Zweiter Teil

Erstes Kapitel

Während der kurzen Zeit, die zwischen dem Schlusse der Audienz und der Sitzung des Geheimen Rats lag, hatte Leicester Zeit, sich zu überlegen, daß er an diesem Morgen sein eignes Schicksal untersiegelt habe. »Es wäre ihm,« dachte er, »jetzt unmöglich, nachdem er angesichts des ganzen vornehmen Adels von England sich, wenn auch in zweideutiger Rede, für die Wahrheit der Varneyschen Aussage verbürgt hätte, sie zu widerrufen oder zu verleugnen, ohne sich selbst nicht bloß dem Verluste der Gunst des Hofes auszusetzen, sondern auch der höchsten Ungnade der Königin, seiner hintergangnen Gebieterin, und dem Spott und Hohn seines Nebenbuhlers und aller Vornehmen im Lande.« Diese Gewißheit überkam sein Gemüt zugleich mit all den Schwierigkeiten, denen er sich notwendigerweise aussetzen würde, wenn er ein Geheimnis hütete, das jetzt in gleicher Weise ausschlaggebend war für seine Sicherheit, seine Macht und seine Ehre. Er befand sich in einer Situation, wie jemand, der auf Eis Schlittschuh läuft, der alles Eis um sich her brechen sieht und keine andre Sicherheit für sich erblickt als festen, herzhaften Schrittes, ohne Zagen und Zaudern, weiter zu laufen. Die Gunst der Königin sich zu erhalten, der er so vieles zum Opfer gebracht, war jetzt für ihn Hauptsache; dazu mußte er alles aufbieten, durfte kein Mittel, keinen Weg scheuen, denn diese Gunst war die einzige Planke, die er in diesem Sturme betreten, auf der er Halt finden konnte! Er mußte deshalb alles daran setzen, sich die Parteilichkeit der Königin nicht bloß zu erhalten, sondern noch stärker auf seine Seite zu ziehen. Er mußte Elisabeths Günstling werden, oder er wurde schiffbrüchig an Ehre und Vermögen. Alle andern Erwägungen traten für den Augenblick in den Hintergrund, und die wilden Gedanken, die sein Gemüt bestürmten, wenn ihm Amys Bild vor das Auge trat, verjagte er energisch, indem er sich sagte, daß nachher Zeit genug sein werde, sich mit der Frage zu befassen, wie sich ein Ausweg aus dem Labyrinth schaffen lasse; der Lotse, der zu seinen Füßen eine Scylla sieht, sagte er bei sich, darf sich die Zeit nicht nehmen, an die in der Ferne drohenden Gefahren der Charybdis zu denken.

In dieser Stimmung nahm der Earl of Leicester an diesem Tage seinen Sitz in dem Geheimen Rat der Königin ein, und in derselben Stimmung, als die Amtsgeschäfte erledigt waren, auch den Ehrenplatz an ihrer Seite auf der Luftfahrt auf der Themse. Und niemals entfaltete er seine Gaben als Politiker ersten Ranges oder die ihm von der Natur verliehenen Talente eines vollendeten Höflings in höherm Glanze!

Der Zufall fügte es, daß an diesem Tage die Angelegenheiten der unglücklichen Maria Stuart in dem königlichen Geheimrate zur Sprache kamen, die nunmehr sieben Jahre in schmerzvoller Gefangenschaft gehalten wurde. Es waren Meinungen vor Elisabeths Rat gelangt, die zu gunsten dieser Fürstin sprachen und die mit nicht geringem Nachdruck von Sussex und andern Männern vertreten wurden, die das Völkerrecht und den Bruch des Gastrechts höher einschätzten als es, wenn auch in milder Form oder mit entschuldigenden Floskeln vorgebracht, den Ohren Elisabeths genehm zu hören war. Leicester vertrat mit Lebhaftigkeit die entgegengesetzte Ansicht und setzte beredt die Notwendigkeit auseinander, die Königin von Schottland nach wie vor in strenger Haft zu halten, sowohl um der, Sicherheit des Königreichs als um der persönlichen Sicherheit der Königin Elisabeth willen, denn ein Haar von dem geheiligten Haupte derselben müsse den Herren Lords höher stehen und Gegenstand ängstlicherer Fürsorge sein, als die Person ihrer unglücklichen Schwester von Schottland, die vergeblicher- und ungerechterweise zuerst die Hand ausgestreckt habe nach dem Throne von England, und auch jetzt noch, im Schoße ihres Landes wie auch anderwärts, die Hoffnung aller Feinde von Englands rechtmäßiger Königin sei. Leicester schloß seine Rede mit den Worten, daß er die hohen Räte um Verzeihung bitte, wenn er im Eifer der Rede irgendwem zu nahe getreten sei, aber die Sicherheit der Königin sei ein Thema, das ihn die Grenzen der Mäßigung immer vergessen lasse. Elisabeth verwies ihm, wenn auch in gelinden Worten, die ungebührliche Wichtigkeit, die er ihren persönlichen Interessen beimesse; doch ließ sie gelten, daß sie, seitdem es Gott dem Herrn gefallen habe, dieses ihr persönliches Interesse mit dem Wohl ihrer Untertanen zu vereinen, lediglich ihre Pflicht tue, wenn sie solche Maßregel der Selbsterhaltung träfe, wie sie durch die Verhältnisse und Umstände ihr aufgenötigt würden; und wenn der Rat in seiner Weisheit es für angemessen erachte, daß die Person ihrer unglücklichen Schwester von Schottland auch weiterhin in Haft gehalten werden müsse, so halte sie persönlich sich versichert, daß niemand sie um deswillen tadeln werde, daß sie die Gräfin von Shrewsbury ersuche, ihr alle Güte und Milde angedeihen zu lassen, die sich mit der Hut über ihre Person nur irgend vereinen lasse.

Noch nie war mit solcher Hast und solchem Eifer der Weg frei gemacht worden für den »hohen Lord von Leicester« als heute, wie er durch die gedrängt voller Leute stehenden Vorzimmer schritt, um Ihre Majestät zu ihrer Barke zu geleiten. ... Noch nie hatte die Stimme der Herolde lauter geklungen bei dem Rufe: »Platz! Platz für den hohen Lord von Leicester!« ... Noch nie war diesen Rufen und Zeichen schneller und ehrerbietiger Folge geleistet worden als heute.... Noch nie hatten so viel Augen so begierig gehascht nach einem huldvollen Blicke von ihm... noch nie hatten so vieler niedrigen Diener Herzen sehnsüchtig gepocht, ihm ihre Glückwünsche auszusprechen oder ihrer Furcht Ausdruck zu geben, daß es ihm, der so unermeßlich hoch über ihnen stände, lästig sein müsse, sich von ihnen behelligt zu sehen.

Der ganze Hof betrachtete den Ausgang dieser Audienz, der mit so vielen Zweifeln und so großer Besorgnis entgegengesehen worden war, als einen entschiedenen Sieg des Earl of Leicester und empfand es als ausgemacht, daß der Stern seines Nebenbuhlers, wenn auch nicht völlig verdunkelt, so doch stark im Niedergange begriffen sei. Das war die Meinung bei Hofe sowohl als bei den Höflingen, bei hoch und niedrig, und demgemäß richtete sich alles Tun und Lassen.

Andrerseits hatte Leicester diese Grüße und Komplimente noch niemals mit solcher Huld und Höflichkeit erwidert wie jetzt, noch nie hatte er sich mit größerm Erfolg bemüht, »goldne Meinungen aus aller Leute Munde« zu ernten, wie jemand äußerte, der gerade in nicht zu großer Entfernung von ihm stand... wie an diesem Audienztage. Für alle hatte der von der Gunst seiner Königin getragne Earl einen Gruß, auch wohl eine Verneigung, zum wenigsten ein Lächeln, hin und wieder sogar ein huldvolles Wort. Zumeist galten diese Bevorzugungen solchen Höflingen, die heute lange schon in Vergessenheit geraten sind; aber auch andre befanden sich darunter, deren Namen seltsam in unsern Ohren klingen, wenn sie im Zusammenhang mit den gewöhnlichen Dingen des Lebens genannt werden, über die sie die Dankbarkeit der Nachwelt längst emporgehoben hat. Einige von Leicesters Worten und Reden, die er für seine Umgebung bei diesem Anlasse hatte, mögen hierher gesetzt sein:

»Ei, guten Morgen, Pointings, und was macht die Frau Gemahlin und das holde Fräulein Tochter? Und warum sieht man sie gar nicht bei Hofe?« ... »Adams, Euer Gesuch ist hinfällig – – die Königin will kein Monopol mehr erlassen; aber vielleicht kann ich Euch ein andermal besser dienen.« ... »Mein lieber Herr Alderman Aylford, das Gesuch der City, in betreff Queenhithes, soll, soweit mein bescheidnes Interesse dabei dienen kann, Förderung erhalten.« ... »Mein lieber Herr Edmund Spencer, in Sachen Eurer irländischen Bittschrift möchte ich Euch zu gern behilflich sein, bin ich den Musen doch gar nicht gram, aber Ihr habt Euch erlaubt, den Lord Schatzmeister zu bewitzeln.«

»Mylord, wäre es mir vergönnt, auseinanderzusetzen ...« hub der Poet an.

»Kommt in meine Wohnung, Edmund,« antwortete der Graf, »morgen oder nächster Tage nicht, aber bald, hört Ihr, bald?« ...

»Ei, sieh da, Will Shakespeare – – wilder Will! – – Du hast dem Philipp Sidney, meinem Neffen, Liebespulver eingegeben, und nun kann er nicht schlafen ohne Deine »Venus und Adonis« unter dem Kopfkissen.! Wir werden Dich aufknüpfen lassen als den schlimmsten Zauberkünstler von ganz Europa! Weißt Du, unwirscher Geselle! Deine Patentsache habe ich keineswegs vergessen, auch die Bärenangelegenheit nicht!«

Der Schauspieler verneigte sich und der Earl nickte und schritt weiter – so hätte man zu jener Zeit den Fall erzählt – in unsern Tagen aber vielleicht lieber gesagt, »der Unsterbliche habe dem Sterblichen gehuldigt.«

Der Nächste, dem der Hohe das Wort vergönnte, war einer seiner eifrigsten Parteigänger.

»Sieh da, Sir Francis Denning,« flüsterte er, als Antwort auf dessen schmeichelhaften Gruß, »dieses Lächeln hat Dein Gesicht um ein volles Drittel kürzer gemacht, als es mir heute früh vorgekommen ist. Muß das sein?« ... »Aber, mein lieber Herr Bowyer, bitte, einen Schritt zurück! Meint Ihr wirklich, ich trüge Groll gegen Euch in meinem Busen? ... Ganz im Irrtum! Habt Ihr doch heute morgen bloß Eure Pflicht getan! Und wenn ich mich des Vorgangs zwischen uns erinnre, soll es geschehen zu Euern gunsten.«

Hierauf trat, unter allerhand phantastischen Bücklingen, eine wunderliche Persönlichkeit zu dem Earl heran. Sie war absonderlich gekleidet in ein Wams aus schwarzem Sammet, das kuriose, mit karmesinrotem Atlas verbrämte Schlitzen aufwies. Eine lange Hahnenfeder auf dem Sammetbarett, das er in der Hand hielt, und eine ungeheure Halskrause, nach dem absurden Geschmack damaliger Zeit über die Maßen gestärkt, im Verein mit einem schneidigen, muntern, verschlagnen Gesichtsausdruck schienen einen eitlen, hohlköpfigen Gecken, einen Menschen von geringem Wissen zu verraten, während der Stab, den er in der Hand hielt, und ein gewisses amtliches »Air«, das er sich zu geben wußte, ihn als Menschen erscheinen ließ, der mit irgend einer Behörde im Zusammenhang stehen mochte. Hierauf ließ auch ein eigentümlicher Grad von Redegabe schließen, der dieser Persönlichkeit zu eigen war. Die spitze Nase und die hageren Wangen, die der Mann hatte, waren ständig von Röte bedeckt, eine Eigenschaft, die mehr von »gutem Leben« sprach, wie man sich auszudrücken liebt, als von Zurückhaltung und Mäßigkeit; und die Art und Weise, wie er sich dem Earl näherte, bestätigte solche Ansicht.

»Recht guten Abend, Meister Robert Laneham,« sagte Leicester, schien aber willens, mit diesen Worten an der Persönlichkeit vorüberzugehen.

»Ich habe ein Gesuch an Eure Lordschaft,« sagte die Persönlichkeit und ging dem Grafen keck hinterher.

»Und welcher Art, mein lieber Türsteher im Geheimratssaale?«

»Aufseher im Geheimratssaale, bitte,« versetzte Meister Robert Laneham mit Nachdruck, sowohl als Antwort wie als Verbesserung.

»Nun, leg Dir Deinen Titel zurecht, wie Du willst, Mann,« erwiderte der Earl, »was ist Dein Begehr von mir?«

»Nicht viel,« entgegnete Laneham, »weiter nichts als daß Eure Herrlichkeit wie bislang, mein lieber Herr, bleiben und mir das Recht verleihen möge, die Sommerreise nach dem schönen, von nichts übertroffnen Landsitze Eurer Herrlichkeit, dem Schlosse Kenilworth, mitzumachen.«

»Zu welchem Zwecke, lieber Meister Laneham?« erwiderte der Earl; »erwäge, daß ich mit vielen Gästen werde rechnen müssen.«

»Aber nicht mit ihrer so vielen,« erwiderte der Bittsteller, »daß es Eurer Herrlichkeit nicht möglich sein sollte, für einen so alten Diener wie mich das bißchen Unterschlupf und das bißchen Speise und Trank übrig zu haben. Bedenkt, Mylord, wie notwendig Euch dieser Stab ist, all jene Lauscher hinwegzuscheuchen, die sonst so gern beim Geheimrat sich einnisten und durch die Ritzen und Schlüssellöcher lugen möchten, wenn mein Stab nicht hantierte, wie eine Fliegenklatsche in einem Fleischerladen.«

»Mich bedünkt, Dir beliebe hier ein recht fliegenwedliger Vergleich für den hohen Geheimrat, Meister Laneham,« sagte der Earl; »aber gib Dir nicht erst Mühe, das zu rechtfertigen. Komm nach Kenilworth, wenn es Dich gelüstet; Narren werden dort in Menge zu treffen sein, und so wirst Du auch hinpassen.«

»Nun, sollten dort Narren sein, Mylord,« erwiderte Laneham mit lustigem Lachen, »so will ich, verlaßt Euch darauf, für Spaß unter ihnen sorgen, denn es kann sich kein Jagdhund mehr darauf freuen, einem Hasen hinterherzusetzen, als ich mich gecke, wenn es glückt, einem Narren eins auszuwischen. Aber noch eine weitre Gunst besondrer Art habe ich mir von Eurer Lordschaft zu erbitten.«

»Sag, was Du willst, und laß mich dann in Ruhe,« sprach der Earl; »ich denke, daß die Königin jeden Augenblick kommen wird.«

»Mein gnädigster Lord, ich wollte mir erlauben, einen Bettkameraden mitzubringen.«

»Was faselst Du da, Du unverschämter Wicht?« rief Leicester.

»Nun, Mylord, nur etwas, was durchaus im Rahmen des Anstands und der guten Sitte sich bewegt,« entgegnete sein Bittsteller, dessen Röte um deswillen nicht aus dem Gesichte verschwand, »ich habe ein Weib, das an Neugierde ihrer Großmutter nichts nachgibt, die sich die verbotne Frucht gut schmecken ließ, den Apfel des Paradieses. Nun mag ich sie nicht so geradezu mitbringen, da Eure Herrlichkeit doch so strenge Befehle gegen alle Bediensteten erlassen hat, ihre Ehegesponse auf dieser Reise daheim zu lassen und den Hof nicht mit Weibsvolk zu behelligen. Aber was ich von Eurer Herrlichkeit erbitten möchte, ist, mir die Mitnahme meines Weibes unter irgend einer Vermummung zu gestatten, so daß also niemand verspürt, daß es ein Frauenzimmer ist, und also dadurch keinerlei Aergernis entstehen kann.«

»Hol der böse Feind Euch alle beide,« sagte Leicester, durch die Erinnerungen, die hierdurch in ihm geweckt wurden, aufs äußerste erbittert, »weshalb haltet Ihr mich auf mit solchem Tratsch!«

Der erschrockne »Aufseher des Geheimratssaals«, niedergeschmettert durch diesen Zornesausbruch, den er so ahnungslos hervorgerufen hatte, ließ seinen Amtsstab fallen und starrte auf den erzürnten Earl mit einem blitzdummen Gesicht, auf dem sich Schreck und Staunen zugleich malten, die aber durch Leicester sogleich beseitigt wurden.

»Ich wollte bloß sehen, ob Du auch die Kühnheit besitzest, die Dein Amt erfordert,« sprach er hastig. »Komm nach Kenilworth und bring den Satan mit, wenn Du willst.«

»Mein Weib hat den Satan bis jetzt nur in einem Mysterium zur Zeit der Königin Maria gespielt – aber es wird uns wohl noch an manchen Requisiten fehlen.«

»Hier hast Du eine Krone für Dich,« sagte der Earl, »... nun laß mich aber in Frieden ... die große Glocke schlägt.«

Meister Robert Laneham war noch eine Weile ganz perplex über die Erregung, die er hervorgerufen hatte, und dann sprach er bei sich, während er sich bückte, um seinen am Erdboden liegenden Stab aufzuheben:

»Der edle Graf ist heute bei schlimmer Laune, aber wer Kronen austeilt, erwartet von uns klugen Leuten Unterwürfigkeit gegen ihre Launen, und, meiner Treu! wenn sie nicht die Gnade haben wollten zu bezahlen, so würden wir ihnen schon die Daumschrauben ansetzen.«

Leicester ging schnell hinweg, ohne sich der Höflichkeit, die er heute so freigiebig für alle an den Tag gelegt hatte, noch weiter zu befleißigen. Mit eiligen Schritten durchmaß er den Raum, schob beiseite, wer ihm von dem Hofgesinde im Wege stand, bis er ein kleines Nebengemach erreicht hatte. Hier blieb er eine Weile stehen, um unbeobachtet und allein für sich wieder zu Atem zu kommen.

»Was ist geworden aus mir,« sprach er bei sich, »daß mich solcher gemeine, verkommne, hohlköpfige Tropf durch seine Faseleien dermaßen beeinflussen kann! ... Gewissen, Du bist ein Bluthund, dessen Geknurr beim leisen Vorbeihuschen einer Maus ebenso flink laut wird, wie beim Schritt eines Löwen. ... Kann ich mich denn nicht durch einen einzigen kühnen Streich aus solchem qualvollen, solchem ehrlosen Zustande befreien? Wie, wenn ich vor Elisabeth einen Kniefall täte, wenn ich ihr alles bekennte und mich ihrer Gnade überantwortete?«

Während er diesem Gedanken nachhing, ging die Tür des Gemaches auf, und Varney trat ein.

»Gott sei Dank, Mylord, daß ich Euch gefunden habe!« lautete sein Ausruf.

»Dem Teufel sei Dank, dessen Diener Du bist!« lautete die Erwiderung des Grafen.

»Richtet Euren Dank, an wen Ihr wollt, Mylord,« versetzte Varney, »aber eilet, eilet, daß Ihr ans Ufer kommt. Die Königin ist bereits an Bord und fragt nach Euch.«

»Geh, sag, daß mir plötzlich schlecht geworden sei,« erwiderte Leicester, »denn beim Himmel, mein Hirn vermag dies alles nicht mehr zu ertragen.«

»Freilich kann ich das bestellen,« antwortete Varney herb, »sind doch Euer Platz wie auch der meinige bereits ausgefüllt. Was soll ich noch als Stallmeister auf Euch warten, wenn Ihr niemand mehr braucht, Euer Roß zu halten? Euer Platz in der Barke der Königin ist besetzt. Hört Ihrs, Leicester? ... Der neue Schoßhund, Walter Raleigh, und unser alter Bekannter, Tressilian, sind berufen worden, unsre Plätze einzunehmen, gerade als ich wegrannte, Euch zu holen.«

»Du bist ein Teufel, Varney,« rief Leicester hastig, »aber zurzeit führst Du das Regiment ... ich folge Dir.«

Varney gab keine Antwort, sondern schritt voran aus dem Palast und nach dem Flusse hinunter. Sein Herr folgte ihm, gleichsam mechanisch, bis sich Varney umsah und in einem Tone, der, wenn er nicht befehlend klang, doch wenigstens stark ans vertrauliche streifte. ...

»Was soll das heißen, Lord? Euer Mantel hängt auf einer Seite ... Euer Beinkleid ist in Unordnung ... gestattet mir ...«

»Du bist verrückt, Varney! Ein ebensolcher Narr wie Du ein Schurke bist!« sagte Leicester, indem er ihn von sich wegstieß und seine Dienstleistung ihm wehrte, »wir sind gut so, wie wir sind ... und wenn wir Eure Dienste begehren, um unsre Person in Ordnung zu bringen, so wissen wir Euch zu finden, aber für jetzt brauchen wir Euch nicht!«

Bei diesen Worten fand der Graf schnell sein herrisches Wesen wieder und damit auch die Herrschaft über sich selbst; mit einem heftigen Ruck schob er den Mantel in noch krassere Unordnung und schritt an Varney vorbei mit dem Wesen und in der Haltung eines Herrn und Gebieters, und begab sich nun seinerseits zum Themseufer.

Die königliche Barke war gerade im Begriff, abzustoßen. Der dem Earl of Leicester sonst eingeräumte Sitz am Stern und der für seinen Stallmeister vorhandne Platz am Bug waren bereits besetzt. Aber als Leicester sichtbar wurde, trat auf einen Augenblick Stille ein. Die Ruderer hielten inne. Es war, wie wenn sie erwarteten, daß eine Wandlung in der Gruppierung der Gesellschaft sich vollziehen werde. Auf dem Gesicht der Königin zeigte sich jedoch der rote Fleck, der immer auf Aerger deutete, und der Klang ihrer Stimme nahm jene Kälte an, durch die die vornehme Welt innre Aufregung zu verhüllen sich befleißigt, da sie ihrer Würde etwas vergeben würde, wollte sie solcher Stimmung gegen andre Ausdruck leihen. Eisig klangen die Worte aus ihrem Munde:

»Wir haben gewartet, Mylord of Leicester.«

»Madame und huldvollste Fürstin,« sprach Leicester, »die Sie so viele Schwächen verzeihen können, die Ihr Herz nimmer kennt, Sie können am besten jenen Erschütterungen des Busens, die Kopf und Glieder zugleich angreifen, Ihr königliches Mitleid schenken. Ich trat heute vor Ihre Majestät als Mensch, dessen Herz erfüllt ist von Zweifeln, als Untertan, auf den sich Anklagen häuften; Ihre Majestät zerteilten durch Ihre Huld die Wolken der Verleumdung und stellten meine Ehre wieder her, und, was noch teurer ist, erhielten mir Ihre Gunst ... Ist es verwunderlich, daß mich mein Stallmeister, wenn es auch für mich höchst unangenehm war, in einem Zustande traf, der mir kaum gestattete, den Weg hierher zurückzulegen, hierher zu diesem Platze, weil ein einziger, wenn auch, ach! zorniger Blick von Eurer königlichen Hoheit Kraft genug besaß, für mich zu tun, worin Aeskulap sich als ohnmächtig erwiesen hatte!«

»Wie verhält sich das?« sprach Elisabeth hastig, zu dem Stallmeister des Grafen gewandt; »war Eurem Herrn nicht wohl?« »Es war ein Anfall wie von einer Ohnmacht,« erwiderte der redegewandte Varney, »wie Ihre Majestät wohl erkennen wird aus Mylords derzeitigem Aussehen. Hat mir doch Mylords Eile nicht einmal ermöglicht, seine Kleidung in Ordnung zu bringen.«

»Das ist von keinem Belang,« sprach Elisabeth, indem sie den Blick auf dem edlen Angesicht und der eleganten Gestalt des Grafen ruhen ließ, dem sogar der Sturm von Leidenschaft, durch die er in jüngster Zeit erschüttert worden war, nur ein interessanteres Aussehen zu leihen vermochte... »macht, bitte, Platz für meinen edlen Lord, – Euer Platz, Varney, ist besetzt; Ihr müßt zusehen, einen Platz in einer andern Barke zu finden.«

Varney verneigte sich und ging.

»Und auch Ihr, junger Ritter vom Mantel,« setzte sie hinzu mit einem Blick auf Raleigh, »müßt für diesmal Euch in die Barke unsrer Ehrenjungfrauen begeben. Was Tressilian betrifft, so hat er bereits zu viel von Weiberlaunen gelitten, als daß ich ihm noch wehe tun möchte durch diese Wandlung meines Planes, insoweit er davon berührt wird.«

Leicester nahm seinen Sitz in der Barke, dicht neben der Königin ein; Raleigh stand auf, um sich zurückzuziehen, und Tressilian hätte sich, unbewandert in höfischer Sitte, beinahe der Taktlosigkeit schuldig gemacht, seinem Freunde seinen eignen Platz zu räumen, hätte nicht der schnelle und scharfe Blick Raleighs selbst, der jetzt in seinem Element zu sein schien, ihn eines Bessern belehrt, dahin, daß solche Ablehnung königlicher Gnade als schwere Kränkung und Taktlosigkeit aufgefaßt werden könne. So saß er schweigend da, während Raleigh mit tiefer Verbeugung und einem Blick demütigster Ergebenheit sich anschickte, seinen Platz zu verlassen.

Ein edler Höfling, der ritterliche Lord Willoughby, meinte in dem Antlitz der Königin etwas zu lesen, das mit Raleighs echtem oder gemachtem Anschein von Kränkung Mitleid auszudrücken schien.

»Es schickt sich nicht für uns ältre Höflinge,« sagte er, »den jüngern Herren den Sonnenschein zu entziehen. Mit ihrer Majestät Erlaubnis werde ich auf die Zeit von einer Stunde auf dasjenige Verzicht leisten, was Ihrer Majestät Untertanen das Köstlichste ist, nämlich auf die Wonne der Gegenwart von Ihrer Majestät, und mich selbst in den Nachteil setzen, im Sternenlicht zu wandeln, dieweil ich auf kurze Zeit dem Glanze von Dianens Strahlen entsage. Ich werde mich in das Boot begeben, das die Damen trägt, und diesem jugendlichen Kavalier, seine Stunde verheißnen Glücks lassen.«

Die Königin erwiderte mit einem Ausdruck, halb Schmerz, halb Ernst:

»Falls Ihr so willig seid, Uns zu verlassen, Mylord, so trifft Uns keine Schuld an Eurem Kummer; indessen erlaubt Uns, daß Wir, für so alt und erfahren Ihr Euch auch halten möget, den Vorbehalt, daß Wir Euch Unsern jungen Ehrendamen doch nicht anvertrauen mögen. Euer ehrwürdiges Alter, Mylord,« fuhr sie fort und lächelte, »dürfte sich doch besser eignen für das Alter Unsers Lord Schatzmeisters, der Uns im dritten Boote folgt, und dessen Erfahrung ja auch durch die Unsers Lords Willoughby geläutert werden kann.«

Lord Willoughby verbarg seine Enttäuschung unter einem Lächeln; er wurde verlegen, lachte, dann verneigte er sich und verließ die königliche Barke, um sich an Bord Lord Burleys zu begeben. Leicester, der sich bemühte, seine Gedanken von aller seelischen Tätigkeit abzulenken, dadurch, daß er sie auf das, was um ihn her vorging, lenkte, nahm unter andern auch diesen Umstand wahr. Als aber die Barke vom Ufer abstieß unter den Klängen der Musik von einer sie begleitenden Barke, und als vom Ufer herüber die Jubelrufe des Volkes schallten und ihm dies alles die Lage in das Gedächtnis rief, in die er geraten war, da lenkte er durch eine energische Anstrengung sein Sinnen und Empfinden ab von allem andern und richtete seine ganze Aufmerksamkeit, einzig und allein auf die Notwendigkeit, sich die Gunst seiner Königin zu erhalten. Er bot all sein Talent auf, durch die ihm von der Natur verliehenen Gaben zu gefallen und zu fesseln, mit solchem Erfolge, daß die Königin, einerseits entzückt durch seine Unterhaltung, andrerseits besorgt um seine Gesundheit, ihm endlich zeitweilig gebot, sich still zu verhalten, mit scherzhaften, doch von ängstlicher Fürsorge um seine Gesundheit diktierten Worten.

