»Was ist nun zu tun?« sagte die Königin leise zu Edith, mit nicht verhehltem Unmut. – »Was geschehen muß,« antwortete Edith fest und bestimmt; »wir müssen den Ritter vorlassen und uns seiner Ehre überantworten.«
Schnell zog sie einen Vorhang weg, der an einer Stelle einen Eingang verdeckte. – »Um des Himmels willen!« rief die Königin, »bedenke doch, mein Zimmer, unsere Kleidung, die Zeit und Stunde, und meine Ehre!«
Aber schon fiel der Vorhang und mit ihm die Scheidewand zwischen dem Ritter und den Damen. Mit lautem Schrei floh die Königin, die in der warmen Nacht leichter gekleidet war, als es die Rücksicht auf ihren Rang einem Ritter gegenüber erlaubte, aus dem Zelt. Der innige Wunsch, dem schottischen Ritter eine schnelle Erklärung zu geben, mochte Edith vergessen lassen, daß ihre Locken nachlässiger hingen, als es dem Anstande damaliger Zeit gemäß war, und daß bloß ein dünnes, loses Gewand aus blaßroter Seide den Hauptteil ihrer Bekleidung bildete. Zwar zog sie den Shawl, den sie von einem Stuhle gerissen hatte, dichter um Nacken und Busen, aber als Ritter Kenneth noch immer starr dort stehen blieb, wo sie ihn zuerst erblickt hatte, trat sie zu ihm und rief: »Eilt auf Euren Posten, Herr Ritter! Ihr seid hintergangen worden. Fragt nichts weiter!« – »Ich habe nichts zu fragen,« antwortete der Ritter, sich auf em Knie niederlassend, mit gesenktem Blick, damit nicht sein Auge die Verlegenheit der Dame merke. – »Habt Ihr alles gehört?« fragte Edith ungeduldig. »Mann! Warum säumt Ihr noch, da jede verlorene Minute Euch in Schaden bringt?« – »Ich habe vernommen, aus Eurem Munde, Lady, daß Schimpf auf mir lastet. – Was kümmerts mich, wie bald die Strafe erfolgt! Nur eine Bitte an Euch, dann will ich versuchen, unter den Säbeln der Ungläubigen, ob Schande sich mit Blut abwaschen läßt!« – »Nicht so!« bat Edith. »Seid klug und säumt nicht länger! Noch kann ja alles gut werden, sofern Ihr Euch eilig entfernt.« – »Ich warte nur auf Eure Verzeihung,« antwortete der Ritter, noch immer knieend, »für meine Anmaßung ...« – »Ich verzeih Euch – o, ich habe ja gar nichts zu verzeihen! Seid Ihr doch durch mich gekränkt worden. Aber geht – ich will Euch lieb und wert halten, wie jeden tapferen Kreuzfahrer, wenn Ihr nur geht!« – »Empfanget zuvor dies kostbare, wenn auch verhängnisvolle Unterpfand,« sagte der Ritter, ihr den Ring reichend, den sie aber ungeduldig ablehnte. – »Nicht doch,« sagte sie, »behaltet ihn! als Zeichen meiner Wertschätzung, meines Bedauerns wollte ich sagen. O entfernt Euch wenn nicht um Euret-, doch um meinetwillen!«
Belohnt durch die sichtliche Teilnahme an seiner Wohlfahrt, erhob sich der Ritter, verbeugte sich tief und schien im Begriff, sich zu entfernen. Da trug Ediths jugendliche Schüchternheit, über die ihre stärkeren Gefühle bisher triumphiert hatten, endlich den Sieg davon. Aus dem Zimmer eilend, löschte sie die Lampe aus und ließ Kenneth in geistiger und leiblicher Finsternis zurück.
Daß er ihr gehorchen müsse, war die erste deutliche Vorstellung, die ihn aus seinen Träumen weckte, und so eilte er zu der Zeltwand, durch die er hineingekommen war; aber den Ausweg zu finden, erforderte Zeit, und da sich Warten mit seiner Ungeduld nicht vertrug, nahm er den Dolch und schnitt die Zeltleinwand entzwei. In die frische Luft gelangt, kam er sich vor, wie betäubt, und um den Pfad wieder zu entdecken, den ihn der Zwerg geführt hatte, mußte er alle Kräfte zusammennehmen. Eine leichte Wolke war, als er das Zelt verließ, vor den Mond getreten. Plötzlich drangen vom St. Georgenberg Laute her, die ihn schnell wieder zu sich brachten: zuerst ein zorniges, wildes Bellen, dann ein Schrei, wie aus Todesangst. Kenneth rannte, selbst von Todesangst befallen, denn er hatte die Stimme seines treuen Hundes auf der Stelle erkannt, querfeldein nach der Anhöhe und hatte, trotzdem ihn der Panzer hinderte, in wenigen Minuten den Gipfel erreicht.
Da brach der Mond durch das Gewölk, und Kenneth sah, daß das englische Banner verschwunden war. Die Stange, an dem es geflattert hatte, lag zerbrochen auf der Erde, daneben sein Hund, mit dem Tode ringend.
Vierzehntes Kapitel
Des Ritters erster Gedanke war, die Schuldigen zu ermitteln, die das Banner Englands geraubt hatten; allein nirgendswo zeigte sich eine Spur von ihnen. Als er die Nutzlosigkeit weiteren Nachforschens erkannte, wandte er sich zu seinem Hunde, dessen dumpfes Gewinsel auf ein baldiges Ende seines Todeskampfes deutete. Das kluge Tier, als fürchtete es, seinem Herrn weh zu tun durch die Schmerzenslaute, die es von sich gab, leckte dem Ritter die Hand, und die Art, wie es, dem Verenden nahe, seine Anhänglichkeit zum Ausdruck brachte, mehrte nicht bloß seine Niedergeschlagenheit, sondern mischte ihr einen hohen Grad von Bitterkeit bei. Laut hub er zu wehklagen an, als eine feierliche Stimme in seiner Nähe in der unter Christen und Sarazenen üblichen Frankensprache die Worte sprach: »Widerwärtigkeit gleicht der Zeit des frühen und späten Regens – kalt, unbehaglich und unfreundlich für Menschen und Tiere, bringt sie doch Blüte und Frucht, denn sie zeitigt die Dattel, die Rose und den Granatapfel.«
Ritter Kenneth vom Leoparden wandte sich um und erblickte den arabischen Arzt, der sich ihm unbemerkbar genaht hatte.
Beschämt, über einem weibischen Ausbruch von Kummer ertappt worden zu sein, beschäftigte sich Ritter Kenneth wieder mit seinem Hunde. – »Wäre nicht des Arztes Hand,« fragte der Araber, »geeigneter als die des Kriegers?« – »Dem Kranken hier ist nicht mehr zu helfen, Hakim,« versetzte Kenneth; »zudem ist er nach Deinem Ritus ein unreines Tier.« – »Wo Allah die Gabe des Lebens und das Gefühl der Freude und des Schmerzes verliehen,« sagte der Arzt, »da wäre es sündhafter Stolz, wollte der Weise, den er erleuchtete, sich weigern, ein Dasein zu verlängern oder einen Todeskampf zu mildern. Laßt mich das verwundete Tier untersuchen!«
Ritter Kenneth trat schweigend hinzu, während der Arzt Roswals Wunde besichtigte, ein Besteck hervorzog, den Lanzensplitter, der in der Wunde steckte, behutsam mit der Zange entfernte und durch einen geschickten Verband den Blutverlust zu hemmen suchte.
»Das Tier kann geheilt werden,« sagte El Hakim, »wenn Ihr mir erlauben wollt, es nach meinem Zelte zu schaffen.« – »Nehmt ihn mit!« versetzte der Ritter. »Ich schenke ihn Euch gern, wenn er gesund wird. Ich selbst werde wohl nie wieder ins Hifthorn stoßen oder Hunden Hallo zurufen. Und für die Kur meines Knappen stehe ich ja noch in Eurer Schuld!«
Der Araber klatschte in die Hände, worauf zwei schwarze Sklaven erschienen, denen er befahl, den Hund aufzuheben und in sein Zelt zu schaffen.
