Einleitung

Die Asch' erschlag'ner Könige ruht,


Wohin ich trete, hie, –


Und dort der Todesschauplatz, wo


Zu weinen gelernt Marie.


Capitain Majoribanks.

Jedes Quartier in Edinburg hat etwas Besonderes, worauf es stolz ist, so daß die Stadt innerhalb ihres Bezirks (wofern man der Aussage der Einwohner hierüber Glauben schenkt) eben so reich an geschichtlichem Interesse als an Naturschönheiten ist. Unsere Lobsprüche hinsichtlich Canongate's lassen sich noch anderweit steigern. Das Schloß mag durch seine umfangreiche Aussicht und seine erhabene Lage über uns stehen; der Calton behauptet stets durch sein unübertreffliches Panorama den Vorrang, neuerdings noch erhöht durch die Zugabe von Thürmen, Triumphbögen und die Säulen seines Parthenon. Wir gestehen, daß Highstreet die ausgezeichnete Ehre genoß, durch Festungswerke vertheidigt zu sein, von denen wir keine Spur aufweisen können. Wir wollen uns nicht so weit herablassen, die Ansprüche emporgekommener Quartiere zu erwähnen, genannt die Alte Neustadt und die Neue Neustadt, nicht zu gedenken des besonders beliebten Moray-Platzes, der neuesten Neustadt von allen. Wir wollen uns einzig und allein unseres Gleichen gegenüberstellen, und zwar unseres Gleichen nur hinsichtlich des Alters, denn hinsichtlich der Würde erkennen wir nichts als unseres Gleichen an. Wir rühmen uns, der Hofbezirk der Stadt zu sein, den Palast und die Begräbnißüberreste der Fürsten umschließend, und daß wir im Stande sind, in einem, den minder ansehnlichen Quartieren der Stadt unbekannten Grade die düsteren und erhabenen Erinnerungen an die alte Größe zurückzurufen, welche innerhalb unserer ehrwürdigen Abtei herrschte seit der Zeit St. Davids, bis herab auf den Zeitpunkt, wo ihre verlassenen Hallen noch einmal die Freude begrüßte, und wo ihr lang verstummter Widerhall erweckt wurde durch den Besuch unseres gegenwärtigen erhabenen Fürsten.

Mein langer Aufenthalt in der Nachbarschaft und mein ruhiges ehrbares Benehmen setzte mich in eine Art freundschaftliches Verhältniß mit der guten Mrs. Policy, der Hausverwalterin in dem interessantesten Theile des alten Gebäudes, genannt die Zimmer der Königin Maria. Aber ein Vorfall, der sich kürzlich ereignete, hat mir noch größere Vorrechte verschafft, so daß ich in der That, glaub' ich, das Wagstück Chatelet's bestehen könnte, welcher hingerichtet wurde, weil man ihn Nachts im Schlafgemach der Herrscherin Schottlands versteckt fand.

Es traf sich, daß die gute Frau, deren ich erwähnte, ihrem Berufe gemäß einem Gecken aus London die Zimmer zeigte; – nicht einem jener stillen, stumpfen, gewöhnlichen Gäste, welche mit aufgesperrtem Munde und mit einem beifälligen »Hm« den eingelernten Worten der Cicerone lauschen. Ein solcher war's nicht – es war der muntere, gewandte Agent eines großen Hauses in der City, der keine Gelegenheit vorbeiließ, Geschäfte zu machen, wie er's nannte, d. h. die Waaren seiner Geschäftsfreunde loszuschlagen und zugleich für eigene Rechnung seinen Vortheil zu suchen. Hastig war er durch die Reihe der Zimmer geeilt, ohne die geringste Gelegenheit zu finden, ohne auf das zu kommen, was er als Hauptzweck seines Daseins betrachtete. Selbst die Geschichte von Rizzio's Ermordung hatte diesen Handelsapostel ungerührt gelassen, bis die Verwalterin, zur Bekräftigung ihrer Erzählung, auf die dunklen Blutflecken am Boden hindeutete.

»Da sind die Flecken,« sagte sie; »nichts vermag sie von dem Orte zu tilgen – seit zweihundert und fünfzig Jahren sind sie dagewesen – und da werden sie bleiben, so lange die Dielen vorhanden sind – weder Wasser, noch sonst etwas kann sie von dem Orte wegbringen.«

Nun handelte unser Geck neben andern Artikeln auch mit sogenannten Reinigungstropfen, und ein seit 250 Jahren vorhandener Flecken war interessant für ihn, nicht weil er von dem Blute des Lieblings einer Königin, der in ihrem Zimmer erschlagen ward, herrührte, sondern weil er ihm eine so vortreffliche Gelegenheit bot, die Wirksamkeit seines unübertrefflichen Reinigungselixirs zu bewähren. Auf die Knie stürzte unser Freund, aber weder vor Schrecken noch andächtiger Rührung.

»Zweihundert und fünfzig Jahre, Ma'am, und nichts nimmt sie hinweg? Ei, und wenn es fünfhundert gewesen wären, ich hab' etwas in meiner Tasche, was sie in fünf Minuten beseitigen soll. Sehen Sie dies Elixir, Ma'am? Ich will Ihnen zeigen, daß der Flecken im Augenblick verschwindet.«

Sonach befeuchtete er ein Ende seines Taschentuches mit dem Alles reinigenden Mittel und begann auf der Diele zu scheuern, ohne sich an die Gegenreden der Mrs. Policy zu kehren. Sie, die gute Seele, blieb eine Zeit lang stumm vor Bestürzung, gleich der Aebtissin zur heiligen Brigitta, als ein profaner Gast die Branntweinflasche, die man lange unter den Klosterreliquien als die Thränen der gepriesenen Heiligen gezeigt hatte, rein austrank. Die würdige Aebtissin von St. Brigitta erwartete wahrscheinlich die Dazwischenkunft ihrer Schutzheiligen – die von Holy-Rood mochte vielleicht hoffen, David Rizzio's Geist werde erscheinen, um die Entweihung zu verhüten. Aber Mrs. Policy verharrte nicht lange in dem Schweigen des Entsetzens. Sie erhob ihre Stimme und schrie so laut wie Königin Maria selber, als die schreckliche That vollbracht wurde –

»Nun Alles hin und Alles aus!« rief sie.

Ich machte gerade in der anstoßenden Gallerie meinen Morgenspaziergang, wo ich eben darüber nachdachte, warum die Könige von Schottland, deren Bilder ringsum hingen, Alle, einer wie der andere, mit einer Nase gemalt sein möchten, die wie ein Thürklopfer aussah – als, horch! die Wände noch ein Mal von solchem Geschrei widerhallten, wie es früher oft in den schottischen Palästen gehört wurde, wenn Klänge der Lust und Musik ertönten. Erschreckt durch den Lärm, der an einem so einsamen Orte beunruhigend war, eilte ich dem Orte zu, woher derselbe kam, und fand den Reisenden, der in der besten Meinung wie eine Hausmagd den Boden scheuerte, während ihn Mrs. Policy an den Rockschößen zerrte und sich umsonst bemühte, sein ruchloses Vorhaben zu hintertreiben. Es kostete mir einige Mühe, dem geschäftigen Reiniger von seidenen Strümpfen, gestickten Westen, Bratenröcken und Fichtenbrettern begreiflich zu machen, daß es gewisse Flecken in der Welt gebe, welche unauslöschlich bleiben müßten, wegen der Erinnerungen, die damit verknüpft wären. Unser guter Freund sah in jedem derartigen Dinge nur das Mittel, um die Tugend seiner gerühmten Waare darzulegen. Er begriff indeß, daß man ihm bei gegenwärtiger Gelegenheit nicht gestatten würde, die Kraft seiner Artikel weiter zu erproben, da zwei oder drei Einwohner erschienen, welche gleich mir drohten, in der Sache die Partei der Verwalterin zu ergreifen. Er nahm daher Abschied, indem er murmelte, daß er stets gehört habe, die Schotten wären unreinliche Leute; aber nie hab' er geglaubt, daß sie es so weit trieben, die Dielen ihrer Paläste blutbesudelt zu lassen, gleich Banquo's Geist, da es, um die Flecken zu beseitigen, nur hundert Tropfen des untrüglichen Reinigungselixirs kosten würde, bereitet und verkauft von den Herren Scrub und Rub, in Flaschen zu fünf und zehn Schilling, jede Flasche bezeichnet mit den Anfangsbuchstaben des Erfinders, um jeden Verfälscher hinsichtlich der gesetzlichen Strafe zu warnen. Befreit von der lästigen Gegenwart dieses Freundes der Reinlichkeit, war meine Freundin, Mrs. Policy, verschwenderisch mit Ausdrücken des Dankes, und gleichwohl ist ihre Erkenntlichkeit, statt sich, wie es meistens geht, durch diese Betheuerungen zu erschöpfen, im gegenwärtigen Augenblicke noch so lebendig, als wenn sie mir überhaupt nie Dank gesagt hätte. Der Erinnerung an diese Dienstleistung verdanke ich die Erlaubniß, beliebig diese verlassenen Gemächer zu durchwandern, gleich dem Schatten eines abgeschiedenen Kammerherrn, bald, wie es in dem alten irischen Liebe heißt:

»Ob Dingen sinnend, welche längst vorüber,«

bald dem Wunsche nachhängend, daß auch mich, wie zu manchen Romanschreiber, ein günstiges Ungefähr im verborgenen Fache eines alten Schrankes ein, wenn auch kaum zu entzifferndes Manuscript finden lassen möchte, enthaltend authentische Nachrichten über eine der merkwürdigen Thaten aus jenen wilden Tagen der unglücklichen Maria.

Meine liebe Mrs. Baliol pflegte mit mir innig übereinzustimmen, wenn ich beklagte, daß derartige Geschenke nicht mehr zum Vorschein kämen, und daß ein Autor, dem am Seegestade die Zähne vor Frost klappern, diese sich eher ausbeißen könnte, eh' ihm eine Welle ein Kästchen mit einer Geschichte, wie die der Automaten, zuführte; daß er, durch ein paar hundert Gewölbe stolpernd, Arm' und Beine brechen könne, ohne etwas Anderes dort zu finden, als Ratten und Mäuse, und daß er ein halbes Dutzend alter Behausungen bewohnen könne, ohne ein anderes Manuscript zu erblicken, als die Rechnung für Kost und Wohnung jede Woche. Ein Milchmädchen könnte in diesen entarteten Tagen ebenso gut ihre Milchkammer in der Hoffnung waschen und putzen, in ihrem Schuh das feenhafte Sechspencestück zu finden.

»Es ist eine traurige, aber nur allzuwahre Geschichte, Bester,« sagte Mrs. Baliol. »Ich bin überzeugt, daß wir Alle Gelegenheit haben, diesen vollkommenen Mangel an Hilfsquellen für eine erschöpfte Phantasie zu beklagen. Aber Sie haben vor allen Andern zumal das Recht, zu beklagen, daß die Feen Ihre Nachforschungen nicht begünstigten, da Sie der Welt doch den Beweis geliefert haben, daß die Zeiten des Ritterthums noch nicht vorüber sind, – Sie, der Ritter von Croftangry, der Sie der Heftigkeit des Londoner frechen Burschen widerstanden, zum Besten der schönen Dame Policy, und für das Andenken an Rizzio's Ermordung! Ist es nicht schade, Freund, da diese Ritterthat so ganz den Regeln gemäß war, ist es nicht schade, sag' ich, daß die Dame nicht etwas jünger und die Sage etwas älter war?«

»Nun, was das Alter betrifft, wo eine Dame ihre Ansprüche an das Ritterthum verliert und kein Recht mehr hat, eines tapfern Ritters Gabe zu heischen, so überlasse ich die Entscheidung den Statuten des Ordens der irrenden Ritterschaft; aber für das Blut Rizzio's nehme ich den Handschuh auf und behaupte gegen Jedermann, daß die Flecken nicht aus neuerer Zeit herrühren, sondern in der That die Spuren jenes schrecklichen Mordes sind.«

»Da ich die Ausforderung nicht annehmen kann, werther Freund, so begnüge ich mich, den Beweis zu fordern.«

»Die Sage, die sich unverändert im Palast erhalten und die Uebereinstimmung der wirklichen Lage der Dinge mit jener Tradition.«

»Deutlichere Erklärung, wenn's Ihnen gefällig ist.«

»Sehr gern. – Es ist allgemeine Sage, daß, als Rizzio aus der Königin Zimmer hinweggeschleppt wurde, die Mörder, die sich in ihrer Wuth darüber stritten, wer ihm die meisten Wunden beibrächte, ihn an der Thür des Vorzimmers niederstachen. An diesem Orte wurde demnach das meiste Blut vergossen, und hier zeigt man noch die Flecken davon. Ferner melden die Geschichtschreiber, daß Maria fortwährend gebeten habe, man möchte Rizzio 's Leben schonen, indem sie ihre Bitten mit Geschrei und Ausrufungen mischte, bis sie, als man ihr die Versicherung gab, er sei bereits todt, die Augen trocknete und sagte: ›Ich werde nun auf Rache sinnen!‹«

»Alles dies ist zugegeben.– Aber das Blut? Meinen Sie, daß es in so vielen Jahren nicht verwischt werden oder ganz verschwinden konnte?«

»Ich werde sogleich darauf kommen. Die beständige Sage des Palastes berichtet, Maria habe alle Vorkehrungen verboten, die Zeichen der Mordthat zu entfernen, weil sie dieselben erhalten wollte, als Erinnerung an die Beschleunigung der beabsichtigten Rache. Aber es wird hinzugefügt, daß sie es für genügend fand, wenn sie wüßte, daß jene noch vorhanden wären, und weil sie nicht wünschte, die Spuren der Mordthat immer vor Augen zu haben, so befahl sie, einen Verschlag, wie man es nannte (d. h. eine einstweilige Bretterwand), einige Schritte von der Thüre im Vorzimmer anzubringen, so daß der Theil des Zimmers, worin die Blutspuren befindlich waren, von dem übrigen geschieden und dadurch sehr verdunkelt worden war. Diese Wand steht noch, und der Umstand, daß dadurch die Gestalt der Decke und Karnieße unregelmäßig gemacht wird, ist ein offenbarer Beweis, daß ein besonderes Ereigniß die Ursache war, warum man sie anbrachte, da sie die Verhältnisse des Gemachs stört, so wie die der Deckenverzierungen, und daß man demnach, als man sie gerade hier anfügte, keine andere Absicht haben konnte, als dem Auge einen widrigen Anblick zu entziehen. Dem Einwurfe, daß die Blutflecken mit der Zeit hätten verschwinden müssen, glaube ich entgegnen zu können, daß sie, da man unmittelbar nachdem das Verbrechen verübt worden, keine Vorkehrung traf, sie zu beseitigen, oder mit andern Worten, da man dem Blute Zeit gönnte, in das Holz einzudringen, unauslöschlich werden mußten. Abgesehen von dem Umstände, daß man bei uns in Schottland die Paläste zu jener Zeit nicht besonders reinlich hielt, und daß es damals noch kein Reinigungselixir gab, womit man Schwamm und Scheuerlappen unterstützen konnte, finde ich es höchst wahrscheinlich, daß die Spuren jener Mordthat sich sehr lange hätten erhalten können, selbst wenn Maria nicht gewünscht oder befohlen hätte, sie zu erhalten, sondern durch Herstellung eines Verschlags dem Auge zu verdecken. Mir sind mehrere Beispiele von ähnlichen Blutflecken bekannt, die sich viele Jahre hindurch erhalten haben, und ich zweifle, ob sie nach Verlauf einer gewissen Zeit auf andere Weise beseitigt werden könnten, als mit Hilfe eines Hobels. Hätte ein Seneschal, um das Interesse, welches diese Zimmer begleitet, zu erhöhen, durch Anwendung von Farbe und andere ähnliche Mittel die Nachwelt hintergehen wollen und zu diesem Ende die Flecken künstlich aufgetragen, so würde er, glaub' ich, den Schauplatz in das Schlafgemach der Königin verlegt und die Blutflecken an einer Stelle angebracht haben, wo sie einem Jeden deutlich in's Auge fallen mußten, statt sie hinter einer Bretterwand zu verstecken. Das Vorhandensein dieser Wand ist übrigens auch sehr schwer zu erklären, wenn man die gemeine Sage verwirft. Kurz, die Oertlichkeiten stimmen so sehr mit den Thatsachen der Geschichte zusammen, daß ich glaube, sie mögen wohl den Umstand mit dem Blute auf dem Fußboden bestätigen.«

»Ich gesteh' Ihnen,« erwiderte Mrs. Baliol, »daß ich sehr geneigt bin, mich zu Ihrem Glauben zu bekehren. Wir sprechen von gemeiner Leichtgläubigkeit, ohne immer daran zu denken, daß es auch einen gemeinen Unglauben gibt, der es leichter findet, Thatsachen der Geschichte, wie der Religion zu bezweifeln, als sie zu untersuchen, und der die Schuld trägt, daß man darin eine Ehre sucht, ein starker Geist zu sein, sobald ein Gegenstand die beschränkte Einsicht des Zweiflers etwas übersteigt. Da wir nun über diesen Punkt mit einander im Reinen sind, und Sie, wie ich sehe, das ›Sesam thu' dich auf‹ besitzen, das uns diese geheimen Zimmer aufschließen kann,– welchen Gebrauch, wenn ich fragen darf, gedenken Sie dann von Ihrem Rechte zu machen?– Beabsichtigen Sie, diese Nacht im Schlafzimmer der Königin zuzubringen?«

»Zu welchem Zweck, verehrte Freundin? – geschah' es, um den Schnupfen zu befördern, so dürfte dieser Ostwind die Absicht begünstigen.«

»Den Schnupfen befördern – behüte Gott! das wäre schlimmer, als das Veilchen noch zu färben. Nein, wenn ich Ihnen empfahl, eine Nacht auf dem Lager der Rose von Schottland zuzubringen, so gedacht' ich Ihnen blos ein Mittel anzudeuten, um Ihre Einbildungskraft anzufeuern. Wer weiß, welche Träume eine Nacht, zugebracht in einem Palast voll so vieler Erinnerungen, hervorrufen könnte! Wer weiß, ob nicht die eiserne Thür an der Treppe zum Ausfallthore um die geheimnißvolle Mitternachtstunde sich öffnete, wie zur Zeit der Verschwörung; ob Sie nicht die Phantome der Mörder, verstohlenen Schrittes und schrecklichen Ansehens sich nahen sähen, um die tragische Scene nochmals vor Ihnen aufzuführen. Sehen Sie den wilden, fanatischen Ruthven dort kommen – den sein Haß und Parteigeist stärkte, eine Waffenrüstung zu tragen, deren Last Glieder gleich den seinen, entnervt durch schleichende Krankheit, hätte niederdrücken müssen. Sehen Sie, wie seine durch Leiden entstellten Züge unter dem Helme hervorgrinsen, gleich denen eines Leichnams, von einem Teufel beseelt, die Augen racheglühend, während auf dem Gesicht die Ruhe des Todes liegt. Dort erscheint die schlanke Gestalt des jungen Darnley, so schön in seinem Aeußern, als schwankend in seinem Entschlusse. Er naht, als trüge sein Fuß Bedenken, auf den Boden zu treten, mehr aber zögert er noch in seinem Vorhaben, da kindische Furcht bereits seine kindische Leidenschaft überwältigt. Er befindet sich in dem Falle eines ränkevollen Knaben, der Feuer an eine Mine gelegt hat, und, während er mit Reue und Furcht das Springen derselben erwartet, sein Leben darum gäbe, wenn er damit die Lunte löschen könnte, die seine eigne Hand entzündete. – Dort – dort – aber ich vergaß die Namen der andern würdigen Kehlabschneider. Helfen Sie mir nach, wenn Sie können.«

»Beschwören Sie,« sagt' ich, »den Postulanten Georg Douglas, den Thätigsten der Bande. Lassen Sie ihn auf Ihr Gebot erscheinen – der ein Gut beanspruchte, welches er nicht besaß – in welchem das erlauchte Blut der Douglas floß, welches aber in seinen Adern durch Unrechtmäßigkeit befleckt ist. Malen Sie den Grausamen, den Verwegenen, den Ehrgeizigen – der Größe so nah und so abgesperrt von ihr – dem Reichthum so nah und von dessen Besitz so ausgeschlossen – ein politischer Tantalus, bereit Alles zu thun und zu wagen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen und seine zweideutigen Ansprüche geltend zu machen.«

»Vortrefflich, mein lieber Croftangry! Aber was ist ein Postulant?«

»O, verehrte Dame, Sie stören den Gang meiner Ideen. – Ein Postulant war, nach schottischer Redeweise, der Kandidat zu irgend einer Vergünstigung, die er noch nicht erhalten hatte. Georg Douglas, Rizzio's Mörder, war Postulant der Besitzungen der reichen Abtei Arbroath.«

»Ich verstehe schon – wohlan, fahren Sie fort; wer kommt zunächst?« sprach Mrs. Baliol weiter.

»Wer zunächst kommt? Jener große, hagere, wildaussehende Mann, mit der Büchse in der Hand, muß Andreas Ker von Faldonside sein, ein Brudersohn, glaub' ich, des berühmten Sir David Ker von Ceßford; sein Blick und Benehmen sind die eines Wegelagerers; sein Gemüth war so roh, daß er während des Getümmels im Kabinet sein geladenes Gewehr auf den Busen der jungen und schönen Königin setzte, der Königin, die überdies binnen wenigen Wochen Mutter werden sollte.« »Bravo, beau cousin! – Nun, nachdem Sie Ihren Geisterschwarm citirt haben, sind Sie hoffentlich nicht gesonnen, sie nach ihren kalten Betten zurückzusenden, um sich wieder zu wärmen? Sie werden sie in Thätigkeit setzen, und da Ihr unermüdlicher Kiel noch Absichten auf Canongate hat, so werden Sie wahrscheinlich diese seltsamste aller Tragödien zu einer Novelle, oder, wenn Sie wollen, zu einem Drama verarbeiten?«

»Schlechtere – das heißt weniger interessante – Perioden der Geschichte hat man schon zur Unterhaltung der friedlichen Zeiten, welche darauf folgten, ausgewählt. Aber, meine Verehrte, die Ereignisse aus Maria's Tagen sind zu wohl bekannt, als daß sie für romantische Dichtung tauglich wären. Was könnte ein besserer Schriftsteller, als ich bin, der geschmackvollen und kräftigen Erzählung eines Robertson noch beifügen? Also lebt wohl, ihr Gesichte – ich erwache, wie John Bunian, »und betrachte Alles als einen Traum« – Nun, gut genug, daß ich ohne Hüftweh erwache, das höchst wahrscheinlich eine Folge meines Schlafs gewesen wäre, hätte ich das Bett der Königin Maria entweiht und als mechanisches Hilfsmittel gebraucht, um eine schlaffe Phantasie aufzurütteln.«

»Damit ist es nicht abgemacht, Bester,« antwortete Mrs. Baliol; »Sie müssen all' diese Bedenklichkeiten beseitigen, wenn Sie die Rolle eines romantischen Geschichtsschreibers, die Sie übernommen haben, mit Glück spielen wollen. Was hat der klassische Robertson mit Ihnen zu thun? Das Licht, das er verbreitete, war das einer Lampe, um die dunklen Ereignisse der Vorzeit aufzuklären; das Ihrige ist eine Zauberlaterne, um Wunder zu schaffen, die nie wirklich da waren. Ein Leser von Verstand wundert sich nicht über ihre historischen Ungenauigkeiten; eben so wenig als er sich wundert, wenn er Kasperle im Puppentheater auf demselben Throne mit König Salomo in seiner Glorie sitzen sieht, oder ihn während der Sündfluth dem Erzvater zurufen hört: ›Gewaltig nebliges Wetter, Herr Noah.‹«

»Mißverstehen Sie mich nicht, verehrte Dame,« sagt' ich; »ich kenne zur Genüge meine Freiheiten als Romanschreiber. Allein selbst der lügnerische Mr. Fagg, in Sheridans Nebenbuhlern, versichert uns, daß er sich zwar nie ein Bedenken darüber mache, auf Befehl seines Herrn eine Unwahrheit zu sagen, jedoch immer Gewissensbisse empfinde, wenn die Lüge an den Tag komme. Nun, dies ist der Grund, warum ich klüglich alle zu wohlbekannten geschichtlichen Pfade vermeide, wo Jedermann Wegweiser findet, deren Inschriften ihn belehren, wohin er sich zu wenden hat; ja, selbst Knaben und Mädchen, welche die Geschichten Englands durch Fragen und Antworten kennen lernen, lachen über einen armen Schriftsteller, wenn er vom Wege abweicht.«

»Entmuthigen Sie sich doch nicht, lieber Christal. Es gibt eine Menge Wildnisse in der schottischen Geschichte, durch welche, wenn ich mich nicht sehr irre, noch keine sichern Pfade beschrieben wurden, und die man nur aus unvollkommener Ueberlieferung kennt, welche mit Wundern und Märchen die Perioden ausfüllt, in welchen man nichts von wirklichen Begebenheiten weiß. Ganz so sagt Matthias Prior:

»Pfadlose Länder bevölkert der Geograph


Anstatt der Städte nur mit Elephanten.«

»Wenn dies Ihr Rath ist, verehrte Dame,« sagte ich, »so wird der Lauf meiner Geschichte diesmal in einer entfernten Zeit beginnen und in einer Provinz, die von meiner natürlichen Sphäre, Canongate, weit abliegt.«

Unter dem Einfluß dieser Empfindungen war es, daß ich den folgenden historischen Roman begann, welcher, oft unterbrochen und bei Seite geschoben, gegenwärtig zu viel Umfang gewonnen hat, um überhaupt weggeworfen zu werden, obwohl es nicht besonders klug sein mag, ihn der Presse zu übergeben.

Ich legte den handelnden Personen nicht den niederschottischen Dialekt, der jetzt gesprochen wird, in den Mund, weil unstreitig das Schottische jener Zeit dem Angelsächsischen sehr ähnlich war, bereichert durch einen Anflug des Französischen oder Normannischen. Diejenigen, welche den Gegenstand zu erforschen wünschen, mögen die Chronik von Winton und die Geschichte von Bruce durch den Archidiakonus Barbour zu Rathe ziehen. War auch meine eigne Kenntniß des Altschottischen hinreichend, um den Dialog in dessen Eigenthümlichkeiten zu kleiden, so würde doch eine Uebersetzung zu Gunsten der meisten Leser nöthig gewesen sein. Der schottische Dialekt mag daher unberücksichtigt bleiben, außer wo der Gebrauch eigentümlicher Wörter der Darstellung mehr Nachdruck oder Lebendigkeit geben kann.

Erstes Kapitel

»Die Tiber schaut,« rief stolz der Römer, da


Den breiten Ta er vor sich fluthen sah;


Doch, welcher Schotte gäb' zurück den Gruß


Und hieße Ta den kleinen Tiberfluß?


Ungenannter.

Verlangte man von einem einsichtsvollen Fremden, unter allen Provinzen Schottlands die mannigfaltigste und schönste anzugeben, so würde er wahrscheinlich die Grafschaft Perth nennen. Ebenso wird der irgend einem andern Distrikt Caledoniens angehörende Schotte, obwohl seine Parteilichkeit ihn veranlaßt, seiner heimathlichen Grafschaft den ersten Platz einzuräumen, gewiß der von Perth den zweiten zugestehen, und so deren Bewohnern als gutes Recht zugeben, daß sie – ohne alles Vorurtheil – behaupten dürfen, Perthshire bilde den schönsten Theil des nordischen Königreichs. Es ist schon lange her, daß Lady Mary Wortley Montague, mit all' dem vortrefflichen Geschmack, welcher ihren Schriften eigen ist, die Meinung aussprach, daß der interessanteste Theil jedes Landes und welcher die mannigfachsten Schönheiten natürlicher Scenerie in höchster Vollkommenheit bietet, derjenige sei, wo die Berge sich auf die Ebene oder das flache Land absenken. Die malerischsten, wenn auch nicht die höchsten Berge, findet man gleichfalls in der Grafschaft Perth, die Flüsse finden ihre Bahn aus der Bergregion über die wildesten Abhänge und durch die romantischsten Thäler, welche das Hochland mit der Ebene verbinden. Außerdem mischt sich die Vegetation eines glücklichern Himmelsstrichs und Bodens mit den großartigen Merkmalen einer bergigen Landschaft, und Wälder, Haine und Dickichte umsäumen verschwenderisch den Fuß der Hügel, steigen die Schluchten empor und verbinden sich mit den Spitzen. In so begünstigten Gegenden ist es, wo der Reisende das findet, was der Dichter Gray oder irgend ein Anderer die »im Schooße des Schreckens liegende Schönheit« nannte.

