Erster Band

Erstes Kapitel

Die lange, schmale, unregelmäßige Insel, gewöhnlich als weitgrößte der ganzen Inselflur, Festland von Shetland genannt, endigt, wie den Seeleuten in diesem das Thule des Altertums umflutenden stürmischen Meeren sattsam bekannt ist, in einer Klippe von furchtbarer Höhe, Sumburgh-Head genannt, die, von wilder Brandung umtost, gegen Süd-Osten die äußerste Spitze der Insel, den Roost [in diesen Gegenden Name für Strömungen solcher Art] von Sumburgh bildet.

Auf der Landseite ist das Vorgebirge mit kurzem Grase bedeckt und läuft steil in eine schmale, von vielen kleinen Buchten zerrissene Landzunge aus. Ein norwegischer Häuptling oder nach andern Nachrichten, wie der Name Jarlshof schließen läßt, ein alter Graf von den Orkney-Inseln, hatte diese Landzunge zu seinem Wohnsitz gewählt, der aber schon lange verlassen ist. Trieb-Sand hat die Trümmer begraben. Zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts stand jedoch ein Teil des Grafenschlosses noch und war sogar in bewohnbarem Zustande; es war ein rohes Gebäude aus unbehauenen Steinen mit einigen kleinen, ohne alle Regelmäßigkeit eingefügten Fenstern. Die früher vorhanden gewesenen Wirtschaftsgebäude mit den Räumen für Gefolge und Dienerschaft waren aber verfallen, die Balken zu Brennholz oder anderen Zwecken verbraucht; die Mauern stellenweise eingestürzt.

In geringer Entfernung vom Schlosse, in geringerer noch vom Meeresufer, wo die Bucht sich zu einem primitiven Hafen breitet, in welchem drei bis vier Fischerboote lagen, standen ein paar elende Hütten, von den Jarlshofer Bauern bewohnt, die den ganzen Bezirk von dem Gutsherrn unter ziemlich drückenden Bedingungen gepachtet hatten. Der Grundherr selbst, ein ehrlicher, gerader shetländischer Edelmann von leidenschaftlichem Temperament, ein großer Freund von Geselligkeit, doch frei und offen, großmütig gegen seine Untertanen und wohlwollend gegen Fremde, wohnte in einem anderen, freundlicheren Teile der Insel und besuchte Sumburgh-Head nur selten. Er stammte von einer alten, edlen norwegischen Familie ab, was ihn bei den niedern Klassen um so beliebter machte, als sie meistens gleichen Ursprungs sind, während die Lairds oder Grundeigentümer in der Regel Schotten sind, und damals noch als fremde Eindringlinge, die sich des Landbesitzes zu Unrecht erfreuten, angesehen wurden. Magnus Troil, der jetzige Grund- und Schloßherr, der seine Abstammung von dem Gründer von Jarlshof herleitete, vertrat diese Anschauung in ganz besonderem Maße. Die jetzigen Bewohner Jarlshofs hatten mancherlei Wohlwollen von seiner Seite erfahren, und Herr Mertoun, der jetzt in dem alten Schlosse wohnte, war, als er ein Paar Jahre vor dem Beginn dieser Geschichte nach Shetland kam, von ihm mit all der herzlichen Gastfreundschaft empfangen worden, die der ganzen Inselflur eine hohe Berühmtheit schafft. Woher er käme, wohin er ginge, warum er hierher käme, wie lange er bleiben würde, danach fragte ihn niemand. Völlig fremd kam er her, und doch wurde er von allen Insulanern zu Gaste geladen, und in jedem Haus konnte er bleiben, so lange er wollte, lebte darin wie ein Mitglied der Familie, bis er es für gut hielt, ein anderes Haus mit seiner Gegenwart zu beglücken. Wohl möglich, daß mancher Shetländer gern gewußt hätte, wie es um seinen Gast stand, aber zu fragen hätte jeder als Verstoß wider die Gebote der Gastfreundschaft angesehen; der Gast selbst aber tat nicht das geringste, solche Neugierde, wo sie vorhanden war, zu befriedigen. Was wirklich von ihm bekannt war, läßt sich kurz zusammenfassen: Mertoun war nach Lerwick, das sich zu dieser Zeit zu entwickeln anfing, aber noch nicht zur Hauptstadt der Inselflur erklärt worden war, auf einem holländischen Schiffe gekommen, in Begleitung eines hübschen Knaben von ungefähr vierzehn Jahren, der für seinen Sohn galt. Mertoun selbst mochte über vierzig Jahre alt sein; der holländische Schiffer, mit dem er kam, hatte ihn bei einigen Bekannten eingeführt, von denen er gegen Wacholder und Gewürze shetländische Ochsen, geräucherte Gänse und Strümpfe von Schafwolle einhandelte, und obgleich Mynheer nur sagen konnte: »Dat Mynheer syne Passagie wie een Gentleman betalt heft, en heft eenen Kruitz-Dollar außerdem aan het Schepsvolk gegeven,« so hatte das doch vollauf genügt, den Fremden einzuführen, und der Kreis, in welchem er Zugang gefunden, erweiterte sich um so schneller, je schneller man sich überzeugte, daß der fremde Ankömmling im Besitz bedeutender Kenntnisse sei. Zumeist freilich sah man ihn düster und in sich gekehrt. Vor geräuschvoller Fröhlichkeit floh er augenblicklich, und selbst Anlässe von stillerer Freude übten in der Regel keine andere Wirkung auf ihn, als daß sie seine trübe Stimmung erhöhten.

Frauen wohnt gemeinhin eine besondere Sucht inne, Geheimnisse auszuspionieren und Kummer zu lindern, vornehmlich wenn es sich um einen Mann von leidlichem Aeßern und in den besten Jahren handelt. Es darf mithin wohl angenommen werden, daß sich unter den blondlockigen und blauäugigen Töchtern von Thule recht wohl eine gefunden hätte, den geheimnisvollen, träumerischen Fremdling mit ihrem Troste zu beglücken, hätte er nur irgendwie merken lassen, daß ihm an solchem Liebesdienste was gelegen sei; leider schien er aber von Personen jenes Geschlechts, dessen Trost und Mitgefühl wir sonst in jeder Bedrängnis, geistiger oder leiblicher Art, gern in Anspruch nehmen, nicht allein nichts wissen zu wollen, sondern sogar alle Berührung mit ihnen zu meiden.

Abgesehen von diesen Eigenheiten, hatte Mertoun noch eine, die seinem wichtigsten Freunde und Gönner unangenehmer als alle übrigen waren. Der shetländische Magnat war nämlich der Meinung, ein Glas Genever sei ein Spezifikum gegen Sorgen und Trübsal aller Art. Zu solchen Mitteln nahm aber Herr Basil Mertoun nie seine Zuflucht, denn er beschränkte sich ausschließlich auf Quellwasser und ließ sich weder durch Bitten noch durch Ueberredung bestimmen, ein stärkeres Getränk zu kosten. Solche Gewohnheit hielt aber Magnus Troil für einen Verstoß gröbster Art gegen die alten nordischen Geselligkeitsregeln, die er seinerseits so gewissenhaft beobachtete, daß es sich, wenn er auch, seiner Rede nach, noch nie betrunken zu Bette gegangen war, doch schwerlich hätte beweisen lassen, daß er an einem einzigen Tag im Jahre sich in wirklich nüchternen Zustande schlafen gelegt hätte. Die Frage, was an dem Fremden für das Mißvergnügen, das seine Sittenstrenge und Enthaltsamkeit hervorriefen, schadlos halten konnte, wäre mithin nicht ungerechtfertigt gewesen: erstlich einmal hatte er das ganze Wesen eines Menschen, der nicht zur Durchschnittssorte gehört, und wenn auch nichts die Meinung weckte, daß er reich sei, so ließ sich doch aus seiner Lebensweise schließen, daß er kein armer Schlucker sei. Zudem besaß er eine hübsche Unterhaltungsgabe, sobald er, wie schon bemerkt, Lust hatte, sie zu entfalten; was aber hauptsächlich an ihm fesselte, war das undurchdringliche Geheimnis, das ihn umschwebte, und das durch eine gewisse Rätselhaftigkeit seiner äußern Erscheinung verstärkt wurde. Bestehen aber blieb trotz allem, daß sein Charakter von dem seines Wirtes so grundverschieden war, daß Magnus Troil nichts weniger als unangenehm überrascht wurde, als eines Abends, nach einem zweistündigen Beisammensein, wobei nichts gesprochen, aber Branntwein und Quellwasser getrunken worden, der Gast seinen Wirt darum anging, den verlassenen Jarlshof unterhalb von Sumburgh als Pächter beziehen zu dürfen. Magnus dachte bei sich, daß er auf diese Weise den Pachthof, der ihm lästig genug war, zugleich mit dem verdrießlichen Temperenzlergesicht, das ihm noch lästiger war, los würde, meinte aber, ihm der Höflichkeit halber vorstellen zu sollen, daß er sich dort nicht bloß mit sehr kümmerlicher Einrichtung behelfen, sondern auch darein werde finden müssen, außer Möwen und Schreigänsen keine lebende Seele meilenweit um sich zu haben und sich an sauren Kohlrüben satt zu essen.

»Verehrter Freund,« antwortete Mertoun, »was Besseres hätten Sie mir als Empfehlung des von mir erkorenen Wohnsitzes gar nicht sagen können; ein Obdach für mich und den Knaben ist alles, was ich suche. Nennt also den Pachtschilling, den Ihr fordert, Herr Troil!«

»Pachtschilling?« entgegnete der Shetländer, »na, der kann für ein altes Haus, das seit meiner Mutter, Gott hab' sie selig, leer gestanden, so groß nicht sein, und was das Obdach betrifft, so sind die Mauern dick genug und halten wohl noch manches Unwetter aus. Aber der Himmel behüt Euch, Herr Mertoun; bedenkt, was Ihr vorhabt. Selbst für unsereinen wäre es schon ein sonderbarer Entschluß, in Jarlshof zu wohnen; aber nun gar für Euch, der Ihr doch anders woher seid, ob nun aus England, Schottland oder Irland.«

»Das tut auch nichts zur Sache,« sagte Mertoun kurz.

»Nein, natürlich nicht, keine Heringsschuppe,« versetzte der Laird; »nur will ich sagen, daß Ihr mir um so lieber seid, weil Ihr kein Schotte seid, – wofür ich Euch nun einmal nicht halte ... Die kommen hergeschwärmt wie die Bratgänse; wer nur etwas dort ist, der bringt eine ganze Kumpanei mit und setzt sich fest bei uns, denn keiner mag nach seinen dürren Hoch- oder sumpfigen Unterlanden zurück, wenn er erst einmal unser shetländisches Rindfleisch gekostet und unsere schönen Buchten und Seen gesehen hat. Nein, Sir,« fuhr Magnus mit Wärme fort, von Zeit zu Zeit einen derben Schluck zu sich nehmend, doch nur als Mittel, den Zorn gegen die Eindringlinge zu stärken – »nein, Sir, mit der alten Zeit ist's vorbei und mit Brauch und Sitte auf dieser Inselflur nicht minder, die wir Troils lange vor der Zeit des Turf-Einar bewohnten, der zuerst die Kunst gelehrt hat, Torf statt Holz zu brennen, und dessen Name die dankbare Nachwelt mit der Entdeckung selbst verknüpft hat.«

Mertoun nahm mit Vergnügen wahr, daß sich der Herr über Jarlshof jetzt im richtigen Fahrwasser befand – wußte er doch im voraus, daß er nun der Mühe überhoben sei, zur Unterhaltung beizusteuern, und seinen eigenen düsteren Gedanken nachhängen könne. Als Magnus Troil jedoch in der Schilderung dieser »glücklicheren alten Zeit« zu dem betrübsamen Schlusse gekommen war, »wie sehr wahrscheinlich es sei, daß im nächsten Jahrhundert kaum ein Mark, ja kaum ein Ure von Land mehr im Besitze der norwegischen Einwohner, der wahren Udallers von Shetland, [Allodial-Besitzer von Shetland, die ihren Grund und Boden noch nach altem norwegischen Rechte inne haben, nicht nach dem später eingeführten schottischen Lehnsrechte] sein würde,« fiel ihm plötzlich ein, daß er selbst es mit einem Ausländer zu tun habe, und er hielt plötzlich inne.. »Wenn ich das sage,« suchte er sich zu verbessern, »geschieht's nicht, weil ich etwas dawider hätte, daß Ihr Euch auf meinem Gute niederlassen wollt, Mertoun, – aber was Jarlshof betrifft – so kann ich bloß wiederholen, daß es dort sehr unwirtlich und unwohnlich ist – besonders für einen Mann wie Euch, der aus besserm Klima kommt ... Bedenkt, daß nicht einmal Shetländer dort hausen mögen ... Aber Mertoun, dies Glas auf Eure Gesundheit!« – »Aus dem Klima, Herr,« antwortete Mertoun, »mache ich mir nichts, wenn nur Luft genug da ist, meine Lungen zu füllen; ob es welche von Arabien oder von Lappland ist, darnach frage ich nicht.« – »Luft könnt Ihr genug haben,« erwiderte Magnus, »sie ist zwar etwas feucht, wie Fremde meinen; wir aber wissen, was dagegen gut ist – Eure Gesundheit, Mertoun! – Trinken müßt Ihr schon noch lernen und eine Pfeife rauchen auch; aber wenn Ihr dies beides könnt, dann werdet Ihr shetländische Luft für besser als arabische finden. Habt Ihr denn schon Jarlshof gesehen?« – Der Fremde schüttelte den Kopf, – »Nun,« sagte Magnus, »dann habt Ihr auch keinen Begriff von dem, was Ihr unternehmt. Von einer bequemen Lage, wie hier am Ufer eines Salzwassersees, wo Euch die Heringe bis vor die Tür schwimmen, dürft Ihr dort nichts erwarten. Dort seht Ihr nichts als wilde Wellen über kahle Felsen stürzen, und die Strömung von Sumburgh, die in einer Stunde fünfzehn Knoten macht.« – »Um so weniger wird man dann was vom Strome menschlicher Leidenschaft dort spüren,« sagte Mertoun. – »Außer Gekrächz von Kormoranen und Seemöwen hört Ihr dort nichts von Tagesanbruch bis zu Sonnenuntergang.« – »Das lasse ich mir lieber gefallen, Freund,« erwiderte der Fremde, »als Geschwätz von Weiberzungen.« – »Aha,« meinte der Normanne, »Ihr hört wohl grade meine kleine Gesellschaft, Minna und Brenda, mit Eurem Mordaunt im Garten singen? Nun, ihre Stimmchen höre ich doch noch lieber als die Feldlerche, die ich einst in Caithneß gehört, oder die Nachtigall, von der ich gelesen habe ... Was werden die Mädchen bloß angeben, wenn ihr Spielkamerad nicht mehr da ist?« – »Sie müssen sich behelfen, Freund,« antwortete Mertoun, »an Spiegefährten fehlt's doch Frauenzimmer nie im Leben, und an solchen, die sie an der Nase führen können, erst recht nicht – doch die Frage ist, Troil, wollt Ihr mir Jarlshof in Pacht überlassen?« – »Gern, da Ihr doch einmal auf das öde Nest versessen seid!« – »Und der Pachtschilling?« fragte Mertoun weiter.

»Der Pachtschilling?« wiederholte Magnus, »hm – ja, Ihr müßt halt noch das Fleckchen haben, das mal als Garten galt, und seinen Anteil an Seathold und für einen Sixpenny Mark Landes, damit die Bauern für Euch fischen können; ich meine, acht Pfund Butter und acht Schillinge bar im Jahre dürften Euch nicht zu hoch erscheinen?«

Mertoun ging diese billigen Bedingungen ohne weiteres ein und nahm nun seinen Wohnsitz auf dem einsamen Schlosse, das wir zu Anfang dieses Kapitels beschrieben haben, und fand sich auch, allem Anschein nach, ganz gut darin zurecht.

Zweites Kapitel

Die wenigen Bewohner von Jarlshof vernahmen die Kunde, daß sich ein Herr von höherem Range in dem alten Gebäude niederlasse, das sie noch immer das Schloß nannten, nicht ohne Besorgnis; denn damals war, – im Gegensatze zu jetzt – die Anwesenheit eines Vornehmen im Lande fast unausbleiblich mit schweren Lasten verknüpft, wofür die sogenannten Lehensrechte der Vorwände genug boten. Die Leute fanden indes bald heraus, daß Basil Mertoun zu jenen gefürchteten Erpressern nicht gehörte, sondern sich mit seinem Vermögen, mochte es nun gering oder bedeutend sein, einrichtete, was ihm um so leichter fiel, als er sich einer höchst mäßigen Lebensweise befleißigte.

Bücher und physikalische Instrumente, die er hin und wieder von London erhielt, schienen auf gewissen Reichtum zu deuten, wie man ihn in dieser Inselflur nicht kannte; anderseits aber war der Tisch in Jarlshof um nichts besser gedeckt, als bei den andern shetländischen Grundbesitzern. Die Dörfler kümmerten sich wenig um ihren Schloßpächter, sobald sie gemerkt hatten, daß ihre Verhältnisse sich durch seine Gegenwart eher verbesserten als verschlechterten; und befaßten sich jetzt nur noch mit der Frage, wie sie ihn am besten betrügen und übervorteilen könnten, – was sich der Fremde eine Zeitlang mit wahrer philosophischer Gleichgültigkeit gefallen ließ. Ein Vorfall, der sich zutrug, zeigte aber seinen Charakter bald in einem neuen Lichte, und tat aller Betätigung auf diesem Boden mit einemmal Einhalt.

In der Küche des Schlosses gab es nämlich eines Tages Streit zwischen einer alten Dame, die Mertoun als Haushälterin eingesetzt hatte, und Sweyn Erikson, einem so echten Shetländer, wie je einer ein Boot auf offener See gerudert hat, und dieser Streit drang bis zu Mertouns Ohren, der gerade mit Auspacken von Büchern beschäftigt war, auf die er länger, als gerechnet, hatte warten müssen. Unwillig stieg er die Treppe hinab und nahm zu dem Zank so entschiedene Stellung, daß die Parteien, trotz aller Ausflüchte, die Ursache desselben schließlich nicht verheimlichen konnten, obgleich er darüber entstanden war, was der Wirtschafterin von dem Betrage zufallen sollte, den der Fischer für nach Jarlshof gelieferten Kabliau forderte. Mertoun blickte erst die beiden Gauner mit der äußersten Verachtung an; dann sagte er zu der Haushälterin: »Du verläßt auf der Stelle Jarlshof, nicht weil Du eine Lügnerin und undankbare Person bist – denn diese Eigenschaften kleben Dir an wie der Name Weib – sondern weil Du in meinem Hause lauter zu sein Dich erfrechst, als es die Not erfordert. – Und Du, elender Wicht, meinst wohl, einen Fremden so leicht übers Ohr zu hauen, wie Du einem Wale die Haut von den Rippen streifst, denkst aber nicht daran, daß ich sehr wohl weiß, welche Rechte mir Dein Herr, Magnus Troil, über Dich eingeräumt hat. Aber zu Deinem Schaden sollst Du erfahren, daß ich Dich in Deiner Ruhe ebenso leicht stören kann, als Du mich in meiner Muße. Nicht einen unter euch soll es geben, der sich freuen soll, mich um mein Geld betrogen zu haben – aber noch weniger einen, der sich sollte rühmen können, mit seinem nordischen Geschrei, das sich abscheulicher anhört als Möwengekrächz, mich in meiner Muße gestört zu haben.«

Sweyn meinte seine Ungehörigkeit am besten durch die demütige Bitte gut zu machen, der gnädige Herr möge den Kabeljau umsonst behalten und die Sache auf sich beruhen lassen; Mertoun aber warf in hellem Zorne dem Fischer erst sein Geld an den Kopf, dann ihn selbst samt seinen Fischen zum Jarlshofe hinaus. Der Fischer ließ sich nicht Zeit, Geld oder Fische aufzuheben, sondern rannte spornstreichs nach dem kleinen Dorfe, um seinen Kameraden zu erzählen, wie es ihm mit Mertoun ergangen, und sie vor allem, was nach Uebervorteilung aussehe, ernstlich zu warnen, da sie sonst Gefahr liefen, von ihm ohne Rechtsspruch gehängt oder geköpft zu werden. Ins Dorf hinunter kam auch die vom Jarlshof gejagte Haushälterin, um mit ihren Verwandten, (denn sie stammte aus dem Dorfe) Rücksprache zu nehmen, wie sie sich zu verhalten hätte, die einträgliche Stelle wieder zu bekommen. Aber aller Weisheit reichte hierzu nicht aus, und Swertha, so hieß die Person, – nahm in ihrer Not Zuflucht zu Mordaunt, bei dem sie sich durch ihre Kenntnis alter nordischen Balladen und grauer Mären von den Troils oder Zwergen in Gunst gesetzt hatte, mit denen die abergläubische Vorzeit so manche einsame Höhle und manches dunkle Tal in Dunrochneß, wie jeden andern Distrikt in Shetland, bevölkerte ... »Swertha,« sagte der Jüngling zu ihr, »viel werde ich wohl kaum für Dich tun können, wohl aber magst Du für Dich selbst sprechen. Meines Vaters Zorn gleicht dem der alten Kämpen, von denen Du manchmal singst.« – »Ja, ja, Fisch meines Herzens« – rief die Alte in weinerlichem Pathos – »die Berserker! – Die Berserker! Sie lebten vor der gepriesenen Zeit des heiligen Olaf und rannten sich, wenn sie in Raserei waren, Schwerter, Speere, Harpunen in den Leib, waren aber, wenn der Grimm verraucht war, schwach und wandelbar wie Wasser.«

»Vater denkt auch nicht mehr an seinen Zorn, sobald er verraucht ist, und hat viel von einem Berserker an sich,« sagte Mordaunt hierauf. »So aufgebracht er heute gewesen, morgen weiß er schon nichts mehr davon! Daß er aber noch keine andere Frau für Dich genommen, weiß ich, und daß wir noch keinen Bissen warmes Essen genossen, seit Du weggegangen, sondern nur von dem kalten Zeug gelebt haben, das gerade noch da war, weiß ich auch. Verlaß Dich darauf, Swertha, wenn Du dreist aufs Schloß gehst und Deine Arbeit wie gewöhnlich verrichtest, wird Vater Dir nicht ein Wort sagen.«

Swertha hatte anfangs keine Lust, sich diesem kühnen Rate gemäß zu verhalten, war ihr doch Herr Basil Mertoun in seinem Zorne schier vorgekommen wie der höllische Feind; der Sohn sprach ihr aber Mut zu, und so entschloß sie sich endlich, in ihrer Haustracht, auf die Herr Mertoun so viel hielt, ins Schloß zurückzuschleichen und ihre Arbeit wieder zu verrichten, ganz so, als ob sie den Dienst keine Stunde verlassen hätte.

Am ersten Tage ließ sich Swertha mit keinem Blicke vor dem Schloßherrn sehen, machte aber mit aller ihr zu Gebote stehenden Kunst, eine warme Schüssel zurecht, die ihrer Meinung nach die beste Empfehlung für sie nach dreitägigem Fasten sein müßte. Als ihr nun Mordaunt sagte, der Vater hätte von einer Veränderung im Essen scheinbar gar nichts bemerkt, und als sie nun gar sah, daß der Herr, wenn er an ihr vorbeikam, sie gar nicht zu beachten schien, kam sie auf den Gedanken, daß die ganze Sache dem Herrn und Gebieter schon aus dem Gedächtnis entschwunden sein müsse. Als sie aber am dritten oder vierten Tage mit der andern Magd in Disput geriet und dabei laut zu wettern anfing, kam der Herr, wie zufällig, vorbei, warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu und sprach mit einem Tone, der Swerthas Zunge wochenlang im Zaume hielt, nichts weiter als: »Nimm Dich in acht!«

So eigentümlich Mertoun seinen Haushalt zu führen schien, genau so verfuhr er bei der Erziehung seines Sohnes. Nur selten zeigte er ihm väterliche Zuneigung, und doch schien es, als wenn ihm Mordaunts Erziehung das wichtigste Geschäft seines Lebens wäre. Bücher, ihm den gewöhnlichen Wissensunterricht zu geben, besaß er genug, und an Kenntnissen dazu fehlte es ihm auch nicht; auch war er die Ruhe selbst, forderte aber von seinem Zöglinge Aufmerksamkeit und Fleiß – ohne welche beiden Eigenschaften kein gedeihlicher Unterricht möglich ist. Ließ es Mordaunt daran fehlen, so geriet sein Vater bald in jene böse Stimmung, die seine Umgebung als »seine schwarze Stunde« zu bezeichnen liebte. Dann zog er sich, um seinen Aerger mit sich zu verarbeiten, in ein abgelegenes Gemach zurück, das selbst Mordaunt nicht betreten durfte, und wo er dann tage-, selbst wochenlang in Abgeschiedenheit zubrachte, bloß sich zeitweilig sehen ließ, um das Nötigste zu essen oder, in einen dunklen Schiffermantel gehüllt, am stürmischen Gestade oder auf öder Heide, wo er sicher war, niemandem zu begegnen, seinen düstern Gedanken nachzuhängen. Je älter Mordaunt wurde, desto mehr Verständnis gewann er für solche Verzweiflungsanfälle und für die Mittel und Wege, seinem unglücklichen Vater vor unzeitiger Störung, die ihn zur Wut reizen konnte, zu bewahren. Mordaunt merkte, daß die Anfälle bei weitem länger dauerten, wenn er ihm zufällig vor die Augen kam, und daß es das klügste für ihn war, dann Jarlshof und den Bezirk ganz zu verlassen, bis die finstere Stunde vorüber war. Oft zog er an solchen Tagen mit jüngeren Männern aus dem Dorfe auf Unternehmungen aus, gegen die das gefährliche Gewerbe eines Meerfenchelsammlers ein Spaziergang auf ebener Erde ist – oder er beteiligte sich an mitternächtlichen Ausflügen auf die Abhänge der steilen Klippen, um Eier oder Junge von Seevögeln auszunehmen, und legte hierbei eine Gewandtheit und Geistesgegenwart an den Tag, die bei einem so jungen, nicht im Lande geborenen Manne selbst alte Leute in Staunen setzte.

Zu anderen malen zog er mit Sweyn und anderen Fischern auf hohe See, lernte unter ihrer Leitung das Boot führen, während ihm von den alten Seebären, die unter sich noch die alte Nornensprache redeten, alte norwegische Sagas erzählt wurden von Seekönigen, Zwergen, Riesen und Zauberern, die nach Mordaunts Meinung den klassischen Geschichten des Altertums um nichts nachstanden, wenn sie nicht gar Vorzüge von ihnen hatten. Oft bezeichneten ihm die Fischer die Gegend um ihn her, die Bucht, in der sie eben fuhren, die oft der Schauplatz blutiger Seegefechte gewesen, als den Schauplatz dieser wilden Dichtungen, oder einen kaum sichtbaren Steinhaufen, der sich auf einem weit in die See hinausragenden Vorgebirge erhob, als Dun oder Schloß eines hochgebietenden Grafen oder mächtigen Piraten, – oder den einsamen Stein auf wüstem Moor als das Grab eines Volkshelden, – oder eine wild umtoste Höhle, in der eine große Zauberin gehaust hatte.