»Ich wollte,« rief Kenneth, als die Sklaven sich entfernt hatten, »ich könnte mit diesem verendenden Tiere tauschen!« – »Es steht geschrieben,« erwiderte der Araber, wiewohl der Ausruf des Ritters nicht an ihn gerichtet war, »daß alle Geschöpfe zum Dienste des Menschen geschaffen seien, und der Herr der Erde ist töricht, wenn er aus Ungeduld seine Hoffnungen mit dem Zustande eines ihm untergeordneten Wesens vertauschen will.«
»Ein Hund, der im Dienste krepiert,« sagte der Ritter ernst, »ist besser, als ein Mensch, der seine Pflicht im Dienste versäumt. Hakim, Du besitzest die wundersamste Wissenschaft, die je ein Mensch besaß; aber die Wunden des Geistes zu heilen, liegt außer Deiner Macht.« – »Keineswegs, sobald der Kranke sein Leiden offenbart und sich der Leitung des Arztes vertrauen will,« antwortete El Hakim. – »So höre,« sagte Kenneth, »da Du so in mich dringst: Gestern nacht ist Englands Banner auf diesem Wall aufgepflanzt worden; ich wurde zu seinem Wächter bestellt; und dort liegt der Fahnenstab zerbrochen, die Fahne selbst ist fort, und hier sitze ich und – lebe noch!« – »Wie?« rief El Hakim, ihn schärfer betrachtend. »Deine Rüstung ist unversehrt, kein Blut klebt an Deinen Waffen? So kommt kein Schotte aus einem Gefecht: Man hat Dich weggelockt von Deinem Posten, oder hast Du Dich weglocken lassen durch die Rosenwangen und schwarzen Augen einer der Houris, die Ihr Nazarener lieber anbetet als Allah, statt sie nur so zu lieben, wie sie es, als aus demselben Stoffe, wie wir, verlangen können. So ist es seit Adam immer gewesen!« – »Und wenn es so wäre, Arzt?« entgegnete Kenneth finster. »Was läßt sich tun?« »Erkenntnis ist die Mutter der Kraft,« versetzte El Hakim, »und Tapferkeit ersetzt Stärke ... Höre mich an! Der Mensch ist nicht gleich dem Baume an den Ort gebunden, auch nicht geschaffen, wie das kaum beseelte Schaltier, an einem nackten Felsen zu hängen. Deine christlichen Bücher befehlen Dir, wenn Du in einer Stadt verfolgt wirst, in eine andere zu fliehen, und auch wir Muselmänner wissen, daß Mohammed, Allahs Prophet, als er vertrieben wurde aus der heiligen Stadt Mekka, Zuflucht und Anhänger zu Medina fand.« – »Was soll das?« rief der Schotte. – »Viel,« antwortete der Arzt; »der Weise flieht vor dem Sturme, den er nicht bändigen kann. Also flüchte Dich vor Richards Rache in den Schatten von Saladins siegreicher Fahne.«
»Ich sollte meine Schmach im Lager ungläubiger Heiden verbergen,« sagte Kenneth ironisch, »wohl gar einer der ihrigen zu werden?« – »Lästere nicht, Nazarener!« rief der Arzt ernst. »Saladin bekehrt niemand zu dem Gesetz des Propheten, außer solchen, die sich von seinen Lehren überzeugen. Oeffne Deine Augen dem Licht! der große Sultan, dessen Freigebigkeit so unbegrenzt ist wie seine Macht, kann Dir ein Königreich schenken.« – »Eher wünschte ich,« versetzte der Ritter, »mein abgehärmtes Antlitz würde schwarz, wie es abends, beim Untergange der Sonne, zu werden scheint.« – »Du handelst nicht weise,« fuhr El Hakim fort, »dies Anerbieten auszuschlagen, denn ich habe Einfluß auf Saladin und kann Dich hoch erheben in seiner Gunst. Mein Sohn, der Kreuzzug, wie Ihr Euer tolles Unternehmen nennt, gleich einem Schiffe, das in den Wogen zerschellt. Du selbst hast die Punkte des Waffenstillstandes Eurer Fürsten dem mächtigen Sultan überbracht, und kennst wohl kaum den vollen Inhalt Deiner Botschaft?« – »Ich kenne ihn nicht und kümmere mich nicht darum,« antwortete der Ritter, »denn, was nützt es mir, unlängst ein Abgesandter von Fürsten gewesen zu sein, wenn ich noch vor Einbruch der Nacht, ein beschimpfter Leichnam, am Galgen hänge?« – »Das wird nicht geschehen,« versetzte der Arzt. »Saladin wird von allen Seiten umschmeichelt; die Fürsten des gegen ihn errichteten Bundes haben ihm Friedensvorschläge unterbreitet, auf die er unter anderen Umständen eingehen müßte. Andere sind ihm auf eigne Rechnung mit Angeboten genaht, daß sie nicht bloß ihre Streitkräfte aus dem Lager der Kreuzfahrer entfernen, sondern sogar die Fahne des Propheten verteidigen wollen. Aber Saladin will aus derlei verräterischem Abfall keinen Vorteil ziehen; der König der Könige will nur mit dem Löwenkönig unterhandeln, nur mit ihm Vergleich schließen oder mit ihm fechten, wie mit einem Helden. Solche Bedingungen wird er dem König aus freien Stücken zubilligen ... auch wird er die Wallfahrt nach Jerusalem und allen Orten, die den Nazarenern heilig sind, freigeben, will sogar in den sechs festesten Städten Palästinas und in Jerusalem christliche Besatzungen zulassen unter dem Vorbehalt, daß sie unter dem unmittelbaren Befehle Richards stehen. König Richard soll den Titel eines königlichen Schirmvogts von Jerusalem führen, und so unglaublich es Euch vorkommen mag, Saladin will auf diesen Bund zwischen den tapfersten und edelsten Männern von Frangistan und Asien ein heiliges Siegel drücken, indem er eine christliche Prinzessin, König Richards Blutsverwandte, Lady Edith von Plantagenet, zu seiner königlichen Gemahlin erhebt.«
»Ha! Was sagst Du?« rief Kenneth, »welcher Christ würde solch unnatürliche Verbindung einer Christin mit einem Sarazenen billigen?«
»Du bist ein unwissender Nazarener!« rief Hakim. »Weißt Du nicht, daß sich mohammedanische Fürsten täglich mit edlen Nazarenerinnen in Spanien vermählen, ohne daß Mauren oder Christen daran Anstoß nehmen? Und Saladin, der edle Sultan, will der englischen Dame die freie Ausübung ihrer Religion gestatten; auch soll sie im Rang so hoch über allen Frauen seines Harems stehen, daß sie in jeder Hinsicht als die einzige und unumschränkte Königin gelten kann.« – »Wie?« rief Ritter Kenneth, »Du glaubst, Muselmann, daß Richard seine Blutsverwandte, eine edelgeborene, tugendsame Prinzessin, in den Harem eines Ungläubigen liefern werde? Der gemeinste Christ wiese solch glänzende Schande mit Verachtung von sich.« – »Du irrst!« sagte Hakim. »Philipp von Frankreich, Heinrich von Champagne und andere von Richards ersten Bundesgenossen haben versprochen, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, einen Bund zu fördern, der diesen verheerenden Kriegen ein Ziel setzen kann. Der weise Erzbischof von Tyrus hat es übernommen, dem Könige Richard diesen Vorschlag zu eröffnen, und zweifelt nicht an der glücklichen Ausführung des Planes... Auf, Herr Ritter! zu Rosse! Nicht meinen mußt Du, daß Du Vaterland und Religion aufgibst! Du wirst Dir Saladin zu Dank verpflichten durch allerhand Rat; darum noch einmal: auf! zu Rosse! Du hast gebahnten Weg vor Dir!«
»Hakim,« sagte der schottische Ritter, »Du bist ein Mann des Friedens, hast Richard von England das Leben gerettet, hast meinem Waffenträger das Leben gerettet. Aber ich rate Dir, sage dem Sarazenen, der Richard solche Verbindung vorschlagen will, er möge sich durch einen Helm das Haupt sichern, der einen Hieb mit der Streitaxt aushalten könne wie den, womit das Tor von Acre zerschmettert wurde.« – »Du bist also hartnäckig entschlossen, Dich nicht ins Sarazenenheer zu flüchten?« fragte Hakim. »Bedenke, daß Du einem gewissen Tode entgegengehst! Und Deine wie unsere Gesetzbücher verbieten dem Menschen, die Hand selbst an sich zu legen!« – »Gott behüte mich davor!« erwiderte der Schotte, sich bekreuzend. »Es ist aber auch untersagt, der Strafe auszuweichen, die unsere Verbrechen verdienen. Hakim, mir tuts jetzt leid, daß ich Dir meinen treuen Hund geschenkt habe: denn sollte er am Leben bleiben, so bekommt er einen Herrn, der seinen Wert nicht kennt.« – Ein Geschenk, das einem leid wird, gilt als widerrufen,« sagte El Hakim. »Wir Aerzte aber müssen schwören, keinen Patienten ungeheilt zu entlassen. Kommt der Hund davon, so ist er wieder Dein.«
Fünfzehntes Kapitel
Es war um die Stunde des Sonnenunterganges, als vor dem Zelte des Königs der langsame Schritt eines Panzerritters laut wurde. Thomas von Vaux, der neben seinem Herrn ruhte, und einen so leisen Schlaf hatte, wie ein getreuer Haushund, hatte kaum Zeit, aufzustehen und »Wer da?« zu rufen, als auch schon der Ritter vom Leoparden ins Zelt trat, einen Zug tiefer, aufrichtiger Trauer in seinem männlichen Gesicht.
»Was bestimmt Euch, Herr Ritter, zu so kühnem Eintritt?« sagte Thomas von Vaux ernst, aber leise, mit einem Wink auf den schlummernden König.