»Mylords,« sprach sie, »nachdem wir Unserm lieben Lord Leicester zeitweilig Stille auferlegt haben, wollen Wir Eure Gedanken mit einer lustigen Sache befassen, für deren Beratung sich die jetzige Zeit, da uns Musik und Fröhlichkeit beherrschen, besser schickt, als die ernsten Stunden, die wir dem Staat und seinem Wohl zu widmen haben. ... Wer von den Herren Lords weiß etwas zu erzählen,« fragte sie mit Lächeln, »von einer Bittschrift eines gewissen Orson Pinnit, seines Zeichens Aufseher, wie er sich selbst zu titulieren liebt, über unsre königlichen Bären? Wer steht zu seinem Gesuch Gevatter?«

»Das ist mein Fall, Majestät, mit Ihrer gnädigen Erlaubnis,« sprach der Graf von Sussex. »Orson Pinnit war ein wackrer Kriegsmann, ehe er durch die Skenes des irischen Mac Donaugh zu solchem Krüppel wurde, und wie Ihrer Majestät Huld und Gnade Ihren getreuen Untertanen immer zugewandt ist, so wird sie wohl auch diesem, der nicht zu den schlechtesten gehörte, nicht fehlen.«

»Sicherlich ist es,« sprach die Königin, »Unsre Absicht, Unsern Untertanen, vor allem Unsern armen Soldaten und Seeleuten, die für geringen Sold ihr Leben wagen, Unsre Huld zuzuwenden. Wir möchten eher,« fügte sie mit blitzenden Augen hinzu, »jenen königlichen Palast dort drüben zum Spital für sie einrichten lassen, als im Lichte der Undankbarkeit bei ihnen stehen wollen. ... Aber,« sprach sie weiter, und ihre Stimme, die zufolge der patriotischen Regung einen gewissen Schwung angenommen hatte, verfiel in den leichtern Klang fröhlicher Unterhaltung, »darum dreht sich die Angelegenheit nicht, denn das Gesuch dieses Orson Pinnit geht um einiges weiter. Er beschwert sich darüber, daß infolge des großen Interesses, das beim Volke jetzt für die schauspielerischen Aufführungen eines gewissen Will Shakespeare eingekehrt sei, ... von dem wir, meine Herren Lords, wohl sämtlich auch bereits gehört haben ... das männliche Vergnügen der Bärenhetzen langsam ganz in Verfall gerate; denn den Menschen sei es jetzt bequemer und angenehmer, zuzusehen, wie sich Komödianten im Spaß umbringen, als daß sie sich noch selbst in Lebensgefahr setzen – – was sagt Ihr hierzu, Earl of Sussex?«

»Je nun, huldvolle Madame,« nahm Sussex das Wort, »Sie dürfen wahrlich von einem alten Kriegsmann gleich mir nicht erwarten, daß er sich begeistre für Schlachten auf Theaterboden, sofern sie in Parallele gestellt werden mit Schlachten im Ernstfalle; nichtsdestoweniger, meiner Treu! will ich nicht Will Shakespeares Schaden. Er ist ein Kerl, der seinen Mann steht im Stoß mit dem Stab und im Kampf mit dem kurzen Schwert wie selten einer, wenngleich er, wie mir zu Ohren gekommen, hinkt. Es heißt, er habe noch vor kurzem erst einen strammen Strauß bestanden mit ein paar Förstern oder Treibern Sir Thomas Lucys of Charlecot, weil er in den Wildpark desselben eingebrochen ist und der Tochter des einen der Förster oder Treiber einen Kuß geraubt hat.«

»Mit Verlaub, Mylord of Sussex,« sprach die Königin, »diese Angelegenheit ist zum Vortrag gelangt in Unserm Rate, und Wir wünschen nicht, daß diesem Burschen größres Unrecht nachgeredet werde, als er begangen hat. Von einem Kusse ist keine Rede gewesen und der Verteidiger hat die Abrede im Protokoll vermerkt. Aber was sagt Ihr zu seinem dermaligen Gewerbe, Mylord, zu seinem Komödiantentum? Denn hiervon sprechen Wir jetzt, nicht aber von seinem Vorleben und den Torheiten, die in dessen Zeit fallen.«

»Je nun, Madame,« entgegnete Sussex, »wie ich vordem bemerkt habe, so will ich nicht, daß der Mann in Schaden komme, Verschiednes von der lüderlichen ... ich bitte Ihre Majestät ob dieses Beiworts um Verzeihung ... Dichterei des Menschen ist mir durch Mark und Bein gedrungen, das bekenne ich; aber im großen und ganzen ist es doch eitler Tand, was er macht. Es ist weder Fisch noch Fleisch, wie ja Ihre Majestät auch selbst empfinden werden. Was ist solch ein halbes Dutzend Wichte mit verrosteten Schwertern und zerfetzten Schilden, die bloß so tun, als wenn sie sich schlügen, im Vergleich zu dem königlichen Treiben von Bärenhatzen, die durch die Anwesenheit sowohl Ihrer Majestät wie Hochdero Vorfahren in diesem Ihrem Königreiche so oft ausgezeichnet worden und in der ganzen Christenheit berühmt sind durch die unvergleichlichen Bulldoggen und verwegnen Bärenkämpfer?«

»Fürwahr, Mylord,« sagte die Königin mit Lachen, »Ihr nehmt Euch dieser Angelegenheit mit großem Feuer an, und was Ihr sagt, soll nicht auf toten Boden fallen. Wir denken, in Unserm Leben noch nicht der letzten Bärenhatz beigewohnt zu haben. ... Jedoch, wer will nun zur Sache sprechen?«

»Darf ich mich für befreit ansehen von dem mir auferlegten Zwang zu schweigen, königliche Gebieterin?« nahm der Earl of Leicester nun das Wort.

»Sicherlich, Mylord,« antwortete huldvoll die Königin, »das heißt mit dem Vorbehalt, daß Ihr Euch kräftig genug fühlt, an Unserm Scherze teilzunehmen und in dem Wortgefecht Euren Mann zu stehend ... Und doch,« fügte sie bei, »wenn ich an Euer Wappen denke, den Bären mit dem Knüppel, so meine ich, es hatte sich ein Redner lieber melden sollen, der in geringerm Maße Parteimann hierbei ist.«

»Huldvolle Fürstin, nein!« hub der Graf von Leicester an, »wenngleich mein Bruder Ambrosius von Warwick und ich das alte Bild im Wappen führen, dessen sich Ihre Majestät zu erinnern geruhen, so ist es nichtsdestoweniger mein Wunsch, daß ehrlich Spiel walte oder, wie es bei solcher Hatz als Motto gilt, »dem Hunde, was dem Hunde, dem Bären, was dem Bären zukommt!« Was nun die Komödianten anbetrifft, so muß ich sagen, es sind gar kecke Gesellen, durch deren Witz und Späße aber die große Menge des Volkes abgelenkt wird von der Aufmerksamkeit für die politischen Fragen, desgleichen der Zeit beraubt wird, schlimme, dem Staate schädliche Reden, hohle Gerüchte und illoyales Gefasel mit anzuhören. Befaßt sich die Menschheit mit Leuten wie Marlowe, Shakespeare und andern solchen Bühnenfexen, verfolgt sie den »Knoten«, wie sie sich in ihrer Fachsprache auszudrücken belieben, ihrer Bühnenstücke, dann wird ihr Geist davon abgelenkt, sich mit dem Leben und der Aufführung derer zu beschäftigen, in deren Händen das Regiment über sie ruht.«

»Wir fühlen jedoch nicht den Wunsch, die Aufmerksamkeit Unsrer Untertanen von Unserm Tun und Lassen abzulenken, Mylord,« erwiderte Elisabeth, »weil ihnen die wahren Beweggründe für Unsre Handlungen um so klarer ersichtlich sein dürften, je schärfer sie dieselben beobachten und verfolgen können.«

»Mir ist indessen zu Ohren gekommen,« nahm der Dekan von St. Asaph das Wort, ein hervorragender Puritaner, »daß diese Komödianten in ihren Aufführungen nicht bloß profane, häßliche Ausdrücke gebrauchen, die danach angetan sind, Sünde und Lotterei zu verbreiten, sondern auch Reden über die Regierungen, über Ursprung und Zweck derselben im Munde führen, die wohl im stande sein können, Unzufriedenheit zu wecken, und die festen Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft zu erschüttern. Mit Ihrer Majestät Verlaub, es will mir demnach nicht am Platze zu sein scheinen, daß solchen windigen, sich übler Rede befleißigenden Patronen gestattet werde, Menschen, die sich eines gottgefälligen Wandels befleißigen, um ihrer Zucht und ihrer Sitte halber zu bewitzeln und durch gotteslästerliche Reden und Schmähungen der Diener Gottes alles göttliche und irdische Gesetz in den Staub zu ziehen.«

»Könnten Wir glauben, Mylord, daß es in Wahrheit sich also verhielte,« nahm Elisabeth des Wort, »so würden Wir solches Beginnen ohne Zaudern streng ahnden. Aber es ist eine üble Sache, sich eine Meinung gegen einen Brauch aus seinem Mißbrauch zu bilden. Was den besagten Shakespeare angeht, so sind Wir der Ansicht, daß sich in seinen Komödien mancherlei findet, was ein paar Dutzend Bärengärten aufwiegt, und daß die neue Schöpfung seiner, wie er es nennt, »Chroniken«, den lebenden Untertanen Unsrer Regierung nicht allein, sondern auch künftigen Geschlechtern zu gute kommen dürfte.«

»Eurer Majestät Regierung wird solcher schwachen Mittel nicht bedürfen, um in der Erinnerung der Nachwelt bestehen zu bleiben,« ergriff Leicester das Wort; »und doch hat gerade dieser Shakespeare in dieser Hinsicht mancherlei Ereignisse aus Ihrer Majestät glorreicher Regierung in so trefflicher Weise zur Darstellung gebracht, daß alle Beschwerden, die Seine Hochwürden der Dekan von St. Asaph hier vorgebracht hat, reichlich aufgewogen werden. Mir fallen da einige Strophen ein ... schade, daß mein Neffe Philipp Sidney nicht zur Stelle ist, denn er führt sie fast immer im Munde, sie kommen in einem Feenstücke vor, das, soviel ich weiß, »Liebeszauber« oder ähnlich heißt; aber diese Strophen sind wunderschön, so kurz sie sind und so wenig sie den Gegenstand erschöpfen, auf den sie mit nicht zu verkennender Kühnheit anspielen. ... Mein Neffe zitiert sie, glaube ich, sogar in seinen Träumen.«

»Ihr legt Uns Tantalusqualen auf, Mylord,« sagte die Königin, »Junker Philipp Sidney ist, wie Wir recht wohl wissen, ein Günstling der Musen, und Wir freuen Uns, daß es an dem ist. Ritterlicher Sinn erglänzt nie heller und schöner, als wenn er sich paart mit edlem Geist und Liebe zu den Wissenschaften. Sicherlich sind aber manch andre unter Unsern jungen Höflingen, die sich auf Dinge nicht besinnen können, die Eurer Lordschaft aus dem Gedächtnis entschwunden sind unter weit wichtigern Geschäften. – Junker Tressilian, Ihr werdet Mir beschrieben als ein Verehrer Minervens ... besinnet vielleicht Ihr Euch auf diese Strophen?«

Tressilian war das Herz zu schwer, die Aussichten, die ihm das Leben eröffnet hatte, waren zu grausam vernichtet worden, als daß er hätte den Ehrgeiz fühlen sollen, solche Gelegenheit wahrzunehmen, wie sie sich ihm bot, die Aufmerksamkeit seiner Königin zu fesseln, aber er fand Kraft zu dem Entschlusse, seinem jungen und ehrgeizigern Freunde diesen Vorteil zuzuweisen, entschuldigte sich mit Gedächtnisschwäche und bemerkte, daß seines Wissens Walter Raleigh die schönen Verse, deren Lord Leicester Erwähnung getan, im Gedächtnis haben dürfe.

Auf den Befehl der Königin zitierte dieser Kavalier mit einer Betonung und einem Anstand, die ihrem ausgesucht köstlichen Zartsinn und ihrer lieblichen Schönheit noch einen wunderbareren Reiz verliehen, die berühmte Vision Oberons:

Ich sah zur selben Zeit (Du sahst es nicht),


Kupido schwebend zwischen Mond und Erde,


Er war bewaffnet, und sein hehres Ziel –


Jetzt eine schöne Priesterin der Vesta


Auf einem Thron im Abendland – es flog


Der Pfeil vom Bogen rasch, als sollt er dringen


Durch hunderttausend Herzen, doch die Glut


Des Pfeils erlosch in Dianens feuchten Strahlen,


Und weiter schritt die keusche Herrscherin,


Jungfräulich sinnend, stolz und leicht und frei.«

Walter Raleighs Stimme zitterte leicht, als er zu den letzten Strophen gelangte, gleich als ob er unsicher sei, wie die Königin, an die sich die zarte Huldigung richtete, sich dazu stellen werde. War dieses Zagen erkünstelt, so ließ sich nichts andres sagen, als daß es seine Politik sei; war es hingegen echt, dann war geringer Grund dazu vorhanden. Die Verse waren der Königin wahrscheinlich nichts Neues, denn wie hätte solche vornehme Schmeichelei nicht alsbald den Weg zu dem Ohre finden sollen, auf das sie gemünzt war? Indessen waren sie dort nicht minder willkommen aus eines solchen Deklamators Munde, wie Walter Raleigh war. Gleich entzückt durch den Inhalt, den Vortrag und die anmutige Gestalt, wie das lebhafte Mienenspiel des ritterlichen Jünglings und Rezitators, bezeichnete Elisabeth den Rhythmus durch Blick und Finger. Als der Deklamator geendet hätte, flüsterte sie, fast ohne zu wissen, daß sie belauscht werde, die letzten Strophen, und als sie, die letzte derselben sprach:

Jungfräulich sinnend,


stolz und leicht und frei,

da warf sie die Bittschrift des Aufsehers des königlichen Bärengartens, Orson Pinnit, in die Themse, mit dem Gedanken, sie möge zusehen, ob sie freundlichere Aufnahme fände in Sheerneß oder wo es ihr sonst belieben solle vorzusprechen.

Leicester wurde durch den glücklichen Erfolg, den der jüngere Höfling geerntet hatte, zum Wetteifer gespornt, wie der Veteran von Renner aufgescheucht wird, wenn ein kräftiges Füllen ihm auf der Bahn voransaust. Er lenkte die Rede auf Schaustellungen, Banketts, Aufzüge, Gepränge und auf die Rollen derjenigen, die bei solchen Szenen zumeist vertreten sind. Er vereinte scharfe Beobachtung mit leichter Satire in jenem richtigen Verhältnis, das frei war wie von hämischer Verleumdung so auch von fader Lobhudelei. Er ahmte höchst geschickt Redeweise und Gebärdenspiel der affektierten und possenhaften Leute nach, und die ihm persönlich eigne Anmut in Rede und Wesen schien sich, wenn er sich ihrer befliß, zu verdoppeln. Fremde Länder, ihre Bräuche und Sitten, das Zeremoniell an ihren Höfen, die Moden, ja auch der Anzug der Damen, dies alles war ihm gleich geläufig; und selten schloß er seine Rede, ohne der jungfräulichen Königin sowohl über ihre eigne Person als über ihre Hofhaltung und Regierung ein zartes und zutreffendes Kompliment zu sagen.

In dieser Weise wurde während dieser Lustfahrt die Unterhaltung geführt, an welcher sich auch die andern dem Hofe attachierten Herren durch muntre, mit Zitaten aus ältern und neuern Schriftstellern gewürzte Reden jeder an seinem Teile eifrig beteiligten, während die mitanwesenden Staatsmänner und Weisen gediegne Aussprüche über Staats- und Wirtschaftspolitik und Worte und Gedanken einer gesunden Moral hinzugaben, und also Weisheit mit dem leichtern Geplauder an einem Damenhofe einten.

Als man nach dem Palaste zurückkehrte, nahm oder vielmehr wählte Elisabeth Leicesters Arm als Stütze für den Weg von den Landungsstufen bis zum Haupttore. Es kam ihm sogar vor – eine Empfindung, die ihren Ursprung auch vielleicht nur in den schmeichlerischen Einflüsterungen seiner Phantasie hatte, als ob sich die Königin auf dieser kurzen Wegstrecke fester als sonst auf seinen Arm stütze, – fester, als es der nicht übermäßig schlüpfrige Boden notwendig mache. Ganz sicher wirkte bei der Königin Tun und Reden zusammen, einen Grad von Gunst zum Ausdruck zu bringen, den der Graf, selbst in seinen stolzesten Tagen, bisher noch nicht erlangt hatte. Sein Rival erfreute sich allerdings wiederholter Auszeichnung durch die königliche Huld; das geschah aber in einer Weise, die weniger aus spontaner Neigung zu entströmen, als durch Rücksicht auf seine mannigfachen Verdienste bedingt zu sein schien. Und in der Meinung vieler erfahrnen Höflinge wurde all die Huld, die sie ihm bezeigte, mehr denn aufgewogen durch die Aeußerung, die sie Lady Derby ins Ohr flüsterte, »daß sie nun merke, daß Krankheit eine weit bösere Älchimistin sei, als sie sich je gedacht habe, denn man sehe doch, daß sie das Kupfer auf der Nase des Lord Sussex in eitel Gold verwandelt habe.«

Der Scherz kursierte alsbald unter den Höflingen, und der Earl of Leicester weidete sich an seinem Triumph so recht, wie jemand, der Hofgunst als das Alpha und Omega seines Lebens ansieht, dieweil er im Rausch des Augenblicks die Wirrnisse und Fährlichkeiten seiner persönlichen Lage vergißt. Tatsächlich dachte er in diesem Augenblick, so seltsam es auch scheinen mag, weniger an die aus seiner geheimen Ehe erwachsenden Gefahren, als an die Beweise von Huld, die Elisabeth von Zeit zu Zeit dem jungen Raleigh spendete.

Im Laufe des Abends trug sich ein weitrer Umstand zu, der Leicesters Aufmerksamkeit noch stärker auf diesen Gegenstand richtete.

Die Edelleute und Höflinge, die die Königin auf ihrer Lustfahrt begleitet hatten, wurden mit königlicher Gastfreundschaft zu einem splendiden Mahl im Festsaale des Palastes geladen. Die Tafel wurde freilich nicht durch die Anwesenheit Ihrer Majestät ausgezeichnet, denn gemäß ihrer Vorstellung von Sittsamkeit und Würde war die jungfräuliche Königin gewohnt, bei solchen Gelegenheiten allein oder mit einigen Lieblingsdamen ihr einfaches und bescheidnes Mahl zu sich zu nehmen. Nach kurzer Frist traf der Hof in dem prächtigen Garten des Palastes wieder zusammen, und als man dort lustwandelte, richtete die Königin an eine ihr nahestehende Hofdame die Frage, was aus dem jugendlichen »Ritter Schmutzmantel« geworden sei.

Lady Paget antwortete, »sie habe Junker Raleigh erst vor drei bis vier Minuten gesehen, und zwar am Fenster eines kleinen Pavillons oder Lusthäuschens, das nach der Themse hinaus läge, und daß er mit einem Diamantringe die Fensterscheibe geritzt habe.« »Der Ring,« versetzte die Königin, »war ein Geschenk von mir, ein geringer Ersatz für den Mantel, den er sich verdorben hat. Komm, Paget, sehen wir zu, was er gemacht hat. Ich durchschaue ihn nun schon. Er ist ein merkwürdig kluger Kopf.«

Die Damen begaben sich zu der Stelle, von wo aus sie, wenn auch nur von weitem, das Fenster sehen konnten, an dem der junge Kavalier noch immer lehnte, gleich dem Vogelsteller, der seinen Sprenkel gestellt hat und nun auf das Vögelchen wartet, das sich fangen soll.

Die Königin näherte sich dem Fenster, an dem Junker Raleigh ihr Geschenk versucht hatte, um die folgende Strophe einzukritzeln:

»Gern stiege ich, wär bloß das Fallen nicht!«

Die Königin lächelte, las die Strophe aber- und abermals, las sie Lady Pagei vor und dann nochmals allein für sich.

»Ein hübscher Anfang,« meinte sie nach kurzer Erwägung, »aber mich bedünkt, die Musen haben den guten Weisen im Stich gelassen nach seiner ersten Lösung einer gestellten Aufgabe. Es wäre doch ganz nett, meinst Du nicht, Paget? wenn man den Vers an seiner Statt ergänzte: Versuche doch mal, was Du zu reimen vermagst!«

Lady Paget ... von Kindesbeinen an eine echt prosaische Natur, wie nur je eine Kammerfrau bei Hofe vor ihr oder nach ihr ... lehnte jede Möglichkeit, dem jungen Dichter beizuspringen, unbedingt ab.

»Nun, dann müssen Wir Uns selbst den Musen weihen!« sprach Elisabeth.

»Niemand kann süßern Weihrauchs sich gewärtigen,« sagte Lady Paget, »und Eure Hoheit wird den Damen vom Parnaß sehr schwere Verlegenheit bereiten ...«

»Pst, Pst!« sagte die Königin, »Ihr begeht ja Hochverrat an den unsterblichen neun Schwestern ... doch da auch sie jungfräulich sind geblieben, läßt sich vielleicht annehmen, daß sie sich einer jungfräulichen Königin hold erweisen werden ... und darum ... nun, versuchen wirs! ... Wie lautet seine Strophe?

Gern stiege ich, wär bloß das Fallen nicht! könnte die Antwort nicht ganz gut lauten:

Steig gar nicht erst, wenn Dirs an Mut gebricht!«

Die Ehrendame klatschte freudig überrascht Beifall über die so glückliche Lösung der gestellten Aufgabe. Die Königin, hierdurch ermutigt, zog einen Diamant vom Finger und sprach:

»Wir wollen diesem jungen Herrn ein wenig Ursache geben zur Verwunderung; wenn er zurückkommt, soll er seinen Vers also ergänzt finden, ohne daß es ihm Mühe gemacht hat.«

Nach diesen Worten setzte sie die selbstgefundne Zeile unter die andre. Darauf verließ sie den Pavillon, zog sich aber sehr langsam zurück und nicht, ohne sich öfters umzusehen; und da konnte sie wahrnehmen, daß der Junker auf Windesflügeln zu der Stelle hin eilte, wo sie eine kurze Weile gestanden.

»Bloß um zu sehen,« wie sie sagte, »ob das Manöver ihr geglückt wäre,« blieb sie ein Weilchen stehen und dann schlug sie, herzlich über den Vorfall lachend, mit ihrer Dame den Rückweg zum Palaste ein.

Unterwegs verbot Elisabeth ihrer Dame, über die Hilfe, die sie dem jungen Poeten geleistet, zu irgendwem etwas verlauten zu lassen, und Lady Paget gelobte unverbrüchliches Schweigen. Indessen möge nicht unbemerkt bleiben, daß sie zu gunsten Leicesters eine »resevatio mentalis«, einen Gedankenvorbehalt, machte und dem edlen Lord unverzüglich Kenntnis gab von dem Vorfall, so wenig er auch geeignet erschien, demselben zur Freude zu gereichen.

Raleigh hatte sich inzwischen an das Fenster geschlichen und las mit Entzücken die verblümte Ermutigung, die die Königin seinem Ehrgeize gegeben. Dann begab er sich zu Sussex, und dessen Gefolge zurück, das sich eben einschiffen wollte. Hoch schlug ihm das Herz vor Stolz über die Auszeichnung, die ihm winkte.

Die Ehrfurcht, die man vor dem Grafen im Herzen trug, wehrte jede Aeußerung, ja jede Betrachtung über die Annahme, die demselben bei Hofe geworden, bis man ans Land stieg und bis sich der gesamte Hofhalt des Grafen in der großen Halle von Says-Hof versammelte, wo der Lord, durch seine letzte Krankheit und durch die Anstrengungen erschöpft, sich in sein Zimmer zurückzog, um nach dem Beistande des Schmieds, seines unglücklichen Arztes, zu verlangen.

Aber Wieland der Schmied war nirgends zu finden, und während einige der gräflichen Mannen ungeduldig nach ihm suchten, scharten sich die andern um Raleigh, um ihm Glück zu den Aussichten, die er bei Hofe hatte, zu wünschen.

Walter Raleigh besaß Urteilskraft und Taktgefühl genug, um den Umstand mit dem Verse zu verschweigen, zu dem die Königin einen Reim zu suchen sich herabgelassen hatte. Indessen war manches andre bekannt geworden, das jeden Zweifel hob, daß er in der Gunst der Königin Fortschritte gemacht habe. Raleigh dankte jedem dieser Gratulanten auf das verbindlichste, machte indessen hierbei die Bemerkung, daß es noch lange nicht auf Gunst bei Hofe deute, wenn er einmal einen glücklichen Tag gehabt habe, so wie auch eine Schwalbe noch nicht den Sommer mache. Blount stimmte, wie er wahrnahm, nicht in die allgemeinen Glückwünsche ein, und einigermaßen empfindlich über diese anscheinende Teilnahmlosigkeit, fragte Raleigh nach dem Grunde.

Blount antwortete mit der an ihm gewohnten Höflichkeit:

»Mein lieber Walter, ich wünsche Dir alles Gute, wie sonst einer von all den Kumpanen, die sich um Dich scharen und Dir ihre Glückwünsche ins Ohr flüstern, wie wenn Du gut Wetter haben würdest; aber, Freund, ich habe Sorge um Dich!« bei diesen Worten trocknete er sich das redliche Auge; »recht große Sorge! Dergleichen Leben bei Hofe mit den ewigen Intrigen und Tänzen und Witzen aus Weiberaugen, dieses Haschen nach Weibergunst und so weiter, das sind die Kniffe und Pfiffe, durch die sich gutes Gold in schlechtes Kupfer verwandelt, die schönen Fratzen und witzigen Schädeln zur Bekanntschaft mit unheimlichen Blöcken und scharfen Beilen verhelfen.«

Mit diesen Worten stand Blount auf und verließ die Halle, während Raleigh ihm nachblickte mit einem Ausdruck, der auf einen Augenblick sein keckes, lebendiges Gesicht verdüsterte.

Ein Diener trat gerade ein in die Halle und sagte zu Tressilian:

»Mylord wünscht Euren Burschen Wieland zu sehen, und eben ist Euer Bursche Wieland in einem Kahne hergekommen und wünscht Euch zu sehen und will erst zu Mylord gehen, wenn er mit Euch gesprochen hat. Der Bursche sieht aus, als wenn er nicht recht gescheit wäre, so sieht es mir wenigstens aus . . . ich rate, sprecht gleich mit ihm!«

Tressilian verließ auf der Stelle die Halle, ließ den Schmied in ein angrenzendes Gemach führen und Lichter hinein tragen. Dann begab er sich selbst dorthin. Mit Erstaunen nahm er die Erregung wahr, die sich auf dem Gesicht des Mannes zeigte.

»Was ist denn los mit Euch, Wieland?« fragte er. »Habt Ihr etwa den Satan vor Augen gehabt?«

»Schlimmer, schlimmer,«, versetzte Wieland, »einen Basilisken habe ich gesehen! ... Gott sei gedankt, daß ich ihn zuerst gesehen habe, denn auf diese Weise und da er mich nicht gesehen, wird er weniger Unheil stiften.«

»Im Namen Gottes, redet, Schmied!« sagte Tressilian, »redet vernünftig und sagt, was Eure Worte bedeuten.«

»Ich habe meinen alten Prinzipal gesehen,« sagte der Schmied, »gestern nacht bin ich mit einem Freunde, den ich hier gefunden, weggegangen; er wollte mir die Uhr im Paläste zeigen, weil er meinte, ich sehe solches Kunstwerk gern ... und am Fenster eines Türmchens, unfern von der Uhr ... da habe ich ihn gesehen ... da habe ich meinen alten Meister gesehen!« »Du mußt Dich ganz gewiß getäuscht haben, Schmied,« entgegnete Tressilian.