Auch der Ozean mit seinen grundlosen Tiefen und geheimnisvollen Höhen barg nach den Erzählungen Sweyns und anderer, in den Sagen und Legenden bewanderten Schiffer seltsame Wunder und Geheimnisse, die neuere Schiffahrer geringschätzig ignorieren, deren Wirkung aber durch das düstre Dämmerlicht, in das die Inseln den größten Teil des Jahres über gehüllt waren, um kein geringes vermehrt wurde. In der vom Monde beleuchteten Bucht, an deren Ufer die Wellen sich kräuselten, huschte noch immer das Meerfräulein im Mondlicht hin, hörte man es nach wie vor mit seiner dem klagenden Winde sich vermählenden Stimme von unterirdischen Wundern singen oder künftige Ereignisse künden. In der Tiefe des nördlichen Ozeans ruhte noch immer der Kraken, dieses gewaltigste aller lebenden Ungetüme, und oft, wenn eine Nebelwand das Meer in der Ferne bedeckte, sah der Blick des erfahrenen Bootsmannes die Fühlhörner des ungeheuren Leviathan in den Nebelwolken schwanken, und setzte dann Ruder ein und Segel auf, um nicht von der wilden Strömung, die von der gewaltigen Masse im Meere hervorgerufen ward, wenn sie hinunter in die Tiefe ging, mit seinem gebrechlichen Nachen in den Bereich der Fangarme des Ungeheuers verstrickt zu werden. Auch die Seeschlange, die aus der Tiefe des Meeres emporstieg, und ihren ungeheuren, mit einer Mähne, wie die eines Streitrosses, bedeckten Hals bis zu den Wolken hinaufreckte, die sich, mit ihren großen glänzenden Augen mastenhoch emporragend, nach Beute oder Opfern umsah, war ihnen wohlbekannt.

Bei den gemächlicheren Zerstreuungen der fröhlichen, wenn auch strengen Winterzeit, in welcher hier alle Arbeit ruht, dagegen die menschliche Tugend der Geselligkeit erstaunliche Vielseitigkeit entfaltet, war niemand froher und heiterer als der junge Mertoun, der, sobald seines Vaters Gemütszustand ihm Abwesenheit rätlich erscheinen ließ, von Haus zu Haus ging, überall gern gesehen und sich niemals nötigen ließ, weder zu Gesang noch zu Tanz oder Sport ... Ein Boot oder – wie es sich oft traf bei ungünstigem Wetter – ein Pferd aus den herumirrenden Herden, die hier zu jedermanns freiem Gebrauch sind, trug ihn von einer gastlichen Wohnung zur andern. Es gab keinen auf der ganzen Inselflur, der es ihm in dem kriegerischen Schwerttanz zuvortat, einer Art sportlicher Uebung, die noch von den alten Norwegern stammte. Auf dem Gue und der gewöhnlichen Geige verstand er all die melancholischen und leidenschaftlichen Weisen zu spielen, an denen die Bewohner von Shetlands Inseln so überreich sind, und denen er, um die Einförmigkeit zu mildern, oft frischere Sänge aus dem schottischen Norden einflocht, in deren Vortrag er kein geringer Meister war. Auch das Amt des Skudder oder Anführers übernahm er immer willig und mit hohem Geschick, wenn es galt, einem Laird oder Udaller als »Guizards» in Masken und Larven einen Ausflugsbesuch zu machen. Dann brachte er von Haus zu Haus, wohin er kam, Freude, und ließ Bedauern zurück beim Scheiden.

So wurde Mordaunt überall bekannt und wußte sich beliebt zu machen, wohin er kam. Am häufigsten war er Gast im Hause von Magnus Troil, dem Wirte und Gönner seines Vaters. Daß es aber nicht bloß die freundliche Weise des alten Recken war, die ihn hierher zog, daß er nicht bloß gern dem braven Udaller guten Tag sagte, dessen Stimme so mächtig dröhnte, daß sie in grauer Vorzeit zur Feier der Wiederkehr des Yue, des größten Festes der Goten, Staat hätte machen können – sondern daß ihn noch anderes Metall kräftiger anzog aus jüngeren Herzen, deren Willkommen, wenn auch nicht so laut, doch ebenso freundlich war wie das des Udallers – das ist ein Thema, dessen Behandlung sich für keinen Kapitelschluß schickt.

Drittes Kapitel

Der beiden Töchter Magnus Troils, Minna und Brenda mit Namen, haben wir schon erwähnt. Ihre Mutter hatte das Zeitliche vor vielen Jahren gesegnet. Sie waren inzwischen zu stattlichen Mädchen herangewachsen, von denen die ältere achtzehn Jahre alt, also etwa zwei Jahre jünger als Mordaunt Mertoun war, die zweite siebzehn Jahre zählte. Sie waren die Freude des Vaters und das Licht seiner Augen, und wenn er ihnen auch auf so nachsichtige Weise Freiheit und Willen ließ, daß seiner Ruhe leicht hätte Gefahr entstehen können, so hatte doch bisher die grenzenlose Liebe, mit der sie ihm anhingen, jeglichen Anlaß hierzu im Keime erstickt. So verschieden sie ihrem Gemüt und ihrer Gestalt nach waren, war doch die Familienähnlichkeit nicht zu verkennen. Die Mutter der Mädchen war eine Schottin, aus den Hochlanden von Sutherland, und Tochter eines edlen Häuptlings, der während der Fehden des 17. Jahrhunderts aus seinem Lande vertrieben wurde und Schutz auf diesen friedlichen Inseln gefunden hatte, wo, trotzdem Armut das Erbteil und Abgeschiedenheit das Los der Bewohner war, doch Hader und Zwietracht fremde Gäste waren. Dem alten Saint-Clair – so hieß der Häuptling – ging der Verlust seiner heimatlichen Burg mit ihren Clansleuten und allen ritterlichen Ehren tief zu Herzen, so daß er bald, nicht lange nach seiner Ankunft in Shetland, in das Grab stieg. Die Schönheit seiner Tochter hatte Magnus Troil in Fesseln geschlagen. Er fand Gehör, und sie wurde die Seine, starb jedoch schon im fünften Jahre ihrer glücklichen Ehe. Minna hatte von der Mutter die hohe Gestalt und die dunklen Augen, die rabenschwarzen Locken und die feingeschwungenen Brauen geerbt: Merkmale dafür, daß sie nach einer Seite hin mit dem alten Blut von Thule nicht in Verwandtschaft stand. Auf ihrer Wange – weiß, doch nicht bleich – lag ein so leiser, zarter Hauch von rosiger Röte, daß bei vielen die Rede ging, sie erinnere zu stark an die Lilie. Aber in dieser Vorherrschaft der blassern Blume,lag nichts von Krankhaftigkeit, sondern es war die wahre, natürliche Farbe der Gesundheit, die zu den Gesichtszügen, aus denen ein hochsinniger Geist sprach, so recht zu passen schien. Brenda, die jüngere, war eine andere, aber ebenso liebliche, ebenso reine, unschuldige Schönheit. Ihre reichen Locken hatten jenes lichte Braun, dem der vorübergehende Sonnenstrahl einen Goldglanz verleiht, das aber sogleich wieder verdunkelt, sobald der Strahl verschwunden ist. Ihre Augen, ihr Mund, die schönen Zähne, die frische, doch nicht zu dunkle Glut einer jugendlichen Gesundheit, welche ihre schneeweiße Haut färbte, gaben Zeugnis von ihrer echt skandinavischen Abkunft. Ihre feenhafte Gestalt, nicht zu hoch, wie die ihrer Schwester, aber von größerem Ebenmaß, ein sorgloser, kindlich-leichter Schritt, ein Auge, das auf jedem Gegenstand wahrer Fröhlichkeit mit Freude weilte, waren Vorzüge, die jene der Schwestern – trotzdem dieselben wahrlich nicht geringer waren – doch in Schatten stellten. Bei aller Verschiedenheit der Gemütsart dieses lieblichen Schwesternpaares konnte aber in der Liebe zum Vater keine der andern den Vorrang streitig machen. Brendas Frohsinn übertrug sich auf jede Verrichtung, auf jedes Vorkommnis des täglichen Lebens, während die stillere Art der Schwester eher dazu neigte, dem Vergnügen und der Freude, wenn nicht Einhalt zu tun, so doch nicht Förderung angedeihen zu lassen. Bücher waren ihr liebere Freunde als Menschen, und ihre Kenntnisse gingen über ihre Sphäre; Shetland bot damals nur geringe Gelegenheit, sich Wissen anzueignen, und Magnus Troil war, wie wir ihn beschrieben haben, nicht der Mann, in dessen Hause sich die Mittel zum Erwerbe desselben fanden. Aber das Buch der Natur, dieses edelste der Bücher, das der Mensch immer anstaunen und bewundern muß, selbst wenn er es nicht versteht, lag vor Minna offen dar. Die Pflanzen dieser wilden Gegenden, die Muscheln an der Küste und die an Gattungen überreiche gefiederte Welt, die diese Klippen und Horste bewohnt, waren Minna Troil ebenso bekannt, wie dem erfahrensten Jäger. Sie hatte eine scharfe Beobachtungsgabe, ein sehr gutes Gedächtnis und ließ sich von anderen Gefühlen nicht ablenken, wenn sie sich mit etwas Bestimmtem befaßte. Für die einsame düstere Naturschönheit der shetländischen Inselwelt hatte sie eine tiefe Empfindung. Das Meer in all seinen Gestaltungen erhaben-grauser und doch wieder heilig-stiller Art; die von dem endlosen Wogengebraus widerhallenden furchtbaren Klippen; das Schnarren, Krächzen, Schreien und Quieken der Seevögel hatte fast in jedem Wechsel der Jahreszeit für Minna besonderen Reiz; in der dem romantischen Geschlechte, aus dem ihre Mutter entsprossen, eigentümlichen Schwärmerei gestaltete sich die Liebe zur Natur bei ihr zu einer Leidenschaft, die nicht allein ihre Seele auszufüllen, sondern zuzeiten in die stärkste Begeisterung versetzen konnte ... Was ihre Schwester nur mit momentanem Schauer oder einem geringen Grade von dauernder Erregung ergriff, beschäftigte Minnas Phantasie tage- und wochenlang, und zwar nicht allein in dem Stillschweigen der Nacht, sondern auch in den der Unterhaltung geweihten Stunden, so daß sie mit ihren Gedanken, wenn sie, wie ein schönes Marmorbild, in ihrem häuslichen Kreise dasaß, in weiter Ferne, an der wilden Seeküste und in den noch wilderen Bergen ihrer Inselflur schweifte. Und dabei verstand sie es doch, wie nur wenige, die Unterhaltung eigentümlich lebendig zu gestalten, so daß man ihr unwillkürlich, wenn auch vielleicht nicht so ungeteilte Liebe, wie ihrer jüngeren fröhlichen, lieblichen Schwester, so doch eine hohe Achtung, unter ihrer schlichten Umgebung fast Ehrfurcht, entgegenbrachte. So waren Minna und Brenda nicht allein aller Bekannten Lust und Freude, sondern der Stolz der ganzen Inselflur, deren Bevölkerung durch die Abgeschiedenheit ihrer Lage und die schöne Sitte der Gastfreiheit zu einer echten Gemeinschaft mit biblischem Sinne vereinigt war. Lord Byron hätte seine herrlichen Verse

Sie wallt in Schönheit, gleich der Nacht,


Wenn am reinen Himmel blinkt Sternenlicht,


Des Schattens Reiz, des Lichtes Pracht


Vereint sich in ihrem schönen Gesicht.


Sie hat, was die Nacht so zauberisch macht,


Den sanften Schein, der dem Tage gebricht.

auf Minna Troil dichten können.

Der Vater liebte beide Mädchen so zärtlich, daß niemand zu sagen vermocht hätte, welche von beiden er lieber hätte, es sei denn, daß er auf Spaziergängen die ernstere Tochter lieber um sich hatte, sein fröhlicheres Kind dagegen lieber am häuslichen Herde sah; oder daß er Minnas Gesellschaft vorzog, wenn er traurig, Brendas, wenn er fröhlich war.

Seltsamer aber war es noch, daß Mordaunt Mertoun seine Neigung mit derselben Unparteilichkeit, wie der Vater, zwischen den zwei lieblichen Schwestern zu teilen schien. Von seinem Knabenalter an war er, wie oben erzählt, ein häufiger Gast in Magnus Troils Haus in Burgh Westra, obgleich es an zwanzig Stunden vom Jarlshof entfernt war. Die Gegend zwischen diesen beiden Orten war hügelig und teilweis von lockerem, weichem Moor bedeckt, auch häufig von Buchten oder Meresarmen zerrissen, die auf beiden Seiten in die Insel einschnitten, so daß der Weg in der späteren Jahreszeit sehr beschwerlich, ja gefährlich war; dennoch konnte man, sobald es seines Vaters Gemütszustand ihm zum Bedingnis machte, sicher sein, Mordaunt am nächsten Tage in Burgh Westra zu finden, wohin er seinen Weg in weit kürzerer Zeit zurücklegte, als der flinkste Eingeborene gebraucht hätte.

So gewöhnte man sich auf Shetland, ihn für einen Verehrer einer der Töchter Magnus Troils anzusehen, und wenn man erwog, mit welcher Liebe der alte Udaller an dem Jüngling hing, so konnte niemand zweifeln, daß er ihm eine seiner Töchter zur Frau geben würde, mit soviel Grund und Boden, felsigem Moorland und Küstenfischereien, als ihr an Mitgabe zufiele, mit Aussicht bei seinem Ableben auf das halbe Barvermögen des alten Hauses Troil, eine Beigabe, die gewiß nicht zu verachten war, so daß sich niemand dagegen verschloß, eine sehr vernünftige Spekulation darin zu erblicken. Aber den Hauptpunkt, für welche der beiden Jungfrauen Mordaunt sich eigentlich erklären werde, konnten auch die scharfsinnigsten Köpfe nicht ausfindig machen, schien er sich doch im allgemeinen nicht anders gegen sie zu benehmen wie ein zärtlicher und liebevoller Bruder gegen zwei gleich liebe Schwestern.

Viertes Kapitel

Der Frühling war weit vorgerückt, als Mordaunt nach einer in Burgh Westra lustig verlebten Woche sich unter Darlegung der Notwendigkeitsgründe für seine Rückkehr nach Jarlshof von der Familie verabschiedete. Diese Notwendigkeit wurde aber von den Mädchen und noch entschiedener von Magnus Troil selbst in Frage gestellt, mit dem Bemerken, daß, wenn ihn sein Vater sehen wolle, was übrigens nicht glaubhaft sei, dieser sich ja nur in Sweyns Boot zu werfen oder, wenn er die Landkreise vorziehe, – auf einen Gaul zu setzen brauche, und dann nicht allein seinen Sohn, sondern zwanzig andere Leute noch herzlicher erfreuen würde dadurch, daß er sich endlich mal wieder sehen ließe. Mordaunt ließ das alles gern gelten, meinte aber, daß sein Vater sich nun einmal mit andern Leuten nicht zurechtfände, und daß es schon darum nicht angehe, länger zu bleiben; zumal man, wenn man warten wollte, bis sein Vater nach Burgh Westra käme, wohl eher erleben würde, Kap Sumburgh zu sehen als ihn. – »Oho, das dürfte wohl ein beschwerlicher Gast sein,« sagte Magnus; »aber wollt Ihr nicht wenigstens heute noch mit uns zu Mittag essen? Die Familien von Muneß-Quendale und Therelivoe kommen, und wohl auch sonst noch mancher, außer den dreißig, die vergangene Nacht in unserem Hause waren, so daß wir Strohschütten werden legen müssen, um allen eine Unterkunft zu bieten. – Und bei dem allen wollt Ihr fehlen?« –

»Und abends gibt's Tanzvergnügen,« fügte Brenda in neckischem Tone hinzu; »und die jungen Leute von Paba sollen den Schwertertanz tanzen; wer soll mit ihnen, Schottland zur Ehre, ringen, wenn Ihr fehlt?« – »Es gibt noch manchen guten Tänzer auf dem Festlande, Brenda,« antwortete Mordaunt, »und wo es die gibt, da wird Brenda nach wie vor den Besten finden. Ich muß mich nun schon heute abend in die Wildnis von Dunrochneß trollen.« – »Tue es nicht, Mordaunt,« sagte Minna, die inzwischen ängstlich aus dem Fenster geblickt hatte; »geh heut nicht durch die Wildnis von Dunrochneß.« – »Und warum gerade heute nicht?« fragte Mordaunt lachend.

»Der Frühnebel liegt schwer über der Inselflur. Noch haben wir seit Tagesanbruch Fitful-Head [hohes Vorgebirge an der Spitze der Fitful-Bergkette] nicht sehen können. Die Vögel fliegen unruhig zur Küste, die Fuchsgans sieht im Nebel so groß aus wie der Kormoran, und die Erd- und Stoßmöwen flüchten sich zwischen die Klippen.« – »Und die halten, weiß Gott! einen Sturm besser aus als eine Fregatte,« sagte der Vater; »wenn die so stechen und fischen, Mordaunt, setzt's schlimmes Wetter.«

– »Bleib also hier,« sagte Minna. »Sieh, obgleich die Jahreszeit noch nicht weit vorgerückt ist, ist die Luft doch schwül und drückend, dabei so ruhig, daß sich kein Halm auf der Heide rührt. Bleibe bei uns, Mordaunt; denn alles läßt auf ein so schlimmes Wetter schließen, wie wir es lange nicht erlebten.« – »Desto eher muß ich gehen,« behauptete Mordaunt, dessen scharfem Blicke diese Anzeichen auch nicht entgangen waren. »Wird's zu arg, so kehr' ich nachts in Stourbourgh ein.« – »Wie,« sagte Magnus: »Ihr wollt uns verlassen, und bei des neuen Kämmerlings neuem schottischen Substituten bleiben, der uns shetländische Wilde neue Sitten lehren soll? Wenn Du aus dem Tone pfeifst, Junge, dann geh in Gottes Namen!« – »Nein,« sagte Mordaunt, »ich bin nur neugierig, die neuen Ackerbauwerkzeuge zu sehen, die er mit herübergebracht hat,« – »Ja, ja, Wunderdinge machen Narren stutzen. Mich soll's wundern, was er mit seinem neuen Pfluge gegen unsre shetländischen Felsen ausrichten wird.« – »Ich will meinen Weg über Stourbourgh nehmen,« fagte der Jüngling, um den Vorurteilen seines Gönners gegen alle Neuerungen nicht allzu schroff gegenüber zu treten; »wegblasen wird mich der Sturm wohl nicht, und wenn's Regen gibt, was wohl wahrscheinlich ist, werde ich wohl auch nicht zu Wasser werden.« – »So nimm Dich wenigstens recht in acht, da Du doch einmal gehen willst,« sagten beide Schwestern zugleich.

Aller Warnungen ungeachtet, nahm Mordaunt Abschied, doch außer stande, einen schmerzlichen Seufzer zu unterdrücken, als er auf die Behaglichkeit ringsumher zurückblickte, den dicken Rauch aus den Schornsteinen steigen sah und dann die unfreundliche, einsame Behausung in Jarlshof und die düstre Schwermut seines Vaters mit der traulichen Wohnstätte und Herzlichkeit der lieben Menschen in Parallele stellte, von denen er eben den Fuß hinweg setzen wollte. Die Zeichen für das Einsetzen des Sturmes mehrten sich. Mordaunt war noch keine drei Stunden gegangen, als die Luft, die am Morgen bleischwer gewesen war, auf einmal in wilde Bewegung geriet, und bald tobte und brüllte der Sturm mit aller Wut eines nordischen Orkanes; mit furchtbarer Gewalt schlug er gegen die Hügel und Felsen und in Strömen goß der Regen nieder, eine förmliche Wand bildend, die es dem Wanderer unmöglich machte, die Richtung seines Weges zu verfolgen, gab es doch von gebahnten Straßen noch nicht die leiseste Spur, und wurde die Wegstrecke doch von Seen, Morästen, Pfühlen und Fenns fortwährend unterbrochen. Die Bäche waren zu Strömen angeschwollen, deren Fluten vom Sturme hochgepeitscht wurden und die Luft mit einem Gestöber von Salzwasser erfüllt, das ihm ins Gesicht schlug und als Zeichen dafür gelten mußte, daß Springfluten vom rasenden Meere herüber sich mit den Wassermengen der inländischen Seen und Ströme vermischt hatten.

In diesem grausen Aufruhr der Elemente bahnte sich Mordaunt kühn den Weg. Er fühlte, daß sein Leben in der schwersten Gefahr stand, daß er alle Kraft und Klugheit daran setzen müsse, es zu retten; aber er fühlte auch den stolzen Triumph, den jedes Aufgebot von Kraft, um schwere Gefahr zu überwinden, in der menschlichen Seele weckt ... »Sie sollen in Burgh Westra von mir nicht hören,« dachte er bei sich »wie von des alten albernen Ringan Ewerson Boot, das zwischen Reede und Hafendamm verloren ging.«

So schritt er mutig weiter, bauend auf dem ihm eigenen Scharfblick für alle Kennzeichen der Naturvorgänge, denn alle örtlichen Merkmale, wie Feld, Berg und Vorgebirge waren in Nebel und Dunkelheit gehüllt; aber lange Bekanntschaft mit diesen wilden Gegenden hatte ihn selbst den kleinsten Gegenstand ins Auge fassen gelehrt, der ihm unter solchen Umständen zur Richtschnur dienen konnte. Und doch drohte all seine Erfahrung und Entschlossenheit an den wilden Umständen seiner Lage zu scheitern, da er, trotz äußerster Anstrengung, nur langsam durch die ausgetretenen Bäche und doppelt tiefen Moräste, die ihn zu häufigen Umwegen zwangen, vorwärts kommen konnte. Aber er bestand den schweren Kampf mit Sturm, Regen und Ungemach, und sah, nur ein einziges Mal vom Wege abgekommen, endlich das Haus von Stourbourgh oder Hafra vor sich, mit welchem Namen man den Aufenthaltsort des Herrn Triptolemus Yellowley bezeichnete, des erwählten Abgeordneten des Kämmerlings von Orkney und Shetland, eines sehr klugen und weitsichtigen Mannes, der in das Ultima Thule der Römer einen Geist des Fortschrittes zu verpflanzen gedachte, wie er sich in dieser früheren Zeit kaum in Schottland selbst zu äußern anfing. Das Haus des würdigen Mannes war auf einige Meilen weit der einzige Zufluchtsort, den Mordaunt vor dem wütenden Sturme zu finden hoffen durfte, und als er nun im vollsten Vertrauen, hier Einlaß zu finden, auf die Tür zuschritt und diese nicht allein eingeklinkt, (was das Wetter entschuldigen konnte), sondern sogar verriegelt fand, – ein, wie Magnus Troil schon erwähnt hatte, auf den Inseln beinahe unbekannter Fall – war er nicht erstaunt (denn der Ausdruck war zu gelind), sondern verblüfft. Er klopfte, rief, schlug gegen die Tür, warf mit Steinen dagegen – alles umsonst: Die Tür blieb verschlossen. Minute auf Minute verrann, ohne daß er aufhörte, seiner Ungeduld durch Lärm Luft zu machen, und ohne daß ihm irgend eine Antwort zu teil wurde – und diese Zeit wollen wir benutzen, den Leser über Triptolemus Yellowley, und darüber, wie er zu diesem sonderbaren Namen kam, zu unterrichten.

Der Vater von Triptolemus, der alte Jasper Yellowley, war, obgleich am Fuße des Roseberry-Gipfels geboren, von einem schottischen Grafen bewogen worden – da der Ort für den pfiffigen Yorkshirer selbst zu weit nördlich lag – einen Pachthof in den Mearns zu übernehmen; aber hier bot der rüstige Pächter umsonst alle Anstrengung und wirtschaftlichen Kenntnisse auf, dem kalten Boden und feuchten Klima Erfolge abzuringen. Gelungen wäre es ihm schließlich trotz allem, wenn ihn nicht die Lage seines Pachthofes an der Grenze vom Grampian-Gebirge unaufhörlich den Einfällen der »Plaid-Leute« ausgesetzt hätte, die im Bereiche desselben wohnten, und darüber geriet Jasper Yellowley bald in Armut. Aber seine roten Wangen unb sein kräftiger Körperbau führten ihm das Herz der Jungfer Barbara Clinkscale zu: der Tochter des verstorbenen und Schwester des jetzt lebenden Mannes dieses Namens. Da das Haus Clinkscale immer schottischen Stolz gewahrt und sich durch schottische Sparsamkeit ausgezeichnet hatte, wurde dieser Ehe in der Gegend nichts weniger als Beifall gezollt. Aber Jungfer Baby besaß ein Vermögen von 2000 Mark, über das sie schalten und walten konnte, war resoluten Sinnes und seit wenigstens zwanzig Jahren (so versicherte wenigstens der Notar, der den Kontrakt aufsetzte), major [mündig] und sui juris [rechtsständig] und heiratete, allen Vor- und Nachreden zum Trotz, den wackern Freisassen aus Yorkshire. Ihr Bruder und ihre engern Verwandten kehrten sich von ihr nicht bloß verdrossen ab, sondern sagten sich fast vollständig von ihr los. Aber Haus Clinkscale hatte, wie damals jede schottische Familie, noch viele andere Verwandte – die nicht so heikel waren – Vettern im zehnten und sechzehnten Grade, die nicht nur Baby Yellowley nach wie vor als ihre Verwandte anerkannten, sondern sich auch herabließen, Bohnen und Speck mit ihrem Manne zu essen, ein Gericht, das die Schotten damals ebenso verabscheuten wie die Juden. Ja sie hätten ihre Freundschaft sogar gern durch ein Darlehen noch enger mit ihm geknüpft, hätte sich nicht seine wackere Ehehälfte, die sich, wie kaum eine Frau in den Mearns, kein X für ein U machen ließ, strikte dagegen ausgesprochen. Ebenso hatte sie die Gastfreundschaft, die der junge Deelbelicket und der alte Dougald Baresword, Laird von Bandybrawl, und andere in Anspruch zu nehmen sich erdreisteten, klugerweise nicht geweigert, sondern vielmehr dazu benutzt, Unterhandlungen mit den händelsüchtigen Leuten jenseits des Eairn anzuknüpfen, die, sobald sie inne wurden, daß Yellowleys, die sie sonst ungestraft geplündert, jetzt mit »wohlbekannten und in der Kirche und auf dem Markte begrüßten Leuten« verwandt seien, sich sofort mit einer mäßigen Abfindungssumme für Raub und Ueberfall einverstanden erklärten.

Durch diesen glücklichen Erfolg wurde Jasper mit dem Pantoffelregiment seiner Frau ausgesöhnt, trotzdem sich dasselbe noch sehr verschärfte, als sich fand, daß sie guter Hoffnung sei. In diesem gesegneten Zustande hatte Frau Jellowley nämlich einen merkwürdigen Traum: bei schwangeren Müttern vor der Geburt bekanntlich ein häufiges Vorkommnis. Sie träumte, daß sie glücklich von einem Pfluge entbunden worden, der von drei Joch Ochsen aus Angushire gezogen wurde; natürlich setzte sie sich flugs mit drei Gevatterinnen hin, um zu beraten, was solcher Traum wohl bedeuten möchte. Der alte Jasper wagte nach langem Zögern und unter vielem Stocken und Stottern sich dahin zu äußern, daß sich solch Traumgesicht wohl mehr auf vergangene Begebenheiten beziehe als auf vorhandene zu deuten sei – und wohl darauf zurückzuführen sein möge, daß die Nerven seiner Frau dadurch in Aufruhr geraten seien, daß sie seinem eigenen großen Pfluge mit den sechs Ochsen begegnete. Aber die drei Gevatterinnen erhoben gegen solche Auslegung solches Geschrei, daß Jasper die Finger in die Ohren stecken und aus der Stube laufen mußte.