»Halt, Thomas von Vaux!« rief Richard erwachend. »Ritter Kenneth will Rechenschaft als wackerer Krieger von seiner Wache ablegen. Solche Männer haben im Zelte des Oberfeldherrn stets Zutritt.« Auf seinen Ellbogen gestützt, richtete er das große, funkelnde Auge auf den Ritter. – »Eure günstige Meinung, Majestät, wird sich rasch ändern,« sagte Ritter Kenneth. »Meine Wache war nicht ehrenvoll, denn Englands Banner ist fort!« – »Und Du lebst, mir das zu künden?« rief Richard im Tone spöttischen Unglaubens. »Nicht doch! Es kann nicht sein! Es ist ja nicht eine einzige Schramme in Deinem Gesicht. Warum verstummst Du? Sprich die Wahrheit! mit einem König scherzen ist eine schlimme Sache, doch ich verzeihe Dir, wenn Du gelogen hast.«
»Gelogen, Majestät?« rief der unglückliche Ritter in wilder Erregung, und ein Feuerblick schoß aus seinem Auge, verschwand aber schnell wie der Blitz, der aus hartem Kieselsteine sprüht. »Doch auch dies muß ich tragen, ich habe die Wahrheit gesprochen!« – »Beim heiligen Georg,« rief der König in heftiger Wut, mäßigte sich aber im Nu. »Thomas von Vaux, begib Dich zum Georgberg; das Fieber hat ihm sein Gehirn zerrüttet, es kann nicht sein, denn der Mut des Ritters hat sich bewährt. Es kann nicht sein!«
In diesem Augenblick trat atemlos Sir Henry Neville ein und brachte die Nachricht, das Banner sei fort und der Ritter, der die Wache gehabt, müsse überwältigt, wenn nicht erschlagen worden sein, denn es zeige sich eine Blutlache, wo man den Fahnenstab zertrümmert finde. – »Aber, wen sehe ich hier?« rief Neville, als seine Blicke plötzlich auf Ritter Kenneth fielen. – »Einen Verräter!« entgegnete der König und griff nach seiner stets am Bett hängenden Streitaxt. »Einen Verräter, den Du, wie es ihm gebührt, sterben sehen sollst!«
Bleich, aber wie eine Marmorsäule so starr, stand der Schotte vor ihm, mit entblößtem Haupt, die Augen zur Erde gesenkt, und rührte kaum merklich die Lippen, doch wahrscheinlich ein Gebet murmelnd. Ihm gegenüber, mit zum Schlage erhobener Streitaxt, stand König Richard, in die Falten seines weiten Linnenrockes gehüllt. Einen Augenblick stand er, wie zum Schlage bereit; dann senkte er die Streitaxt und rief: »Es war Blut auf dem Platze, Neville? so sagtest Du doch? Höre, Schotte! Du warst sonst tapfer, ich habe Dich fechten sehen. Sag, daß Du ein paar Hunde niederschlugst – und dann rette Dich aus dem Lager mit Deinem Leben und Deiner Schande!« – »Ihr habt mich einen Lügner genannt, königlicher Herr!« erwiderte Kenneth, »hierin aber seid Ihr im Unrecht. Außer dem Blut eines Hundes, der den Dienst versah, ist kein Blut geflossen.«
Abermals hob Richard den Arm; aber Thomas von Vaux warf sich zwischen ihn und den Schotten und sprach mit der ihm eigentümlichen Derbheit: »Mein Fürst, nicht also! zum wenigsten nicht durch Eure Hand! Für einen Tag und eine Nacht wars Narrheit genug, Euer Banner einem Schotten anzuvertrauen. Wars nicht immer meine Rede, daß Schotten ehrlich und falsch zugleich seien?«
»Du hast recht gehabt,« sagte Richard, »ich hätte ihn besser kennen sollen,« rief er, »und doch, Thomas von Vaux,« fuhr er nach kurzer Pause fort, »das Benehmen dieses Menschen ist seltsam! Memme muß er sein oder Verräter; und doch erwartete er den Streich, als hätten wir den Arm erhoben, ihn zum Ritter zu schlagen. Zitterte ihm nur ein Glied? zuckte, nur eine Wimper? ich hätte seinen Kopf zertrümmert wie ein Stück Glas. Aber wo ich weder Furcht noch Widerstand erblicke, da kann ich nicht zuschlagen.«
Es entstand eine Pause. – »Mein König,« sagte Kenneth. – »Ha!« unterbrach ihn Richard, »ist Dir die Sprache wiedergekommen? Erflehe, Gnade vom Himmel, doch nicht von mir; denn England ist beschimpft durch Deinen Fehltritt, und wärst Du mein eigner, einziger Bruder, für diesen Fehltritt winkte Dir kein Pardon.« – »Es steht in Eurer Majestät Belieben,« versetzte Kenneth, »mir Zeit zur Beichte zu lassen oder nicht. Aber um soviel Frist ersuche ich meinen König, Dinge Mitzuteilen, die Eurem Ruf als christlichen König nahe angehen.« – »Sprich!« versetzte der König, der nicht anders dachte, als daß er ein Geständnis über den Verlust des Banners hören solle. – »Was ich zu sagen habe,« fuhr Kenneth fort, »betrifft das königliche Ansehen Englands, und nur Deinen Ohren kann ich es vertrauen.« – »Entfernt Euch, Ihr Herren!« sagte der König zu Neville und Thomas von Vaux.
Neville gehorchte, aber Thomas von Vaux weigerte sich. – »Wie, Thomas von Vaux?« sagte Richard, leicht mit dem Fuße stampfend, »Du willst unsere Person mit einem Verräter nicht allein lassen?« – »Ihr furcht umsonst die Stirn, mein König!« versetzte Thomas von Vaux. – »Gleichviel,« entgegnete der schottische Ritter; »ich suche keinen Vorwand, um Zeit zu gewinnen, sondern werde auch in Gegenwart des Lords sprechen. Er ist brav und treu.« – »Noch vor einer halben Stunde,« sagte Thomas von Vaux mit tiefem Seufzer, »hätte ich von Dir dasselbe behauptet.« – »Ihr seid von Verrätern umgeben, König von England,« fuhr Ritter Kenneth fort. – »Das mag sein,« entgegnete Richard, »ein Beispiel steht mir ja vor Augen.« – »Ich spreche von einem Verrat, der Dich tiefer bedünken wird, als der Verlust von hundert Fahnen. Lady – « hier stockte Kenneth; endlich fuhr er mit leiserer Stimme fort: »Lady Edith – « »Ha!« rief der König, plötzlich eine erhöhte Aufmerksamkeit zeigend und sein Auge starr auf den vermeintlichen Verbrecher heftend; »was hat sie hiermit zu schaffen?« – »Mein König,« erwiderte der Schotte, »es ist ein Plan im Werke, Schimpf auf Euer königliches Haus zu laden. Lady Edith soll dem Sarazenensultan ausgeliefert und ein schmählicher Friede durch eine schmähliche Verbindung mit England erkauft werden.«
Die Wirkung, die diese Worte hervorbrachten, war eine völlig andere, als Ritter Kenneth erwartet hatte.
»Still,« rief König Richard, »ich lasse Dir die Zunge ausreißen, Verwegner, wenn Du den Namen dieser edlen christlichen Prinzessin noch einmal nennst! Wisse, Verräter, daß es mir nicht unbekannt geblieben, wohin Du Deine Augen zu heben wagtest! Ich habe Dir diese Unverschämtheit nachgesehen, so lange Du uns in den Glauben wiegtest, Wir hätten in Dir einen Ritter von Namen und Ruf vor uns. Aber auch jetzt noch wagst Du es, eine uns verwandte Prinzessin als eine Person zu nennen, an deren Schicksal Du Anteil nimmst? Was scherts Dich, oder sonst jemand, wenn es mir gefallen sollte, mich der Person des Sultans Saladin zu sichern in einem Lager, wo es von Verrätern und Feiglingen wimmelt?« – »Mir gewiß wenig oder nichts, denn mich wird ja die ganze Welt bald nichts mehr scheren,« antwortete Ritter Kenneth; »aber läge ich auch auf der Folter, so sagte ich Dir, mein König, daß Du, wenn Du nur den Gedanken hegen solltest, Lady Edith, Deine Verwandte – « »Nenne ihren Namen nicht! und denke nicht mehr an sie!« rief der König, die Streitaxt wieder schwingend.
»Ich soll sie nicht nennen? soll nicht an sie denken?« entgegnete Kenneth, dessen Mut sich wieder zu beleben anfing. »Beim heiligen Kreuz, ihr Name soll das letzte Wort in meinem Munde, ihr Bild der letzte Gedanke meiner Seele sein!«
»Er macht mich noch wahnsinnig!« rief Richard, durch die Festigkeit des Schotten in seinem Plane erschüttert.
Da entstand draußen ein Geräusch, und die Ankunft der Königin wurde gemeldet.
»Halte sie zurück, Neville,« sagte der König, »das ist kein Bild für Frauen! Daß ich mich durch diesen elenden Verräter in solche Wut bringen ließ! Hinweg mit ihm, Thomas,« flüsterte er, »durch den hinteren Eingang unseres Zeltes! Bring ihn in engen Verwahrsam; Du bürgst mit Deinem Leben für ihn. Er soll sterben, gleich! aber mit Schwertgurt und Sporen, denn tapfer war er immer! und auch den Pater versage ihm nicht.«
Thomas von Vaux war froh, daß Richard sich zu keiner so unköniglichen Tat erniedrigte, selbst den Streich gegen einen Gefangenen zu führen, der keinen Widerstand leistete. Er führte Ritter Kenneth durch eine Hintertür in ein abgesondertes Zelt, wo er entwaffnet und in Fesseln geschlagen wurde.