»Ich habe mich nicht verguckt,« erwiderte Wieland der Schmied, »wer diese Züge nur einmal in seinem Leben gesehen hat, der kennte ihn heraus aus Millionen! Er hatte sich in eine uralte Tracht gesteckt, aber vor mir kann er sich nicht verkleiden, Gott seis gedankt, wie ich mich vor ihm. Indessen will, ich die Vorsehung nicht herausfordern dadurch, daß ich in seiner Höhle bleibe. Schauspieler Tarleton könnte sich so nicht verkleiden und verstellen, daß ihn Doboobie nicht früher oder später herausspintisierte. Ich muß morgen weg von hier, denn so wie ich mit ihm stehe, wäre es mein Tod, wenn ich im Bereich seiner Augen und Hände bliebe.«

»Aber der Graf von Sussex?« fragte Tressilian.

»Was er bisher genossen hat, wird ihm wenig mehr schaden, vorausgesetzt, daß er allmorgentlich so viel wie eine Bohne von dem Orvietan schluckt auf nüchternen Magen ... doch muß er sich hüten vor jedem Rückfall.«

»Und wie kann man ihn davor bewahren?« fragte Tressilian.

»Einzig und allein durch solche Vorsicht, wie man sie dem Teufel gegenüber anwenden müßte,« entgegnete Wieland. »Mylords Mundkoch muß jede Speise, die er für Mylord bereitet, selbst anrichten, muß jedes Tier, von dem er nimmt, selbst schlachten, darf kein anders Gewürz dazu verwenden als solches aus ganz sichern, verläßlichen Händen. ... Der Vorschneider muß die Speisen selbst auftragen, und der Haushofmeister muß darauf achten, daß beide, Koch und Vorschneider, von den Speisen, die der eine kocht, der andre austrägt, selbst zuvor kosten, ehe Mylord die Lippen daran rührt. Dann darf Mylord an nichts riechen, das nicht von ganz verläßlichen Leuten herrührt, darf keine Salbe, keine Pomade gebrauchen außer von durchaus bekannter Quelle. Mylord darf in keinem Falle mit Fremden trinken oder Obst bei Fremden genießen, gleichviel wann. Vor allen Dingen soll er die äußerste Vorsicht üben, wenn er sich nach Kenilworth begibt ... seine Krankheit, sowie der Umstand, daß er noch immer strenge Diät beobachten muß, wird und muß die Sonderbarkeit solches Verhaltens in den Augen der Welt entschuldigen.«

»Und Du, Wieland,« fragte Tressilian, »was soll aus Dir hinfort werden?« »Frankreich, Spanien oder Indien, gleichwohl ob Ost- oder Westindien, sollen mein Zufluchtsort werden,« erwiderte Wieland, »ehe ich mein Leben in Gefahr setze dadurch, daß ich in der Höhle dieses Doboobie oder Demetrius oder wie er sich gerade nennt, verbleibe.«

»Gut,« versetzte Tressilian, »es kommt mir nicht ungelegen ... ich hatte für Euch in Berkshire was zu besorgen; aber in dem entgegengesetzten Zipfel von dem, den Du kennst, und schon ehe Du diesen neuen Grund, Dich in Verborgenheit zurückzuziehen, gefaßt hast, war es meine Absicht, Dich mit einem geheimen Auftrag dorthin zu schicken.«

Der Schmied sprach seine Bereitwilligkeit hierzu aus, und Tressilian, der recht gut wußte, daß der Schmied mit der Natur der Geschäfte, die er bei Hofe hatte, nicht unbekannt war, setzte ihn nun vollständig in Kenntnis davon und ließ auch nicht unerwähnt, welche Abmachung er mit Giles Gosling getroffen hatte, wie er ihm auch erzählte, was Varney an jenem Tage in dem Audienzgemach erzählt und wofür sich Leicester verbürgt habe.

»Du siehst,« setzte er nach einer Weile hinzu, »daß es mir unter den Umständen, in die ich geraten bin, wohl geziemt, auf das Tun und Lassen solcher grundsatzlosen Menschen wie Varney und seiner Komplizen, Foster und Lambourne, ein ebensolch scharfes Auge zu halten wie auf Lord Leicester selbst, der, wie ich argwöhne, teilweise Betrüger und keineswegs Betrogner in dieser Sache ist. Hier ist mein Ring als Pfand und Ausweis für Dich bei Giles Gosling, hier auch Gold, das dreifach vermehrt werden soll, wenn Du mir treu und redlich dienst. Und nun auf nach Cumnor! Und sieh zu, was dort geschieht.«

»Ich gehe mit zwiefach gutem Willen,« erwiderte der Schmied, »erstlich, weil ich Euer Ehren diene, der so gütig gegen mich gewesen ist, und dann, um meinem alten Meister zu entgehen, der, sofern er nicht der Satan in Fleisch und Blut ist, doch wenigstens unheimlich viel vom Satan an sich hat, in seinem Willen sowohl wie in seinem Wort und seinem Handeln, wie nur je in einem Menschen zur Schande der Menschheit vorhanden gewesen sein mag.... Und doch soll er sich hüten vor mir! Ich fliehe vor ihm wie ehedem, aber gleich dem Wildochsen Schottlands reizt mich die häufige Hetze zur Wildheit, bis ich Haß und Verfolgung gegen ihn kehre. ... Will Euer Ehren Befehl geben zum Satteln meines Kleppers? Ich will nur Mylord die Medizin noch reichen, die ich in die verschiednen Portionen zerlegt habe, und einige Weisungen dazu hinterlegen. Sein Wohlbefinden und seine Rettung wird dann abhängen von seiner Dienerschaft und seinen Freunden. ... Vor dem, was geschehen, ist er außer Gefahr, aber, vor der Zukunft bewahrt und hütet ihn wie ein rohes Ei!«

Wieland der Schmied empfahl sich nun bei dem Grafen, gab ihm einige Winke für seine Diät und über seine sonstige Lebens- und Verhaltungsweise, Dann verließ er, ohne den Anbruch des Morgens abzuwarten, Says-Hof.

Zweites Kapitel

Als Leicester in seinen Palast zurückkehrte nach einem so wichtigen und sorgenvollen Tage, fühlte er sich, trotzdem sich seine Flagge zuletzt siegreich behauptet hatte, auf den Tod erschöpft, ganz wie ein Seemann nach gefährlichem Orkan. Als ihm sein Kämmrer den Mantel abnahm und ihm dafür den mit Zobel verbrämten Schlafrock reichte, sprach er kein Wort, und als ihm der gleiche Bedienstete meldete, daß Junker Varney mit Seiner Lordschaft zu sprechen begehre, erwiderte er bloß durch ein schwerfälliges Nicken.

Varney sah dieses Nicken als Erlaubnis an und trat ein, worauf der Kämmerer sich zurückzog.

Der Earl verhielt sich schweigend und rührte sich fast nicht in seinem Sessel. Sein Kopf ruhte in seiner Hand, und mit dem Ellbogen stützte er sich auf den Tisch, der vor ihm stand. Er schien den Eintritt seines Vertrauten kaum zu bemerken.

Varney wartete ein paar Minuten, ob der Earl das Wort nehmen werde. Als dies nicht der Fall war, sah er sich , erpicht darauf, zu erfahren, welche Stimmung das Gemüt des Grafen jetzt beherrsche, endlich genötigt, selbst das Wort zu nehmen.

»Darf ich Eurer Herrlichkeit gratulieren zu dem gestern errungnen Siege,« fragte er, »über den höchst gefährlichen Nebenbuhler?«

Leicester hob das Haupt und antwortete finster, aber ohne Groll:

»Du, Varney, weißt doch am besten, wie wenig Ursache im vorliegenden Falle ist zu Gratulationen, ist es doch lediglich Deine Kombinationsgabe, die mich in dieses Spinngewebe von Falschheit und Niedertracht verheddert hat!«

»Tadelt Ihr mich, Mylord,« sagte Varney, »weil ich nicht auf den ersten Anlauf ein Geheimnis preisgab, von dem Euer Glück abhängig und das Ihr so oft und mit so viel Ernst mir als heilig zu hüten ans Herz gelegt habt? Eure Lordschaft war persönlich anwesend und hätte mir widersprechen können, hätte sich durch ein Bekenntnis der Wahrheit selbst zu gründe richten können; ganz ohne Zweifel war es aber nicht Sache eines getreuen Wieners, so zu handeln ohne unmittelbaren Befehl von Eurer Lordschaft.«

»Was kann ich nicht in Abrede stellen, Varney,« erwiderte der Graf, indem er aufstand und quer durch das Gemach schritt; »mein eigner Ehrgeiz ist zum Verräter meiner Liebe geworden.«

»Sagt lieber, Mylord, daß Eure Liebe zum Verräter geworden ist an Eurer Größe und Euch eine Aussicht sperrt auf Ehre und Macht, wie sie die ganze große Welt keinem zweiten ihrer Söhne wieder bieten kann. Dadurch, daß Ihr meine werte Frau zur Gräfin erhobet, habt Ihr dem Glück entsagt, daß Euch persönlich ...«

Er machte eine Pause und schien keine Lust zu haben zur Vollendung des Satzes.

»Welches persönlichen Glücks?« fragte Leicester; »sprich es aus, Varney, was Du meinst!«

»Des Glückes, selbst ein König zu werden,« ergänzte, Varney seine Rede, »des Glückes, König von England zu werden! ... So zu sprechen ist kein Verrat an unsrer Königin. Indem sie Euch erwählte, hätte sie den Wunsch all ihrer Untertanen erfüllt und ihrem Lande einen lustigen, edlen und ritterlichen König gegeben!«

»Du rasest, Varney,« antwortete Leicester. »Uebrigens haben doch gerade wir in unsern Tagen genug davon gesehen, was Männern für Heil wird durch Kronen, die ihnen zufallen aus Weibergunst! Nimm bloß in Schottland Darnley!«

»Der!« sagte Varney, »ein Trottel, ein Narr, ein dreifach gesottner Esel, der sich wie eine Rakete beim ersten Freudenfeuerwerk in die Luft abschießen ließ! ... Hätte Maria das Glück gehabt, den edlen Earl zum Gemahl zu besitzen, der einst ersehen war, den Thron mit ihr zu teilen, so hätte sie einen Ehemann aus ganz anderm Holze kennen gelernt, und ihr Mann hätte in ihr eine Frau gefunden, so dienstwillig und liebevoll, wie das Gespons des niedrigsten Squire im Lande, die den Hunden zu Pferde folgt und ihm den Zaum beim Aufsteigen hält.«

»Möglich, daß Du recht hast, Varney,« sagte Leicester, über dessen sorgenvolles Gesicht ein kurzes Lächeln der Genugtuung huschte. »Henry Darnleys Weiberkenntnis war gleich Null ... mit Maria hätte ein Mann, der mit Frauen umzuspringen wußte, mancherlei Chancen gehabt, das eigne Geschlecht zur Geltung zu bringen. Nicht aber mit Elisabeth, Varney – denn ich denke, Gott, der ihr das Herz eines Weibes schenkte, gab ihr dazu den Kopf eines Mannes, um des Herzens Torheiten im Zaume zu halten. – Nein, ich kenne sie. – Sie wird ein Liebesunterpfand hinnehmen und in gleicher Form und Güte erwidern, wird gezuckerte Sonette in ihren Busen schieben, ja, und mit gleicher Ware dafür zahlen, wird die Galanterie bis auf jene Spitze treiben, wo Neigungsaustausch aus ihr wird – dann aber schreibt sie zu allem folgenden nil ultra und würde kein Jota von ihrer eignen höchsten Gewalt für das gesamte Alphabet Cupidos und Hymens zum Tausche geben.«

»Um desto besser für Euch, Mylord,« sagte Varney, »das heißt, wenn sie wirklich solchen Charakters ist ... und wenn Ihr eben meint, auf die Eigenschaft eines Ehegemahls keine Anwartschaft zu haben. Ihr Günstling seid Ihr und dürftet es bleiben, sofern die Dame in Cumnor-Place in ihrer dermaligen Dunkelheit verbleibt.«

»Arme Amy,« sagte Lord Leicester mit tiefem Seufzer; »ach, und sie ersehnt es so innig, vor Gott und den Menschen als meine angetraute Gattin sich zu zeigen.«

»Ei ja doch, Mylord,« sagte Varney, »hat aber ihr Wunsch Sinn und Verstand? Das ist die Frage. Die religiösen Zweifel der guten Dame sind gelöst ... sie ist ein Weib in Ehren und ein geliebtes Weib ... sie erfreut sich der Gesellschaft ihres Herrn Gemahls, so oft ihm seine höhern Pflichten vergönnen, in ihre Nähe zu eilen. ... Was möchte sie noch weiter wünschen? Meiner Ueberzeugung nach verbringt solch innig liebendes Weib, solch artiges, verständiges Weib ihr Leben lieber weiter in Abgeschlossenheit, – die übrigens auch nicht schlimmer oder härter ist, als sie es von ihrem Leben in Lidcote-Hall gewohnt ist – als daß sie ihrem Herrn Gemahl Eintrag, und sei er noch so gering, täte an Ehre und Größe durch vorzeitigen Versuch, beides zu teilen.«

»Eine gewisse Wahrheit liegt in Deinen Worten,« sagte Leicester, »und verhängnisvoll würde es ja sein, wenn sie hier erschiene ... doch muß sie sich in Kenilworth zeigen, denn Elisabeth wird nicht vergessen, daß sie das bestimmt hat.«

»Gönnt mir Zeit und Weile, diesen Punkt zu beschlafen,« erwiderte Varney; »sonst kann der Plan, den ich im Sinne habe, nicht reifen, der aber, ausgereift, sowohl der Königin als auch meiner geschätzten Gemahlin zur Befriedigung gereichen dürfte und dabei doch dieses verhängnisvolle Geheimnis in seinem Grabe lassen würde.... Hat Eure Herrlichkeit für die Nacht noch Befehle?«

»Ich wünsche allein zu sein,« versetzte Leicester. »Verlaß mich, Varney, und stell meine Kassette auf den Tisch ... doch halte Dich in Rufweite!«

Varney zog sich zurück und der Earl öffnete das Fenster, um lange und voll Unruhe auf das funkelnde Sternenmeer am Firmament zu blicken. Unwillkürlich entschlüpften ihm die Worte:

»Nie war mir ein freundliches Bild der Himmelskörper so nötig, wie zur gegenwärtigen Zeit und Stunde, denn mein Erdenpfad liegt dunkel vor mir und verworren.«

Daß zu der Zeit, in welcher diese Geschichte spielt, die eitlen Weissagungen der Astrologen in hohem Ansehen standen, ist bekannt, und Leicester, wenn auch im großen und ganzen nicht abergläubisch, stand doch in dieser Hinsicht nicht höher als seine Zeitgenossen, sondern lieh vielmehr den Doktoren dieser vermeintlichen Wissenschaft in einer Weise Förderung, die viel bemerkt wurde.

Der Graf trat jetzt an die Kassette, sah nach, ob sie noch unversehrt und nicht etwa geöffnet worden sei; dann schloß er sie mit einem Schlüssel, den er aus einem andern Behälter nahm, auf und langte zuerst einige Goldstücke heraus, die er in eine seidne Börse schob, sodann ein Pergament, auf dem planetarische Zeichen standen, wie auch jene Linien und Exempel, die zur Stellung eines Horoskops gebraucht wurden. Eine Weile hielt er den Blick hierauf geheftet, dann griff er nach einem andern größern Schlüssel, der an der Wand hing, schob die Tapete beiseite und schloß eine geheime Tür auf, die im Winkel des Gemachs zu einer in der Mauerdicke befindlichen Wendelstiege führte.

»Alasko,« rief der Earl mit gehobner Stimme, doch nur so laut als es notwendig war, um von dem Insassen des kleinen Turmes gehört zu werden, zu welchem hinauf die Stiege führte. »Alasco, erscheine!«

»Ich komme, Mylord,« antwortete von oben hernieder eine Stimme.

Ner Tritt eines alten Mannes wurde laut, der langsam die schmale Stiege herabkam; und Alasco trat in das Gemach.

Es war ein kleiner Mann, dieser Astrologe, und schien bereits sehr alt zu sein, wenigstens war sein langer Bart, der über sein schwarzes Wams bis zu dem seidnen Gürtel herniederhing, schneeweiß. Sein Haar zeigte die gleiche ehrwürdige Farbe, dagegen waren seine Brauen so kohlschwarz wie die scharfen, durchdringenden Augen, die von ihnen beschattet wurden; und diese Merkwürdigkeit gab dem Gesichte des Greises ein seltsames, schreckliches Gepräge. Seine Wangen waren noch frisch und hatten einen rötlichen Anstrich, und die Augen, von denen wir eben gesprochen, wiesen Ähnlichkeit auf mit denen einer Ratte, sowohl in der Scharfe wie auch in der Wildheit des Ausdrucks. Seinem Wesen gebrach es nicht an einer gewissen Würde, und der Sterndeuter schien sich, wenn er auch die Formen des Respekts wahrte, doch keineswegs beklommen zu fühlen, im Gegenteil schlug er in der Unterhaltung mit dem erklärten Günstling Elisabeths einen Ton an, der etwas Schulmeisterliches, ja nicht selten etwas von soldatischer Strenge an sich hatte.

»Eure Weissagungen haben sich nicht erfüllt, Alasco,« sagte der Graf, als sie einander begrüßt hatten, – »er ist genesen.«

»Mein Sohn,« erwiderte der Astrologe, »laßt mich Euch daran erinnern, daß ich seinen Tod nicht verbürgte – auch laßt sich aus den Himmelskörpern, ihren Aspekten und Konjunktionen, kein Prognostikum stellen, das nicht der Richtigstellung durch den Willen des Himmels unterworfen wurde. Astra regunt homines, sed regit astra Deus[Pentameter: Sterne regieren die Menschen, doch Gott regieret die Sterne]

»Welchen Wert besitzen dann Deine Mysterien?« fragte der Earl.

»Hohen Wert, mein Sohn,« versetzte der Greis, »weil sich durch sie der natürliche und wahrscheinliche Verlauf der Dinge erkennen läßt, wenn er auch einer höhern Macht untertan bleibt. So werden Eure Herrlichkeit, wenn Ihr das Horoskop betrachtet, das Ihr meiner Geschicklichkeit anvertraut, wahrnehmen, daß Saturn, der im sechsten Hause in Opposition zum Mars steht und zurück in das Haus des Lebens schreitet, nichts andres bedeuten kann, als lange und gefahrvolle Krankheit, deren Haus in der Macht des Himmels steht, wenn sie auch wahrscheinlich zum Tode führen dürfte ... doch wenn ich den Namen des Betreffenden oder Betroffnen wüßte, so würde ich ein andres Schema aufstellen.«

»Sein Name ist ein Geheimnis,« versetzte der Graf, »doch muß ich Dir bekennen, daß Dein Prognostikon, der Wahrheit nicht zuwider lief. Er ist krank gewesen, gefährlich krank, wenn auch nicht auf den Tod. Aber hast Du mein Horoskop gestellt, wie Dich Varney beauftragte, und bist Du im stande, mir zu sagen, welche Kunde die Sterne geben vom Stande meines gegenwärtigen Glücks?«

»Meine Kunst steht zu Eurem Befehl,« erwiderte der alte Mann, »und hier, mein Sohn, liegt die Karte Deiner Schicksale, funkelnd im Aspekt, wie je unter dem strahlenden Glanze jener gepriesenen Zeichen, durch die unser Leben beeinflußt wird, jedoch nicht gänzlich frei von Gefahren, Hindernissen und Befürchtungen.«

»Mein Los stände über dem der Sterblichen, wenn es sich anders verhielte,« sprach der Earl; »fahret fort, Vater, und seid überzeugt, daß Ihr mit einem Manne sprecht, der bereit ist, sich dem zu fügen, im Handeln wie im Leiden, was ihm vom Schicksal bestimmt ist ... ganz wie es sich ziemt für einen Edelmann des stolzen England.«

»Dein Mut im Tun und Tragen muß doch um eine Saite höher gespannt werden,« sagte der Greis. »Die Gestirne künden noch einen stolzern Titel, noch einen höhern Rang. Es ist Deine Sache zu erraten, zu raten, was sie künde, nicht meine, es zu verkünden.«

»Kündet mir es,« sprach Leicester, dessen Augen blitzten, während er auf den Greis zuschritt, »kündet es mir; ich beschwöre Euch.«

»Ich kann nicht und ich will nicht,« erwiderte der Greis. »Fürstenzorn ist wie Löwengrimm. Aber höre und dann urteile selbst. Hier die Venus im Aufstieg nach dem Hause des Lebens und in Konjunktion zur Sonne, schüttet jene Flut silbernen Lichts, mit Gold gesättigt, hernieder, Und das bedeutet Macht, Reichtum, Ehren und Würden; alles, was ein Mannesherz begehrt, verheißt es in solchem Uebermaß, daß selbst Augustus, der Herrscher über jenes alte, übermächtige Rom, nimmer aus dem Munde seiner Haruspices solch eine Kunde von Glanz und Herrlichkeit vernahm, wie Du, das Lieblingskind Fortunens.«

»Nu spaßest doch bloß mit mir, Vater,« sprach der Earl, erstaunt über den Schwall von Begeisterung, in welchem der Sterndeuter seine Weissagung gekündet hatte.

»Stände Scherz und Spaß wohl einem Manne an, der schon mit einem Fuß im Grabe steht?« erwiderte der Greis feierlich.

Der Earl schritt ein paarmal durch das Gemach, mit ausgestreckter Hand, wie jemand, der dem Wink eines Phantoms nacheilt, das ihn zu großen Taten ruft. Doch als er sich umdrehte, begegnete er dem Auge des Astrologen, das auf ihn geheftet war, während ein Blick schärfster Beobachtung unter dem Schirmdach seiner buschigen, dichten Brauen hervorzuckte. Leicesters stolze, argwöhnische Seele fing im Nu Feuer; und vom andern Ende des hohen Gemachs her schoß er auf den Greis zu und blieb erst stehen, als seine ausgestreckte Hand knapp einen Fuß vom Körper des Sterndeuters entfernt war.

»Schurke!« schrie er, »wenn Du Dich erfrechst, mich zu betrügen, dann laß ich Dich lebendig schinden! ... Bekenne, daß Du erkauft bist, mich zu hintergehen und zu betrügen! ... daß Du ein Gauner bist und mich behandelst als Deine blöde Beute!«

»Was soll diese Heftigkeit bedeuten, Mylord,« erwiderte der Greis, »oder in welcher Hinsicht kann ich sie verdient haben um Euch?«

»Gib mir Beweise,« rief der Earl heftig, »daß Du mit meinen Feinden nicht unter einer Decke steckst.«

»Mylord,« nahm da der Greis das Wort mit Würde, »Ihr könnt keinen bessern Beweis haben als den, den Ihr selbst Euch wähltet. In diesem Turme habe ich die letzten vierundzwanzig Stunden zugebracht, unter Eurem persönlichen Verschluß, in Eurer Haft. Sogar den Schlüssel trugt Ihr bei Euch! Diese Stunden in Dunkel und Finsternis habe ich darauf verwandt, die Himmelskörper mit diesen vom Alter getrübten Augen zu betrachten, und die Stunden der Helle dazu, dieses altersschwache Gehirn zur Vervollständigung der Kombinationen zu zwingen, die mir diese Steinbilder darboten. Irdische Speise habe ich nicht genossen ... keine irdische Stimme vernommen ... Ihr wißt selbst, daß dergleichen nicht mein Wille war ... und doch sage ich Euch ... trotzdem ich in solcher Einsamkeit und über solchem Studium hier eingesperrt gewesen ... daß Euer Stern innerhalb dieser vierundzwanzig Stunden am Horizont zur Herrschaft aufgestiegen ist, und daß mithin entweder das helle Himmelbuch trügt oder daß sich in Euren irdischen Schicksalen eine Umwälzung vollzogen haben muß, die sich mit dem Stande der Gestirne deckt. Hat sich in dieser Zeitspanne nichts ereignet, was zur Sicherung Eurer Macht oder zur Mehrung von Gunst, die Ihr genießt, beigetragen hat, dann allerdings bin ich ein Betrüger und Gauner, und die himmlische Kunst, die zuerst geübt ward in den Gefilden des uralten Chaldäa, ist ein elender Tand, eine alberne Komödie.«

»Freilich warest Du,« sprach Leicester nach kurzer Ueberlegung, »im Turme eng eingeschlossen, und ferner trifft es zu, daß solche Wandlung in meiner Lage sich vollzogen hat, wie sie das Horoskop nach Deiner Rede kündete.«

»Weshalb also dieses Mißtrauen gegen mich, mein Sohn?« sagte der Astrologe, indem er den Ton eines Ermahners anschlug, »die Himmelsgeister ertragen kein Mißtrauen, auch nicht bei denen, die ihre Gunst genießen.«

»Frieden, Vater,« antwortete Leicester, »ich habe mich im Irrtum befunden, im Zweifel. Nicht zu sterblichen Wesen, geschweige zu himmlischen Geistern werden Dudleys Lippen auch nur ein einziges Wort weiter sagen ihnen zur Huldigung, ihm selber zur Entschuldigung! Reden wir vielmehr von dem gegenwärtigen Stande der Sterne ... Sterne! Inmitten der leuchtenden Verheißungen fand sich, sagtest Du, auch ein drohender Aspekt ... kann Deine Kunst künden, woher und von welcher Seite solche Gefahr droht?«

»Nur insoweit,« lautete die Antwort des Sterndeuters, »gibt meine Wissenschaft mir die Möglichkeit zu einer Antwort auf Eure Frage: Das Unglück droht durch den bösen und feindlichen Aspekt ... von seiten eines Jünglings ... und, wie ich meine, eines Nebenbuhlers ... aber ob er wider Euch ist auf dem Felde der Liebe oder der fürstlichen Gunst ... das zu sagen bin ich außer stande; auch kann ich weiteres über ihn nicht sagen, außer daß er aus dem westlichen Viertel herzieht.«

»Von Westen her? ... Ha!« erwiderte Leicester, »genug, genug! ... Freilich zieht das Gewitter herauf aus Westen! Cornwall und Devon ... Raleigh und Tressilian ... auf einen dieser beiden deutet das Gestirn ... vor ihnen beiden muß ich mich hüten ... Vater, ich habe Deiner Kunst unrecht getan ... ich will Dir eine fürstliche Belohnung geben!«

Er nahm aus der Kassette, die vor ihm stand, eine Börse voll Gold.

»Hier nimm den doppelten Lohn, den Varney Dir versprach ... sei getreu ... sei verschwiegen ... gehorche den Weisungen, die Du von meinem Stallmeister erhalten wirst, und grolle nicht über die kurze Haft, die Du erlitten, oder den Zwang, der Dir in meiner Sache auferlegt worden. Du sollst für alles reich entschädigt werden! ... Hier, Varney, geleite diesen ehrwürdigen Mann nach Deinem eignen Gemach ... sieh zu, daß er an nichts notleide ... aber achte darauf, daß er mit niemand in Verkehr trete.«

Varney verneigte sich, der Sterndeuter küßte dem Earl die Hand zum Zeichen des Abschieds und folgte dem Stallmeister in ein andres Gemach, wo Wein und Erfrischungen für ihn bereit standen.

Der Sterndeuter setzte sich zum Essen nieder, während Varney übervorsichtig zwei Türen abschloß, hinter die Tapete guckte, ob nicht etwa ein Fremder sich versteckt habe, und dann gegenüber dem Weisen Platz nahm.

»Habt Ihr mein Zeichen drüben vom Hofe gesehen?« begann er zu fragen.

