferungen, die nicht sehr weit zurückreichen, geben an, er sei als alter tauber Kerl im Lande umhergestolpert und habe endlose Geschichten erzählt vom unsterblichen Gustavus, dem Löwen des Nordens und dem Bollwerk des protestantischen Glaubens.

Ende

Загрузка...