»Es ist König Richards Wille,« sprach er, »daß Ihr den Tod erleidet, ohne Verstümmelung, ohne Schimpf; der Scharfrichter soll Euch den Kopf vom Rumpfe trennen.« – »Sehr gnädig von meinem Könige!« sagte der Ritter demütig, wie jemand, dem eine erhoffte Gunst zuteil wird; »auf diese Weise hört meine Familie doch nicht das Schlimmste. – O mein Vater!«
Thomas von Vaux, dem es bei aller Derbheit an menschlicher Gesinnung nicht fehlte, strich sich mit der Rückseite seiner breiten Hand über sein rauhes Antlitz, ehe er weiter sprechen konnte ... »Es ist ferner König Richards Wille, daß Ihr Euch mit einem Geistlichen unterredet. Ein Karmelitermönch, er wartet draußen, er soll Euch auf Euren Hintritt bereiten.« – »Gottes und des Königs Wille geschehe!« antwortete der Ritter gelassen.
Thomas von Vaux entfernte sich langsam aus dem Zelt, blieb aber an der Tür stehen und blickte nach dem Schotten zurück, der in tiefe Andacht versunken zu sein schien. »Ritter Kenneth, Du bist noch jung, Du hast einen Vater,« sagte Thomas von Baux tief ergriffen, indem er eine der gefesselten Hände des Schotten aufhob... »kann nichts zu Deinen Gunsten gesprochen oder getan werden?« – »Nichts,« lautete die schwermütige Antwort, »ich war meiner Pflicht ungetreu. Das mir anvertraute Banner ist fort. Sofern Henker und Block bereit sind, Haupt und Rumpf sind es bereits.« – »Nun, so erbarme sich Gott Deiner!« rief Thomas von Baux; »aber mein bestes Roß gäbe ich drum, wenn ich die Wache selbst übernommen hätte. Dahinter steckt ein Geheimnis, junger Mann, das ein Unbefangener wohl ahnen, doch nicht durchschauen kann.«
Sechzehntes Kapitel
Berengaria, die Tochter des Königs Sanchez von Navarra und Gemahlin des heldenmütigen Richard von England, galt für eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. Klein von Gestalt und von äußerst zartem Bau, mit einem Teint so schön, wie man ihn nicht häufig findet, und einer Fülle des schönsten Haares, ließen sie ihre ungemein jugendlichen Züge viel jünger erscheinen, als sie wirklich war, obgleich sie erst einundzwanzig Jahre zählte. Sie war von kindlichem Frohsinn und die gutmütigste Person, die man sich denken kann. Aber sie liebte es, umschmeichelt zu werden, und eine Eigenschaft erinnerte an ihre Herkunft: je mehr Macht ihr eingeräumt wurde, desto eifriger wünschte sie ihre Herrschaft auszudehnen. Ihren Gemahl liebte sie leidenschaftlich, fürchtete aber seinen Stolz und sein rauhes Wesen; und da sie fühlte, daß sie ihm an Klugheit nachstand, vertrug sie es nicht, daß er Edith Plantagenet in der Unterhaltung bevorzugte. Sie hatte deshalb keinen Groll auf Edith, wollte ihr darum auch nicht übel, immerhin meinten die Frauen ihres Gefolges, die für solche Dinge einen besonderen Scharfblick hatten, seit einiger Zeit bemerkt zu haben, daß es ihr nicht unlieb war, wenn Edith gehänselt oder gar verspottet wurde. Das war an sich nicht edel, gewann aber insofern an Häßlichkeit, als Lady Edith eine Waise war. Zwar führte sie den Namen Plantagenet; ebenso gestand ihr König Richard Vorrechte zu, die bloß der königlichen Familie zustanden: allein wenige wußten, in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie eigentlich zu Richard Löwenherz stehe. Sie war mit Eleonore, der berühmten Königin-Mutter, von England nach Messina gekommen und dem König Richard dort als Hofdame Berengarias vorgestellt worden, deren Vermählung damals nahe bevorstand. Die Königin machte sie zu ihrer Begleiterin und bewies ihr, trotz der erwähnten kleinen Eifersucht, alle gebührende Achtung ... Die Kämmerer wehrten der Königin den Eintritt in das Zelt ihres Gemahls; und, um sich den Anschein zu geben, als habe sie alle ihr zu Gebote stehenden Mittel erschöpft, sagte sie zu der in ihrer Begleitung befindlichen Edith: »Da siehst Du's, ich wußte es ja, der König will uns nicht vorlassen.«
Da vernahmen sie des Königs Stimme: »Geh, verrichte Deinen Dienst schnell, Bursche! Zehn Byzantinen, wenn Du es mit einem Streiche vollbringst. Auch gib acht, ob sich seine Wangen entfärben oder seine Wimpern zucken. Ich möchte wissen, wie ein tapferer Schotte in den Tod geht!« – »Er wäre der erste, der nicht zurückführe, wenn er mein Schwert in der Luft blitzen sieht!« wurde dem König geantwortet.
Edith konnte nicht länger an sich halten ... »Wenn Eure Majestät es nicht selbst tun,« sagte sie zur Königin, »so tue ich's! und wenn nicht um Eurer Majestät, so doch um meinetwillen. – Kämmerer, die Königin verlangt König Richard zu sprechen.« – »Edles Fräulein,« antwortete der Kämmerer, seinen Amtsstab neigend; »der König entscheidet eben über Leben und Tod.« – »Und wir wollen über Leben und Tod mit ihm sprechen,« versetzte Edith. »Platz da! ich werde Eurer Majestät Eintritt verschaffen.« Mit diesen Worten schob sie den Kämmerling mit der einen Hand auf die Seite, während sie mit der anderen den Vorhang hob und die Königin nötigte, in Richards Zelt zu treten.
Der König ruhte auf seinem Lager, und unweit von ihm, seiner Befehle noch gewärtig, stand ein Mann in einem Wams aus rotem Tuch, das kaum über die Schultern reichte und die Arme bis über den halben Ellbogen nackt ließ. Das schreckliche Amt, das ihm oblag, war nicht schwer zu erraten, das Schwert, auf das er sich stützte, dessen Klinge beinahe vier und einen halben Fuß lang und dessen Gefäß, zwanzig Zoll im Umfange, von einer Reihe Bleikugeln umgeben war, um dem Stichblatt das Gegengewicht zu halten, redete die deutlichste Sprache.
Der König warf sich, als die Frauen eintraten, voll Unmut und Staunen auf die andere Seite, so daß er der Königin und ihrem Gefolge den Rücken wandte. Dann zog er die aus Löwenhäuten zusammengenähte Decke über sich. Berengaria warf einen flüchtigen Blick voll Grausen und Entsetzen auf den furchtbaren Gast ihres Gemahls und eilte rasch zu Richards Lager, kniete dort nieder, warf den Mantel von den Schultern und ließ ihre goldenen Locken lang herabwallen. Dann nahm sie Richards Hand, zog sie allmählich an sich, beugte sich mit der Stirn darüber und drückte ihre Lippen darauf.
»Was soll das, Berengaria?« sagte Richard mit abgewandtem Gesicht, aber die Hand ihr lassend. – »Schick diesen Mann fort, sein Anblick ist mir gräßlich,« flüsterte Berengaria. – »Pack Dich, Kerl!« rief Richard, noch immer der Königin abgewandt; »ziemt es Dir, diese Damen zu schauen?« – »Euer Majestät haben noch keine Bestimmung getroffen, was mit dem Haupte – « begann der Mann. – »Fort mit Dir, Hund!« war Richards Antwort. »Ein christliches Begräbnis!« Dann wandte sich der König langsam nach der königlichen Bittstellerin herum. Aber niemand, am wenigsten ein Verehrer aller Schönheit wie Richard, dessen Ruhm sie dem Rang nach am nächsten stand, konnte Berengaria vor sich knien sehen, mit Tränen in den Augen. Er wandte langsam sein männliches Antlitz zu ihr, mit dem wärmsten Ausdruck, dessen sein großes blaues Auge fähig war, aus dem so oft grimmiges Feuer blitzte. Mit der nervigen Hand strich er über ihre schönen Locken und küßte zärtlich das holde Antlitz. »Noch einmal, Berengaria, Gebieterin meines Herzens, was suchst Du hier zu dieser frühen Stunde?« – »Verzeihung, mein gnädiger Gemahl!« entgegnete die Königin, vor Furcht abermals unfähig, Fürbitte einzulegen. – »Verzeihung? wofür?« fragte der König.