»Da hör ihn einer« sagte eine Alte aus Nord-Schottland, »seine Ochsen sind ihm seine Götzen wie das Kalb von Bethel! Nein, nein – kein irdischer Pflug ist's, hinter dem der Knabe (denn ein Knabe wird's) hergehen wird, sondern ein geistiger Pflug, – den der Knabe einst auf der Kanzel führen wird.«

»Ihr seid des Teufels mit Euren überspannten Ideen,« sagte die alte Frau Glenprosing: »er soll sich wohl um seinen Kopf predigen, wie James Guthrie der Gottesmann? Nein, nein, davon darf keine Rede sein! er soll einen sichern Lebenspfad wandeln.« – Der Meinungszwist zwischen den beiden Sibyllen wurde mit jedem Augenblick heftiger (wobei das kreisende Zimmtwasser wie Oel auf die Flamme wirkte), als Jasper mit der Pflugreute hereinkam und auf eine Weile Stille schuf. Ich weiß nicht, ob aus Ungeduld, ein dem Anschein nach zu einem hohen, geheimnisvollen Berufe bestimmtes Wesen an das Licht der Welt zu bringen, geschah, was nun folgte – oder ob die arme Frau Yellowley sich über den Lärm entsetzt hatte, der in ihrer Gegenwart entstand: genug, es befiel sie ein plötzliches Unwohlsein, und bald ging die Rede, daß sie sich bei weitem schlechter befinde, als sich – wie die Redensart immer lautet – »den Umständen nach erwarten ließe,« Sie nahm, da sie noch ihr Bewußtsein hatte, diesen Zufall wahr, um von ihrem mitfühlenden Gatten zwei Versprechen zu erhalten, erstens: daß er den Knaben, dessen Geburt ihm dem Anschein nach so teuer zu stehen kommen sollte, einen Namen beilege, der mit ihrem Traum im Einklang stehe, und zweitens: daß er den Knaben für die geistliche Laufbahn bestimmte. Der kluge Yorkshirer, in der Meinung, daß die Frau unter so bewandten Umständen allerdings ein Recht zu Vorschriften habe, willigte in alles. Wirklich kam auch ein Knabe zur Welt; aber die Mutter war mehrere Tage lang so schwach, daß sie sich nicht darum bekümmern konnte, ob ihren Wünschen gewillfahrt worden sei oder nicht. Als sie sich zu erholen anfing, wurde ihr mitgeteilt, daß das Kind in der Taufe, die man schnell vornehmen zu müssen für geraten erachtet hatte, den Namen Triptolemus bekommen habe, da der Pfarrer, ein in den Klassikern belesener Herr, sich dahin geäußert habe, daß dieser Name die von ihr gestellte Bedingung erfülle, indem er auf Pflug und dreifaches Ochsengespann deute – aber Frau Yellowley war mit der Art, wie man ihrem Wunsche gerecht geworden, nicht so ganz zufrieden; da aber Brummen hier wenig half, ließ sie sich den heidnischen Namen gefallen und suchte die Wirkungen, die er auf Geschmack und Ansichten des Täuflings hervorbringen könnte, durch eine Erziehung aufzuheben, die ihm alle Gedanken an Pflugeisen, Pflugsterze und dergleichen mit dem sklavischen Pflugplacke in Bezug stehende Dinge fernhalten sollte.

Jasper, der weise Yorkshirer, lachte sich aber ins Fäustchen, denn er meinte, der kleine Trip werde wohl kaum zu jenen »Aepfeln gehören, die weit vom Stamme fielen,« vielmehr eher nach ihm, als dem wackeren Freisassen, arten, als in das zwar edle, aber scharfe Blut des Hauses Clinkscale schlagen, und nahm mit heimlicher Freude wahr, daß das bekannteste Wiegenlied nach der Melodie des Liedes: »Der Landmann hat viel Freude«, gesungen wurde, und daß die ersten Worte, die das Kind lallte, die Namen seiner drei Ochsen waren; ja daß der Knabe Hausbier gern trank und schottisches ausspuckte, – und daß, wenn kein anderes Mittel, ihn zur Ruhe zu bringen, mehr anschlagen wollte, ein Zaum, mit dem man ihm vor dem Ohre klingelte, die gewünschte Wirkung nie versagte. Auf diese Anzeichen hin verschwor er sich hoch und heilig, sein Junge würde ein echter Yorkshirer werden, und der Mutter, wie ihrer Clinkscaler Sippschaft, ein derbes Schnippchen schlagen.

Ein Jahr nach des Trips Geburt gab Frau Yellowley einer Tochter das Leben, die nach ihr Barbara getauft wurde, und schon in frühester Kindheit durch die spitzige Nase und dünnen Lippen erkennen ließ, daß sie eine echte Clinkscale werden würde, auch in der späteren Kindheit diese Erwartung durch die Gier noch rechtfertigte, mit der sie nach allem, besonders aber ihres Brüderchens Spielsachen, griff, wie auch durch die Neigung, bei der geringsten oder auch gar keiner Veranlassung zu beißen, zu kneifen oder zu kratzen. – Der junge Triptolemus bekam vom Pfarrer soviel Unterricht, wie dieser geben konnte, und wurde, als Zeit und Stunde kam, nach Saint-Andrews zur Vollendung seiner Studien gesandt. Wohl zog er dorthin, nahm aber wehmütige Erinnerungen mit an Vaters Pflug, Vaters Eierkuchen und Vaters Hausbier, wofür ihm das Dünnbier des »College,« wie schon dessen Spottname »Dünnpfiff« andeutete, nur schwachen Ersatz bot. Indessen machte er Fortschritte in der Wissenschaft, wobei sich aber eine bestimmte Vorliebe bei ihm für diejenigen alten Schriftsteller, die sich den Ackerbau zur Domäne ihrer Kunst erkoren, nicht verkennen ließ. So war die »Bucolica« des Virgil sein Lieblingsbuch, und dessen »Georgica« wußte er sogar auswendig – aber die »Aeneide« konnte er nicht ausstehen und haßte besonders die berühmte Zeile, die einen Angriff der Reiterei malt, weil er das darin vorkommende Wort »putrem« [Quadrupedumque putrem sonitu quatit ungula campum] so auslegte, daß die Reiterei in ihrer grimmen Hitze über ein frisch gedüngtes und gepflügtes Feld hinweggaloppiert sei. Unter den Helden und Philosophen des Altertums war der römische Zensor Cato sein ausgesprochener Liebling, doch nicht wegen seiner Sittenstrenge, sondern wegen seiner Abhandlung » de re rustica.« So hatte er auch immer die Cicero-Worte im Munde: jam neminem antepones Catoni. Von Palladius und Terentius Varro hielt er wohl was, aber Calumella kam nie aus seiner Tasche. Ebenso interessierten ihn auch in den Kalendern der Gegenwart nicht die eitlen Prophezeihungen politischer Ereignisse, sondern bloß die Nachrichten über praktischen Bodenbau, über diejenigen Düngemethoden, die eine gute Ernte erwarten ließen, über die beste Zeit zum Säen und über die Wetteraussichten für die einzelnen Monate, wie z. B. daß es, wenn es dem Himmel gefällt, im Januar schneien werde, und daß der Verfasser seinen Ruf verpfänden wolle, daß es im Juli viel Sonnenschein geben werde.

Obgleich der Rektor von St.-Leonard mit dem ruhigen, fleißigen Triptolemus zufrieden war und ihn seines viersilbigen Namens mit der lateinischen Endung nicht eben für unwürdig hielt, mochte ihm seine allzu große Vorliebe für die Ackerbauschriftsteller durchaus nicht gefallen, schmeckte sie ihm doch, wie er sagte, gar zu sehr nach Erde, wenn nicht nach etwas noch Aergerem. Aber Triptolemus Yellowley beharrte eigensinnig bei seiner Richtung, so daß ihm beispielsweise die Schlacht von Pharsalia nicht deswegen merkwürdig war, weil sie über die Freiheit der Welt entschied, sondern weil ihm die reiche Ernte vorschwebte, die die emathischen Gefilde im nächsten Jahre zufolge des starken Blutdungs gegeben haben müßten. Nie war er dahin zu bringen, von vaterländischer Dichtkunst auch nur eine einzige Zeile zu lesen, ausgenommen den alten Tusser, dessen »hundert Regeln« über gute Landwirtschaft er auswendig wußte, sowie Piers, des Pflügners »Vision«, die er, durch den Titel angezogen, begierig von einem Hausierer kaufte, aber schon nach den ersten zwei Seiten als eine freche, sich unangemessenen Namens bedienende Schmähschrift ins Feuer warf. Aus der ganzen Gottesgelahrtheit interessierten ihn bloß die Bibelworte, daß der Mensch sein Brot im Schweiße des Angesichtes zu essen verdammt sei – und dieses Bibelwort bestimmte ihn auch zu dem Entschlusse, streng danach zu handeln, fleißige Arbeit mit seinen Händen zu tun und auf geistige Grübelei zu verzichten. So kam es denn mit der Zeit, daß seine Fortschritte in der Gelehrsamkeit, und die Art, wie er die erworbenen Kenntnisse verwerten zu wollen schien, den ehrgeizigen Hoffnungen der Mutter nicht eben schmeichelten. Freilich erhob er keinen Widerspruch gegen die Zumutung, Geistlicher zu werden; nur stellte er Gewährung freien Wortes zur Bedingung und daß er sechs Tage in der Woche das Feld bauen dürfe, mithin bloß jeden siebenten zu predigen brauche, wie daß er nach der Predigt mit irgend einem fetten Vogt oder Laird zu Mittag essen, nach dem Tische eine Pfeife rauchen, einen Krug Bier trinken und dann sich insgeheim über das unerschöpfliche Thema: »Quid faciat laetas segetes,« verbreiten dürfe.

Hierzu gehörte aber, abgesehen von dem Besitz einer Pfarre, die keiner erlangen konnte, der sich nicht in die Lehren der bischöflichen Kirche und andere Greulichkeiten der Zeit fügte, Geld und andere Förderung, und ob, wenn sich Trips brave Mutter – wenn er die Förderung fand – wirklich entschlossen hätte, sich von dem Gelde zu trennen, oder ob ihr schließlich Geld doch wichtiger gewesen wäre als aller Presbyterianismus, bleibt wohl für alle Zeiten fraglich insofern, als es dem Schicksal gefiel, ihren Eifer nicht auf eine so harte Probe zu stellen. Sie starb nämlich, ehe ihr Sohn seine Studien vollendet hatte: ein Verlust, der ihren Gatten tiefer betrübte, als man erwarten konnte.

Der erste Schritt, den der alte Jasper nach endlich erlangter Haus-Autonomie tat, war, daß er den Sohn von St.-Andrews heimrief, damit er ihm bei seinen häuslichen Arbeiten zur Hand gehe. Nun hätte man meinen sollen, daß Triptolemus, der nun in die Praxis übertragen sollte, was er in der Theorie so emsig studiert, sich (um ein Gleichnis zu brauchen, das er gewiß für sehr treffend gehalten hätte) wie ein Füllen auf der Weide vorkommen würde. Doch was sind Gedanken, was sind Hoffnungen beim Geschlechte des Menschen!

Ein lachender Philosoph, der Demokrit unserer Zeit, hat einmal das menschliche Leben mit einer arg durchlöcherten Tafel verglichen, bei der für jedes Loch ein genau passender Stift vorhanden sei. Da aber diese Stifte schnell und ohne Bedacht in die Löcher gesteckt würden, bliebe dem Zufall ein so freies Spiel, daß es zu den seltsamsten Mißgriffen käme. – »Denn,« schließt der Philosoph mit kräftigem Pathos, »wie oft sehen wir nicht, daß ein runder Mensch in einem dreieckigen Loche steckt?« Diese neue Erklärung der Zufallslaunen erregte bei jedem Anwesenden ein krampfhaftes Gelächter, einen fetten Gemeindevorstand ausgenommen, der, den Fall persönlich nehmend, versicherte, mit solcher Sache sei nicht zu spaßen. Um nun dies treffliche Gleichnis weiter zu führen, muß ich sagen, daß es mir vorkommt, als sei Triptolem aus dem Sacke mit Stiften wenigstens um ein Jahrhundert zu früh ins Leben geschüttet worden. Hätte er zu unseren Lebzeiten die Weltbühne betreten, d. h. während der letzten dreißig bis vierzig Jahre, geblüht, so wäre er sicher stellvertretender Vorsitzender irgend einer großen Ackerbau-Gesellschaft geworden. Eine solche Stelle hätte ihm nicht entgehen können, und wäre von ihm auch gerecht ausgefüllt worden, denn in der Materie selbst war er gründlich zu Hause – besser als mancher Herzog oder Lord, den man zum wirklichen Vorsitzenden macht, obgleich er manchmal kaum zu unterscheiden weiß zwischen einem Karrengaul und einem Gaul mit Karren,

Aber ach! Triptolemus Yellowley war, wie schon bemerkt, wenigstens um ein Jahrhundert zu früh auf die Welt gekommen, und statt in einen bequemen Fauteuil mit bequemen Armstützen gesetzt zu werden, damit er, mit dem Hammer in der Faust und einem Glase Portwein vor sich, einen Spruch ausbringe »auf Ackerbau, Viehzucht und verwandte Zweige«, wurde er von seinem Vater an den Pflug gestellt und mußte Ochsen führen, deren Rücken er aber, statt mit der Peitsche, viel lieber mit dem Tranchiermesser bearbeitet hätte. Der alte Jasper führte bald bittere Klage, daß sein gelahrter Sohn (den er »im abgekürzten Verfahren« immer nur »Tolimus« nannte) wohl die herrlichsten Reden über Gemeindeweiden, Koppel und Wechselwirtschaft, Freizucht und Inzucht zu halten wisse, daß aber unter seinen Händen gar nichts gedeihen wolle. Schlimmer aber wurde es in dieser Hinsicht noch, als Vater Jasper nach einigen Jahren durch das Alter gezwungen wurde, dem akademischen Jünger die Zügel zu überlassen. Als ob die Natur einen untilgbaren Groll gegen ihn hegte, hatte er eine der schlechtesten, undankbarsten Pachtungen in den »Mearns« bekommen, einen Fleck tatsächlich, der alles hervorzubringen schien, nur nichts von all dem, was ein Landmann braucht. Disteln, die dürres, Farnkräuter, die sumpfiges Land, Nesseln, die Kalkboden verraten sollen, – wuchsen in Hülle und Fülle – Furchen und Steine gab es im Ueberfluß; und auch an Quellen mangelte es nicht, bloß brachen sie nur überall dort aus der Erde, wo sie wenig oder gar nicht am Platze waren. Vergebens mühte sich der arme Triptolemus, bald nach diesem bald nach jenem Rezepte, den Boden, nach Maßgabe seiner Eigenschaft, zu bewirtschaften. Aber er gewann weder die Butter aufs Brot, noch das Brot zur Butter – und abgesehen von einem halben hundert Morgen eingehegten Landes, auf das schon sein Vater all seine Arbeitskraft und Arbeitslust beschränkt hatte, gab es kaum noch einen Winkel in der ganzen Pachtung, der zu etwas anderem gut war, als Geräte darauf zu zerbrechen, oder Vieh darauf zu Tode zu schinden. Was einkam, ging für Unterhaltungskosten der Pachtung und mit Experimenten drauf, zu denen sich Triptolemus nie nötigen ließ. Hätte er in unserer Zeit gelebt, so hätte es mit ihm gar bald ein Ende gehabt. Ein sogenannter Bank-Kredit, hinter dem ein kurzer Wechselkredit, im Verein mit einem Leben in dulce jubilo gekommen wäre, hätte da Hof, Ernte und Viehstand bald unter Sequester gebracht. Zur damaligen Zeit aber ging es mit dem Zugrunderichten noch nicht so geschwind. In dieser Hinsicht standen nämlich sämtliche schottische Pächter so ziemlich auf der gleichen Stufe, so daß es ebenso schwer war, in die Höhe zu kommen wie sich den Hals zu brechen; sie befanden sich eben durchweg in jener Situation, worin es keinen Kredit, also an allen Ecken Not und Jammer gibt, worin aber, da keiner Schulden machen, auch keiner bankerott werden, also höchstens eben verhungern kann.

Was Triptolemus, trotz aller Experimente, noch leidlich vorm letzten Radikalmittel bewahrte, waren die Ersparnisse, die seine Schwester Barbara durch ihre beispiellose Praxis im Haushalt und durch ihren unverwüstlichen Fleiß machte: Eigenschaften, die jenem Philosophen, der den Satz predigte: Schlaf sei nur ein Begriff und Essen eine Gewohnheit, – als lebendige Beweismittel hätten gelten können. Barbara Yellowley war früh auf, ging spät schlafen und stand bei ihren mit Arbeit überlasteten Mägden in dem Rufe, es an Wachsamkeit mit jedem Hunde, ja jeder Katze aufzunehmen. Satt zu werden schien sie an Luft – und vermißte diese leibliche Tugend zu ihrem größten Aerger an ihrem Bruder und ihrem Instvolk. Aber nie wäre es ihr einmal eingefallen, ein Stück Vieh zu schlachten, um dem Bruder einen frohen Tag zu machen: ein Glück, daß derselbe nachgiebigern Sinnes war und sich leicht lenken ließ, mithin sich bald an diese immerwährende Karenz gewöhnte und sich schon glücklich schätzte, wenn er zu seinem Haferkuchen ein Stückchen Butter bekam und, da die Wohnung an den Ufern des Esk lag, dem schlimmen Zwange entging, an den sieben Tagen der Woche immer sechs Lachse essen zu müssen.

Trotzdem nun Barbara alle Ersparnisse zu der Wirtschaftsmasse schlug und der Brautschatz der Mutter nach und nach mit draufging, näherte sich doch endlich der Augenblick, wo es unmöglich schien, den Kampf gegen die »ungünstigen Gestirne des Triptolemus« (wie er selbst immer die natürliche Folge seiner unvernünftigen Spekulationen nannte) weiterzuführen. Zum Glück für Triptolemus und Barbara stieg im bösesten dieser bösen Momente ein Gott zu ihrem Beistand vom Himmel nieder, oder – um nüchtern zu sprechen, – dem edlen Lord, dem die Pachtung gehörte, gefiel es in seinem, von sechs Läufern bedienten Sechsspänner sich im vollen Prunk des siebzehnten Jahrhunderts nach seinem Landsitze kutschieren zu lassen.

Dieser Standesherr war der Sohn jenes Edelmannes, der den alten Jasper aus Yorkshire von den »Mearns« weg und hierher gelockt hatte, und, gleich seinem Vater ein Mann voller Pläne und Entwürfe. Er hatte aber im Zeitenlaufe insofern gut für sich gesorgt, als er sich auf eine gewisse Reihe von Jahren die selbständige Verwaltung der entfernten Orkney- und Shetland-Inseln gegen Entrichtung eines geringen Pachtgroschens, mit der Befugnis den Titel eines Lord-Kämmerlings zu führen, zu verschaffen gewußt hatte.

Seine Herrlichkeit meinte nun, und zwar ganz richtig, daß zu solchem Titel auch Mittel gehörten, und daß die Mittel erst reichlich fließen könnten, wenn der Anbau der Kronländereien aus den Orkney-Inseln und auf Shetland melioriert würde – er blies also mit unserem Freunde Triptolemus in das gleiche Horn, und da ihm Triptolemus auch sonst einigermaßen bekannt war, kam ihm der Einfall, seine Pläne durch diesen in die Praxis zu überführen. Er ließ ihn also nach dem Herrenhause holen und war mit der Art, wie unser Freund das Thema erfaßte, so zufrieden, daß er keine Minute säumte, sich solches wichtigen Beistandes zu versichern. Die Bedingungen, die er Triptolemus einräumte, der durch langjährige Erfahrung einen dunklen Begriff bekommen hatte, daß es bei aller Geschicklichkeit schließlich doch besser sei, wenn Mühe und Gefahr auf Kosten eines Unternehmers gingen, stellten denselben willig zufrieden. Dafür wußte Trip die Aussichten auf Profit so rosig zu malen, daß dem Lord-Kämmerling alle Lust, seine Beamten auf Teilnahme am Gewinn zu stellen, – abhanden kam, weil er nämlich, nach Abzug des guten Gehalts für seinen Verwalter, alles selbst zu schlucken für vorteilhafter fand. Barbara wäre, als sie von dem glücklichen Abkommen Kunde bekam, am liebsten an die Decke gesprungen, wenn sich solche Motion mit ihren Ansichten von Sittsamkeit vertragen hätte. Triptolemus seinerseits war nun, während er die nötigen Ackerbauwerkzeuge bestellte, die bei dem Inselvolk eingeführt werden sollten, eine Zeitlang Stammgast in jedem Wirtshause. Heutzutage würden sich dieselben freilich gar wunderlich ausnehmen, aber alles ist nun einmal relativ, und die schwere Karrenladung, die man den alten schottischen Pflug nennt, wäre einem schottischen Pächter jener Zeit nicht minder schnurrig vorgekommen, als Helm und Harnisch eines Soldaten aus der Zeit des Cortez den Regimentern unsrer Armee. Dennoch eroberte Cortez Mexiko, und der alte Schottenpflug wäre für den Ackerbau in Thule keine unwesentliche Verbesserung gewesen.

Weshalb Triptolemus den Aufenthalt in Shetland dem auf den Orkney-Inseln vorzog, ist nie bekannt geworden. Vielleicht hat er die Bewohner dieser Infelflur für simpler und fügsamer gehalten, als sie es sind: vielleicht hat er auch Haus und Pachtung – die in der Tat leidlich waren – denen vorziehen zu sollen gemeint, die er auf Pomona hätte wählen können. In Hafra – oder, wie es dann und wann, nach den Ueberbleibseln einer Piktenfeste, die fast dicht beim Wohnhause lagen, auch hieß, Stourbourgh – nahm des Lord-Kämmerlings Substitut in der Fülle seiner Machtvollkommenheit sein Domizil, mit dem festen Entschlusse, seinem Namen dadurch Ehre zu machen, daß er die Shetlander durch Vorschrift und Beispiel einer besseren Kultur entgegenführte.

Fünftes Kapitel

Wir können nur hoffen, daß den freundlichen Leser der letzte Teil des vorigen Kapitels nicht gelangweilt haben möge – soviel aber dürfen wir als gewiß annehmen, daß seine Ungeduld nicht so groß gewesen sein kann, wie die des jungen Mertoun, der – während Blitz auf Blitz folgte, der Wind, von einem Punkte der Windrose zum andern laufend, mit der Gewalt eines Orkans wehte, und der Regen in Strömen floß – an das Tor von Stourbourgh donnerte, dabei rief und schrie, ohne zu begreifen, wie man einem Fremden bei so furchtbarem Wetter den Eintritt wehren könne. Zuletzt aber wurde er inne, daß alles Lärmen unnütz sei, und nun trat er soweit vom Hause zurück, daß er die Schornsteine genau sehen konnte; und was sah er da zu seinem namenlosen Entsetzen? daß keine Spur von Rauch aufstieg, obgleich es nahe an Mittag war, damals die Essenszeit auf dieser Inselflur.

Jetzt trat nun an Stelle der Ungeduld Teilnahme und Besorgnis; denn an die unbedingte Gastfreiheit der shetländischen Inseln gewöhnt, konnte er keine andere Erklärung für den Fall finden, als daß die Familie, die hier ihren Sitz hatte, von einem schweren, unerklärbaren Unglück heimgesucht worden sei. So sah er sich nun nach einem Platze um, von wo aus sich in das Haus eindringen lasse, um über die Lage der Bewohner Klarheit und für sich selbst Obdach und Unterkunft zu gewinnen. Aber seine Bekümmernis war ebenso grund- und zwecklos wie seine Hast, denn Triptolemus und seine Schwester hatten sein Klopfen und Rufen recht gut gehört und sich schon geraume Zeit heftig darum gezankt, ob sie das Tor öffnen sollten oder nicht.

Barbara oder, wie sie von Triptolemus genannt wurde, Baby Yellowley wollte von Gastfreundschaft nichts wissen, war vielmehr von Cauldshouters, ihrem Pachthof in den »Mearns«, her allem vagierenden Volk in der schlimmsten Erinnerung; kein Bettler, Hausierer oder Kesselflicker, selbst der verschlagenste nicht, konnte sich rühmen, die Klinke des Tors dort offen gefunden zu haben. Das folgende Gespräch zwischen Bruder und Schwester wird über die Gründe, die zum Zank zwischen ihnen führten, Aufschluß geben können.

»Der Himmel gebe seinen Segen,« sagte Triptolemus, in der alten Schulausgabe seines Vergil blätternd; »das ist 'mal wieder ein Tag, um Gerste zu säen; sagte nicht schon der weise Mantuaner: ventis surgentibus? Wie es im Gebirge heult – wie es von den Küsten schallt! Aber – Baby, wo sind die Wälder? Wo finde ich nemorum murma hier in unsrem neuen Wohnsitze?«

»Was hast Du wieder für dummes Zeug im Kopfe?« rief Baby, den Kopf aus einem finstern Loch in der Küche hervorsteckend, wo sie irgend ein häusliches Geschäft verrichtet hatte.

Triptolemus, mehr aus Gewohnheit als Absicht das Wort an sie richtend, hatte kaum ihre spitze, rote Nase, ihre funkelnden grauen Augen und scharfen Züge erblickt, als ihm auch schon beifiel, daß ihr solche Frage kaum recht kommen würde, und es ihm rätlicher bedünkte, sich lieber einer neuen Flut von Scheltworten auszusetzen, als das Gespräch von neuem zu beginnen,

»Nun, Yellowley,« sagte Baby, in die Mitte der Stube tretend, »warum denn solch Geschrei nach mir? Du solltest doch wissen, daß ich noch mitten in der Arbeit stecke.«

»Ach, ich habe eigentlich gar keinen Grund, Baby, Dich zu behelligen; ich dachte nur, an Meer und Wind und Regen fehlte es uns freilich nicht – wohl aber an Holz! Wo ist das Holz, Baby? he! sag es nur, wo ist das Holz?«

»Das Holz?« wiederholte Baby, – »ginge ich damit nicht haushälterischer um als Du, Bruder, dann gebe es in der Nähe wohl bald kein Holz weiter als den Klotz, den Du als Kopf auf Deinen Schultern trägst. – Meinst Du aber das Treibholz, das gestern angeschwommen, so sind zwölf Lot davon heute früh auf Deine Suppe gegangen – ich freilich meine, daß sich jeder sparsame Mensch statt mit Suppe auch mit Drammock [Mehl mit kaltem Wasser eingerührt] einrichten könnte, statt daß man zum Mehl auch noch Feuerung wegen des bißchens Frühstücks verbrauchen muß.«

»Du meinst Baby,« sagte Triptolemus, der nach seiner Weise auch einmal, wenn auch nur trocken, scherzen konnte, »wer Feuer hat, soll nicht essen, und wer zu essen hat, soll kein Feuer anmachen, da beides zu viel des Guten für einen Tag sei? Nun, daß Du uns vor Kälte und Hunger nicht unice contextu umkommen lassen willst, freut mich wenigstens; aber wenn ich Dir die Wahrheit gestehen soll, so habe ich mir mein Lebtag aus rohem Mehl in kaltem Wasser nichts gemacht – ich lobe mir nun einmal was Warmes.«

»Schlimm und dumm genug von Dir,« sagte Baby. »Könntest Dir mit der warmen Suppe auch Sonntags genügen lassen und in der Woche Drammock essen – wozu die Schleckerei? es ist doch bloß ein kurzes Stück, wo's gut schmeckt! und dann gibt's manchen, der ganz anders aussieht wie Du, und sich doch alle Finger nach einem Teller Suppe lecken würde.«

»Da sei Gott vor, Schwester!« erwiderte Triptolemus; »dann braucht' ich doch weder Feld zu bestellen, noch den Pflug zu spannen, sondern könnt mich ruhig hinlegen und auf den Tod warten; denn soviel, daß ganz Shetland sich ein Jahr an Mehl satt essen könnte, haben wir im Hause – und Du willst mir nicht einmal einen Teller warmer Suppe gönnen, trotzdem ich Dir doch über jeden Pfennig Rechenschaft ablegen muß?«

»Still! halte Deine geschwätzige Zunge,« sagte Baby, indem sie einen scheuen Blick durch die Stube warf; »wahrhaftig, Du bist gerade der Rechte, davon zu sprechen, was wir im Hause haben, und alles zusammenzuhalten und über allem die Augen zu halten! – Horch! So wahr ich lebe, draußen klopft jemand.«

»Dann geh und mach auf, Baby,« sagte der Bruder, froh, daß sich ein Umstand fand, der dem Gespräch ein Ende machte.