»Jawohl,« antwortete Alasco, denn mit diesem Namen wurde er jetzt gerufen ... »und ich habe das Horoskop demgemäß gestellt.«

»Und der Graf ließ es gelten ohne Widerspruch,« fragte Varney weiter.

»Nicht ganz,« versetzte der Greis, »aber er ließ es gelten, und ich setzte hinzu, daß die Gefahr aus Westen drohe, von seiten eines Jünglings.«

»Mylords Furcht wird bei der einen und sein Gewissen bei der andern Prophezeihung Gevatter stehen,« bemerkte Varney. »Sicherlich hat es in der Welt nie einen Menschen gegeben, der solches Rennen wagte und dabei sich herumschlug mit solchen Zweifeln ... mir bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu seinem eignen Vorteil zu betrügen ... Was aber nun Eure Angelegenheit angeht, kluger Dolmetsch der Gestirne, so kann ich Euch von Eurem Geschick besser Kunde geben als Euer ganzes Firmament.... Ihr müßt den Stab von hinnen setzen!«

»Das will ich nicht,« entgegnete Alasco., »Ich bin in der letzten Zeit meines Lebens zu viel herumgejagt worden ... hab Tag und Nacht in einsamem Turme gesessen ... ich muß meine Freiheit genießen muß meine Studien fortsetzen, die von größrer Wichtigkeit sind als das Schicksal von fünfzig Staatsmännern und Günstlingen, die emporsteigen und bersten wie Schaumblasen in solcher Hofatmosphäre.«

»Ganz wie es Euch gefallt,« antwortete Varney, mit jenem boshaften Lächeln, das seinen Zügen zur Gewohnheit geworden war, und das bei den Malern als das Hauptcharakteristikum des Satans zu gelten pflegt ... »ganz wie es Euch gefällt,« sagte er, »Ihr dürft Euch Eurer Freiheit freuen und Euren Studien hingeben, bis die Dolche der Parteigänger des Earl of Sussex den Weg zwischen Euer Wams und Eure Rippen finden werden.«

Der alte Mann erbleichte, und Varney fuhr fort:

»Wißt Ihr nicht, daß er eine Belohnung ausgesetzt hat für die Auffindung des Quacksalbers und Giftmischers mit Namen Demetrius, der dem Koche Seiner Herrlichkeit gewisse köstliche Gewürze verkauft hat? ... He, alter Freund? Ihr werdet bleich? ... Erblickt Hali ein Unglück im Hause des Lebens!? ... Na, hört mal zu, wir wollen Euch in ein altes Haus auf dem Lande schaffen, das mir gehört, wo Ihr leben könnt mit einem alten, griesgrämigen Sklaven, den Eure Alchimie in Dukaten verwandeln mag, denn zu solcher Umwandlung allein ist Eure Kunst ja dienstbar.«

»Lüge, eitel Lüge ist es, was Deine Lippen reden,« rief Alasco, vor ohnmächtigem Zorn bebend, »Du böser Spötter! Es ist wohl bekannt, weit über dieses Land hinaus, daß ich dem Endgeheimnis näher gerückt bin als jeder andre Sterbliche! Von keinem halben Dutzend meiner Rivalen auf dem Boden der alchimistischen Wissenschaft läßt sich sagen, daß sie dem großen Arkanum, nach dessen Erkenntnis die Geister ringen, so nahe gekommen seien wie ich.«

»Na na, na na,« fiel ihm Varney ins Wort, »was ins Himmels Namen soll das heißen? Sind wir denn nicht Bekannte? Ich glaub Dir gern, daß Du es weit gebracht hast in der Kunst oder dem Geheimnis zu betrügen, daß Du Dich, nachdem Du alle Welt betrogen, nun selbst betrügst und, ohne deshalb aufzuhören, andre an der Nase zu führen, Dich selber an der Nase führst! Werde nicht rot deshalb, Mensch! ... ein gelehrtes Haus bleibst Du trotzdem ... kein andrer als Du selbst vermöchte Dich betrügen! ... Aber eins laß Dir ins Ohr sagen, alter Knabe! War das Gewürz, das Sussex die Suppe versalzen sollte, schärfer gewesen, so dächte ich besser von Deiner Kunst, mit der Du Dich so dick tust,«

»Du bist ein hartgesottner Schuft, Varney,« erwiderte Alasko, »gar manche tuns und reden nicht davon.«

»Und manche wieder reden davon und tuns nicht,« entgegnete Varney, »aber grolle mir deshalb nicht, ich suche keinen Zwist mit Dir ... tät ichs, so riskierte ich ja, vier Wochen lang aus Furcht vor Gift von Eiern leben zu müssen ... doch sage mir, wie ging es zu, daß Deine Kunst in diesem Falle Dich so schmählich im Stich gelassen hat?«

»Das Horoskop des Earl of Sussex verkündet,« entgegnete der Astrologe, »daß das Zeichen des aufsteigenden Wesens in Aufruhr ...«

»Verschone mich doch endlich mit Deinem Quatsch!« rief Varney grob; »meinst Du etwa mit dem Grafen zu schauspielern?«

»Ich bitte Euch um Verzeihung und schwöre Euch,« erwiderte der Greis, »daß bloß ich eine Medizin kenne, die im stande war, des Grafen Leben zu retten, und daß niemand in England lebt, der das Gegengift kennt als ich selbst ... und seine Bestandteile, einer insbesondre, sind fast nirgendswo erhältlich. ...«

»Es ging die Rede von einem Quacksalber,« bemerkte Varney nach kurzem Besinnen, »der ihn gepflegt und geheilt habe;« dann fragte er den Greis: »Seid Ihr Eurer Sache sicher, daß außer Euch niemand im Besitze dieses Gegengiftes ist?«

»Einer hat gelebt, der ehedem Diener bei mir war,« erwiderte der Doktor, »der könnte es mir mit einigen andern Geheimnissen gestohlen haben! Aber, Junker Varney, es verträgt sich nicht mit meiner Art, solchen Pfuschern Einmischung in mein Handwerk zu gestatten. ... Der spürt meinen Geheimnissen nicht mehr nach, verlaßt Euch drauf ... denn ich glaube, er ist auf feurigem Drachen gen Himmel gefahren ... Friede seiner Asche! ... Aber darf ich rechnen, in jener Einsamkeit, von der Ihr sprecht, mein Laboratorium zu finden?«

»Eine ganze Werkstatt, Mann!« rief Varney, »denn ein ehrwürdiger Abt, der vor mehr als zwanzig Jahren den flotten König Heinz dort mit manchem seiner Höflinge bewirtet hat, besaß einen vollständigen Alchimistenschuppen, der von einem seiner Nachfolger auf den andern überkommen ist. Dort sollst Du Wich niederlassen, dort sollst Du mischen und mehren und quacksalbern und doktern nach Herzenslust, bis der grüne Drache sich zu Gold gewandelt hat, oder wie die Rede bei Euch gelahrten Zunftbrüdern sonst wohl heißt.«

»Nu hast recht, Junker Varney,« sprach, der Alchimist, die Zähne aufeinander pressend, daß sie knirschten, »recht in Deiner hohen, bodenlosen Verachtung alles Rechts und aller Vernunft, denn was Du sprichst im Hohn, kann lautre Wahrheit sein, ehe wir uns zum andern Male sehen. Und ist es darum nicht klug von mir und weise, daß ich mein künftiges Leben, so lange es noch währen wird, in Ruhe meiner Wissenschaft weihe, die mich frei macht von niedriger Abhängigkeit von Günstlingen, und Günstlingen von Günstlingen, in deren Klauen ich jetzt stecke?«

»Recht so, bravo! Bravo! Mein guter Vater!« rief Varney mit seinem gewohnten sardonischen Lächeln, »aber alle Versuche, Dich dem Steine der Weisen zu nähern, lockten Mylord Leicester keine Krone aus der Tasche, und Richard Varney noch weniger. Was wir von Dir verlangen, sind irdische Dinge, sind Dienste, die wir fassen, die wir schätzen können, Mann! Mit all Deiner philosophierenden Sternhimmelkomödie locken wir keinen Hund hinterm Ofen vor.«

»Mein Sohn Varney,« erwiderte der Alchimist, »Dich umgibt Unglaube gleich einem frostigen Nebel und hat Deinen Geist derartig getrübt, daß er dem Weisen zum Stein des Anstoßes wird, und dem, der in Demut Erkenntnis sucht, eine so deutliche Lehre gibt, daß jeder sie verstehen muß. Du meinst, Kunst besitze die Macht nicht, die unvollkommnen Versuche der Natur in der Erzeugung von Metallen zu vervollkommnen, und doch vermag sie es!« ...

»Papperlappapp,« fiel ihm Varney ins Wort, »das ist mir alles schon so oft vorgeschwatzt worden, daß ich genug davon habe, besonders seit ich ein solcher Esel war, als Grünling im Leben zwanzig Goldfüchse an die Gewinnung des feinen chemischen Pulvers zu setzen, die aber, leider! in Qualm aufgingen. Seitdem soll mit jeder fern bleiben mit allem, was nach Chemie duftet, oder sich als Astrologie, Chiromantie oder sonstwie aufspielt. Aus mir lockt all dies Zeug keinen roten Heller mehr heraus. Drum sage ich Dir, Freund, was Du in Deiner neuen Behausung zu verrichten Dir angelegen sein läßt, wird am besten darin bestehen, einen Vorrat von jenem Sussex-Manna zu bereiten, das ich nicht entbehren und darum auch nicht verspotten will ... Du weißt ja, das Manna des heiligen Nikolaus ...«

»Ich will kein Manna mehr bereiten,« erwiderte der Greis, fest entschlossen.

»Dann sollst Du hängen,« rief der Stallmeister, »für Deine bisherigen Sünden, in welchem Falle die Menschheit auch um Dein großes Geheimnis wäre, und wohl kaum zu ihrem Schaden ... Aber sei nicht so grausam gegen sie, Vater, tue der Menschheit diese Ungerechtigkeit nicht an! sondern unterwirf Dich Deinem Schicksal und mach uns ein paar Unzen aus jenem selben Stoff, so daß es ungefähr ausreicht für ein paar Personen. Das schafft Dir Mittel, Deine Universalarznei zu bereiten, die ja doch alle Krankheit auf einmal aus der Welt schaffen soll. Aber sei lustig und guter Dinge, alter Brummsack! Hast Du mir nicht gesagt, daß eine bescheidne Portion Deines Tränkchens milde Wirkung tue, dem menschlichen Leibe in keiner Weise zu Schaden sei, sondern bloß Niedergeschlagenheit, Kopfweh, Schwindel und Unlust, sich vom Flecke zu bewegen, verursache? daß es dem Menschen zu Mute werde, wie einem Vögelchen im Käfig, das keine Lust habe, aus seinem Käfig zu fliegen, auch wenn ihm die Tür geöffnet wird?«

»Allerdings habe ich so gesagt,« erwiderte der Alchimist, »und so verhält es sich auch. Solche Wirkung wird es hervorbringen, und das Vöglein, das sich mit solch mäßiger Portion bescheidet, wird eine Zeitlang matt und müde auf seiner Stange sitzen, ohne des freien, blauen Himmels oder des frischen, grünen Waldes zu gedenken, auch wenn der Himmel beschienen würde von den Strahlen der aufgehenden Sonne und in dem Walde das schönste Konzert seiner lustigen Sänger erschallte.«

»Und solcher Zustand würde ohne Gefahr des Lebens sein?« fragte Varney, nicht frei von Unruhe.

»Ja, das heißt, sofern das richtige Maß nicht überschritten wird und jemand, der die Beschaffenheit des Manna kennt, die Symptome überwacht und im Notfälle zu Hilfe kommen kann.«

»Du sollst das Ganze regeln,« sagte Varney, »Deine Belohnung soll fürstlich sein, wenn Du die richtige Zeit hältst und das richtige Verhältnis triffst, so daß ihre Gesundheit nicht leidet ... andernfalls rechne mit schwerer Strafe!«

»Daß Ihre Gesundheit nicht leidet?« erwiderte Alasko; »also ist es ein Weib, an dem ich meine Kunst versuchen soll?«

»Nein, Du Tropf!« versetzte Varney; »habe ich Dir denn nicht gesagt, ein Vögelchen, eine zahme Meise, deren süßer Schlag selbst einen Habicht weich stimmen möchte? ... ha! Wie Dein Auge glänzt! O, ich weiß, ich weiß, Dein Bart ist keineswegs so weiß, wie Kunst ihn gefärbt hat.... Das wenigstens hast Du zu Silber wandeln können! Aber, Freund! Das ist nichts für Dich! Nichts für Dich! Das Vögelchen im Käfig gehört jemand, der sich niemand ins Gehege kommen läßt, am wenigsten solchen Vogel wie Dich und . . das merke Dir! Das Vögelchen muß gesund bleiben, das ist Hauptsache bei der ganzen Sache.... Aber die Dinge liegen nun einmal so, daß sie bei den Festen drüben in Kenilworth erscheinen soll; und es muß alles daran gesetzt werden, daß unser Vögelchen nicht dorthin fliegen kann ... es darf nicht sein ... darf unter keinen Umständen sein ...doch braucht sie davon, daß dies notwendig ist, und weshalb es notwendig ist, nichts zu erfahren; es muß vielmehr alles aufgeboten werden, daß sie von den Festlichkeiten aus freiem Willen wegbleibt, daß sie sich dem Ansinnen, den Fuß aus ihrem Hause zu setzen, von selbst widersetzt,«

»Das ist nur natürlich,« sagte der Alchimist mit seltsamem Lächeln, das aber größere Vertrautheit mit dem menschlichen Charakter zeigte, als die teilnahmlose, nüchterne Miene, die sein Gesicht bisher gezeigt hatte.

»So stehts,« sagte Varney; »ich sehe, Ihr versteht Euch auf Weiber, wenn es auch lange her sein mag, daß Ihr mit ihnen verkehrt habt ... Nun also, Du hörst, es darf ihr nicht widersprochen werden ... und darf ihr auch nicht gewillfahrt werden. ... Ein leichtes Unwohlsein, wohl verstanden, das ihr die Lust benimmt, sich vom Flecke zu rühren, das ihr nahe legt, sich an Euch zu wenden, mit Euch sich zu begnügen, den Aufenthalt bei sich zu Hause allem andern vorzuziehen, das wäre, mit einem Worte, dasjenige, was als ein guter Dienst anzuerkennen und als solcher auch zu belohnen wäre.«

»Das Haus des Lebens zu gefährden, wird also nicht von mir gefordert werden?« fragte der Alchimist.

»Im Gegenteil,« versetzte Varney, »an den Galgen sollst Du, sofern Du Dir solches beikommen läßt!«

»Und mir sollen,« setzte Alasco hinzu, »die Hände frei bleiben, es soll mir unbenommen sein, zu fliehen oder mich zu verbergen, falls die Sache entdeckt werden sollte?«

»Ganz wie Du willst, ganz wie Du willst, Du Ungläubiger, Du Heide in allen Dingen, die nicht zu Deinem unmöglichen, alchimistischen Unsinn gehören ... He, Mann, wofür hältst Du mich denn?«

Der Greis stand auf, nahm ein Licht und begab sich zu der Tür, die zu dem kleinen Schlafstübchen führte, wo er die Nacht zubringen sollte ... an der Tür drehte er sich uni und wiederholte langsam Varneys Frage, ehe er Antwort gab:

»Wofür ich Euch halte, Varney? ... hm, für einen schlimmern Teufel, als ich selbst gewesen bin. Aber ich bin in Euren Netzen und muß Euch dienstbar sein, bis meine Zeit um ist.«

»Gut, gut,« antwortete Varney eilig; »sei auf den Beinen, wenn der Tag graut. Wer weiß, vielleicht brauchen wir Deine Arznei nicht ... unternimm nichts eher, als bis ich selbst da bin ... hörst Du? ... Michael Lambourne wird Dich an den Ort Deiner Bestimmung schaffen.«

Als Varney hörte, daß der Adept die Tür abschloß und sich vorsichtig einriegelte, machte er einen Schritt vorwärts und schloß mit gleicher Vorsicht die Tür von außen ab, zog den Schlüssel ab und brummte vor sich hin:

»Schlimmer als Du, Du giftmischerischer Quacksalber und Hexenkoch, den der Teufel sich bloß deshalb nicht zum Sklaven genommen, weil ihm solcher Lehrjunge ein Greuel ist? Ich bin ein Sterblicher, und suche durch Mittel, wie sie Sterblichen zugänglich, Befriedigung für meine Leidenschaften und Förderung der Aussichten, die mir das Leben eröffnet ... Du aber, Du bist ein Vasall der Hölle, der richtigen Hölle! ... Heda, Michel Lambourne!« rief er zu einer andern Tür hinaus ... und Michel Lambourne trat herein mit geröteter Wange und unsichern Schrittes,

»Du bist betrunken, Schuft!« herrschte Varney ihn an.

»Ganz ohne Frage, edler Herr,« versetzte der schamlose Michel; »haben wir doch alle auf die rühmlichen Erfolge dieses Tages und auf Mylord Leicester und seinen tapfern und männlichen Stallmeister ein paar Pullen geleert.... Betrunken! Gott versorge mich! Betrunken! Wer an solchem Abend nicht ein paar Dutzend Gesundheiten hinunterschüttet, der muß ein madiger Philister, ein Dreckfilz von Gesinnung sein, dem jagte ich auf der Stelle meinen Dolch sechs Zoll tief in den Wanst!«

»Laß Dir raten, Hallunke! Werde im Nu nüchtern ... ich befehle Dirs! Ich weiß, Du kannst im Nu nüchtern sein, so betrunken Du auch bist, wenn Du bloß willst. Willst Du es heute nicht, dann mach Dich auf Schlimmes gefaßt.«

Lambourne ließ den Kopf sinken, ging aus dem Gemache und kam nach Verlauf einiger Minuten zurück, durchaus ein andrer. Sein Gesicht war ruhig und gesetzt, sein Haar war ordentlich gekämmt, sein Anzug saß richtig und sah sauber und manierlich aus.

»So? Bist Du jetzt nüchtern? Und verstehst Du mich jetzt?« sagte Lambourne mit strenger Stimme.

Lambourne verneigte sich zustimmend.

»Du mußt auf der Stelle nach Cumnor-Place mit dem ehrwürdigen Meister, der drüben in dem kleinen Gewölbe schläft. Hier ist der Schlüssel, damit Du ihn beizeiten wecken kannst. Nimm noch einen verläßlichen Burschen mit! Behandle ihn gut auf der Fahrt, aber laß ihn nicht entwischen! Schieß ihn nieder, wenn ihm die Lust hierzu ankommen sollte; ich wills verantworten. Du sollst von mir Briefe an Foster mitbekommen. Der Doktor soll die untern Zimmer vom östlichen Viereck bewohnen, und es soll ihm freistehen, das alte Laboratorium mit seinem Zubehör zu benutzen. ... Zu der Dame soll er keinen Zutritt haben, bis ich weiter darüber bestimme ... es müßte gerade sein, sie fände Freude an seinem gelehrten Krimskrams. Du selbst wartest in Cumnor-Place meine weitern Befehle ab; und wenn Dir Dein Leben lieb ist, dann meide die Bierbank und den Schnapstisch. Jeder Atemzug in Cumnor-Place muß frei bleiben von gemeinem Dunste!«

»Genug, Mylord ... wollte sagen mein verehrter Herr und Gebieter ... bald, hoffentlich recht bald, mein verehrter Herr und Ritter! ... Ihr habt mir meine Lektion gesagt und meine Lizenz erteilt ... ich werde die eine ausführen und die andre nicht mißbrauchen. Ich werde bei Tagesanbruch im Sattel sitzen.«

»Recht so, und erwirb Dir Gunst! ... Noch eins! Bevor Du gehst, füll mir noch einen Becher Wein – nicht aus der Flasche, Lümmel!« rief er, als Lambourne aus der Flasche eingießen wollte, aus der Alasco getrunken hatte ... »stich eine frische an!«

Lambourne gehorchte; und Varney trank, nachdem er sich den Mund mit einem Schluck ausgespült hatte, den Becher leer, dann nahm er eine Lampe und zog sich in seine Schlafkammer zurück.

»Seltsam!« sprach er unterwegs ... »ich bin so wenig wie nur irgendwer Sklave der Phantasie, und doch brauche ich bloß ein paar Worte mit diesem Kerl Alasco zu reden, so ist es mir zu Mute, als seien mir Mund und Lungen mit arseniksaurem Kalk verkleistert ... Pah!«

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Lambourne blieb noch stehen, weil er noch einen Schluck aus der aufgekorkten Flasche nehmen wollte.

»Es ist Johannisberger,« sagte er, »welcher vom Berge,« und er roch an der köstlichen Blume.... »Ha! Fürwahr, was Feines! ... Aber ich muß es nun lassen, damit ich eines Tages nach Lust und Laune davon trinken kann.«

Dann trank er ein volles Glas Wasser aus, um die Kraft des Rheinweins zu dämpfen, zog sich langsam nach der Tür zurück, blieb noch einmal stehen und ... konnte der Versuchung nicht widerstehen, sondern trat wieder zu der Flasche, setzte sie an den Mund, – auf die Form, den Wein in einen Becher zu gießen, verzichtend – und trank die Flasche leer bis auf die Neige.

»Wär bloß diese vertrackte Gewohnheit nicht,« sagte er, »so kletterte ich genau so hoch, wie Varney selbst. Aber wer kann klettern, wenn der Raum, in dem er sich befindet, um ihn im Kreise tanzt wie ein Quirl? ... Ach, ich wollte, die Entfernung wäre größer und die Straße holpriger zwischen Mund und Becherrand! ... Aber morgen trink ich keinen Tropfen Wein ... bloß Wasser ... Wasser ... nichts als klares Wasser!«

Drittes Kapitel

Die Gaststube des »Schwarzen Bären« in Cumnor, wohin unsre Erzählung zurückkehrt, durfte sich an dem Abend, von dem wir reden, einer nicht gewöhnlichen Versammlung von Gästen rühmen. Es war Markt in der Nachbarstadt gewesen, und der Schnittwarenhändler von Abingdon hatte mit einigen, andern dem Leser als Gäste und gute Bekannte von Giles Gosling bereits bekannt gewordenen Personen schon zeitig einen Kreis um das abendliche Feuer geschlossen und diskutierte mit ihnen eifrig die Tagesvorgänge.

Es war ein muntrer, pfiffiger, lauter Patron, dessen Warenballen nebst dem Ellenmaß aus Eichenholz, das mit messingnen Punkten angemessen übersät war, ihn deutlich als »einen von des Zukunft des Autolykos« kennzeichnete. Er nahm einen großen Teil der Aufmerksamkeit für sich in Anspruch und sorgte andrerseits fleißig für Unterhaltung. Die Hausierer jener Zeit waren, wie hier erinnert sein mag, Leute von weit größrer Wichtigkeit, als ihre verbummelten und von der Zeit überholten Kollegen von heute. In der Hand dieser »wandelnden Kaufleute« lag zum weitaus größten Teile der »Handel« mit den bessern Manufakturwaren »über Land« für die Frauentracht, der Zeit, und wenn es ein solcher Handelsmann so weit gebracht hatte, daß er ein Packpferd sein eigen nannte, so galt er schon als eine recht angesehene Person im Lande, und für jeden Landsassen, der ihm unterwegs begegnete, als eine durchaus anständige und willkommne Reisegesellschaft.

Der Handelsmann, von dem hier die Rede ist, nahm demzufolge an der fröhlichen Zeche, die in dem gemütlichen »Schwarzen Bären« in Cumnor von den Stammgästen desselben gehalten wurde, einen tätigen und allgemein willkommen geheißenen Anteil. Er liebäugelte mit der niedlichen »Jungfer Cilchen«, lachte mit dem Wirt und scherzte mit Herrn Goldfaden, der diesmal, ohne es zu wollen, für die Gesellschaft die Zielscheibe des Witzes war. Er war mit dem Hausierer in einen heftigen Diskurs geraten über den Vorzug, der den spanischen Strümpfen gegenüber den schwarzen Gamaschen, die aus der Gascogne eingeführt wurden, gebühre, und der Herr Wirt hatte eben den Gästen zugeblinzelt, wie wenn er ihnen sagen wollte: »Jetzt aufgepaßt, meine Herrschaften, jetzt werden wir was erleben!« ... als im Hofe Pferdegetrappel laut wurde und mit lauter Stimme nach dem Wirt gerufen wurde, dazwischen hinein, auch einige der damals landesüblichen Flüche geschrieen wurden.

Wie ein Sturmwind war Will, der Hausknecht, draußen und hinter ihm her sauste, wie ein andrer Sturmwind, Johann der Kellner; und hinter beiden her der ganze Troß der Bedienerschaft, die alle von ihren Posten gewichen waren, um ein bißchen teilzunehmen an den Zechfreuden, die heute hier herrschten. Auch der Herr Wirt stürzte hinaus, um seinen neuen Gästen den Willkommen zu bieten, und kam sogleich wieder herein, seinen würdigen leiblichen Neffen, Michael Lambourne, vor sich herschiebend, der ziemlich anständig betrunken war und den Astrologen, am Schlafittchen führte.

Alasco, wenngleich noch immer ein kleines altes Männchen, hatte doch dadurch, daß er sein Wams mit einem Reitrocke vertauscht und sich Bart wie Brauen abgeschnitten hatte, ein Aussehen um zwanzig Jahre jünger gewonnen und konnte jetzt für einen rüstigen Mann zu Anfang oder Mitte der sechziger gelten. Er zeigte ein äußerst unruhiges Wesen und hatte viel in Lambourne hineingeredet, nicht erst im Gasthofe Einkehr zu halten, sondern ohne Aufenthalt sich an das Ziel ihrer Fahrt zu begeben. Aber Lambourne hatte nichts davon hören mögen.

»Onkel!« schrie Lambourne, als er die Gaststube glücklich erreicht hatte, »ein großes Maß von Euerm besten Sekt! es gilt eine Runde für den edlen Lord of Leicester! ... Was? Sollen wir einander nicht begrüßen? Sollen wir unsre Verwandtschaft nicht begießen? Ha, das wäre noch schöner! Wir beide, und nicht mitsammen einem paar Pullen die Hälse umdrehen! Hahaha! Das wäre!«

»Gewiß, Vetter! Das tun wir und mit ganzem Herzen!« sagte der Wirt drauf, auf dessen Gesicht aber ziemlich deutlich zu lesen stand, daß er den Patron am liebsten wieder los wäre, »aber kannst Du soviel Wein auch berappen?«

Diese Frage, die manch andern Zecher in Verlegenheit gesetzt hätte, änderte an dem Vorsatz Michael Lambournes nicht das geringste.

»Nanu, Onkel! Nach Geld fragt Ihr? Holt Euch Bescheid in Mexiko und Peru!« und bei den Worten warf er eine Handvoll Goldstücke auf den Tisch; »stellt Eure Frage an den Lordschatzmeister der Königin ... Gott segne Majestät! ... meines guten Herrn gnädige Dame!«

»Schön, schön, mein lieber Neffe,« versetzte drauf der Wirt, »mein Geschäft ist, Wein an Leute zu verkaufen, die bezahlen können ... , na, Johann, Nu kannst nun auftragen ... Aber gern erfuhr ich aus Deinem Munde, auf welche Weise man so schnell' zu Geld kommt, Michel?«

»Hm, Onkel, dies Geheimnis will ich Euch künden.... Seht Ihr das kleine Männchen da? Ein Kerl, verwelkt wie ein Span, mit dem sich der Teufel ein Süppchen gekocht! ... Und doch, Onkel, unter uns gesagt, in seinem Gehirn hat Witz seinen Sitz ... Mord und, Tod! Der Kerl macht aus Häckerling Gold! flinker als ich fluchen kann!«

»In meinem Beutel mag ich aber doch nichts haben aus seiner Münze, Michel,« meinte der Wirt; »ich weiß, was für Strafe drauf steht, wenn man falsches Geld unter die Leute bringt.«

»Du bist ein Esel, Onkel, so alt Du sein magst – zieh mich doch nicht am Aermel, Doktor; auch Du bist ein Esel! Ein gründlicher Esel! Und da Ihr beide Esel seid, so sage ich Euch hiermit, daß ich bloß im Bilde gesprochen habe.«

»Seid Ihr von Sinnen? Steckt der Teufel in Euch? ... Könnt Ihr uns nicht hier ruhig sitzen lassen, ohne daß sich alle Gäste nach uns umsehen!« flüsterte Alasco.