Sie stockte.... »Verzeihung?« wiederholte Richard. »Sprich, Berengaria! sprich! denn für die Angelegenheit, die mich beschäftigt, taugst Du nicht als Zeugin; noch weniger wünsche ich, daß Du Deine kostbare Gesundheit da gefährdetest, wo noch vor kurzem Krankheit herrschte.« – »Aber Du bist jetzt wohl,« sagte die Königin, die sich immer noch scheute, den Zweck ihres Besuchs zu offenbaren; »und... wirst mir eine Bitte nicht abschlagen, eine Bitte um ein armseliges Leben?«
»Ha! weiter!« rief Richard, die Stirn runzelnd. – »Der unglückliche schottische Ritter – « hub die Königin an. »Kein Wort von ihm, Königin!« rief Richard finster; »sein Urteil ist gefällt.« – »Nicht so, mein innig geliebter Gemahl! es ist ja nur eine seidene Fahne, die er verscherzt hat, und Berengaria wird Dir eine andere sticken, reicher als je eine im Winde flatterte.«
»Du weißt nicht, was Du redest!« unterbrach sie der König entrüstet. »Es gilt hier Englands Ehre und Deines Mannes Ehre! und das sind für uns Pflichten, die Du nicht mit uns tragen kannst.« – »Du hörst es, Edith!« flüsterte die Königin, »wir werden ihn nur mehr erzürnen.«
Da trat Edith zum Könige ... »Gnädigster Herr! Eure arme Verwandte fleht um Gerechtigkeit, nicht um Gnade, und der Stimme der Gerechtigkeit muß das Ohr eines Herrschers immer geöffnet sein, zu jeder Zeit und unter allen Umständen.«
– »Ha! unsere Base Edith!« rief Richard, sich auf die Seite des Bettes setzend, »sie führt stets königliche Worte im Munde, und königlich soll meine Antwort lauten, sofern sie nicht mit Bitten kommt, die ihrer unwürdig sind.«
»Mein König,« sprach sie, »der brave Ritter, dessen Blut Ihr vergießen wollt, hat dem Christentum guten Dienst geleistet. Er ist seiner Pflicht untreu geworden durch eine Botschaft, die, warum soll ich es verschweigen, ihm in meinem Namen überbracht wurde, infolge eines törichten Einfalles; allein deshalb ist er von dem Platze gewichen, auf den Ihr ihn gestellt hattet, aber welcher Ritter im christlichen Lager hätte sich solcher Uebertretung nicht schuldig gemacht, wenn eine Plantagenet ihn zu sich rief?« – »Also habt Ihr ihn gesehen, Base?« rief der König, sich in die Lippen beißend. – »Allerdings, mein König,« erklärte Edith. »Zu erörtern, warum, ist jetzt die Zeit nicht; ich bin nicht hier, mich zu entschuldigen, und andere zu verschwärzen.« – »Und wo erwiesest Du ihm solche Gunst?« – »Im Zelt Ihrer Majestät.«
– »Unserer königlichen Gemahlin?« rief Richard. »Nein, beim Himmel, das ist zu stark! ist das Edith Plantagenet, die weise und edle? Oder ein liebekrankes Fräulein, das nicht um ihren Ruf, sondern um das Leben ihres Geliebten besorgt ist? Bei König Heinrichs Seele! Es fehlt wenig, so laß ich Deines Günstlings Schädel vom Galgen nehmen und als Zierat neben dem Kruzifix in Deine Zelle stellen.«
»Und dennoch würde ich sagen,« erklärte Edith unerschrocken, »es sei die Reliquie eines wackeren Ritters, der unwürdig und grausam hingerichtet wurde von« – hier hielt sie inne – »von einem, der besser hätte wissen sollen, wie man Ritterlichkeit belohnt.« – »O still, um Gottes willen!« flüsterte die Königin. »Du machst ihn rasend!«
Der König schickte sich eben an zu zorniger Antwort, als ein Karmelitermönch ins Gemach trat, in den langen Mantel dieses Ordens aus gestreiftem groben Tuch gehüllt, sich dem König zu Füßen warf und ihn beschwor, die Hinrichtung aufzuschieben.
»Bei Schwert und Szepter!« rief Richard, »die ganze Welt hat sich gegen mich verschworen; Narren, Weiber, Mönche stellen sich in meinen Weg. – Wie kommts, daß der Verbrecher noch lebt?« – »Mein gnädigster Herr!« erklärte der Mönch, »ich habe den Lord von Gilsland gebeten, die Hinrichtung so lange aufzuschieben, bis ich mich selbst vor Eurer – « »Und er war so gutmütig, Deinem Gesuch zu willfahren?« schrie der König. »Der Satan über ihn! Doch sprich: Was hast Du zu dieser Sache zu melden?« – »Gnädigster König, ein wichtiges Geheimnis, aber unter dem Siegel der Beichte, ich wage nicht, es zu künden, weder laut noch im geheimen! Doch, wenn ich es Dir künden könnte, so würde es Dich, das schwöre ich, von dem blutigen Vorsätze, den Du gegen ihn gefaßt hast, abbringen.« – »Ehrwürdiger Vater,« sagte Richard, »daß ich die Kirche ehre, bezeugen die Waffen, die ich um ihretwillen trage. Künde mir dies Geheimnis, und ich werde handeln, wie es der Sache gemäß ist.«
»Mein König,« entgegnete der fromme Mann, Kutte und Oberkleid zurückschlagend, um ein härenes Gewand und ein Gesicht zu enthüllen, das einem lebendigen Skelett glich. »Zwanzig Jahre lang habe ich in den Höhlen Engaddis diesen elenden Körper gemartert, um eine schwere Sünde zu büßen. Wähnt Ihr, ich könnte eine Lüge ersinnen, um meine Seele in Gefahr zu bringen?«
»Also Du bist der Einsiedler, von dem so viel gesprochen wird?« erwiderte der König. »Du siehst freilich den Geistern ähnlich, die an öden Stätten wandeln. Aber Richard fürchtet Gespenster nicht! Auch bist Du, dünkt mich, derjenige, an den die Fürsten den Verbrecher sandten mit einer Botschaft an den Sultan, als ich, den sie doch zumeist anging, krank und siech darniederlag? Nun, vergleicht Euch jetzt noch untereinander. Mich gelüstets nicht nach Karmelitergürteln. Und was Dein Geheimnis angeht, so laß Dir sagen, je angelegentlicher Du Dich für ihn verwendest, desto schneller wird ihn der Tod ereilen.« – »Nun, so möge Gott Dir gnädig sein, König!« sprach der Eremit in tiefer Bewegung. »Du richtest ein Unheil an, das Du, und wenn es Dich ein Glied kosten sollte, dereinst wirst ungeschehen machen wollen... Verblendeter Fürst, stehe ab davon!« – »Hinweg!« rief der König, mit den Füßen stampfend. »Die Sonne ist über Englands Schande aufgegangen; und noch ward die Schande nicht gerächt ... Beim heiligen Georg schwöre ich – «
»Schwört nicht!« rief ein Mann, der eben ins Zelt getreten war. – »Ha! gelehrter Hakim!« sagte der König, »hoffentlich kommst auch Du, meine Freigebigkeit auszunützen?« – »Ich komme, Gehör zu bitten, augenblickliches Gehör, denn ich bringe wichtige Kunde.« – »Entferne Dich, Berengaria,« sprach der König, »und auch Du, Edith. Keine weiteren Bitten! Eins will ich Euch versprechen: die Hinrichtung soll bis zur Mittagszeit verschoben werden. Geh, Berengaria! Und Du, Edith,« fügte er hinzu, mit einem Blick, der selbst die mutige Seele seiner Verwandten mit Schrecken erfüllte, »wenn Du klug bist, dann geh!«
Die Frauen eilten zurück in das Zelt der Königin, wo sie sich ihrem Kummer überließen und gegenseitig Vorwürfe machten. Edith war die einzige, die es verschmähte, ihrem Kummer auf diesem Wege Erleichterung zu schaffen, und versah still ihre Dienste bei der Königin, die in leidenschaftliche Aeußerungen ausbrach und ihren Leichtsinn lebhaft verwünschte.
Siebzehntes Kapitel
Der Einsiedler wandte sich auf der Schwelle noch einmal um und hob warnend die Hand wider den König .. »Wehe dem,« rief er, »der den Rat der Kirche verwirft und seine Zuflucht nimmt zu den Ungläubigen! König Richard, noch schüttle ich nicht den Staub von meinen Füßen, noch scheide ich nicht aus Deinem Lager. Das Schwert fällt nicht, allein es hängt an einem Haar. Stolzer Monarch, wir sehen uns wieder!« – »Es sei so, hochmütiger Priester!« erwiderte Richard.