»Gehen und aufmachen?« wiederholte Baby, böse, erschrocken und schadenfroh zu gleichen Teilen – »so? gehen und aufmachen? Ich soll wohl Räuber ins Haus lassen, damit sie uns das bißchen noch wegschleppen, was wir haben?«

»Räuber?« fragte Triptolemus, »ei, Baby, in Shetland gibt's ihrer kaum oder gerade soviel, als Weihnachten Lämmer. Ich hab's Dir doch schon oft genug gesagt, daß es hier keine Hochländer gibt, die uns in Angst setzen könnten. In Shetland herrschen Ruhe und Ehrlichkeit. O, fortunati nimium!«

»Und was soll Dir Sankt Ninian nützen, Triptolemus?« sagte die Schwester, sein Zitat für die Anrufung eines Landes-Heiligen haltend. »Es gibt hier ebenso böse Leute wie im Hochlande; erst gestern ist ein halb Dutzend verdächtiger Kerle um unser Haus geschlichen, mit allerhand seltsamem Werkzeug in den Händen, Walfischmessern, wie sie sagten, aber Hirschfängern so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Ehrliches Volk führt doch solche Geräte nicht!«

Das Klopfen und Rufen draußen wurde immer deutlicher; die Geschwister sahen einander erschrocken und ängstlich an.

»Wenn sie von unserm Silber was gehört haben,« sagte Baby, deren rote Nase blau vor Schrecken wurde, »so sind wir verlorene Leute.«

»Und wer spricht jetzt, wo er still sein sollte?« sagte Triptolemus. »Geh ans Schiebfenster und sieh nach, wieviel es ihrer sind, während ich die alte Entenflinte lade; – aber geh wie auf Eiern.«

Baby schlich ans Fenster und meldete, es sei nur einer draußen zu sehen, ein junger Mensch, der aber lärmte und schrie, als ob er toll wäre ... Wieviel noch im Hinterhalt lägen, könne sie nicht sagen.

»Im Hinterhalt? – Dummes Zeug!« sagte Triptolemus und legte den Ladestock, den er mit zitternder Hand ergriffen hatte, weg ... »Ich stehe dafür, daß keiner weiter zu sehen und zu hören ist; wer soll's denn sein, als irgend ein armer Schelm, den der Sturm überfallen hat und der ein Obdach sucht? Mach auf, Baby, Du tust ein christliches Werk.«

»Tut er aber ein christliches Werk, so zum Fenster hereinzukommen?« sagte Baby und schrie jämmerlich auf, als Mordaunt, der ein Fenster eingeschlagen hatte, jetzt mit einem Satze in die Stube sprang, am ganzen Leibe triefend wie ein Flußgott.

Triptolemus legte die Flinte an, die er noch nicht geladen hatte, – da aber rief der Fremde: »Halt! halt! halt! – Was soll das heißen, bei einem Wetter, wie es draußen tobt, die Tür zu verriegeln und die Flinte auf Menschen anzulegen, als ob es Seehunde wären?«

»Und wer seid Ihr, Freund, und was wollt Ihr?« fragte Triptolemus, das Gewehr absetzend.

»Was ich will,« sagte Mordaunt; »alles mögliche! Essen, trinken, Feuer, ein Bett für die Nacht, und morgen einen Klepper, mich nach Jarlshof zu bringen.«

»Und Du sagst, es gebe keine Räuber oder Freibeuter auf Shetland?« fragte Baby schnippisch den Bruder ... »Hat jemals so ein Plaidmann von Lochnaben freier herausgeschrieen, was er verlange? Ohne Umstände, Freund,« fügte sie hinzu, sich an Mordaunt wendend: »zieht Euer Schild ein und geht Eurer Wege! Dieses Haus gehört dem Verwalter Seiner Herrlichkeit und ist keine Herberge, sei es für Bekannte, sei es für Freibeuter.«

Mordaunt lachte ihr ins Gesicht ... »O, gehen,« sagte er, »in solchem Wetter? Wofür haltet Ihr mich? Etwa für eine Solandsgans oder einen Kormoran, daß ich mich, weil ihr in die Hände schlagt und wie eine Besessene schreit, aus dem Hause und wieder in das Wetter hinausscheuchen lassen soll?«

»Und so wollt Ihr wirklich, junger Mann,« sagte Triptolemus im vollsten Ernste, nolens volens, d. h. ob mit, ob ohne unseren Willen, in unserem Hause bleiben?«

»Wollen?« wiederholte Mordaunt; »welches Recht hab ich, hier etwas zu wollen? Hört Ihr nicht den Donner? Hört Ihr nicht den Regen? Seht Ihr nicht den Blitz? Und wißt Ihr nicht, daß dies auf viele Meilen in der Runde das einzige Haus ist? Hört einmal, guter Herr, und Ihr, gute Frau, das mag wohl schottischer Spaß sein, aber ich versichere Euch, in shetländischen Ohren klingt er sehr übel. Das Feuer habt Ihr auch ausgehen lassen, und meine Zähne klappern vor Kälte im Munde. Aber das will ich bald in Ordnung bringen.«

Mit diesen Worten ergriff er die Feuerzange, scharrte die glühende Asche auf dem Herde zusammen, brachte den Torf, der, wie die sparsame Hauswirtin gerechnet hatte, noch mehrere Stunden Glut halten sollte, erblickte in einem Winkel den Vorrat von Treibholz, den Baby unzenweis zu verbrauchen gedachte, schleppte ein paar Blöcke heran und warf sie in den Herd, der über eine so ungewohnte Zubuße so lustig wurde, daß er dicke Rauchwolken, wie man sie seit vielen Tagen in Hafra nicht gesehen, zum Schornstein heraussspie.

Während der ungebetene Gast sich benahm, als ob er zu Hause sei, trieb Baby den Bruder in einem fort, ihn zum Hause hinauszujagen. Aber Triptolemus fühlte hierzu weder Mut noch Neigung; zumal die muskelhaften Glieder Mordaunts, die in dem Matrosen-Anzuge doppelte Stärke verrieten, keinen günstigen Ausgang eines etwaigen Kampfes zu versprechen schienen. – Mordaunts dunkles, blitzendes Auge, sein schön geformter Kopf, seine muntern Gesichtszüge, sein dichtgelocktes dunkles Haar, seine kühnen, freien Blicke bildeten einen auffallenden Gegensatz zu dem Wirte, in dessen Nähe er sich so selbständigerweise begeben. Triptolemus war ein kurzer, plumper, watschelbeiniger Schüler der Ceres, mit aufgestülpter, an der Spitze von Kupfer gefärbter Nase, die auf gelegentlichen Verkehr mit Gott Bacchus hinzuweisen schien; sonst ein ehrlicher, gutmütiger Wicht, der von seinem Gast rasch die Meinung gewann, daß ihn keinerlei schlimme Absicht herführe. Die Schwester hätte noch soviel hetzen können, so wäre es ihm doch schwerlich eingefallen, einem Jünglinge von so einnehmendem Aeußern ein so vernünftiges, durch die Not so tiefbegründetes Verlangen nicht zu erfüllen – und so überlegte er nur, wie er sich am besten, statt als rauher Schirmherr seiner Burg gegen unbefugten Zuspruch, als gastfreien Wirt aufspielen könne – als Baby, vor Staunen über Mordaunts unerhörten Freimut im Tun und Reden ganz außer sich, wieder zum Worte griff ...

»Wahrhaftig, Bursche,« sagte sie zu Mordaunt, »blöde bist Du nicht, ein solches Feuer anzuzünden, und noch dazu vom besten Holze; Dir ist wohl Torf nicht einmal gut genug?«

»Euch hat's ja doch nicht viel gekostet,« erwiderte Mordaunt munter – »und was Euch das Wasser umsonst bringt, solltet Ihr dem Feuer nicht vorenthalten – die stattlichen Eichenklötze haben hienieden den letzten Dienst getan zu Lande und Wasser, denn sie konnten unter den braven Leuten, mit denen das Boot bemannt war, nicht mehr zusammenhalten.«

»Das mag wohl sein,« erwiderte Baby, etwas milder gestimmt, »es muß ja auf dem Meere schrecklich gehaust haben. Setzt Euch und wärmt Euch, da das Holz nun doch einmal brennt.«

»Ja, ja,« sagte Triptolemus, »solch helles Feuer zu sehen, wärmt einem Herz und Leib. Seit ich von Culdacres fort bin, hab ich keins wieder gesehen von solcher Art.«

»Und sollst es auch so bald nicht wiedersehen,« sagte Baby, »es müßte denn sein, daß das Haus in Brand geriete oder eine Kohlengrube entdeckt werde.«

»Und warum sollte keine Kohlengrube entdeckt werden?« rief der Verwalter triumphierend. »Warum in Shetland nicht, so gut wie in Fife, da der Kümmerling jetzt einen umsichtigen, besonnenen Mann meines Wissens an Ort und Stelle hat, die nötigen Nachforschungen anzustellen? Beides sind ja doch Fischerplätze!«

»Ich muß Dir nun sagen, Triptolemus,« antwortete seine Schwester, die freilich triftige Gründe hatte, vor brüderlichen Spekulationen auf der Hut zu sein, »daß, wenn Du dem Lord gar so viele schöne Aussichten eröffnest, unseres Bleibens hier wahrscheinlich nicht lange sein wird. Versprechen bedingt halten, mein Lieber.«

»Und warum sollte ich nicht halten, was ich verspreche,« versetzte Triptolemus. »Dir ist freilich wohl noch nie in den Kopf gekommen, daß es auf Orkney eine Gegend gibt, die Ophir, oder so ungefähr, heißt; warum könnte nicht Salome seine Schiffe und Sklaven dahin geschickt haben, um vierhundert und fünfzig Talente zu holen? Ich sollte meinen, daß dieser weise König über Juda am besten hat wissen müssen, wohin er sich zu wenden hatte; und an die Bibel, Baby, glaubst Du doch hoffentlich noch?«

Baby wurde durch die Berufung auf die Heilige Schrift – so wenig am Platze sie auch sein mochte, – zur Ruhe verwiesen und brummte bloß noch ein ungläubiges, verdrossenes Hm hm! – während Triptolemus, zu Mordaunt gewendet, fortfuhr:

»Ja, Ihr sollt sehen, was selbst in einem so kümmerlich bedachten Lande wie dem unsrigen, alles anders werden kann, wenn Bargeld hineingesteckt wird – von Kupfer oder Eisenstein habt Ihr auf diesen Inseln wohl noch nie was vernommen?«

Mordaunt sagte, seines Wissens gäbe es Kupfer in der Nähe der Klippen von Kings-Bourgh.

»Ja, und Kupferschaum auch auf dem Loch Swana, junger Mann! Aber von Euch jungem Volk ist ja der dümmste, Eures Wissens, noch immer klüger als Männer von meinem Alter und Schlage.«

Baby, die den Jüngling die ganze Zeit über aufmerksam im Auge behalten, trat ihm jetzt auf eine dem Bruder gänzlich unerwartete Weise zu Hilfe.

»Es wäre wohl gescheiter, Trip,« sagte sie, »dem jungen Menschen trockene Kleider und etwas Essen zu geben, als ihm solchen Wind vorzumachen, für den doch das Wetter schon zur Genüge gesorgt hat. – Auch einen Schluck möcht er wohl nehmen, wenn Du ihm einen anbötest?« – Triptulemns, ganz verwundert über solches Ansinnen, ging mit sich zu Rate, kam aber zu dem gleichen Schlusse und führte den Jüngling in eine andere Stube, gab ihm dort Kleider von sich und ließ ihn allein, sich umzuziehen, während er selbst nach der Küche zurückkehrte, außer stande, für die ungewöhnliche Anwandlung von Gastfreundschaft bei der Schwester eine Erklärung zu finden ...

»Das ist doch kurz vor ihrem Tode,« sagte er, immerhin ein wenig ängstlich, »und wenn ich auch bei ihrem Ableben Erbe ihres mütterlichen Vermögens werde, sollte es mir doch leid um sie sein, denn sie hält das Hauswesen gut in Ordnung, wenn auch das Wort auf ihr Regiment zutrifft: je straffer der Gurt, desto fester der Sattel.«

In der Küche angelangt, fand Triptolemus neue Nahrung für seine Ahnungen, denn Barbara war eben damit beschäftigt, eine geräucherte Gans, die mit anderen ihres Geschlechtes schon lange im Schornstein gehangen, in einen Kochtopf zu hängen ... »Einmal muß sie doch gegessen werden,« hörte er sie nun gar murmeln, »warum sollte also der arme Mensch sie nicht verzehren?«

»Schwester,« rief Triptolemus, »Topf und Backschüssel zugleich am Herde? »Was haben wir denn für einen Tag heut?« – »Einen Tag, wie ihn die Israeliten bei den Fleischtöpfen Aegyptens hatten, Triptolemus; aber Du weißt ja nicht, wen Du an diesem gesegneten Tage in Deinem Hause als Gast siehst!«

»Nein, das weiß ich freilich nicht,« sagte Triptolemus; »so wenig als ich ein Pferd kennen würde, das ich nie vorher gesehen. Ich hätte den Burschen für einen Hausierer gehalten, aber er hat kein Bündel bei sich und ist von guter Art und Sitte.«

»Du weißt wahrhaftig keinen Deut mehr als Deine Ochsen,« eiferte Baby. »Kennst Du Tronda Dronsdaughter nicht?« – »Tronda Dronsdaughter?« wiederholte Triptolemus; »die muß ich doch kennen, wenn ich ihr täglich zwei Pfennige schottisch für Arbeit in unserm Hause bezahle? trotzdem sie freilich arbeitet, als ob sie sich die Finger dabei verbrennte! Wahrhaftig, lieber gäbe ich einem schottischen Mädchen einen Grot englisches Silbergeld.«

»Das erste kluge Wort, das Du an diesem gesegneten Morgen gesprochen! Nun, Tronda kennt den Burschen und hat mir oft von ihm erzählt. Den stillen Mann von Sumbourgh nennt man seinen Vater; aber trotzdem soll er, heißt's, ein boshafter Kerl sein.«

»Still – dummes Zeug! Mit dergleichen Geschwätz sind die Leute gleich bei der Hand, wenn sie arbeiten sollen – da finden sie immer schnell was heraus, das ihnen nicht paßt.«

»Schon gut, Bruder; mußt bloß nicht denken, Du seiest allein gescheit, weil Du in St.-Andrews Lateinisch gelernt,« sagte Baby; »kannst mir aber mit all Deiner Weisheit wohl nicht sagen, was der Bursch um den Hals hat?«

»Ein Barcelona-Halstuch!« rief Baby, lauter als bisher; dann aber schnell wieder die Stimme senkend, als fürchte sie, belauscht zu werden; »eine goldene Kette hat er um, sage ich Dir!«

»Eine goldene Kette!« rief Triptolemus.

»Gewiß, Freund, und wie gefällt Dir das? Bei den Leuten heißt's, wie Tronda erzählt, der Zwerg-König hätte sie dem stillen Manne von Sumbourgh gegeben.«

»Entweder rede vernünftig oder spiele die stille Frau,« versetzte anspielend Triptolemus. »Aus all Deinen Worten geht für mich weiter nichts hervor, als daß der Bursche des fremden Mannes Sohn ist; und aus all Deinem Tun ersehe ich nichts andres, als daß Du ihm die Gans gibst, die bis zu Michaelis aufbewahrt werden sollte.«

»Je nun, Bruder, wir müssen doch was tun, uns Freunde zu machen; und der Bursche,« setzte Baby hinzu (denn auch sie war nicht ganz der Vorliebe ihres Geschlechts für ein hübsches Aeußere ledig) – »hat wirklich ein hübsches Gesicht.«

»Du hättest,« sagte Triptolemus, »wohl sein, wie manches andere hübsche Gesicht ungetröstet an Deiner Tür vorbei gehen lassen – wenn nicht die goldene Kette wäre.«

»Gewiß, gewiß!« antwortete Barbara; »oder sollt ich unser bißchen Hab und Gut jedem Bettler und Landstreicher an den Hals werfen, den sein Weg an einem Regentag bei uns vorüberführt? Der Bursche hier hat aber einen guten Namen im ganzen Lande, und Tronda sagt, er würde eine Tochter des reichen Udallers Magnus Troil heiraten, und der Hochzeitstag solle gleich festgesetzt werden, sobald er sich eins von den beiden Mädchen ausgesucht habe – und was sollte wohl werden, wenn wir ihn nicht ordentlich bewirten wollten, trotzdem wir ihn nicht eingeladen haben?«

»Der beste Grund,« sagte Triptolemus, »einen Menschen ins Haus zu lassen, ist immer, daß man sich nicht getraut, ihm zu sagen, daß er gehen soll. Da wir indes hier einen Mann von Stand vor uns haben, soll er auch wissen, mit wem er in meiner Person zu hat.«

Und so ging er an die Tür und rief: »Heus tibi, Dave«!

»Adsum!« antwortete der Jüngling, in die Stube tretend.

»Hm!« sagte der gelehrte Triptolemus, »also in humanioribus nicht unbewandert? Ich will ihm aber weiter auf den Zahn fühlen. – Versteht Ihr was vom Landbau, junger Mann?«

»Nein, Herr, denn ich lernte nur das Meer pflügen und auf Klippen ernten.«

»Das Meer pflügen?« sagte Triptolemus; »Meer ist eine Furche, die der Egge wenig bedarf, und was Eure Ernte auf den Klippen betrifft, so, glaube ich, meint Ihr die jungen Möwen, oder wie Ihr sie nennt? Das ist aber eine Ernte, die der Vogt verbieten sollte, denn nirgends kann sich ein ehrlicher Mensch den Hals leichter brechen! Ich gestehe, für das Vergnügen, zwischen Himmel und Erde an einem Seile zu schweben, habe ich kein Verständnis, es sei denn, der Galgen käme in Betracht.«

»Nun, versuchen könntet Ihr es immerhin einmal,« antwortete Mordaunt; »ich für mein Teil kann mir kaum etwas Großartigeres denken, als in freier Luft zwischen Klippe und Ozean zu schweben, an einem Seile, das kaum dicker als ein Seidenfaden erscheint, und mit dem Fuß auf einem Steine knapp so groß, daß eine Möwe drauf nisten könnte, einzig angewiesen auf Eure behenden Glieder und Euren klaren Kopf – mit der Zuversicht, verloren zu sein, wenn Euch Kopf und Glieder verlassen – das bedeutet wohl etwa soviel, als frei von der Erde sein, die Euer Fuß berührt.«

Triptolemus schüttelte zu dieser begeisterten Schilderung eines Zeitvertreibs, der so geringen Reiz für ihn besaß, bedenklich den Kopf, aber seine Schwester, des Jünglings funkelndes Auge und selbstbewußte Haltung würdigend, rief nicht ohne Wärme: »Ei, Du bist wirklich ein braver Junge!«

»Ein braver Junge!« wiederholte Yellowley, »ein braver Ganter, meine ich, sei ein besserer Name für jemand, der in der Luft herumtost, während er ruhig auf terra firma bleiben könnte. . . . Aber nun kommt, hier ist zwar kein Ganter, sondern eine Gans, die uns, sofern sie gut gekocht ist, besser munden soll. Gib uns Teller und Salz, Baby – zwar, an Salz wird's der Gans nicht fehlen – aber ein schöner Bissen ist's doch, und ich denke, die Shetländer sind die einzigen Leute in der Welt, die sich solchen Gefahren aussetzen, um Gänse zu fangen und nachher, wenn sie sie haben, zu kochen.«

»Allerdings,« sagte seine Schwester, – und das war das einzige, worin sie an diesem Tage übereinstimmten, – »einer Hausfrau in Angus oder auf den Mearns möchte es wunderlich vorkommen, eine Gans kochen zu sollen, solange es noch Bratspieße auf Erden gibt . . . Aber was ist denn das wieder?« rief sie, mit lebhaftem Unwillen zur Tür hin blickend; »weiß Gott! die Türen dürfen bloß offen sein, so kommen auch Hunde – und wer hat Dem da hereingewinkt?«

»Ich,« antwortete Mordaunt; »es kann doch Euer Wille nicht sein, einen armen Kerl in solchem Wetter vor der Tür stehen zu lassen? – Aber hier ist was, das Feuer zu schüren,« rief er, den eichenen Riegel von der Tür wegziehend und auf den Herd werfend, von dem ihn aber Jungfrau Baby mit beispiellosem Grimme wegriß, keifend:

»Es ist Treibholz, von bester Art, und er hantiert damit, als ob es Kienspan wäre! – Ei, und wer seid Ihr denn, wenn's beliebt?« – setzte sie hinzu, sich zu dem Fremden wendend, der jetzt an den Herd trat; »weiß Gott, ein Bettelwicht, wie mir sobald keiner vor die Augen gekommen.«

»Ich bin ein Jagger, zu Befehl,« – versetzte der ungebetene Gast, ein kleiner, stämmiger Mann von gewöhnlichem Aussehen, der in der Tat viel von einem Hausierer an sich hatte, die man auf dieser Inselflur »Jagger« nennt – »und nie bin ich an einem böseren Tage unterwegs gewesen, – Dem Himmel sei Dank für Feuer und Obdach!«

Mit diesen Worten zog er einen Schemel zum Feuer und setzte sich ohne weiteres nieder.

Jungfer Baby schnitt ein Gesicht, ähnlich dem eines Falken, der auf seine Beute schießt, und wollte ihrem Aerger gerade in grimmigen Worten Luft machen, als eine alte, halb verhungerte Dienerin – die oben erwähnte Tronda, die bis jetzt in einem fernen Winkel des Hauses gesteckt hatte, in die Stube gehinkt kam und Rufe ausstieß, die zu neuer Unruhe Anlaß zu geben schienen.

»Ach, gnädiger Herr!« – »ach, gnädige Herrin!« weiter konnte sie im ersten Augenblicke nichts über die Lippen bringen: dann kamen noch die abgebrochenen Worte: »Das Beste im Hause! Das Beste auf den Tisch! Und doch wird alles nicht reichen; denn die alte Norna vom Fitful-Head kommt, das schrecklichste Weib auf den Inseln!«

»Wo mag sie bloß herumgeirrt sein?« – fragte Mordaunt, nicht erschrocken wie die alte Magd, aber im höchsten Grade verwundert – »doch wozu diese Frage? je schlimmer das Wetter, desto sicherer ist die Norna auf der Landstraße zu finden.«

»Was für eine Landstreicherin kommt uns da wieder auf den Hals?« rief Baby, durch diese Menge von Gästen schier um den Verstand gebracht, in heller Verzweiflung – »aber sie sollen bald aufhören, mich zu scheren, falls mein Bruder noch einen Funken Raison im Leibe hat – und wenn's auch nur ein Halseisen noch in Galloway gibt.«

»Das Eisen, das die Norna von Fitful halten soll, hat nie den Amboß gesehen,« sagte die Magd; »sie kommt – sie kommt – um Gottes willen, seid freundlich zu ihr, oder wir bekommen keinen Haspel Garn mehr glatt.« Eine Frau, so groß, daß sie mit der Haube fast bis znr Tür reichte, setzte den Fuß über die Schwelle und machte das Zeichen des Kreuzes. Dann sprach sie mit feierlicher Stimme: »Der Segen Gottes und des heiligen Ronald sei mit der offenen Tür, aber beider Fluch und mein Fluch treffe den Geizigen!«

»Wer seid Ihr, daß Ihr in anderer Leute Haus so laut Fluch und Segen sprecht? Was ist das für ein Land, wo die Leute keine Viertelstunde ruhig sitzen und dem Himmel dienen können, ohne daß Landstreicher und Landläufer und Bettelvolk einander jagen, wie eine Flucht wilder Gänse?«

Die Worte kamen, wie der Leser errät, aus Barbaras Munde; von welcher Wirkung sie aber auf die Fremde waren, ließe sich höchstens vermuten, denn die Magd, wie auch Mordaunt wandten sich, um einen Ausbruch ihres Unwillens zu verhüten, gleichzeitig zu ihr – die Magd auf norwegisch, Mordaunt auf englisch – mit den Worten: »Es sind Fremde, Norna, die Dich weder dem Namen noch dem Wesen nach kennen – auch sind ihnen die Gebräuche unseres Landes fremd, und wir müssen ihnen darum Mangel an Gastfreundschaft nachsehen.«

»Ich weiß nichts von solchem Mangel, junger Mann,« sagte Triptolemus. » Miseris succurrere, disco – die Gans, die bis zu Michaelis im Schornsteine räuchern sollte, kocht jetzt für Euch im Topfe; und hätten wir zwanzig Gänse, so fänden wir auch, merke ich, Mägen für sie; aber das muß alles besser werden.«

»Was alles muß besser werden, schmutziger Sklav?« sagte die Fremde, sich mit einem Tone an ihn wendend, der ihn erschreckte – »bring nur Deine neugestalteten Pflugeisen, Spaten und Eggen her, und vernichte die Werkzeuge unserer Väter, von der Pflugschar bis zur Mäusefalle; aber vergiß nicht darüber, daß Du in einem Lande bist, das einst von den blondhaarigen Kämpen des Nordens erobert wurde; in einem Lande, wo das Gastrecht als heilig gilt. – Hüte Dich, sage ich Dir, vor Norna, denn so lange sie noch von der Spitze des Fitful-Head auf das unermeßliche Gewässer hinausschaut, erinnert noch immer etwas an die einstige Stärke und Macht des edlen Geschlechtes, von welchem wir stammen ... und wenn auch die Männer von Thule aufgehört haben, Kämpen zu sein und den Raben für Fressen zu sorgen, so haben doch die Weiber die Künste nicht vergessen, die ihre Ahnfrauen zu Königinnen und Seherinnen machten.«

Die Frau, die diese seltsamen Worte sprach, setzte durch ihre Erscheinung in nicht geringere Verwunderung als durch ihre Anmaßung und den selbstbewußten Klang ihrer Stimme. Dem letztern, wie ihrer Gestalt und ihrem Gesicht, nach hätte sie Wohl als Bonduca der Briten, oder als Belleda oder Aurinia der alten Goten auf jeder Bühne gelten können; wenn auch ihre edlen, scharfen Züge durch die. strenge Witterung des Landes, der sie sich beständig aussetzte, stark gelitten hatten. Alter, wohl auch Kummer hatten das Feuer ihres dunkelbraunen Auges, dessen Farbe sich fast schon dem Schwarz näherte, gemildert und ihr jetzt von der Gewalt des Sturmes arg zerzaustes Haar mit weißgrauem Schnee bestreut. Ihr Oberkleid aus grobem, dunkelfarbigem Kleide, »Wadmaral« genannt, damals auf den shetländischen Inseln wie auch in Island und Norwegen in starkem Gebrauch, triefte von Wasser. Als sie es von sich warf, kam ein kurzes Wams aus dunkelblauem Samt, mit Figuren bedruckt, zum Vorschein; die dazu gehörige Unterjacke war von hochroter Farbe und mit verblichener Silber-Stickerei besetzt; ihr Gürtel war mit Silber-Zieraten, die Gestalt der Himmelszeichen nachahmend, benäht, und ihre blaue Schürze, mit ähnlichen Zeichen bestickt, bedeckte einen Rock von hochrotem Tuche. Starke, dicke Schuhe von halb gegerbtem Leder, wie man sie anders auf der shetländischen Inselflur nicht kannte, waren mit Riemen, wie die der römischen Kothurne, über Strümpfen aus scharlachroter Wolle festgemacht: in dem Gürtel trug sie eine Waffe seltsamen Aussehens, die als Opfermesser oder Dolch gelten konnte, je nachdem sie dem, der sie betrachtete, als Priesterin oder Zauberin galt. In der Hand hielt sie einen auf allen vier Seiten gleichen eckigen Stab mit eingegrabenen römischen Schriftzügen und Bildern, einen der immerwährenden Kalender darstellend, dessen sich die alten Skandinavier bedienten, der aber von abergläubischen Menschen eher für einen Zauberstab gehalten wurde. So sah sie aus, die Norna vom Fitful-Head, von fast allen Insulanern mit Scheu, von nicht wenigen mit Ehrfurcht betrachtet, und in keinem andern Teile Schottlands, – wo damals ein krasser Hexenglaube wütete, – Ware sie den grausamen Richtern entronnen, die oft mit absoluter Machtvollkommenheit ausgerüstet waren, um alle, die,der Zauberei angeklagt waren, zu prozessieren, zu foltern und den Flammen zu überliefern, Shetland bildete eben noch eine kleine Welt für sich, wo von dem alten norwegischen Aberglauben nur das übrig geblieben war, was den Hauptteil des alten skandinavischen Glaubens ausmachte, Wenn hiernach die Eingeborenen von Thule auch zugaben, daß Zauberer ihre Wunder zum Teil durch einen Bund mit dem Satan verrichten, so herrschte doch auch der frömmere Glaube, daß es Zauberer gäbe, die mit Geistern von weniger schlimmer Art zusammen hausten: mit den allen Zwergen, die in Shetland Trows oder Brows hießen, wie auch mit Feen jüngeren Datums. Zu denen, die mit solch wesenlosen Geistern verkehrten, gehörte auch Norna, die von einer Familie stammte, die seit undenklicher Zeit den Ruf genoß, im Besitz übernatürlicher Gaben zu stehen, und nach einer der Schicksalsschwestern, die den Faden des menschlichen Lebens spinnen, genannt wurde.