»Meinst Du?« sagte Lambourne, »da bist Du im Irrtum, Alter. ... Keiner soll Dich ansehen, darauf gebe ich Dir mein Wort! Hörst Du? ... Beim Himmel, Leute! Wer sich erfrecht, dem alten Männchen hier ins Gesicht zu sehen, dem stech ich mit meinem Dolch die Augen ans dem Schädel! ... So, nun setz Dich, Alterchen, und sei vergnügt ... die Leutchen hier sind meine Sippe ... meine alten Kumpane und Kameraden, die werden niemand verraten oder hineinlegen.«

»Wärs nicht gescheiter, Neffe,« meinte Giles Gosling, »Du nimmst Dir ein besondres Zimmer ... Du redest gar so wunderliche Dinge, und Aufpasser und Horcher gibts doch überall!«

»Um die scher ich mich nicht,« rief der großspurige Michael. ... »Aufpasser? Prrr! ... Ich bin in Diensten bei Lord Leicester ... Da kommt der Wein ... Füll einen Becher, Mundschenk! eine Runde für den edlen Lord of Leicester, die Blume von England! Für den edlen Lord Leicester, sage ich ... wer nicht mir Bescheid trinkt, ist ein Schwein von Sussex, und er soll mir auf den Knien saufen oder ich schneid ihm die Keulen vom Leibe und räuchre sie zu Schinken!«

Keiner riskierte es daraufhin, dem rohen Patron nicht Bescheid zu tun, und Michael Lambourne, dessen Trunkenheit natürlich durch diese neue Füllung nicht gemindert wurde, fuhr in seiner rüpelhaften Weise fort, in dem Gastzimmer herumzuschreien, erneuerte mit manchen der Gästen die frühere Bekanntschaft, von denen manche ihm mit Respekt, manche mit Furcht, manche mit einer zwischen beiden schwankenden Empfindung entgegentraten, denn es waren wahrlich genug Gründe vorhanden, auch dem niedrigsten von Leicesters Dienerschaft, besonders wenn er ein Mensch war wie Lambourne, mit Vorsicht zu begegnen.

Mittlerweile ließ der alte Mann, da er seinen Führer in dieser unzurechnungsfähigen Laune sah, weitere Einreden sein, setzte sich in die finsterste Ecke der Stube und bestellte sich ein kleines Glas Warmbier, über dem er, wie es schien, einzunicken anfing. So viel wie möglich entzog er sich der allgemeinen Beachtung, tat wenigstens nichts, was seine Gegenwart dem Reisegefährten in die Erinnerung führen konnte, der sich zu seinem alten Kameraden Goldfaden von Abingdon gesetzt hatte und Erinnerungen aus frühern Tagen mit ihm aufwärmte.

»Wenn ich sage, muntrer Michel, ich war über Deinen Anblick nicht so froh wie über den meines besten Kunden, der mirs Geld auf den Tisch legt,« sagte Krämer Goldfaden, »so glaubtest Du mir doch nicht! ...Ei, Freund Michel, Du kannst sicher bei einem Fest oder Maskenspiel einem Freund zu einem guten Plätzchen verhelfen ... ja, und wohl auch Mylord was ins Ohr flüstern ... wenn er in die Gegend herkommt und einen neuen Kragen oder sonstwas braucht ... kannst ihm sagen, da ist ein alter, guter Freund von mir, der Lorenz Goldfaden aus Abingdon, der hat gute Ware, ist auch ein hübsches Mannsbild, wie nur eins in Berkshire, und könnte es für Eure Herrlichkeit aufnehmen mit jedem andern seines Schlages ... dann könntest Du noch sagen ...«

»Noch hundert verdammte Lügen mehr kann ich sagen,« erwiderte Lambourne, »indessen soll mirs auf ein gutes Wort für einen Freund nicht ankommen.«

»Auf Deine Gesundheit, Michel, von ganzem Herzen!« sagte der Krämer; »kannst auch für die neuen Moden gutsagen ... aber da war doch ein Schelm von Hausierer vorhin anwesend ... der die altmodischen spanischen Strümpfe weit über die neuen Gascogner Gamaschen stellte ... wo ist er denn hingekommen? Heda, Herr Wirt! Wo steckt denn der Hausierer?«

»Wo jeder andre vernünftige Mensch auch stecken sollte, der morgens bei der Kundschaft auf dem Posten sein will ... in seine Kammer hinauf ist er gegangen, hat sich eingeschlossen und macht Kasse.«

»Soll er hängen, der pedantische Filz!« rief der Krämer; »aber Lust hätte ich, ihm seine Waren abzunehmen! Diese Gauner von Hausierer fügen durch ihr Herumziehen im Lande bloß dem ansässigen Geschäftsmanne den größten Schaden zu. ... In Berkshire gibts Kerle, die ihren Mann stehen ... man trifft den Patron schon einmal auf der Landstraße ...« »Hm,« machte der Wirt lachend; »er steht schon auch seinen Mann ... wer dem an den Kragen will, muß Mark und Knochen haben und derb zupacken ...«

»So?« fragte Goldfaden.

»Jawohl, so!« entgegnete der Wirt; »bei Hahn und Elster! Er ist der Hausierer wie er sein soll, genau wie der, der dem Robin dem Roten so tüchtig aufs Leder rückte... wies in dem Verse heißt:

Da zog der Robin Hood sein Schwert,


Den Knief der Handelsmann,


Und deckte Robin Hood so gut,


Wies keiner besser kann!

»An den Galgen mit dem Hund! Mag er laufen!« rief der Krämer, »stehts so mit ihm, so wäre wenig Ehre mit ihm zu holen ... und nun sagt mir, Michel ... braver Michel ... wie trägt sich das holländische Leinen, das Ihr mir abgewonnen habt?«

»O, famos, wie Ihr ja sehen könnt, Meister Goldfaden,« erwiderte Michel, »Du sollst noch einen Trunk dafür haben ... Füll mal die Pulle, Musje Kellner!«

»Mit derlei Wetten, Michel, wirst Du noch mehr Holländisch-Leinen gewinnen,« meinte der Krämer, »denn der Brummsack Tony Foster schimpft in einem weg auf Dich und schwört, Du solltest ihm nicht wieder über die Schwelle, denn Du könntest, hols der Teufel, das Dach von einem Christenhause herunterfluchen!«

»So? Hat er sich so vernehmen lassen, dieser heuchlerische, duckmäuserische Hundsfott?« wetterte Lambourne, »na, dann soll er doch herkommen und hören, was ich ihm heut zu bestellen habe; her, unter meines Onkels Dach, soll er kommen! ... Und solch schwarzen Sanktus will ich ihm singen, daß er noch ganze vier Wochen meinen soll, der Teufel halte ihn am Schlafittchen, wenn er bloß meint, mich zu hören!«

»Schockschwerenot! Jetzt ist der Topf aber voll zum Ueberlaufen!« rief der Krämer. »Was? Tony Foster soll auf Deinen Pfiff parieren? ... Ei, ei, mein lieber Michel, pack ein, pack ein!«

»Ich sage Dir, Du schmalgesichtiger Tropf!« rief Michael Lambourne heftig, »...fünfzig Goldfüchse halte ich gegen die fünf vordersten Regale Deines Ladens, von der Hinterlichtseite angefangen, mit allem, was drin ist, daß ich Tony Foster hierher in diesen Gasthof lotse, noch ehe wir drei Runden gesoffen haben.«

»Eine Wette in solcher Höhe geh ich nicht ein,« sagte der Krämer, durch ein Angebot einigermaßen ernüchtert, das eine ziemlich genaue Kenntnis von der Beschaffenheit und Einrichtung seines Ladens verriet, ... »nein, für solche Wette danke ich; »aber fünf Füchse will ich halten gegen Deine fünf, wenn Dir das recht ist, daß Tony Foster seine vier Pfähle nicht verläßt, am wenigsten, um in eine Gaststube nach der Gebetstunde zu kommen Deinethalben oder wegen sonst jemand.«

»Einverstanden,« sagte Lambourne. »Hier, Onkel, die Wette gilt, und laßt eins von Euren jungen Blutfäßchen herschaffen ... einer von Euren Kellnerbuben soll hinüber ins Herrenhaus laufen und Meister Foster hier den Brief abgeben und ihm sagen, daß ich, sein »Bester«, Michael Lambourne, ihn auf meines Onkels Schloß bitten lasse, woselbst ich ihm Dinge von hoher Wichtigkeit zu sagen hätte.... Hinweg mit Dir, Junge, denn die Sonne ist schon unter, und der Kerl geht mit den Hühnern schlafen, um ein Talglicht zu sparen ... allons, lauf!«

Gleich darauf war der Junge verschwunden ... die Pause wurde mit Zechen und Lärm ausgefüllt ... und nicht lange, so kam er mit dem Bescheide wieder, daß Meister Foster sich einfinden werde.

»Gewonnen! Gewonnen!« rief Lambourne und griff nach dem Gelde.

»Erst wenn er da ist, bitte,« sagte der Krämer.

»Ei, der Teufel! Er steht ja schon auf der Schwelle!« versetzte Michael ... »was sagte er, Jungen?«

»Mit Verlaub, Euer Gnaden,« antwortete der Bote, »er guckte aus dem Fenster, mit einem Schießprügel in der Hand, und als ich Euern Auftrag ausrichtete, was ich mit Furcht und Bange getan, da rief er mit einem Gesicht, so sauer wie Essig, Ihr mochtet hinfahren, wo Satan haust.«

»Oder in die Hölle, nicht wahr?« meinte Lambourne, »dorthin wünscht er alle, die nicht zur Brüderschaft gehören.«

»Ganz recht, so sagte er auch, doch brauchte er eine Redensart, die um einiges poetischer war.« »Ein gescheiter Kerl, der Junge!« sagte Michael; »sollst einen Tropfen haben, um Deine poetische Ader zu begießen ... Und was hat Foster sonst gesagt?«

»Zurückgerufen hat er mich,« antwortete der Junge, »und hat mir aufgetragen, zu bestellen, Ihr solltet doch zu ihm kommen, wenn Ihr was zu bestellen hättet.«

»Und was sonst noch?« fragte Lambourne.

»Er hat den Brief gelesen, und da schien es, als besänne er sich, und dann fragte er, ob Euer Gnaden beim Schoppen säßen ... und ich sagte, Euer Gnaden sprächen ein bißchen Spanisch, wie einer, der auf den Kanarischen Inseln geboren sei.«

»Weiter, Du Diminutivum von einem Bierkrug! ... Ergehst Dich ja in kühnen Vermutungen ... was hat er noch gesagt?«

»Hm, er brummte, wenn er nicht käme, dann möchten am Ende Euer Gnaden ausposaunen, was besser einbehalten würde, und so griff er nach seiner alten Filzkappe und warf den verschlissenen blauen Mantel um, und, wie ich schon sagte, er wird im Handumdrehen hier sein.«

»Es steckt Wahrheit in dem, was er sagt,« erwiderte Lambourne, wie wenn er zu sich selbst spräche, »mein Hirn hat mir wiederum die alten Hundsstreiche gespielt ... aber Couragio! ... Mag er kommen! ... Ich habe mich nicht so lange in der Welt herumgetrieben, um vor Tony Foster ins Mauseloch zu kriechen, gleichviel, ob ich nüchtern bin oder besoffen. ... Bring mir eine Flasche kaltes Wasser, um meinen Sekt zu taufen!«

Während Lambourne, den Fosters Nähe zur Besinnung gebracht zu haben schien, sich zu seinem Empfange rüstete, schlich Giles Gosling nach der Kammer, in die sich der Hausierer zurückgezogen hatte. Er traf ihn, wie er mit großen Schritten den engen Raum durchmaß.

»Ihr habt Euch ja so plötzlich zurückgezogen von unsrer Gesellschaft?« fragte der Wirt seinen Gast.

»Es war Zeit, da der Teufel sich bei Euch einfand,« versetzte der Hausierer.

»Höflich ist es nicht von Euch, meinen Neffen mit solchem Namen zu belegen,« meinte Gosling, »noch schickt es sich für mich, in diese Tonart einzustimmen, und doch mag Michel in gewissem Grade als Satanskumpan gelten dürfen.«

»Pah! Ich rede nicht von Eurem Trunkenbold von Neffen,« entgegnete der Hausierer, »sondern von dem andern ... ihn meine ich ... aber wohin wollen sie und woher kommen sie?«,

»Sapperlot! das sind, viel Fragen auf einmal, von denen ich keine beantworten kann,« versetzte der Wirt, »aber, Herr, Ihr habt mir von dem wackern Herrn Tressilian ein Andenken überbracht ... es ist ein gar schöner Stein ...«

Er nahm den Ring aus der Tasche und betrachtete ihn; dann setzte er, ihn in seine Börse schiebend, hinzu: daß es ein Gueridon sei, und viel zu wertvoll für allen Dienst, den er dem Herrn vielleicht geleistet habe oder leisten könne. Er stände, sagte er, im Gasthofsberufe, und es stände ihm übel an, allzu neugierig hinter andrer Leute Geheimnissen her zu sein; er hätte schon gesagt, daß er nichts hätte hören können, daß aber die Dame noch immer in Cumnor-Place, in der größten Verborgenheit, lebe und allen, die sie einmal gesehen, in Sinnen vertieft und unzufrieden mit ihrer Lage vorkomme.

»Jetzt aber,« fuhr er fort, »ist die günstigste Gelegenheit, wenn Ihr den Wunsch hegt, Eurem Herren zu dienen, die sich nur irgend bieten kann. Tony Foster kommt her, und ich darf den Neffen bloß noch eine Flasche ausstechen lassen, so bringt ihn selbst, der Königin Befehl nicht mehr von der Bierbank weg. ... Die sitzen wohl noch eine Stunde hier fest. ... Wenn Ihr nun Euren Warenballen packtet und jetzt hinginget – was Euch der beste Vorwand wäre – so könntet Ihr am Ende Euch Gehör bei der alten Dienstmagd verschaffen; eben weil sie sich durch die Abwesenheit des Herrn sicher fühlen dürfte ... so könnte es wohl sein, daß Ihr mehr Kunde über die Dame und ihre Lage hortet, als ich oder sonst jemand Euch je zu schaffen vermöchte.«

»Wahr, sehr wahr,« erwiderte Wieland, denn er war es, »ein trefflicher Rat, aber wie mich bedünkt, nicht ohne Gefahr ... denn angenommen, Foster käme zurück?« ...

»Sehr leicht möglich, allerdings,« versetzte der Wirt.

»Oder ferner angenommen,« fuhr Wieland fort, »die Dame käme meinen Bemühungen mit Kälte entgegen?«

»Auch das ist nicht unwahrscheinlich,« erwiderte Giles Gosling. »Ich glaube, Junker Tressilian wird für seine Bemühungen um sie und ihr Wohl nicht viel Dank ernten.«

»In beiden Fällen möchte ich schön ankommen,« erwiderte Wieland, »und darum gefällt mir schließlich Euer Rat doch nicht recht.« »Na, das müßt Ihr mit Euch selbst abmachen, mein lieber Gefolgsmann,« sagte der Wirt, »mich geht die Sache ja nichts an, sondern Euren Herrn. Ihr müßt am besten wissen, was sich wagen läßt, und wie weit Ihr gehen könnt. Aber was Ihr selbst nicht wagen wollt, das könnt Ihr auch von andern nicht erwarten.«

»Still, still,« sagte Wieland, »bloß eins sagt mir noch: Begibt sich jener alte Mann nach Cumnor-Place?«

»Meiner Meinung nach, ja,« versetzte der Wirt, »der Diener hat mir gesagt, er bringe ihr Gepäck hinüber, aber auf ihn hat der Bierkrug die gleiche Wirkung geübt, wie auf Michael die Sektflasche.«

»Genug,« sagte Wieland, ein Wesen annehmend, das auf einen hohen Grad von Entschlossenheit deutete, »die Pläne, mit denen dieser Schuft sich tragt, will ich durchkreuzen ... mein Grauen ob seines Anblicks fängt an zu schwinden, und mein Grimm und Haß zu steigen. Helft mir meinen Pack aufheben, wackrer Wirt ... und Du, alter Albumasar! sieh Dich vor! ... In Deinem Horoskop herrscht ein böser Einfluß, und er flammt aus dem Sternenbilde der Ursa major, des großen Bären!«

Mit diesen Worten hob er seinen Ballen auf den Rücken, der Wirt führte ihn bis zum hintern Tor des Gasthofs, dann schlug Wieland den entlegensten Seitenweg ein nach Cumnor-Place.

Viertes Kapitel

Bestimmt durch seine Angst, den wiederholten Befehlen des Grafen, das Geheimnis von Kenilworth zu hüten, auf das pünktlichste nachzukommen, nicht minder durch die ihm anhaftenden ungeselligen, knickerigen Lebensgewohnheiten war Anthony Foster in seiner Häuslichkeit weit mehr bedacht, alles, was die Aufmerksamkeit auf sie lenken konnte, zu unterlassen, oder zu unterdrücken, als irgendetwas zu tun oder geschehen zu lassen, was die Neugierde wecken konnte.

Aus diesem Grunde hielt er sich bloß einen Diener und zwei alte Frauen. Der Diener mußte besorgen, was in den Bereich seiner persönlichen Angelegenheiten fiel, während den Frauen der Dienst bei der Gräfin oblag.

Eine dieser alten Frauen öffnete das Tor, als Wieland klopfte. Auf seine Frage, ob er die Waren den Damen des Hauses vorlegen dürfe, wurde ihm in schroffer Weise der Bescheid, daß er seiner Wege gehen solle. Es gelang ihm jedoch, durch einen Silberling den ersten Groll zu dämpfen, und als er der Alten dann versprach, daß sie eine neue Haube bekommen solle, wenn die Herrschaften ihm was abkauften, sagte sie:

»Vergelts Dir Gott, Mann, denn meine Haube ist schon ein Lumpen ... geh nur 'nein in 'n Garten und bring dei' Sach an, Mann ... sie spaziert 'rum im Garten.«

Mit diesen Worten schob sie den Hausierer durch das Tor, wies auf ein altes, verfallnes Gartenhaus und sagte:

»Dort drüben ist sie. Mann ... dort ... sie wird schon was kaufen, wenn Du's ihr richtig zeigst, denn sie hat was Neues immer gern.«

»Hm, sie überläßt mir zu tun, was mir recht scheint,« dachte Wieland, als er hörte, wie die Gartentür hinter ihm ins Schloß fiel. »Aber Prügel wirds doch wohl nicht gleich setzen und einen Mord wohl auch nicht um solch geringfügigen Uebergriffs willen und bei diesem Zwielicht! Also weiter! Frisch weiter! ... Will Shakespeare, sei Du mir behilflich! Ich will den Damen was vorsagen von Deinem Autolykus ... dort sehe ich sie ja. ...«

Und sich ein Herz fassend, sang er mit heller Stimme das damals bekannte Volkslied:

Leinen weiß, wie frischer Schnee,


Schleier schwarz, wie Rab und Kräh',


Handschuh voller Rosenduft,


Masken gegen frische Luft ...

»Welch unverhofften Anblick spendet uns Fortuna, Jeanette?«

»Einen Handelsmann, der seine Ware nach kurzer Elle mißt,« antwortete das Mädchen züchtig; »mich wunderts, daß ihn die alte Dorcas durch das Gartentor gelassen hat.«

»Ein glücklicher Zufall,« sagte die Gräfin; »wir führen doch ein recht trauriges Leben hier, und auf ein Weilchen kann der Mann uns wohl unterhalten.«

»Ei, meine holde Dame,« sagte Jeanette, »aber ... mein Vater ...«

»Mein Vater ist er nicht,« sagte die Gräfin, »und hoffentlich auch nicht mein Herr ... ich befehle Dir, laß den Mann zu mir!«

»Eure gräfliche Gnaden brauchen ja nur zu befehlen ...« hub das Mädchen an. Aber die Gräfin fiel ihr ins Wort:

»Oder warte, Du ängstliches Ding, ich will ihn selbst herholen, dann kannst Du ja nicht ausgezankt werden ...«

»Ach, gräfliche Gnaden, wenns damit abginge ...«

Die Gräfin aber rief dem Hausierer schon zu:

»Lieber Gesell, tritt naher ... Zeig, was Du in Deinem Packen hast ... sinds gute Waren, die Du führst, so schickte Dich wohl der Zufall her zu meiner Freude, und Dich zu Deinem Vorteil.«

»Was steht Euer gräflichen Gnaden zu Befehl?« fragte Wieland, seinen Ballen aufschnürend und die Waren mit einem Geschick auseinanderbreitend, als sei er darin ein alter Praktikus ... er verstand es auch, seine Ware anzupreisen, ihre Vorzüge hervorzuheben und angemessne Forderung dafür zu stellen.

»Was mir zu Befehl sei?« wiederholte die Gräfin. »O, seit einem halben Jahre habe ich kein Stück Zeug, keine Elle Leinwand eingekauft, nicht das geringste mehr aus eignem Willen oder nach eigner Wahl .. drum wäre es schon besser zu fragen: was hast Du feilzubieten? Einen solchen Kragen und auch ein Paar von diesen Aermeln, auch diese schwarzen Spitzen kannst Du für mich beiseite legen, die kirschrote Mantille mit den goldnen Knöpfen und Schnüren auch ...«

»Ist sie nicht etwas überladen, gnädige Frau Gräfin?« bemerkte das Mädchen.

»Ach, Du hast ja keinen Geschmack, Jeanette!« wies die Gräfin sie ab; »auch diesen Kopfputz legt für mich beiseite, lieber Mann, und diese Haarnadel mit Perlen ...«

»Aber, Frau Gräfin,« wandte das Mädchen ein, »diese Nadel ist doch gar nicht ...«

»Warte, Du böses Ding,« rief die Gräfin und drohte scherzend mit dem Finger, »zur Strafe für Deinen Vorwitz sollst Du Mantel und Nadel selbst tragen; aber paß hübsch auf, daß Dir Dein sparsamer Papa nicht die goldnen Knöpfe und die Perlen ablöst, um sie in seine Geldkassette zu tun!«

»Ach, gnädige Frau Gräfin, gehen Sie doch mit meinem Vater nicht gar so hart um!« sagte traurig das Mädchen.

»Ei, warum soll ich ihm solche Reden sparen?« lachte die Gräfin, »ist denn nicht seine ganze Natur angelegt zum Sparen!« Dann wandte sie sich wieder an den Hausierer: »Führt Ihr nicht auch Pomaden und Parfums in den jetzt modernen kleinen Flacons?«

Wieland beeilte sich, auf alle Wünsche und Fragen, die die Dame stellte, befriedigende Antwort zu geben, und dachte bei sich: »Wär ich richtiger Hausierer, so könnte ich hier das beste Geschäft machen! Aber wie soll es mir gelingen, ihren Sinn einen Augenblick auf ernste Dinge zu lenken?« Er breitete eine erlesene Sammlung der besten Parfums vor ihr aus und bemerkte, daß alles, was er führe, im Preise um das Doppelte gestiegen sei, infolge der großen Vorkehrungen, die vom Grafen von Leicester getroffen würden, um die Königin und den gesamten Hofstaat auf seinem Herrschaftssitze Kenilworth zu empfangen und zu bewirten.

»Ha!« rief die Gräfin, »so wäre doch etwas Wahres an dem Gerücht, Jeanette?«

»Ei, freilich,« nahm sogleich Wieland das Wort; »es muß mich wunder nehmen, daß Eure Gnaden noch nichts davon vernommen haben; die Königin von England wird auf ihrer diesjährigen Sommerfahrt bei dem edlen Grafen eine Woche lang verweilen; es geht sogar die Rede, England dürfe einen König bekommen, und Englands Königin Elisabeth ... des Himmels Segen auf ihr Haupt ... einen Gemahl, bevor das Ende der Sommerfahrt gekommen sei.«

»Das ist schändliche Lüge!« rief die Gräfin, in heftigen Zorn geratend, aus.

»Um Gottes willen, gnädige Frau Gräfin, wer wird glauben wollen, was Hausierermund im Lande herumträgt?«

»Du hast recht, Jeanette,« sagte in milderm Tone die Gräfin, »dergleichen Gerüchte, die den Ruf des edelsten Pairs von England schädigen, können bloß Glauben finden bei niedrigen, gemeinen Seelen.«

»Sterben will ich, gnädigste Frau Gräfin,« rief Wieland der Schmied, der recht gut wahrnahm, daß die Heftigkeit der Dame sich gegen ihn richtete, »auf der Stelle sterben, wenn ich etwas verbrochen habe, das mir Ihren Zorn zuzieht ... ich sage bloß wieder, was allgemein im Lande gesprochen wird.«

Die Gräfin hatte inzwischen die Fassung wiedergewonnen und bestrebte sich, ängstlich geworden durch Winke des Mädchens, allen Anschein von Unwillen und Empörung zu unterdrücken. Dann fragte sie, wie um dem Gespräch eine andre Wendung geben zu wollen, den Hausierer:

»Was ist das für Salbe, hier in dem silbernen Schächtelchen? Wohl was ganz Besondres, da sie in so kostbarem Behälter liegt?«

»Ein Mittel gegen Uebelkeit von einer Art, die Euer gräflichen Gnaden hoffentlich ein verschlossnes Buch ist ...« sagte Wieland. »Nimmt man von ihr so viel wie eine türkische Bohne, und zwar eine Woche lang an jedem Tage, so stählt sie das Herz gegen die finstern Gedanken, die durch Einsamkeit, Traurigkeit, unerwiderte Liebe oder getäuschte Hoffnung so gern entstehen ...«

»Seid Ihr ein solcher Tor, daß Ihr meint, ich werde Euch solchen Kram abkaufen um teures Geld? ... Wer hörte je, daß Herzeleid geheilt werden könne durch Arzneien für den Leib?«

»Mit gnädigstem Verlaub, Frau Gräfin,« versetzte er mit einem Tone, aus dem gewisse Empfindlichkeit klang, »ich bin ein ehrlicher Mann und verkaufe meine Ware zu Preisen, wie sie recht und billig sind. ... Zudem habe ich Euer Gnaden diese Arznei überhaupt nicht zum Kauf angeboten! Welchen Grund sollte ich mithin haben, Euch etwas vorzureden? Aber geholfen hat meine Medizin schon manchem, bei Hofe sowohl wie in Stadt und Land; erst neulich noch einem Junker mit Namen Tressilian drunten in Cornwallis, einem gar ehrenwerten Manne mit Namen Edmund ... der war, wie mir die Leute erzählten, in Schwermut versunken infolge einer unglücklichen Liebe, so daß seine Freunde Bange fühlen um sein Leben ...«

Er machte eine Pause, und auch die Dame schwieg eine Weile ... dann fragte sie, vergeblich bemüht, ihrer Stimme festen und gleichgültigen Klang zu geben:

»Und ist der Edelmann, von dem Ihr sprecht, nun wieder hergestellt?«

»Einigermaßen, gnädige Frau,« erwiderte der Schmied, »zum wenigsten klagt er nicht mehr über leibliches Weh.«

»Ich werde mir auch etwas von dieser Arznei kaufen, Jeanette,« sagte die Gräfin, »auch mich überkommt zuweilen jener Hang zur Melancholie, die den Geist mit trübem Gewölk umhüllt.«

»Das solltet Ihr doch lieber nicht tun, Madame,« sagte Jeanette, »wer steht uns gut dafür, daß es nichts Schädliches ist?«

»Ich will selbst dafür einstehen,« sagte Wieland, nahm ein Stück von der Medizin und schluckte sie hinunter.