Der Eremit verschwand aus dem Zelt, und der König, zu dem Araber gewandt, fuhr fort: »Weiser Hakim, stehen die Derwische des Orients auch auf so vertrautem Fuße mit ihrem Fürsten?« – »Die Derwische sind entweder Weise oder Verrückte,« antwortete der Arzt; »wer das Gewand der Derwische anlegt, nachts wacht und tagsüber fastet, kennt kein Mittelding. Er besitzt entweder Weisheit genug, sich in Gegenwart von Fürsten bescheiden zu betragen, oder ist, wenn ihm die hohe Gabe der Vernunft fehlt, für seine eignen Handlungen nicht verantwortlich.« – »Mich dünkt, unsere Mönche sind vorwiegend von letzterem Schlage,« sagte Richard. »Doch zu Deiner Angelegenheit! Womit kann ich Dir dienen, gelehrter Arzt?« – »Großer König,« sagte El Hakim, sich nach orientlischem Brauche tief verbeugend, »laß Deinen Diener ein Wort sprechen, und doch leben. Ich wollte Dich erinnern, daß Du nicht mir, ihrem niedrigen Werkzeuge, sondern den höheren Geistern, deren Wohltaten ich ja bloß unter den Sterblichen austeile, Dein Leben verdankst.« – »Und ich wette, daß Du nun ein anderes begehrst,« unterbrach ihn der König, »ist's nicht so?« – »Allerdings ist dies meine demütige Bitte an den großen König,« sagte Hakim. »Schenket dem zum Tode verurteilten Ritter das Leben! Hat er doch nichts anderes sich zuschulden kommen lassen, wie schon Adam, der Vater aller Menschen, auch!«
»Und Deine Weisheit, Hakim, könnte Dich erinnern, daß Adam sie mit dem Tode büßte,« sprach der König ernst, während er, bewegt mit sich selbst sprechend, im engen Raume seines Zeltes auf und nieder ging. »Gerechter Gott! was er begehrte, wußte ich, sobald er ins Zelt trat. Ein armseliges Leben ist mit vollem Recht zum Tode verurteilt, und ich, ein König und Krieger, auf dessen Befehl tausende fielen, soll hier keine Macht haben, obgleich die Ehre meiner Waffen, meines Hauses, meiner Gemahlin durch den Schuldigen gefährdet wurde? Beim heiligen Georg! das bringt mich zum Lachen! das erinnert mich an Blondels Märchen vom verzauberten Schlosse, das der vom Schicksal verfolgte Ritter nie betreten konnte, weil ihn allerhand Gestalten daran hinderten, die, eine der andern unähnlich, ihm doch feindlich gesinnt waren. Kaum war die eine verschwunden, so kam die andere; und so erschienen der Reihe nach Gemahlin, Base, Eremit, Hakim! Ha, ha, ha!« Und Richard lachte laut auf, denn sein Zorn hatte sich in der Tat gelegt, da seine Entrüstung wie gewöhnlich zu heftig gewesen war, um lange zu dauern ... »Ein Todesurteil,« sagte Hakim, den König mit einer Miene, die nicht frei von Verachtung war, betrachtend, »sollte nicht aus lachendem Munde kommen. Laß Deinen Knecht hoffen, daß Du ihm des Mannes Leben schenkst.«
»Nimm statt seiner tausend Gefangene!« antwortete Richard. »Du sollst sie auf der Stelle erhalten; aber dieses Mannes Leben ist verwirkt.« – »Wie unser aller Leben!« rief Hakim, »aber der Schöpfer alles Lebens übt auch Gnade und treibt seine Pfänder nicht ein mit Strenge oder zur Unzeit.« – »Welches besondere Interesse veranlaßt Dich, zwischen mich und die Justiz zu treten?« – »Du hast gelobt, Gnade und Gerechtigkeit zu üben,« entgegnete El Hakim; »und doch vollstreckst Du jetzt bloß Deinen eigenen Willen. Zudem wisse, daß manches Menschenleben von meiner Bitte abhängt.« – »Erkläre Dich deutlicher,« sagte Richard. »Doch glaube nicht, mich durch Vorspiegelungen zu hintergehen.« – »Das sei fern von Deinem Knecht!« rief der Arzt; »doch muß ich Dir bekennen, daß die Arznei, der Du Deine Herstellung verdankst, ein Talisman ist, der sich nur bereiten läßt unter gewissen Himmels-Aspekten, wenn die göttlichen Mächte dem Vorhaben am günstigsten sind. Ich bin nur das bescheidene Werkzeug der Vorsehung. Ich tauche den Talisman in ein Gefäß mit Wasser, benutze die Stunde, die sich zur Vorbereitung des Mittels für den Kranken eignet, und die Kraft des Trankes bewirkt die Heilung.« – »Ein kostbares,« sagte der König, »und zugleich bequemes Mittel. Da es der Arzt in der Tasche tragen kann, erspart es die ganze Karawane von Kamelen, durch die wir Spezereien und Arzneimittel aus einem Weltteil in den andern schleppen. Seltsam, daß noch andere Mittel in Gebrauch sind.«
»Es steht geschrieben,« erwiderte Hakim, ohne sich in seinem Ernst stören zu lassen: »Mißhandle nicht das Roß, das Dich aus der Schlacht getragen! Wisse, daß solche Talismane freilich gefertigt werden können, daß sich aber selten Adepten fanden, die es wagten, sich solcher Künste zu bedienen. Wer aus Nachlässigkeit, Bequemlichkeit oder Hang zu sinnlichen Lüsten es verabsäumt, im Lauf eines Mondes wenigstens zwölf Personen zu heilen, bei dem trennt sich die Kraft der göttlichen Gabe vom Amulett. Beide, den letzten Patienten und Arzt, trifft dann die Strafe, und keiner von ihnen wird das Jahr überleben. Ich fordere jetzt ein Leben, die gesetzte Zahl voll zu machen.« – »Begib Dich ins Lager, Hakim!« rief der König. »Dort findest Du der Patienten so viel, daß Du nicht meinem Scharfrichter die Kunden zu rauben brauchst. Es ziemt sich für einen Arzt von Deinem Ansehen nicht, einem anderen ins Handwerk zu pfuschen.«
»Vergilt so der hochberühmte Fürst von Frangistan die ihm erwiesene Wohltat?« rief El Hakim, indem er nunmehr die demütige Haltung, in der er den König bisher angefleht, aufgab und statt ihrer eine stolze, hoheitsvolle annahm. »Wisse, Du stolzer König, daß ich an jenem Hofe Europas und Asiens, unter Muselmännern und Nazarenern, unter Rittern und Damen, überall, wo das Schwert geachtet und Undank verabscheut wird, Dich, Richard von England, anklagen werde des Undanks und der unedlen Gesinnung, und daß selbst die Länder, in welche nie Dein Ruf drang, Deine Schmach erfahren sollen.« – »Sollen mir die, Worte gelten, Ungläubiger?« rief Richard, grimmig auf ihn zuschreitend, »bist Du Deines Lebens müde?« – »Schlag zu!« rief El Hakim, ohne zu weichen. »Deine eigene Tat wird Dich unwürdiger machen, als meine Worte, und wenn auch jedes von ihnen den Stachel der Hornisse hätte.«
Richard schlug zornig die Arme übereinander und schritt wieder im Zelte auf und ab. »Ich wäre undankbar und unedel?« rief er. »Ebenso gut könnte ich feig und ungläubig sein sollen! – Hakim! Du hast Dir ein Geschenk gewählt; und obgleich es mir lieber gewesen wäre, Du hättest meine Kronjuwelen genannt, so kann ich doch als König Dir nichts abschlagen. Der Schotte sei Dir geschenkt. Der Profoß wird ihn Dir gegen diesen Schein ausliefern.« Er schrieb geschwind ein paar Worte und gab sie dem Arzte. »Brauche ihn als Deinen Sklaven,« fuhr er fort, »und schalte mit ihm nach Belieben. Doch in acht nehmen soll er sich, mir je wieder vor Augen zu kommen, hörst Du!« – »Möge die Zahl Eurer Tage sich vervielfältigen, gnädiger König!« sprach Hakim und entfernte sich nach einer tiefen Verbeugung aus dem Zelte. König Richard sah ihm nach, wie jemand, der sich nicht recht schicken kann in das, was vorgefallen ist.... »Ein halsstarriger Wicht, dieser Hakim!« sagte er; »und doch ein seltsamer Zufall, daß er sich im Falle des schottischen Wichtes ins Mittel legen mußte. Doch er lebe, denn so gibts einen braven Kerl mehr auf der Welt. Nun zu diesem Hackklotz von Oesterreicher! – He da! Ist Lord Gilsland draußen?«
Thomas von Baux verdunkelte mit seiner Riesenfigur den Zelteingang, während hinter ihm, ungemeldet, doch unbehindert, einem Gespenst gleich, der wild aussehende Einsiedler von Engaddi, in seinen Mantel aus Ziegenfellen gehüllt, ins Zelt hineinschlüpfte.