Ebenfalls ihrer vortheilhaften Lage wegen besitzt diese begünstigte Provinz eine Mannigfaltigkeit der angenehmsten Art. Ihre Seen, ihre Wälder und Berge können an Schönheit mit Allem wetteifern, was das Hochland bietet; während Perthshire mitten unter der romantischen Scenerie und in einigen damit zusammenhängenden Theilen viele fruchtbare und wohnliche Striche umschließt, die mit dem Reichthum des lustigen England selbst wetteifern können. Das Land war auch der Schauplatz vieler denkwürdiger Thaten und Ereignisse, theils von geschichtlicher Wichtigkeit, theils für den Dichter und Romantiker anziehend, obwohl nur aus volkstümlicher Ueberlieferung bekannt. In diesen Thälern war's wo die Sachsen aus der Ebene und die Gälen von den Bergen manch verzweifeltes und blutiges Treffen hielten, worin es oft unmöglich war zu entscheiden, ob der Kranz des Sieges der gepanzerten Ritterschaft des Niederlandes oder den mit Plaids gekleideten Clans, gegen die jene focht, gebührte.

Perth, so ausgezeichnet durch die Schönheit seiner Lage, ist ein Ort von hohem Alterthum, und eine alte Sage hebt die Wichtigkeit der Stadt dadurch, daß sie deren Gründung durch die Römer behauptet. Diese siegreiche Nation wollte, sagt man, in dem viel prächtigern und besser schiffbaren Tay die Tiber wiedererkennen, und gab zu, daß die große Ebene, wohlbekannt unter dem Namen des North Inch, viel Ähnlichkeit mit ihrem Campus Martius habe. Die Stadt war oft die Residenz unserer Könige, die, obwohl sie keinen Palast zu Perth hatten, das Cistercienserkloster völlig genügend zur Aufnahme ihres Hofes fanden. Hier war's, wo Jakob I., einer der weisesten und besten unter den Königen Schottlands, als Opfer des Argwohns der rachsüchtigen Aristokratie fiel. Hier fand auch die geheimnißvolle Verschwörung von Gowrie statt, deren Schauplatz erst kürzlich durch die Zerstörung des alten Palastes, worin die Tragödie spielte, verschwunden ist. Die Antiquarische Gesellschaft in Perth hat, mit gerechtem Eifer für die Gegenstände ihres Forschens, einen genauen Plan dieses merkwürdigen Gebäudes herausgegeben, nebst einigen Bemerkungen über seinen Zusammenhang mit dem Berichte von der Verschwörung, die ebenso viel Genauigkeit als Treue enthalten.

Eine der schönsten Aussichten, welche Britannien, vielleicht die Welt, gewähren kann, ist, oder war vielmehr diejenige, die man von einem Orte, die Wicks von Baiglie genannt, genoß: es war dies eine Art Nische, in welche der Reisende gelangte, nachdem er von Kinroß an eine weite Strecke wüsten und uninteressanten Landes durchzogen hatte. Von diesem Orte aus, der Spitze einer Anhöhe, die er allmälig erstiegen, sieht er zu seinen Füßen das Thal des Tay sich hinziehen, von jenem großen, schönen Strome bewässert, die Stadt Perth mit ihren zwei großen Ebenen oder Inches, ihren Kirchthürmen und hohen Gebäuden; die Berge Moncrieff und Kinnoul, die sich in ihren Felsmassen erheben, zum Theil mit Wald bewachsen; die reichen Ufer des Stromes, mit geschmackvollen Häusern geziert, und in der Ferne die hohen Grampischen Gebirge, den nördlichen Hintergrund dieser köstlichen Landschaft. Die Aenderung, die mit der Straße getroffen wurde, wobei jedoch der Verkehr sehr viel gewonnen hat, hat den Reisenden dieser großartigen Aussicht beraubt, und die Landschaft entfaltet sich mehr allmälig und theilweise dem Auge, obwohl sie auch so noch immer für äußerst schön gelten muß. Wie wir glauben, ist noch ein Fußpfad vorhanden, auf welchem man zu den Wicks von Baiglie gelangen kann; und wenn der Reisende sein Pferd oder sein Fuhrwerk verlassen und einige hundert Schritte zu Fuß gehen will, so kann er noch jetzt die Landschaft mit der Skizze vergleichen, die wir zu entwerfen versuchten. Aber den Reiz, welcher, aus Ueberraschung entspringend, den Genuß erhöht, sobald ein so köstlicher Anblick sich plötzlich bietet, wo man sie am wenigsten erwartete, und welcher Chrystal Croftangry bezauberte, als er die unvergleichliche Scene zum ersten Male schaute, diesen Reiz zu schildern vermögen wir ebenso wenig, als ihn der Reisende aus der Schilderung zu empfinden vermöchte.

Kindisches Staunen war allerdings mit in meinem Entzücken, denn ich war nicht über fünfzehn Jahre alt; und da dies der erste Ausflug war, den ich auf meinem eigenen Rößlein machen durfte, so empfand ich auch die Freude der Unabhängigkeit, vermischt mit jenem Grade von Unruhe, welche der selbstgefällige Knabe empfindet, wenn er zum ersten Male seiner eigenen Leitung überlassen ist. Ich erinnere mich, daß ich, ohne zu wissen was ich that, die Zügel anzog, und auf die Scene vor mir hinstarrte, als fürchtete ich, sie möchte sich gleich jenen auf einem Theater verändern, bevor ich ihre verschiedenen Theile genau beobachten oder mich überzeugen konnte, daß es Wirklichkeit sei, was ich sah. Seit dieser Stunde, und es sind mehr als fünfzig Jahre seitdem verflossen, hat die Erinnerung an diese unvergleichliche Landschaft den stärksten Einfluß auf mein Gemüth gehabt, und hat ihre Stelle als eine Denkwürdigkeit behauptet, während Vieles von dem, was auf mein Geschick Einfluß hatte, dem Gedächtniß entflohen ist. Daher ist es natürlich, daß ich, während ich überlege, was ich der Unterhaltung des Publikums bieten könnte, eine Erzählung wähle, die mit der herrlichen Landschaft in Verbindung steht, welche auf meine jugendliche Einbildungskraft einen solchen Eindruck machte, und die vielleicht, hinsichtlich der Unvollkommenheiten meiner Dichtung, die Wirkung haben kann, welche Damen einem schönen Porzellangeschirr zuschreiben, um den Geschmack eines nicht vorzüglichen Thees zu erhöhen.

Der Zeitpunkt, bei welchem ich beginnen will, ist indeß ein weit früherer, als irgend eines der denkwürdigen geschichtlichen Ereignisse, auf welche ich bereits anspielte, da sich die Vorgänge, welche ich berichten will, während der letzten Jahre des vierzehnten Jahrhunderts zutrugen, wo das schottische Scepter in der sanften, aber schwachen Hand Johann's ruhte, welcher, als er den Thron bestieg, den Namen Robert III. annahm.

Zweites Kapitel

Sammtweichen Kuß beut auch ein Mund vom Lande;


Zwar Lady nicht, flicht sie wohl süß're Bande.


Dryden.

Perth, welches sich, wie wir bereits erwähnten, so vieler Schönheiten der unbelebten Natur rühmt, hat zu keiner Zeit derjenigen Reize entbehrt, die zugleich anziehender und vergänglicher sind. Die Benennung, das schöne Mädchen von Perth, würde zu jeder Zeit eine hohe Auszeichnung gewesen sein und eine nicht geringe Uebermacht an Schönheit vorausgesetzt haben, da dort so Viele waren, um diesen beneideten Titel in Anspruch zu nehmen. Aber in den Zeiten des Lehnwesens, zu denen wir jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers hinlenken, war leibliche Schönheit eine Eigenschaft von höherer Bedeutung, als es der Fall gewesen ist, nachdem der ritterliche Sinn großentheils erlosch. Die Liebe der alten Ritter war eine Art erlaubten Götzendienstes, welcher, wie man in der Theorie annahm, der Liebe des Himmels allein sich an Innigkeit nähern konnte, die ihr aber in der Wirklichkeit selten gleichkam. Gott und die Damen wurden gemeinsam in einem Athem angerufen; und Ergebenheit gegen das schöne Geschlecht ward dem Bewerber um die Würden des Ritterthums ebenso dringend zur Pflicht gemacht, als die, welche er dem Himmel schuldig war. In diesem Zeitalter war die Macht der Schönheit fast unbeschränkt. Sie konnte den höchsten Rang mit einem unermeßlich niedrigern gleichstellen.

Es war unter der Regierung, welche jener Roberts III. vorherging, daß Schönheit allein ein Weib von niedrigem Stande und zweifelhaften Sitten auf den Thron von Schottland erhoben hatte; und viele Frauen, weniger glücklich oder minder klug, hatten vom Range von Concubinen zur Größe sich emporgeschwungen, was die Sitten der Zeit erlaubten und entschuldigten. Solche Beispiele hätten ein Mädchen von höherer Geburt, als Katharina oder Katie Glover war, die allgemein für das schönste Mädchen der Stadt und der Umgegend galt, geblendet. Der Ruf des schönen Mädchens von Perth hatte die Aufmerksamkeit der jüngern Ritter am königlichen Hofe auf sie gelenkt. Der Aufenthalt des Hofes war in Perth oder in dessen Umgebungen, und manche durch ritterliche Thaten ausgezeichnete Edle strengten sich mehr an, Proben ihrer Festigkeit im Reiten zu geben, wenn sie an der Thür des alten Simon Glover in der sogenannten Couvrefew oder Curfewstraße vorüberkamen, als sich bei den Turnieren auszuzeichnen, wo die edelsten Damen Schottlands Zeugen ihrer Geschicklichkeit waren.

Aber die Tochter des Glover (Handschuhmachers)– denn, wie es bei Handwerkern und Künstlern jener frühen Zeit üblich, entlehnte ihr Vater, Simon, seinen Namen dem Gewerbe, welches er trieb– zeigte keine Neigung, auf die Artigkeiten der Herren zu achten, die sich von einem Range, der weit über dem ihrigen stand, zu ihr herabließen, und wenn sie auch, wie man annehmen darf, sich ihrer persönlichen Vorzüge genügend bewußt war, so schien sie doch zu wünschen, ihre Eroberungen auf diejenigen zu beschränken, die sich mit ihr in der gleichen Sphäre befanden. Auch ihre Schönheit, die in der That mehr geistig als körperlich war, hatte, ungeachtet der natürlichen Sanftheit und Güte ihres Charakters, mehr von Zurückhaltung als Fröhlichkeit in ihrem Gefolge, selbst wenn sie mit Ihresgleichen in Gesellschaft war, und der Eifer, mit welchem sie alle religiösen Pflichten erfüllte, brachte viel Leute zu dem Glauben, Katharina Glover hege im Stillen den Wunsch, sich von der Welt zurückzuziehen und sich in die Einsamkeit des Klosters zu begraben. Aber gesetzt auch, es wäre in der That ihre Absicht gewesen, ein solches Opfer zu bringen, so ließ sich doch nie annehmen, daß ihr Vater, der für reich galt und außer ihr kein Kind weiter hatte, freiwillig seine Zustimmung geben würde.

In ihrem Entschlusse, die Höflichkeiten der artigen Höflinge zu vermeiden, ward die gefeierte Schönheit von Perth durch die Gesinnung ihres Vaters bestärkt. »Laß sie gehen,« sagte er, »laß sie gehen, Katharina, diese edlen Herren mit ihren munteren Rossen, ihren glänzenden Sporen, ihren Federhüten und wohlgepflegten Schnurrbärten; sie gehören nicht in unsern Stand und wir wollen uns nicht zu ihnen zu erheben suchen. Morgen ist St. Valentin, der Tag, an welchem jeder Vogel sein Weibchen wählt; aber du wirst weder den Hänfling mit dem Sperber, noch das Rothkehlchen mit dem Geier sich paaren sehen. Mein Vater war ein ehrsamer Bürger von Perth, und wußte die Nadel so gut zu führen wie ich. Wenn sich aber den Thoren unserer guten Stadt der Krieg nahte, warf er Nadel, Faden und Gemshaut weg, holte aus dem dunkeln Winkel, wo er sie aufgehängt hatte, Pickelhaube und Schild und nahm seine lange Lanze vom Kamine. Nenne mir Jemand einen Tag, wo ich oder er gefehlt hätten, wenn der Hauptmann Musterung hielt! So haben wir's gehalten, mein Mädchen, gearbeitet, um Brod zu gewinnen, und gefochten, es zu vertheidigen, und ich mag keinen Schwiegersohn, der sich einbildet mehr zu sein, denn ich; und was jene Herren und Ritter betrifft, so hoffe ich, du werdest dich stets erinnern, daß du zu niedrig bist, um ihre Gemahlin, und zu hoch, um ihre Buhldirne zu sein. Und nun lege deine Arbeit bei Seite, Mädchen, denn es ist heiliger Abend und es ziemt uns, in die Vesper zu gehen, um den Himmel zu bitten, daß er dir morgen einen guten Valentin sende.«

Das schöne Mädchen von Perth legte demnach den prächtigen Jagdhandschuh, den sie für Lady Drummond stickte, bei Seite, warf ihr Festtagskleid um und machte sich bereit, ihren Vater in das Dominikanerkloster zu begleiten, welches nicht weit von der Curfewstraße, wo sie wohnten, entfernt lag. Unterwegs empfing Simon Glover, ein allgemein geachteter Bürger von Perth, der in den Jahren schon bedeutend vorgerückt war, aber auch seinen Reichthum mit seinen Jahren sich zugleich hatte mehren lassen, von Jung und Alt die Huldigungen, die seinem Sammtrock und seiner goldnen Kette zukamen, während vor Katharina's Reizen, obwohl durch ihren Mantel (ähnlich den noch in Flandern üblichen Mänteln) verhüllt, sich Jung und Alt verbeugte und die Mützen zog.

Während das Paar Arm in Arm vorwärts ging, folgte ihnen ein hochgewachsener, hübscher, junger Mann, gekleidet in die einfachste Tracht, die jedoch seine wohlgeformten Glieder vortheilhaft hervorhob und edle, regelmäßige Züge blicken ließ, die neben dem reichgelockten Haar und der kleinen Scharlachmütze, welche zu diesem Kopfputz trefflich stand, noch angenehmer in's Auge fielen. Er hatte keine andere Waffe als einen Stab in der Hand (denn er war Lehrbursche beim alten Glover), und man hielt es nicht für schicklich, daß Leute seines Standes mit dem Degen oder Dolche bewaffnet in den Straßen erschienen, ein Vorrecht, welches die Jackmanns, d.h. die im besondern Dienst der Edlen stehenden Söldner, für sich allein in Anspruch nahmen. Er begleitete seinen Meister zur Kirche, einmal, weil er gewissermaßen sein Bedienter war, und sodann, um ihn zu vertheidigen, wenn dies die Umstände nöthig machen sollten; indeß ließ sich aus der Aufmerksamkeit, die er der Katharina Glover zollte, leicht abnehmen, daß vorzüglich ihr seine Dienste gelten sollten. Gewöhnlich fand sich jedoch keine Gelegenheit, seinen Diensteifer an den Tag zu legen; denn ein gemeinsames Gefühl der Achtung bewog die Begegnenden, dem Vater und der Tochter auszuweichen.

Als sich aber die Stahlhauben, Barette und Federn der Knappen, Schützen und Reisigen unter der Menge zu zeigen begannen, ließen diejenigen, welche jene auszeichnenden Merkmale des Kriegergewerbes trugen, Sitten blicken, welche minder fein waren, als die der friedlichen Bürger. Mehr als einmal, wenn einer von jenen, sei es zufällig oder im Bewußtsein eingebildeter höherer Würde, auf der Seite der Mauer sich an Simon vorüberdrängte, runzelte der junge Lehrling drohend die Stirn, als brenne er vor Begierde, seinen Diensteifer für seine Gebieterin an den Tag zu legen. So oft Conachar, dies war des Jünglings Name, also that, erhielt er von seinem Meister einen Verweis, der ihm merken ließ, daß er sich in dergleichen nicht mischen sollte, bevor man seine Vermittlung verlange. »Närrischer Bursche,« sagte er, »bist du nicht lange genug in meiner Werkstatt gewesen, um zu wissen, daß aus einem Schlag eine Schlägerei entsteht, und daß ein Dolch so schnell durch die Haut fährt, als eine Nadel durch's Leder? Weißt du nicht, daß ich den Frieden liebe, ob ich gleich den Krieg nie gefürchtet habe, und daß ich mich wenig darum kümmere, auf welcher Seite der Straße ich und meine Tochter gehen, wenn wir nur ruhig und friedlich wandeln können?« Conchar entschuldigte sich mit dem Eifer, die Ehre seiner Meisters zu schirmen, aber diese Antwort genügte dem alten Bürger von Perth nicht.– »Was haben wir mit der Ehre zu schaffen?« sagte Simon Glover; »willst du in meinem Dienst bleiben, so mußt du ehrbar gesinnt sein und die Ehre den prahlerischen Thoren lassen, die Sporen an den Stiefeln und Stahl auf den Schultern tragen. Willst du dich mit ähnlichem Zierrath schleppen, so magst du's thun, aber in meinem Hause und in meiner Gesellschaft wird es nimmer geschehen.«

Conachar schien durch diesen Vorwurf eher erbittert zu werden, als sich zu fügen. Aber ein Zeichen von Katharina, wofern die leichte Bewegung, die sie machte, indem sie den kleinen Finger aushob, wirklich ein solches war, machte auf den Jüngling mehr Eindruck, als die Vorwürfe seines erzürnten Meisters. Er legte die kriegerische Miene, die ihm natürlich anstand, bei Seite und wurde wieder der bescheidene Diener eines ruhigen Bürgers.

Inzwischen holte die kleine Gesellschaft ein junger, schlanker Mann ein, in einen Mantel gehüllt, welcher einen Theil seines Gesichts beschattete oder verhüllte, was die Liebesritter jener Zeit häufig im Gebrauch hatten, wenn sie auf Abenteuer ausgingen und nicht erkannt sein wollten. Kurz, er schien ein Mann, welcher zu aller Welt sagen mochte: »ich wünsche für jetzt nicht erkannt und nicht meinem Titel gemäß angeredet zu sein; wie ich aber, außer mir selber, Niemand von meinem Thun Rechenschaft zu geben habe, nehme ich das Incognito nur der Form wegen an und kümmere mich wenig d'rum, ob Ihr mich kennt oder nicht.« Er kam an die rechte Seite Katharinens, die am Arm ihres Vaters hing, und mäßigte seine Schritte, als wolle er sich zu ihr gesellen.

»Guten Abend, Vater!«

»Dasselbe wünsch' ich Euer Gnaden und dank' Euch.– Darf ich Euch bitten, voranzugehen? Unser Schritt ist zu langsam für Euer Gnaden– unsere Gesellschaft zu gering für die des Sohnes Eures Vaters.«

»Meines Vaters Sohn kann das am besten beurtheilen, Alter. Ich habe Geschäfte mit Euch zu besprechen, so wie mit meiner schönen St. Katharina hier, der lieblichsten und grausamsten Heiligen im Kalender.«

»Mit aller Ehrerbietung, Mylord,« sagte der alte Mann, »möcht' ich Euch erinnern, daß heut der heilige Abend zu St. Valentinstag ist und also keine Zeit zu Geschäften, und daß ich Euer Gnaden Befehle durch einen Diener erhalten kann, so früh es Euch gefällig ist, sie zu senden.«

»Es ist keine Zeit dazu, als die gegenwärtige,« sagte der beharrliche junge Mann, dessen Rang von der Art zu sein schien, daß er ihn aller Ceremonie überhob. »Ich wünsche zu wissen, ob das Koller von Büffelleder fertig ist, welches ich vor einiger Zeit bestellte; und Euch, schöne Katharina (hier sank seine Stimme zu einem Flüstern herab), bitte ich, mir zu sagen, ob Eure niedlichen Finger dabei geschäftig gewesen find, wie Ihr es verspracht? Doch ich darf Euch nicht befragen, denn mein armes Herz hat jeden Nadelstich empfunden, den Ihr dem Kleide, das es bedecken soll, gabt. Grausame, wie willst du die Qual des Herzens verantworten, das dich so innig liebt!«

»Laßt mich Euch dringend ersuchen, Mylord,« sagte Katharina, »solche Worte zu unterlassen– es ziemt Euch nicht, so zu sprechen, noch mir, es anzuhören. Wir sind von geringem Stande, aber ehrbaren Sitten, und die Gegenwart des Vaters sollte das Kind gegen solche Reden, selbst von Euer Gnaden, schützen.«

Dies sprach sie so leise, daß weder der Vater noch Conachar verstehen konnten, was sie sagte.

»Wohl, Grausame,« antwortete der beharrliche Ritter, »ich will Euch jetzt nicht länger quälen, wofern Ihr Euch mir morgen an Eurem Fenster zeigen wollt, sobald die Sonne den ersten Blick über die östlichen Berge wirft, und wofern Ihr mir das Recht gebt, das Jahr hindurch Euer Valentin zu sein.«

»Nicht doch, Mylord; mein Vater sagte mir so eben erst, daß sich keine Falken, geschweige denn Adler mit dem bescheidenen Hänfling paaren. Sucht Euch eine Hofdame, die Eure Begünstigung ehren wird;– mir– Eure Hoheit muß mir gestatten, die schlichte Wahrheit zu sagen– kann sie nur Unehre bringen.«

Als sie so sagte, langte die Gesellschaft an der Kirchthüre an. »Euer Gnaden erlauben uns hier hoffentlich, uns von Euch zu verabschieden?« sagte der Vater. »Ich weiß recht gut, daß die Ungelegenheiten und Beschwerden, die Euer Vergnügen uns verursacht, Euch das Letztere nicht aufzugeben nöthigen; aber aus der Menge von Dienern, die an der Thür stehen, könnt Ihr abnehmen, daß in der Kirche noch andere Personen sind, die auch Ansprüche auf Respect, und selbst von Seiten Eurer Gnaden, haben.«

»Ja– Respect; und wer hat denn vor mir Respect?« sagte der hochmüthige, junge Herr. »Ein erbärmlicher Handwerker und seine Tochter, nur zu sehr geehrt durch die Notiz, die ich nehme, haben die Unverschämtheit, mir zu sagen, daß meine Aufmerksamkeit sie entehrt. Gut, meine Prinzessin von Elennsleder und blauer Seide, ich will Euch das bereuen lassen.«

Während er so murmelte, betraten der Handschuhmacher und seine Tochter die Dominikanerkirche, und ihr Begleiter Conachar, der ihnen sofort folgen wollte, stieß, vielleicht nicht zufällig, an den jungen Herrn. Der Ritter, aus seinen unangenehmen Gedanken erweckt, faßte, weil er sich vorsätzlich beleidigt glaubte, den jungen Mann an der Brust, schlug ihn und warf ihn unsanft zurück. Conachar stolperte und hielt sich mit Mühe aufrecht; dann fuhr er mit der Hand an die Seite, als suchte er einen Degen oder Dolch an der üblichen Stelle, machte, als er keinen von beiden fand, eine Geberde der Wuth und Erbitterung und ging in die Kirche. Inzwischen blieb der junge Ritter, die Arme über die Brust gekreuzt, stehen, und lächelte mit Verachtung, als wolle er seiner drohenden Miene Hohn sprechen. Nachdem Conachar verschwunden war, zog sein Gegner den Mantel dichter zusammen, so daß er sein Gesicht noch mehr verhüllte, und gab, indem er einen seiner Handschuhe abzog, ein Zeichen. Sofort traten zwei Andere zu ihm, die, gleich ihm vermummt, in einiger Entfernung seines Befehls gewärtig gewesen. Sie begannen ein lebhaftes Gespräch, worauf der junge Edle sich nach der einen, seine Freunde oder Diener sich nach der andern Seite entfernten.

Simon Glover hatte, bevor er die Kirche betrat, einen Blick auf diese Gruppe geworfen, sodann aber seinen Platz unter der Gemeinde eingenommen, ehe sie sich getrennt hatten. Als er niederkniete, schien seine Miene anzudeuten, daß ihm eine schwere Last auf dem Herzen ruhe; als aber der Gottesdienst beendet war, erschien er frei von aller Sorge, als hätte er sich und seinen Kummer der Fügung des Himmels anheimgestellt. Das Hochamt wurde feierlich gehalten, und eine große Zahl Herren und Damen von hohem Rang war dabei anwesend. Man hatte zum Empfang des guten alten Königs selbst das Nöthige veranstaltet, allein ein Unwohlsein hatte Robert III. verhindert, der Messe beizuwohnen, wie er sonst pflegte. Als die Versammlung auseinander ging, blieb der Handschuhmacher mit seiner schönen Tochter noch eine Weile in der Kirche, um in einen Beichtstuhl zu treten. So war es Nacht geworden und die Straßen bereits einsam, als sie sich auf den Weg machten, um heimzukehren. Diejenigen, die sich noch jetzt in den Straßen umhertrieben, waren Nachtschwärmer, müßige, liederliche Diener stolzer Edelleute, welche häufig friedliche Vorübergehende zu beleidigen pflegten, weil sie auf Straflosigkeit rechneten, welche ihnen durch die Gunst, die ihre Herren bei Hofe genossen, gesichert sein konnte.

Vielleicht geschah es aus Besorgniß eines Mißgeschicks solcher Art, daß Conachar, zu dem Handschuhmacher tretend, sagte: »Meister, geht schneller– man verfolgt uns.«

»Verfolgt uns, sagst du? wer thut es, und wie Viele?«

»Ein in seinen Mantel vermummter Mann, der uns folgt, wie unser Schatten.« »So werd' ich meinen Schritt in der Curfewstraße nicht ändern, und wenn der Beste käme, der sie je betrat.«

»Aber er trägt Waffen,« sagte Conachar.