Die Gräfin kaufte das andre, durch die Einwendungen des Mädchens eher bestärkt als abgelenkt, und nahm sogleich eine erste Dosis ein. Sie meinte, was wohl aber auf Einbildung beruhen mochte, es sei ihr schon jetzt leichter um das Herz und sie fühle sich heitrer gestimmt als vordem. ... Darauf nahm die Gräfin alles, was sie dem Hausierer abgekauft, auf den Arm, warf Jeanetten ihre Börse zu und hieß sie mit dem Hausierer abrechnen. ... Dann begab sie sich, wie wenn sie der Unterhaltung, die ihr zuerst so viel Freude bereitet hatte, müde sei, nach einem Gutenachtwunsch für den Hausierer, langsam ins Haus.

Auf diese Weise ging Wieland alle Gelegenheit verloren, sie zu sprechen. Er versuchte jedoch, sich mit Jeanette auszusprechen.

»Mädchen,« sagte er, »Du siehst mir ganz so aus, als seist Du Deiner Herrin in Liebe zugetan. Deine Herrin braucht treue Dienste gar nötig.«

»Und sie hat wahrlich auch ein Anrecht drauf!« erwiderte das Mädchen; »ich diene ihr auch treu ... aber wozu solche Rede?«

»Mädchen, ich bin durchaus nicht, was ich scheine,« sagte, die Stimme senkend, der Hausierer.

»Nichtsdestoweniger doch ein ehrlicher Mann?« meinte das Mädchen.

»Umsomehr das, was Du fragst,« versetzte Wieland, »da ich kein Hausierer bin.«

»Dann mach Dich auf der Stelle weg von hier, oder ich rufe um Beistand und Hilfe. Der Vater muß gleich da sein.«

»Sei nicht so flink,« sagte Wieland, »Du möchtest bereuen, was Du tust. Ich bin einer von denen, die es gut meinen mit Deiner Herrin. Es tun ihr mehr not von Leuten gleich mir, und es wäre unrecht von Dir, den wenigen, die sie besitzt, zum Verderben zu sein.«

»Wie soll ich Dir das glauben?«

»Schau mir ins Gesicht,« sprach Wieland der Schmied, »und sieh zu, ob aus meinem Blicke nicht Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit sprechen.«

Und wahrlich, wenn sein Gesicht auch nicht schön zu nennen war, so lag doch auf seinen Zügen der energische, scharfe Ausdruck des denkenden Geistes und klugen Sinnes, und der Blick seines lebendigen, glänzenden Auges, sein wohlgeformter Mund und das offne, verständige Lächeln, das seine Lippen umspielte, liehen seinem zugleich ansprechenden und doch nicht regelmäßigen Antlitz zuweilen Anmut und Interesse.

Jeanette betrachtete ihn mit der ihrer Sekte eignen klugen Einfalt. Dann erwiderte sie auf seine Worte:

»Trotzdem Du Deine Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit so sehr betonst, Freund, will es mir doch so vorkommen, als läge auf Deinem Gesicht etwas vom Hausierer und auch vom ... Schelm.«

»Du hast vielleicht nicht unrecht,« versetzte lachend Wieland der Schmied; »heute abend oder morgen wird jedoch mit Deinem Vater ein alter Mann herkommen, der den schleichenden Tritt der Katze, das scharfe Auge der Ratte, das zutuliche Wesen des Schoßhündchens und die Wildheit des Bullenbeißers in sich vereint.... Vor diesem hüte Dich! Vor diesem hüte Deine Herrin! ... denn, niedliche Jeanette, dieser Schleicher trägt unter erheuchelter Taubenunschuld böses Natterngift.... Welch schweres Unheil er gegen Euch hier plant, kann ich nicht raten; aber Tod und Jammer waren immer die Folgen seiner Gegenwart. ... Sprich hiervon nichts zu Deiner Herrin! ... Meine Kunst sagt mir, daß in dem Zustande, in welchem sie zurzeit befangen ist, Furcht vor Uebel nicht minder schädlich für sie ist als die Wirkung des Uebels selbst ...aber rede ihr zu von der Arznei zu nehmen, denn« ... er senkte wieder die Stimme, sprach aber um so eindringlicher ihr ins Ohr ... »es ist ein Gegengift . ... das verhindert, daß Gift, das ihr gegeben wird, ihr schadet. ... Doch horch, sie kommen, sie kommen!«

In der Tat näherte sich lauter Lärm, Freudenrufe, untermischt mit lauten Reden, der Gartentür. Hierdurch beunruhigt, sprang Wieland in ein Dickicht, während Jeanette sich mit dem Rest der Einkäufe, den ihre Herrin nicht mitgenommen hatte, sich in ein Gartenhaus flüchtete, um nicht gesehen zu werden.

Ihre Angst war jedoch unnütz, denn ihr Vater mit seinem alten Knecht, Lord Leicesters Diener und der Sterndeuter kamen in den Garten gerannt, hinter Lambourne her, dessen wilde Weise sie in die höchste Unruhe gesetzt hatte, und den sie vergebens zum Schweigen zu bringen suchten.

Der elende Wicht war nun sternhagelbetrunken, war aber, wie es häufig der Fall bei Trunkenbolden, noch immer Herr seiner Bewegungen sowohl wie seiner Rede.

»Was?« schrie er mit aller Stärke seiner Stimme, »ich soll hier ohne Willkommen bleiben? soll kein Saufgelage halten? trotzdem ich Eurem alten, vermaledeiten Hundeloch Glück bringe in der Gestalt eines Satansknechts, der Schiefer in spanische Taler zu wandeln vermag! Hierher, Tony Foster, Feuerbrand, Papist, Puritaner, Heuchler, Dreckfilz, Schandbube, Gottseibeiuns, Kompositum, aus allen Sünden aller Menschen! Hierher und knie nieder und bete den an, der jenen Götzen in Dein Haus bringt, den Du anbetest!«

»Um Herrgotts willen, rede leiser,« sagte Foster, »komm ins Haus herein ... Nu sollst Wein haben und wonach Dir sonst der Sinn steht!«

»Nein, Du Hexenbalg, Du Kobold, Du Schwein! Herausgebracht haben will ich ihn,« schrie der betrunkne Wicht, »hier draußen will ich ihn trinken, al fresco will ich ihn haben, wie der Italiener sich ausdrückt. ... Nein, nein! Mit dem giftigen Teufel, mit diesem Meister in allem schlimmen Hexenbräu trinke ich nicht im Hause drinnen hinter verschlossnen Türen, wo ich ersticken würde von all den Dünsten, die Arsenik und Quecksilber verbreiten. ... Davor auf der Hut zu sein, hat mich der Schurke Varney gelehrt.«

»Holt ihm Wein her, im Namen aller bösen Feinde!« sagte der Sterndeuter.

»Aha! Willst ihn mir wohl würzen? Du alter Pfennigfuchser? He, hast sie schon bei der Hand? ... Deine Gift-Würze? ... Grünspan, Helleborum, Vitriol und Aquafortia und was Du sonst an Teufelszeug verarbeitest! Zwanzigerlei und mehr treibt Blasen in meinem Hirnkasten, wie die Hexenbrühe im Zauberkessel, wenn der Gottseibeiuns sich einfinden soll. ... Hol Du selber den Wein, alter Scheiterhaufenanstecker ... und laß ihn auskühlen, ... warmen mag ich nicht, den hast Du doch noch übrig von den Feuersteinen, auf denen Ihr die alten Bischöfe geschmort habt. ... Oder warte mal, laß bloß erst Leicester König sein von England, wenns ihm paßt ... schön ... und Varney, Schuft Varney, Großwessir vom Reiche ... ha, brillant! ... Und was werd ich dann sein? ... Ha, Kaiser, Kaiser Lambourne! ... Und jetzt? ... ha! jetzt will ich das auserlesne Exemplar von Schönheit sehen, das sie hier eingemauert haben zum Privatvergnügen ... zur Zeitwürze ... heute nacht soll sie mir meinen Humpen kredenzen und mir die Nachtmütze über die Ohren ziehen. ... Was will denn ein Kerl mit zwei Weibern? Und war er zwanzigmal Earl? ... Darauf gib Du mal Antwort, Tony, Du alter hartgesottner Hund von Heuchler! Du alter Bischofröster! Du gotteslästerlicher Glaubenswüterich! ... He! Darauf gib Du mal Antwort!«

»Mein Messer jag ich dem Kerl in den Wanst!« sagte Foster in leisem, aber vor Leidenschaft bebendem Tone:

»Ums Himmels willen, kein Blutvergießen!« rief der Sterndeuter. »Hier, wackrer Lambourne, willst Du mir Bescheid tun auf das Wohl des edlen Earl of Leicester und Junkers Richard Varney?«

»Freilich, alter Albumasar, – freilich, Du alter Rattengiftverkäufer! – – Küssen wollte ich Dich, wenn Du bloß nicht so erbärmlich nach Schwefel und schändlichem Apothekerkram röchest! ...«

Eine Pause machte der Elende, dann schrie er wieder:

»Es lebe Varney! Hoch die Gläser! Und Leicester daneben! Hoch die Gläser! Hoch die beiden edlen, hochfliegenden Geister! die im Trüben fischen, im Tiefen wühlen und auf zum Horizonte streben! Die bösen, grimmen, ehrsüchtigen Missetäter! – Na, weiter sage ich nichts – aber wer mir nicht Bescheid tut, dem stech ich meinen Dolch in den Wanst! – – Also meine Herrschaften, los, los!«

Mit diesen Worten leerte Lambourne den Humpen, den ihm der Sterndeuter gereicht hatte, und der nicht Wein, sondern destillierten Spiritus enthielt. Mit einem gräßlichen Fluche ließ Lambourne den leeren Humpen aus der Faust fallen, griff mit der Hand nach dem Schwerte, war aber nicht mehr im stande, es zu ziehen, schwankte hin und her und schlug ohne Bewußtsein, ohne sich noch einmal zu regen, in die Arme des Dieners, der ihn in seine Schlafkammer schleppte und zu Bett brachte.

In dem allgemeinen Durcheinander, das hier herrschte, war es Jeanette gelungen, die Gemächer ihrer Dame zu erreichen, zitternd am ganzen Leibe wie Espenlaub, aber fest entschlossen, die furchtbaren Mutmaßungen, die sie aus den trunknen Reden Michael Lambournes gewonnen hatte, vor ihrer Gebieterin geheim zu halten. Aber wenn auch ihre Befürchtungen noch keine feste Gestalt besaßen, so hielten sie doch Schritt mit der Warnung aus dem Munde des Hausierers; der Rat, den er ihr erteilt, erschien ihr jetzt wertvoller als vordem, und sie gelobte sich, ihre Herrin in dem Vorsatze, die Medizin des Mannes einzunehmen, zu bestärken, was sonst wohl kaum der Fall gewesen wäre.

Aber auch Wieland hatte die Worte des Trunkenbolds' vernommen und verstand es besser, ihren Sinn zu deuten. Er empfand tiefes Mitleid mit der liebenswürdigen und jetzt so unglücklichen Dame, die er vordem in so glücklichen Verhältnissen gesehen hatte und die sich jetzt in den Händen solcher Schurken sah. Sein Grimm war wild erregt worden durch die Stimme jenes Greises, den er schlimmer fürchtete als das Feuer und ärger haßte als den Tod; und so gefahrvoll auch das Unternehmen war, das er wagte, so besaß er doch Vertrauen zu seiner Klugheit genug, um nicht zurückzuschrecken, faßte vielmehr in dieser Nacht den festen Entschluß, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen und der unglücklichen Dame, wenn irgend möglich, Hilfe zu bringen».

Fünftes Kapitel

Der Glanz der bevorstehenden Festlichkeiten zu Kenilworth bildete jetzt das Gespräch durch ganz England, und alles, was zu der Lustbarkeit oder der Pracht bei dem geplanten Empfange der Königin im Hause ihres bevorzugtesten Günstlings beitragen konnte, wurde daheim zusammengebracht oder von auswärts beschafft. Mittlerweile schien Leicester in der Gunst der Königin immer mehr zu gewinnen. Im Rate war er ständig an ihrer Seite – in den Ruhepausen zwischen den Staatsgeschäften hörte sie ihm gern zu – es kam zwischen ihnen ab und zu sogar zu herzlicher Vertraulichkeit– alle, die bei Hofe irgendetwas zu hoffen hatten, sahen zu ihm empor – fremde Minister buhlten um seine Gunst unter den schmeichelhaftesten Achtungsbeweisen von ihren Landesherren – er war das alter ego der erhabnen Elisabeth, die jetzt, wie man allgemein glaubte, nur noch Zeit und Gelegenheit erwog, daß sie ihn durch Heirat zum Gefährten ihrer Landesherrlichkeit mache.

In dieser Hochflut des Glücks war dieses Nesthäkchen in der Gunst der Königin vielleicht der unglücklichste Mensch in dem Reiche, das ihm zu Füßen zu liegen schien. Der Charakter seiner Herrin war ihm bis in die verborgensten Regungen bekannt; seine eingehende Vertrautheit mit ihren Launen im Verein mit seinen hervorragenden geistigen Fähigkeiten und glänzenden äußern Vorzügen hatte ihm einen so hohen Platz in ihrer Gunst verschafft; und eben diese Vertrautheit mit ihrer Launenhaftigkeit hielt ihn stets in der Furcht vor einer plötzlichen, vernichtenden Ungnade. Die Gunst, in der ein Walsingham oder ein Burleigh stand, war, wie Leicester wohl wußte, auf Elisabeths klugem und zielbewußtem Urteil, nicht auf ihrer willkürlichen Neigung gegründet und war daher auch vor all den Möglichkeiten einer Wandlung und eines Sturzes gesichert, der notwendigerweise eine lediglich auf persönlichen Vorzügen, und weiblicher Bevorzugung fußende Gunst angesetzt war. Diese, großen und weisen Staatsmänner wurden von der Königin nur nach den Ratschlägen, die sie erteilten, und den Gründen, mit denen sie ihre Meinung verfochten, beurteilt; der Erfolg aber von Leicesters Laufbahn war abhängig von all dem leichten, veränderlichen Wechselspiel der Grille und der Laune, das einem Verehrer den Weg zum Herzen seiner Herrin bald beschwerlich, bald glatt und eben macht – und obendrein war sie eine Herrin, die immerfort befürchtete, die Würde zu vergessen oder sich in ihrer Autorität als Königin etwas zu vergeben, wenn sie sich den Regungen des Weibes überließ. All dieser Schwierigkeiten war sich Leicester voll bewußt, und ob er nun nach Mitteln sann, mit Sicherheit von seinem hohen Posten herabzusteigen, er sah nur wenig Hoffnung, daß ihm das eine oder andre gelingen würde. In solchen Momenten verweilten seine Gedanken bei seiner geheimen Ehe und ihren Folgen, und voller Bitterkeit gegen sich selber und auch gegen die unglückliche Gräfin, schrieb er diesem voreiligen Schritt, der in der Hitze einer unbedachten Leidenschaft – wie er sie jetzt nannte – getan worden war, alle Schuld zu, daß er einerseits seine Macht nicht auf festen Grund stellen könne, und daß ihm andrerseits in jedem Augenblicke ein jäher Sturz drohte.

»Die Leute sagen,« so gingen ihm die Gedanken in diesen Augenblicken der Furcht und Reue, »ich könnte Elisabeth heiraten und König von England werden. Alles deutet darauf hin. In Liedern wird die Heirat besungen und der Pöbel wirft die Mützen in die Luft. In Schulen ist die Rede davon gewesen – im Audienzsaal hat man davon geflüstert – von der Kanzel herab wird sie warm befürwortet – in den kalvinistischen Kirchen wird sie erfleht – und diese kühnen Andeutungen haben keinen Widerspruch erfahren, sind nicht unter Zorn und Verdruß zurückgewiesen worden, nicht einmal mit der üblichen weibischen Beteuerung, sie würde als jungfräuliche Königin sterben. – Ihre Worte sind zuvorkommender als je, obwohl sie weiß, was für ein Gerücht umgeht – ihre Haltung mir gegenüber ist noch anmutiger – ihre Blicke noch freundlicher als je zuvor – alles scheint darauf hinzuzielen, daß ich König von England werden soll, endlich den Stürmen der Hofgunst weit entrückt! – Und da ich nun diese Hand ausstrecken könnte zu dem kühnsten Griffe, da ist sie durch ein geheimes, unlösliches Band gefesselt! – Und hier sind Briefe von Amy,« fuhr er fort und nahm sie mit einer Gebärde des Verdrusses auf, – sie dringt in mich, sie öffentlich anzuerkennen – ihr und mir selber Gerechtigkeit anzutun – und wer weiß, was noch! Mich dünkt, ich habe mir selber zunächst nicht im mindesten Gerechtigkeit angetan – nichts weniger als das. Und sie redet gerade, als ob Elisabeth die Eröffnung mit der Freude einer Mutter hören würde, die erfährt, daß ihr hoffnungsvoller Sohn sich glücklich verheiratet hat! – Sie, die Tochter Heinrichs, der in seinem Zorn keinen Mann und in seiner Wollust kein Weib verschonte! Wenn sie entdeckt, daß man sein Spiel mit ihr getrieben hat, daß man sie durch eine Gaukelei der Leidenschaft dahin gebracht hat, daß sie einem Untertan ihre Liebe gesteht – und nachher entdeckt sie, daß eben dieser Mann schon verheiratet ist – wenn Elisabeth erführe, daß man mit ihr getändelt habe, wie ein Höfling mit einer Dorfschönen scherzen kann, dann würden wir wohl erfahren, was es heißt: furens quid femina!«

Dann hielt er inne und rief nach Varney, der jetzt öfter als sonst um Rat gefragt wurde, und ihre Beratung endete gewöhnlich mit emsigen Erwägungen, wie man wohl die Gräfin in Kenilworth vorführen solle. Diese Beratungen hatten fast zu dem Entschlüsse geführt, die Festlichkeiten zu verschieben. Aber schließlich wurde ein endgültiger Entschluß erforderlich.

»Elisabeth will absolut, daß sie zugegen sei,« sagte der Earl. »Ob nun ein Verdacht sich in ihre Seele gestohlen hat oder ob die Bittschrift des Tressilian von Sussex oder einem andern geheimen Feinde immer wieder aufs Tapet gebracht wird, das weiß ich nicht, aber selbst wenn sie noch so huldreich mit mir spricht, so kommt sie doch oft auf die Geschichte der Amy Robsart zu sprechen. Gib mir jetzt Deinen Rat, Varney, diese unlösbare Schwierigkeit zu beseitigen. Ich habe alle möglichen Vorwände angewendet, die ich nur irgend mit Anstand, vorbringen konnte, dieses verfluchte Fest zu verschieben, aber das Gespräch von heute hat sie alle über den Haufen geworfen. Sie hat in sehr freundlichem, aber stets bestimmtem Tone zu mir gesagt: »Wir wollen Euch keine Zeit mehr zu Vorbereitungen lassen, Mylord, damit Ihr Euch nicht noch etwa ganz und gar dem Bankerott ausgesetzt. Am Sonnabend, dem 9. Juli, wollen wir mit Euch in Kenilworth sein. Wir bitten Euch, keinen der festgesetzten Gäste zu vergessen, vor allem nicht dieses putzige Püppchen, die Amy Robsart.« Nun, Varney, wende alle Deine Erfindungskunst an – Deine Ränke haben uns schon oft geholfen; denn so wahr ich Dudley heiße, die Gefahr, die mir durch mein Horoskop angedroht worden ist, zieht sich jetzt finster um mich zusammen.«

»Ist Mylady auf keinen Fall zu bewegen, auf eine kurze Zeit die niedre Rolle zu übernehmen, die die Verhältnisse ihr auferlegen?« fragte Varney zaudernd.

»Wie, Bursche? Meine Gräfin soll sich Deine Frau nennen? das ist weder mit ihrer noch mit meiner Ehre vereinbar.«

»Und doch hält Elisabeth sie für nichts andres,« sagte Varney, »und ihr in dieser Meinung widersprechen hieße alles entdecken.«

»Denke etwas andres aus, Varney,« sagte der Earl in großer Erregung. »Diese Erfindung ist unbrauchbar, denn wenn ich auch mich dazu verstehen könnte, so doch sie nicht. Denn ich sage Dir, Varney, so Du es noch nicht weißt: Elisabeth auf dem Throne hat nicht mehr Stolz als diese Tochter eines niedern Edelmanns von Devonshire. Es ist unmöglich. Weder durch Bitten noch durch Gewalt ist sie dazu zu bringen, Deinen Namen auch nur für eine Stunde anzunehmen.«

»Das ist freilich recht bitter,« sagte Varney trocken, und dann setzte er hinzu: »Wenn wir nun eine Person finden würden, die sie vertreten könnte? Solche Maskeraden sind schon oft dagewesen.«

»Das ist purer Blödsinn, Varney,« antwortete der Earl. »Die falsche Gräfin würde Tressilian gegenübergestellt werden, und die Entdeckung wäre unvermeidlich.«

»Tressilian könnte vom Hofe entfernt werden,« sagte der skrupellose Varney.

»Auf welche Weise?«

»Es gibt mancherlei Mittel,« sagte Varney, »durch die ein Staatsmann in Eurer Lage, Mylord, einen unbequemen Burschen, der sich in Eure Angelegenheiten mischt und sich in gefährliche Opposition zu Euch stellt, vom Schauplatz verschwinden lassen kann.«

»Sprich mir nicht von derartigen Kunstgriffen, Varney,« sagte der Earl hastig. »Im vorliegenden Falle würde es uns nicht einmal was nützen. Es sind viele andre am Hofe, denen Amy bekannt sein mag. Und wenn Tressilian nicht mehr da ist, so wird ihr Vater oder einer ihrer Bekannten unverzüglich hierher gerufen werden. Strenge noch einmal Deinen erfinderischen Kopf an!«

»Mylord, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Aber wenn ich in der Klemme säße, so würde ich auf der Stelle mich nach Cumnorplace begeben und meine Frau zwingen, in die Maßregeln zu willigen, die die Rücksicht auf ihre und meine Sicherheit vorschreiben. Ich möchte doch wissen, ob Mylady Euch zu Danke verpflichtet ist, oder ob das Verhältnis bei diesem schönen Bunde so liegt, daß Ihr der Lady Dank schuldig seid. Ich möchte wohl wissen, wer die meiste Ursache hat, dem andern gefällig zu sein und auf die Wünsche, Anordnungen und die Sicherheit des andern Rücksicht zu nehmen.«

»Ich sage Dir, Varney,« sagte der Graf, »alles, was in meiner Macht lag, ihr zu geben, hat sie tausendmal vergolten, allein durch ihre Tugend und Schönheit.«

»Na, wenn Eure Lordschaft so sehr zufrieden gestellt ist, so ist ja das recht erfreulich,« antwortete Varney, mit seinem gewohnten sardonischen Lächeln, das selbst die Achtung vor seinem Gönner nicht zu unterdrücken vermochte, »Ihr werdet Zeit genug haben, die Gesellschaft einer so graziösen und schönen Frau ungestört zu genießen, das heißt, sobald die Kerkerhaft vorüber ist, durch die Ihr das Verbrechen, Elisabeth Tudor hintergangen zu haben, werdet büßen müssen.«

»Niederträchtiger Schurke!« antwortete Leicester, »spottest Du noch meiner in meinem Unglück? – Mach es, wie Du willst.« »Wenn es Euer Ernst ist, Mylord,« sagte Varney, »so müßt Ihr auf der Stelle nach Cumnorplace.«

»Geh Tu selber, Varney, der Teufel hat Dir die Beredsamkeit verliehen, die am stärksten ist, wenn es eine böse Sache gilt.«

»Wenn es Euch damit Ernst ist, Mylord,« sagte Varney, »daß ich die Aufgabe übernehmen soll, diese überaus erforderliche Maßregel durchzusetzen, dann müßt Ihr mir ein, Schreiben an Mylady mitgeben, das ich als Kreditiv vorzeigen kann.«

Leicester griff zum Schreibzeug und begann einige Male einen Brief an die Gräfin, den er nachher wieder zerriß. Endlich brachte er ein Paar verworrene Zeilen zu Papier, in denen er sie beschwor, aus Gründen, die dringend sein Leben und seine Ehre beträfen, auf ein paar Tage während des Festes zu Kenilworth den Namen Varneys anzunehmen. Er setzte hinzu, daß Varney ihr all die Gründe, die eine solche Täuschung erforderlich machten, mitteilen würde. Dieses Beglaubigungsschreiben unterzeichnete und versiegelte er, dann schleuderte er es über den Tisch hinweg Varney zu mit einer Gebärde, die ihn zum Aufbruch mahnte, und sein Ratgeber zauderte nicht, diesen Wink, den er sogleich verstand, auszuführen.

Varney nahm sich nicht einmal Zeit, die Kleidung zu wechseln, er warf sich sofort in den Sattel und verließ Berkshire, ein einziger Diener folgte ihm. Varney war voll höher Hoffnung. Er hatte Lord Leicester an den Punkt gebracht, wo er ihn hin haben wollte, daß er ihm die geheimsten Winkel seiner Brust aufschloß und ihn als Vermittler bei seinem vertraulichsten Verkehr mit seiner Gattin gebrauchte. Hinfort, das sah er voraus, würde es seinem Gönner schwer fallen, seiner Dienste zu entbehren oder seine Forderungen abzuwerfen, auch wenn sie unvernünftig waren. Und wenn die hochnäsige Dame, so nannte er die Gräfin, sich dem Verlangen ihres Gatten fügte, dann mußte Varney, der angebliche Gatte, zu ihr in ein derartiges Verhältnis treten, daß, es sich noch gar nicht absehen ließ, wo seine Kühnheit eine Grenze finden würde, ja vielleicht verschafften ihm die Umstände einen Triumph, den er mit teuflischen Empfindungen ausmalte, der ihm vor allem vollgültige Rache für ihre frühere Verachtung bringen würde. Dann erwog er wieder die Möglichkeit, daß sie auch gar nicht mit sich könne reden lassen und sich hartnäckig weigern könne, die ihr in dem Drama zu Kenilworth zuerteilte Rolle zu spielen.

»Dann muß Alasko das seine tun,« sagte er. »Krankheit muß dann die Entschuldigung gegenüber Ihrer Majestät sein, daß Frau Varney ihr nicht ihre Huldigung zu Füßen legen kann. – Ja, und vielleicht muß es eine schwere und verzehrende Krankheit sein, wenn Elisabeth noch weiterhin ein so huldvolles Auge auf den Grafen von Leicester wirft. Mags biegen oder brechen, ich will mir die Aussicht, der Günstling eines Monarchen zu sein, nicht Verscherzen. Vorwärts, gutes Pferd, vorwärts – Ehrgeiz und hochfahrende Hoffnung, Wollust und Rache treiben ihre Stachel so tief in meine Brust, wie ich Dir die Sporen in die Flanken drücke. Hei, gutes Pferd – der Teufel sitze uns beiden im Nacken!«

Sechstes Kapitel

Die Gräfin war mit ihrer Zofe in Geschwätz und Tändelei begriffen, als sie Hufschlag im Hofe hörte, ans Fenster eilte und ausrief:

»Das ist Leicester! Das ist mein edler Graf! Jeder Hufschlag klingt wie fürstliche Musik! Es ist mein Dudley!«

Ein Weilchen ging es im Hofe hin und her, und Foster kam mit seinem niedergeschlagnen Blick und seinem mürrischen Wesen herein und sagte:

»Meister Richard Varney ist vom Herrn Grafen hergekommen, er ist die ganze Nacht hindurch geritten und verlangt auf der Stelle Eure Ladyschaft zu sprechen.«

»Varney?« erwiderte die enttäuschte Gräfin, »doch er bringt Nachrichten von Leicester, also laßt ihn augenblicklich herein.«

Varney trat in das Boudoir, wo sie in all ihrem natürlichen Liebreiz saß, angetan mit einem prachtvollen und geschmackvollen Morgengewande. Aber das Schönste an ihr waren die vollen, üppigen, lichtbraunen Locken, die in reicher Fülle ihren Hals umfluteten und über einen von gespannter Erwartung wogenden Busen fielen.