Sechstes Kapitel

Kurz vor Nornas Eintritt hatte sich der Sturm einigermaßen gelegt; sonst wäre es ihr wohl nicht möglich gewesen, den Weg hierher zu finden. Kaum jedoch hatte sie unvermuteterweise die Gesellschaft vemehrt, die der Zufall in Triptolemus' Wohnung geführt, als auch der Sturm von neuem einsetzte, ja noch rasender tobte als vordem und so wild um das Gebäude raste, daß die Bewohner jeden Augenblick unter ihren Trümmern begraben zu werden fürchteten.

Baby-Barbara machte ihrer Furcht durch laute Ausrufungen Luft: »Gott schütze uns – der jüngste Tag bricht an – solch ein Land, wo es bloß Hexen und Zauberer gibt! – – Und Du, Schafskopf!« fügte sie hinzu, ihren Bruder meinend – denn ihr Grimm machte sich immer in Anwandlungen von Bosheit Luft – »Du mußt die schönen Mearns verlassen und hierher ziehen, wo man nichts im Hause hat als freches Bettlervolk und draußen nichts als des Himmels Zorn!«

»Schwester Baby,« antwortete der gekränkte Landwirt, »alles wird anders und besser werden; bloß nicht,« fügte er halblaut hinzu – »die üble Laune einer bösen Sieben, deren Mundwerk selbst bei solchem Sturm nicht Ruhe halten kann.«

Magd und Hausierer überboten sich unterdes, Norna gut zuzureden, doch in Worten, von denen der Hausherr nichts verstand, da sie der norwegischen Sprache angehörten. Norna hörte sie an, aber stolz, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken; dann sagte sie laut auf englisch: »Ich will nicht! Und wenn dies Haus morgen in seinen Trümmern läge, was würde die Welt einbüßen an dem wirren Pläneschmied und an dem Knauservolk, das jetzt darin haust? Sind sie hergekommen, unsere shetländischen Sitten zu wandeln, so mögen sie auch kosten, was shetländischer Sturm ist. – Wer nicht mit untergehen will, der verlasse dies Haus.«

Der Hausierer nahm sein Bündel und warf es auf den Rücken; die Magd nahm den Mantel um die Schultern; und beide schienen das Haus verlassen zu wollen. Triptolemus Yellowley, auf den dies Verhalten nicht ohne Eindruck blieb, fragte Mordaunt schüchtern und mit vor Furcht zitternder Stimme: ob er glaube, daß wirklich Gefahr im Spiele sei?

»Ich kann's nicht sagen,« versetzte der Jüngling, »aber solchen Sturm habe ich noch nie erlebt. Norna kann uns am besten Auskunft geben, wann er sich legen wird, denn auf dieser Inselflur versteht sich niemand besser auf die Witterung als sie.«

»Und sonst traust Du ihr nichts zu, der Norna?« antwortete die Sybille; »doch wisse, daß ihre Macht sich nicht auf so engen Kreis beschränkt! Höre mich, Mordaunt, Jüngling aus fremdem Lande, aber mit wohlwollendem Herzen – gedenkst Du, die dem Verderben geweihte Stätte mit denen zu verlassen, die sich jetzt dazu anschicken, oder nicht?«

»Nein, Norna, ich werde den Fuß nicht hinweg setzen,« erwiderte Mordaunt; »ich kenne die Gründe nicht, die Dich bestimmen, mich zu solchem Entschlusse zu bringen, und auf Deine dunklen Drohungen hin aus einem Hause zu gehen, in dem man mich bei solchem Unwetter gastfreundlich aufgenommen, steht mir nicht nach dem Sinne.«

»Er ist doch wirklich ein braver Junge,« sagte Baby, die bei aller engherzigen, neidischen Gemütsart noch immer nicht aller höheren Empfindung bar, wenn auch im Augenblicke durch die gespenstischen Drohungen der Hexe eingeschüchtert war – »er verdiente gut und gern, wenn ich sie nur hätte, ein ganzes Dutzend Gänse, gekocht oder gebraten. Er ist sicherlich aus edlem Geschlecht, und Bauernblut fließt nicht in seinen Adern.«

»Junger Mordaunt, höre auf meine Worte,« rief Norna, »und geh von hinnen! Das Schicksal verfolgt Großes mit Dir. Bleib nicht in dieser Hütte, um unter ihren kläglichen Trümmern, mit ihren noch kläglicheren Bewohnern, begraben zu werden, deren Leben so gering ist wie Hauslauch auf ihrem Dache.«

»Ich – ich – ich werde gehen,« sagte Yellowley, der sich zwar bis hierher als Weiser und Gelehrter benommen, aber um den Ausgang dieses Abenteuers sich zu ängstigen anfing, zumal das Haus alt war und unter den Stößen des Windes in allen Fugen krachte.

»Und warum?« fragte die Schwester; »der Fürst der Finsternis hat hoffentlich noch nicht soviel Macht über die, die nach Gottes Ebenbild geschaffen sind, daß ein gutes Haus über ihren Häuptern zusammenbrechen sollte, weil ein Bettelweib, wie diese,« – (hier warf sie einen furchtbaren Blick auf Norna) – »uns mit ihren frechen Worten gebieten zu können glaubt, als ob wir Hunde wären, die zu ihren Füssen kröchen.«

»Ich wollte,« sagte Triptolemus, sich seiner Furcht schämend ... »bloß nach der Gerste sehen, die der Sturm doch ganz umgelegt haben muß; aber wenn die ehrliche Frau bei uns bleiben will, so wäre es wohl das beste, wir setzten uns alle zusammen ruhig nieder, bis das Wetter die Arbeit wieder gestattet.«

»Ehrliche Frau!« wiederholte Baby; »spitzbübische Hexe, sag lieber« – dann sich direkt gegen Norna wendend, rief sie: »Hinweg, Abscheuliche! hinweg aus einem ehrlichen Hause, oder Schande möge mich treffen, wenn ich nicht den Hammer nach Dir werfe!«

Norna warf ihr einen Blick tiefster Verachtung zu, trat zum Fenster und schien sich in tiefe Betrachtungen des Himmels zu versenken. Tronda, die alte Magd, aber trat zu ihrer Gebieterin und bat sie um alles dessen willen, was einem Manne oder einer Frau teuer sei, Norna vom Fitful-Head nicht zu erzürnen ... »Auf dem Festlande von Shetland,« sagte sie, »gibt's keine Frau, die, gleich ihr, auf einer der Wolken dort so sicher reiten kann, wie ein Mann auf einem Pferde.«

»Hoffentlich sehe ich sie noch auf einer Teertonne reiten,« sagte Baby-Barbara, »die sicher das beste Roß für sie abgäbe.«

Noch einmal warf Norna der grimmen Baby Yellowley einen Blick unaussprechlichen Hohnes zu; dann trat sie zu dem gegen Nordwesten, woher der Wind jetzt zu kommen schien, liegenden Fenstern, stand eine Zeitlang mit gekreuzten Armen da, den Blick zu dem bleifarbigen, von wildem Gestöber verfinsterten Himmel gerichtet, und sah dem Kampfe der Elemente zu, wie jemand, dem derselbe nichts Neues ist, wie der Kabbalist auf den Geist blickt, den er zwar gerufen hat, der aber, wie er wohl weiß, nichtsdestoweniger seinem Worte gehorchen muß.

Die Anwesenden standen in verschiedenen Stellungen, wie sie den Empfindungen entsprachen, die ihre Herzen füllten, um sie her; Mordaunt, obgleich nicht gleichgültig gegen die Gefahr, in der er sich befand, weniger angstvoll als erwartungsvoll, hatte er doch von Nornas Gewalt über die Elemente schon vernommen und erhoffte sich jetzt eine Gelegenheit, sich selbst ein Urteil darüber, ob dies Gerücht wahr oder unwahr sei, zu bilden; – Triptolemus Jellowley, eigentlich mehr erschrocken als neugierig, sicherlich aber betroffen über diese die Grenzen seiner Philosophie weit überschreitenden Wahrnehmungen, – Baby-Barbara, seine Schwester, weder neugierig noch erschrocken, vielmehr noch erboster als bisher, denn aus ihren scharfen Augen und von ihren dünnen, Zusammengepreßten Lippen sprühte der wildeste Zorn; – der Hausierer und die alte Tronda, beide von dem festen Glauben beherrscht, daß das Haus nicht einstürzen würde, solange die gefürchtete Norna unter seinem Dache weilte, aber bereit, es auf der Stelle mit ihr zu verlassen.

Nachdem Norna eine Zeitlang, ohne sich zu rühren, im tiefsten Schweigen den Himmel betrachtet hatte, streckte sie auf einmal, mit langsamer, majestätischer Gebärde, ihren Stab von schwarzem Eichenholz gegen die Himmelsgegend aus, aus welcher der Sturm am stärksten wehte, und erhob ihre Stimme, umtobt von seinem wildesten Gebrüll, zu einer norwegischen Beschwörung, die sich noch jetzt auf der Insel Nist unter dem Namen des Gesanges der Reim-Kennar erhalten hat.

Kühner Aar aus fernem Nordwest,


Der in der Kralle führt den Donnerkeil,


Du, des rauschende Flügel zur Wut den Ozean treiben,


Vernichter der Herden, Zerstörer der Schiffe, –


Gleicht dein Gekreisch auch dem Schrei erliegenden Volkes,


Deiner Flügel Rauschen dem Getös von zehntausend Wogen,


Dennoch höre in deinem Zorn, deiner Hast –


Höre die Stimme der Reim-Kennar!

Du trafst die Fichten von Drontheim;


Gebrochen liegen die grünen Häupter neben den Stämmen.


Du trafst den Wanderer auf dem Meere,


Die schlanke, starke Barke des furchtlosen Ruderers,


Und gestrichen hat sie ihr Segel von dir,


Das vor keiner Königsflotte sich hätte geneigt; –


Du trafst den Turm, der in die Wolken streckt sein Haupt,


Den starken festen Turm der Earle aus der Vorzeit,


Und der Schlußstein des Turmes


Liegt auf dem gastlichen Herd.


Doch auch du sollst innehalten, stolzer Bezwinger der Wolken,


Wenn du hörest die Stimme der Reim-Kennar.

Genug des Wehs hast auf dem Meer du gestiftet. –


Die Witwe ringt die Hände an der Bucht; –


Genug des Wehs hast dem Land du gebracht, und


Verzweifelnd kreuzt der Landmann die Arme; –


Endige das Schlagen deiner Flügel,


Laß das Meer ruhn in seiner finstern Kraft;


Endige das Blitzen deiner Augen,


Laß den Donnerkeil still in der Rüstkammer Odins. –


Sei still auf mein Geheiß, Renner nordwestlichen Himmels,


Schlafe auf Nornas, der Reim-Kennar, Ruf!

Mordaunt liebte, wie schon bemerkt, die romantische Dichtkunst des norwegischen Landes und die romantischen Begebenheiten; es wird darum niemand wundern, daß er dem wilden Sänge der Seherin mit Begeisterung lauschte, der dem wildesten Winde der Windrose gesungen wurde. Wohl hatte er in dem Lande, wo er so lange gewohnt, von runischen Reimen und nordischen Zaubersprüchen schon viel vernommen; und doch hätte ihm der Glaube, der Sturm, der eben noch so wild geweht, werde wirklich vor Nornas Versen schweigen, sicherlich gefehlt! Nichtsdestoweniger konnte er sich der Wahrnehmung nicht verschließen, daß die Gewalt des Sturmes nachließ, daß die furchtbare Gefahr, mit der er drohte, überstanden zu sein schien – zwar glaubte er nicht an übernatürliche Gaben der seltsamen Frau, aber für wahrscheinlich hielt er es, daß sie den Ausgang schon seit einiger Zeit aus Zeichen erkannt hatte, die den Augen solcher, die noch nicht lange im Lande lebten, oder die auf Naturerscheinungen wenig oder gar nicht achteten, verschlossen bleiben mußten. Die übrigen Anwesenden waren der Meinung eines übernatürlichen Zusammenhanges der Dinge zugänglicher – Tronda und der Hausierer waren von Nornas Macht über die Elemente längst überzeugt; Triptolemus und Barbara starrten einander verwundert und erschrocken an, besonders als während der Pausen, die Norna in ihrem Beschwürungssange machte, der Sturm zusehends nachließ. Auf die letzten Strophen folgte lange Stille; dann setzte Norna, doch mit weicherer Modulation von Stimme und Melodie, von neuem ein:

Aar der fernen nördlichen Gewässer,


Du vernahmst der Reim-Kennar Gesänge.


Rafftest auf ihr Wort dein weites Segel,


Faltetst friedlich es an deinen Seiten.


Segen ruh' auf deinem Pfade!


Wenn du auf aus deinem Horste steigst,


Sei dein Schlummer sanft in schwarzen Meeres Höhle!


Ruhe, bis das Fatum dich erwecke,


Aar der fernen nordischen Gewässer,


Du vernahmst der Reim-Kennar Gesänge.

»Das wäre ein Lied, das Korn zu bewahren,« flüsterte der Landwirt der Schwester zu, »wir müssen ihr zureden, Baby – vielleicht lehrt sie uns das Geheimnis für hundert Pfund schottisch.«

»Für hundert schottische Tröpfe,« erwiderte Baby; »biete ihr fünf Mark klingende Münze! Alle Hexen, die ich gekannt, waren arm wie Hiob.«

Norna, als ob sie ihre Gedanken erriete, – was vielleicht auch der Fall war, – blickte wieder verächtlich über sie hinweg, trat zu dem Tische, den Barbara zu dem kargen Mahle hergerichtet, füllte aus dem irdenen Kruge eine hölzerne Schale mit Hausbier, brach von einem Gerstenkuchen ein winziges Stück und wandte sich, als sie gegessen und getrunken, zu ihren unfreundlichen Wirten. »Für die Erfrischung, die ich zu mir genommen, sage ich Euch kein Dankeswort,« rief sie, »denn Ihr habt sie mir nicht angeboten, und Dank, einem Geizhals erstattet, gleicht dem Himmelstau, der auf steinige Klippen fällt. Beide können nichts dort finden, was sie erfrischen könnte. Aber,« fügte sie hinzu, einen ledernen Beutel, der groß und schwer zu sein schien, aus der Rocktasche ziehend, »bezahlen will ich Euch mit dem, was Euch lieber sein, was Euch mehr gelten wird als die Dankbarkeit aller Leute von Hialtland. Der Norna vom Fitful-Head sollt Ihr nicht nachreden, sie habe von Eurem Brote gegessen und aus Eurem Becher getrunken, und Euch dann in Sorge ums Geld, daß sie Euch schuldig wurde, verlassen.« Bei diesen Worten legte sie eine kleine alte Münze, auf der halb verwischt das Bildnis irgend eines alten nordischen Königs zu erkennen war, auf den Eßtisch nieder.

Die Geschwister verwahrten sich mit Eifer gegen diese Zumutung; Triptolemus sagte, »er hätte kein Wirtshaus,« und Barbara: »Ist das Weib von Sinnen? wer hätte je gehört, daß Clincscalter Leute sich Speise und Trank bezahlen ließen?«

»Oder anders gegeben hätten, als um Gottes willen« – brummte ihr Bruder vor sich hin; »bleib dabei, Schwester, bleib dabei!«

»Was schwatzest Du da wieder, Tropf?« sagte die liebreiche Schwester; »gib dem Weib die Münze wieder und freu Dich so heil davonzukommen; morgen ist sie vielleicht ein Stück Schiefer oder etwas Aergeres geworden.«

Der ehrliche Triptolemus nahm die Münze vom Tische, um sie der Sibylle wiederzugeben, konnte aber seines Staunens nicht Herr werden, als er das Gepräge darauf sah. Mit zitternder Hand reichte er sie der Schwester. »Ja,« sprach die Seherin abermals, als ob sie die Gedanken des erstaunten Paares auf ihren Gesichtern zu lesen vermöchte: »Ihr habt die Münze schon früher gesehen – gebt wohl acht, wie ihr sie braucht! – Geizigem Volk und Leuten kleinlicher Gesinnung bringt sie keinen Segen. Sie ward, wenn auch in Gefahr, so doch mit Ehren gewonnen, und ist gespendet worden, freigebig und in Ehren. Der Schatz, der unter kaltem Herde liegt, wird dereinst, gleich dem vergrabenen Talent, Zeugnis ablegen wider seine habsüchtigen Besitzer.«

Diese letzte dunkle Anspielung schien die Angst und Verwunderung der Geschwister auf den Höhepunkt zu steigern. Der Bruder stammelte etwas, das sich wie eine Einladung anhörte, Norna möge in ihrem Hause übernachten oder doch wenigstens zum »Mittagessen«, oder, wie Barbara sich, als sie die große Gesellschaft und den kargen Inhalt im Topfe erwog, verbesserte, zu einem »Imbiß« bleiben ...

»Ich esse nicht hier, und ich schlafe nicht hier,« versetzte Norna; »ja, ich enthebe Euch nicht allein meiner Gegenwart, sondern werde Euch auch von Euren unwillkommenen Gästen befreien. – Mordaunt,« fügte sie hinzu, an den Jüngling sich wendend, »die schwarze Stunde ist vorüber, und Dein Vater erwartet Dich am Abend.«

»Führt Dich Dein Weg dorthin?« fragte Mordaunt; »ich will nur einen Bissen essen und Dir dann auf dem Wege Stütze sein, gute Mutter. Die Bäche müssen ausgetreten, die Wege werden voller Gefahren sein.«

»Unsere Wege liegen nach verschiedener Richtung,« versetzte die Sibylle, »und Norna bedarf auf ihrem Wege keines sterblichen Armes als Stütze. Gen Osten ziehe ich –zu Menschen, die meine Bahn zu ebnen wissen. Du aber, Bryce Snailsfoot,« wandte sie sich zu dem Hausierer, »eile nach Sumbourgh; der Roost wird Dir reiche Ernte, des Einbringens wohl wert, bereitet haben; es wird viel gute Ware auf neuen Eigentümer warten, und der einst in banger Sorge war, schläft ruhig im Meer und läßt Ballen und Kisten ans Ufer treiben.«

»Nun, gute Mutter,« antwortete Snailsfoot, »mir zuliebe wünsche ich niemand den Tod und bin der Vorsehung schon dankbar, wenn sie meinem geringen Gewerbe geringes Gedeihen schenkt. Aber freilich, des einen Verlust ist des andern Gewinn, und da Stürme das Land zerschellen, ist's nur recht und billig, daß die See uns segnet. So will ich denn, wie Ihr Mutter, ein Stück Brot und einen Schluck dazu nehmen, den guten Leuten hier guten Tag sagen und danken, und mich dann, Eurem Rate gemäß, auf den Weg nach Jarlshof machen.«

»Ha,« sagte die Seherin, »wo Aas ist, sammeln sich die Adler, und wo ein Wrack am Ufer liegt, kommt der Hausierer eilends daher, wie der Haifisch, der auf die Kadaver lauert.«

Bryce Snailsfoot, der Hausierer, verstand den Vorwurf – wenn ein solcher in den Worten der Seherin lag – nicht recht; denn sein Geist befaßte sich schon mit dem Profit, der ihm winkte; und während er nach Quersack und Elle griff, fragte er mit einer, in einem von der Kultur noch unbeleckten Lande nicht auffälligen Familiarität den jungen Mordaunt, ob er ihn begleiten wollte.

»Ich will noch bei Herrn Yellowley zu Mittag essen und also erst in einer halben Stunde aufbrechen.«

»So will ich immer gehen,« sagte der Hausierer, murmelte einen kurzen Segen, nahm, wie Babys scharfe Augen richtig schätzten, ungefähr zwei Drittel von dem Brote, tat einen langen Zug aus dem Bierkruge, schob eine Handvoll kleiner Fische, in Shetland »Silloch« genannt, die die Magd eben auf den Tisch gesetzt, in die Tasche und verließ hierauf die Stube.

»Fürwahr,« sagte Barbara, entrüstet ob solcher Plünderung, »Hausierermagen kann viel vertragen; schade, schade, daß hierzulande die Gesetze gegen die Landstreicherei so milde gehandhabt werden ... Daß man seine Tür anständigen Leuten nicht verschließen würde,« sagte sie, den Blick auf Mordaunt richtend, »besonders nicht, wenn ein Wetter haust, als sollte das jüngste Gericht anbrechen, versteht sich von selbst ... Aber da steht ja die arme Gans noch immer auf dem Tische.«

Mordaunt lachte über dieses Mitleid mit einem Wesen, das schon geraume Zeit in der Räucherkammer gehangen, rückte einen Sessel heran und sah sich nach Norna und dem Hausierer um, die aber beide verschwunden waren,

»Gut, daß sie fort ist, das böse Weib,« sagte Baby; »hat sie uns doch, zur ewigen Schande, das Geldstück dagelassen!«

»Still, um Himmels willen,« rief Tronda Dronsdaughter, »wer weiß, wo sie im Augenblicke sein mag: wenn wir sie auch nicht sehen, so hört sie uns doch vielleicht!«

Barbara sah sich erschrocken um, gewann aber auf der Stelle die Herrschaft wieder über sich, denn, wenn sie auch heftigen Sinnes war, so gebrach es ihr doch an Beherztheit und Mut nicht. – »Ich hab sie gehen heißen,« sagte sie, »und tue auch jetzt nicht anders, – mag sie mich hören oder sehen oder schon weit weg sein über Block und Stein. Und Du, einfältiger Tropf,« fuhr sie den Bruder an, »stehst da und glotzest? – willst in St.-Andrews studiert haben? lateinische Humanität, wie Du es nennst? und fürchtest Dich vor dem Gewäsch eines alten Bettelweibs? Sprich Dein bestes Dankgebet aus dem Kollegium, Trip, und mag sie eine Hexe sein oder nicht, das Mittagessen soll sie uns nicht verderben; und daß wir uns an ihrem Gelde bereichert hätten, soll niemand uns nachsagen können. Ich will es einem Armen geben, das heißt nach meinem Tode vermachen, bis dahin aber als Heckpfennig verwahren; das heißt doch nicht, es wie gewöhnliches Geld brauchen! Sag also Dein bestes Tischgebet her, Trip, und laß uns essen und trinken.«

»Weit besser wär es, Ihr betetet zu St.-Ronald und würfet einen Sixpence über die linke Schulter, Herr,« sagte Tronda.

»Damit Du ihn aufnehmen könntest, he?« rief die ewig schnippische Barbara; »denn bis Du auf andere Weise so viel verdientest, möcht's wohl sein Weilchen dauern. – Setz Dich, Trip, und laß das alberne Ding schwatzen!«

»Ob albern oder klug,« antwortete Yellowley beklommen; »sie weiß doch mehr, als mir lieb ist; und dann, was sie über den Herd sagte; – ich kann wahrlich nicht umhin, Schwester, zu denken« –

»Wenn Du nicht umhin kannst, zu denken,« erwiderte Baby, wieder schnippisch, »dann halte wenigstens den Mund – das wirst Du wohl können?«

Trip erwiderte hierauf nichts, sondern setzte sich zu dem kärglichen Mahle, verhielt sich aber als Wirt aufs herzlichste gegen seinen Gast, den ersten, der ungebeten gekommen, und den letzten, der sie verließ. Fische und Gans verschwanden so schnell, daß Tronda an dem Gerippe, das für sie bestimmt war, kaum noch etwas zum Knabbern fand. Triptolemus langte zum Abschluß des Mahles die Branntweinflasche aus dem Schrankwinkel; aber Mordaunt, mäßig wie sein Vater, sprach ihr wenig oder gar nicht zu, zumal die Begegnung mit Norna, und was er aus ihrem Munde vernommen, sein Verlangen, nach Hause zu gelangen, heftig erregt hatte, und ihm das Haus, trotz aller jetzt in solchen Flor getretenen Gastfreundlichkeit, keine Lust zu längerem Verweilen machte. Er nahm deshalb das Anerbieten seines Wirtes, dessen Kleider anzubehalten, mit dem Versprechen an, sie gegen die seinigen abholen zu lassen, und nahm freundlichen Abschied von Wirt und Wirtin, welch letztere sich über den Verlust ihrer Gans damit tröstete, daß sie wenigstens einem schmucken Jüngling zu gute gekommen war.

Siebentes Kapitel

Zwischen Stourbourgh und Jarlshof lagen zehn »stramme Meilen schottisch« – und wenn auch dem jungen Wanderer nicht, all jene Hindernisse in den Weg traten, die Tam–o'–Shanter auf seinem berühmten Rückmarsch vom Ayr begegneten, – so brauchte er doch soviel Zeit, die, die er fand, zu überwinden, daß er erst gegen elf Uhr nachts Jarlshof erreichte. – Rings um das Haus war alles still und finster, und er bekam erst Antwort, als er ein paarmal unter Swerthas Fenster gepfiffen hatte.

»Wer klopft denn zu solcher nächtlichen Stunde?« fragte sie, nachdem sie beim ersten Tone noch traumumfangen gemeint hatte, der junge Walfischfahrer sei es wieder, der einst vor vierzig Jahren bei ihr »gefensterlt« und sich immer durch Pochen gemeldet hatte – beim zweiten Schlag munter geworden war – und beim dritten sich erinnerte, daß Johnie Fraja schon viele, viele Jahre unter Grönlands Eise begraben liege. –

»Ich bin's,« antwortete der Jüngling.

»Und warum kommt Ihr nicht herein? Die Tür ist ja nur eingeklinkt, und im Herde glimmt Torf und ein Span liegt auch daneben.«

»Ganz gut und schön,« versetzte Mordaunt, »aber ich wollte wissen, wie es dem Vater geht.«

»Wie immer geht's – gefragt hat er nach Euch, der brave Herr – Ihr solltet doch nicht so weite und lange Spaziergänge machen, junger Herr.«

»Die finstere Stunde ist vorüber, Swertha?« fragte er.

»Jawohl, Herr Mordaunt,« antwortete die Haushälterin, »der Vater ist sogar recht vernünftig und gutmütig. Ich habe gestern zweimal mit ihm gesprochen; zuerst gab er die höflichste Antwort; dann sagte er, ich möchte ihn in Ruhe lassen, und da sagte ich mir, aller guten Dinge seien doch immer drei – und versuchte es noch einmal, aber da schalt er mich einen schwatzhaften alten Drachen.« »Genug, Swertha, genug,« rief Mordaunt, »nun steh aber auf und schaffe mir etwas zu essen, denn ich habe sehr schlecht heute zu Mittag gegessen.«

»Dann seid Ihr gewiß bei den neuen Leuten in Stourbourgh gewesen, denn ich wüßte sonst kein Haus auf all unsern Inseln, wo man Euch nicht das Beste vom Besten gäbe. Habt Ihr Norna vom Fitful-Head gesehen? Sie ging heute früh nach Stourbourgh, ist aber am Abend zurückgekommen.«

»Zurückgekommen? Also hier? Aber wie hat sie drei reichliche Meilen in so kurzer Zeit zurücklegen können?«

»Wer kann denn sagen, wie sie Wege zurücklegt?« antwortete Swertha. – »Aber gehört hab ich's mit eigenen Ohren, wie sie es dem Ranzelmann sagte, sie ginge heute nach Burgh-Westra, um mit Minna Troil zu sprechen, daß sie aber in Hafra – denn Stourbourgh nennt sie es nie – was gesehen hätte, das sie wieder hierher zurückzukommen bestimmte. Aber geht nur herein, Ihr sollt schon was zu essen finden.«

Mordaunt ging nach der Küche, und Swertha sorgte für ein reichliches, wenn auch einfaches Mahl, das ihn für die karge Stourbourgher Kost schadlos hielt.