»Wir ebenfalls, und Hände, Beine und Füße. Ei, Conachar, du fürchtest doch wohl nicht einen Mann?«

»Fürchten!« antwortete Conachar, unwillig über den Verdacht; »Ihr sollt bald sehen, wie ich mich fürchte.«

»Schon wieder aus dem rechten Wege, du närrischer Bursche – dein Gemüth kennt keinen Mittelweg, da gibt's keinen Anlaß, einen Streit anzufangen, wenn wir auch nicht davonrennen. Geh' du mit Katharina voraus und ich will deine Stelle einnehmen. Wir können so nahe an unserem Hause keiner Gefahr ausgesetzt sein.«

Der Handschuhmacher blieb demnach zurück und bemerkte allerdings einen Mann, der ihnen dicht genug folgte, um, in Betracht der Stunde und des Orts, einigen Verdacht zu rechtfertigen. Wenn sie quer über die Straße gingen, so that der Fremde auch so, und beschleunigten oder hemmten sie ihre Schritte, so unterließ er nicht, desgleichen zu thun. Dieser Umstand wäre für Glover ganz unbedeutend gewesen, wenn er sich allein befunden hätte; aber die Schönheit seiner Tochter konnte diese zum Gegenstande verbrecherischer Absichten machen, besonders in einem Lande, wo die Gesetze denen, die sich nicht selber schützen konnten, nur schwachen Schutz gewährten. Indessen langte Conachar mit seiner schönen Gefährtin an der Hausthür an, die ihnen durch eine alte Magd geöffnet wurde, und nun war der Handschuhmacher aller Sorgen ledig. Um sich jedoch, sofern es geschehen könnte, zu versichern, ob er wirklichen Grund zu Besorgnissen gehabt habe, rief er dem, dessen Bewegungen ihn unruhig gemacht hatten, mit lauter Stimme zu; der Mensch blieb stehen, wiewohl er, wie es schien, sich im Schatten zu halten suchte. »Kommt vorwärts, mein Freund, und spielt nicht Versteckens; weißt du nicht, daß sie, die gleich Gespenstern im Finstern wandeln, sich wohl für den Gruß eines hübschen Stockes eignen? Vorwärts, sag' ich, und zeig' uns deine Gestalt, Mensch!«

»Ei, das kann ich wohl, Meister Glover,« sagte eine der tiefsten Stimmen, die je auf eine Frage antworteten; »ich kann Euch meine Gestalt recht wohl zeigen, nur wünsche ich, sie könnte das Licht etwas besser vertragen.«

»Meiner Seel'!« rief Simon, »die Stimme sollt' ich kennen! – Und bist du es, in deiner leibhaften Person, Harry Gow?– Nur wahrlich, mit trocknen Lippen darfst du nimmer an dieser Thür vorbei. Wie, Mann, die Abendglocke hat noch nicht geläutet, und hätte sie auch, so wäre das kein Grund, daß Vater und Sohn sich trennen sollten. Komm herein, Mensch; Dorothea soll uns was zu essen schaffen und wir wollen eine Kanne leeren, eh' du uns verläßt. Komm herein, sag' ich; meine Tochter Katie wird sich recht freuen, dich zu sehen.«

Während dem hatte er die Person, die er so herzlich bewillkommte, in eine Art von Küche gezogen, die auch bei gewöhnlichen Gelegenheiten als Besuchszimmer diente. Die Zierde derselben waren Zinnteller, vermischt mit einem Paar Silberbechern, die, höchst sauber aufgestellt, eine Reihe von Gesimsen einnahmen, ähnlich denen eines Schenktisches, gewöhnlich »Vink« genannt. Ein gutes Feuer verbreitete, unterstützt von einer angezündeten Lampe, Licht und Freundlichkeit im Gemache, und ein angenehmer Duft von Speisen, die Dorothee bereitete, beleidigte durchaus nicht die Geruchsnerven derjenigen, deren Eßlust dadurch befriedigt werden sollte.

Ihr unbekannter Begleiter stand nun in vollem Lichte unter ihnen, und obwohl sein Ansehen weder anständig noch hübsch war, so verdienten nicht allein Gesicht und Gestalt Aufmerksamkeit, sondern schienen sie gewissermaßen sogar zu fordern. Er war fast unter mittlerer Größe, aber die Breite seiner Schultern, Länge und Kräftigkeit der Arme, und das muskulöse Ansehen des ganzen Mannes, deuteten eine ungewöhnliche Stärke an und einen Körper, dessen Kraft durch beständige Uebung erhalten war. Seine Beine waren etwas gebogen, jedoch auf eine Art, die nichts Widriges hatte und sogar mit der Stärke seiner Glieder im Einklange zu stehen schien, obwohl sie ihrem Ebenmaße in gewissem Grade Eintrag thaten. Er trug ein Koller von Büffelleder und einen Gürtel, woran ein Schwert und ein Dolch befestigt waren, gleichsam zum Schütze der Börse, die, nach der üblichen Sitte des Bürgerstandes, gleichfalls am Gürtel hing. Sein schwarzes, krauses Haar war kurz verschnitten, der Kopf rund und wohlgebildet. Seine schwarzen Augen sprachen von Muth und Entschlossenheit, aber sonst schienen seine Züge eine mit Schüchternheit gepaarte gute Laune auszudrücken, und deuteten sichtbar die Freude an, seinen alten Freunden wieder zu begegnen. Abgesehen von dem, nur augenblicklichen, schüchternen Ausdruck, war die Stirne Harry Gow's, oder Schmieds (denn so ward er ohne Unterschied genannt), hoch und edel, aber der untere Theil des Gesichts war minder glücklich gebildet. Der Mund war groß und wohlversehen mit einer Reihe fester und schöner Zähne, deren Ansehen mit der Miene persönlicher Gesundheit und muskulöser Kraft im Einklänge stand, welche der ganze Körper anzeigte. Ein kurzer, dichter Bart und Schnurrbart, der kürzlich mit einiger Sorgfalt geordnet war, vollendeten das Gemälde. Er mochte das achtundzwanzigste Jahr noch nicht überschritten haben.

Die Familie schien sehr wohl zufrieden mit dem unerwarteten Erscheinen eines alten Freundes. Simon Glover schüttelte ihm die Hand einmal über's andere, Dorothee machte ihre Komplimente, und selbst Katharina bot ihm von freien Stücken die Hand, welche Harry mit seiner kräftigen so fest hielt, als beabsichtigte er sie an die Lippen zu führen, aber nachdem er einen Augenblick gezögert, ließ er davon ab, aus Furcht, seine Freiheit möchte übel genommen werden. Nicht als ob von Seiten der kleinen Hand, welche in seiner gewaltigen lag, ein Widerstand stattgefunden hätte; aber es mischte sich mit dem Erröthen auf ihrer Wange ein Lächeln, welches die Verwirrung des artigen Herrn zu steigern schien. Ihr Vater aber rief, als er seines Freundes Bedenklichkeit sah, frei und offen:

»Auf die Lippen, Mensch, auf die Lippen! und das ist ein Anerbieten, welches ich nicht Jedem machen würde, der meine Schwelle überschreitet. Aber, beim guten St. Valentin (dessen Festtag morgen anbricht), ich bin so froh, dich in der guten Stadt Perth wiederzusehen, daß es schwer zu nennen sein möchte, was ich dir abschlagen könnte.«

Der Schmied– denn dies war, wie gesagt, das Gewerbe dieses stattlichen Handwerkers– ward dadurch ermuthigt, das schöne Mädchen bescheiden zu küssen, welches die Artigkeit mit einem zärtlichen Lächeln, wie es sich für eine Schwester gepaßt hätte, entgegennahm, indem sie zu gleicher Zeit sagte: »Laßt mich hoffen, daß ich einen reuigen, gebesserten Menschen in Perth wieder willkommen heiße.«

Er hielt ihre Hand, als wollte er antworten, und ließ sie darauf plötzlich los, wie Einer, der in dem Augenblicke den Muth verliert; und indem er zurücktrat, wie erschrocken über das, was er gethan, glühte sein dunkles Gesicht vor Scham, gemischt mit Freude, während er sich am Feuer, der Stelle gegenüber, die Katharina einnahm, niedersetzte.

»Rasch, Dorothee, beeile dich mit dem Essen, Alte;– und Conachar– wo ist Conachar?«

»Er ist zu Bett gegangen, Herr, weil er Kopfweh hat,« sagte Katharina zögernd.

»Geh', ruf ihn, Dorothee,« sagte der alte Glover; »er soll sich nicht gegen mich vergessen; sein hochländisch Blut ist vermuthlich zu vornehm, um einen Teller vorzusetzen oder ein Tischtuch zu breiten, und er gedenkt in unsere alte, ehrsame Zunft zu treten, ohne in allen Punkten schuldigen Gehorsams seinem Meister und Lehrer zu folgen! Geh', ruf' ihn, sag' ich; ich will nicht so vernachlässigt sein.« Dorothee hörte man alsbald die Treppe, oder wahrscheinlicher eine Leiter hinaufschreien, die zum Boden führte, wohin sich der Lehrling zur Unzeit zurückgezogen hatte; eine murmelnde Antwort ward vernommen und bald nachher erschien Conachar im Speisezimmer. Auf seinen stolzen, aber schönen Zügen lag eine düstere Wolke der Unzufriedenheit, und während er ein Tuch über den Tisch breitete, und Teller, Salz und Pfeffer und anderes Zubehör aufsetzte, kurz, die Pflichten eines heutigen Bedienten erfüllte, die nach der Sitte der Zeit jedem Lehrling oblagen, war er über die knechtischen Dienste, die er zu verrichten hatte, sichtbar aufgebracht und erbittert. Das schöne Mädchen von Perth betrachtete ihn nicht ohne Unruhe, als fürchtete sie, seine sichtbare üble Laune möchte die Unzufriedenheit seines Meisters erhöhen, und erst, nachdem Conachars Augen Katharinens Blick zum zweiten Male begegnet waren, konnte er's über sich gewinnen, seinen Widerwillen einigermaßen zu verbergen und eine größere Bereitwilligkeit bei Diensten, die er zu vollziehen hatte, an den Tag zu legen. Und hier müssen wir unserm Leser mittheilen, daß, obwohl die zwischen Katharina Glover und dem jungen Hochländer gewechselten Blicke anzeigten, daß sie an dem Lehrling einigen Antheil nehme, doch der aufmerksamste Beobachter in Verlegenheit gewesen wäre, wenn er hätte entdecken sollen, ob ihr Gefühl stärker war, als dasjenige, das bei einem Mädchen, gegenüber einem jungen Manne ihres Alters, mit dem sie unter einem Dache wohnt und in freundlichem Umgange lebt, sich von selber versteht.

»Du hast eine lange Reise gemacht, Sohn Harry,« sagte Glover, der, obwohl durchaus nicht verwandt mit dem jungen Handwerker, ihn immer mit diesem freundlichen Namen nannte; »hast auch viele andere Flüsse gesehen, außer dem Tay, und manch' andere schöne Stadt, außer St. Johnston.«

»Aber doch nichts, was mir halb so gut gefallen hätte, und auch nichts, was halb so werth wäre, mir zu gefallen,« antwortete der Schmied; »ich versichere Euch, mein Vater, als ich über die Wicks von Baiglie ging und unsere schöne Stadt vor meinen Blicken ausgebreitet sah, wie die Feenkönigin in einem Mährchen, die der Ritter auf einem Lager wilder Blumen eingeschlafen findet, da war mir's wie einem Vogel, der die ermatteten Schwingen sinken läßt, wenn er sich auf sein eigen Nest niedersenkt.«

»Aha! du kannst also noch den Dichter spielen?« sagte der Handschuhmacher. »Ei, werden wir unsre Balladen und Rundgesänge wieder haben? unsere lustigen Weihnachtslieder und die fröhlichen Frühlingsgesänge?«

»Solche Possen können wohl vorkommen, Vater,« sagte Harry, »obwohl das Blasen der Bälge und die Schläge der Hämmer auf den Ambos keine sehr passende Begleitung für den Minnesang sind; aber ich kann's nicht besser machen, da ich mein Glück versuchen muß, obwohl meine Verse schlecht sind.«

»Wohlgesprochen – mein werther Sohn, sagte Glover, »und ich hoffe, deine Reise hat dir 'was eingetragen!«

»Ei, sie war vortheilhaft, Vater – ich verkaufte das stählerne Panzerhemd um 400 Mark dem englischen Ritter Sir Magnus Redman. Er handelte gar nicht darum, nachdem ich ihm gestattet hatte, es durch einen Schwerthieb zu prüfen. Der bettelhafte, hochländische Räuber, der es bestellt hatte, wollte die Hälfte abdingen, obwohl es mich ein Jahr Arbeit gekostet hatte.«

»Was hast du emporzufahren, Conachar?« sagte Simon, indem er sich an seinen hochländischen Schüler wendete. »Wirst du nie lernen das thun, was man dich heißt, ohne auf das zu horchen, was um dich her vorgeht? Was geht's dich an, wenn ein Engländer das für wohlfeil hält, was einem Schotten theuer dünken mag?«

Conachar wandte sich, um zu sprechen; nach kurzem Nachdenken aber schlug er die Augen nieder und suchte die Ruhe wiederzugewinnen, welche die verächtliche Art, mit welcher der Schmied den Kunden aus dem Hochland erwähnt, gestört hatte. Harry fuhr fort, ohne irgend auf ihn zu achten.

»Ich verkaufte zu hohem Preis einige Schwerter und Säbel, als ich zu Edinburg war. Man sah dort einem Kriege entgegen; und gefällt's Gott, ihn zu senden, so wird meine Waare ihren Preis werth sein. Dank dem heiligen Dunstan, der von unsrer Zunft war. Kurz, dieser Bursche da« (dabei legte er die Hand auf die Börse), »der, wie du weißt, Vater, etwas schlaff und mager war, als ich vor vier Monaten wegging, ist nun so rund und voll, wie ein sechswöchig Ferkel.«

»Und jener andere lederscheidige Bursch mit eisernem Griff, der jenem zur Seite hängt,« sagte der Handschuhmacher, »ist der die ganze Zeit müßig gewesen? – Nun, lieber Schmied, gesteh' die Wahrheit – wie viel Balgereien hast du gehabt, seit du über den Tay gingst?«

»Ach, jetzt thut Ihr mir Unrecht, Vater,« erwiderte der Waffenschmied mit einem Blick auf Katharina, »daß Ihr mich in solcher Gesellschaft so fragt. Ich mache Schwerter, aber ich überlasse Andern das Geschäft, sie zu brauchen. Nein, es kommt sehr selten vor, daß ich eine bloße Klinge in die Hand bekomme, außer um sie zu poliren oder zu schleifen. Und man verleumdete mich bei Eurer Tochter Katharina, daß sie glaubte, der ruhigste Bürger von Perth sei ein Händelmacher. Ich wollte nur, daß der Beste auf dem Kinnoul solch' ein Wort zu sagen wagte und kein Mensch dabei wäre, außer er und ich.«

»Ja, ja,« sagte der Handschuhmacher lachend, »wir würden dann ein schönes Beispiel von Eurem geduldigen Wesen haben. – Ei, Harry, wie kannst du einem Manne, der dich so gut kennt, dergleichen Dinge sagen! Du siehst Katie an, als wüßte sie nicht, daß in diesem Lande der Mann eine starke Faust nöthig hat, wenn er sein Haupt ruhig schlafen legen will. Wohlan, gesteh' mir, ob du nicht eben so viele Rüstungen niedergeschlagen hast, als du verfertigt hast.«

»Ei, der müßte ein schlechter Waffenschmied sein, Vater Simon, der nicht mit seinem eigenen Hiebe sein eigen Werk prüfen könnte. Würde ich nicht dann und wann einen Helm spalten, oder die Blöße eines Panzers entdecken, so wüßt' ich nicht, welchen Grad von Stärke ich den Rüstungen, die ich mache, zu geben habe, und würde Pfuschwerk liefern, wie sie die Edinburger Schmiede in die Welt zu schicken sich nicht schämen.«

»Aha, nun wollt' ich eine goldne Krone d'ran setzen, daß du über den Punkt mit einem Edinburger Grobschmied einen Streit gehabt.«

»Einen Streit! – nein Vater,« erwiderte der Waffenschmied von Perth; »aber eine Klinge hab' ich mit einem von ihnen auf St. Leonhards Berg gemessen für die Ehre meiner guten Stadt, das gesteh' ich. Gewiß meint Ihr nicht, daß ich in einen gemeinen Streit mit einem Zunftgenossen gerathe.«

»Ei, ganz gewiß nicht. Aber wie kam Euer Zunftgenosse davon?«

»Nun, wie Einer mit einem Blatt Papier auf der Brust vor'm Stich einer Lanze davon käme – oder vielmehr, er kam in Wahrheit überhaupt gar nicht davon; denn als ich ihn verließ, lag er in der Einsiedlerhütte, täglich den Tod erwartend, denn Pater Gervis sagte, er bereite sich auf den Himmel vor.«

»Gut – und maßest du sonst noch die Klinge?« sagte der Handschuhmacher.

»Ei, allerdings, ich schlug mich mit einem Engländer bei Berwick, wegen des alten Streites über die Obergewalt, wie sie es nennen – ich bin überzeugt, Ihr würdet mich von diesem Streit nicht zurückgehalten haben! – und ich war so glücklich, ihn am linken Knie zu verwunden.«

»Wohlgethan bei St. Andreas! – Mit wem hattet Ihr zunächst zu thun?« sagte Simon, lachend über die Thaten seines friedfertigen Freundes.

»Ich schlug mich mit einem Schotten im Torwood,« antwortete Harry Schmied, »wegen eines Streites, wer der bessere Fechter sei, was, Ihr wißt ja wohl, sich nicht ohne eine Probe entscheiden ließ. Der arme Schelm verlor zwei Finger.«

»Gut genug für den friedlichsten Burschen in Perth, der nie ein Schwert anrührt, außer in seinem Berufe. – Wohlan, was gibt's sonst zu erzählen?«

»Wenig – denn die Züchtigung eines Hochländers ist eine Sache, nicht der Rede werth.«

»Warum hast du ihn gezüchtigt, o Mann des Friedens?« forschte der Handschuhmacher.

»Aus keinem Grunde, so viel ich mich entsinne,« erwiderte der Schmied, »außer, weil er sich auf der Südseite der Stirlingbrücke zeigte.«

»Nun, so trink' ich dir zu, und du bist mir willkommen nach all' diesen Thaten. – Conachar, rühr' dich. Laß die Kannen bereit sein, und du sollst einen Becher vom Nußbraunen für dich selbst haben, mein Junge.«

Conachar schenkte das gute Getränk mit schuldigem Gehorsam für seinen Meister und Katharina ein. Aber so wie dies geschehen, stellte er den Krug auf den Tisch und setzte sich nieder.

»Was soll das, Bursche? – ist dies deine Sitte? fülle meinem Gaste, dem ehrsamen Meister Harry Schmied!«

»Meister Schmied mag sich selber einschenken, wenn er trinken will,« antwortete der junge Celte. »Der Sohn meines Vaters hat sich für einen Abend schon genug erniedrigt.«

»Das heißt gut gekräht für einen jungen Hahn,« sagte Harry; »aber du hast so weit recht, mein Junge, daß der Mann verdient, Durstes zu sterben, der ohne Mundschenk nicht trinken will.«

Aber sein Wirth ertrug den Trotz des jungen Lehrlings nicht so geduldig. »Nun, bei meinem ehrlichen Wort und dem besten Handschuh, den ich je machte,« sagte Simon, »du wirst ihn mit Getränk aus dem Becher und Krug versehen, wenn du und ich unter einem Dache schlafen sollen.«

Finster erhob sich Conachar, nachdem er diese Drohung gehört, und näherte sich dem Schmied, der bereits einen Becher in der Hand hatte, und füllte diesen; während jedoch Harry den Arm hob, um den Becher zum Munde zu führen, that Conachar scheinbar einen falschen Tritt und stieß daran, daß das schäumende Ale dem Waffenschmied über Gesicht und Kleider floß. Gutmüthig, wie er trotz seiner Kampflust war, verlor derselbe bei solcher Herausforderung doch die Geduld, ergriff den Jüngling an der Kehle, die ihm unter die Hände kam, schnürte diese zusammen und rief, während er den Burschen zurückwarf: »Wär' dies an einem andern Orte geschehen, junger Galgenvogel, so hätt' ich dir die Ohren vom Kopfe geschnitten, wie ich Manchem von deinem Clan vor dir gethan.«

Conachar erhob sich mit der Behendigkeit eines Tigers und rief: »Deß sollst du dich nicht noch einmal rühmen können!« Mit diesen Worten zog er ein kleines, scharf geschliffenes Messer aus dem Busen, stürzte auf Harry los und suchte es ihm über dem Schlüsselbein in den Hals zu stoßen, wodurch er ihn tödtlich verwundet haben würde; aber sein Gegner wußte ihm mit solcher Gewandtheit in den Arm zu fallen, daß die Spitze des Messers ihm blos die Haut streifte und ein wenig Blut floß. Den Arm des Lehrlings mit der einen Hand so fest wie mit einer Zange haltend, entwaffnete er ihn augenblicklich. Als sich Conachar in der Hand seines furchtbaren Gegners sah, fühlte er, wie Todesblässe die Röthe verdrängte, womit der Zorn seine Wangen gefärbt hatte, und blieb stumm vor Scham und Furcht. Endlich ließ der Schmied seinen Arm los und sagte mit Ruhe: »Gut für dich, daß du mich nicht zornig machen kannst – du bist nur ein Knabe, und ich, ein erwachsener Mann, hätte dich nicht reizen sollen. Aber laß dir's eine Warnung sein.«

Conachar stand einen Augenblick, wie im Begriff zu erwidern, dann verließ er das Gemach, bevor Simon sich hinreichend gesammelt hatte, um zu sprechen. Dorothee lief hin und her nach Salben und heilsamen Kräutern. Katharina war bei dem Anblick des rieselnden Blutes in Ohnmacht gesunken.

»Laßt mich Abschied nehmen, Vater Simon,« sagte Harry Schmied traurig; »ich hätte merken sollen, daß mein altes Geschick mit mir ginge, und daß ich Streit und Blutvergießen brächte, wo ich am meisten wünsche, Frieden und Glück zu bringen. Sorgt nicht um mich – seht nach der armen Katharina; das Entsetzen über solch' einen Vorgang hat sie getödtet und Alles durch meine Schuld.«

»Deine Schuld, mein Sohn! – Es war die Schuld jenes hochländischen Mörders, mit dem mich ein Fluch beladen hat; aber morgen soll er nach seinen Bergen zurückgehen, oder das Stadtgefängniß kosten. Ein Angriff auf das Leben des Gastes seines Meisters, und zwar in seines Meisters Hause! – Es zerreißt alle Bande zwischen uns. Aber laßt mich nach Eurer Wunde sehen.«

»Katharina,« wiederholte der Waffenschmied; »seht nach Katharina.«

»Dorothee wird für sie sorgen,« sagte Simon; »Staunen und Schrecken tödten nicht – das thun Dolche und Messer. Und sie ist nicht mehr die Tochter meines Blutes, als du, mein lieber Harry, der Sohn meiner Neigung bist. Laß mich die Wunde sehen. Das Messer ist eine böse Waffe in eines Hochländers Hand.«

»Es kümmert mich nicht mehr, als ob mich eine wilde Katze geritzt hätte,« sagte der Waffenschmied. »Und nun auf Katharinen's Wangen die Farbe zurückkehrt, sollt Ihr mich in einem Augenblick als gesunden Mann sehen. Er wandte sich nach einem Winkel, wo ein kleiner Spiegel hing, nahm schnell etwas trocknes Linnen aus seiner Börse, um es auf die leichte Wunde, die er empfangen, zu legen, und schlug das Lederkoller von Hals und Schultern zurück. Seine männlichen Formen traten nicht so auffallend hervor, als die Weiße seiner Haut an denjenigen Theilen seines Körpers, die nicht, wie seine Hände und sein Gesicht, dem Wechsel der Luft und den Folgen seines anstrengenden Handwerks ausgesetzt gewesen waren. Schnell verwendete er etwas Linnen, um das Blut zu stillen, und nachdem er mit etwas frischem Wasser alle Spuren, die jenes zurückgelassen, vertilgt hatte, knöpfte er das Koller wieder zu und wendete sich an Katharina, die, wenn auch noch bleich und zitternd, sich doch von ihrer Ohnmacht erholt hatte.

»Werdet Ihr mir aber auch Verzeihung dafür gönnen, daß ich Euch in der ersten Stunde meiner Wiederkehr beleidigte? Der Bursche war thöricht, mich zu reizen, und doch war ich thörichter, mich von seines Gleichen reizen zu lassen. Euer Vater ist mir nicht böse, Katharina, und könnt Ihr mir verzeihen?«

»Ich habe keinen Anlaß, zu verzeihen,« antwortete Katharina, »wo ich kein Recht habe, mich beleidigt zu fühlen. Wenn es meinem Vater beliebt, dieses Haus zum Schauplatz nächtlicher Händel zu machen, so muß ich sie mit ansehen – ich kann mir nicht helfen. Vielleicht war's unrecht von mir, daß ich ohnmächtig ward und wohl damit die Fortsetzung des ehrenwerthen Kampfes unterbrach. Meine Entschuldigung ist, daß ich kein Blut sehen kann.«

»Und ist dies die Weise,« sagte ihr Vater, »mit welcher du meinen Freund nach langer Abwesenheit empfängst? Meinen Freund, sagt' ich? nein, meinen Sohn. Er entgeht der Ermordung von der Hand eines Burschen, von dem ich morgen das Haus säubern will, und du behandelst ihn, als hätt' er Unrecht gethan, indem er die Schlange von sich schleuderte, die ihn stechen wollte?«

»Es ist nicht meine Sache, Vater,« erwiderte das Mädchen von Perth, »zu entscheiden, wer bei diesem Streite Recht oder Unrecht hatte; auch sah ich nicht genau genug, was geschah, um sagen zu können, wer angriff und wer sich vertheidigte. Aber gewiß wird unser Freund, Meister Harry, nicht läugnen, daß er in einer vollkommenen Atmosphäre von Streit, Blut und Händeln lebt. Er hört von keinem Fechter, dessen Ruhm er nicht beneidet und an dem er nicht seinen Muth prüfen muß. Er sieht keine Schlägerei, wo er nicht mitten drunter muß. Hat er Freunde, so kämpft er mit ihnen aus Liebe und um der Ehre willen – hat er Feinde, kämpft er mit ihnen aus Haß und Rache. Und Leute, die weder seine Freunde noch Feinde sind, bekämpft er, weil sie sich auf dieser oder jener Seite eines Flusses befinden. Seine Tage sind Kampftage und ohne Zweifel wiederholt er sie in seinen Träumen.«

»Tochter,« sagte Simon, »deine Zunge spricht allzufrei. Streitigkeiten und Gefechte sind der Männer Sache und nicht der Frauen, und es ist nicht jungfräulich, daran zu denken und davon zu reden.«

»Aber wenn sie so roh in unsrer Gegenwart geübt werden,« sagte Katharina, »so ist es ein bischen hart, zu verlangen, daß wir an etwas Anderes denken sollen. Ich will Euch zugeben, mein Vater, daß dieser tapfere Bürger von Perth einer der gutherzigsten Männer ist, der innerhalb unsrer Mauern lebt – daß er lieber hundert Schritte vom Wege gehen würde, eh' er einen Wurm träte – daß er ebenso ungern eine Spinne tödten würde, als wär' er ein Verwandter König Robert's, seligen Andenkens – daß er im letzten Streite vor seinem Abschiede mit vier Fleischern kämpfte, um sie zu hindern, einen armen Hund todt zu schlagen, der sich beim Stiergefecht nicht gut gehalten hatte, und daß er kaum dem Schicksale entging, welches sein Schützling hatte. Ich will Euch auch zugeben, daß Arme nie vor'm Hause des reichen Waffenschmieds vorübergehen, ohne Speise und Almosen zu empfangen. Aber was hilft dies Alles, wenn sein Schwert ebenso viele darbende Waisen und klagende Wittwen macht, als seine Börse unterstützt?«

»Ach, Katharina, höre nur ein Wort von mir, ehe du beginnst, den Vorwürfen gegen meinen Freund freien Lauf zu lassen, die zwar scheinbar verständig klingen, während sie mit Allem, was wir um uns sehen und hören, doch in Wahrheit nicht zusammenstimmen. Was,« fuhr der Handschuhmacher fort, »pflegt unser König und unser Hof, unsere Ritter und Damen, unsere Aebte und Mönche und die Priester selbst am liebsten zu sehen? Ist es nicht das Schauspiel der Ritterlichkeit, wo sie den muthigen Thaten mannhafter Ritter beim Turnier zuschauen, den Thaten der Ehre und des Ruhms durch Waffen und Blutvergießen? Wodurch aber unterscheiden sich die Handlungen dieser edlen Ritter von demjenigen, was unser Harry Gow in seinem Kreise thut? Wer hat jemals sagen hören, daß er seine Stärke und Geschicklichkeit gemißbraucht habe, um Uebles zu thun oder Unterdrückung zu begünstigen, und wer weiß es nicht, wie oft er sich ihrer zur Unterstützung der guten Sache in unserer Stadt bediente? Solltest nicht du, vor allen andern Frauen der Stadt, dir eine Ehre daraus machen, daß ein Mann, der ein so gutes Herz und einen so kräftigen Arm besitzt, sich für deinen Verlobten erklärt hat? Auf was bilden sich denn die stolzesten Damen mehr ein, als auf die Tapferkeit ihres Liebhabers? Und hat der kühnste Ritter in Schottland ausgezeichnetere Thaten vollbracht, als mein wackerer Sohn Harry, wenn er auch von niedriger Herkunft ist? Kennt man ihn nicht im Niederland wie im Gebirg' als den besten Waffenschmied, der je ein Schwert verfertigt hat, als den besten Krieger, der je eins zog?«