Varney trat in das Gemach in demselben Anzug, in dem er am Morgen mit seinem Herrn am Hofe gewesen war, und die reiche Pracht dieses Anzuges nahm sich in der Unordnung nach einem eiligen Ritt in dunkler Nacht und auf schlechten Wegen absonderlich aus. Er sah abgespannt aus, und die Gräfin erschrak sogleich über seinen Anblick und rief:

»Ihr bringt Nachricht von Mylord, Meister Varney? Um Gottes willen ist er krank?«

»Nein, Gnädige, dem Himmel sei Dank!« sagte Varney. »Beruhigt Euch und laßt mich erst zu Atem kommen, ehe ich Euch meine Botschaft ausrichte.«

»Außer Atem, Herr?« versetzte die Lady ungeduldig. »Ich kenne Eure Theaterkniffe. Wenn Euer Atem ausgereicht hat. Euch hierher zu bringen, so wird er Wohl auch noch solange reichen, bis Ihr mir Eure Sache wenigstens in Kürze und in der Hauptsache vorgetragen habt.«

»Gnädige Frau,« versetzte Varney, »wir sind nicht allein, und die Botschaft Mylords war nur für Euer Ohr.«

»Verlaßt uns, Jeanette und Herr Foster,« sagte die Dame, »bleibt aber im Zimmer nebenan, daß wir Euch rufen können.«

Foster und seine Tochter gingen dem Geheiß der Lady Leicester zufolge in das nächste Gemach, das Gesellschaftszimmer, und die Tür zum Schlafzimmer wurde sorgfältig verschlossen und verriegelt. Vater und Tochter verharrten in gespannter Erwartung, aber es war von dem Gespräche nebenan nichts zu hören, die beiden dämpften, wenn sie überhaupt sprachen, ihre Stimmen so sehr, daß kein Wort zu vernehmen war.

Plötzlich aber erklangen ihre Stimmen hastig und durcheinander und überlaut, und gleich darauf rief die Gräfin im Tone höchster Entrüstung:

»Macht die Tür auf, Herr, ich befehle es Euch! – Die Tür auf! – Ich will kein Wort weiter hören!« rief sie und erstickte mit der Heftigkeit ihrer Stimme die leise gemurmelten Laute, die Varney zwischendurch hören ließ. »Hollah! Ihr da, heraus!«, und sie tat ein paar schrille Schreie. »Jeanette, mach Alarm im ganzen Hause! – Foster, brich die Tür auf da, heraus!«, und sie tat ein paar schrille Schreie. »Jeanette, – ich werde hier von einem Verräter festgehalten! – Nimm Axt und Hebebaum, Foster! tu's auf meine Verantwortung!«

»Was soll nicht nötig sein, Gnädige,« sagte Varney endlich deutlich. »Wenn Ihr Mylords wichtige Geheimnisse preisgeben Wollt, so will ich Euch nicht daran hindern.«

Die Tür wurde aufgeriegelt und weit geöffnet, und Jeanette und ihr Vater stürzten herein, begierig, die Ursache des Auftritts zu erfahren.

Während sie hereintraten, stand Varney an der Tür und knirschte mit den Zähnen, und Wut, Scham und Angst malten sich auf seinen Zügen. Die Gräfin stand mitten im Zimmer, aufgelöst in Wut und Raserei. Auf ihrer schönen Stirn traten die Adern in geschwollnen, blauen Linien hervor – Wange und Hals glühten wie Scharlach – ihre Augen glichen denen eines gefangnen Adlers, der rote Blitze gegen die Feinde schleudert, die er mit den Krallen nicht erreichen kann.

Sobald die Tür offen war, lief Jeanette zu ihrer Herrin hin, und langsamer, doch auch mit größerer Hast, als er sonst pflegte, ging Anton Foster auf Richard Varney zu.

»Was ist meiner gnädigen Frau?« rief die erstere.

»Was im Namen des Satans hast Du mit ihr gemacht?« fragte Foster seinen Freund.

»Wer? Ich? Nichts,« antwortete Varney, aber mit gesenktem Haupt und in verbissnem Tone. »Ich habe ihr bloß Seiner Lordschaft Befehle mitgeteilt, und wenn die Dame denen sich nicht fügen will, so muß sie ja besser wissen, als ich, wie sie es verantworten kann.«

»Beim Himmel, Jeanette!« rief die Gräfin, »der falsche Verräter lügt in seinen Hals hinein! Er muß lügen, es ist gar nicht anders möglich, denn er sagt etwas, was Mylord selber Schande macht – er lügt doppelt, denn er will dabei seine eignen, genau so fluchenswerten wie unerreichbaren Zwecke fördern.«

»Ihr habt mich mißverstanden, Lady,« sagte Varney, »laßt die Sache ruhen, bis Ihr Euch beruhigt habt, dann will ich alles erklären.«

»Du sollst nie eine Gelegenheit haben, das zu tun,« sagte die Gräfin. »Sieh ihn an, Jeanette, er ist schmuck gekleidet, er hat das Aeußre eines Edelmanns, und er ist hierher gekommen, mir vorzureden, es beliebe meinem Gemahl – nein, mehr noch, mein Gemahl befehle, daß ich mit ihm nach Kenilworth gehen und vor der Königin und den Edelherren und vor meinem eignen, mir angetrauten Herrn ihn – ihn, diesen Rockausbürster und Stiefelputzer – ihn da, diesen Lakai Mylords – ihn als meinen rechtmäßigen Herrn und Gemahl anerkennen sollte!«

»Ihr hört sie, Foster, und Ihr, junges Mädchen, hört diese Dame,« antwortete Varney, und benutzte die Pause, die die Gräfin wohl mehr aus Mangel an Atem als aus Mangel an Stoff machte, »Ihr hört, daß sie in ihrer Aufregung nun mir einen Vorwurf aus den Maßregeln macht, die unser guter Lord nur zu dem Zwecke anordnet, um gewisse Dinge geheim zu halten – wie er in eben dem Briefe schreibt, den sie in der Hand hält.«

»Der Himmel verzeihe mir!« rief die Gräfin. »Nie will ich glauben, daß der edle Dudley einem so feigen und schändlichen Plane zugestimmt hat! Und wenn er es wirklich getan hat, so zertrete ich seine Niederträchtigkeit und vernichte die Erinnerung daran für immer!«

Mit diesen Worten riß sie Leicesters Brief in Stücke und stampfte in ihrer überheftigen Erregtheit mit dem Fuß auf die Fetzen, als wollte sie selbst die kleinen Schnitzel noch zu nichts zermalmen.

»Seid Zeugen,« sagte Varney, sich fassend, »sie hat Mylords Brief zerrissen, um mir den Plan zur Last zu legen, der von ihm ausgeht – und obgleich ich nichts weiter davon habe, als Gefahr und Plackerei, will sie es doch mir in die Schuhe schieben, als ob ich einen Sonderzweck dabei verfolgte.«

»Du lügst, Du verräterischer Sklave!« rief die Gräfin trotz Jeanettens Versuchen, sie zur Ruhe zu bringen, »Du lügst – laß mich gehen, Jeanette! – Und wäre es das letzte Wort, das ich zu sprechen hätte, er lügt! – Er hat seinen eignen gemeinen Zweck dabei gesucht, und noch deutlicher hätte er mir seine eignen Ansichten enthüllt, hätte ich mich bezwingen und noch länger die Ruhe bewahren können, die ihn zuerst ermutigt hat, seine erbärmlichen Pläne aufzudecken.«

»Gnädige Frau,« sagte Varney, bei all seiner Frechheit aufs höchste bestürzt, »ich bitte Euch, glaubt mir, Ihr irrt Euch!«

»Ebenso gern will ich glauben, Licht sei Finsternis,« erwiderte die Gräfin, die sich gebärdete, wie ein in einer Schlinge gefangnes Wild, »habe ich denn Vergessenheit getrunken? Sind mir denn nicht frühere Zudringlichkeiten bekannt, die, wenn Leicester sie erführe, Dich an den Galgen brächten? – Ich wollte, ich wäre ein Mann nur fünf Minuten lang! Das wäre Zeit genug, einen Feigling wie Dich dahin zu bringen, daß er seine Schurkerei gestünde! Aber geh – geh Deiner Wege. Sag meinem Herrn, wenn ich den schändlichen Weg einschlagen muß, auf den Deine erbärmlichen Kunstgriffe führen müssen, so will ich ihm einen Nebenbuhler geben, der seines Namens ein wenig würdiger sein soll. Er soll nicht durch einen hündischen Lakaien ersetzt werden, dessen größtes Glück es ist, einen Anzug von seinem Herrn zu bekommen, ehe er abgetragen ist, und der höchstens das Zeug dazu hat, eine Vorstadtdirne zu verführen, indem er auf die alten Pantoffel seines Herrn neue Rosetten setzt! – Geh – geh Deiner Wege, Gesell! Ich verachte Dich so sehr, daß ich mich fast schäme, mich über Dich geärgert zu haben,«

Varney ging hinaus in stummer Wut, und Foster folgte ihm, dessen von Natur schwerfälliges Begriffsvermögen von diesem heftigen, überschäumenden Wutausbruch völlig in die Enge getrieben worden war. Zum ersten Male hörte er Laute der Empörung von den Lippen eines Wesens, das bis auf diesen Augenblick zu sanft und lammfromm geschienen hatte, um auch nur einen zornigen Gedanken zu hegen, geschweige denn ein maßloses Wort auszustoßen. Foster folgte daher Varney von Zimmer zu Zimmer und drang unablässig mit Fragen in ihn, auf die jedoch der andre nicht antwortete, bis sie auf der entgegengesetzten Seite des Vierecks und in der Bibliothek angelangt waren. Hier wandte er sich an seinen hartnäckigen Verfolger, und redete ihn in verhältnismäßig ruhigem Tone an, denn er war daran gewöhnt, seine Wut zu bezwingen, und der kurze Weg hatte ihm Zeit genug gegeben, sich zu beruhigen und seine Geistesgegenwart wiederzuerlangen.

»Toni,« sagte er mit seinem gewöhnlichen Grinsen, »der Teufel steckt in der Kanaille! Sie sah so verlockend drein und verstand es so meisterhaft, ihre Züge zu beherrschen, während ich ihr Mylords Botschaft ausrichtete, daß ich wirklich auf den Einfall gekommen bin, auch ein paar Worte für mich selber miteinzuflechten. Nun denkt sie, sie hat meinen Kopf unter ihrer Fuchtel – da irrt sie sich. – Wo ist Doktor Alasko? Ich bedarf seiner. Führe mich in sein Pandämonium!«

Mit schnellen, überstürzten Schritten folgte er Foster, der ihn durch geheime Gänge, von denen manche schon fast verfallen waren, wieder nach der gegenüberliegenden Seite des Vierecks führte, wo in einem unterirdischen Gemach der Alchimist Alasko hauste. In diesem selben Gewölbe hatte einst zum großen Aergernis seiner Brüderschaft einer der Aebte von Abingdon, der eine Vorliebe für okkulte Wissenschaften hatte, sich ein Laboratorium errichtet, worin er, wie viele andre Narren jener Zeit, viel kostbare Zeit und auch viel Geld in der Suche nach dem »großen Arkanum« verschwendet hatte.

Anton Foster blieb vor der Tür stehen, die ängstlich von innen verschlossen war, und schien sich zu bedenken, ob er den Weisen stören solle. Aber Varney klopfte ohne Zaudern an und rief solange, bis endlich langsam und mit Widerstreben der Insasse die Tür aufmachte. Der Alchimist erschien, seine Augen tränten von der Hitze und den Dünsten des Ofens oder Tiegels, über dem er gearbeitet hatte. Der Alte murmelte mit verächtlicher Ungeduld:

»Soll ich immer von dem Treiben des Himmels herab zu dem der Erde zurückgerufen werden?«

»Zum Treiben der Hölle,« versetzte Varney, »denn das ist Dein eigentliches Element. Foster, wir brauchen Dich bei unsrer Verhandlung.«

Foster trat langsam herein, Varney folgte und verriegelte die Tür, und sie setzten sich, um geheimen Rat zu pflegen.

Inzwischen durchmaß die Gräfin das Zimmer, und Scham und Zorn brannten noch immer auf ihrer Wange.

»Der Schurke,« sagte sie, »der kaltblütige, berechnete Sklave! Aber ich habe ihn entlarvt, Jeanette – ich habe die Schlange sich mit all ihren Ringeln vor mir aufrollen lassen, bis sie in ihrer nackten Mißgestalt vor mir kroch – ich habe meine Empörung bezwungen auf die Gefahr hin, vor Anstrengung zu ersticken, bis er mich tief auf den Grund seines Herzens hatte sehen lassen, das schlimmer ist als der finsterste Winkel der Hölle. – Und Leicester – aber es ist unmöglich, der Schurke hat in allem gelogen. Jeanette, ich will nicht länger hier bleiben – ich fürchte mich vor ihm – ich fürchte mich vor Deinem Vater – es tut mir leid, daß ich das sagen muß – aber ich fürchte mich vor Deinem Vater – und am meisten vor diesem abscheulichen Varney. Ich will von Cumnorplace entfliehen.«

»Ach, gnädige Frau, wohin wolltet Ihr denn fliehen, oder wie wolltet Ihr denn aus diesen Mauern entkommen?«

»Das weiß ich nicht, Jeanette,« sagte die unglückliche junge Frau, sah gen Himmel und rang die Hände. »Ich weiß nicht, wohin ich flüchten soll oder wie ich entrinnen soll, aber ich weiß, der Gott, dem ich gedient habe, wird mich in dieser furchtbaren Not nicht verlassen, denn ich bin in der Hand von Bösewichten.«

»Glaubt das nicht, teure Lady,« sagte Jeanette, »mein Vater ist barsch und schroff und verrichtet streng seinen Dienst, aber doch ...« In diesem Augenblick trat Anton Foster herein, einen gläsernen Becher und einen kleinen Flacon in der Hand. Sein Benehmen war sonderbar: denn wenn er bisher auch der Gräfin mit der ihrem Range gebührenden Achtung gegenüber getreten war, so hatte er doch immer die hartnäckige Griesgrämigkeit seines Wesens merken lassen, die sich, wie es bei Leuten seines unglücklichen Temperaments immer der Fall ist, hauptsächlich an denen ausließ, die durch die Verhältnisse ihm unterstellt waren. Aber in diesem Augenblick ließ er nichts von dem finstern Autoritätsbewußtsein merken, das er unter einem plumpen Gebaren der Höflichkeit und Unterwürfigkeit zu verbergen pflegte, wie ein Strauchdieb Pistole und Dolch unter seinem lumpigen Kaftan versteckt.

Und doch schien es, als lächle er mehr aus Furcht als aus Höflichkeit, und als trüge er schon eine weitre Bosheit im Sinne, als er die Gräfin aufforderte, von dem kostbaren, stärkenden Tranke zu genießen, der ihr nach der letzten Aufregung gut tun und beruhigend auf sie wirken würde. Seine Hand zitterte auch, seine Stimme stockte, und sein ganzes äußres Wesen wirkte in der Tat so verdachterregend, daß seine Tochter Jeanette ihn ein Weilchen erstaunt ansah und sich mit einem Male zu einem kühnen Entschluß aufzuraffen schien. Sie hob den Kopf, nahm eine entschiedne und gebieterische Haltung an, trat langsam zwischen ihren Vater und ihre Herrin, nahm ihm das Glas aus der Hand und sagte in leisem, aber entschlossnem Tone:

»Vater, ich will meiner edeln Herrin einschenken, wenn sie es wünscht.«

»Nu, mein Kind?« rief Foster furchtsam, »nein, mein Kind! Nicht Du sollst der Lady diesen Dienst erweisen.«

»Und warum denn nicht,« erwiderte Jeanette, »wenn es überhaupt angebracht wäre, daß meine edle Herrin von dem Tranke genießt?«

»Warum? Warum?« sagte der Seneschall zaudernd, und dann brach er in Wut aus, das Feste Mittel, wenn sich keine Gründe finden lassen. »Weil es mir so paßt, und nun mach, daß Du in die Abendandacht kommst!«

»Nun, so wahr ich noch einmal eine Andacht zu hören hoffe,« erwiderte Jeanette, »ich will heute abend nicht hingehen, ehe ich nicht beruhigt bin, daß meiner Herrin kein Leid geschieht. Gib mir das Fläschchen, Vater,« und sie nahm es ihm aus der widerstrebenden Hand, während er es wie unter Gewissensbissen losließ. »Und nun, Väter,« sagte sie, »was meiner Herrin gut tun soll, das kann mir nichts schaden. Vater, ich trinke Dir zu.«

Ohne ein Wort zu sprechen, stürzte Foster auf seine Tochter zu und riß ihr das Fläschchen aus der Hand.

»Das ist sonderbar, mein Vater,«, sagte Jeanette und hielt den Blick fest auf ihn geheftet, »soll ich weder meiner Herrin einschenken noch selber trinken?«

Die Gräfin verdankte es nur ihrem mutigen Herzen, daß sie diese Szene so ruhig mit angesehen hatte, deren Bedeutung ihr um so klarer war, als der geheime Zweck mit keinem Worte erwähnt wurde. Ihre Wange war wohl beim ersten Schreck blaß geworden, aber ihr Auge sah ruhig und fest verächtlich drein.

»Wollt Ihr von diesem kostbaren Trunke kosten, Meister Foster? Vielleicht weigert Ihr Euch nicht, uns Bescheid zu tun, wenn Ihr es auch Jeanetten nicht erlaubt. Trinkt, Herr, ich bitte Euch.«

»Ich will nicht,« antwortete Foster.

»Und für wen ist denn das köstliche Getränk bestimmt?« fragte die Gräfin.

»Für den Teufel, der es gebraut hat!« antwortete Foster und stürzte hinaus.

Jeanette sah ihre Herrin mit einem Antlitz voll Scham, Entsetzen und Schmerz an.

»Weine nicht um mich, Jeanette,« sagte die Gräfin sanft.

»Nein, gnädige Frau,« versetzte ihre Zofe unter Schluchzen, »nicht um Euch weine ich, sondern um mich selber – und um diesen unglücklichen Mann. Wer vor den Menschen entehrt ist – und von Gott verflucht ist, der hat Grund zu klagen – nicht der, der unschuldig ist. Lebt wohl, Herrin!« setzte sie rasch hinzu und nahm hastig den Mantel, in dem sie auszugehen pflegte.

»Verläßt Du mich, Jeanette?« rief ihre Herrin. »Willst Du von mir gehen in so großer Not?«

»Euch verlassen, liebe Frau?« rief Jeanette, lief zu ihr zurück und deckte ihre Hand mit Küssen, »Euch verlassen? Eher mag mich die Hoffnung auf Gott verlassen! – Nein, Gnädige, mit Recht habt Ihr gefügt, der Gott, dem Ihr dient, werde Euch einen Weg zur Befreiung erschließen. Es gibt einen Weg zur Flucht. Ich habe Tag und Nacht gebetet um Licht, daß ich erkennen möchte, wie ich meiner Pflicht gegen jenen unglücklichen Mann und gegen Euch zugleich genügen könne. Schrecklich und grell ist dieses Licht jetzt aufgedämmert, und die Tür, die Gott aufmacht, darf ich nicht schließen. Fragt mich, nichts weiter. Ich bin binnen kurzem wieder zurück.«

Mit diesen Worten hüllte sie sich in den Mantel und ging hinaus.

Inzwischen war ihr Vater wieder ins Laboratorium getreten, wo er die Helfershelfer seines geplanten Verbrechens antraf.

»Hat der süße Vogel genippt?« fragte Varney mit einem Lächeln, während der Astrolog dieselbe Frage mit den Augen tat, doch ohne ein Wort zu sagen.

»Nein, und sie soll es auch nicht von meiner Hand,« versetzte Foster, »ich soll vor den Augen meiner Tochter zum Mörder werden?«

»Ist Dir nicht gesagt worden, Du verbissner und doch schwachherziger Sklave,« antwortete Varney bitter, »daß von Mord, wie Du es nennst, dabei keine Rede ist? Ist Dir nicht gesagt worden, daß eine kurze Krankheit – ein Unwohlsein, wie es die Weiber oft aus bloßer Launenhaftigkeit erheucheln, das Ganze ist, was hierbei erzielt werden soll? Hier dieser gelehrte Mann wird es Dir beschwören beim Schlüssel zum Schlosse der Weisheit.«

»Ich beschwöre es,« sagte Alasko, »das Elixir, das Du dort in der Flasche hast, schadet dem Leben nichts. Ich schwöre es bei der unsterblichen, unzerstörbaren Quintessenz von Gold, die jede Substanz in der Natur durchzieht, wenn auch ihr geheimes Vorhandensein allein von dem nachgewiesen werden kann, dem Trismegistus den Schlüssel der Kabbala verleiht.

»Das, ist ein nachdrücklicher Schwur,« sagte Varney. »Du warst schlimmer als ein Heide, daß Du nicht daran geglaubt hast. Gib her, ich werde gleich wieder hier sein.«

Mit diesen Worten nahm Varney Foster das Fläschchen aus der Hand und ging hinaus.

Er ließ die beiden allein. Als er nach einiger Zeit wiederkehrte, war seine erste Frage:

»Weißt Du auch ganz bestimmt, Alasko, daß Du nicht mehr und nicht minder hineingemischt hast als das genaue, richtige Maß?«

»Ja,« sagte der Alchimist, »so genau, wie Menschenhände überhaupt bei diesen heikeln Messungen verfahren können.«

»Nun, dann fürchte ich nichts,« sagte Varney, »ich weiß, Du bist bezahlt worden, eine Krankheit zu erzeugen, und Du würdest es für verwerfliche Verschwendung halten, zu demselben Preise einen Mord zu begehen. Komm, wir wollen ein jeder auf unser Zimmer. – Wir werden morgen sehen, wie die Sache wirkt?«

»Wie hast Du sie dazu gebracht, daß sie getrunken hat?« fragte Foster schaudernd.

»Nichts hab ich getan,« antwortete Varney, »ich habe sie nur angesehen mit jenem Blick, der Tollhäusler, Weiber und Kinder in Bann hält. Im Sankt Lukas-Hospital haben sie mir gesagt, ich hätte den richtigen Blick, einen widerspenstigen Patienten zu bewältigen. Die Krankenwärter machten mir ihr Kompliment deswegen. Wenn die Hofgunst mich verläßt, so weiß ich wenigstens, womit ich mir mein Brot verdienen kann.«

»Und fürchtest Du nicht, die Dosis könnte nicht genau abgemessen sein?« fragte Foster.

»In dem Falle wird sie nur um so tiefer schlafen,« versetzte Varney. »Die Furcht davor soll mir nicht die Ruhe rauben. Gute Nacht, Ihr Herren.«

Siebentes Kapitel

Der Sommerabend war zur Neige gegangen, und Jeanette kehrte rechtzeitig zurück, ehe sie durch zu langes Ausbleiben Verdacht in dem argwöhnischen Hause erregt hätte, und eilte in das Gemach, wo sie ihre Herrin verlassen hatte. Sie fand sie an einem Tische, beide Arme hatte sie darauf gelegt, und das Haupt lag auf ihren Armen. Als Jeanette hereinkam, sah sie weder auf, noch rührte sie sich.

Mit Blitzeseile stürzte die treue Dienerin zu ihrer Herrin, rüttelte sie sanft und beschwor sie aufs eindringlichste, aufzusehen und ihr zu sagen, was ihr so nahe gegangen sei. Die unglückliche Frau hob den Kopf und sah ihre Dienerin mit geisterhaftem Auge und kreidebleicher Wange an:

»Jeanette,« murmelte sie, »ich habe es getrunken.«

»Gott sei gelobt!« sagte Jeanette hastig, »ich meine, Gott sei getobt, daß es nicht schlechter ist, der Trank wird Euch nicht schaden. Steht auf, werft diese Lethargie von Euern Gliedern und diese Verzweiflung von Euerm Gemüt!«

»Jeanette,« wiederholte die Gräfin, »störe mich nicht – laß mich in Frieden – laß das Leben in Ruhe dahin gehen – ich bin vergiftet.«

»Ihr seid es nicht, meine teuerste Frau,« antwortete das Mädchen eifrig, »was Ihr geschluckt habt, kann Euch nichts schaden – Ihr hattet ja vorher das Gegengift zu Euch genommen. Ich bin hierher geeilt, um Euch zu sagen, daß der Weg zur Flucht offen steht.«

»Flucht!« rief die Dame und erhob sich rasch von ihrem Stuhle, während Licht in ihr Auge und Leben in ihre Wange zurückkehrte. »Noch ach! Jeanette, das kommt zu spät.«

»Nicht doch, teuerste Frau – steht auf, nehmt meinen Arm und geht im Zimmer auf und ab. Laßt nicht die Einbildung das Werk der Vergiftung tun – so, fühlt Ihr nicht jetzt, daß Ihr noch den vollen Gebrauch all Eurer Glieder habt?«

»Der Starrkrampf scheint nachzulassen,« sagte die Gräfin, während sie, von Jeanette gestützt, im Zimmer auf und nieder schritt. »Aber ist es denn so und habe ich nicht einen tödlichen Trank genossen? Varney ist hier gewesen, wie Du weg warst, und hat mir mit Augen, in denen ich mein Schicksal las, den furchtbaren Trank zu schlucken gegeben. O, Jeanette, es muß Gift sein, nie ward durch einen solchen Mundschenk ein harmloser Trank gereicht.«

»Er hat ihn vielleicht nicht in harmloser Absicht gereicht,« erwiderte das Mädchen, »aber Gott macht die Ränke der Bösen zu nichte, Euer Leben ist vor seinen Anschlägen sicher. Habt Ihr Euch ihm nicht zur Wehr gesetzt?«

»Alles im Hause war still,« antwortete die Lady, »Du warst fort, und er war allein im Zimmer, fähig zu jedem Verbrechen. Ich machte mir nur zur Bedingung, daß er mich von seiner abscheulichen Gegenwart befreien möge, und trank, was er mir anbot. – Aber Du sprachest von Flucht, Jeanette, – kann ich so glücklich sein?«

»Seid Ihr stark genug, die Nachricht zu hören und den Versuch zu machen?« fragte das Mädchen.

Stark!« versetzte die Gräfin. »Frage die Hindin, wenn der Hund den Fang aufreißt, sie zu packen, ob sie stark genug ist, über einen Abgrund zu springen! Ich bin zu jedem Versuche bereit, der mich von hier wegbringen kann.«

»Dann hört mich,« sagte Jeanette. »Einer, den ich für einen ergebnen Freund von Euch halte, hat sich mir in verschiednen Verkleidungen gezeigt und hat mich zu sprechen gesucht, und ich habe es ihm immer abgeschlagen, da ich erst heute abend den wahren Sachverhalt durchschaut habe. Es war der Hausierer, der Euch Waren brachte, – der reisende Krämer, der mir die Bücher verkaufte – und sobald ich hinauskam, konnte ich auch darauf rechnen, ihn zu treffen. Der Vorfall von heute abend hat mich bewogen, mit ihm zu sprechen. Er wartet eben jetzt am Hintertor des Parkes und hält alles zur Flucht bereit. Aber fühlt Ihr Euch auch bei Kräften? – Habt Ihr Mut und Fassung? – Könnt Ihr das Unternehmen wagen?«

»Wer vor dem Tode flieht,« sagte die Lady, »findet Kraft, und wer der Schande entrinnen will, dem mangelt es nicht an Mut.«

»Dann in Gottes Namen, Lady,« sagte Jeanette, »muß ich Euch Lebewohl sagen und Euch Gottes Hut anvertrauen.«

»So willst Du nicht mit mir fliehen, Jeanette?« fragte die Gräfin. »Soll ich Dich verlieren? Ist das Dein treuer Dienst?«

»Lady, ich würde gern mit Euch fliehen, aber wenn ich es täte, so würde unsre Flucht auf der Stelle entdeckt und wir sogleich verfolgt werden. Ich muß zurückbleiben, um eine Zeitlang die Wahrheit zu verschleiern.«

»So soll ich allein mit diesem Fremdling reisen?« fragte die Lady. »Bedenke, Jeanette, kann dahinter nicht ein finstrer Plan stecken, Dich von mir zu trennen, die Du meine einzige Freundin bist?«

»Nein, Gnädige, glaubt das nicht,« antwortete Jeanette rasch, »der Jüngling meint es ehrlich mit Euch, und er ist ein Freund von Junker Tressilian, in dessen Auftrag er hergekommen ist.«

»Wenn er ein Freund Tressilians ist,« sagte die Gräfin, »so will ich mich ihm anvertrauen, denn nie hat ein Mensch gelebt, der mehr von allem Niedrigen, Schlechten und Selbstsüchtigen frei gewesen wäre als Tressilian. Er hat immer sich selber vergessen, wenn er andern von Nutzen sein konnte. Ach! Und wie ist es ihm vergolten worden!«

Mit Hast und Eifer suchten sie die paar Sachen zusammen, die die Gräfin mitnehmen mußte und die Jeanette geschickt und rasch zu einem kleinen Bündel zusammenschnürte. Sie vergaß dabei nicht die wertvollen Schmucksachen, die ihr gerade unter die Finger kamen, und vor allem ein kleines Kästchen voll Juwelen, die in künftiger Zeit ihr, wie sie klug bedachte, leicht gute Dienste erweisen könnten.