Frühzeitig stand Mordaunt auf, aber doch, da er sich etwas erschöpft fühlte, später als gewöhnlich, so daß er, was sonst nicht der Fall war, seinen Vater bereits in dem Zimmer fand, wo sie zu essen pflegten.

»Du bist gestern nicht dagewesen, Mordaunt,« sagte der Vater, denn der Sohn wartete ehrfurchtsvoll, bis er angesprochen wurde – er war über acht Tage abwesend gewesen, hatte aber wiederholt bemerkt, daß seinem Vater, wenn er in seiner trüben Stimmung war, der richtige Zeitbegriff abhanden kam. Er sagte also einfach »Ja« auf die Frage des Vaters.

»Bist in Burgh-Westra gewesen, nicht wahr?« fragte der Vater wieder.

»Ja!« antwortete Mordaunt wieder.

Der Vater ging eine Zeitlang schweigend auf und ab – mit einem Gesicht so düster, wie wenn er wieder in seine Trübnis verfallen wollte. Plötzlich aber wandte er sich gegen seinen Sohn mit der Frage: »Magnus Troil hat zwei Töchter, – sie müssen schon erwachsen sein und gelten für schön; nicht wahr?«

»Ja, Vater, man hört so,« sagte Mordaunt, verwundert, daß der Vater sich nach Angehörigen eines Geschlechtes erkundigte, dem er im allgemeinen nicht wohlgesinnt war – aber seine Verwunderung wuchs noch bei der weitern Frage aus Vaters Munde, die ebenso kurz wie die erste gestellt wurde ...

»Und welche hältst Du für die schönere?«

»Ich, Vater,« antwortete der Sohn, nicht ohne Verlegenheit; »wahrhaftig! darüber kann ich nicht urteilen; ich habe noch keinmal darüber nachgedacht – sind doch beides hübsche Mädchen.«

»Du weichst der Frage aus, Mordaunt, und doch habe ich vielleicht Gründe, die es mir wünschenswert erscheinen lassen, Deinen Geschmack zu kennen. Unnütze Worte mache ich nicht gern. Ich frage Dich noch 'mal, welche von Magnus Troils Töchtern hältst Du für die schönere?«

»Aber, Vater« – antwortete Mordaunt – »Sie stellen mir solche Frage doch nur aus Scherz?«

»Junger Mensch,« entgegnete Mertoun, dessen Augen ungeduldig zu rollen anfingen, »ich frage nie zum Scherz, verlange aber Antwort auf meine Frage.«

»Ja, da wird mir die Antwort schwer, Vater, wenn nicht unmöglich,« sagte Mordaunt, »denn, wie gesagt, sie sind beide hübsch, jede auf ihre Art – doch sich durchaus nicht ähnlich – Minna ist dunkel und ernster als ihre Schwester, aber nicht grämlich oder gar düster.«

»Hm,« sagte der Vater: »Du bist ernst gezogen; also gefällt Dir Minna am besten?«

»Nein, Vater, ich kann ihr keinen Vorzug vor Brenda, ihrer Schwester, geben, die fröhlich ist wie ein Lamm am Frühlingsmorgen; nicht so groß wie ihre Schwester, doch ebenso schön gebaut und eine vortreffliche Tänzerin.«

»Die sich am besten schickte, einen jungen Menschen, dem bei seinem trübsinnigen Vater zu Hause die Zeit lang wird, aufzuheitern,« sagte Mertoun.

Mordaunt war es an seinem Vater gewöhnt, daß er ein Thema, das seiner Gedankenrichtung wenig entsprach, nach allen Seiten hin ausspann; er begnügte sich deshalb noch einmal, zu sagen, daß die beiden Mädchen Muster von Schönheit seien, daß er sie aber nie miteinander in Parallele gestellt habe, und daß mithin manch anderer vielleicht besser auf solche Frage Antwort geben könnte als er, zumal er bei keiner eine auszeichnende Eigenschaft zu nennen wüßte, die nicht durch eine andere Eigenschaft der andern aufgewogen würde.

Wohl möglich, daß die Ruhe, mit der Mordaunt diese Antwort gab, dem Vater die gewünschte Befriedigung nicht brachte; Swertha trat aber jetzt mit dem Frühstück ein, und Mordaunt langte trotz der späten Stunde so kräftig zu, daß der Vater bald einsehen lernte, die Fragen, die er ihm gestellt, gälten ihm weit geringer. Die Hand über die Augen haltend, sah er dem Jüngling unverwandt zu; keine Bewegung desselben verriet indes Befangenheit oder das Bewußtsein, beobachtet zu werden; alles vielmehr an ihm war frei, ungezwungen, offen...

»Sein Gemüt ist noch rein und lauter,« sagte Mertoun vor sich hin; »seltsam, daß ein hübscher, munterer, junger Mensch in seinen Verhältnissen Schlingen entgangen sein sollte, in denen sich doch die ganze Welt fängt.«

Nach beendigter Mahlzeit hieß der Vater nicht, wie es sonst bei ihm Gewohnheit war, den Sohn zu diesem oder jenem Studium greifen, sondern nahm Hut und Stock, forderte Mordaunt auf, mit ihm aufs Vorgebirge hinauszuwandern, da er sich das Meer ansehen wolle, das von dem Sturme des vorigen Tages noch in großer Bewegung sein müßte. Mordaunt, noch in dem Alter, wo der Mensch alle sitzende Arbeit gern mit Beschäftigung im Freien vertauscht, sprang sogleich auf, des Vaters Befehl zu gehorchen; und nach wenigen Minuten schon stiegen sie den Hügel hinan, der von der Landseite her einen langen, steilen, mit Gras bestandenen Abhang bildete, vom Gipfel aber zum Meere hinunter in einem schroffen, grausigen Schlunde abstürzte. Es war ein wunderschöner Tag – die Luft ging nur leise noch, so daß sich die Wölkchen, die noch am Himmel sichtbar waren, kaum bewegten – über der kahlen endlosen Landschaft lag etwas wie ein Zauber, der – eine Wirkung des Wechsels zwischen Licht und Schatten, – ihr zeitweilig etwas von der Mannigfaltigkeit eines wohlausgebauten Kulturbodens lieh, und doch war alles bloß wildes Moor, und Felsen und Buchten breiteten sich immer weiter vor ihnen aus, je höher sie hinanklommen.

Der Vater blieb oft stehen und sah sich um – eine Zeitlang glaubte der Sohn, in der Absicht, die Schönheit des Bildes zu genießen, während des Steigens aber ward er inne, daß des Vaters Atem kürzer und seine Schritte schwank und schwer wurden; nicht ohne Unruhe erkannte er, daß ihn das Bergsteigen stärker angriff als ehedem. Ohne ein Wort zu sprechen, reichte er ihm den Arm, und schweigend nahm der Vater die dargebotene Hilfe, indes nur einige Minuten; denn plötzlich, beinahe rauh, stieß er den Sohn von sich, und als ob ihm irgend ein Gedanke, der ihm einfiel, doppelte Kräfte liehe, stieg er mit so großen und schnellen Schritten weiter hinauf, daß es dem Sohne schwer wurde, ihm zur Seite zu bleiben. Er kannte den Vater zur Genüge und wußte, daß ihn derselbe, trotz aller Fürsorge, die er auf seine Erziehung wandte, eigentlich nicht liebte – der Vater aber schien den garstigen Eindruck nicht zu bemerken, den seine Unfreundlichkeit auf die Empfindungen seines Sohnes hervorbrachte. Sie hatten inzwischen den Kamm erreicht. Hier blieb der Vater stehen und sagte in einem gleichgültigen Tone, der sich nicht natürlich anhörte:

»Mordaunt, da Dir so wenig daran liegt, auf diesen wilden Inseln zu bleiben, hast Du wohl schon daran gedacht, Dich einmal in der Welt umzusehen?«

»Ich könnte nicht sagen, Vater,« erwiderte Mordaunt, »daß mir solcher Einfall schon einmal gekommen wäre.«

»Und warum nicht, Junge?« fragte der Vater; »ich dächte, in Deinem Alter wäre er nur natürlich. Mir wenigstens konnte, als ich so alt war wie Du, das schöne lachende England kaum genügen, geschweige denn solches Torfmoor wie dieses.«

»Shetland zu verlassen, Vater, ist mir nie in den Sinn gekommen,« versetzte Mordaunt, »ich fühle mich hier wohl und glücklich und habe Freunde. Und auch Dir, Vater, möchte ich wohl zuweilen fehlen ...«

»Daß Du aus Liebe zu mir hier bleibst oder bleiben wollest,« erwiderte der Vater barsch, »wirst Du mir doch nicht einreden wollen?«

»Warum nicht, Vater?« sagte Mordaunt ruhig – »ich hielt es für Kindespflicht und habe, wie ich hoffe und wünsche, bis jetzt nicht dagegen verstoßen.«

»Ja so,« wiederholte der Vater in gleichem Tone, »Deine Pflicht – Deine Kindespflicht – ist's ja auch Hundespflicht, an demjenigen Diener vom Hause zu hängen, der ihn füttert.«

»Und tut er nicht immer so?« sagte Mordaunt.

»Ja doch,« sagte der Vater, den Kopf abwendend, »aber zu wedeln pflegt er nur bei Leuten, die ihn liebkosen.«

»Ich kann mich nicht besinnen,« sagte der Sohn, »daß ich es an Liebe hätte fehlen lassen.«

»Nichts mehr davon,« rief Mertoun kurz; »wir haben beide lang füreinander getan, was sein mußte, und – wir müssen uns nun trennen, – brauchen wir Linderung im Trennungsschmerze, mag dieser Gedanke sie uns geben.«

»Ich werde nie ermangeln, Ihren Wünschen gerecht zu werden,« sagte Mordaunt, mit der Aussicht, die Welt zu sehen, nicht unzufrieden; »ich soll doch sicher mit einer Walfischfahrt den Anfang machen?« »Walfischfahrt?« wiederholte der Vater: »ei, das wäre der rechte Weg, die Welt zu sehen; aber Du redest, wie Du es verstehst – lassen wir die Sache! Wo hast Du in dem Sturme gestern Unterkommen gefunden?«

»In Stourbourgh, beim neuen Verwalter aus Schottland,«

»Ein pedantischer, überspannter Pläneschmied,« sagte Mertoun; »und wen trafst Du dort?«

»Seine Schwester,« erwiderte Mordaunt; »und die alte Norna vom Fitful-Head.«

»Was! die Norna? die soviel Zaubersprüche kennt?« versetzte Mertoun mit höhnischem Lächeln, »die den Wind wenden kann, wenn sie ihr Kopftuch auf die Seite zieht, wie König Erich, wenn er die Mütze wendete? Die Frau macht große Touren – wie geht es ihr? Hat sie schon Reichtümer damit erworben, daß sie denen, die in den Hafen einlaufen wollen, günstigen Wind verkauft?«

»Ich weiß es nicht, Vater,« sagte Mordaunt, den gewisse Erinnerungen abhielten, auf diese Stimmung einzugehen.

»Du meinst, die Sache sei zu ernst für Scherze, vielleicht auch die Ware zu gering, sich darum zu härmen,« fuhr Mertoun mit dem gleichen Spott fort, »besinne Dich aber genauer! Wird nicht alles in der Welt gekauft und verkauft; warum nicht der Wind, wenn der Kaufmann Käufer dafür finden kann? Die Erde ist verpachtet, von ihrer Oberfläche bis zu den Bergwerken in ihrem Innersten; das Feuer und die Mittel, es zu nähren, werden gekauft und verkauft; die Armen, die das wilde Meer mit ihren Netzen durchschiffen, bezahlen das Vorrecht des Ertrinkens mit einem Zoll . . . Weshalb sollte die Luft von dem allgemeinen Handel ausgeschlossen bleiben? Alles über der Erde hat seinen Preis, seine Käufer, seine Verkäufer. In vielen Läden verkaufen Dir die Priester einen Teil des Himmels, – in allen Ländern sind die Menschen bereit, die Hölle zu kaufen für Gesundheit, Reichtum, Gewissensfreiheit: warum sollte Norna nicht auch den Handel treiben, der ihr paßt?«

»Ich wüßte keinen Grund dagegen,« versetzte Mordaunt, »nur meine ich, es wäre besser, sie schlüge ihre Ware in kleinen Mengen los. Gestern trieb sie Großhandel, und wer sich mit ihr einließ, bekam für sein Geld zu viel.«

»So ist es,« sagte der Vater, am Rande des wilden Vorgebirges stehen bleibend, das sie erreicht hatten; »die Spuren davon sind noch sichtbar!«

Als Vater und Sohn von der aus weichem, bröckligem Sandstein bestehenden Höhe auf das Meer hinunterschauten, schlug die Flut noch dröhnend wider das Ufer, und das Auge schwindelte, wenn es in die Wogen hinabblickte, die allem, was in ihre Gewalt geriet, mit jäher Zerstörung drohten. Der Anblick der Natur in ihrer Pracht, in ihrer Schönheit, oder in ihrem Schrecken hat immer etwas Ueberwältigendes, dessen Eindruck selbst die Gewohnheit nicht schwächen kann; und Vater und Sohn setzten sich auf die Klippe, dem ungemessenen Kampf der Wogen, die noch immer gegen den Schlund des Ufers rasten, zuzuschauen.

Auf einmal sprang Mordaunt, dessen Auge schärfer, dessen Aufmerksamkeit wahrscheinlich reger war, als die seines Vaters, empor und rief: »Gott im Himmel, ein Fahrzeug im Rooft!«

Mertoun blickte nach Nordwesten und sah einen Gegenstand in der schäumenden Flut... »Es zeigt kein Segel,« sagte er, und gleich darauf, als er durch sein Fernglas gesehen hatte, fügte er hinzu: »Es ist entmastet und liegt als Wrack auf dem Wasser.«

»Und treibt auf Sourbourgh-Head zu,« rief Mordaunt entsetzt, »ohne jede Hilfe, das Vorgebirge zu umschiffen.«

»Es liegt tot,« sagte der Vater, »wahrscheinlich ist es von der Mannschaft verlassen.«

»An einem Tage, wie gestern,« sagte Mordaunt, »in einem Sturm wie gestern, wo kein offenes Boot die See halten konnte, müßten alle, auch die besten Leute, die je ein Ruder geführt, in die Tiefe gegangen sein.«,

»Sehr wahrscheinlich,« erwiderte sein Vater mit ernster Fassung, »aber später oder früher hätten doch alle untergehen müssen. Was liegt daran, ob der große Vogelsteller, dem nichts entrinnt, sie auf einmal oder einzeln in seine Krallen bekam? Was liegt daran? Schiffsdeck und Schlachtfeld haben nicht mehr Gefahr für uns als Tisch und Bett, und der Mensch entgeht dem einen nur, um, bis er im andern stirbt, ein armseliges Dasein weiter zu fristen. Ich wollte, die Stunde wäre auch für mich schon da! ... Kind, Du wunderst Dich über solche Betrachtungen, weil Dir das Leben noch neu ist; doch auch mit Deinen Gedanken werden sie, ehe Du mein Alter erreichst, verwachsen sein.«

»Ein solcher Widerwille gegen das Leben,« erwiderte Mordaunt, »ist doch nicht eine notwendige Folge vorgerückten Alters?«

»Für solche, die Verstand genug besitzen, es nach dem wirklichen Werte zu schätzen, doch!« antwortete Mertoun; »solche wie Magnus Troil, die infolge ihrer tierischen Neigungen Geschmack an der Sinnesbefriedigung finden, werden vielleicht, wie die Tiere, schon durch das Dasein an sich satt.« Mordaunt gefiel weder Rede noch Beispiel. Er war der Ansicht, daß ein Mann, der seine Pflichten gegen andere so redlich erfüllte wie der gute alte Udaller, auf seinen Platz an der Sonne ganz ebensoviel, wenn nicht größeres Anrecht habe als andere, die mit Fühllosigkeit prunkten. Aber er wußte, daß Disputieren den Vater aufbrachte; deshalb schwieg er und wendete seine Aufmerksamkeit abermals auf das Wrack.

Mehr als Wrack war es wohl kaum, was jetzt in der Mitte der Strömung trieb, dem Fuße der Klippe zu, an deren Rand sie standen. Aber geraume Zeit verging noch, bis sie das Ding wirklich erkennen konnten, das sie zuerst nur als schwarzen Fleck im Wasser gesehen hatten – das, näher kommend, Aehnlichkeit mit einem Walfisch aufwies, der bald die Rückenflosse über das Wasser hebt, bald seine große schwarze Seite zeigt, – das aber jetzt deutlich die Gestalt eines Schiffes zeigte, das von den gewaltigen Wogen, die es der Küste zutrugen, bald über den Spiegel des Meeres gehoben, bald in seine Tiefen hinuntergerissen wurde. Es war ein Schiff von zwei- bis dreihundert Tonnen, zur Verteidigung eingerichtet, denn man konnte die Stückpforten sehen; in dem Sturme am vorigen Tage mochte es die Masten verloren haben, und trieb nun voll Wasser auf den Wellen, eine Beute ihrer Wut. Die Mannschaft schien die Unmöglichkeit, das Schiff zu lenken oder durch Pumpen zu retten, erkannt und in den Booten Zuflucht gesucht zu haben, ihr Schiff seinem Schicksal überlassend ... Und doch konnten Mertouns, Vater und Sohn, nicht ohne ein Gefühl von Beklommenheit dies Schiff betrachten, jenes seltene Meisterstück menschlichen Geistes, das den Sohn der Erde zum Herrn über die Welt macht, das ihn in stand setzt, mit Wind und Sturm auf den Wogen zu kämpfen, und doch jeden Augenblick in Gefahr setzt, von ihnen zerschellt und verschlungen zu werden.

Jetzt kam sie heran, die große, schwarze Masse, mit jeder Fadenlänge an Größe wachsend, auf einer mächtigen Woge getragen, die jetzt samt ihrer Last gegen den Felsen prallte; die Elemente hatten über das Werk von Menschenhand den Sieg errungen – noch einmal trat das zertrümmerte Schiff in seiner vollen Größe in Sicht, als es wider die Wand getragen wurde – als aber die Woge zurück von der Wand prallte, trug sie kein Schiff mehr, nur Balken, Planken, Tonnen, Trümmer ...

Da war es Mordaunt mit einem Male, als sähe er auf einer Planke oder einem Fasse einen Menschen abwärts von der Hauptströmung auf eine seichtere Stelle zu treiben, wo sich die Wellen mit geringerm Ungestüm brachen ... »Er lebt noch – er kann noch gerettet werden!« rief der Jüngling – in der andern Sekunde schwang er sich von der Platte auf einen Vorsprung, – mehr einem Sturze glich der Schwung als einem Sprunge – und, die Spalten, Risse, Zacken des Felsens benutzend, klomm er hinunter in die Tiefe.

»Halt, unbesonnener Knabe!« rief der Vater, »dieses Wagestück bringt Dir den Tod .. Halt, ich befehle es Dir – und nimm den sichern Pfad zur Linken.«

Aber Mordaunt war schon zu weit vorwärts gedrungen, um noch zurück zu können ...

»Und warum sollte ich ihn hindern?« sagte der Vater, dessen strenge Denkweise keine Sorge aufkommen ließ. »Fände er jetzt den Tod in dem edlen großen Gefühle, durch Aufgebot seiner besten Kräfte die Rettung eines Mitmenschen versucht zu haben – fände er jetzt den Tod: entrönne er dann nicht Menschenhaß, Gewissensbissen, Alter, und der Empfindung der von Seele und Leib schwindenden Kraft? – Aber den Blick muß ich von dem Vorgange abwenden – denn ich kann nicht Zeuge sein, wie diese jugendliche Flamme jäh verlischt.«

Er trat von dem Abhange zurück, in eine Spalte zur Linken, »Erichs Stufen« genannt, die zwar weder sicher noch bequem, aber der einzige Pfad war, den die Bewohner von Jarlshof einschlugen, wenn sie an den Fuß des Felsens gelangen wollten.

Lange vor Mertoun, der nun das obere Ende des Pfades erreichte, hatte sein kühner, gewandter Sohn das gefahrvolle Unternehmen vollführt, das er begonnen – alle Schwierigkeiten, die er auf der Höhe nicht geahnt, bis zur grausen Tiefe hinunter besiegend – mehr denn einmal glitt sein Fuß auf der weichen, bröckligen Masse; Blöcke, auf denen er fußen wollte, rutschten mehr denn einmal und rollten in das Meer oder stürzten ihm nach, als ob sie ihn mit sich reißen wollten ... Sieben lange, bange Minuten, – dann stand er am Fuße der Klippe auf einem kleinen, von Steinen, Sand und Kies gebildeten Vorsprung, der sich in die See, die den Fuß der Klippe bespülte, hinausstreckte, – bis hin zu dem Fuße zur Linken, den »Erichs-Stufen«, auf denen sein Vater den Abstieg versuchte.

Als das Schiff zerschellte, hatte das Meer alles verschlungen, was nach dem letzten Stoße noch auf den Wellen trieb, ein paar Trümmer ausgenommen, die ein starker Strudel dort an das Land geworfen hatte, wo Mordaunt jetzt stand. Darunter entdeckte sein scharfes Auge bald das Ding, das zuerst seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und das er jetzt in der Nähe wirklich für einen Menschen in verzweifeltster Lage erkannte – der die Arme krankhaft um den Pfosten geschlungen hielt, an den er sich im Augenblick des Ertrinkens geklammert hatte, – dem das Bewußtsein fehlte, – der keiner Bewegung mehr fähig war – und dessen Tod jetzt unvermeidlich schien.

Mordaunt sah es – Mordaunt sah die Woge nahen, die den Unglücklichen ins Meer hinaus führen mußte, wenn sie ihn beim Rückprall von der Felswand faßte – und im andern Momente rang Mordaunt mit der Brandung um den Körper; aber die Stärke der zurückrollenden Wogen war größer, als er gerechnet hatte, er mußte einen harten Kampf bestehen für sein eigenes und des Fremden Leben, um nicht in das offene Meer hinausgetrieben zu werden, wo er, trotzdem er ein gewandter Schwimmer war, von der Flut unrettbar entweder zerschmettert oder in die Tiefe hinunter gerissen worden wäre .. doch Mordaunt hielt stand mit übermenschlicher Kraft – und entrang der Flut den Leib; denn ehe die zweite Welle zum Angriff wiederkehrte, hatte er Leib und Planke auf den Streifen trocknen Sandes gezogen, der ihm am Fuße der Klippe als erster Standort gedient hatte ... Wie aber den Funken des verlöschenden Lebens festhalten – wie ihn anfachen – wie den Unglücklichen, den fast schon Todesstarre befallen, – an einen sicheren Ort schaffen? Das waren Fragen, auf die Mordaunt keine Antwort fand. Er blickte zur Spitze der Klippe hinauf, wo er den Vater zurückgelassen, und rief diesen um Beistand an; sein Auge aber konnte ihn nicht entdecken, und nur Geschrei von Seevögeln gab ihm Antwort ... Noch einmal blickte er den Schiffbrüchigen an; er trug ein nach der Art jener Zeit reich mit Tressen besetztes Kleid, feines Linnen und Ringe an den Fingern: Dinge, welche bewiesen, daß es ein Mann von hohem Range sei; sein bleiches, entstelltes Gesicht zeigte Jugend und Anmut; er atmete noch, aber so schwach, daß man kaum eine Spur von Hauch bemerken konnte; das Leben schien nur noch an einem dünnen, dünnen Faden zu hängen, der zu zerreißen drohte, wenn er nicht bald Halt fand oder verstärkt würde. Ihm die Halsbinde lösen, das Gesicht gegen den Wind drehen, ihn mit den Armen stützen, war alles, was Mordaunt zu seinem Beistande tun konnte, während er sehnlichst nach jemandem ausschaute, der ihm hälfe, den Unglücklichen an einen sichern Platz zu schleppen ...

Da sah er einen Mann langsam und vorsichtig am Ufer entlangkommen. Im ersten Augenblick meinte er, es sei sein Vater; doch gleich darauf fiel ihm ein, daß dieser den weiteren Weg, den er genommen, noch nicht zurückgelegt haben könnte; er sah nun auch, daß der Mann kleiner war; und bald erkannte er nun den Hausierer, den er tags vorher in Hafra getroffen und schon bei frühern Gelegenheiten kennen gelernt hatte.

»Holla, Bryce! hierher, Bryce!« rief er, so laut er konnte – der Hausierer aber dachte nur an Trümmer, die er aus dem Meere fischen könne – und schien der Rufe nicht zu achten; als er aber endlich Mordaunt nahe genug war, daß er dessen Rufe nicht mehr ungehört verhallen lassen konnte, hob er nicht die Hand zur Hilfe, sondern öffnete den Mund, um Mordaunt zu schmähen ...

»Seid Ihr toll?« rief er; »habt Ihr darum solange auf Shetland gelebt, daß Ihr es wagen wollt, einen Ertrinkenden zu retten? Wißt Ihr nicht, daß er Euch gewiß ein Leid zufügt, wenn Ihr ihn wieder ins Leben zurückbringt? – Kommt, Mordaunt, und leiht mir Eure Hilfe zu besserer, klügerer Tat! Laßt uns ein Paar von den Kisten am Ufer bergen, ehe andere sie uns wegfischen, und teilen, was Gott uns spendet, und ihm danken für seine Gnade.«

Mordaunt, mit dem sonderbaren Aberglauben nicht unbekannt, der in früheren Zeiten wirklich unter den niederen Shetländern herrschte, und vielleicht um so mehr Anhänger fand, als er zum Vorwand dienen konnte, unglücklichen Opfern des Meeres Beistand zu versagen, während man ihre Güter plünderte, – Murdaunt folgte dem Blicke des ehrlichen Handelsmannes und sah nun eine große, starke Schiffskiste, die aus fremdem, scheinbar indischem Holze gezimmert und das Meisterwerk irgend eines Zimmermanns in fernen Landen zu sein schien; denn ihr durch Messingplatten wohlverwahrtes starkes Schloß widerstand allen Anstrengungen des kleinen Mannes, dem es inzwischen gelungen war, sie aus dem Meere ans Land zu ziehen, und allerhand Versuche machte, sie zu öffnen, bis er zuletzt Hammer und Meißel aus seinem Sacke langte und die Haspen loszuschlagen anfing.