»Mein theuerster Vater,« antwortete Katharina, »Eure Worte widersprechen sich selbst, wenn Ihr Eurem Kinde erlauben wollt, so zu sprechen. Danken wir Gott und den guten Heiligen, daß wir in niederem, friedlichem Stande geboren sind, der uns der Aufmerksamkeit derjenigen überhebt, welche hohe Geburt und mehr noch der Stolz durch Werke blutgieriger Grausamkeit zum Ruhme führt, welche die Großen und Mächtigen ritterliche Thaten nennen. Eure Weisheit wird zugeben, daß es unverständig von uns wäre, uns mit ihren Federn zu schmücken und ihre prächtigen Kleider zu tragen; warum wollen wir also die Laster nachahmen, denen sie sich ohne Rückhalt hingeben? Warum wollen wir uns den Stolz ihres verhärteten Herzens und ihre unmenschliche Grausamkeit zu eigen machen, welcher ein Mord nicht allein Unterhaltung gewährt, sondern auch Gegenstand eiteln Ruhmes ist? Die, deren Rang blutige Huldigungen verlangt, mögen Ehre und Genuß darin finden, aber wir, die wir nicht zu jenen gehören, können nichts Besseres thun, als die Leiden der Opfer, welche jenen fallen, beklagen. Danken wir dem Himmel, daß er uns in niedrige Lage versetzte, weil wir dadurch der Versuchung überhoben sind. Aber vergebt mir, Vater, wenn ich die Grenzen meiner Pflicht überschritt, indem ich Euern Ansichten widersprach, die Ihr, mit so vielen Andern, über diesen Gegenstand hegt.«

»Ja, du bist selbst mir zu geschwätzig, Mädchen,« sagte ihr Vater etwas mißlaunig. »Ich bin nur ein armer Handwerker, dessen bestes Wissen ist, den linken Handschuh vom rechten zu unterscheiden. Aber wenn du meine Vergebung haben willst, so sage meinem armen Harry ein tröstliches Wort. Dort sitzt er, verwirrt und außer Fassung durch die lange Predigt, die du gehalten, und er, dem ein Trompetenschall als Einladung zu einem Feste gilt, ist niedergeschlagen durch den Schall einer Kinderpfeife.«

Der Waffenschmied hatte in der That, während er die Lippen, die ihm die theuersten, seinen Charakter auf die ungünstigste Weise schildern hörte, den Kopf auf seine gekreuzten Arme, die auf dem Tische lagen, sinken lassen, in der Stellung der tiefsten Niedergeschlagenheit, die nahe an Verzweiflung grenzte. »Ich wünsche zu Gott, mein theuerster Vater,« antwortete Katharina, »daß es in meiner Macht stände, Harry zu trösten, ohne die heilige Sache der Wahrheit zu verrathen, der ich vorhin das Wort geredet. Und ich kann– ja, ich muß dies können,« fuhr sie in einem Tone fort, der in Verbindung mit der vollendeten Schönheit ihrer Züge und der Begeisterung, mit der sie sprach, für Inspiration hätte gelten können. »Die Wahrheit des Himmels,« sagte sie in einem feierlichen Tone, »ward nie einem Munde, so schwach er auch sei, anvertraut, ohne ihm das Recht zu verleihen, Gnade zu verkünden, wenn er das Urtheil bekannt macht.– Steh' auf, Harry, steh' auf, edler, guter und großmüthiger, obgleich sehr verirrter Mann – deine Fehler sind die dieses grausamen und gefühllosen Zeitalters – deine Tugenden sind ganz dein.«

Während sie so sprach, legte sie ihre Hand auf des Schmieds Arm, und diesen mit sanfter Gewalt, der er nicht zu widerstehen vermochte, unter seinem Kopfe wegziehend, zwang sie ihn, sie seine männlichen Züge und die Thränen sehen zu lassen, welche Katharinens Vorwürfe und andere Empfindungen, die sich ihm aufdrängten, hervorgerufen hatten. »Weine nicht,« sprach sie, »oder weine vielmehr,– aber weine gleich Jenen, welche Hoffnung haben. Entsage dem sündigen Stolz und Jähzorn, die dich am meisten plagen, wirf jene verfluchten Waffen von dir, deren verhängnißvoller, mörderischer Gebrauch dir eine leichte Versuchung bereitet.« »Ihr sprecht vergebens zu mir, Katharina,« erwiderte der Waffenschmied; »ich kann allerdings Mönch werden und mich von der Welt zurückziehen; aber so lang' ich in ihr lebe, muß ich mein Handwerk treiben, und so lang' ich für Andere Waffen verfertige, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, sie selbst zu gebrauchen. Ihr würdet mir nicht solche Vorwürfe machen, wüßtet Ihr, wie die Mittel, durch die ich meinen Unterhalt gewinne, von dem kriegerischen Geiste unzertrennlich sind, den Ihr mir zum Verbrechen macht, da er doch aus unvermeidlicher Nothwendigkeit hervorgeht. Während ich dem Schilde oder Panzer die erforderliche Festigkeit gebe, daß er den Hieben widerstehe, muß ich da nicht immer darauf denken, wie man diese führt, mit welcher Gewalt sie einschlagen, und wenn ich ein Schwert schmiede oder härte zum Kampfe, ist mir's da möglich, die Erinnerung an seinen Gebrauch zu vermeiden?«

»Dann, mein lieber Harry, sagte das enthusiastische Mädchen, indem sie mit ihren niedlichen Händen die starke, nervige Faust des kräftigen Waffenschmieds ergriff, die sie nicht ohne Schwierigkeit aufhob, ohne daß der Schmied ihr widerstand, sondern sie ganz gewähren ließ– »dann werft die Kunst von Euch, die eine Schlinge der Versuchung für Euch ist. Entsagt der Verfertigung von Waffen, die nur dazu dienen können, das menschliche Leben zu verkürzen, das an sich schon zu kurz ist für die Reue, oder um durch ein Gefühl der Sicherheit diejenigen zu ermuthigen, welche ohnedies die Furcht abhalten konnte, sich der Gefahr bloßzustellen. Die Kunst, Waffen zu schmieden, sei's zum Angriff, sei's zur Vertheidigung, ist gleich strafbar für einen Mann, dessen heftiger Charakter in dieser Arbeit einen Fallstrick und Gelegenheit zum Sündigen findet. Entsagt also ganz der Kunst, Waffen zu schmieden, welcher Gattung sie auch sein mögen, und verdient Euch die Vergebung des Himmels, indem Ihr Allem abschwört, was Euch zu der Sünde verführen kann, die Ihr am leichtesten begeht.«

»Und was,« murmelte der Waffenschmied, »soll ich für meinen Unterhalt thun, wenn ich der Kunst des Waffenschmiedens entsage, in welcher Harry vom Tay bis zur Themse bekannt ist?«

»Eure Kunst selber,« sagte Katharina, »kann unschuldige und löbliche Zwecke erstreben. Wenn Ihr keine Schwerter und Schilde mehr schmiedet, so könnt Ihr den nützlichen Spaten, die friedliche Pflugschar und die Geräthschaften fertigen, die des Lebens Unterhalt gewinnen oder seine Freuden erhöhen helfen. Ihr könnt Riegel und Schlösser schmieden, um das Eigenthum des Schwachen gegen die Uebermacht des Stärkern und gegen die Angriffe der Räuber zu schützen. Die Menschen werden sich noch an dich wenden und belohnt wird dein bescheidener Fleiß–«

Aber hier ward Katharina unterbrochen. Ihr Vater hatte die Reden gegen Krieg und Turniere mit einer Empfindung gehört, die, obwohl ihre Lehren neu für ihn waren, ihm sagte, daß sie trotzdem nicht ganz irrig sein möchten. Er wünschte sogar im Stillen, daß derjenige, der sein Schwiegersohn werden sollte, sich nicht aus freien Stücken den Gefahren aussetzen möchte, welchen sein unternehmender Geist und seine außerordentliche Stärke den Schmied bisher nur allzuleicht hatten entgegentreten lassen. So weit hätte er gewünscht, sollten Katharinens Worte auf das Gemüth ihres Verlobten wirken, der, wie er wußte, wo die Liebe im Spiele war, ebenso nachgiebig, als halsstarrig und unbeugsam blieb, wenn man ihn mit feindlichen Vorstellungen oder Drohungen angriff. Aber ihre Rede widersprach geradezu seinen Ansichten, als er sie darauf bestehen hörte, sein künftiger Schwiegersohn sollte ein Handwerk aufgeben, welches damals in Schottland das einträglichste war, und Harry von Perth mehr einbrachte, als jedem andern Waffenschmied des Königreichs. Er hatte eine undeutliche Vorstellung, daß es nicht schlimm gethan wäre, den Schmied von der Gewohnheit abzubringen, die Waffen allzuoft zu handhaben, ob es gleich auf der andern Seite seinem Stolze schmeichelte, mit einem Manne in näherer Verbindung zu stehen, der sie mit solcher Ueberlegenheit zu führen verstand, was in jener kriegerischen Zeit kein geringes Verdienst war. Als er aber hörte, wie seine Tochter ihrem Liebhaber als den kürzesten Weg, jene friedliche Stimmung des Gemüths zu gewinnen, den bezeichnete, daß er das einträgliche Handwerk aufgeben solle, worin es ihm Keiner gleichthat, und welches ihm bei den Fehden, die täglich stattfanden, und bei den häufigen Kriegen einen namhaften Gewinn sicherte, konnte er seinen Zorn nicht länger bemeistern. Kaum hatte Katharina ihrem Verlobten den Rath gegeben, Ackergeräthe zu fertigen, als ihr Vater, überzeugt, daß er recht habe, worüber er im Anfange der Rede seiner Tochter etwas zweifelhaft gewesen, sie mit den Worten unterbrach:

»Schlösser und Riegel! Pflugscharen und Eggenzähne!– warum nicht lieber Schaufeln und Feuerzangen? da braucht' er weiter nichts, als einen Esel, der seine Waaren von Dorf zu Dorf trüge, und du könntest einen zweiten an der Halfter nachführen. Ei, Katharina, Mädchen, hast du den Verstand ganz verloren, oder meinst du, in diesem eisernen Jahrhundert werde man viele Leute finden, die ihr Geld für etwas Anderes ausgeben mögen, als für dasjenige, wodurch sie sich in den Stand gesetzt sehen, ihren Feinden das Leben zu nehmen oder das ihrige zu vertheidigen? Was wir gegenwärtig nöthig haben, thörichtes Mädchen, ist ein Schwert, uns zu schützen, keine Pflugschar, um die Erde zu öffnen und ihr die Saat anzuvertrauen, die wir vielleicht nimmer reifen sehen. Das tägliche Brod nimmt sich der Stärkere und lebt, der Schwache geht leer aus und stirbt Hungers. Glücklich, wer wie mein würdiger Sohn im Stande ist, sich seinen Unterhalt auf andere Weise zu gewinnen, als mit dem Schwert in der Hand, das aus seiner Werkstätte hervorgeht. Predige ihm den Frieden, so lange du magst– dagegen werd' ich nie etwas einwenden; aber dich dem ersten Waffenschmied in Schottland rathen hören, er solle keine Schwerter, Streitäxte und Rüstungen mehr fertigen, das heißt die Geduld selbst erschöpfen. Gehe mir aus den Augen! und morgen früh, wenn du das Glück hast, Harry Schmied zu sehen, was mehr ist, als dein Betragen verdient, so erinnere dich, daß du einen Mann siehst, der in Führung des Schwertes und der Streitaxt in Schottland seines Gleichen nicht hat, und der im Jahre fünfhundert Mark erwerben kann, ohne einen Feiertag zu entweihen.«

Als die Tochter ihren Vater in so bestimmtem Tone sprechen hörte, verneigte sie sich ehrerbietig und zog sich ohne weitere Abschiedsworte nach ihrem Schlafgemach zurück.

Drittes Kapitel

Woher kommt Schmied, ob Lord, ob Knapp', ob Ritter,


Als von dem Schmied, der vor dem Amboß steht?


Verstegan.

Des Waffenschmieds Herz schwoll von verschiedenen widerstreitenden Empfindungen, so daß es den ledernen Koller sprengen zu wollen schien, unter welchem es verborgen lag. Er stand auf und streckte seine Hand dem Handschuhmacher entgegen, während er das Gesicht von ihm abkehrte, als wünsche er, daß man in seinen Mienen nicht seine Bewegung lesen möchte.

»Wahrlich, hängt mich auf, wenn ich Euch jetzt Lebewohl sage, Mensch,« sprach Simon, seine Hand auf jene legend, die ihm der Waffenschmied entgegenhielt. »Unter einer Stunde mindestens will ich Euch die Hand nicht zum Abschied schütteln. Wartet einen Augenblick, Mann, und ich will Euch das Alles erklären. Gewiß werden einige Tropfen Blut aus der aufgeritzten Haut und etliche thörichte Worte von eines thörichten Mädchens Lippen Vater und Sohn nicht scheiden, wenn sie einander so lange nicht gesehen hatten? Bleib also, Mann, wenn dir etwas am Segen eines Vaters und des heiligen Valentin liegt, dessen heiliger Festabend heute ist.«

Bald hörte man, wie der Handschuhmacher laut nach Dorothee rief, und nachdem dieselbe mit Schlüsseln geklimpert und Treppen auf- und abgelaufen, erschien sie mit drei großen Bechern von grünem Glas, was in jener Zeit für eine große und kostbare Seltenheit galt, und der Handschuhmacher folgte ihr mit einer großen Flasche, mindestens drei Quart unserer entarteten Zeit enthaltend. – »Da ist ein Glas Wein, Harry, mindestens die Hälfte älter, als ich selber; mein Vater erhielt ihn zum Geschenk vom alten wackern Crabbe, dem flämischen Ingenieur, der während der Minderjährigkeit David's II. Perth so tüchtig vertheidigte. Wir Handschuhmacher vermochten stets im Kriege etwas vor uns zu bringen, wenn dieser gleich nicht in so unmittelbarer Beziehung zu uns steht, wie zu Euch, die Ihr in Eisen und Stahl arbeitet. Mein Vater hatte sich die Gunst des alten Crabbe zu erwerben gewußt; ich will dir ein andermal sagen, bei welcher Gelegenheit und wie lange diese Flaschen eingegraben waren, um sie den englischen Plünderern zu entziehen. Ich will jetzt einen Becher auf das Wohl der Seele meines Vaters leeren – mögen ihm seine Sünden vergeben sein! Dorothee, du magst darauf Bescheid thun, dann kannst du in dein Schlafgemach gehen. Ich weiß, daß du die Ohren spitzest, Weib, aber ich habe zu sagen, was Niemand hören darf, außer Harry Schmied, mein angenommener Sohn.«

Dorothee wagte nicht zu widersprechen, sondern nahm ihr Glas, oder vielleicht ihren Humpen, guten Muthes und zog sich sodann, wie ihr Herr befohlen hatte, in ihr Schlafgemach zurück. Die beiden Freunde blieben allein.

»Es betrübt mich, Freund Harry,« sagte Simon, während er sein und seines Gastes Glas füllte, »es betrübt mich, bei meiner Seele, daß meine Tochter so übel gelaunt ist; aber es fällt auch, dünkt mich, ein Theil der Schuld auf dich. Warum kommst du mit Schwert und Dolch hierher, da du doch weißt, daß sie einfältig genug ist, den Anblick dieser Waffen nicht ertragen zu können? Erinnerst du dich nicht, daß du vor deiner Abreise nach Perth einen kleinen Streit mit ihr hattest, weil du dich nicht in die friedliche Tracht der ehrbaren Bürger kleiden willst, sondern immer bewaffnet sein mußt, wie die schurkischen Jackmans, die im Dienste des Adels stehen? Es ist wahrlich Zeit genug für einen friedsamen Bürger zu den Waffen zu greifen, wenn die Gemeindeglocke schallt, die uns in die Waffenrüstung ruft.«

»Ach, mein guter Vater, das war nicht meine Schuld; aber kaum hatt' ich meinen Klepper verlassen, als ich hierher eilte, um Euch von meiner Rückkehr zu benachrichtigen und Euch um die Erlaubniß zu bitten, wenn's Euch gefällt, für dies Jahr Mistreß Katharinens Valentin zu sein. Nachdem ich von Mrs. Dorothee erfahren, daß Ihr Beide in die Dominikanerkirche gegangen waret, so entschloß ich mich, Euch dorthin zu folgen, theils, um mit Euch die Messe zu hören, und dann auch, möge mir's unsere liebe Frau und St. Valentin vergeben, um sie zu sehen, die so selten an mich denkt. Als Ihr in die Kirche ginget, sah ich drei Männer, die mir verdächtig schienen, während sie Euch und Katharina in's Auge faßten und sich mit einander beriethen; namentlich erkannte ich Sir John Ramorny trotz seiner Verkleidung recht gut, ungeachtet er ein sammetnes Band über dem einen Auge hatte und einen Mantel trug, wie ihn gewöhnlich die Diener haben. So dacht' ich, weil Ihr alt seid, Vater Simon, und der Lehrbursche mir etwas zu jung vorkam, um sich gut zu schlagen, ich würde wohl daran thun, Euch beim Nachhausegehen in der Stille zu folgen, weil ich nicht zweifelte, mit den Waffen, die ich trug, leicht einen Jeden, der Euch anzugreifen wagte, zurechtweisen zu können. Ihr habt, wie Ihr wißt, selber mich erkannt, und mich, ich mochte wollen oder nicht, eintreten heißen; sonst, das kann ich Euch versichern, wär' ich nicht vor Eurer Tochter erschienen, ohne vorher das Wams anzulegen, das ich mir in Berwick nach der neuesten Mode habe machen lassen, und hätte die Waffen, die sie nicht leiden kann, ihr nicht vor die Augen gebracht. Und gleichwohl, die Wahrheit zu sagen, haben so viele Leute, aus der oder jener Ursache, einen tödtlichen Haß auf mich geworfen, daß ich so gut als irgend ein Schotte nöthig habe, bei Nacht bewaffnet auszugehen.«

»Das närrische Mädchen denkt daran nie,« sagte Simon Glover; »sie hat nicht so viel Verstand, zu erwägen, daß in unserm lieben Schottland Jeder das Recht und die Freiheit zu haben glaubt, sich selber Gerechtigkeit zu verschaffen. Aber Harry, mein Sohn, du thust Unrecht, daß du dir ihre Worte so zu Herzen nimmst. Ich habe dich kühn genug vor andern Mädchen gesehen – warum so still und wortkarg bei ihr?«

»Weil sie verschieden von andern Mädchen ist, Vater Glover – weil sie nicht nur schöner, sondern auch klüger, höher, heiliger ist, und mir aus besserm Stoff gemacht zu sein scheint, als wir, die wir uns ihr nähern. Unter andern Mädchen kann ich den Kopf hoch tragen, wenn wir um den Maibaum tanzen; aber in Katharinens Nähe erscheine ich mir nur als ein gemeines, wildes Wesen, kaum werth, die Augen zu ihr zu erheben, und noch weniger, den Lehren, die sie mir gibt, zu widersprechen.«

»Ihr seid ein unkluger Kaufmann, Harry Schmied,« erwiderte Simon, »und schätzt die Waaren zu hoch, die Ihr einkaufen wollt. Katharina ist ein gutes Mädchen und meine Tochter; aber wenn Ihr durch Eure Schüchternheit und Schmeichelei einen eingebildeten Affen aus ihr macht, so werdet weder Ihr noch ich unsere Wünsche erfüllt sehen.«

»Ich fürchte es oft, mein guter Vater,« sagte der Schmied; »denn ich fühle, wie wenig ich Katharina verdiene.«

»Ei was fühlen!« sagte der Handschuhmacher; »fühle für mich, Freund Schmied, für Katharina und für mich. Denke, wie das arme Kind vom Morgen bis zum Abend belagert wird, und von welchen Leuten, selbst wenn Thüren und Fenster geschlossen sind. Wir wurden heute von Einem bestürmt, der zu mächtig ist, als daß ich ihn nennen möchte – ja, und er hat seine üble Laune nicht zu bergen gesucht, als ich nicht dulden wollte, daß er in der Kirche während des Hochamts meiner Tochter Schmeicheleien vorschwatzte. Und so gibt's noch Viele, die sich ebenso ungeziemend benehmen. Daher hab' ich oft den Wunsch, Katharina möchte minder hübsch sein, daß sie diese gefährliche Bewunderung nicht erregte, oder etwas minder fromm, daß sie sich entschließen könnte, die ehrbare, zufriedene Hausfrau des wackern Harry Schmied zu werden, der sie gegen jede Unbilde der Ritterschaft des Hofes von Schottland schützen könnte.«

»Und wenn ich's nicht thäte,« sagte Harry, eine Hand und einen Arm ausstreckend, deren Knochen und Muskeln einem Riesen anzugehören schienen, »so will ich nie mehr einen Hammer auf den Ambos fallen lassen. Ja, und wenn es dahin käme, so würde meine schöne Katharina einsehen, daß es nichts so gar Schlimmes ist, wenn ein Mann sich ein Bischen vertheidigen kann. Aber sie meint, glaub' ich, die Welt sei ein großer Dom, und Alle, die darin leben, müßten sich betragen, als wären sie bei einer ewigen Messe.«

»Ja, in Wahrheit,« sagte der Vater, »sie übt einen seltsamen Einfluß auf diejenigen, die ihr nahen; – der hochländische Bursche, Conachar, der mir nun seit einigen Jahren zu schaffen macht, hat, wie du weißt, ganz die Art seiner Landsleute, und doch gehorcht er Katharinen auf das geringste Zeichen, und sie ist wirklich fast die Einzige im Hause, die ihn regieren kann. Sie gibt sich viel Mühe, ihn seine rauhen Hochlandsgewohnheiten ablegen zu lassen.«

Hier ward Harry Schmied unruhig auf seinem Stuhle, er erhob die Flasche, stellte sie wieder hin und rief endlich: »Der Teufel hole den jungen Hochländerhund und seine ganze Sippschaft! Was braucht Katharina einen solchen Burschen zu unterweisen! Es wird ihr mit ihm gehen, wie mit dem jungen Wolf, den ich thörichter Weise als einen jungen Hund aufziehen wollte. Jedermann hielt ihn für zahm; aber in einem unglücklichen Augenblicke, da ich auf dem Berge Moncrieff mit ihm spazieren ging, warf er sich auf die Heerde des Laird und richtete unter dieser eine Verheerung an, die mir theuer zu stehen gekommen wäre, wenn der Laird nicht gerade eine Rüstung nöthig gehabt hätte. Daher wundert es mich, daß Ihr, Vater Glover, der Ihr doch ein Mann von Einsicht seid, diesen hochländischen Burschen – der seine Mucken hat, verlaßt Euch d'rauf – so nah' bei Katharina laßt, als wenn außer Eurer Tochter Niemand seine Schulmeisterin machen könnte.«

»Pfui, mein Sohn, pfui, – Ihr seid jetzt eifersüchtig,« sagte Simon, »auf einen armen jungen Burschen, der sich, um Euch die Wahrheit zu sagen, hier nur aufhält, weil er auf der andern Seite des Gebirges nicht so gut leben kann.«

»Ja, ja, Vater Simon,« entgegnete der Schmied, der all' die beschränkten Ansichten des Bürgers jener Zeit hatte, »fürchtete ich nicht, Euch zu beleidigen, so würde ich sagen, daß Ihr Euch mit jenem Volke draußen gar viel zu schaffen macht.«

»Ich muß meine Rehhäute, Bockshäute, Elennshäute u. s. w. irgendwoher haben, mein guter Harry, und mit den Hochländern handelt sich's gut.«

»Sie können gut mit sich handeln lassen,« erwiderte Harry trocken; »denn sie verkaufen blos gestohlene Waare.«

»Nun gut – sei das, wie es wolle; es geht mich nichts an, woher sie das Thier haben, wenn ich nur die Häute bekomme. Aber, wie gesagt, gewisse Rücksichten nöthigen mich, den Vater des jungen Burschen zu verbinden, indem ich ihn im Hause behalte. Er ist auch nur ein halber Hochländer und hat gar nicht ihre ungeschlachte Art so ganz und gar; – überhaupt hab' ich ihn selten so heftig gesehen, wie er sich heute zeigte.«

»Ihr konntet es auch nicht, wenn er nicht seinen Mann tödtete,« erwiderte der Schmied in demselben trockenen Tone.