Thomas von Baux, von Lanercost und Gilsland,« sprach Richard Löwenherz mit lauter Stimme zu dem Barone, ohne den Einsiedler zu bemerken, »begib Dich sogleich nach dem Zelte Herzogs Leopold von Österreich. Sieh, daß Du ihn in recht buntem Gedränge von Rittern und Vasallen triffst. Wahrscheinlich ist das jetzt der Fall, denn der deutsche Bär frühstückt ja doch, ehe er die Messe hört. Tritt so ungehobelt wie möglich vor ihn hin und klage ihn öffentlich an von seiten Richards von England, daß er diese Nacht mit eigner oder fremder Hand Englands Banner von seinem Stecken gestohlen habe. Er solle, so bestimmen wir, innerhalb einer Stunde von dieser Verkündigung an, unser Banner mit allen Ehren wiederherstellen. Dabei soll er mit den vornehmsten Rittern mit unbedecktem Haupt und ohne ihre Staatskleider warten, er selbst außerdem auf der einen Seite sein eigenes Banner als dasjenige, das durch Diebstahl und Treulosigkeit entwürdigt worden ist, umgekehrt einschlagen; auf der anderen Seite aber eine Lanze mit dem blutigen Haupt desjenigen aufstellen, der ihm bei dieser gemeinen Tat seinen Rat oder seine Hilfe lieh. Sage ihm, daß, falls dieser unser Befehl pünktlich vollzogen werde, wir ihm, um unseres Gelübdes und um der Wohlfahrt des heiligen Landes willen, verzeihen wollen.«
»Aber, wenn nun der Erzherzog allen Anteil an diesem Frevel leugnet?« fragte Thomas von Vaux. – »Sage ihm,« erwiderte der König, »wir wollen es ihm ins Angesicht beweisen, und wenn er zwei seiner tapfersten Kämpfer hinter sich hätte. Ritterlich wollen wirs ihm beweisen, zu Fuß oder zu Rosse, in der Wüste oder im Felde, und er soll Zeit, Ort, Waffen, kurz alles nach eigener Wahl bestimmen.« – »Aber, mein königlicher Lehnsherr, gedenkt des Friedens mit Gott und der Kirche unter diesen Fürsten, die sich zum heiligen Kreuz verbunden haben,« antwortete der Baron von Gilsland. – »Bedenkt Ihr nur, daß ich Vollstreckung meiner Befehle erwarte, Herr Lehnsvasall!« rief Richard ungeduldig, »es hat schon ganz den Anschein, als hofften manche unsern Plan in die Luft zu blasen, wie Kinder Federn... Seht Ihr nicht, wie jeder Fürst seine besonderen Pläne zu erreichen strebt? Auch ich verfolge ein Ziel, aber ich bin hergekommen aus Ehre; kann ich sie nicht bei Sarazenen ernten, so will ich wenigstens kein Jota davon durch diesen armseligen Erzherzog verlieren, und wenn ihn jeder Fürst, der mit bei diesem Kreuzzug ist, schirmte und schützte.«
Thomas von Vaux wandte sich, wenn auch achselzuckend, um des Königs Befehle zu vollziehen. Allein in diesem Augenblick trat der Eremit vor, feierlich, wie ein höherer Gesandter als diejenigen, die von irdischen Machthabern ausgehen. Seine Kleidung aus Fellen, sein ungekämmtes Haar, sein Bart, sein hageres, verwirrtes Antlitz, und nicht zum wenigsten das an Wahnsinn erinnernde Feuer, das unter seinen buschigen Brauen blitzte, alles dies erinnerte an einen biblischen Seher. Die Achtung vor der Kirche setzte Richard Löwenherz nie aus den Augen, und wenn ihn auch der unangemeldete Eintritt des Eremiten verdroß, so zollte er ihm doch Ehrerbietung. Zugleich gab er aber Thomas von Vaux einen Wink, den ihm erteilten Auftrag unverzüglich auszurichten.
Hieran aber hinderte ihn der Einsiedler, der sich mit hochgehobenem Arm, mager vom Fasten und durch Kasteiungen, vor ihn hinstellte und rief: »Im Namen Gottes und des heiligen Vaters, des Stellvertreters der christlichen Kirche auf Erden, untersage ich diese übermütige Herausforderung zwischen christlichen Fürsten, deren Schultern das heilige Kreuz schmückt, unter welchem sie sich Brüderschaft gelobten. Wehe dem, durch den sie gebrochen wird! – Richard von England! Widerrufe den unheiligen Auftrag, den Du dem Baron von Vaux erteilt! Gefahr und Tod sind Dir nahe! Schon blinkt der Dolch an Deinem Halse!« – »Gefahr und Tod sind Richards Gespielen!« erwiderte der Monarch stolz; »und ich habe schon zu vielen Gefahren getrotzt, um einen Dolch zu fürchten.« – »Gefahr und Tod sind nahe!« erwiderte der Seher, dessen Stimme einen gespensterhaften Klang annahm; »und auf den Tod folgt das Gericht!«
»Ehrwürdiger Vater,« sprach der König, »ohne Euch das Recht der Sorge für unser Gewissen streitig zu machen, solltet Ihr, dünkt mich, Euch mit der Sorge für unsere Ehre besser nicht befassen.« – »Ich bin nur die Glocke in der Hand des Küsters,« sagte der Eremit, »die, seine Befehle kündet ... auf meinen Knien bitte ich Dich, übe Mitleid gegen die Christenheit, England, Dich selbst!« »Steh auf!« sagte Richard, »ein Knie, das sich so häufig vor Gott beugt, soll nicht einem Menschen zu Ehren den Boden berühren. Sprich, was für Gefahr droht uns, ehrwürdiger Vater?« – »Ich sah von meinem Berge das Sternenheer des Himmels, sah, wie in seinem mitternächtlichen Kreislauf ein Stern dem andern Weisheit, doch Wissen nur den wenigen, die ihre Stimme verstehen, offenbarte. Im Hause Deines Lebens, König, sitzt ein Feind, der Deinem Rufe und Deiner Wohlfahrt nachstellt.« – »Bleib mir damit vom Halse!« rief der König, »das ist heidnische Wissenschaft, – die von Christen nicht geübt wird, und an die weise Männer nicht glauben. Aber, Du faselst!«
»Ich fasele nicht, Richard. Ich bin der Blinde, der andern die Fackel trägt, obgleich sie ihm selbst nicht leuchtet. Frag nicht nach allem, was das Heil der Christenheit und dieses Kreuzzuges anlangt, und ich will mit Dir sprechen, wie der weiseste Ratgeber. Sprich dagegen mit mir von meinem eigenen elenden Dasein, und meine Worte werden dem Munde des verstoßenen Wahnsinnigen gehören, als den ich mich bekenne.« – »Es sollte mir fern liegen, die Bande der Einigkeit unter den Fürsten des Kreuzzuges zu stören,« erwiderte Richard sanfter. »Aber welche Genugtuung gewähren sie mir für die erlittene Schmach?«
»Der Fürstenrat ist willens, Eure Forderungen, soweit es möglich ist, zu erfüllen, noch ehe Ihr sie stellt,« versetzte der Eremit. »Das englische Banner soll auf St. Georgenberg wieder aufgepflanzt werden. Mit Bann und Verdammnis sollen die Verbrecher belegt werden, die sich an ihm vergangen haben, und demjenigen, der den Schuldigen nachweist, dessen Fleisch den Wölfen und Raben vorgeworfen werden soll, wird königliche Belohnung verheißen.« – »Und Oesterreich,« sagte Richard, »auf dem so starker Verdacht ruht, der Urheber zu sein?« – »Um Zwietracht unter dem Kreuzheere vorzubeugen,« entgegnete der Einsiedler, »wird Oesterreich sich selbst von dem Verdacht reinigen, indem es sich jedem Gottesurteil unterwirft, das der Patriarch von Jerusalem ihm auferlegt.« – »Durch Zweikampf?« fragte König Richard. – »Daran verhindert ihn sein Eid,« versetzte der Eremit, »zudem wird der Fürstenrat – « »Nie den Kampf wider die Sarazenen, noch gegen sonst jemand genehmigen,« unterbrach ihn Richard. »Doch genug davon, Vater, ich will den Erzherzog selbst meineidig machen, ich will auf dem Gottesurteil bestehen. Wie will ich lachen, wenn seine plumpen Finger zischen, sobald er die rotglühende Eisenkugel ergreift! oder wenn er den prahlerischen Mund öffnet und seine Kehle schwillt, indem er die geweihte Hostie zu kosten versucht!« – »Still, Richard,« sagte der Einsiedler. »Schweigt aus Scham, wenn nicht aus christlicher Liebe. Wer soll Fürsten preisen und ehren, die selbst einander schmähen und verleumden?« Er blieb einige Augenblicke sinnend stehen, die Augen auf den Boden geheftet. Dann fuhr er fort: »Aber der Himmel, der unsere unvollkommene Natur kennt, hat das blutige Ende Deines Lebens, wenn nicht abgewandt, doch hinausgeschoben. Der Würgengel stand still, das Schwert ist gezückt in seiner Hand, und in kurzem wird er den löwenherzigen Richard dem niedrigsten Bauern gleich machen.« – »Sobald schon?« rief Richard. »Doch es sei! Wenn mein Lebenslauf nur glänzend war, so mag er immerhin kurz gewesen sein!«
»Ach, edler König,« entgegnete der Einsiedler, und eine Träne, ein ungewohnter Gast, schien in seinem vertrockneten, glänzenden Auge zu schimmern. »Kurz und trübe, bezeichnet mit Erniedrigung, Not und Gefangenschaft, ist die Spanne, die Dich vom gähnenden Grabe trennt, in das Du steigen wirst ohne Nachkommen, unbeweint von einem durch endlose Kriege erschöpften Volke, dessen Bildung Du nicht vermehrt, dessen Glück Du nicht gefördert hast.« – »Doch nicht ohne Ruhm, Mönch! und nicht unbeweint von der Dame meines Herzens,« rief Richard.