Mordaunt, außer sich über die Selbstsucht und Unbarmherzigkeit Snailsfoots, griff nach einem neben ihm treibenden Querholz, bettete den Schiffbrüchigen sanft auf den Sand und trat mit drohender Miene auf den Hausierer zu... »Auf der Stelle hilfst Du mir, den Unglücklichen ins Leben zurückrufen, oder ich zerschlage Dir nicht bloß alle Knochen im Leibe, sondern zeige Dich Unmenschen bei Magnus Troil als Strandräuber an, damit er Dich auspeitschen lasse und von Shetland verbanne.«

Eben hatte sich der Deckel von der Kiste gelöst, und allerhand schöne Sachen, zu Lande wie auf See gut brauchbar – Hemden einfach und mit Spitzen-Manchetten, ein silberner Kompaß, ein Degen mit silbernem Griffe, und andere Gegenstände von Wert, – traten vor die gierigen Augen des Hausierers, der sich über ihren Handelswert keine Sekunde im Zweifel befand – da drang ihm Mordaunts Drohung in die Ohren – und fuchswild, sich über solch schöner Beute gestört zu sehen, wollte er eben aufspringen und seinen Degen ziehen, der zugleich Stoß und Hiebdegen war – schon hatte Mordaunt seine Drohung, grimmiger als zuvor, wiederholt und den Hausierer, der zwar klein, aber ein starker vierschrötiger Wicht war und noch in der Vollkraft der Jahre stand, zudem besser bewaffnet war als er, von neuem aufgefordert, ihm bei der Bergung des Schiffbrüchigen zu helfen – schon hatte Bryce Snailsfoot, nach trotziger Antwort, daß er sich das Fluchen verbiete und nicht Hand an sich legen lasse, eher dem jungen Grünschnabel einen Denkzettel geben wolle, an dem er von heute bis Weihnachten zu knabbern haben solle – schon war Mordaunt im Begriff, es darauf ankommen zu lassen und den Mut des Hausierers auf die Probe zu stellen, – als plötzlich hinter ihm eine Stimme ein lautes »Halt!« rief. Es war die Stimme der Norna vom Fitful-Head ... Unbemerkt von dem in Streit geratenen beiden Männern, hatte die Seherin sich ihnen genähert. Laut wiederholte sie »Halt!« und wandte sich drohend an Bryce Snailsfoot: »Leiste dem jungen Mordaunt den Beistand, den er begehrt; denn ich sage Dir, daß Dir besserer Vorteil daraus erwachsen wird als aus der Beute, die Deine Augen blendet.«

»Es ist Leinwand von feinstem Gewebe,« sagte der Hausierer, der schon eins der Hemden mit jener Kennermiene befühlt hatte, mit der Frauen und Sachverständige ein Gewebe taxieren; »stark wie Doppelleinwand. Immerhin will ich Euch, Mutter, zu Willen sein; hätt ich ja auch schon dem jungen Herrn seinen Willen getan,« setzte er hinzu, seinen bisherigen Trotz aufgebend und einen dienstwilligen Ton anschlagend, wie er ihn gegen seine Kunden brauchte, »hätte er bloß nicht gar so gotteslästerliche Flüche ausgestoßen.« Eine Flasche aus der Tasche ziehend, näherte er sich dem Schiffbrüchigen ... »Branntwein von bester Sorte,« sagte er, »und wenn ihn der nicht wieder ins Leben ruft, so weiß ich nicht, was wir machen sollen.« Als wenn er den heilsamen Trank auf seine Güte hin erst noch einmal erproben wolle, setzte er zunächst die Flasche an die eigenen Lippen und wollte eben dem Manne ein Paar Tropfen einträufeln, als er auf einmal mit der Hand zurückfuhr und sagte: »Norna, Ihr bürgt mir für alles, was mir durch ihn und seinetwegen geschehen könnte, wenn ich ihm helfe? – Ihr wißt selbst am besten, Mutter, was für Rede bei den Leuten umgeht.«

Statt einer Antwort nahm ihm Norna die Flasche aus der Hand und rieb dem Schiffbrüchigen Schläfe und Hals, während sie Mordaunt sagte, wie er ihm den Kopf halten müsse, damit er das geschluckte Seewasser von sich geben könne.

Eine Weile sah der Hausierer, ohne ein Hand zu rühren, der Arbeit der beiden zu; dann sagte er: »Na, die schlimmste Gefahr ist ja hinter mir, da er ja nicht mehr im Wasser, sondern am Ufer liegt; am meisten zu fürchten haben ja immer die, die einen Schiffbrüchigen zuerst anfassen. Aber man kann doch nicht mit ansehen, wie dem armen Menschen die Ringe in die Finger schneiden; seine Hand ist ja schon blau, wie ein Krabbenbuckel vorm Kochen.« Mit diesen Worten nahm er eine der kalten Hände, deren Zittern eine Spur von zurückkehrendem Leben verriet, und machte sich an sein Werk der Barmherzigkeit, die Ringe, die ihm von Wert Zu sein schienen, dem Ohnmächtigen von den Fingern zu ziehen.

»Wenn Dir dein Leben lieb ist, laß ab,« rief Norna, ernst die Hand aufhebend, »oder ich gebe Dir was zu kosten, das Dir das Wandern auf unserer Inselflur versalzen soll.«

»Um Gottes willen, Mutter, kein Wort mehr,« antwortete der Hausierer. »Ich will ja alles tun, was Ihr fordert. Es wäre gar zu großes Unglück für mich, wenn ich nicht meinen Handel weiter treiben könnte, der mir mein ehrliches Brot bringt und auch mir sichert, was uns die Vorsehung an die Küste treibt.«

»Dann sei ruhig,« erwiderte die Frau; »und nimm den Mann auf Deine breiten Schultern. An seinem Leben ist viel gelegen, und Dein Lohn soll Dir werden.«

»Lohn tut freilich not,« versetzte der Hausierer, dessen Blicke wieder auf der Kiste und ihrem reichen Inhalt ruhten; »denn ich habe heute mehr eingebüßt, als ich gebraucht hätte, um für den Rest meines Lebens ein Mann zu werden, der sich sehen lassen könnte. Statt dessen muß nun alles hier liegen bleiben, bis es die nächste Flut in die Strömung reißt, hinter denen her, die gestern noch Herren darüber waren.«

»Sei unbesorgt,« sagte Norna »zu statten kommen wird's schon jemand! Sieh, da kommen schon die Aasvögel, die kein minder scharfes Auge haben als Du.«

Der Hausierer sah, tief aufseufzend, Leute aus Jarlshof zum Strande rennen, die sich ihren Anteil an der Beute sichern wollten, die der Sturm ihnen beschert hatte ... »Ja, ja,« sagte er, »die Jarlshofer werden bald aufgeräumt haben, sind sie doch weit und breit bekannt dafür, daß sie keine verweste Ratte zurücklassen – dabei hat keiner von ihnen eine Bohne Verstand für die Ware, die ihm in den Schoß fällt, wie zum Beispiel der alte Ranzelmann Neil Ronaldson, der keinen Fuß zur Predigt hebt, aber zehn Meilen weit humpelt, wenn er hört, daß sein Schiff auf den Strand geraten.«

Norna schien aber solche Gewalt über den Hausierer zu besitzen, daß er nicht mehr zauderte, den Mann, der jetzt deutliche Spuren von zurückkehrendem Leben gab, auf die Schultern zu nehmen, und mit Mordaunts Hilfe am Strande entlangtrug. Einen Moment lang schlug der Fremde die Augen auf, hob die Hand, um auf die Kiste zu zeigen, und schien etwas stammeln zu wollen, worauf Norna sagte: »Schon gut, schon gut! sie soll nicht abhanden kommen,«

An den Erichs-Stufen, die sie hinansteigen mußten, trafen sie die Leute von Jarlshof, die in entgegengesetzter Richtung gekommen waren und Norna ehrerbietig, zum Teil auch scheu und ängstlich, Platz machten.

Kaum ein paar Schritte waren sie hinter ihnen, als Norna sich umdrehte und dem Ranzelmanne, der sich – trotzdem die Angelegenheit mehr in Brauch und Sitte, als auf gesetzlichem Boden fußte, – den Leuten aus dem Orte angeschlossen hatte, zurief: »Neil Ronaldson, höre, was ich dir sage: Von dem Kasten dort, dessen Deckel eben abgesprengt worden, wird nichts genommen! Du stehst mir dafür, daß er unversehrt nach Deinem Hause in Jarlshof gebracht wird. Des Todes ist, der einen Blick hineintut!«

»Euer Wille soll unser Gesetz sein, Mutter,« sagte Ronaldson; »ich stehe dafür ein, daß alles geschehen soll, wie Ihr es wünschet,«

Weit hinter den andern aus dem Dorfe her kam eine Greisin gehumpelt, im lauten Selbstgespräch ihre Gebrechlichkeit verwünschend, aber mit aller Kraft, deren ihr Körper noch fähig war, dem Strande zustrebend, um sich ihrem Teil an der Beute zu sichern.

Zu seinem nicht geringen Erstaunen erkannte jetzt Mordaunt in ihr seines Vaters alte Haushälterin ... »Ei, ei, Swertha,« rief er; »was willst Du so weit vom Hause?«

»Ich wollte bloß nach dem alten Herrn sehen und nach Euer Gnaden,« antwortete Swertha, betreten wie eine arme Sünderin, die auf frischer Tat ertappt worden – sie hatte wohl auch Ursache zu Furcht, denn Mordaunts Vater hatte sich wiederholt sehr mißfällig über den Brauch geäußert, dem auch sie jetzt frönte. Aber Mordaunt war zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, als daß er sich lange mit ihr hätte aufhalten sollen. – »Hast Du meinen Vater gesehen, Swertha?« fragte er.

»Ja,« antwortete diese. »Der Herr wollte die Erichs-Stufen hinunterklettern – was aber sein Tod gewesen wäre, denn das ist kein Weg für Leute von seinem Alter. Er ist meinem Rate gefolgt und heimgegangen – und um Euch zu sagen, junger Herr, daß Ihr Euch in das Herrenhaus begebt, und nach ihm seht – bin ich hier.«

»Ist Vater nicht wohl?« rief Mordaunt, sich jetzt der Schwäche erinnernd, die er auf dem Frühgange mit dem Vater an ihm bemerkt hatte.

»Gar nicht wohl – gar nicht wohl,« ächzte Swertha, wehleidig den Kopf schüttelnd. – »Kreideweiß hat er ausgesehen – und da fällt's ihm noch ein, die Riva hinabzusteigen!«

»Geh heim, Mordaunt,« – sagte Norna, die das Gespräch mit angehört hatte. – »Ich werde dafür sorgen, daß dem Schiffbrüchigen alle Pflege zuteil werde. Du triffst ihn, wenn Du ihn sehen willst, beim Ranzelmann; mehr als Du für ihn getan, kannst Du ja doch nicht tun!«

Mordaunt fühlte die Wahrheit dieser Worte und eilte, Swertha befehlend, mitzukommen, schnellen Schrittes nach Hause. Die Greisin humpelte unwillig hinter ihrem Herrn her; kaum aber war er aus Sehweite, so machte sie Kehrt, vor sich hin brummend: »Was? die beste Gelegenheit, die mir seit Jahren geboten worden, zu einem neuen Mantel und Rock zu kommen, sollte ich mir rauben lassen? – Nein, da sei Gott vor! So reich gesegnet ist unser Strand nicht! Wir haben ja solch Schiff nicht mehr zerschellen sehen seit König Karls Zeiten.«

So schnell die Beine sie tragen wollten, und von dem willigen Geist gestützt, der ihr schwaches Fleisch besiegte, hatte sie bald den Strand erreicht, wo der Ranzelmann, sich selbst die Taschen füllend, die andern mahnte redlich zu teilen und auch der Armen und Blinden zu gedenken, damit Gott, wie er andächtig bemerkte, ihre Küste auch weiter segne. –

Achtes Kapitel

Mordaunt hatte den Jarlshof bald erreicht. Hastig trat er ein und schweren Herzens, denn was er am Morgen am Vater wahrgenommen, konnte die Besorgnis, die Swertha durch ihre Worte wachgerufen, nicht verringern. Er fand den Vater in seiner Stube, erschöpft wohl, aber nicht krank – und bald wußte er, daß Swertha ihn bloß in Angst versetzt hatte, um ihn loszuwerden.

»Wo ist der Schiffbrüchige, an dessen Rettung Du Dein Leben wagtest?« fragte der Vater.

»Norna hat ihn in Obhut, Vater,« antwortete Mordaunt; »sie weiß Bescheid in solchen Fällen und mit solchen Kranken.«

»Also Quacksalberin und Hexe zugleich?« sagte der Vater; »desto besser! da brauchen sich andere nicht zu bemühen; Swertha sagte, der Mensch habe alle Glieder gebrochen – drum ging ich heim, um Verbandzeug zu holen.«

Mordaunt wußte, daß der Vater den Gegenstand nicht weiter verfolgen werde, und da es weder nützlich noch rätlich war, es mit Swertha zu verderben, oder dem Vater neuen Grund zu einer seiner trüben Stimmungen zu schaffen, nahm er sich vor, reinen Mund zu halten, der Haushälterin aber unter vier Augen strenge Vorhaltungen zu machen.

Es war schon spät, als Swertha, ein großes Bündel schleppend, das ihren Beuteteil bergen mochte, stark ermüdet heimkam, Mordaunt suchte sie sogleich auf, um sie wegen der falschen Mitteilungen zu schelten, mit denen sie den Vater und ihn hintergangen, allein die würdige Alte blieb ihm die Antwort nicht schuldig, »Das Verbandzeug,« sagte sie, »hätte sie nicht für den Schiffbrüchigen, sondern für den jungen Herrn selbst vom Herrn Vater holen lassen; es sei ihr ganz grün und blau vor Augen geworden, als sie ihn wie eine wilde Katze an den Klippen habe klimmen sehen – es wäre ihr nicht anders gewesen, als daß sie ihn schon mit zerschmetterten Gliedern am Strande hätte liegen sehen – und daß der Vater seinerseits nicht wohl gewesen und kreideweiß ausgesehen habe, lasse sich doch auch jetzt noch nicht in Abrede stellen.«

»Aber, Swertha,« sagte Mordaunt, sobald sie ihn zu Worte kommen ließ, »wie kamst Du heute morgen zu den Erichs-Stufen? Du solltest doch daheim am Spinnrade sitzen! Und doch machst Du Dir um meinen Vater und mich alle diese unnötige Mühe? Was ist denn in dem Bündel, Swertha? Du hast gewiß wider das Gesetz gesündigt und bist an den Strand gelaufen, um aus dem Schiffbruche Beute zu holen?«

»Der Himmel behüte Euer Antlitz, und der Segen des heiligen Ronald sei mit Euch!« sagte Swertha in einem Tone, halb schmeichelnd, halb mutwillig: »Ihr werdet einem armen Geschöpfe doch nicht verargen, wenn es sich was Gutes antun kann – werdet auch nicht haben wollen, daß soviel Gut auf dem Sande vermodern soll? ... Was hab ich denn groß für meine Mühe? Ein paar Ellen Kammertuch und ein Paar Stück grobes Zeug – die Starken und Dreisten nehmen ja immer in der Welt das meiste und beste für sich!«

»Freilich, Swertha,« sagte Mordaunt, »und für Dich ist's insofern noch schlimmer, als Du in dieser ebensogut wie in jener Welt Deine Strafe dafür bekommst, daß Du arme Seeleute geplündert, statt ihnen zu helfen!«

»Wer wird denn aber ein altes Weib, wie mich, um ein paar Lumpen willen strafen? Vom Grafen Patrick ist viel Böses gesagt worden, aber das Strandrecht hat er streng geschützt und scharfe Gesetze dagegen erlassen, daß Schiffern, die in die Brandung gerieten, Beistand und Hilfe geleistet werde. Seevolk verliert doch, – wie Bryce, der Hausierer, sagt – alles Recht von dem Augenblick an, da ihr Kiel den Sand streift; außerdem sind sie mausetot, die armen Leute, und haben keinen Anteil mehr an irdischem Hab und Gut – nicht mehr, fürwahr, als die Grafen und Könige des Meeres zu den Zeiten der Norweger, die ihre Schätze in Gräbern und Grabstätten verscharrten. Habe ich Euch schon von Olaf Trygarson erzählt, der fünf goldene Kronen mit ins Grab nahm?«

»Nein, Swertha,« sagte Mordaunt, dem es jetzt zur Freude gereichte, die verschlagene alte Diebin zu quälen; »davon hast Du mir noch kein Wort erzählt; aber ich sage dagegen Dir, daß der Fremde, den Norna mit ins Dorf genommen hat, morgen wohl frisch genug sein dürfte sich nach seinem Schiffsgut umzusehen.«

»Wer wird ihm dann sagen, Kind, wohin es gekommen?« erwiderte Swertha, ihm schlau ins Gesicht sehend – »ich habe noch – wie ich Euch sagen will – ein schönes Stück Seidenzeug übrig, aus dem sich für die Festlichkeit, die Ihr vorhabt, eine schöne Weste schneidern läßt.« Mordaunt konnte sich des Lachens über die List nicht länger enthalten, mit der die Alte ihn zu ködern suchte; er hieß sie das Mittagessen herrichten und begab sich zum Vater zurück, den er noch auf demselben Platze fast in derselben Stellung, wie er ihn verlassen, fand. Sobald sie gegessen hatten, sagte Mordaunt, »er wolle ins Dorf gehen, um sich nach dem Schiffbrüchigen zu erkundigen.«

Der Vater nickte beifällig.

»Er mag es kaum bequem dort unten haben, Vater,« meinte Mordaunt – und der Vater erwiderte mit nichts darauf, außer daß er zum zweitenmal nickte. – »Dem Aeußern nach,« fuhr Mordaunt fort, »muß es ein Mann von guter Herkunft sein; aber wenn auch die armen Leute unten getan haben werden, was in ihren Kräften steht, so wär's doch bei seinem schwachen Zustande gut, man ...« –

»Ich weiß, was Du sagen willst,« unterbrach ihn der Vater; »Du meinst, wir sollten etwas zu seiner Hilfe tun? Nun, so geh zu ihm und frag' ihn, ob ihm mit Geld gedient sei? Was er fordert, soll er haben; aber den Fremden in mein Haus nehmen und Verkehr mit ihm pflegen, das kann ich nicht und mag ich nicht. Wozu habe ich mich auf die äußerste Grenze der britischen Inseln geflüchtet? weil ich keine Menschen mehr sehen will, weil mich kein Mensch mehr belästigen soll weder mit seinem Glück noch mit seinem Unglück. So, und nun geh, – warum bleibst Du noch? Sorge, daß der Mann aus der Gegend kommt; ich will niemand um mich sehen als die Gesichter dieser Bagage hier, von der ich recht gut weiß, daß und wie sie mich betrügt – was ich aber hinnehme als ein Uebel, das zu klein ist, um mich darüber zu ärgern.« Mit diesen Worten warf er dem Sohne seine Börse hin und winkte ihm, sich schnell zu entfernen.

Mordaunt war bald unten im Dorfe und in der düstern Hütte Neil Ronaldsons, des Ranzelmanns, wo er den Schiffbrüchigen auf derselben Kiste, die des frommen Hausierers Raubgier wachgerufen, sitzen sah. Der Ranzelmann selbst war nicht zu Hause, sondern wieder am Strande, die Beute gerecht unter die Bewohnerschaft zu verteilen – wobei es natürlich Klagen über Klagen ob ungleicher Verteilung setzte, zu deren Schlichtung die weise, wohlbedächtige Magistratsperson all ihre Umsicht aufbieten mußte.

Margery Bimbister, des Ranzelmannes würdige Ehehälfte, führte Mordaunt zu ihrem Gaste.

»Hier ist der junge Mertoun,« sagte sie ohne irgendwelche Umstände, »vielleicht nennt Ihr ihm Euren Namen, den Ihr uns so hartnäckig verschwiegt. Uebrigens hätten wir, wäre er nicht gewesen, wohl kaum etwas von Euch gehört.«

Der Fremde stand auf, schüttelte Mordaunt die Hand und sagte, daß er schon gehört habe, daß er ihm Leben und Kiste zu verdanken hätte ... »Das übrige fliegt wohl schon in der weiten Welt herum,« setzte er hinzu, »denn die Jarlshofer Leute sind, wie ich merke, flinker hinter Beute her als der Teufel beim Sturme!«

»Und wozu hat Eure Steuermannskunst Euch genützt, wenn Ihr Euer Schiff nicht vom Sumburgh-Head abhalten konntet?« sagte Margery; »daß Sumburgh-Head zu Euch gekommen wäre, habt Ihr gewiß nicht gerechnet.«

»Laß uns einen Augenblick allein, Margery,« sagte Mordaunt; »ich habe mit dem Herrn zu reden.«

»Herrn!« wiederholte Margery mit eigentümlicher Betonung; »nicht als ob der Mann nicht gut genug aussehe« – fügte sie hinzu, ihn abermals von oben bis unten musternd – »ich sehe bloß nicht viel von einem Herrn an ihm.« –

Mordaunt aber gewann, als er den Fremden jetzt musterte, eine andere Meinung – es war ein Mann von mehr als Mittelgröße und von kräftigem, stattlichem Wuchs, und an seinem kecken, sonnverbrannten schönen Gesichte meinte Mordaunt, – so wenig er auch bislang von der Welt gesehen, – den Seemann zu erkennen, der schon manchen Himmelsstrich befahren ... Mordaunt erkundigte sich nach seinem Befinden, und der Fremde sagte fröhlich und guter Dinge, ein paar Stunden ruhigen Schlafes würden ihn schon wieder herstellen; aber voll Erbitterung sprach er von der Habsucht und Neugier des Ranzelmanns und seiner Ehehälfte.

»Dieses geschwätzige Weib,« sagte er, »hat mich von früh bis spät mit Fragen gequält nach meinem Namen, nach dem Schiffsnamen, und nach was weiß ich sonst noch! Ich dächte, sie könnte zufrieden sein mit dem, was auf sie gekommen. Ich war der eigentliche Herr des gescheiterten Schiffes und habe kaum mehr behalten als meine Kleider. Gibt es denn gar keine Obrigkeit hier in diesem wüsten Lande, die einem beispränge in solcher Not?«

Mordaunt nannte Magnus Troil, den vornehmsten Grundbesitzer, auch Faud, den Bezirksrichter, als die Personen, von denen sich am ehesten Hilfe erwarten ließe – indem er seinerseits bedauerte, daß ihn seine Jugend, seinen Vater aber die Eigenschaft eines in Zurückgezogenheit lebenden Fremden verhindere, ihm zu dem gewünschten Schutz zu helfen.

»Ihr habt mehr als genug getan,« versetzte der Seemann; »hätte ich aber noch fünf von den vierzig handfesten Kerlen, die jetzt den Fischen zur Speise geworden, so sollte mich der Teufel nicht dahin bringen, da um Gerechtigkeit zu betteln, wo ich sie mir durch eigne Kraft verschaffen könnte.«

»Vierzig Mann!« wiederholte Mordaunt; »für ein Schiff von der Größe des Eurigen eine starke Bemannung!«

»Aber doch nicht so stark, wie sie hätte sein sollen! Wir führten zehn Kanonen, die Jagdstücke ungerechnet. Unser Kreuzzug auf dem großen Ozean hatte aber unsere Mannschaft geschwächt und uns mit Gütern überladen. Sechs von unsern Kanonen waren als Ballast am Bord ... Hätte ich noch Leute genug gehabt, so wäre dieses Pech nicht über mich gekommen! So aber war alles durch die Arbeit an den Pumpen erschöpft, stürzte auf die Boote und ließ mich auf dem Schiffe im Stiche; nun, ihren Lohn dafür haben sie schon, und ich brauche ihnen ihre Schlechtigkeit nicht mehr nachzutragen. – Die Boote kippten, und alle ersoffen – mich aber, mich rettete das Schicksal – durch Eure Hand!«

»Ihr kommt von Norden? Von Westindien?«

»Ja wohl, das Schiff war »die gute Hoffnung«, von Bristol, ein Kaper, hatte auf dem spanischen Meere Glück sowohl im Handel als bei bei der Kaperei, aber mit dem Schiffe ist auch das Glück futsch! – Mein Name ist Clement Cleveland; ich war Kapitän und, wie schon gesagt, Miteigentümer des Schiffes, bin aus Bristol gebürtig, wo mein Vater auf dem Zollhause eine bekannte Figur war – der alte Wem Cleveland von College-Green.«

Mordaunt, obgleich er aus diesen Auskünften die gewünschte Befriedigung nicht fand, meinte doch zu weiterer Frage kein Recht zu haben – aus dem Benehmen des Fremden sprachen Trotz und Rauheit, wozu ihn freilich die Umstände berechtigten, war er doch von seiten der Inselbewohner stark geschädigt worden; Mordaunt aber hatte ihm das Leben gerettet – und doch schien der Fremde seine Vorwürfe auch gegen ihn zu richten; ungewiß, ob er besser täte, sich zu entfernen, statt ihn wiederholt seines guten Willens zu versichern, saß er schweigend Cleveland gegenüber, der seine Gedanken zu erraten schien, denn er fügte augenblicklich in einem entschuldigenden Tone hinzu: »Ich bin ein schlichter Mann, Mertoun, – denn wie ich höre, ist das Euer Name, – und zugrunde gerichtet obendrein, und so etwas gibt den Menschen eben kein besseres Wesen. Aber Ihr habt freundlich an mir gehandelt, und so will ich Euch, ehe ich gehe, meine Jagdflinte schenken; sie schießt einem Hochländer auf achtzig Schritte hundert Schrotkörner durch die Mütze, und auf hundertundfünfzig Yards hab ich 'mal einen Stier damit niedergeknallt, denn sie läßt sich auch mit Kugeln laden. Ich hab der Flinten noch mehr; drum nehmt diese als Andenken von mir.«

»Das hieße ja, mich am Strandgute bereichern,« meinte Mordaunt lachend.

»Keineswegs!« sagte Cleveland, einen Kasten öffnend, worin mehrere Flinten und Pistolen lagen; »Ihr seht, ich habe meine Gewehrschatulle gerettet, wie meine Kleider; und das habe ich der großen alten Frau in der dunklen Takelage zu danken. Unter uns gesagt,« fügte er mit gedämpfter Stimme, und nachdem er sich vorsichtig umgesehen, hinzu, »dies wiegt alles auf, was ich verloren habe; denn wenn ich in Gegenwart dieser Landgauner von Ruin rede, so ist das nicht buchstäblich zu nehmen. Nein, hier ist noch etwas, womit man mehr tun kann, als Seevögel schießen.« Hierbei zog er einen groben Schrotbeutel hervor, auf dem mit großen Buchstaben die Worte »grobes Schrot« standen, und zeigte Mordaunt, daß er mit spanischen Pistolen und Portugalesen (wie man damals die großen Portugiesischen Goldstücke nannte) bis an den Rand gefüllt war ... »Nein, nein,« fügte er mit schlauem Lächeln hinzu; »ich habe noch Ballast genug, mein Schiff wieder in See zu bringen. Und nun, wollt Ihr das Gewehr nehmen?«

»Da Ihr es mir geben wollt,« erwiderte Mordaunt lachend, »von Herzen gern. Ich wollt Euch gerade in meines Vaters Namen« – fügte er hinzu, die Börse vorweisend, »fragen, ob Ihr von solchem Ballast, wie Ihr sagt, etwas brauchen könnt.«

»Ich danke Euch, aber Ihr seht, ich bin versorgt damit – nehmt meine alte Gefährtin mit dem Wunsche, daß sie Euch so gut diene, wie mir; aber eine so gute Reise, wie ich, werdet Ihr wohl nie mit ihr machen! Ihr könnt doch schießen?«

»Einigermaßen,« sagte Mordaunt, die Flinte – ein schönes spanisches Rohr, mit Gold ausgelegt, von kleinem Kaliber und ungewöhnlicher Länge – mit Bewunderung betrachtend.

»Schrot,« sagte der Kapitän, »hält keine Flinte besser zusammen, und mit der Kugel könnt Ihr einen Seehund im Meere auf zweihundert Yards von der starren Küste aus schießen. Aber ich wiederhole es, die Dienste, die sie mir geleistet, wird sie Euch schwerlich je leisten.«

»Ich werde sie wohl auch nicht so geschickt brauchen können,« meinte Mordaunt.

»Hm, vielleicht nicht,« sagte Cleveland; »aber darüber wollen wir nicht reden. – Was sagt Ihr dazu, daß ich mit ihr den Mann vom Steuerrade schoß, gerade als wir einen Spanier enterten? Ha! das war der Mühe wert; eine starke Brigantine war's, el Sante Francisco – und nach Portobello mit Gold und Negern unterwegs; das kleine Stückchen Blei brachte zwanzigtausend Pistolen ein.«

»Ich habe solch Wildbret bislang noch nicht erlegt,« sagte Mordaunt.

»Nun, alles zu seiner Zeit, man kann nicht die Anker lichten, so lange Ebbe ist. Aber Ihr seid ein rüstiger, schmucker, reger Bursche! Möcht's Euch was schaden, 'mal eine Fahrt nach solchem Zeug zu machen?«

Dabei griff er nach seinem vollen Geldbeutel.