»Trotzdem, wenn Ihr es wünscht, Harry, will ich alle anderen Rücksichten bei Seite setzen, und den Burschen morgen früh ein anderes Quartier suchen lassen.«

»Ach, Vater,« sagte der Schmied, »Ihr könnt glauben, daß dem Harry Gow nicht so viel an jener Bergkatze liegt, als an einer Kohle. Wahrlich, mich sollt' es nicht kümmern, seinen Clan das Schuhthor [eine Hauptstraße in Perth] herab mit dem Slogangeschrei und klingendem Spiele kommen zu sehen; ich wollte fünfzig Klingen und Schilde finden, um sie schneller zurückzusenden, als sie kamen. Aber die Wahrheit zu sagen, so närrisch es auch klingen mag – es will mir nicht gefallen, den hartnäckigen Burschen so oft um Katharina zu sehen. Bedenkt, Vater Glover, daß Euer Handwerk Eure Hände und Augen in Anspruch nimmt, und daß Ihr demselben Eure ganze Aufmerksamkeit widmen müßt, selbst wenn der Taugenichts mit arbeitet, was, wie Ihr ja wißt, selten geschieht.«

»Und das ist wahr,« sagte Simon; »er schneidet all' seine Handschuhe nur für die rechte Hand und konnte nie in seinem Leben ein Paar fertig machen.«

»Ohne Zweifel sind seine Meinungen vom Zuschneiden anderer Art,« sagte Harry. »Aber mit Eurer Erlaubniß, Vater, wollt' ich nur sagen, daß er, ob er nun arbeitet oder nichts thut, keine schiefen Augen hat; seine Hände sind weder durch heißes Eisen verbrannt, noch durch Arbeit mit dem Hammer hart geworden; sein Haar ist nicht durch Rauch geschwärzt, noch am Ofen verbrannt, daß es einem Dachsfell ähnlicher sieht, als dem Haupthaar eines ehrlichen Christen. Mag nun Katharina eine noch so gute Tochter sein – und ich behaupte, sie ist die beste in ganz Perth – so muß sie doch sehen und wissen, daß dies Alles zwischen dem einen und dem andern Mann einen Unterschied machen muß, und daß der Vergleich nicht zu meinen Gunsten ausfällt.«

»Hier deine Gesundheit von ganzem Herzen, Sohn Harry!« sagte der alte Mann, seinem Gefährten einen Becher und einen zweiten für sich selber füllend; »ich sehe, daß du, ein so guter Schmied du auch bist, doch das Metall nicht kennst, woraus Weiber gemacht sind. Du must dreister sein, Harry, und dich nicht benehmen, als gingest du zum Galgen, sondern als ein munterer Gesell, der weiß, was er werth ist, und sich von der besten der Töchter Eva's nicht überzeugen läßt. Katharina ist ganz wie ihre Mutter, und du irrst dich gewaltig, wenn du meinst, daß alle Weiber sich nur durch's Auge einnehmen lassen. Man muß auch ihr Ohr unterhalten, Mann. Eine Frau muß wissen, daß der, dem sie den Vorzug gibt, dreist und entschlossen ist, und die Gunst von zwanzig Andern gewinnen könnte, ob er sich gleich nur um die ihrige bewirbt. Glaube das einem Alten; die Weiber lassen sich öfter durch die Meinung Anderer bestimmen, als durch ihre eigne. Wenn Katharina fragt, wer der entschlossenste Mann in Perth sei, was wird sie zur Antwort erhalten? Harry, der Schmied. Wer der beste Waffenschmied, der je eine Wehr auf dem Ambos gehabt? Harry Schmied. Der gewandteste Tänzer? Der lustige Waffenschmied. Wer die besten Lieder singt? Harry Gow. Der beste Kämpfer, der mit Schwert und Schild am tüchtigsten umzugehen, ein Pferd zu bändigen und einen wilden Hochländer zurechtzuweisen versteht? Das bist du ebenfalls – immer wieder du – Keiner sonst als du. Und dir sollte sie den winzigen Hochländerknaben vorziehen? pfui, da könnte sie ebenso gut einen Blechhandschuh mit einem Rehfell überziehen! Ich sage dir, Conachar ist ihr gar nichts werth, höchstens, daß sie ihn aus den Krallen des Satans retten möchte, welcher meint, er sei ihm, wie die andern Hochschotten, verfallen. Der Himmel segne sie, das arme Geschöpf! sie möchte die ganze Menschheit auf bessere Gedanken bringen, wenn sie könnte.«

»Was ihr ganz gewiß fehlschlagen wird« – sagte der Schmied, der, wie der Leser gemerkt haben kann, dem Geschlechte der Hochländer nicht gewogen war. »Ich möchte hier für den Satan wetten, von dem ich was verstehen muß, weil er ein Arbeiter im nämlichen Elemente wie ich ist, gegen Katharina – der Teufel wird den Tartan holen, das ist so gut wie gewiß.«

»Ja, aber Katharina,« erwiderte der Handschuhmacher, »hat einen Beistand, von dem du wenig verstehst – Pater Clemens hat sich des jungen Burschen angenommen, und der fürchtet hundert Teufel so wenig, als ich eine Heerde Gänse.«

»Pater Clemens?« sagte der Schmied; »Ihr macht immer einen neuen Heiligen in dieser guten Stadt St. Johnston. Bitt' Euch, wer mag der Teufelsbändiger sein? Einer Eurer Einsiedler, der sich zum heiligen Werke vorbereitet, wie ein Ringer zum Kampfe, und sich durch Fasten und Buße dazu geschickt macht – nicht so?«

»Nein, das ist das Wunderbare bei der Sache,« sagte Simon; »Vater Clemens ißt, trinkt und lebt ganz wie die anderen Leute – trotzdem beobachtet er streng alle Regeln der Kirche.«

»O, ich begreife! ein lustiger Priester, der lieber fröhlich als heilig lebt, – der am Abend vor Aschermittwoch eine Kanne leert, um sich für die Fasten zu stärken – ein Lebemann, der die artigsten Weiber der Stadt zur Beichte hört?«

»Ihr seid immer noch im Irrthum, Schmied. Ich sag' Euch, meine Tochter und ich können weder einen Fastenden, noch einen vollen Heuchler ausstehen. Aber Pater Clemens ist weder der eine noch der andere.«

»Aber was ist er denn, in des Himmels Namen?«

»Einer, der entweder viel besser ist, als die Hälfte seiner Brüder von St. Johnston zusammengenommen, oder so vielmal schlimmer, als der Schlimmste von ihnen, daß es eine Sünde und Schande wäre, ihn im Lande zu dulden.«

»Mich dünkt, es wäre leicht zu sagen, ob er der eine oder der andre ist,« sagte der Schmied.

»Begnügt Euch, mein Freund,« sagte Simon, »zu wissen, daß, wenn Ihr Pater Clemens nach dem beurtheilt, was Ihr ihn thun sehet und sprechen hört, er Euch als der beste und wohlthätigste Mensch von der Welt erscheinen muß; denn er ist der Trost der Traurigen und der Rath der Dürftigen, der sicherste Führer des Reichen und des Armen bester Freund. Aber hört Ihr auf das, was die Dominikaner von ihm sagen, so ist er – benedicite! (hier bekreuzte sich der Handschuhmacher auf Stirn und Brust) ein schnöder Ketzer, der mittels irdischer Flammen zu denen geschickt werden sollte, welche ewig brennen.«

Der Schmied bekreuzte sich gleichfalls und rief aus: – »Heilige Maria! Vater Simon, und Ihr, der Ihr so viel Einsicht und Verstand habt, daß man Euch den weisen Handschuhmacher von Perth nennt, Ihr duldet, daß Eure Tochter einen Menschen zum Beichtvater hat, der – alle Heiligen schützen uns! – mit dem bösen Feinde selber im Bunde stehen soll? Wie? ist es nicht der Priester, der im Meal-Vennel den Teufel beschwor, als Hodge Jackson's Haus von einem Sturmwind eingerissen wurde? Und erschien nicht der Teufel mitten im Tay mit einem Skapulier und grunzte im Wasser wie ein Meerschwein, an dem Morgen, als unsre schöne Brücke fortgerissen wurde?«

»Ich kann nicht sagen, ob er's that oder nicht,« sagte der Handschuhmacher; »ich weiß nur, daß ich ihn nicht sah. Was Katharina betrifft, so kann man nicht sagen, daß Pater Clemens ihr Beichtvater sei, da dies der alte Pater Francis, der Dominikaner, ist, der ihr heute die Absolution ertheilt hat. Aber die Weiber sind bisweilen eigenwillig, und gewiß ist, daß sie öfter, als ich wünschte, mit Pater Clemens Verathung hält. Und doch ist er mir selber, so oft ich ihn gesprochen habe, so tugendhaft und fromm erschienen, daß ich ihm gern das Heil meiner Seele anvertrauen würde. Es sind schlimme Gerüchte über ihn bei den Dominikanern im Umlauf, das ist wahr; aber was geht das uns Laien an, mein Sohn? Leisten wir unsrer heiligen Mutter Kirche, was ihr gebührt, geben Almosen, beichten, thun die Buße, die uns auferlegt wird, und die Heiligen werden mit uns sein.«

»Ja, sicherlich; und sie werden ein Einsehen haben,« sagte der Schmied, »wegen eines raschen und unglücklichen Schlages, den ein Mann in einem Kampfe austheilt, wenn er sich zu vertheidigen hat; und das ist das einzige Glaubensbekenntniß, mit dem ein Mann in Schottland leben kann, Eure Tochter mag darüber denken, wie sie will. Wahrlich, ein Mann muß zu fechten verstehen, oder sein Leben ist nur auf kurze Frist geliehen in einem Lande, wo Schläge so reichlich fallen. Fünf Rosenobel haben mir für den besten Mann, mit dem ich ein Unglück hatte, Sühne bei unserem Altar verschafft.«

»So laß uns denn vollends unsere Flasche leeren,« sagte der alte Handschuhmacher; »denn ich höre vom Dominikanerthurm Mitternacht schlagen. Und nun hör' an, Sohn Harry: sei ganz früh an unserm Fenster, das gen Morgen sieht, und gib mir von deiner Ankunft ein Zeichen, indem du leise die Schmiedeweise pfeifst. Ich will dafür sorgen, daß Katharina zum Fenster heraussieht, und so erhältst du für den Rest des Jahres alle Vorrechte eines artigen Valentin; wenn du diese nicht zu deinem Vortheil nutzen kannst, so werde ich glauben müssen, daß, wenn du auch in die Löwenhaut gehüllt bist, dir die Natur doch die langen Ohren des Esels gelassen hat.«

»Amen, Vater,« sagte der Waffenschmied; »ich wünsch' Euch herzlich gute Nacht und Gottes Segen auf Euer Dach und diejenigen, die es deckt. Ihr sollt des Schmieds Signal mit dem Hahnenschrei hören; ich werde gewiß den Herrn ›Hellsänger‹ beschämen.«

So sprechend nahm er Abschied; und obwohl völlig furchtlos, ging er durch die verlassenen Straßen doch sehr vorsichtig nach seiner Behausung, welche im Mill Wind, am westlichen Ende von Perth, lag. Viertes Kapitel

Was all die Unruh' nun bedeuten mag? Nur eines armen, jungen Herzens Schlag. Dryden.

Der muntere Waffenschmied war, wie man glauben kann, keineswegs träge in Vollzug der Weisung, die ihm sein künftiger Schwiegervater gegeben hatte. Er wandte mehr als gewöhnliche Sorgfalt auf seinen Anzug, indem er diejenigen Stücke, die ein kriegerisches Ansehen hatten, möglichst in Schatten stellte. Er war zu bekannt, um in einer Stadt gänzlich unbewaffnet zu gehen , wo er zwar viele Freunde, aber auch, in Folge seiner früheren Thaten, viele Todfeinde hatte, von denen, wie ihm wohlbewußt war, wenig Schonung zu erwarten stand, wenn sie Anlaß fanden, ihn vortheilhaft anzugreifen. Er trug deshalb unter seiner Kleidung ein Panzerhemd, welches so leicht und fügsam war, daß es ihm in seinen Bewegungen ebenso wenig hinderlich war, als eine Weste der neueren Zeit, während er sich gleichwohl völlig sicher damit fühlen konnte, da er jeden Ring daran selber geschmiedet und an einander gefügt hatte. Ueber dieser Rüstung hatte er, gleich den andern Bürgern seines Alters, die Hosen und das Wams der Niederländer, die zu Ehren des Feiertags von feinstem englischem Tuche, lichtblau mit schwarzem Taffet aufgeschlitzt und mit einer Stickerei von schwarzer Seide ausgenähet waren. Seine Stiefel waren von Korduan und sein Mantel, von derbem, grauem, schottischem Tuche, diente dazu, ein kurzes, im Gürtel steckendes Schwert zu verbergen. Dies war seine einzige Waffe zum Angriff, denn in der Hand trug er nur eine Stechpalme. Seine schwarze Sammetmütze war mit Stahl ausgelegt und zwischen dem Metall und seinem Kopfe mit Wolle gefüttert, so daß sie ein Mittel der Vertheidigung gab, worauf er sich verlassen konnte. Im Ganzen zeigte Harry, wie es ihm wohl zukam, das Ansehen eines reichen und angesehenen Bürgers, der in seiner Kleidung so viel Pracht entfaltete, als er durfte, ohne sich über seinen Stand zu erheben und in den des Adels einzugreifen. Auch hatte sein freies und männliches Benehmen, obwohl es seinen gänzlichen Gleichmuth hinsichtlich der Gefahr anzeigte, doch nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem der Raufbolde und Prahler jener Zeit, mit denen man Harry bisweilen, jedoch mit Unrecht, verwechselte, weil man seine häufigen Händel einem heftigen Charakter zuschrieb, dessen Quelle aus dem Bewußtsein seiner persönlichen Stärke und seiner Geschicklichkeit in Führung der Waffen entspringen sollte. Seine Züge trugen vielmehr nur den Ausdruck gutmüthiger Offenheit, die nicht daran dachte, Jemand zu kränken, während sie gleichwohl keinen Angriff fürchtete.

Nachdem er sich auf's Beste angekleidet, steckte der ehrsame Waffenschmied in den Busen, zunächst seinem Herzen (welches dabei heftig klopfte), ein kleines Geschenk, welches er lange schon für Katharina Glover angeschafft hatte, und das seine Eigenschaft als Valentin ihn bald berechtigen sollte ihr zu überreichen, so wie sie, es ohne Bedenken anzunehmen. Es war ein kleiner Rubin, in Form eines von einem goldnen Pfeil durchbohrten Herzens geschnitten, und in ein Kästchen aus Stahlringen von der feinsten Arbeit gefaßt, wie wenn es für einen König bestimmt gewesen wäre. – Rings um den Rand der Kapsel standen die Worte:

»Der Liebe Pfeil


Durchbohrt das Herz


Trotz Panzers Erz.«

Diese Devise hatte dem Waffenschmied einiges Nachdenken gekostet, und er war sehr zufrieden mit seiner Idee, weil sie anzudeuten schien, daß seine Kunst alle Herzen vertheidigen könne, außer sein eignes. Er hüllte sich in seinen Mantel und eilte durch die noch stillen Straßen, entschlossen, noch etwas vor dem Morgengrauen am bezeichneten Fenster zu erscheinen. In dieser Absicht ging er durch die Highstreet und wandte sich über den Platz, wo jetzt St. John's Kirche steht, um nach der Curfewstraße zu gehen; da schien es ihm, nach dem Ansehen des Himmels, als sei es mindestens um eine Stunde zu früh für seinen Zweck, und es sei besser, am Platze des Rendezvous nicht vor der bestimmten Zeit zu erscheinen. Andere Liebhaber mochten wahrscheinlich so gut als er beim Hause des schönen Mädchens von Perth auf der Lauer stehen, und er kannte seine Schwäche zu wohl, um nicht zu fühlen, daß er dann in Gefahr sei, mit ihnen Streit zu beginnen. »Ich habe den Vortheil,« dachte er, »daß Vater Simon mein Freund ist; und warum sollte ich meine Finger mit dem Blute armer Geschöpfe beflecken, die meiner Aufmerksamkeit nicht werth sind, weil sie minder glücklich sind, als ich? Nein, diesmal will ich klug sein und jede Versuchung zum Streite fern von mir halten. Ich will ihnen nur so viel Zeit gönnen, Händel mit mir zu suchen, als nöthig ist, das verabredete Zeichen zu geben, und von Vater Simon Antwort zu erhalten. Ich kann mir's nicht denken, wie er's angreifen wird, seine Tochter an's Fenster zu bringen. Ich fürchte, wenn sie seine Absicht wüßte, würde es Schwierigkeiten haben, sie zu erreichen.«

Während diese Gedanken, wie sie einem Liebhaber eigen, durch sein Hirn zogen, mäßigte der Waffenschmied seinen Schritt, oft die Augen gen Osten wendend und das Firmament beobachtend, wo noch kein leiser grauer Streif erschien, um die Nähe der Frühdämmerung zu verkündigen, obwohl sie nicht fern, so daß es der Ungeduld des rüstigen Waffenschmieds vorkam, als zögere die Morgenröthe diesmal länger als gewöhnlich. Langsam ging er an der Mauer der St. Annenkapelle vorüber (wobei er nicht verfehlte, ein Kreuz zu schlagen und ein Ave zu sprechen, während er den geweihten Boden betrat), als eine Stimme, die hinter einem der Kapellenpfeiler hervorzukommen schien, sagte: »Er schlendert, da ihm noth thäte zu laufen.« »Wer spricht?« sagte der Waffenschmied, sich umschauend und etwas überrascht über eine in Ton und Ausdruck so unerwartete Stimme.

»Thut nichts zur Sache, wer spricht,« antwortete dieselbe Stimme. »Beeile dich sehr, sonst wirst du kaum zur rechten Zeit kommen. Verschwende nicht Worte, sondern geh'.«

»Heiliger oder Bösewicht, Engel oder Teufel,« sagte Harry, sich bekreuzend, »dein Rath geht mich zu nahe an, um vernachlässigt zu werden. Heiliger Valentin, leih' mir Schnelligkeit!«

So sprechend, vertauschte er alsbald seinen langsamen Gang mit einem, dem wohl Wenige Schritt gehalten hätten, und im Augenblick befand er sich in der Curfewstraße. Er hatte noch keine drei Schritte gegen Simon Glover's Haus gethan, das in der Mitte der engen Straße lag, als zwei Männer, die sich zu beiden Seiten an der Mauer aufgestellt hatten, wie durch verabredete Bewegung auf ihn zukamen, um ihm den Weg zu vertreten; das unvollkommene Licht ließ ihn nur unterscheiden, daß sie das hochschottische Gewand trugen.

»Räumt den Weg, Räuber,« sagte der Waffenschmied mit der tiefen Stimme, welche der Breite seiner Brust entsprach.

Sie antworteten nicht, zum wenigsten nicht verständlich, aber er konnte sehen, daß sie ihre Schwerter zogen, in der Absicht ihm Gewalt entgegenzusetzen. Etwas Schlimmes vermuthend, ohne die Art desselben recht zu ahnen, entschloß sich Harry sofort, sich auf jeden Fall Bahn zu brechen und seine Geliebte zu vertheidigen, oder wenigstens zu ihren Füßen zu sterben. Er schlang seinen Mantel als Schild um seinen linken Arm und trat rasch und fest auf die beiden Männer zu. Der nächststehende führte einen Hieb gegen ihn, aber Heinrich, den Schlag mit dem Mantel parirend, schlug dem Menschen in's Gesicht und wußte ihn zu gleicher Zeit auf der Straße niederzuwerfen; fast im nämlichen Augenblick streckte er den Burschen, der ihm zur Rechten stand, mit einem Hieb seines Jagdmessers nieder, so daß er zu seinem Gefährten zu liegen kam. Inzwischen eilte der Waffenschmied unruhig vorwärts, wozu er guten Grund hatte, da die Straße von Fremden bewacht oder vertheidigt war, die sich solche Gewaltthaten erlaubten. Er hörte ein leises Flüstern am Hause des Handschuhmachers und gerade unter dem nämlichen Fenster, wo er gehofft hatte, Katharina zu erblicken und sich das Recht, ihr Valentin zu werden, zu erwerben. Er hielt sich auf der andern Seite der Straße, um die Anzahl und die Absichten derer, die sich hier befanden, zu erforschen. Aber einer von ihnen, die unter dem Fenster waren, hatte ihn gesehen oder gehört, lief, weil er ihn vermuthlich für eine der beiden Wachen hielt, über die Straße auf ihn zu und sagte mit halbunterdrückter Stimme: »Was bedeutet jener Lärm, Kenneth? Warum gabt Ihr nicht das Zeichen?«

»Schurke,« sagte Harry, »Ihr seid entdeckt und sollt mit dem Leben bezahlen!«

So sagend, führte er einen Hieb mit seiner Waffe gegen den Fremden, wodurch seine Drohung sich erfüllt haben würde, wenn der Mann nicht mit dem Arme den Hieb aufgefangen hätte, der seinem Haupte galt. Die Wunde mußte bedeutend sein, denn er wankte und fiel mit einem tiefen Seufzer. Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, sprang Harry Schmied jetzt auf eine Schaar von Männern los, die, wie sich zeigte, damit beschäftigt waren, eine Leiter an das Fenster oben zu lehnen. Harry hielt sich nicht auf, sie zu zählen, bevor er an's Werk ging. Er erhob den Lärmruf der Stadt und gab das Zeichen, worauf sich die Bürger zu versammeln pflegen; damit warf er sich auf die Nachtschwärmer, deren einer bereits die Leiter erstieg. Der Schmied ergriff diese unten, warf sie auf das Pflaster, und indem er seinen Fuß auf den Körper des gestürzten Mannes setzte, hinderte er diesen aufzustehen. Die Genossen desselben griffen Harry heftig an, um ihren Gefährten zu befreien; aber sein Panzerhemd leistete ihm trefflichen Dienst, und reichlich gab er ihre Streiche zurück unter dem Rufe: »Helft, helft, es gilt St. Johnston! – Bogen und Klingen, brave Bürger! Man bricht in unsere Häuser im Schatten der Nacht!«

Diese Worte, welche weit durch die Straßen hallten, waren von eben so vielen heftigen Hieben begleitet, die mit gutem Erfolg unter diejenigen ausgetheilt wurden, welche den Waffenschmied angriffen. Inzwischen begannen die Bürger aufzustehen und erschienen auf der Straße im Hemd, aber mit Schwertern und Schilden, einige auch mit Fackeln. Nun versuchten die Unbekannten zu entkommen, und dies gelang ihnen auch, bis auf denjenigen, der mit der Leiter umgeworfen worden war. Der muthige Waffenschmied hatte ihn in dem Augenblicke, wo er sich wieder aufrichtete, an der Kehle gefaßt und hielt ihn so fest, wie der Windhund den Hasen. Die andern Verwundeten waren von ihren Kameraden fortgetragen worden.

»Hier ist ein Stück von Schurken, wie sie den Frieden der Stadt brechen,« sagte Harry zu den Nachbarn, die sich zu versammeln begannen; »eilt den Schuften nach. Sie können nicht alle davonkommen, denn ich habe einige von ihnen gezeichnet; das Blut wird euch auf ihre Spur führen.«

»Einige hochländische Räuber,« sagten die Bürger – »auf und ihnen nach, Nachbarn!«

»Ja, ja, nach! laßt mich den Burschen hier handhaben!« fuhr der Waffenschmied fort.

Die Andern zerstreuten sich nach verschiedenen Richtungen, während ihre Fackeln leuchteten und ihr Geschrei durch den ganzen umliegenden Bezirk widerhallte.

Unterdessen bat des Waffenschmieds Gefangener um Freiheit, indem er Versprechungen und Drohungen anwendete. »Wenn du ein Edelmann bist,« sagte er, »laß mich gehen, und was geschehen ist, soll vergeben sein.« »Ich bin kein Edelmann,« sagte Harry – »ich bin Harry vom Wynd, ein Bürger von Perth; und ich habe nichts gethan, was Vergebung bedarf.«

»Schurke, du weißt nicht, was du gethan hast! Aber laß mich gehen, und ich will deine Mütze mit Goldstücken füllen.«

»Ich will deine Mütze gleich mit einem gespaltenen Kopfe füllen,« sagte der Waffenschmied, »wenn du nicht als Gefangener ordentlich still hältst.«

»Was gibt's da, mein Sohn Harry?« sagte Simon, der jetzt am Fenster erschien. – »Ich höre deine Stimme in einem andern Tone, als ich erwartete. – Was soll all' dieser Lärm; und warum versammeln sich die Nachbarn allesammt?«

»Es hat eine Schaar Schufte Euer Fenster ersteigen wollen, Vater Simon; aber ich werde wohl bei einem von ihnen Gevatter stehen, den ich hier halte, fest, wie eine Zange das Eisen.«

»Hört mich, Simon Glover,« sagte der Gefangene; »laßt mich nur ein Wort mit Euch insgeheim sprechen, und befreit mich aus der Haft dieses eisenhändigen, bleitöpfigen Tölpels, so will ich Euch zeigen, daß man Euch und den Eurigen kein Leid thun wollte; und ferner will ich Euch sagen, was Euch von großem Vortheil sein wird.«

»Ich sollte diese Stimme kennen,« sagte Simon Glover, der jetzt mit einer Blendlaterne an die Thür kam. »Sohn Schmied, laß diesen jungen Mann mit mir reden. Er ist nicht gefährlich, verlass' dich daraus. Bleib' nur einen Augenblick, wo du bist, und laß Niemand in's Haus treten, weder zum Angriff noch zum Schutz. Ich stehe dafür, daß der Herr nur einen St. Valentinsscherz im Sinne hatte.«

So sprechend zog der alte Mann den Gefangenen hinein und schloß die Thür, Harry ein wenig überrascht über das unerwartete Licht lassend, worin sein Schwiegervater die Sache erblickte. »Ein Scherz!« sagte er; »das wär' mir ein wunderlicher Scherz geworden, wenn sie in's Schlafzimmer seiner Tochter gekommen wären! Und geglückt war's ihnen, wäre die freundliche Stimme nicht gewesen, die mich hinterm Kapellenpfeiler hervor gewarnt hat. Diese Stimme, wofern es nicht die der gepriesenen St. Anna war – und wer bin ich, daß sie mich würdigte zu mir zu sprechen? – durfte sich dort ohne ihre Zustimmung nicht hören lassen, und ich gelobe ihr eine Wachskerze, so lang wie mein Jagdmesser. Ja, daß ich mein großes Schwert nicht bei mir hatte! Diese Jagdmesser sind zwar fein und zierlich, aber sie gehören eher in die Hand eines Knaben, als in die des Mannes. O, mein alter zweihändiger Trojaner, wärst du in meinen Händen gewesen, statt zu Häupten meines Bettes zu hängen, die Beine dieser Schufte hätten nicht so rasch laufen sollen! Aber ich sehe Fackeln und bloße Klingen. Heda! halt! Seid ihr für St. Johnston? – Wenn Freunde der guten Stadt, seid ihr willkommen.«

»Wir waren nur Jäger ohne Beute,« sagten die Städter. »Wir folgten den Spuren des Blutes nach dem Begräbnißplatz der Dominikaner, und haben zwischen den Gräbern zwei von den Schuften gesehen, die einen dritten trugen, der vermuthlich von Euch einige Merkmale bekommen hatte, Harry; aber sie haben das Thor erreicht, eh' wir an sie kommen konnten. Sie zogen die Klosterglocke, – das Thor öffnete sich und weg waren sie. So sind sie in Sicherheit, und wir können wieder in unsere kalten Betten und uns wärmen.«

»Ja,« sagte einer von der Schaar, »die guten Dominikaner haben immer einen Bruder, der wacht, damit er das Thor jeder armen bedrängten Seele, die Schutz in der Kirche sucht, öffnen kann.«

»Ja, wenn die arme gejagte Seele gut dafür bezahlen kann,« sagte ein Anderer; »aber wahrlich, ist er arm am Beutel, wie am Geiste, so kann er außen stehen bleiben, bis die Hunde zu ihm herankommen.«

Ein Dritter, der einige Minuten lang mit der Fackel auf den Boden geleuchtet hatte, blickte jetzt empor und sprach ebenfalls. Er war ein munterer, rascher, ziemlich korpulenter, kleiner Mann, genannt Oliver Proudfute, wohlhabend und von Geltung in seiner Zunft, welches die der Strumpfwirker war; daher sprach er als ein Mann von Gewicht. – Kannst du uns sagen, lustiger Schmied,« – denn sie erkannten einander bei den Fackeln, die in die Straßen gebracht wurden, – »welcher Art die Schelme waren, die den Aufruhr in unserer Stadt machten?«

»Die zwei, die ich zuerst sah,« antwortete der Waffenschmied, »schienen mir, soviel ich unterscheiden konnte, hochländische Plaids zu tragen.«

»Ganz wahrscheinlich,« antwortete ein anderer Bürger, den Kopf schüttelnd. »Es ist eine Schande, daß die Lücken in unseren Mauern nicht ausgebessert sind, und daß diese landstreicherischen Hochländerschufte ehrliche Männer und Frauen in jeder hinreichend finstern Nacht aus ihren Betten scheuchen können.«

»Aber seht hier, Nachbarn,« sagte Oliver Proudfute, eine blutige Hand zeigend, die er vom Boden aufgehoben hatte; »wann gehörte eine Hand wie diese einem Hochländer? Sie ist groß, das ist wahr, und starkknochig, aber zart wie eine Frauenhand, mit einem Ringe, der wie eine brennende Kerze funkelt. Simon Glover hat wohl schon Handschuhe für diese Hand gemacht, wenn ich mich nicht sehr irre, denn er arbeitet für alle Hofleute.« Die Zuschauer begannen hier mit verschiedenen Bemerkungen das blutige Pfand zu betrachten.