Dann zog die Gräfin Leicester sich um und zog ein Kleid ihrer Zofe an, denn sie hielten es erforderlich, jedes äußre Merkmal zu vermeiden, das Aufmerksamkeit erregen könnte. Ehe diese Vorbereitungen beendet waren, war am sommerlichen Himmel der Mond aufgegangen, und im Hause war alles zur Ruhe – zum mindesten war es still in allen Gemächern.

Der Flucht von Haus und Garten stand kein Hindernis entgegen, sofern es ihnen gelang, ungesehen fortzukommen. Die flüchtige Gräfin eilte mit ihrer Führerin auf dem verwilderten Pfade dahin, der einst eine Allee gewesen war. Zweige breitästiger Bäume griffen über ihm ineinander, und ein zweifelhaftes Licht warf die Strahlen des Mondes herein, wo die Axt Lichtungen im Walde geschlagen hatte. Wiederholt sperrten gefällte Bäume ihnen den Weg, und die Unannehmlichkeit solcher Hindernisse, die atemlose Hast, in der sie den ersten Teil ihres Weges zurückgelegt hatten, der aufreibende Wechsel von Furcht und Hoffnung erschöpften so völlig die Kraft der Gräfin, daß Jeanette den Vorschlag machen mußte, ein paar Minuten zu rasten, um erst wieder zu Atem und Fassung zu gelangen.

Sie standen daher beide still unter dem Schatten einer mächtigen, alten, knorrigen Eiche und sahen unwillkürlich beide zurück zu dem Herrenhaus, dessen lange, dunkle Front in der finstern Ferne auftauchte und sich mit seinen Schornsteinen und Türmchen in scharfen Umrissen gegen den sommerlich blauen Nachthimmel abhob.

Den zweiten Teil ihres Weges legten sie mit mehr Bedacht und auch leichter zurück. So fanden sie Muße zu Erwägungen, und Jeanette fragte nun ihre Herrin, wohin sie sich zu wenden gedenke.

»Wahrscheinlich in Eures Vaters Haus,« setzte sie gleich hinzu, »dort könnt Ihr bestimmt auf Sicherheit und Schutz rechnen.«

»Nein, Jeanette,« sagte die Lady traurig, »ich habe Lidcotehall verlassen, als mein Herz noch leicht und mein Name noch ehrlich war, und ich will nicht eher dorthin zurückkehren, bis Mylord es mir erlaubt und unsre Ehe öffentlich anerkannt hat und ich mit all dem Rang und all den Ehren, die er mir beschert hat, dort einziehen kann.«

»Und wohin wollt Ihr denn, Mylady?« fragte Jeanette.

»Nach Kenilworth, Mädchen,« sagte die Gräfin kühn und frei, – »ich will die Festlichkeiten sehen – die fürstlichen Feste – deren Zurüstungen das Land von einer Seite zur andern in Aufruhr bringen. Mich dünkt, wenn die Königin von England in den Hallen meines Gemahls den Festjubel genießt, wird die Gräfin von Leicester keine unziemliche Gästin sein.«

»Ich bitte zu Gott, daß Ihr eine willkommne sein möget!« sagte Jeanette schnell.

»Ich habe weiter keinen Wunsch,« sagte die Gräfin, »als mich in den Schutz meines Gemahls zu begeben. Die Niederträchtigkeit der Männer, mit denen er mich umgeben hat, hat mich aus dem Hause, das er mir angewiesen hat, vertrieben – aber in nichts sonst will ich seinen Befehlen zuwider handeln. Ich will mich an ihn allein wenden, ich will mich von ihm beschützen lassen, und ich will aus seinem Munde Weisungen entgegennehmen, wie ich mich in Zukunft zu verhalten habe. Und ich bin entschlossen, mein Schicksal mit einem Schlage zu erfahren, und zwar von meinem Manne selber; und ihn in Kenilworth aufzusuchen, ist das beste Mittel zu meinem Zweck.«

Nach einer Weile fragte sie: »Bist Du auch vorsichtig gewesen, Jeanette, und hast diesem Führer, dem ich mich anvertrauen muß, nicht das Geheimnis meiner Lage verraten?«

»Von mir hat er nichts weiter erfahren,« sagte Jeanette, »und ich glaube, er selber weiß auch nichts weiter, als was die Welt im allgemeinen von Eurer Lage vermutet.«

»Und was ist das?«

»Ihr hättet Euers Vaters Haus verlassen – aber ich kränke Euch, wenn ich weiter spreche ...«

»Nein, sprich weiter,« sagte die Gräfin, »ich muß das Uebel ertragen lernen, das ich selber verschuldet habe. Denken also die Leute, ich sei die Maitresse Leicesters?«

»Varneys, denken die meisten wohl gar,« erwiderte Jeanette, »und doch nennen einige ihn nur den Strohmann Seiner Lordschaft, aber sie wagen es nicht, diese Meinung allzu laut zu äußern, damit sie nicht wegen Beleidigung des Adels bestraft werden.«

»Sie tun gut daran, leise zu sprechen,« sagte die Gräfin. »Denn wehe dem, der den edlen Dudley den Spießgesellen eines solchen elenden Schuftes wie Varney nennt! – Wir sind am Hintertor. – Ach, Jeanette, ich muß Dir Ade sagen. Weine nicht, mein gutes Mädchen, wir sehen uns wieder!«

»Gott geb es, teure Lady!« sagte Jeanette.

Nach harter Mühe hatte endlich der Schlüssel das Schloß der Hintertür bezwungen, und nicht ohne Schaudern sah die Gräfin sich jenseits der Mauern, die das strenge Geheiß ihres Gemahls ihr als die Grenze ihrer Spaziergänge bezeichnet hatte.

Voller Angst auf ihr Erscheinen wartend, stand Wieland der Schmied, ein paar Schritte entfernt hinter einer Hecke am Wegesrande.

»Ist alles sicher?« fragte Jeanette ihn ängstlich, während sie behutsam näher traten.

»Alles,« erwiderte er, »ich habe nur kein Pferd für die Lady besorgen können, aber das macht nichts, sie muß auf meiner Mähre reiten und ich werde neben ihr her laufen, bis wir ein andres Pferd bekommen.«

Die Gräfin wurde von Wieland aufs Pferd gehoben.

»Ade! Und möge Gott mit Euch sein!« sagte Jeanette, wieder ihrer Herrin die Hand küssend, die ihren Segenswunsch mit stummer Liebkosung erwiderte. Dann rissen sie sich auseinander, und Jeanette rief Wieland noch zu:

»Möge der Himmel mit Dir verfahren, wie Du treu oder falsch sein wirst gegen diese hilflose, unglückliche Dame!«

»Amen, teuerste Jeanette!« erwiderte Wieland.

Achtes Kapitel

Die Reisenden waren ohne Unterbrechung bis nach Donnington gekommen. Hier mußte die Gräfin sich ein wenig ausruhen, während Wieland mit seiner gewohnten Geschicklichkeit und Umsicht die Anstalten traf, die unerläßlich waren, wenn sie ihre Reisen auch fernerhin ohne Gefahren fortsetzen wollten. Er besorgte für sich und die Gräfin Kleider, die ihnen das Aussehen wohlhabender Landleute gaben, und bestimmte seine Gefährtin, daß sie sich, um möglichst alles Aufsehen zu vermeiden, für seine Schwester ausgeben sollte. Auch ein gutes Pferd, das mit dem seinen Schritt halten konnte, hatte er bald besorgt.

Als die Gräfin sich nach einigen Stunden ruhigen Schlafes wieder bei Kräften fühlte, setzten sie die Reise am Nachmittag fort und schlugen den Weg über Coventry und Warwick nach Kenilworth ein. Es war ihnen aber nicht lange beschieden, zu reisen, ohne einer Gefahr zu begegnen.

Der Wirt des Gasthofes in Donnington hatte ihnen mitgeteilt, daß eine lustige Gesellschaft soeben von Donnington aufgebrochen sei, die in Kenilworth Maskenspiele aufzuführen beabsichtige. Wieland kam sofort auf den Gedanken, sich dieser Truppe anzuschließen, sobald sie sie auf der Heerstraße einholen würden, denn er würde auf diese Weise, sagte er sich, weniger Aufsehen erregen, als wenn er mit der Dame allein reiste. Die Gräfin, der nur daran lag, Kenilworth so schnell als möglich zu erreichen, war ganz damit einverstanden.

Sie trieben also ihre Pferde an, um die Schauspielertruppe zu erreichen und in ihrer Gesellschaft weiter zu reisen – und kaum wurden sie die Schar gewahr, die aus Reitern und ein paar Fußgängern bestand und eben auf der Spitze eines kleinen Hügels, eine halbe Meile von ihnen, hinzog – da erblickte Wieland, der unablässig in der Runde spähte, einen Reiter, der, von einem Diener begleitet, auf schnellem Pferde herankam.

Wieland sah genauer hin und erblaßte.

»Das ist Richard Varneys Renner – unter tausend Pferden möchte ich ihn erkennen – jetzt wird die Sache ernst.«

»Zieht Euer Schwert,« antwortete die Lady, »und durchstoßt mir die Brust, ehe Ihr mich ihm in die Hände fallen laßt.«

»Eher wollte ich ihn oder mich selber durchbohren. Aber Fechten ist nicht eben meine Stärke, und ich habe auch bloß ein verrostetes Rapier, und er hat doch sicher eine Klinge von Toledo. Außerdem ist noch ein Diener bei ihm – ich glaube, der Raufbold und Trunkenbold Lambourne – ich fürchte mich vor beiden nicht in meiner guten Sache – Euer Pferd könnte noch ein bißchen schneller laufen, wenn Ihr ihm die Sporen geben wolltet – doch nein, gebt ihm nicht die Sporen, es sieht sonst so aus, als ob wir uns vor ihnen fürchten wollten. Wenn wir nun die Truppe vor ihnen erreichen könnten, dann würden wir uns unter sie mischen und unbeachtet entkommen – es müßte denn sein, daß Varney ausgeritten ist, um uns zu verfolgen – und dann sei Gott mir gnädig!«

Das Glück war ihnen günstig, und sie langten auf dem Gipfel des Hügels an und sahen, daß in einem kleinen Tale am andern Abhange des Hügels die Gesellschaft Halt gemacht hatte. Wieland schöpfte nun Hoffnung, daß sie sie erreichen würden, ehe Varney sie noch eingeholt hätte. Wieland war um so mehr in Sorge, als seine Gefährtin totenbleich geworden war und vor Entkräftung vom Pferde zu fallen drohte. Sie trieb aber trotzdem ihr Pferd so sehr zur Eile an, daß sie die Truppe im Tale erreichten, als Varney und Lambourne eben oben auf dem Hügel erschienen.

In der kleinen Gesellschaft, die sich um einige in dem Tale gelegne Hütten gruppierte, schien große Verwirrung zu herrschen. Die Frauen liefen zu einer der Hütten aus und ein, und die Männer standen mit ratlosen Gesichtern herum.

Wieland und seine Begleiterin hielten wie aus Neugierde an und mischten sich dann, ohne gefragt zu werden und selber zu fragen, unter die Gesellschaft, als hätten sie schon immer zu ihr gehört.

Fünf Minuten mochten sie abseits von der Landstraße gestanden haben, als Lord Leicesters Stallmeister und Lambourne den Hügel herabgesprengt kamen, die Flanken der Pferde und die Sporen der Reiter trugen die blutigen Male fliegender Eile. An dem theatralischen Aufputz der Schar, die einen leichten, mit ihren szenischen Requisiten beladnen Karren mit sich führte, erkannten die Reiter sogleich, wen sie vor sich hatten und in welcher Absicht die Leute unterwegs waren.

»Ihr geht nach Kenilworth, um dort Spiele aufzuführen?« fragte Varney.

»Recte quidem, domine spectatissime« [Recht so, würdigster Herr], antwortete einer.

»Und was zum Teufel bummelt Ihr hier?« entgegnete Varney. »Nur bei größter Eile könnt Ihr noch rechtzeitig nach Kenilworth kommen – morgen speist die Königin in Warwick zu Mittag – und Ihr Schelme macht hier Rast?«

»Ei, mein Herr,« sagte ein kleiner Zwerg, der eine Larve mit zwei scharlachroten Hörnern vorm Gesicht trug und ein prallanliegendes, schwarzfarbnes Wams mit roten Strümpfen anhatte, während seine Schuhe die Form von gespaltnen Klauen zeigten, »der Teufel, mein Vater, zwingt uns hier Halt zu machen, denn er hat unsre Gesellschaft um einen Sprößling vermehrt.«

»Du hast den Teufel im Leibe,« sagte Varney mit seinem sarkastischen Grinsen. »Und wie heißt denn die Teufelin, die sich die Zeit so schlecht ausgesucht hat?«

»Gaudet nomine Sybillae« [Sie erfreut sich des Namens Sibylle], sagte der, der zuerst gesprochen hatte, »sie heißt Sybille Laneham und ist die Frau des Herrn Laneham –«

»Des Pförtners vom Sitzungszimmer des Staatsrates,« erwiderte Varney, »das ist unverzeihlich von ihr, zumal sie doch schon darin genug Erfahrung hat, daß sie sich besser hätte vorsehen können. – Aber wer waren denn die Leute, ein Mann und eine Frau, die eben so eilig den Hügel hinaufritten? Gehören sie auch zu Eurer Gesellschaft?«

Wieland wollte selber schon auf diese beängstigende Frage antworten, als der kleine Teufel ihm zuvorkam.

»Mit Verlaub,« sagte er, indem er dicht an Varney herantrat und so leise redete, daß es niemand anders hören konnte, »der Mann ist unser Teufel senior, und er weiß Künste genug, daß er so ein Dämchen wie die Frau Laneham hundertmal ersetzen kann. Und die Weibsperson, das ist die kluge Frau, deren unsre leidende Gefährtin so dringend bedarf.«

»So, so, Ihr habt die Hebamme holen lassen? Na, man sah es ihr an, daß sie es eilig hatte. Und somit, wies im Stück heißt: Gott sei bei Euerm Werke!«

Mit diesen Worten gab er seinem Pferde die Sporen und galoppierte davon. Lambourne hinterdrein.

Der schlaue Zwerg machte jetzt einen Luftsprung und näherte sich dem Pferde Wielands.

»Ich habe nun gesagt, wer Ihr seid – nun sagt mir auch, wer ich bin.«

»Entweder Dickie Flibbertitibitsch, mein Popanz, oder im Ernst ein kleiner Teufel.«

»Du hasts getroffen,« erwiderte Richard Schlamm, »ich bin wahrhaftig Dein Popanz, Dein Flibbertitibitsch, und ich bin mit meinem gelahrten Lehrmeister aufgebrochen, wie ich Dir vorher gesagt habe, ob er wollte oder nicht. – Aber was hast Du da für eine Dame bei Dir? Ich sah, Du warst in der Klemme, als vorhin der Fremde nach Dir fragte – deshalb sprang ich ein und kam Dir zur Hilfe. Aber nun muß ich auch wissen, wer sie ist, lieber Wieland.«

»Du sollst fünfzigerlei viel schönre Sachen wissen, mein liebes Kleinchen,« sagte Wieland, »vorderhand aber laß Dein Gefrage. Ihr wollt nach Kenilworth und dahin will ich auch, aus Liebe zu Deinen Geschichtchen und Deiner spaßhaften Gesellschaft.«

»Als was willst Du denn mit uns reisen?«

»Als Gaukler, Du weißt, das Handwerk versteh ich,« erwiderte Wieland.

»Ja, aber die Dame?« antwortete Flibbertitibitsch, »ich denke doch, sie ist eine Dame – und Du bist in tausend Aengsten um sie in diesem Augenblick, das sehe ich Dir an Deinem fisprigen Benehmen an.«

»Sie, mein Junge? Sie ist eine arme Schwester von mir,« sagte Wieland, »sie kann singen und die Laute spielen.«

»Dann soll sie mir gleich was vorspielen,« sagte der Junge, »ich liebe das Lautenspiel.«

»Meine Schwester ist von der Reise erschöpft und bedarf der Ruhe,« versetzte Wieland, und zwischen die Zähne brummte er: »Hol der Teufel den Kobold mit seiner Neugierde! Ich muß mir ihn bei guter Laune halten, sonst fahren wir nur um so schlechter.«

Dann berichtete er dem Magister Feiertag von seinen Talenten als Gaukler und von der musikalischen Begabung seiner Schwester. Eine Probe seiner Geschicklichkeit wurde verlangt, die er so ausgezeichnet ablegte, daß die Gesellschaft entzückt war, solchen Zuwachs zu erhalten, und gern die Entschuldigung gelten ließ, die er vorgab, als auch eine Probedarbietung von seiner Schwester verlangt wurde. Die neuen Ankömmlinge wurden eingeladen, an der Mahlzeit teilzunehmen, die jetzt zubereitet wurde, und es bereitete Wieland nicht geringe Schwierigkeiten, sich mit seiner angeblichen Schwester während des Mahles ein wenig abseits zu halten. Er benutzte die Gelegenheit, sie zu ersuchen, daß sie auf kurze Zeit ihren Rang und ihren Schmerz vergessen und sich in die Gesellschaft der Leute mischen möge, mit denen sie reisen müßten, – denn nur so könnten sie hoffen, unentdeckt zu bleiben.

Die Gräfin sah die Notwendigkeit ein, aber im weitern Verlauf ihrer Reise kam Wieland selber auf den Gedanken, sich insgeheim von der Gesellschaft zu trennen, weil ihm Dickie Schlamm in seiner zudringlichen Neugierde zu viel zu schaffen machte.

»Deine Schwester, Wieland,« sagte er, »hat für eine Schmiedstochter einen hübschen Hals, und wenn man bedenkt, daß sie die Spindel gedreht hat, hat sie noch recht zierliche Finger, – ei, meiner Treu, ich will dran glauben, daß Ihr miteinander verwandt seid, wenn aus dem Krähenei mal ein Schwan auskriecht.«

»Geh zu,« sagte Wieland, »Du bist ein fürwitziger Bengel und verdienst die Knute für Deine Frechheit.«

»Schön,« sagte die Range und ging, »ich sage Dir weiter nichts, – denke dran, daß Du ein Geheimnis vor mir verbirgst, und wenn ich Dir das nicht gründlich versalze, so will ich nicht Richard Schlamm heißen.«

Diese Drohung und der Umstand, daß Popanz während der weitern Reise sich fern von ihm hielt, beunruhigten Wieland sehr, und er veranlaßte seine angebliche Schwester, daß sie unter dem Vorwande der Erschöpfung den Wunsch aussprechen solle, ein paar Meilen vor der Stadt Warwick Rast zu machen mit dem Versprechen, am andern Morgen die Truppe wieder einzuholen. Eine kleine Dorfherberge gab ihnen Obdach, und mit geheimer Freude sah Wieland die ganze Gesellschaft, Dickie Schlamm eingeschlossen, nach einem höflichen Abschiedsgruß weiterwandern.

»Morgen, gnädige Frau,« sagte er zu seiner Schutzbefohlenen, »wollen wir in aller Frühe aufbrechen, damit wir vor der großen Menge in Kenilworth eintreffen.«

Die unglückliche Gräfin von Leicester war von ihrer Kindheit an von ihrer Umgebung mit ebenso grenzenloser wie unvernünftiger Nachsicht behandelt worden. Durch die natürliche Milde ihres Charakters blieb sie davor bewahrt, in anmaßendes und übellaunisches Wesen zu verfallen. Aber die Grille, aus der heraus sie den hübschen, schmeichlerischen Leicester dem ehrlichen Tressilian vorzog, von dessen hoher Ehrenhaftigkeit und Zuneigung sie selber so felsenfest überzeugt war – dieser verhängnisvolle Irrtum, der das Glück ihres Lebens zerrüttet hatte, hatte seinen Ursprung in der schlecht angebrachten Güte, mit der ihr in ihrer Kindheit die schmerzliche, doch höchst notwendige Lehre der Unterordnung und Selbstzucht erspart worden war. Dieselbe Duldsamkeit hatte zur Folge, daß sie nur gewöhnt gewesen war, Wünsche zu hegen und auszusprechen, während es andern überlassen blieb, sie zu erfüllen; und so fehlte es ihr am gefährlichsten Punkte ihres Lebens nicht nur an Geistesgegenwart, sondern sie war auch völlig unfähig, für sich selbst einen vernünftigen und klugen Plan ihres Verhaltens zu entwerfen.

Mit zermalmender Wucht bedrückten diese Schwierigkeiten die unglückliche Dame an dem Morgen, der der Wendepunkt ihres Schicksals zu sein schien. Von jeder weitern Ueberlegung absehend, hatte sie nur gewünscht, in Kenilworth zu sein und mit ihrem Manne zusammenzukommen; und jetzt, da sie in beider Nähe war, drängten sich ihr tausend Bedenken zugleich auf, und sie sah sich von neuen großen Gefahren, teils wirklich, teils eingebildet, alle aber überspannt und gesteigert durch die völlig hilf- und ratlose Lage, umgeben.

Es traf sich gut, daß Wieland, der von seinen frühern Wanderschaften und seinem unsteten Leben her fast ganz England kannte, genau mit den Nebenwegen wie den Hauptstraßen in der schönen Grafschaft Warwick vertraut war. Denn so groß war die Menge, die von allen Richtungen her nach Kenilworth drängte, um den Einzug Elisabeths in das Schloß ihres Lieblings zu sehen, daß auf den Hauptstraßen ein Fortkommen nicht möglich war und sie die auf Umwegen zum Ziele führenden Nebenwege benutzen mußten, wenn sie ohne Aufenthalt vorwärts kommen wollten.

Die Zahlmeister der Königin hatten im ganzen Lande in Meiereien und Dörfern all die Dinge aufgekauft, die bei einer Reise der Königin in der Regel gebraucht wurden. Die Hausverwalter des Grafen Leicester hatten zu demselben Zwecke das Land durchstöbert, und viele seiner Freunde und Bundesgenossen von nah und fern benutzten die Gelegenheit, sich bei ihm in Gunst zu setzen, und schickten ihm große Massen an Proviant und Delikatessen aller Art, dazu Wild in großen Stücken und ganze Tonnen von den besten fremden und heimischen Weinen und Schnäpsen. So waren die Heerstraßen versperrt von großen Zügen von Ochsen, Schafen, Kälbern und Schweinen und von schwerbeladnen Karren, deren Achsen unter der Last von Weintonnen und Bierfässern und Kolonialwaren und geschossenem Wild und gesalznem Fleisch und Säcken voll Mehl, ächzten. Ununterbrochen fanden in dieser Folge von Wagenzügen Stockungen statt, wobei es zwischen den fluchenden Fuhrknechten oft gar zu Schlägereien kam.

Hier waren ferner Schauspieler und Masken, Gaukler und Spezialitäten aller Art. In lustigen Banden zogen sie die Pfade, die nach dem »Palast zur fürstlichen Lust« führten. So hatten die fahrenden Sänger Kenilworth in den Liedern genannt, die schon als ein Vorgeschmack der dort erwarteten Festlichkeiten herausgebracht worden waren. Inmitten dieser buntscheckigen Prozession stellten Bettler ihre wirklichen oder vorgegebnen Gebrechen zur Schau – ein seltsamer, doch alltäglicher Kontrast zwischen den Eitelkeiten und dem Elend des Menschenlebens. Alle diese trieben dahin mit der Hochflut von Volk, das aus purer Neugierde zusammengeströmt war.

Das Gedränge und der Wirrwarr war jedoch von frohlauniger und heitrer Art. Alle kamen herbei, um etwas zu sehen und sich zu vergnügen, und alle lachten über die kleinen Unannehmlichkeiten, die zu einer andern Zeit leicht böses Blut hätten machen können. Abgesehen von dem gelegentlichen Schimpfen jener leicht erregbaren Klasse, der Fuhrleute, waren die gemischten Töne, die aus dieser Menschenmasse emporstiegen, nur Laute der leichtsinnigen Fröhlichkeit und jener Ausgelassenheit, die sich im siebenten Himmel fühlt.

Nichts bereitet einem in Trübsal versunknen Gemüt mehr Schmerz, als wenn es sich in eine Szene der Lustigkeit und Schwelgerei versetzt sieht, wo alles eine so mißtönende Begleitung zu den eignen Gefühlen abgibt. Die Gräfin von Leicester aber fühlte sich durch den Lärm und das wirre Treiben der bunten Szene abgelenkt von ihren eignen trüben Gedanken, und es war ihr bei dem Leben um sie her unmöglich, über ihr eignes Unglück nachzusinnen oder furchtbare Ahnungen ihres künftigen Schicksals wachzurufen. Sie reiste, wie im Traume befangen, und folgte blindlings der Führung Wielands, der mit großer Geschicklichkeit jetzt sich durch das Gedränge vorschob, jetzt Halt machte, bis sich eine neue günstige Gelegenheit bot, wieder ein Stück weiter vorzudringen, und oft auch von dem Hauptwege abbog und einen kleinen Umweg auf einem Nebenwege machte, der sie wieder auf die Hauptstraße brachte, nachdem sie ein beträchtliches Stück bequemer und schneller zurückgelegt hatten.

Auf diese Weise umging er Warwick, in dessen Schlosse Elisabeth die verflossne Nacht verbracht hatte und wo sie bis zum Mittag – der damals in ganz England üblichen Essenszeit – bleiben wollte, um dann nach der Mahlzeit nach Kenilworth weiterzureiscn.

Endlich kam das fürstliche Schloß in Sicht, an dessen Einrichtung und äußrer Umgebung der Graf von Leicester umfassende Verbesserungen hatte vornehmen lassen, die ihm die Summe von 60 000 Pfund Sterling – nach unsrem jetzigen Gelde nahezu eine halbe Million Mark – gekostet haben sollen.

Die Außenmauer dieses herrlichen und gigantischen Baues umschloß sieben Morgen Land, einen Teil davon nahmen ausgedehnte Stallungen und ein Lustgarten ein, den Rest bildete der große Außenhof des edeln Schlosses. Das herrliche Gebäude selber, das nahe dem Mittelpunkt dieser umfangreichen Umhegung sich erhob, setzte sich aus einem gewaltigen Komplex von kastellartigen Bauten zusammen, die anscheinend zu verschiednen Zeitaltern entstanden waren. Jeder Teil der prachtvollen Gebäudemasse trug seinen Namen und sein Wappen nach einem mächtigen Häuptling, der schon längst dahingegangen war. Alle diese Einzelbauten waren um einen Innenhof herum errichtet. Eine große, wuchtige Feste, die die Zitadelle des Schlosses bildete, war von unbestimmtem, doch sicher sehr hohem Alter und trug den Namen Cäsar – vielleicht weil sie dem Turme dieses Namens im Tower von London ähnelte.

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