»Mein Vater meint, ich solle mir die Welt ansehen,« sagte Mordaunt, dem solche Einladung von einem Manne, den er für einen echten Seemann hielt, nicht wenig schmeichelte.

»Die Absicht zeugt von klugem Sinne,« erwiderte der Kapitän, »und ehe ich die Anker lichte, will ich nicht unterlassen, ihm meinen Besuch zu machen. Ich habe noch einen Kameraden in diesen Gewässern und brenne drauf, ihn zu sehen. Der Sturm hat uns auseinander getrieben; sein Schiff wird mich wohl aufsuchen; es müßte denn ebenfalls zu David Jones eingegangen sein. – Aber es war in besserem Stande als wir, und hatte keine so schwere Fracht – dürfte also den Sturm ausgehalten haben. Ihr sollt eine Hängematte an Bord haben, und auf einer einzigen Fahrt will ich Euch zum tüchtigen Seefahrer machen,«

»Ich hätte nichts dawider,« antwortete Mordaunt, der gern mehr von der Welt gesehen hätte, als was er bisher davon kannte – »die Entscheidung aber gehört meinem Vater.«

»Vater? Bah!« rief Kapitän Cleveland; »aber Ihr habt recht,« fügte er hinzu, sich schnell zusammennehmend; »ich bin eben schon so lange zur See, daß ich mir gar nicht vorstellen kann, daß außer Kapitän und Steuermann noch jemand das Recht habe, zu denken. Aber Ihr habt recht. Ich will auf der Stelle zu dem alten Herrn gehen und mit ihm reden. Er wohnt wohl in dem schönen, neumodischen Hause, etwa eine Viertelmeile von hier, wie?«

»In der alten Ruine, die kaum noch Haus genannt zu werden verdient, wohnt er allerdings,« sagte Mordaunt, »nimmt aber keine Besuche an.«

»Dann müßt Ihr selbst die Sache ausmachen, denn ich kann unter dieser Breite nicht länger bleiben. Euer Vater ist, wie ich merke, keine obrigkeitliche Person, und so muß ich mich wohl zu dem Magnus – wie heißt er? – bemühen, der zwar nicht Sheriff ist, ihn aber vertritt, oder so was – nicht? Dieses Strandgesindel hat mir ein Paar Dinge geraubt, die ich wiederhaben muß – das andere mögen sie ins Teufels Namen behalten! Wollt Ihr mir, nur als Ausweis, einen Brief an diesen Magnus mitgeben?«

»Das wird nicht nötig sein,« sagte Mordaunt; »Euer Schiffbruch wird Euch Ausweis genug sein, und Appell an Hilfe ist dort nie umsonst. – Aber ein paar Worte kann ich Euch schon mitgeben.«

»Hier ist Schreibzeug,« sagte der Seemann, verschiedenes Gerät aus seiner Kiste nehmend – »ich will inzwischen, da einmal zu löschen angefangen worden, die Luken vernageln und die Ladung sichern,«

Während Mordaunt seinem alten Freunde Magnus Troil die Umstände kurz auseiauandersetzte, unter denen Kapitän Cleveland an die Küste der Insel geworfen worden, griff dieser – nachdem er soviel Kleidungsstücke und Wäsche, nebst einigen andern unentbehrlichen Dingen aus der Kiste genommen, als ein Ranzen fassen konnte – zu Hammer und Nägel, vernagelte die Kiste auf kunstgerechte Weise und schnürte sie noch mit einem festen Stricke, den er nach Seemannsart drehte und knotete. »Ich lasse das alles unter Eurer Aufsicht,« sagte er, »alles bis auf das hier,« indem er auf Hirschfänger und Pistole Zeigte, »was vielleicht die Gefahr, mich von meinen Portugalesern trennen zu sollen, vorbeugen könnte.«

»Kapitän Cleveland,« erwiderte Mordaunt, »Waffen werdet Ihr schwerlich hierzulande brauchen, denn mit einem Beutel voll Geld könnte jedes Kind von Sumbourgh-Head nach Unst auf dem Festlande hinübergehen, ohne daß ihm jemand was zuleide täte.«

»Eine dreiste Rede, Jüngling,« hohnlachte der Kapitän – »in Betracht der Vorgänge draußen!«

»O,« sagte Mordaunt, nicht ohne Verlegenheit, »was mit der Flut an das Land kommt, hält man hier für rechtmäßiges Eigentum.« »Nun,« erwiderte der Kapitän lachend – »keine so üble Meinung, zu der man sich gegebenfalls auch bekennen könnte. Sollten Eure braven Insulaner aber denken, Festland möchte sie ebenso, wie die See, mit billigem Eigentum zu versorgen haben, so werde ich Hirschfänger und Pistole zu brauchen wissen. . . Meine Kiste also hebt Ihr bei Euch auf, bis Ihr von mir hört?«

»Wollt Ihr zu Wasser fort oder zu Lande?« fragte Mordaunt.

»Zu Wasser?« rief Cleveland, »in solcher Nußschale? Nein, nein! zu Lande – immer zu Lande – sobald ich Schiff und Strich und Mannschaft nicht kenne.«

Hierauf schieden sie: Cleveland bekam einen Führer nach Burgh-Westra, und seine Kiste ließ Mordaunt nach Jarlshof bringen.

Neuntes Kapitel

Am andern Morgen ließ sich Mordaunt leichter bereit finden, auf seines Vaters Fragen über den schiffbrüchigen Seemann Antwort zu geben. Aber nur weniges war nötig gewesen, um den Vater dahin zu bringen, daß er sich mit finsterm Gesicht vom Sessel erhob, ein paarmal die Stube auf und ab schritt und sich in das innere Zimmer begab, in welchem er immer dann Zuflucht suchte, wenn ihn seine trüben Stimmungen befielen. Gegen Abend ließ er sich aber wieder sehen, und zwar ohne alle Spur eines Anfalls, und Mordaunt natürlich nahm sich in acht, den Gegenstand, der ihn so heftig ergriffen hatte, aufs neue zu berühren.

Mordaunt mußte sich also seine Meinung über den neuen Bekannten, den ihm das Meer zugesendet, selbständig bilden, – und war begreiflicherweise nicht wenig erstaunt, zu einem Resultat zu gelangen, das für den Fremden durchaus nicht günstig ausfiel. Es kam ihm vor, als läge in dem ganzen Wesen des Mannes etwas Abstoßendes. Leugnen ließ sich freilich nicht, daß er ein schöner Mann war mit freiem, einnehmendem Wesen; was aber Mordaunt nicht behagte, war die Anmaßung, die aus jeder Miene, jeder Gebärde sprach, aus jedem Worte herausklang. Auch an dem Besitz der Jagdflinte konnte er, trotzdem er ein eifriger Jäger war und sich viel mit ihr befaßte, so rechte Freude nicht gewinnen, da er sich gewisser Bedenklichkeiten über die Art, wie er zu ihr gelangt war, nicht erwehren konnte, zumal es ihm so vorkam, als möchte der Kapitän sie als eine Art Trinkgeld ansehen für den Dienst, den der Zufall ihm leisten ließ.

Ein glücklicher Jagdtag söhnte ihn indessen mit dem Besitz der Flinte aus; die Empfindung aber, daß es eine recht simple und verächtliche Sache sei, Möwen und Seehunde zu erlegen, wenn man sich an Franzosen und Spanier wagen, Schiffe entern und Steuermänner wegschießen konnte, wollte ihn freilich nicht verlassen. Sein Vater hatte davon gesprochen, daß er die Inseln verlassen sollte, und in seiner Unkenntnis des Lebens wußte er von keiner andern Betätigung für seine Kraft als derjenigen, die ihm das ihm von Kindheit an vertraute Meer bot. Früher hatte sein Ehrgeiz nach nichts Höherem gestrebt, als an den Mühsalen und Gefahren eines grönländischen Fischfangs teilzunehmen, denn solche Fahrt war für Shetländer der Inbegriff aller Lebensweisheit, In neuerer Zeit, wo der Krieg wieder ausgebrochen war, hatten die Taten eines Francis Drake, Kapitäns Morgan und anderer kühner Abenteurer, deren Geschichten er von Bryce Snailsfoot in Heften kaufte, tiefen Eindruck auf sein Gemüt gemacht, und Clevelands Anerbieten, ihn mit zur See zu nehmen, ging ihm öfter wieder durch den Kopf, wenn auch die Freude über solche Aussicht durch den Zweifel einigermaßen gedämpft wurde, ob er auch lange mit seinem künftigen Befehlshaber auskommen werde, denn darüber, daß er kein umgänglicher Herr, sondern vielmehr ein recht schlimmer Tyrann sein möchte, hegte er keinerlei Zweifel, Und doch malte er sich in lebhaften Farben die Freude aus, mit der er sich einschiffen würde, wenn er vom Vater die Erlaubnis bekäme – was er alles von neuen Ländern, Menschen, Dingen sehen, wieviel Abenteuer er bestehen, wieviel Heldentaten er verrichten werde, wie stolz Magnus Troil von Burgh-Westra und dessen liebliches Töchterpaar auf ihn sein würde!

Oft stand Mordaunt auf dem Punkte, seinem Vater die Unterredung mitzuteilen, die er mit Cleveland gehabt, ihm die Vorschläge auseinanderzusetzen, die ihm der Seemann gemacht habe; allein die kurze, allgemeine Auskunft, die er am ersten Morgen über den Lebensgang des Mannes gegeben, war von so nachteiligem Eindruck auf das Gemüt des Vaters gewesen, daß Mordaunt den Mut nicht mehr fand, darauf zurückzukommen, sondern so lange zu warten sich vornahm, bis das andere Schiff ankäme, von dem der Kapitän gesprochen hatte.

Aber Tage wurden zu Wochen, Wochen zu Monaten, und noch immer verlautete nichts wieder von Cleveland; bloß von Bryce Snailsfoot hörte er gelegentlich einmal, daß Cleveland in Burgh-Westra sei und dort wie zur Familie gehörig angesehen werde. Diese Kunde hatte ihn, trotzdem die auf den Inseln übliche Gastfreiheit es bei Magnus Troils Vermögen und Neigung als etwas ganz Natürliches erscheinen ließ, daß der Kapitän bei der Familie blieb, bis er sich für etwas anderes entschied, nicht wenig in Verwunderung gesetzt, zumal es ihm nicht recht erklärlich war, weshalb Cleveland nicht nach einer der nördlichen Inseln gegangen, um sich nach jenem andern Schiffe zu erkundigen, oder seinen Aufenthalt nicht lieber in Lerwick nähme, wohin Fischerboote oft Nachrichten von den Küsten und Häfen von Schottland und Holland brachten. Und warum ließ er die Kiste nicht holen, die er in Jarlshof zurückgelassen? Und dann, meinte Mordaunt, wäre es doch der Höflichkeit angemessen gewesen, wenn der Fremde ihm, wenn auch nur kurzen, Bescheid hätte zukommen lassen zum Beweise dafür, daß er sich seiner noch erinnere.

Dazu kamen noch andere, nicht minder unangenehme Betrachtungen, zu denen sich ebenfalls kein Schlüssel finden ließ. Bis zur Ankunft des fremden Mannes war nicht eine Woche vergangen, ohne daß Mordaunt einen freundlichen Gruß oder ein Andenken von Burgh-Westra erhielt, und es hatte nie an einem Vorwande seitens der Schwestern, den Verkehr aufrecht zu erhalten, gefehlt, wie auch der biedre alte Udaller für ihn immer einen Gruß, wenn nicht gar eine kleine Spende, übrig gehabt oder ihn hatte einladen lassen, so bald wie möglich nach Burgh-Westra zu kommen und so lange wie möglich in Burgh-Westra zu bleiben. Das war in den letzten Wochen alles anders geworden, und kein Bote mehr war von Burgh-Westra nach Jarlshof gekommen, Mordaunt hatte diese Veränderung schmerzlich empfunden und hatte es schließlich nicht verwinden können, Bryce Snailsfoot auszufragen, – allerdings mit Gleichgültigkeit und Kälte – was es Neues im Lande gäbe.

»Viel, gar viel,« versetzte der Gefragte, »und gar Großes, Wichtiges! Der verrückte Kerl, der neue Verwalter, will andre Bismars und Ließpfunde [Gewichte norwegischen Ursprungs, noch jetzt in Shetland üblich] einführen, aber Magnus Troil, unser würdiger Vogt, hat geschworen, ehe er sie gegen die Schnellwage eintauschte, lieber den Verwalter vom Brassa-craig in die Tiefe zu schleudern.«

»Weiter nichts?« fragte Mordaunt teilnamhslos.

»Nun, ich dächte, das wäre genug,« rief der Hausierer. »Wie sollen die Leute kaufen und verkaufen, wenn sich die Gewichte ändern?«

»Freilich,« sagte Mordaunt; »aber von fremden Schiffen an der Küste habt Ihr nichts gehört?«

»Sechs holländische Dogger liegen vor Brassa, und, wie ich höre, eine Art von Galliote, mit hohem Verdeck und Obergaffsegel, wahrscheinlich aus Norwegen, in der Bucht von Scalloway.«

»Keine Kriegsschiffe oder Schaluppen?«

»Nein, nicht daß ich wüßte,« sagte der Hausierer, »seitdem das Transportschiff, der Geier, mit den gepreßten Leuten unter Segel gegangen ist,«

»Gibt es in Burgh-Westra nichts Neues? Ist die Familie wohlauf?«

»Alles wohl und munter; es scheint sogar, manchmal zu munter, denn mit dem fremden Kapitän, der vor einiger Zeit in Sumbourgh-Head auf den Sand geriet – wo es ihm wohl nicht so lustig zu Mute gewesen sein mag, – nimmt der Jubel kein Ende – und das Tollen und Tanzen die ganze Nacht nicht!«

»Tollen und Tanzen die ganze Nacht!« wiederholte Mordaunt, und es überkam ihn nicht eben die rosigste Laune – »und mit wem tanzt der Kapitän?«,

»Ei, ich denke, mit wem's ihm paßt,« antwortete lachend der Hausierer; »tanzt doch jeder dort nach seiner Pfeife! Ich freilich kann nicht viel davon reden, denn mir ginge es wider mein Gewissen, Tanz und Spiel lange mit anzusehen. Die Leute sollten doch bedenken, daß alles Leben nur an dünnem Faden hängt . . . Aber,« lenkte er ein, »ich sollte wohl auch nicht vergessen, daß Ihr selbst jung seid, und selbst gern tanzt und spielt, Herr Mertoun? Ich bin nun einmal ein alter Mann und muß mein Gewissen rein halten. Aber bei dem Tanze, den es am Johannis-Abend in Burgh-Westra geben wird, seid Ihr wohl dabei – wie? und ohne einigem Zierat wird's dabei dann wohl nicht abgehen – he? ich meine, Beinkleider, Westen und dergleichen. Ich habe Zeug aus Flandern!« und damit legte er seinen Kram auf den Tisch und fing an auszupacken.

»Tanz?« wiederholte Mordaunt; »am St.-Johannis-Abend? Sollt Ihr etwa mich einladen, Bryce?«

»Daß ich nicht wüßte,« fagte der Hausierer –, »aber Ihr wißt ja, daß Ihr dort immer willkommen seid. Der Kapitän macht den Vortänzer, wie sie es nennen, den Rädelsführer sozusagen.«

»Hol' ihn der Teufel!« sagte Mordaunt, zornig auffahrend.

»Alles zu seiner Zeit,« sagte der Hausierer; »nur nichts übereilen; der Teufel kommt schon an die Reihe – laßt's nur gut sein! Aber wenn Ihr auch so ungebärdig dabei ausseht wie eine Wildkatze – wahr bleibt's doch, was ich sage. Hat mir der Kapitän doch – – ich weiß nicht recht, wie er heißt – schon eine Weste abgekauft, von einer Sorte, die ich Euch zeigen will, Purpur mit goldenem Paspel, und schön gestickt; und für Euch hätte ich ein Stück, das dazu paßt, mit grünem Grunde; und wenn Ihr neben ihm Euch sehen lassen wollt, dann müßt Ihr gerade so etwas kaufen, denn das Gold glänzt, selbst jetzt noch, am meisten in den Augen der Mädchen. Seht einmal her,« fügte er hinzu, »wie es im Lichte aussieht; ... kommt direkt von Antwerpen... und ist doch billig – kostet nur vier Taler; dem Kapitän gefiel das Zeug so, daß er mir einen Jakobsd'or hinwarf mit den Worten, ich möchte den Rest nur in Teufels Namen behalten!«

Mordaunt wandte ihm den Rücken, schlug die Arme übereinander und ging im Zimmer auf und ab ... »Nicht einmal eingeladen,« sprach er vor sich hin, »und ein Fremder als König des Festes....«

Er sprach die Worte so oft und so laut, daß Bryce den Sinn wohl oder übel erraten mußte.

»Na, die Einladung, Herr Mordaunt, wird wohl noch kommen,« meinte er.

»Es ist also gesprochen worden von mir?« fragte Mordaunt,

»Ganz bestimmt sagen kann ich's nicht,« versetzte Bryce, »aber warum den Kopf so finster wegwenden wie ein Seehund, wenn er vom Ufer geht? Ich hab doch deutlich gehört, daß alles junge Volk aus der Gegend dort sein wird – da werden sie doch Euch alten, wohlbekannten Freund und leichtfüßigsten Tänzer nicht zurücklassen? Ich glaube bestimmt, daß Ihr so gut als eingeladen seid! Versorgt Euch nur mit einer Weste, denn schmuck und stattlich wird dort sicher alles sein, – der Herr sei der Gesellschaft gnädig!« Mit seinen grünen, gläsernen Augen folgte er allen Bewegungen Mordaunts, der, in tiefes Nachdenken versunken, auf und ab schritt. Der Hausierer mochte wohl mit Claudio denken, daß der meiste Grund zu Kummer im Leben Geldmangel sei, und sagte deshalb nach einer abermaligen Pause: »Ihr braucht deshalb nicht den Kopf hängen zu lassen, Herr Mordaunt, denn, wenn mir auch der Kapitän gezahlt hat für die Ware, was sein mußte, so werde ich es doch mit Euch als einem guten Freunde und Kunden nicht so scharf nehmen, sondern den Preis nach Eurem Beutel einrichten, wenn's sein muß, mit der Bezahlung auch bis St. Martin oder Lichtmeß warten, Leben und leben lassen, Herr Mordaunt, – der Himmel bewahre mich davor, jemand zu drücken, am wenigsten einen, der mich auch schon hat verdienen lassen. Schließlich könnt Ihr mir ja für den Wert auch Federn oder Otternhäute oder Pelzwerk liefern; versteht es doch niemand besser als Ihr, dergleichen aufzutreiben. Vielleicht habt Ihr auch von dem Schießpulver noch, das ich Euch vor ein paar Jahren verkaufte? Es war von der besten Marke, und ich verkaufe es nur an gute Schützen. Wenn Ihr also etwas habt, das Ihr gegen die Weste geben wollt, so bin ich zum Tauschen bereit; werdet Ihr doch gewiß auf St.-Johannis nach Burgh-Westra geladen und dann nicht schlechter aussehen wollen als der Kapitän. Das schickte sich wenigstens nicht recht.«

»Dort sein will ich wenigstens, ob ich geladen werde oder nicht,« sagte Mordaunt, plötzlich stehen bleibend und dem Hausierer das Stück Zeug aus der Hand reißend – »und wie Ihr ganz richtig sagt, Ehre will und muß ich dort schon einlegen!«

»Nur sachte, Herr Mordaunt,« rief der Hausierer; »Ihr geht ja mit dem feinen Seidenzeuge um, als ob es ein Stück grober Wadmoral wäre! Dabei kostet's vier Taler; soll ich's ankreiden?«

»Nein!« rief Mordaunt heftig, nahm seine Börse heraus und warf Bryce Snailsfoot das Geld hin.

»Der Himmel segne Euch das Zeug und mir das Silber,« sagte der Hausierer, vergnügt sein Geld einstreichend, »und bewahre uns beide vor irdischer Eitelkeit und Begierde!..... Aber, Herr! – warum drückt Ihr denn das Seidenzeug so zusammen wie ein Heubündel?«

In diesem Augenblick trat Swertha herein, und Mordaunt, als ob er das gekaufte Zeug schnell wieder los sein wolle, warf es ihr nachlässig hin und hieß sie es wegpacken, nahm aus der Ecke seine Jagdflinte, riß sein Jagdzeug von der Wand und stürzte aus dem Zimmer, ohne dem Hausierer, der noch Seehundsfell, »so Weich wie Rehleder, aus dem sich Riemen und Futteral zu der Flinte fertigen ließe,« anpreisen wollte, noch einen Blick zu schenken.

Mit seinen grünen blinzelnden Augen sah der Hausierer dem unwirschen Jüngling eine kurze Weile nach . .

Auch Swertha war verwundert, daß er so wild hinausstürmte, und meinte, »der junge Herr müsse nicht recht bei Sinnen sein!«

»Nicht recht bei Sinnen?« wiederholte der Hausierer, »der wird noch so wild werden wie sein Vater nur je gewesen . . . Das merkt man doch wohl schon, wenn jemand mit einem Stück Zeug, das vier Taler kostet, so herumwirft, als wenn es Quark wäre!«

»Vier Taler der grüne Lappen?« rief Swertha, den Händler bei dem Worte fassend, das ihm so unversehens entschlüpft war; »Na, da habt Ihr Euer Heu ja herein! Da weiß man wirklich nicht, über wen man sich mehr wundern soll, über den Betrogenen oder über den Betrüger.«

»Ich habe ja nicht gesagt, daß es ihn ganze vier Taler kostet,« sagte Bryce, »und wenn auch nun, so ist es doch, meine ich, dem jungen Herrn sein Geld, und alt genug, um sich zu kaufen, was ihm gefällt, ist er, meine ich, auch – zudem ist das Zeug unter Brüdern wert, was er dafür gegeben, und mehr.«

»Nun, nun,« versetzte Swertha kaltblütig, »der Vater ist ja auch noch da – wollen doch 'mal hören, was der dazu sagt.«

»Hoffentlich tut Ihr mir so etwas nicht an, Frau Swertha,« rief, klein beigebend, der Händler – »das wäre zum wenigsten ein schlimmer Dank für den schönen Oberrock, den ich Euch von Lerwick mitgebracht habe.«

»Und für den Ihr gewiß einen schönen Batzen fordern werdet,« sagte Swertha; »was Ihr mit schönen Worten und guten Werken im Schilde führt, weiß man ja doch!«

»Na, gebt mir dafür, was Euch recht scheint – oder wir lassen's anstehen, bis Ihr 'mal etwas für die Wirtschaft oder den gnädigen Herrn zu kaufen habt, dann kann ja alles auf eine Rechnung kommen.«

»So will ich's mir gefallen lassen, Bryce Snailsfoot;« sagte Swertha, »zumal wir bald neues Tischzeug brauchen werden; denn da keine Frau im Hause ist, können wir nicht spinnen, mithin auch nicht eigenes Zeug fertigen.« »Das heißt man,« sagte der Hausierer, »nach den Worten leben: »Gehet zu denen, die da kaufen und verkaufen« – Bibeltexte haben doch immer guten Nutzen.«

»Und mit einem klugen Manne, der aus allem sein Pfeifchen zu schneiden weiß, im Verkehr zu sein, ist, – wenn nicht von Nutzen, doch eine Freude,« erwiderte lachend die Hausverwalterin; »und wenn ich mir das Westenzeug genauer ansehe – na, so möcht ich jetzt selber sagen, daß es seine vier Taler wohl wert ist.«

Zehntes Kapitel

Inzwischen stürmte Mordaunt, dem verwundeten Hirsche gleich den Schmerz, den ihm der Pfeil bereitet, durch schnellen Lauf zu ersticken suchend, über die Heide und durch das wilde Moor, in seinem Stolze durch das, was er vom Hausierer vernommen, auf das tiefste verletzt – um so tiefer als es durch die Zweifel, die durch das unfreundliche Stillschweigen der Leute von Burgh-Westra in ihm geweckt worden, volle Bestätigung erhielt. Er, in seinen eigenen Augen von der Höhe herabgesunken, auf welcher er als erster unter der Jugend der Insel gestanden, fühlte aber nicht bloß Demütigung, sondern Kränkung und Beleidigung: die beiden schönen Schwestern, um deren Lächeln alle buhlten, mit denen er auf so freundlichem Verkehrsfuß gestanden, daß man ihn schon auf der ganzen Inselflur für einen Freier gehalten – auch sie schienen seiner vergessen zu haben? auch ihnen bedeutete er auf einmal so wenig, daß er nicht einmal mehr als gewöhnlicher Bekannter galt? Selbst der alte Udaller, dessen biederes, aufrichtiges Wesen ihn immer so angeregt und angezogen hatte, schien ebenso wandelbar und veränderlich zu sein wie seine Töchter! Ach, der arme Mordaunt hatte mit dem Lächeln seiner Huldinnen auch die Wohlgeneigtheit seines eifrigen Gönners, des mächtigsten auf der ganzen Inselflur, verloren!

Ohne auf den Weg zu achten, eilte Mordaunt, getrieben von dem Verlangen, diesen peinvollen Gedanken zu entrinnen, mit verdoppelten Schritten durch eine Gegend weiter, wo weder Hecken, noch Mauern, noch Zäune den Wanderer aufhielten, bis der Weg ihn an eine einsame Stätte führte, wo zwischen steilen, mit Heidekraut bewachsenen Hügeln, die sich jäh bis zum Wasserrande hinunterzogen, einer der kleinen Sühwasserseen lag, deren es auf den shetländischen Inseln so viele gibt, und deren Ufer die Quellen und Bäche und Flüßchen bilden, die das Land bewässern und die kleinen Mühlen bewegen, auf denen die Inselbewohner ihr Korn mahlen.

Es war ein milder Sommertag; die Strahlen der Sonne wurden, wie es in Shetland nicht zu den Seltenheiten gehört, durch einen silbernen Nebel, der den starken Gegensatz von Licht und Schatten in der Atmosphäre aufhebt und selbst dem Mittag die ruhige Färbung der Abenddämmerung leiht, gebrochen und gemildert. Der kleine See, kaum dreiviertel Stunden im Umkreise, lag in tiefer Ruhe; kein Hauch kräuselte seine Fläche, die nur gestört wurde, wenn einer der vielen Wasservögel, die über ihr strichen, beutesuchend tauchte. Die Tiefe gab dem Wasser die blaugrüne Farbe, die dem See den Namen des »grünen« gab, – und in diesem Augenblick bildete er einen so vollkommenen Spiegel für die Hügel ringsherum, daß sich das Wasser von dem Lande kaum unterscheiden ließ; ia, die Dämmerung die der dünne Nebel verbreitete, hätte einen Fremden schwerlich vermuten lassen, daß ein Wasserspiegel vor ihm lag. Die ungemeine Heiterkeit des Wetters, die durch die Ruhe der Atmosphäre und das tiefe Schweigen der Elemente noch erhöht wurde, lieh der ganzen Szenerie einen seltsamen Reiz, und ein einsameres Stück Erde wäre kaum auffindbar oder nur denkbar gewesen; neigten sich doch selbst die Wasservogel, in so großer Menge sie hier auch weilten, in tiefer Ruhe über die schweigende Flut.

Ohne zu zielen, ohne irgend etwas zu bezwecken, ja fast ohne zu wissen oder zu denken, was er tat, legte Mordaunt die Flinte an die Wange und schoß über den See. Der grobe Schrot kräuselte die stille Fläche wie Hagelschauer; von den Hügeln schallte der Knall zurück; die Wasservögel schwirrten, unregelmäßige Kreise ziehend, zu engeren Schwärmen zusammen, und tausendfältig verschiedenes Geschrei, vom tiefen Baß der weißen Sturmmöwe bis zu den klagenden Lauten der Winter- und isländischen Möwen, erfüllte die Luft.

Загрузка...