»Wenn das der Fall ist,« sagte einer, »so wird für Harry Schmied das Beste sein, ein paar flinke Fersen zu zeigen, da der Richter den Schutz eines Bürgerhauses schwerlich als Entschuldigung für das Abhauen einer Edelmannshand gelten lassen wird. Die Gesetze über Verstümmelung sind hart.«

»Pfui über Euch, daß Ihr so sagen könnt, Michael Wabster,« antwortete der Strumpfwirker; »sind wir nicht Stellvertreter und Nachkommen der wackern, alten Römer, welche Perth so ähnlich als möglich ihrer eigenen Stadt erbauten? Haben wir nicht Urkunden von all' unsern erlauchten Königen, die uns für ihre getreuen Unterthanen erklärten ? Wolltet Ihr zusehen, daß wir unsern Rechten, Gerechtsamen, Freiheiten, unserer hohen, mittlern und niedern Gerichtsbarkeit und unserm Rechte entsagten, Geldbußen, Verpfändungen und selbst Todesstrafe zu verhängen, falls einer auf frischer That ertappt wird? Dürfen wir dulden, daß das Haus eines ehrbaren Bürgers angegriffen wird, ohne daß er dafür Genugthuung erhält? Nein, wackere Genossen, Mitbrüder und Bürger, der Tag soll eher nach Dunkeld zurückfließen, ehe wir uns solcher Ungerechtigkeit unterwerfen!«

»Und wie können wir uns helfen?« sagte ein würdiger, alter Mann, der auf sein zweihändiges Schwert gelehnt stand – »was können wir thun?«

»Wahrlich, Bailie Craigdallie, mich wundert, daß Ihr unter Allen die Frage thut. Ich wollte, wir gingen von hier Alle mit einander als brave Leute vor den König, selbst auf die Gefahr, seine Ruhe zu stören, stellten ihm vor, wie mißlich es für uns sei, zu gegenwärtiger Jahreszeit das Bett verlassen zu müssen, beinahe ohne alle andere Bedeckung, als das Hemd, zeigten ihm diese blutige Hand und bäten ihn, mit seinem königlichen Munde zu entscheiden, ob es recht und billig sei, daß seine getreuen Unterthanen durch die Ritter und Edeln seines ausschweifenden Hofes derartig behandelt werden. Und das hieße ich unsere Sache frisch verfechten.«

»Frisch, sagst du?« erwiderte der alte Bürger; »ei, so frisch und warm, daß wir Alle vor Kälte sterben würden, Freund, ehe der Thürsteher den Schlüssel im Schloß umgedreht hätte, uns vor den König zu lassen. – Kommt, Freunde, die Nacht ist bitter. – Wir haben unsere Wache als Männer gehalten und unser wackerer

Schmied hat zwei von denen, die uns eine Unbill anthun wollten, eine Lehre gegeben, die mehr fruchten wird, als zwanzig Bescheide des Königs. Morgen ist wieder ein Tag, da wollen wir wieder hier zusammenkommen, um über die Maßregeln Rath zu halten, die ergriffen werden müssen, um die Schurken zu entdecken und zu verfolgen. Und daher laßt uns jetzt gehen, bevor uns das Blut in den Adern erstarrt.«

»Bravo, bravo, Nachbar Craigdallie – St. Johnston lebe hoch!«

Oliver Proudfute hätte gern noch gesprochen, denn er war einer jener erbarmungslosen Redner, welche meinen, daß ihre Beredsamkeit alle Unbequemlichkeiten der Zeit, des Orts und der Umstände aufwiegt. Aber Keiner wollte mehr hören, und die Bürger zerstreuten sich nach ihren Häusern beim Lichte der Frühdämmerung, welche den Horizont zu färben begann.«

Sie waren kaum gegangen, als sich die Thüre von Glovers Hause öffnete und der alte Mann, den Schmied bei der Hand nehmend, diesen hineinzog.

»Wo ist der Gefangene?« fragte der Waffenschmied.

» Er ist fort – entflohen – entkommen – was weiß ich von ihm?« sagte der Handschuhmacher. »Er entkam durch die Hinterthür und so durch den kleinen Garten. – Denkt seiner nicht, sondern kommt und seht die Valentine, deren Ehre und Leben Ihr diesen Morgen gerettet habt.«

»Laßt mich nur die Waffe in die Scheide stecken,« sagte der Schmied – »laßt mich nur meine Hände waschen.«

»Da ist kein Augenblick zu verlieren, sie ist auf und fast angekleidet. – Herein, Freund. Sie soll dich sehen mit deiner guten Wehr in der Hand und mit Schurkenblut an deinen Fingern, damit sie erkennt, was eines ächten Mannes Dienst werth ist. Sie hat mir den Mund nur zu lange mit ihrer Sprödigkeit und ihrer Bedenklichkeit geschlossen. Ich will, daß sie wisse, was eines braven Mannes Liebe gilt und eines kühnen Bürgers obendrein.«

Fünftes Kapitel

Auf, schöne Dame, kämm' dein Haar,


Komm in den Morgen frisch und klar;


Auf, flieh' das Bett, die Stunden floh'n.


Die Kräh'n umschrien den Thurm längst schon.


Joanna Baillie

Durch den lärmenden Auftritt aus ihrer Ruhe emporgeschreckt, hatte das schöne Mädchen von Perth in athemloser Angst den Tönen der Gewaltthat und dem Geschrei gelauscht, welches sich auf der Straße erhob. Sie war im Gebet um Hilfe auf ihre Kniee gesunken, und als sie die Stimmen der Nachbarn und Freunde unterschied, die sich zu ihrem Schutze versammelten, blieb sie in derselben Stellung, um dem Himmel zu danken. Sie kniete noch, als der Vater ihren Kämpen, Harry Schmied, fast in das Zimmer stieß; der schüchterne Liebhaber blieb anfangs unter der Thür stehen, als fürchtete er zu beleidigen, und dann, als er ihre Lage bemerkte, aus Ehrfurcht vor ihrer Andacht.

»Vater,« sagte der Waffenschmied, »sie betet – ich wage so wenig, sie anzureden, als einen Bischof, wenn er die Messe liest.«

»Nun, wie du denkst, tapferer und muthiger Thor,« sagte der Vater; »und dann fügte er, seine Tochter anredend, hinzu: »man dankt dem Himmel am besten, meine Tochter, durch Dankbarkeit, die wir gegen unsre Mitmenschen an den Tag legen. Hier kommt das Werkzeug, durch welches dich Gott vom Tode oder vielleicht vor Entehrung, schlimmer als der Tod, errettete. Nimm ihn auf, Katharina, als deinen redlichen Valentin, und als den, in welchem ich meinen lieben Sohn zu sehen wünsche.«

»Nicht so – Vater,« antwortete Katharina. »Ich kann jetzt Niemand sehen oder sprechen. Ich bin nicht undankbar – vielleicht bin ich dem Werkzeuge meiner Rettung nur zu dankbar; aber laßt mich dem Schutzheiligen danken, der mir zur rechten Zeit Hilfe sandte, und gebt mir nur einen Augenblick, meinen Anzug zu vollenden.«

»Nun, bei Gott, Mädchen, es wäre hart, dir die Zeit zum Ankleiden zu versagen, denn seit zehn Tagen ist das die einige weibliche Rede, die du hast hören lassen. Wahrhaftig, Sohn Harry, ich wollte, meine Tochter erlebte die Zeit, um eine ganze Heilige zu werden, wo man sie als die heilige Katharina die Zweite kanonisiren wird.«

»Ei, scherzt nicht, Vater; denn ich will schwören, sie hat mindestens schon einen aufrichtigen Verehrer, der sich ihrem Willen geweiht hat, so gut es ein sündiger Mensch vermag. – Lebe denn wohl für den Augenblick, schönes Mädchen,« schloß er, seine Stimme erhebend, »und der Himmel sende dir Träume, so friedlich als deine Gedanken im Wachen. Ich gehe, um deinen Schlummer zu behüten, und wehe dem, der ihn stören sollte!«

»Ach, guter und tapferer Harry, dessen warmes Herz so im Widerspruch mit deiner rauhen Hand steht, laß dich selbst nicht wieder in nächtliche Händel ein; nimm aber den freundlichsten Dank, und zugleich versuche die friedlichen Gedanken zu gewinnen, die du mir zuschreibst. Am Morgen werden wir uns sehen, damit ich Euch meiner Dankbarkeit versichern kann; – lebt wohl!«

»Und lebt wohl, Gebieterin und Licht meines Herzens!« sagte der Waffenschmied, und die Treppe niedersteigend, die nach Katharinens Gemach führte, war er im Begriff, auf die Straße zu eilen, als der Handschuhmacher ihn am Arm ergriff.

»Der Kampf von heute Nacht,« sagte er, »wird mir das Waffenklirren angenehmer machen, als ich je dachte, wenn es meine Tochter zu Verstande bringt, Harry, und sie lehrt, was du werth bist. Bei St. Macgrider! Ich liebe sogar jene Nachtschwärmer, und mich dauert der arme Liebhaber, dessen Linke nie wieder einen Schild tragen wird. Ja, er hat das verloren, was er Zeit seines Lebens vermissen wird, vorzüglich so oft er seine Handschuhe anziehen will, – ja, er wird künftig meinem Handwerke nur halbe Gebühren zahlen. – Wahrlich, keinen Schritt aus diesem Hause heut' Nacht,« – fuhr er fort. »Ich sage dir, du sollst uns nicht verlassen, mein Sohn.«

»Das gedenk' ich nicht. Aber mit Eurer Erlaubniß will ich auf der Straße Wache halten. Der Angriff könnte erneuert werden.«

»Und wenn auch,« sagte Simon, »so wirst du hier besser im Stande sein, sie abzutreiben, wenn du die vortheilhafte Stellung im Hause hast. Diese Weise zu fechten schickt sich für uns Bürger am besten – die nämlich, hinter steinernen Mauern Widerstand zu leisten. Unsere Pflicht, zu wachen für Sicherheit, lehrt uns diesen Kunstgriff; überdieß sind genug wach und munter, um uns bis zum Morgen Frieden und Ruhe zu sichern. So komm denn herein.«

Mit diesen Worten zog er Harry, der nicht ungern folgte, in dasselbe Gemach, wo sie zu Abend gespeist hatten, und wo die alte Frau, die munter war, weil sie gleich Andern der nächtliche Lärm gestört hatte, bald Feuer anmachte.

»Und nun, mein tapfrer Sohn,« sagte der Handschuhmacher, »sprich, welch' Getränk du willst, die Gesundheit deines Vaters zu trinken?«

Harry Schmied hatte sich mechanisch auf einen alten, schwarzen Stuhl von Eichenholz niedersinken lassen, und starrte nun auf das Feuer, welches seine mannhaften Züge mit rother Gluth bestrahlte; halblaut murmelte er zu sich selber: – »Guter Harry – braver Harry – ach! hätte sie nur gesagt; lieber Harry!«

»Was sind das für Getränke?« sagte der alte Glover lachend. »Mein Keller weiß nichts von dergleichen; aber wenn ich mit Sekt, Rheinwein oder Gascogner dienen kann, ei, so sagt es nur, und die Flasche soll schäumen – das ist Alles.«

»Den freundlichsten Dank,« sagte der Waffenschmied, noch immer sinnend, – »das ist mehr, als sie je vorher zu mir sagte – den freundlichsten Dank – wozu kann das führen?«

»Gewiß zum Besten, Freund,« sagte der Handschuhmacher, »wenn du nur mit dir reden läßt und sagst, was du zum Morgentrunk haben willst.«

»Was du willst, Vater,« antwortete der Waffenschmied gleichgiltig und verfiel wieder in die Betrachtung der Rede Katharinens. »Sie sprach von meinem warmen Herzen; aber sie sprach auch von meiner rauhen Hand. Was auf der Welt kann ich thun, um diese Fechterlaune los zu werden? Gewiß hieb' ich am besten meine Rechte ab und nagelte sie an eine Kirchthür, damit sie mich nie mehr Vorwürfen aussetzte.«

»Ihr habt für eine Nacht Hände genug abgehauen,« sagte sein Freund, eine Flasche Wein auf den Tisch setzend. »Was quälst du dich selber, mein Sohn? Sie würde dich schon doppelt lieben, sähe sie nicht, wie du in sie verliebt bist. Aber es wird nun ernsthaft. Ich mag nicht Gefahr laufen, meine Werkstätte zerstört und mein Haus geplündert zu sehen von den wilden Dienern der Edelleute, weil man sie das schöne Mädchen von Perth zu nennen beliebt. Nein, sie soll wissen, daß ich ihr Vater bin, und ich will den Gehorsam haben, wozu mich Gesetz und Evangelium berechtigen. Ich will, sie soll dein Weib werden, Harry, mein Goldsohn – dein Weib, mein Bester, und das, ehe viele Wochen vergehen. Wohlan, das gilt deiner fröhlichen Hochzeit, wackrer Schmid!«

Der Vater leerte einen großen Becher und füllte ihn dann für den Sohn seiner Wahl, der ihn langsam zum Munde erhob; dann, eh' er ihn an die Lippen gebracht hatte, stellte er ihn plötzlich wieder auf den Tisch und schüttelte das Haupt.

»Nun, wenn du mir nicht bei solcher Gesundheit Bescheid thun willst, so weiß ich keine bessere,« sagte Simon. »Was magst du im Sinn haben, närrischer Bursche? Hier ist ein Fall vorgekommen, der sie gewissermaßen in deine Macht gibt, da von einem Ende der Stadt bis zum andern Jedermann sie verachten würde, wenn sie Nein spräche. Hier bin ich ihr Vater, der nicht nur seine Einwilligung zu der Heirath gibt, sondern Euch auch gern so fest verbunden sehen will, als je eine Nadel Bocksleder zusammenfügte. Und während so Glück, Vater und Alles auf deiner Seite ist, siehst du wie ein trauriger Liebhaber in einer Ballade aus, ähnlicher Einem, der sich in den Tay stürzen will, als Einem, der um ein Mädchen zu werben gedenkt, das du ohne Mühe haben kannst, wenn du nur den glücklichen Augenblick wählst.«

»Ach, aber dieser glückliche Augenblick, Vater! Es scheint mir sehr die Frage, ob Katharina je einen solchen Moment in diesem Leben haben wird, um einen groben, unwissenden Mann, wie mich, anzuhören. Ich kann nicht sagen, wie es ist, Vater; anderswo kann ich mein Haupt kühn tragen, wie ein anderer Mann, aber bei Eurer frommen Tochter verliere ich Herz und Muth, und ich kann nicht umhin, zu denken, daß es eben so gut wäre, wie Tempelraub, wenn ich mir ihre Zuneigung erschliche. Ihre Gedanken sind zu sehr auf den Himmel gerichtet, um für einen Meinesgleichen verschwendet zu werden.«

»Ganz wie es Euch beliebt, Harry,« sagte der Handschuhmacher. »Meine Tochter drängt sich auch so wenig auf, als ich – ein hübscher Antrag ist keine Ursache zum Krieg; – nur wenn Ihr meint, ich werde ihren närrischen Gedanken an ein Kloster nachgeben, so verlaßt Euch darauf, daß ich denselben nie Gehör geben werde. Ich liebe und ehre die Kirche,« sagte er, sich bekreuzend. »Ich entrichte gern und gehörig ihre Gebühren, Zehnten und Almosen; Wein und Wachs entricht' ich, wie ich sage, so genau, als irgend ein Mann von meinen Mitteln in Perth; aber ich kann der Kirche mein alleiniges und einziges Lämmchen, das ich habe, nicht geben. Ihre Mutter war mir auf Erden lieb und ist nun ein Engel im Himmel, Katharina ist Alles, was ich habe, um mich an den Verlust Jener zu erinnern; und geht sie in's Kloster, so wird es geschehen, wenn sich diese alten Augen auf ewig geschlossen haben, aber eher nicht. Was jedoch Euch betrifft, Freund Gow, so bitt' ich Euch, daß Ihr so thut, wie es Euch selber am besten gefällt. Ich will Euch wahrlich kein Weib aufzwingen.«

»Ach, da schmiedet Ihr nun das Eisen zwei Mal,« sagte Harry. »So endigen wir immer, Vater; Ihr werdet auf mich böse, weil ich nicht thue, was mich zum glücklichsten Menschen machen würde, wenn ich es vermöchte. Wenn in meinem Herzen ein einziger Tropfen Blutes fließt, der nicht mehr Eurer Tochter als mir selber angehörte, so soll im Augenblick der schärfste Stahl, den ich jemals schmiedete, dasselbe durchbohren. Aber was fordert Ihr? Kann ich weniger Achtung vor ihr haben, als sie verdient, oder mich höher stellen, als ich bin? Was Euch leicht und einfach dünkt, ist für mich eben so schwierig, als ein Panzerhemd aus Hanf zu machen. – Aber dieß gilt Euer Wohl, Vater,« fügte er in heiterem Tone hinzu; »und hier das Wohl meiner schönen Heiligen und meiner Valentine, was hoffentlich für dieß Jahr Eure Tochter sein wird. Ich will Euch nicht länger abhalten, Euer Haupt auf's Kissen zu legen; dann führt mich an's Gemach Eurer Tochter, bittet sie für mich um Erlaubniß, eintreten und ihr einen guten Morgen wünschen zu dürfen, und der Heiterste will ich sein, den die Sonne in der Stadt und meilenweit ringsum begrüßen wird!«

»Kein übler Rath, mein Sohn,« sagte der ehrliche Glover; »aber was werdet Ihr thun? willst du mir zur Seite liegen, oder Conachars Bett theilen.«

»Keines von beiden,« antwortete Harry Gow; »ich würde Eure Ruhe nur stören; und mir ist dieser bequeme Stuhl ein Dunenbett werth, und wie eine Schildwache will ich schlafen, mit den Waffen an der Seite.«

Bei diesen Worten legte er die Hand an's Schwert.

»Ach, der Himmel gebe, daß wir keine Waffen mehr brauchen. – Gute Nacht, oder vielmehr guten Morgen, bis der Tag uns weckt – wer zuerst erwacht, mag den Andern rufen.«

So schieden die beiden Bürger. Der Handschuhmacher ging in sein Bett, und, wie sich vermuthen läßt, zur Ruhe. Der Liebhaber war nicht so glücklich. Sein starker Körper ertrug leicht die Anstrengung, die er im Laufe der Nacht erduldet hatte, aber sein Geist war minder abgehärtet. In einer Beziehung war er nur der muthige Bürger seiner Zeit; stolz darauf, in der Kunst, die Waffen zu handhaben, sich ebenso auszuzeichnen, wie in der, sie zu fertigen, hatte seine Eifersucht gegen Handwerksgenossen, seine persönliche Stärke und Gewandtheit im Fechten ihn in viele Händel verwickelt, die ihn allgemein gefürchtet machten und ihm selbst viele Feinde zugezogen hatten. Er verband jedoch mit diesen Eigenschaften die Güte und Treuherzigkeit eines Kindes, und zugleich eine hohe Einbildungskraft und Begeisterung, die mit seinen Arbeiten am Herde oder seinen Kämpfen wenig im Einklang zu stehen schienen. Das Feuer und Ungestüm, welches er aus alten Balladen geschöpft hatte, oder aus Romanzen, der einzigen Quelle von Allem, was er wußte, hatten ihn vielleicht zum Theil zu manchen seiner Thaten begeistert, die für ihn häufig das Ansehen des Ritterthums hatten. Zum mindesten war er überzeugt, daß seine Liebe zu der schönen Katharina eine Zartheit hatte, wie sie dem niederen Knappen geziemt hätte, der, wenn man der Ballade glauben will, mit dem Lächeln der ungarischen Königstochter geehrt wurde. Seine Gefühle für sie waren eben so schwärmerisch, als hätten sie einen wahren Engel zum Gegenstande gehabt; und daher glaubte der alte Simon und Alle, die ihn beobachteten, seine Leidenschaft sei zu erhabener Art, als daß er sein Glück bei einem Mädchen machen könnte, das aus demselben Stoffe wie andere Sterbliche gemacht wäre. Sie irrten sich jedoch. So bescheiden und zurückhaltend Katharina war, besaß sie doch ein Herz, welches die Beschaffenheit und die Tiefe der Leidenschaft des Waffenschmieds fühlen und verstehen konnte; und ob sie nun diese erwiderte oder nicht, jedenfalls war sie doch auf die Anhänglichkeit des gefürchteten Harry Gow im Stillen eben so stolz, als es die Heldin eines Romans auf die Gesellschaft eines zahmen Löwen sein könnte, der ihr zu Schutz und Vertheidigung folgt. Mit Empfindungen der aufrichtigsten Dankbarkeit erinnerte sie sich, als sie am Morgen erwachte, der Dienste Harry's im Lauf der ereignißvollen Nacht, und ihr erster Gedanke war, wie sie ihm diese Empfindungen deutlich machen möchte.

Hastig vom Lager aufstehend und fast über ihren Vorsatz erröthend, sagte sie zu sich selbst: »Ich bin kalt gegen ihn gewesen und vielleicht ungerecht; ich will nicht undankbar sein, obwohl ich seinen Wünschen nicht entsprechen kann; ich will nicht warten, bis mich mein Vater antreibt, ihn als meinen Valentin für das Jahr zu empfangen; ich will ihn aufsuchen und ihn selbst wählen. Ich habe andere Mädchen für kühn gehalten, wenn sie so etwas thaten; aber ich werde so meinen Vater am besten erfreuen und nur gegen den guten St. Valentin den schuldigen Brauch erfüllen, wenn ich mich diesem tapfern Manne dankbar bezeige.«

Eilig warf sie ihre Kleider um, welche indeß nicht ganz in der gewohnten Weise geordnet waren, lief die Treppe hinab und öffnete die Thür des Zimmers, worin, wie sie vermuthete, ihr Liebhaber die Stunden nach dem Gefecht zugebracht hatte. Katharina hielt an der Thür inne und trug fast Bedenken, ihren Vorsatz auszuführen, der nicht nur erlaubte, sondern sogar erforderte, daß die Valentine des Jahres ihre Verbindung mit einem zärtlichen Kusse beginnen mußte. Man betrachtete es als eine besonders günstige Vorbedeutung, wenn der eine Theil den andern schlafend finden konnte, um ihn durch jene interessante Ceremonie zu erwecken.

Nie bot sich eine schönere Gelegenheit, dieß geheimnißvolle Band zu knüpfen, als die, welche jetzt Katharina fand. Nach vielen und mannigfachen Gedanken war der muthige Waffenschmied endlich in dem Lehnstuhle, wo er sich niedergelassen, vom Schlaf überwältigt worden. Seine Züge hatten im Schlummer einen festern und männlichern Anstrich, als Katharina geglaubt hatte, die ihn bis jetzt immer nur sah, wie er zwischen Schüchternheit und Furcht, ihr zu mißfallen, schwankte, und daher gewohnt war, keinen besonders geistreichen Ausdruck in seinen Zügen zu entdecken.

»Er sieht sehr ernst aus,« sagte sie; »wenn er unwillig werden sollte – und wenn er dann erwacht – wir sind allein – ob ich wohl Dorothee rufe – oder meinen Vater wecke – aber nein, es ist ein hergebrachter Brauch, und wird in aller jungfräulichen und schwesterlichen Liebe und Ehre geübt. Ich will nicht glauben, daß Harry es mißdeuten könne und kindische Schüchternheit soll meine Dankbarkeit nicht in Schlaf bringen.«

So sagend, ging sie leichten, obwohl zögernden Schrittes durch das Zimmer, während sich bei ihrem Vorhaben ihre Wange dunkelroth färbte; und zu dem Stuhle des Schläfers schlüpfend, drückte sie einen Kuß auf seine Lippen, so leicht, als wäre ein Rosenblatt darauf gefallen. Der Schlummer mußte leicht gewesen sein, den eine solche Berührung unterbrechen konnte, und die Träume des Schläfers mußten mit der Ursache der Unterbrechung im Zusammenhange stehen, da Harry, sogleich sich erhebend, das Mädchen mit den Armen umfing und entzückt die Liebkosung zu erwidern suchte, welche seine Ruhe unterbrochen hatte. Aber Katharina widerstand seiner Umarmung, und da ihr Widerstreben mehr aus besorglicher Züchtigkeit, als aus falscher Scham zu entspringen schien, so ließ sie der schüchterne Liebhaber seiner Umarmung sich entwinden, aus der sie sonst, und wäre sie zehn Mal stärker gewesen, sich nicht hätte befreien können.

»Nein, seid nicht böse, guter Harry,« sagte Katharina in dem freundlichsten Tone zu ihrem überraschten Liebhaber. »Ich habe St. Valentin sein Recht gethan, um zu zeigen, wie sehr ich den Freund schätze, den er mir für das Jahr gesendet hat. Laßt aber meinen Vater erst gegenwärtig sein, und ich will Euch nicht hindern, die Rache zu nehmen, zu welcher Ihr für den gestörten Schlaf berechtigt seid.«

»Laßt dies kein Hinderniß sein,« sagte der alte Glover, entzückt in's Gemach eilend. – »Hin zu ihr, Schmied, hin zu ihr, und lehrt sie, was es heißt, einen Hund im Schlafe zu stören.«

So ermuthigt umfaßte Harry, obwohl vielleicht mit minder beunruhigender Lebhaftigkeit, das erröthende Mädchen wieder mit seinen Armen, welche mit ziemlicher Huld gestattete, daß ihr Kuß erwidert und ein Dutzend Mal wiederholt ward, welches mit einer Energie geschah, sehr verschieden von der Art, durch welche eine so strenge Vergeltung verursacht war. Endlich wand sie sich wieder aus ihres Liebhabers Armen, und, als wäre sie erschrocken und reuevoll über das, was sie gethan, warf sie sich auf einen Stuhl und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.

»Blick' auf, du thörichtes Mädchen.« sagte ihr Vater, »und schäme dich nicht, daß du die zwei glücklichsten Männer in Perth gemacht hast, da dein alter Vater einer von ihnen ist. Nie war ein Kuß so gut angebracht, und es war billig, daß er gehörig zurückgegeben wurde. »Blick' auf, mein Liebling, blick' auf, und laß mich nur ein Lächeln von dir sehen. Auf mein Ehrenwort, die Sonne, die jetzt über unsere schöne Stadt emporsteigt, kann mir nichts zeigen, was mich glücklicher machte. Wie,« fuhr er in scherzendem Tone fort, »glaubtest du Jamie Keddie's, des Schneiders, Ring zu besitzen und unsichtbar zu sein? Aber nein, meine Morgenfee: gerade als ich aufstehen wollte, hörte ich deine Kammerthür aufgehen und beobachtete dich, wie du die Treppe hinabstiegst – nicht um dich gegen diesen schlaftrunkenen Harry zu schützen, sondern mit eigenen erfreuten Blicken zu sehen, wie mein liebes Mädchen das that, was ihr Vater besonders wünschte. – Nun, herab mit den thörichten Händen, und wenn du auch ein Bischen erröthest, so schickt es sich nur desto besser zum St. Valentinsmorgen, denn da steht einer Mädchenwange das Roth vorzüglich.«

Während Simon Glover sprach, zog er mit sanfter Gewalt die Hände herab, die der Tochter Gesicht verdeckten. Sie erröthete allerdings tief, aber es lag mehr als Mädchenscham in ihrem Gesicht und ihre Augen füllten sich schnell mit Thränen.

»Wie! weinen, Kind?« fuhr der Vater fort, – nein, wahrlich, das ist mehr als vonnöthen; – Harry, hilf mir diesen kleinen Narren trösten.«

Katharina gab sich Mühe, sich zu sammeln und zu lächeln, aber das Lächeln hatte einen melancholischen und ernsten Ausdruck.

»Ich wollte nur sagen, Vater,« sagte das schöne Mädchen von Perth, indem sie sich wie vorher anstrengte, »daß ich, indem ich Harry Gow zu meinem Valentin wählte und ihm die Vorrechte und den Gruß am Morgen gab, gemäß hergebrachter Sitte, ihm nur meine Dankbarkeit bezeigen wollte für seinen mannhaften und treulichen Dienst, und Euch meinen Gehorsam. – Aber verleit' ihn nicht zu dem Glauben – und o! theuerster Vater, unterhalte nicht selbst eine Idee, daß ich mehr im Sinn hatte, als was das Versprechen, seine treue und geneigte Valentine das Jahr hindurch zu sein, von mir fordert.«

»Ja – ja – ja – wir verstehen das Alles,« sagte Simon in dem besänftigenden Tone, mit welchem die Amme ein Kind beruhigt – »wir verstehen, was das bedeutet; genug für ein Mal; genug für einmal. Du sollst nicht erschreckt und übereilt werden. – Liebende, treue und aufrichtige Valentine seid Ihr, und alles Uebrige wird der Himmel und die Gelegenheit fügen. Nun, ich bitte dich, laß jetzt gut sein – ringe deine zarten Hände nicht, und fürchte jetzt keine weiteren Angriffe. Du hast wacker, vortrefflich gehandelt – und nun geh' hinaus zu Dorothee und rufe das faule Weib herbei; wir brauchen ein tüchtiges Frühstück nach einer Nacht voll Unruhe und einem freudigen Morgen; und deine Hand wird vonnöthen sein, für uns jene köstlichen Kuchen zu bereiten, die Niemand außer dir machen kann; und du darfst wohl ein Geheimniß daraus machen, in Betracht ihrer, die es dich lehrte. – Ach! Friede der Seele deiner theuersten Mutter,« fügte er mit einem Seufzer hinzu; »wie froh würde sie gewesen sein, hätte sie diesen glücklichen St. Valentinsmorgen sehen können!«

Katharina ergriff die Gelegenheit, zu entkommen, welche ihr so gegeben ward, und schlüpfte aus dem Gemach. Harry kam es vor, als wäre die Sonne am Himmel zu Mittag verschwunden und als umlagere plötzlich Nacht den Erdkreis. Die Hoffnungen, die er, ermuthigt durch das vorhin Geschehene, gefaßt hatte, fingen bereits an zu sinken, wenn er an die plötzliche Veränderung in Katharinens Benehmen dachte, an ihre soeben vergossenen Thränen, an die sichtbare Angst, die ihre Züge verriethen und an die Besorgniß, mit welcher sie so bestimmt, als das Zartgefühl gestattete, erklärt hatte, daß die Schritte, die sie gethan, nur die Absicht gehabt hätten, der Sitte des Festes gehörig zu genügen. Der Vater bemerkte seine niedergeschlagene Miene etwas verwundert und mißvergnügt.

»Im Namen des guten St. Johannes, was hat Euch befallen, daß Ihr ein Gesicht macht, so mürrisch wie eine Eule, da ein Bursche von deinem Geist, der das arme Mädchen wirklich so lieb hat, wie du vorgibst, lebendig sein sollte, wie eine Lerche?«

»Ach, Vater!« erwiderte der niedergeschlagene Liebhaber, »es steht etwas auf ihrer Stirn geschrieben, was mir sagt, sie liebe mich wohl genug, um meine Valentine zu sein, vorzüglich da Ihr es wünscht – aber nicht genug, um mein Weib zu werden.«

»Ei, daß dich die Pest, du kalter Bursche, der kein Herz hat,« antwortete der Vater. »Ich kann eines Weibes Stirn so gut und besser als du lesen, und ich sehe von diesen Dingen nichts auf der ihrigen. Was, zum Henker, Mensch! du lagst wie ein Lord im Lehnstuhl, in so tiefem Schlafe, wie ein Richter, während du als ein feuriger Liebhaber munter nach Osten gespäht hättest, um den ersten Sonnenstrahl zu erwarten. Aber dort lagst du jedenfalls schnarchend, und dachtest weder an sie noch sonst Etwas; und das arme Mädchen steht mit Tagesanbruch auf, damit ihr Niemand den kostbaren, wachsamen Valentin wegschnappen möchte, und sie weckt dich mit einem Kusse, der, so wahr mir St. Macgrider helfe, einem Ambos Leben eingehaucht hätte; aber du erwachst, um zu ächzen, zu klagen, zu seufzen, als ob sie ein glühend Eisen quer über deine Lippen gezogen hätte! Ich wünschte bei St. John, sie hätte die alte Dorothee statt ihrer geschickt und dich zum Valentin dieses Bündels dürrer Gebeine verpflichtet, das keinen Zahn im Munde hat. Sie wäre die beste Valentine von ganz Perth für einen so feigen Kampfhahn von Liebhaber gewesen.«

»Was den feigen Kampfhahn betrifft,« antwortete der Schmied, »so gibts wohl zwanzig gute Hähne, deren Kämme ich rupfte und die dir sagen können, ob ich mich besiegen ließ oder nicht. Aber der Himmel weiß, daß ich mein Stück Feld, was ich als Bürger besitze, meine Esse, Blasbalg, Ambos und Alles, was ich habe, darum gäbe, könnt' ich diese Sache so betrachten wie Ihr. Aber ich rede nicht von ihrer Scham und ihrem Erröthen, sondern von der Blässe, die so schnell von ihren Wangen die Farbe vertrieb, und von den Thränen, die ihr in's Auge traten. Es war wie der Aprilschauer, der heranschleicht und den schönsten Morgen verdunkelt, der je über'm Tay aufging.«

»Ei über die Possen,« erwiderte der Handschuhmacher; »weder Rom noch Perth wurden in einem Tage gebaut. Du hast tausend Mal Lachse gefischt und könntest klug geworden sein. Wenn der Fisch die Fliege ergriffen hat, so würde ein heftiger Zug der Schnur diese zerreißen und wäre sie aus Eisendraht; mäßige deine Hand, Mensch, laß den Fisch empor kommen; nimm dir Zeit und in einer halben Stunde wirst du ihn auf's Ufer legen. – Ein Anfang ist gemacht, so schön als du wünschen könntest, wenn du nicht erwartest, daß das arme Mädchen an dein Bett komme, wie sie an deinen Stuhl kam; und das ist nicht die Weise sittsamer Mädchen. Aber gib Acht, nachdem wir gefrühstückt haben, will ich dir Gelegenheit verschaffen, dein Herz auszusprechen; aber hüte dich, zu linkisch zu sein, oder sie zu sehr zu drängen. – Treib' sie in die Enge, aber laß ihr auch nicht zu viel Spielraum, und ich setze mein Leben für den guten Erfolg ein.«

»Was ich auch thun kann, Vater,« antwortete Harry, »Ihr werdet stets den Tadel auf mich wälzen; entweder laß ich die Schnur zu schlaff, oder spanne sie zu heftig. Ich wollte das beste Panzerhemd d'rum geben, das ich je schmiedete, wenn die Schwierigkeit wirklich nur auf meiner Seite wäre; denn dann wäre um so mehr Hoffnung, sie zu beseitigen. Ich gestehe aber, daß ich nur ein Gimpel bin, wenn es gilt, eine Unterhaltung, wie in diesem Falle, einzuleiten.«

»Komm mit mir in meine Werkstätte, mein Sohn, und ich will dich mit einem passenden Thema versorgen. Du weißt, daß das Mädchen, welches einen schlafenden Mann zu küssen wagt, ein Paar Handschuhe von ihm erhält. Komm zu meiner Werkstätte; du sollst ein Paar köstliche rehlederne haben, die ganz für ihre Hand und ihren Arm passen. – Ich dachte an ihre arme Mutter, als ich sie fertigte,« fügte der ehrliche Simon mit einem Seufzer hinzu; »und außer Katharina wüßt' ich kein Weib in Schottland, dem sie passen würden, obwohl ich den meisten der hohen Schönheiten am Hofe das Maß genommen habe. Komm mit mir, sag' ich, und du sollst einen Stoff zum Gespräch erhalten, wenn du nur Muth und Vorsicht genug zu der Werbung hast.«

Sechstes Kapitel

Kein Mann soll Katharina's Hand erhalten.


Die bezähmte Widerspenstige.

Das Frühstück war bereit, und die zarten schmackhaften Kuchen, von feinem Mehl und Honig nach dem Familienrecepte gebacken, wurden nicht nur mit all der Parteilichkeit eines Vaters und eines Liebhabers gepriesen, sondern es ward ihnen auch volle Gerechtigkeit auf die Weise gethan, auf welche man die Güte eines Kuchens oder Puddings am besten beweist. Sie schwatzten, scherzten und lachten. Auch Katharina hatte ihren Gleichmuth wieder gewonnen, wo Frauen und Mädchen unsrer Zeit den ihrigen am ersten verlieren – in der Küche nämlich und in der Oberaufsicht der Hausangelegenheiten, worin sie ihres Gleichen suchte. Ich zweifle sehr, ob das Lesen Seneka's in gleichem Zeitraume in demselben Grade ihr Gemüth beruhigt haben würde.

Die alte Dorothee setzte sich an das Tischende, wie es in jener Zeit Sitte war; und die beiden Männer waren so sehr eingenommen von ihrer eigenen Unterhaltung (und Katharina entweder mit der Beobachtung derselben oder ihren eigenen Beobachtungen so sehr beschäftigt), daß die alte Frau die Erste war, die des jungen Conachar Abwesenheit bemerkte.

»Es ist wahr,« sagte der Meister Glover; »geh' und ruf' ihn, den müßigen Hochlandsburschen. Man sah ihn während des Kampfes in letzter Nacht nicht, wenigstens ich nicht. Bemerkte ihn Jemand?« Die Antwort war verneinend; und Harry bemerkte darauf: –

»Es gibt Zeiten, wo die Hochländer versteckt sein können, wie ihr eigenes Rothwild, – ja, und auch vor der Gefahr ebenso schnell davonlaufen. Ich habe sie schon selber also thun sehen.« »Und es gibt Zeiten,« erwiderte Simon, »wo König Arthur und seine Tafelrunde ihnen nicht Stand halten könnten. Ich wünsche, Harry, Ihr sprächt etwas ehrerbietiger von den Hochländern. Sie sind oft in Perth, theils einzeln, theils zahlreich, und Ihr solltet Frieden mit ihnen halten, so lange sie Frieden mit Euch halten wollen.«

Eine trotzige Antwort schwebte auf Harry's Lippen, aber er unterdrückte sie klüglich.

»Ei, du weißt, Vater,« sagte er lächelnd, »daß wir Handwerker die Leute am liebsten haben, von denen wir leben; nun ist mein Handwerk, für die edeln Ritter, Knappen, Edelknechte und Andere zu arbeiten, die die Waffen, welche ich fertige, führen; natürlich ist's daher, daß ich die Ruthvens, die Lindsays, die Ogilvys, die Oliphants und so viele andere unserer tapfern, edlen Nachbarn, die in meinen Rüstungen gehen wie ebenso viele Paladine, dem hochländischen nackten Gesindel vorziehe, das uns nur zu schaden sucht, um so mehr, da in jedem Clan nicht fünf sind, die einen verrosteten Waffenrock haben, so alt als ihr Brattach (Banner); und der ist nur das Werk eines ungeschickten Schmieds aus ihrem Stamme, der nicht zu unserer ehrsamen Zunft gehört und auf seinen Ambos drauf los hämmert, wie vor ihm sein Vater. Ich sage, solche Leute kann ein ehrsamer Handwerker nicht mit günstigen Augen betrachten.«

»Gut, gut,« antwortete Simon; »ich bitte dich, laß gerade jetzt die Sache ruhen, denn da kommt der saumselige Bursche; und obwohl es ein Feiertagsmorgen ist, so mag ich doch keine blutigen Puddings mehr.«

Der Jüngling trat ein. Sein Gesicht war bleich, seine Augen roth, und sein ganzes Wesen zeigte eine große Unruhe. Er setzte sich an das untere Ende des Tisches, Dorothee gegenüber und bekreuzte sich, als schickte er sich an, sein Frühmahl zu nehmen. Da er sich selber nichts vorlegte, bot ihm Katharina einen Teller, worauf einige der Kuchen lagen, die so allgemein gelobt worden waren. Anfangs wies er ihre Gefälligkeit mißmuthig zurück; als sie aber ihr Anerbieten mit gutmüthigem Lächeln wiederholte, nahm er einen Kuchen in die Hand, zerbrach ihn und war im Begriff, einen Bissen zu essen, als ihm der Versuch zu peinlich zu werden schien, und er wiederholte ihn nicht noch ein Mal.

»Ihr habt schlechten Appetit zu einem heiligen Valentinsmorgen,« sagte der gutgelaunte Meister; »und müßt Ihr, denk' ich, in letzter Nacht recht fest geschlafen haben, da Ihr, wie's scheint, von dem Lärm des Gefechts nicht gestört wurdet. Nun, ich dachte, ein munterer Hochländer müßte an seines Meisters Seite mit dem Dolch in der Hand stehen beim ersten Rufe der Gefahr, der sich eine Meile in der Runde erhebt.«

»Ich hörte nur einen unbestimmten Lärm,« sagte der Jüngling, während sein Gesicht plötzlich wie eine glühende Kohle flammte, »und ich nahm ihn für das Geschrei einiger lustiger Nachtschwärmer; und solcher Thorheit wegen darf ich nach Eurem Geheiß weder Thür noch Fenster öffnen, oder das Haus beunruhigen.«

»Gut, gut,« sagte Simon. »Ich dachte, ein Hochländer müßte den Unterschied zwischen Schwerterklirren und Harfenklängen, zwischen Kriegsgeschrei und Freudenrufe besser kennen. Aber laß es sein, Bursche; ich bin froh, daß du deine händelsüchtigen Sitten verlierst. Iß dein Frühstück, denn ich habe ein Geschäft für dich, was Eile erfordert.«

»Ich habe schon gefrühstückt und bin selber sehr eilig. Ich will nach den Bergen. – Habt Ihr eine Botschaft an meinen Vater?«

»Nein,« erwiderte der Handschuhmacher etwas überrascht; »aber bist du bei Sinnen, Bursche? oder welche Rache führt dich von der Stadt weg, gleich der Schwinge eines Wirbelwindes?«

»Mein Auftrag ist plötzlich gekommen,« sagte Conachar, mit Mühe sprechend; ob aber wegen der zögernden Verlegenheit, mit welcher man eine fremde Sprache redet, oder ob aus anderem Grunde, ließ sich nicht leicht unterscheiden. «Es soll eine Versammlung stattfinden – eine große Jagd.« – – Er hielt inne.

»Und wann wirst du von dieser prächtigen Jagd zurückkehren?« sagte sein Meister; »das heißt, wenn ich mir erlauben darf, zu fragen.«

»Ich kann nicht bestimmt antworten,« erwiderte der Lehrling. »Vielleicht nie – wenn dies meinem Vater gefällt,« – fuhr Conachar mit angenommenem Gleichmuth fort.

»Ich glaubte,« sagte Simon Glover ziemlich ernst, »daß alles dies bei Seite gelegt sein würde, als ich dich auf ernstliches Zureden in mein Haus nahm. Ich dachte, wenn ich es unternähme, was sehr ungern geschah, dich ein ehrlich Gewerbe zu lehren, wir würden nichts mehr von Jagen, oder Streitereien, oder Clanversammlungen und dergleichen Dingen hören?«

»Man befragte mich nicht, als man mich hierherschickte,« sagte der Bursche hochmüthig. »Ich weiß nicht, welches die Bedingungen waren.«

»Aber ich kann Euch sagen, Sir Conachar,« sagte der Handschuhmacher unwillig, «daß das keine ehrbare Art ist, wenn du dich einem ehrsamen Handwerker verdingtest und ihm mehr Felle verdarbst, als dein eigenes werth ist; und jetzt, nachdem du so weit bist, von einigem Nutzen zu sein, nach Belieben über deine Zeit verfügst, als wäre sie dein und nicht deines Meisters Eigenthum.«

»Darüber rechnet mit meinem Vater ab,« antwortete Conachar; »er wird Euch genügend bezahlen – ein französisch Lamm (eine Goldmünze) für jedes Fell, was ich Euch verdarb, und eine fette Kuh oder einen Stier für jeden Tag, wo ich abwesend war.«

»Macht's fertig mit ihm, Freund Glover – macht's fertig,« sagte der Waffenschmied trocken. »Du wirst wenigstens genügend, wenn auch nicht ehrlich bezahlt werden. Ich möchte gar gern wissen, wie viel Beutel geleert werden mußten, um den bocksledernen Sporran (die Hochländertasche) zu füllen, der Euch sein Geld so freigebig spendet, und von welchen Weiden die Ochsen stammen, die Euch von den Grampischen Bergschluchten geschickt werden sollen.«

»Ihr erinnert mich, Freund,« sagte der hochländische Jüngling, sich übermüthig an den Schmied wendend, »daß ich auch mit Euch eine Rechnung abzumachen habe.«

»Einen Schritt vom Leibe dann,« sagte Harry, seinen nervigen Arm ausstreckend, – »ich will nichts mehr mit dir zu schaffen haben – keine Geschichten mehr wie letzte Nacht. Mich kümmert ein Wespenstich wenig, aber ich mag mir das Insekt nicht nahe kommen lassen, wenn ich seine Nähe weiß.«

Conachar lächelte verächtlich. »Ich wollte dir nichts zu Leide thun,« sagte er. »Meines Vaters Sohn that dir nur zu viel Ehre, solch gemeines Blut zu vergießen. Ich will Euch für jeden Tropfen zahlen, damit es trockne und mir die Finger nicht länger besudle.«

»Ruhe, du prahlerischer Affe!« sagte der Schmied; »das Blut eines ächten Mannes läßt sich nicht nach Gold abschätzen. Die einzige Sühne würde sein, daß du eine Meile weit ins Niederland herabkämst mit zwei der stärksten Raufbolde deines Clans; und während ich sie ausbläute, wollt' ich dich der Züchtigung meines Lehrlings, des kleinen Janklin, überlassen.«

Hier mischte sich Katharina ein. »Friede,« sagte sie, »mein wackerer Valentin, dem ich zu befehlen ein Recht habe; und auch Ihr haltet Friede, Conachar, der Ihr mir, als der Tochter Eures Meisters, gehorchen solltet. Es ist übel gethan, am Morgen das Schlimme wieder zu wecken, was in der Nacht in Schlaf gebracht war.«

»So lebt denn wohl, Meister,« sagte Conachar, nachdem er den Schmied noch einmal voll Hohn angesehen, worauf der Letztere mit Lachen antwortete. »Lebt wohl! und ich dank' Euch für Eure Freundlichkeit, die größer war, als ich verdiente. Schien ich manchmal minder dankbar zu sein, so waren die Umstände schuld und nicht mein Wille. Katharine« – er warf auf das Mädchen einen Blick, der tiefe Aufregung verrieth und mannigfache Empfindungen zeigte. Er zögerte, als wollte er etwas sagen, und endlich wandte er sich ab mit dem einzigen Worte: »Lebt wohl!« Fünf Minuten später ging er mit Hochländerstiefeln an den Füßen und einem kleinen Bündel in der Hand zum nördlichen Thore von Perth hinaus und schlug den Weg nach den Hochlanden ein.

»Dort geht Bettelwesen und Stolz genug für einen ganzen Hochländerclan,« sagte Harry. »Er spricht so gleichgültig von Goldstücken, wie ich es von Silberpfennigen könnte, und doch will ich schwören, daß der Daum von seiner Mutter gewirktem Handschuh den Schatz des ganzen Clans fassen könnte.«

»Wohl möglich,« sagte der Handschuhmacher, über den Gedanken lachend; »seine Mutter war ein starkknochiges Weib, besonders in Fingern und Handgelenk.«

»Und was das Vieh betrifft,« fuhr Harry fort, »so denk' ich, sein Vater und die Brüder stehlen gelegentlich nach einander die Schafe.«

»Je weniger wir von ihnen reden, umso besser,« sagte der Handschuhmacher, wieder ernst werdend. »Brüder hat er nicht; sein Vater ist ein gewaltiger Mann – hat lange Arme – reicht so weit er kann, und hört auch so weit, daß es nicht nützlich ist, von ihm zu sprechen.«

»Und doch hat er seinen einzigen Sohn in die Lehre zu einem Handschuhmacher in Perth verdungen?« sagte Harry. »Ei, ich sollte denken, das edle Gewerbe St. Crispins, wie man's nennt, hätte besser für ihn gepaßt; und wenn der Sohn eines großen Mac oder O ein Künstler werden sollte, so konnt' er's blos in dem Geschäfte, worin ihm Fürsten ein Beispiel geben.«

Diese, obwohl ironische Bemerkung machte bei unserm Freund Simon das Gefühl der Würde seines Berufs rege, wodurch sich die Handwerker jener Zeit charakteristisch auszeichneten.

»Ihr irrt, Sohn Harry,« erwiderte er mit großem Ernst; »die Handschuhmacher haben die ehrenvollere Zunft von beiden, weil sie für die Bequemlichkeit der Hände sorgen, während die Schuhmacher nur für die Füße arbeiten.«

»Beide sind gleich nothwendige Glieder des menschlichen Körpers,« sagte Harry, dessen Vater ein Schuster gewesen.

»Es mag so sein, mein Sohn,« sagte der Handschuhmacher; »aber beide sind nicht gleich ehrenvolle Gewerbe. Bedenkt, daß wir die Hände als Pfänder der Freundschaft und Treue brauchen, während die Füße kein solches Vorrecht haben. Brave Männer fechten mit ihren Händen, – Feiglinge brauchen ihre Füße zur Flucht. Ein Handschuh wird hoch getragen, einen Schuh tritt man in den Koth; – ein Mann grüßt seinen Freund mit der Hand; er verachtet aber einen Hund, oder einen, den er dem Hunde gleichstellt, mit einem Fußtritt. Ein Handschuh auf der Spitze eines Speers ist Zeichen und Pfand der Treue für die ganze weite Welt, wie ein niedergeworfener Handschuh das Zeichen ritterlichen Kampfes gibt; dagegen weiß ich keine andere Bedeutung für einen alten Schuh, außer etwa, daß manche Weiber ihn hinter einem Manne dreinwerfen, um ihm Glück zu bringen, ein Kunstgriff, für welchen ich in der That wenig Vertrauen hege.«

»Wahrhaftig,« sagte der Schmied, unterhalten durch seines Freundes beredte Abhandlung über die Würde seines Handwerks, »ich bin nicht der Mann, darauf verlaßt Euch, der die Handschuhmacherzunft verachtet. Bedenkt, daß ich selber Blechhandschuhe mache. Aber die Würde Eures alten Gewerbes beseitigt meine Verwunderung nicht, daß der Vater dieses Conachar litt, daß sein Sohn die Kunst irgend eines Handwerkers aus dem Niederland lernte, da sie uns ja doch allesammt tief unter ihrem hohen Range halten, als wären wir ein Volk verächtlicher Taglöhner, unwürdig eines andern Schicksals, als übel behandelt und geplündert zu werden, so oft diese ohnehosigen Dunniewassals sichere Gelegenheit dazu sehen.« »Ja,« antwortete der Handschuhmacher, »aber es waren gewichtige Gründe für – für« – er hielt Etwas zurück, was auf seinen Lippen zu schweben schien, und fuhr fort: »für Conachars Vater vorhanden, also zu thun. – Nun, ich habe redliches Spiel mit ihm gehalten, und ich zweifle nicht, daß er sich auch ehrenhaft gegen mich benehmen wird. – Aber Conachars plötzlicher Abschied kommt mir etwas ungelegen. Er hatte gewisse Dinge zu besorgen. Ich muß in der Werkstätte nachsehen.«

»Kann ich Euch helfen, Vater?« sagte Harry Gow, durch das ernste Benehmen seines Freundes getäuscht.

»Ihr? nein« – sagte Simon mit einem trockenen Tone, welcher Harry die Einfalt seines Anerbietens so fühlbar machte, daß er bis unter die Stirn über seinen eigenen Stumpfsinn erröthete, in einer Sache, wo ihn die Liebe so leicht sein eignes Verfahren hätte errathen lassen sollen. »Du, Katharina,« sagte der Handschuhmacher, als er das Gemach verließ, »wirst deinen Valentin einige Minuten lang unterhalten und dafür sorgen, daß er nicht geht, bevor ich zurückgekehrt bin. – Komm mit mir, alte Dorothee, und rege deine Beine zu meinem Beistand.«

Er verließ das Gemach und die Alte folgte ihm; Harry aber blieb bei Katharina ganz allein, fast zum ersten Mal in seinem Leben. Es fand eine Verlegenheit auf Seiten des Mädchens und eine Unbeholfenheit auf Seiten des Liebhabers statt, die wohl eine Minute währte; da rief Harry seinen Muth zusammen, zog die Handschuhe, womit ihn Simon versehen, aus seiner Tasche, und bat sie um Erlaubniß, daß Jemand, der diesen Morgen so schön begrüßt worden, die übliche Buße zahlen dürfte dafür, daß er in einem Augenblicke geschlafen, wo er den Schlummer eines ganzen Jahres darum gegeben hätte, eine einzige Minute wach zu sein.

»Ach, aber die Erfüllung meines St. Valentinsrechts,« sagte Katharina, »bedingt keine solche Buße, wie Ihr zu zahlen wünscht, und ich kann daher nicht daran denken, sie anzunehmen.«

»Diese Handschuhe,« sagte Harry, seinen Stuhl, während er sprach, Katharinen näher rückend, »wurden von Händen gefertigt, die Euch die theuersten sind; und seht, sie passen ganz für Euch.« Er breitete sie aus, während er sprach, und nahm ihren Arm in seine starke Hand, indem er die Handschuhe daran hielt, zu zeigen, wie schön sie paßten. »Seht diesen runden Arm,« sagte er, »seht diese kleinen Finger; denkt, wer diese Säume von Seide und Gold nähete, und bedenkt, ob der Handschuh und der Arm. welchem allein der Handschuh passen kann, getrennt bleiben sollen, weil der arme Handschuh das Mißgeschick hat, eine Minute im Besitz einer Hand gewesen zu sein, die so schwarz und rauh ist, wie die meine.«

»Sie sind willkommen, da sie von meinem Vater kommen,« sagte Katharina; »und gewiß nicht minder, da sie von meinem Freunde kommen (auf dieses Wort legte sie einen Nachdruck), der mein Valentin und mein Beschützer ist.«

»Laßt mich sie Euch anlegen,« sagte der Schmied, noch näher an ihre Seite rückend. »Sie mögen anfangs ein wenig knapp scheinen und Ihr werdet einige Hilfe brauchen.«

»Ihr seid geschickt in Eurem Beistand,« guter Harry Gow,« sagte das Mädchen lächelnd, zu gleicher Zeit aber sich weiter von dem Liebhaber entfernend.

»Wahrhaftig, nein,« sagte Harry, den Kopf schüttelnd, »meine Erfahrung beschränkt sich darauf, geharnischten Rittern Blechhandschuhe anzuziehen, weniger aber, Jungfrauen gestickte Handschuhe anzupassen.«

»So will ich Euch nicht weiter bemühen und Dorothee soll mir helfen – obwohl keine Hilfe vonnöthen ist – meines Vaters Augen und Finger sind zuverlässig in seiner Kunst; welche Arbeit durch seine Hände geht, entspricht immer genau dem Maße.«

»Laßt mich davon überzeugt werden,« sagte der Schmied; »laßt mich sehen, daß diese niedlichen Handschuhe genau zu den Händen passen, für die sie gemacht sind.«

»Ein andermal, guter Heinrich,« antwortete das Mädchen. »Ich will die Handschuhe zu Ehren St. Valentins tragen und ebenso zu Ehren des Freundes, den er mir für das Jahr gesendet hat. Ich wünschte beim Himmel, ich könnte meinem Vater in wichtigern Angelegenheiten zu Willen sein – gegenwärtig vermehrt der Duft des Leders mir das Kopfweh, welches ich seit dem Morgen habe.«

»Kopfweh, theuerstes Mädchen?« wiederholte ihr Liebhaber.

»Wollt Ihr es Herzweh nennen, so werdet Ihr nicht Unrecht haben,« sagte Katharina mit einem Seufzer, und fuhr in einem sehr ernsten Tone zu sprechen fort. »Harry,« sagte sie, »vielleicht werde ich jetzt so kühn sein, als ich Euch diesen Morgen mich zu zeigen schien, denn ich beginne von einer Sache mit Euch zu reden, in der ich zuerst Euch hören und dann antworten sollte. Nach dem aber, was diesen Morgen geschehen ist, kann ich nicht umhin, mich zu erklären, wie ich gegen Euch gesinnt bin, ohne Gefahr zu laufen, daß Ihr mich mißverstehen möchtet. Nein, antwortet mir nicht, bis Ihr mich gehört habt. Ihr seid brav, Harry, mehr als die meisten Männer, ehrbar und zuverlässig, wie der Stahl, in dem Ihr arbeitet –«

»Haltet, haltet ein, Katharina, um des Himmels Willen! Ihr sagtet in Betreff meiner nie so viel Gutes, außer um einen bittern Tadel einzuleiten, dessen Herold Euer Lob war. Ich bin ehrlich u. s. w. wolltet Ihr sagen, aber ein hitzköpfiger Händelsucher, ein gemeiner Klopffechter und Raufbold.«

»Ich würde sowohl mich als Euch beleidigen, wollt' ich Euch so nennen. Nein, Harry, keinem gemeinen Raufbold, und trüg' er eine Feder auf der Mütze und goldene Sporen an den Fersen, würde Katharina Glover je die kleine Gunst erwiesen haben, die sie Euch heute freiwillig bot. Hab' ich auch manchmal ernstlich gerügt, daß Euer Sinn zum Zorn, Eure Hand zum Kampfe geneigt ist, so wollte ich damit im glücklichen Falle bewirken, daß Ihr die Sünden der Eitelkeit und leidenschaftlichen Hitze, deren Ihr Euch allzuleicht hingebt, hassen solltet. Ich sprach von diesem Gegenstande mehr, um Euer Gewissen anzuregen, als um meine Meinung auszusprechen. Ich weiß so gut als mein Vater, daß man in diesen unheilvollen, unruhigen Zeiten auf die Sitten unserer und selbst aller christlichen Völker sich berufen kann, um die Gewohnheit zu entschuldigen, von der unbedeutendsten Kleinigkeit Anlaß zu blutigem Streit zu nehmen, für die kleinste Kränkung sich furchtbar zu rächen, und sich der Ehre, oft der bloßen Ergötzlichkeit wegen einander den Hals zu brechen. Doch weiß ich auch, daß dies eben so viel Uebertretungen sind, wofür wir einst vor Gericht gezogen werden, und ich möchte Euch, mein tapferer, edler Freund, überzeugen, daß Ihr öfter dem Rathe Eures guten Herzens folgen und auf die Stärke und Gewandtheit Eures erbarmenlosen Armes minder stolz sein solltet.«

»Ich bin – ich bin überzeugt, Katharina,« rief Harry aus; »deine Worte sollen fortan Gesetz für mich sein. Ich habe genug gethan, nur allzuviel, in der That, um meine Körperstärke und meinen Muth zu bewähren. Von Euch allein jedoch, Katharina, kann ich lernen besser zu denken. Bedenkt, meine schönste Valentine, daß mein Ehrgeiz, mich durch Waffenthaten auszuzeichnen, und mein kampflustiger Sinn, wenn ich so sagen darf, gegen meine Vernunft und meinen sanfteren Charakter nicht mit gleichen Waffen streiten; sie werden durch Ursachen, die mir unbekannt sind, geweckt und ermuthigt. Entsteht ein Streit, und ich soll, wie Ihr rathet, mich nicht darein mengen, – glaubt Ihr dann, es stehe mir frei, zwischen Krieg und Frieden zu wählen? Nein, bei der heiligen Maria! hundert Stimmen erheben sich ringsum, mich anzufeuern. »Was, Schmied! ist deine Klinge rostig?« sagt der Eine. »Harry Gow will diesen Morgen nichts von Händeln hören,« fügt ein Zweiter hinzu. »Schlage dich für die Ehre Perths,« sagt Mylord, der Profoß. »Harry nimmt's mit Allen auf, und ich wette einen Rosenobel für ihn' sagt vielleicht Euer Vater selber. Was soll nun ein armer Schelm, wie ich, thun, Katharina, wenn ihm so alle Welt in des Teufels Namen zusetzt, und auf der andern Seite keine Seele ist, die ihm nur ein Wort entgegensetzte?«

»Nun, ich weiß, daß der Teufel Gehilfen genug hat, um seine Werke auszubreiten,« sagte Katharina; »aber es ist unsere Pflicht, seinen eiteln Gründen zu widerstehen, obwohl sie selbst von denjenigen vorgebracht werden mögen, denen wir Liebe und Ehrerbietung schuldig sind.«

»Dann gibt es Minstrels mit ihren Romanzen und Balladen, welche jedes Mannes Ruhm darein setzen, Schläge zu empfangen und auszutheilen. Ihr könnt Euch nicht denken, Katharina, wie viele meiner Sünden der blinde Harry, der Minstrel, zu verantworten hat. Theile ich einen gutgeführten Hieb aus, so geschieht es nicht (St. Johann sei mein Zeuge!) um Jemand zu kränken, sondern nur, um wie William Wallace zu schlagen.«

Des Minstrels Namensvetter sprach dies in einem Tone so reuevollen Ernstes, daß sich Katharina kaum eines Lächelns enthalten konnte; trotzdem aber versicherte sie ihn, daß die Gefährdung seines und des Lebens anderer Menschen keinen Augenblick für so unbedeutende Dinge in Betracht kommen dürfe.«

»Ja, aber,« erwiderte Harry, durch ihr Lächeln kühn gemacht, »mich dünkt nun, die gute Sache des Friedens könne nicht besser gedeihen, als durch einen Verfechter. Denkt Euch z. B., ich könnte, wenn man mich drängt und treibt zu den Waffen zu greifen, ich könnte mich da erinnern, zu Hause einen Schutzengel zu haben, dessen Bild mir ganz leise zuzuflüstern schiene: >Keine Gewalt, Harry, es ist meine Hand, die du mit Blut zu bedecken im Begriff bist. Begib dich in keine unnütze Gefahr, Harry; es ist meine Brust, die du ihr aussetzest.< Solche Gedanken würden mehr Wirkung bei mir thun, als wenn jeder Mönch in Perth mir zuriefe: »Halt' die Hand zurück, bei Strafe des Kirchenbannes.«

»Wenn eine Warnung der Art durch die Stimme schwesterlicher Freundschaft in dem Streite Gewicht haben kann,« sagte Katharina, »so denkt, daß Ihr im Streite diese Hand mit Blut färbt; daß, wenn Ihr Wunden empfangt, dies Herz verletzt wird.«

Den Schmied ermuthigte der wirklich zärtliche Ton, in welchem diese Worte gesprochen wurden.

»Und warum erstreckt Ihr Eure Theilnahme nicht um einen Grad über diese kalten Schranken hinaus? Warum, wenn Ihr so freundlich und großmüthig seid, zu bekennen, daß Ihr an dem armen unwissenden Sünder, der vor Euch steht, einigen Antheil nehmt, warum nehmt Ihr ihn dann nicht zugleich zu Eurem Schüler und Gatten an? Euer Vater wünscht es, die Stadt erwartet es; Handschuhmacher und Schmiede bereiten ihre Lustbarkeiten vor; und Ihr, blos Ihr, deren Worte so schön und freundlich sind, Ihr wollt Eure Zustimmung nicht geben!«

»Harry,« sagte Katharina mit leiser und zitternder Stimme, »glaubt mir, ich sollte es für Pflicht halten, meines Vaters Befehle zu befolgen, wären nicht unüberwindliche Hindernisse gegen das Bündniß, welches er beabsichtigt.«

»Aber erwägt – erwägt nur einen Augenblick. Ich habe wenig für mich selbst zu sagen im Vergleich zu Euch, die Ihr lesen und schreiben könnt. Aber dann wünschte ich lesen zu hören, und könnte Eurer süßen Stimme ewig lauschen. Ihr liebt die Musik, und ich lernte die Harfe spielen und singen, gleich andern Minstrels. Es macht Euch Vergnügen, mildthätig zu sein; ich habe die Mittel zu geben, ohne Gefahr mich zu entblößen; ich könnte täglich eben so viel Almosen geben, als ein Almosenpfleger gibt, ohne daß ich Etwas entbehrte. Euer Vater wird alt und kann nicht mehr arbeiten, wie seither; er könnte bei uns wohnen, denn ich betrachte ihn ganz als meinen Vater. Vor allen leichtsinnigen Händeln würd' ich mich ebenso hüten, wie davor, meine Hände in den Ofen zu stecken, und fiel es einem ein, uns anzugreifen, so würde er seine Waaren auf einen schlechtgewählten Markt bringen.«

»Mögt Ihr all das häusliche Glück erfahren, welches Ihr Euch vorstellen könnt, Harry, – aber mit einer Glücklichern, als ich bin.«

So sagte, oder vielmehr so schluchzte das schöne Mädchen von Perth, die zu ersticken schien in dem Versuche, ihre Thränen zurückzuhalten.

»Ihr haßt mich also?« sagte der Liebhaber nach einer Pause.

»Der Himmel sei mein Zeuge, nein!«

»Oder liebt Ihr einen Andern, Bessern?«

»Es ist grausam, zu fragen, was zu wissen Euch nicht nützen kann. Ihr seid aber ganz im Irrthum.«

»Jene wilde Katze, Conachar, vielleicht?« sagte Harry. »Ich habe seine Blicke beobachtet.«

»Ihr bedient Euch dieser peinlichen Lage, mich zu höhnen, Harry, obwohl ich es wenig verdient habe. Conachar gilt mir nichts mehr, als der Versuch, sein wildes Gemüth durch Unterweisung zu zähmen, mich veranlassen konnte, einigen Antheil an einer Seele zu nehmen, welche voll von Vorurtheilen und Leidenschaften war, und darin, Harry, Eurer eigenen glich.«

»Dann muß es einer von den glänzenden Seidenwürmern vom Hofe sein,« sagte der Waffenschmied, dessen natürliche Gemüthshitze Täuschung und Ungewißheit entzündete; »einer von denen, welche glauben, sie müssen mit ihren langen Federn und glänzenden goldenen Sporen Alles gewinnen. Ich möchte ihn wohl kennen, der seine gewöhnlichen Genossinnen, die geschminkten, duftenden Hofdamen verläßt und schlichten Bürgermädchen nachläuft. Ich möchte seinen Namen und Beinamen wissen.«

»Harry Schmied,« sagte Katharina, die Schwäche bezwingend, die sie für einen Augenblick zu überwältigen drohte, »dies ist die Sprache eines undankbaren Thoren, oder vielmehr eines Rasenden. Ich sagte Euch schon beim Beginn unseres Gesprächs, daß ich von Niemand eine höhere Meinung habe, als von dem, der nur mit jedem Worte, das er im Tone ungerechten Verdachts und grundlosen Zornes ausspricht, in meiner Achtung verliert. Ihr hattet nicht einmal das Recht, das zu erfahren, was ich Euch sagte, und ich bitt' Euch zu beachten, daß meine Gespräche Euch zu der Meinung kein Recht geben dürfen, daß ich Euch vor Andern bevorzuge, obwohl ich gestehe, daß ich keinen über Euch stelle. Es genüge Euch zu wissen, daß Euren Wünschen ein unbezwingliches Hinderniß im Wege steht, wie wenn ein Zauberer mein Schicksal gebunden hätte.«

»Zauber wird gebrochen durch tüchtige Männer,« sagte der Schmied. »Ich wollte, es käme darauf an. Thorbiorn, der dänische Waffenschmied, sprach von einem Zauber, den er bei Fertigung von Brustharnischen anwende, indem er ein gewisses Lied singe, während das Eisen glüht. Ich sagte ihm, diese Runenverse wären kein Schutz gegen die Waffen, die man bei Loncarty führte – was weiter dabei vorkam, ist unnütz zu sagen; – aber der Harnisch und sein Träger, und der Arzt, der ihm die Wunde heilte, wissen, ob Harry Gow Zauber brechen kann oder nicht.«

Katharina sah ihn an, als wollte sie zur Antwort eine kleine Mißbilligung der That, die er gewagt, geben, indem der tapfere Schmied sich nicht erinnert hatte, daß er sich damit immer ihren Tadel zuzog. Aber ehe sie ihren Gedanken Worte leihen konnte, steckte ihr Vater seinen Kopf durch die Thür.

»Harry,« sagte er, »ich muß Eure angenehmen Angelegenheiten unterbrechen und Euch bitten, eilig in mein Arbeitszimmer zu kommen, um Euch über gewisse Dinge zu Rathe zu ziehen, die das Wohl der Stadt sehr nahe angehen.«

Harry verließ, sich von Katharina verabschiedend, auf ihres Vaters Ruf das Gemach. Gewiß war es für ihr künftiges freundschafliches Verhältniß günstig, daß sie jetzt schieden, bei einer Wendung, welche das Gespräch wahrscheinlich hätte nehmen müssen. Denn wie der Werber begonnen hatte, die Weigerung des Mädchens für launenhaft und unerklärlich zu halten nach jener Ermuthigung, die sie, wie er glaubte, gewährt hatte, so betrachtete Katharina ihrerseits ihn vielmehr als Einen, der die bewiesene Gunst mißbrauche, denn als einen Mann, dessen Zartgefühl ihn solcher Gunst würdig mache.

Aber es lebte in Beider Busen eine wechselseitige Zuneigung, welche am Schlusse des Streites gewiß wieder erwachen und das Mädchen veranlassen mußte, die Verletzung ihres Zartgefühls, so wie den Liebhaber, seine verschmähte Wärme der Leidenschaft zu vergessen.

Siebentes Kapitel

Der Streit läßt künftig einmal Blut vergießen.


Heinrich IV., erster Theil.

Das Conclave der Bürger, die sich versammeln wollten, um den Anlauf der vorigen Nacht zu erforschen, war nun beisammen. Das Arbeitszimmer Simon Glovers war gedrängt gefüllt von Personen bedeutenden Ansehens, deren einige schwarze Sammtkleider und goldene Ketten am Halse trugen. Sie waren allerdings die Väter der Stadt, und es befanden sich Bailie's und Stadtvögte in ihrer Mitte. Es lagerte eine erzürnte, beleidigte und gewichtige Miene auf jeder Stirn, während sie sich flüsternd, theils laut, oder paarweise besprachen. Der Geschäftigste unter den Geschäftigen, der kleine bedeutende Helfer in voriger Nacht, Oliver Proudfute mit Namen und Strumpfwirker seines Gewerbes, fuhr unter der Menge hin und her, ganz nach der Weise einer Seemöve, die am meisten flattert und schreit beim Beginn des Sturmes, obwohl sich kaum begreifen läßt, was der Vogel Besseres zu thun haben könnte, als in sein Nest zu fliegen und ruhig zu bleiben, bis der Sturm vorbei ist.

Sei dem wie ihm wolle, Meister Proudfute befand sich mitten unter der Versammlung, seine Finger an eines Jeden Rockknopf und seinen Mund an Jedermanns Ohr, indem er die umfaßte, die von gleicher Größe mit ihm waren, um seine Gedanken vertraulicher und geheimnißvoller zu äußern; dann stand er wieder auf den Zehen und bediente sich des Mantelkragens langer Leute, um ihnen ebenfalls seine Mittheilungen auf diese Art zufließen zu lassen. Er fühlte sich selber als einen Helden in der Angelegenheit voll Bewußtsein der Würde höherer Kenntniß der Sache, weil er Augenzeuge gewesen, und so war er sehr geneigt, den Antheil, den er dabei gehabt, über die Grenzen der Bescheidenheit und Wahrheit etwas auszudehnen. Man kann nicht sagen, daß seine Mittheilungen von Wichtigkeit und Werth gewesen wären, indem sie hauptsächlich aus Versicherungen bestanden, wie folgende:

»Es ist Alles wahr, bei St. John. Ich war dabei und sah es selber – war der Erste, der auf den Lärm herbeieilte; und wär' ich und ein zweiter wackerer Bursche nicht gewesen, der zugleich anlangte, so hätten sie Simon Glover die Hausthür eingerannt, ihm die Kehle abgeschnitten und seine Tochter in die Gebirge fortgeschleppt. Es ist ein zu arges Verfahren – kann nicht geduldet werden, Nachbar Crookschank, – nicht ertragen, Nachbar Glas – ist nicht auszuhalten, Nachbar Balneaves, Rollock und Chrysteson. Es war ein Glück, daß ich und der tapfere Mensch dazu kam – nicht wahr, Nachbar und würdiger Bailie Craigdallie?«

Diese Reden wurden von dem geschäftigen Strumpfwirker in verschiedene Ohren gestreut. Bailie Craigdallie, ein gewichtiger Zunftgenosse, derselbe, der gerathen hatte, die Berathung über den Vorfall in der Nacht auf diese Zeit und diesen Ort zu verschieben, ein großer, dicker, freundlicher Mann, befreite sich von der Hand des Zunftmeisters, der sich an seinem Mantelkragen festgekrallt hatte, fast auf gleiche Weise, wie ein muthiges Pferd die quälende Bremse abschüttelt, die es zehn Minuten plagte, und rief aus: »Stille, ihr guten Bürger; hier kommt Simon Glover, in welchem kein Mensch jemals Falschheit entdeckte. Wir werden die Unbilde aus seinem eigenen Munde erfahren.«

Simon, der sich aufgefordert sah, seine Geschichte zu erzählen, that dies mit sichtbarer Verlegenheit, die er einem Widerstreben zuschrieb, daß die Stadt seinetwegen in tödtliche Fehde mit Jemand gerathen könne. Es war, so sagte er, ein Maskenstreich von Seiten der jungen Ritter am Hofe, und das Schlimmste, was dabei herauskommen möchte, sei, daß er Eisenstangen an seiner Tochter Fenster setzen werde, um ein ähnliches Possenspiel zu hindern.

»Nun, wenn dies eine bloße Mummerei war,« sagte Craigdallie, »hat unser Mitbürger, Harry vom Wynd, sehr unrecht gethan, eines Edelmanns Hand wegen so harmlosen Scherzes abzuhauen, und die Stadt kann schwerer Buße dafür verfallen, wenn wir den Verstümmler nicht in Gewahrsam nehmen.«

»Unsere liebe Frau verhüte das!« sagte der Handschuhmacher. »Wüßtet ihr, was ich weiß, so würdet ihr euch so sehr scheuen, euch in diese Sache zu mengen, als wär's glühend Eisen. Aber da ihr die Finger durchaus in's Feuer stecken wollt, so mag die Wahrheit gesagt werden. Und komme, was da wolle, so muß ich sagen, daß die Sache für mich und die Meinigen hätte sehr schlimm ablaufen können, wäre Harry Gow, der Waffenschmied, den ihr Alle kennt, nicht mit gelegener Hilfe gekommen.«

»Und meine fehlte auch nicht,« sagte Oliver Proudfute, »obwohl ich gestehe, daß ich kein so ganz ausnehmender Fechter bin, wie unser Nachbar Harry Gow. – Ihr saht mich, Nachbar Glover, beim Anfang des Lärmes?«

»Ich sah Euch nach dem Ende desselben, Nachbar,« antwortete der Handschuhmacher trocken.

»Freilich, freilich; ich vergaß, daß Ihr in Eurem Hause wart, als die Hiebe begannen, und Ihr konntet nicht sehen, wer sie austheilte.«

»Still, Nachbar Proudfute; ich bitt' Euch, still,« sagte Craigdallie, den das ewige Geschrei des würdigen Zunftmeisters sichtbar ermüdete.

»Es ist etwas Geheimnißvolles dabei,« sagte der Bailie; »aber mich dünkt, ich komme dahinter. Unser Freund Simon ist, wie euch Allen bekannt, ein friedlicher Mann, einer, der sich lieber ein Unrecht anthun läßt, eh' er einen Freund oder eine ganze Nachbarschaft in Gefahr bringt, ihn zu rächen. Du, Harry, der du nie fehlst, wo die Stadt einen Vertheidiger braucht, sag' uns, was du von der Sache weißt.«

Unser Schmied erzählte seine Geschichte auf dieselbe Weise, wie wir sie bereits kennen; und der geschäftige Strumpfwirker setzte wie vorher hinzu: »Und du sahst mich dabei, ehrlicher Schmied, nicht wahr?«

»Ich wahrhaftig nicht, Nachbar,« antwortete Harry; »aber Ihr seid ein kleiner Mann, wie Ihr wißt, und ich kann Euch übersehen haben.«

Diese Antwort erregte ein Gelächter auf Oliver's Kosten, welcher mit den Andern lachte, aber mürrisch hinzufügte: »Ich war bei alledem einer der Ersten, die zu Hilfe kamen.«

»Ei, wo warst du denn alsdann, Nachbar?« sagte der Schmied; »denn ich sah dich nicht, und ich hätte den Werth der besten Waffenrüstung, die ich je machte, darum gegeben, einen so tapferen Burschen, wie dich, an meiner Seite zu haben.«

»Ich war aber nicht weit davon, ehrlicher Schmied; und während du Schläge wie auf einen Ambos austheiltest, parirte ich die, welche die übrigen Schurken hinter deinem Rücken gegen dich führten; und aus dem Grunde sahst du mich nicht.«

»Ich habe von Schmieden in alter Zeit gehört, die nur ein Auge hatten,« sagte Harry. »Ich habe zwei, aber sie sitzen mir beide vorn unter der Stirn, und daher konnt' ich nicht hinterrücks sehen, Nachbar.«

»Die Wahrheit ist aber,« beharrte Meister Oliver, »daß ich dabei war, und ich will Meister Bailie meinen Bericht von der Sache geben; denn der Schmied und ich waren die ersten bei dem Lärm.«

»Genug für jetzt,« sagte der Bailie, mit einer zum Schweigen mahnenden Geberde gegen Proudfute. »Die Erklärung Simon Glover's und Harry Gow's würden auch bei einer weniger glaublichen Sache hinreichen. Jetzt, ihr Meister, fragt sich, was wir thun sollen. All' unsere Rechte als Bürger sind verhöhnt und verletzt, und, wie ihr denken könnt, durch einen Mächtigen, denn ein Anderer hätte das nicht gewagt. Es ist hart für Fleisch und Blut, ihr Meister, wenn man sich solche Schmach gefallen lassen muß. Die Gesetze haben uns einen geringern Rang als den Fürsten und Edeln angewiesen; aber es ist gegen die Vernunft zu glauben, wir werden leiden, daß man unsere Häuser stürmt und die Ehre unserer Weiber und Töchter angreift, ohne daß wir Genugthuung suchen.«

»Es läßt sich nicht ertragen!« antworteten die Bürger einmüthig.

Hier legte sich Simon Glover mit sehr besorgter und unheilverkündender Miene in's Mittel. »Ich hoffe noch, es war Alles nicht so böse gemeint, als es uns scheint, meine würdigen Nachbarn; und was mich betrifft, so wollt' ich herzlich gern die Unruhe und Störung verzeihen, die meinem armen Hause widerfahren, wofern sich die schöne Stadt meinetwegen keine Unannehmlichkeit bereitet. Ich bitt' Euch, zu erwägen, welches die Ritter sind, die darüber entscheiden werden. Ich rede unter Nachbarn, Freunden, und also zu offenen Herzen. Der König, Gott segne ihn! ist so geschwächt an Körper und Geist, daß er uns an einen seiner Räthe weisen wird, zu einem großen Herrn, der gerade in Gunst bei ihm steht. – Er schickt uns vielleicht an seinen Bruder, den Herzog von Albany, der unser Gesuch um Schlichtung des Unrechts zum Vorwand nehmen wird, uns Geld abzupressen.«

»Wir wollen keinen Albany zu unserm Richter!« antwortete die Versammlung ebenso einmüthig wie vorher.

»Oder vielleicht,« setzte Simon hinzu, »wird er den Herzog von Rothsay die Sache übernehmen heißen; und der wilde junge Prinz wird die Ungebühr als etwas für seine lustigen Gefährten Passendes und als Stoff für seine Minstrels ansehen.«

»Weg mit Rothsay! er ist zu fröhlich, um unser Richter zu sein,« riefen die Bürger wieder.

Simon, ermuthigt, als er sah, daß er zu dem erwünschten Ziele gelangte, fügte, den gefürchteten Namen jedoch nur halblaut verkündend hinzu: »Würde euch der schwarze Douglas besser zusagen?«

Eine Minute lang erfolgte keine Antwort. Sie sahen einander mit niedergeschlagener Miene und bleichen Lippen an. Harry Schmied aber sprach kühn und mit entschiedenem Tone die Gedanken aus, welche Alle hegten, obwohl ihnen sonst Keiner Worte zu geben wagte: –

»Den schwarzen Douglas als Richter zwischen einem Bürger und einem Herrn, ja, einem Edelmann? ei wahrhaftig! – lieber den schwarzen Teufel aus der Hölle! Ihr seid wahnsinnig, Vater Simon, daß Ihr nur einen so tollen Vorschlag thun könnt.«

Wieder trat eine Stille der Furcht und Ungewißheit ein, welche endlich Bailie Craigdallie unterbrach, der, den Sprecher sehr bedeutsam anblickend, erwiderte: »Ihr verlaßt Euch auf ein tüchtig Unterwams, Nachbar Schmied, sonst würdet Ihr nicht so kühn sprechen.«

»Ich vertraue auf ein gutes Herz unter meinem Wams, wie ich's habe, Bailie,« antwortete der muthige Harry; »und obwohl ich nur wenig spreche, so soll mein Mund doch nimmer von irgend einem Euer Edeln verschlossen werden.«

»Tragt ein dickes Wams, guter Harry, oder sprecht nicht so laut,« wiederholte der Bailie, im nämlichen bedeutsamen Tone. »Es gibt Grenzleute in der Stadt, die das blutige Herz [das wohlbekannte Kennzeichen des Hauses Douglas] auf der Schulter tragen. – Aber Alles dies fruchtet nichts. Was sollen wir thun?«

»Kurze Rede, gute Rede,« sagte der Schmid. »Gehen wir zu unserm Profoß, Hilfe und Beistand von ihm zu fordern.«

Ein Beifallsgemurmel lief durch die Versammlung und Oliver Proudfute rief: »Das hab' ich seit einer halben Stunde gesagt, und Keiner von euch wollte mich hören. Laßt uns zu unserm Profoß gehen, sagt' ich. Er ist selber ein Edler und muß in allen Dingen zwischen Stadt und Adel entscheiden.«

»Still, Nachbarn, still; bedenkt, was ihr sagt oder thut,« sagte ein dünner, magerer Mann, dessen kleine Person an Gestalt noch kleiner und einem Schatten ähnlicher zu werden schien durch sein Bemühen, eine außerordentliche Beschaffenheit anzunehmen und sich selbst, in Uebereinstimmung mit seinen Reden, noch unbedeutender und unansehnlicher, als er von Natur war, zu machen schien.

»Verzeiht mir,« sagte er, »ich bin ein armer Apotheker. Trotzdem bin ich in Paris erzogen und habe meine Humaniora und meinen cursus medendi so gut studirt, wie Manche, die sich gelehrte Aerzte nennen. Mich dünkt, ich kann diese Wunde untersuchen, und sie mit Erweichungen behandeln. Hier unser Freund Simon ist, wie Euch Allen bewußt, ein ehrenwerther Mann. Glaubt Ihr, er würde bei einer Sache, welche die Ehre seines Hauses so nahe betrifft, nicht am eifrigsten unter uns Allen auf strenge Maßregeln dringen? Da ihm aber, wie es scheint, nichts daran liegt, eine Klage gegen die Nachtschwärmer zu erheben, so erwägt, ob es nicht möglich sei, daß er seine besondern Gründe habe, die er nicht nennen mag, die Sache auf sich beruhen zu lassen? Mir kommt's nicht zu, Hand an die Wunde zu legen – aber, ach! wir wissen Alle, daß junge Mädchen das sind, was ich flüchtige Essenzen nenne. Gesetzt nun, ein ehrbares Mädchen läßt, versteht sich in aller Unschuld, am St. Valentinsmorgen ihr Fenster halb offen, auf daß ein liebender Kavalier, natürlich in allen Ehren, ihr Valentin werden könne; – gesetzt ferner, der Liebhaber werde entdeckt, – kann sie nicht einen Schrei thun, als hätte sie diesen Besuch nicht erwartet, und – und – stoßt Alles dies in einem Mörser und dann erwägt, ob es ein Stoff sein wird, um die Stadt in Allarm zu bringen?«

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