»König von England,« rief der Eremit, »das Blut, das in Deinen blauen Adern siedet, ist um nichts edler als das in den meinigen fließt, denn es sind Tropfen drin vom königlichen Lusignan, vom Blute des heldenmütigen, frommen Gottfried. Ich bin, das heißt, ich war, als ich in der Welt lebte, Alberich Montemar.« – »Dessen Taten so oft die Posaunen des Ruhmes verkündeten?« rief Richard. »Kann dies sein? Konnte ein Stern, wie der Deinige, vom Horizont der Ritterschaft fallen? Und noch war man ungewiß, wo Deine Asche ruhe?« – »Suche einen gefallenen Stern,« sagte der Einsiedler, »und Du wirst nur eine träge Masse finden, die, durch den Horizont schießend, momentan einen scheinbaren Glanz annahm. Richard, wüßte ich, daß Dein stolzer Geist sich dann der Kirchenzucht unterwürfe, so würde ich den blutigen Schleier von meinem schrecklichen Schicksal hinwegziehen. So höre denn, Richard! mögen Kummer und Verzweiflung, die diesen armseligen Ueberresten eines ehemaligen Mannes nicht helfen können, als kräftiges Beispiel wirken für ein edelmütiges und doch so ungestümes Wesen, wie Dich. Ich will die lang verborgenen Wunden aufreißen, und sollten sie sich auch in Deiner Gegenwart verbluten!«
König Richard, auf den die Geschichte Alberichs von Montemar in früheren Jahren, als in den Hallen seines Vaters die Sagen der Minstrels vom heiligen Lande erklangen, tiefen Eindruck gemacht hatte, horchte ehrfurchtsvoll auf eine Lebensgeschichte, die, wenn auch dunkel und unvollkommen, doch zur Genüge den halben Wahnsinn dieses unglücklichen Menschen beleuchtete.
»Daß ich edel von Geburt, reich an Glücksgütern, bewandert in der Führung der Waffen und einsichtsvoll im Rat war,« hub er an, »darf ich wohl als bekannt voraussetzen. Allein während in Palästina die edelsten Frauen wetteiferten, meinen Helm mit Blumen zu zieren, war mein Herz einem Mädchen von niedrigem Range zugewendet. Ihr Vater, ein alter Kreuzfahrer, sah, bei dem Abstande zwischen uns, für die Ehre seiner Tochter keine andere Zuflucht als das Kloster. Ich kehrte, beladen mit Beute und Ruhm, aus fernem Lande heim und fand mein Lebensglück vernichtet. Nun trat auch ich in ein Kloster. Der Ehrgeiz trieb mich auch hier, und ich stieg auf zu hohen Würden, wurde zu meinem Unglück auch Beichtvater von Klosterschwestern, und unter ihnen fand ich die lang Geliebte, die lang Verlorene. Erspare mir das weitere Bekenntnis! Eine gefallene Nonne, deren Sünde durch Selbstmord gerächt ward, schlummert in Engaddis Grüften, und über ihrem Grabe jammert ein Mensch, dem nur so viel Verstand geblieben, sein Elend in voller Größe zu fühlen.« – »Unglücklicher!« rief Richard. »Aber wie entgingst Du dem Verdammungsurteil, das die strengen Gesetze der Kirche über Deine Sünde verhängen?«
»Richard, ich sage Dir,« rief der Eremit, »die Vorsehung hat mich erhalten, daß ich wie ein Feuer auf einem Leuchtturm brenne, dessen Asche noch in den Abgrund der Hölle geworfen werden muß. Meine armselige Gestalt beseelen noch zwei geistige Kräfte: eine tätige Kraft, die der nacheifert, die Sache der Kirche von Jerusalem zu schützen, und eine niedrige, verzweifelnde Kraft, die, zwischen Wahnsinn und Elend schwankend, über meine Sünde trauert und über die sterblichen Reste einer Heiligen wacht, ohne daß sie ausreichte, auch nur einen Blick auf dieselbe zu werfen. Beklage mich nicht! denn das wäre Sünde, aber lerne an meinem Beispiel. Du stehst am höchsten; Dein Herz ist stolz, Dein Leben wild, Deine Hand blutig. Wirf die Sünden, die Dich Töchtern gleich umgeben, von Dir! Treib diese Furien aus Deiner Brust, so da heißen: Stolz, Ueppigkeit, Blutdurst!«
»Er rast!« rief Richard, sich von dem Einsiedler zu Thomas von Baux wendend, wie jemand, den der Spott schmerzt, wenn er ihn auch nicht unterdrücken kann – dann aber richtete er das Wort wieder an den Eremiten: »Ehrwürdiger Vater, Du hast ja einem Mann, der erst wenige Monate vermählt ist, eine herrliche Töchtersippe ausgesucht. Solchem Vater ziemt es doch, für gute Partien zu sorgen. Darum sei mein Stolz den hohen Domherren der Kirche, meine Ueppigkeit den Mönchen, mein Blutdurst den Tempelrittern vermählt.«
»O, über dies Herz von Stahl Und diese Hand von Eisen!« rief der Anachoret, »o wehe dem Menschen, bei dem Beispiel und Rat fruchtlos sind! Doch noch eine Zeitlang sollst Du geschont werden, sofern Du umkehrst und tust, was Gott angenehm ist. Ich aber muß an den Ort meiner Verbannung zurück. – Kyrie Eleison!« Mit diesem mehrmals wiederholten Ausruf stürzte er aus dem Zelte.
»Ein wahnsinniger Pfaffe!« rief Richard, in dessen Gemüt die fanatischen Aeußerungen des Eremiten den Eindruck seines Unglücks verwischt hatten. »Doch lauf ihm nach, Thomas von Baux, und sorge, daß er keinen Schaden nimmt; daß kein Kreuzfahrer Spott mit ihm treibt.«
Der Ritter gehorchte, und Richard hing den Gedanken nach, die durch die wilde Prophezeiung des Mönches in ihm geweckt worden waren. »Frühzeitig sterben, ohne Nachkommenschaft, und unbeweint? Ein strenges Urteil! Gut, daß es von keinem urteilsfähigen Richter kommt! Schade, daß ich vergessen habe, ihn über den Verlust meines Banners zu befragen! Nun, Thomas von Baux, was gibts Neues von dem tollen Priester?« – »Mich dünkt,« entgegnete Thomas, der eben wieder in das Zelt eingetreten war, »er gleicht mehr Johannes dem Täufer, als er aus der Wüste kam, als einem tollen Priester! Er hat sich auf eine Kriegsmaschine gesetzt und predigt den Soldaten, wie seit Peter, dem Eremiten, keiner gepredigt hat. Das ganze Lager ist durch sein Geschrei erregt, und tausende drängen sich um ihn. Jeder der verschiedenen Nationen redet er in ihrer eignen Sprache an und sucht sie zur Beharrlichkeit in der Befreiung Palästinas zu entflammen.«
»Beim Himmel, ein edler Eremit,« rief da König Richard. »Aber was ließ sich anders von Gottfrieds Blut erwarten! Er zweifelt an seiner Seligkeit, weil er in der Jugend seiner Liebe gelebt hat. Ich will ihm vom Papst einen Ablaßbrief verschaffen, und wenn seine Schöne auch eine Aebtissin gewesen wäre.«
Da ließ sich der Erzbischof von Tyrus melden, um König Richard in den Rat der Fürsten zu bitten.
Achtzehntes Kapitel
Wenn auch der Erzbischof von Tyrus noch immer der beste Botschafter war, um Richard Löwenherz Nachrichten zu überbringen, die ihn sonst leicht in schlimmste Wut hätten setzen können, so fiel es doch selbst diesem ehrwürdigen und weitsichtigen Kirchenfürsten recht schwer, ihm begreiflich zu machen, daß er alle Hoffnung aufgeben müsse, das heilige Grab mit Waffengewalt wiederzuerobern, seit Sultan Saladin die Macht seiner hundert Stämme aufgeboten hatte und die europäischen Fürsten, an und für sich wider den Feldzug gestimmt, zu dem Entschlusse gelangt waren, denselben aufzugeben. Bestärkt wurden sie hierin durch das Beispiel Philipps von Frankreich, der zufolge der Erkrankung Richards rundweg erklärt hatte, nach Frankreich zurückzukehren, und zwar im Einverständnis mit seinem Hauptvasall, dem Grafen von Champagne. Auch Leopold von Oesterreich, eingedenk der ihm vom englischen Könige von England zugefügten Beschimpfung, hatte sich ihnen mit Freuden angeschlossen, gleich vielen anderen, die sich über Richards Hochmut ärgerten. Und so sah sich dieser, wenn er sich zum Bleiben entschloß, nur auf die zweifelhafte Hilfe Konrads von Montserrat und der Templer und Johanniter angewiesen, die zwar den Kampf gegen die Sarazenen gelobt hatten, aber jeden europäischen Fürsten, der die Eroberung Palästinas unternahm, wo sie unabhängige Reiche für sich gründen wollten, mit kleinlicher Eifersucht verfolgten.
»Ich gebe zu,« erklärte Richard mit schwermütigem Lächeln, »daß mein Temperament viel geschadet hat; aber ist es nicht hart, daß ich deshalb auf allen Ruhm vor Gott und der Ritterschaft verzichten soll? Doch das soll nicht sein! Denn, bei der Seele des Siegers! ich will das Kreuz auf die Türme von Jerusalem pflanzen, oder es soll auf Richards Grabe stehen!« – »Es ist Ruhm genug geerntet,« erwiderte der Erzbischof, »wenn Saladin, durch die Gewalt der Waffen und durch Euer Ansehen gezwungen, sich verpflichtet, das heilige Grab herzustellen, das heilige Land den Pilgern zu öffnen, Sicherheit durch starke Festungen zu gewähren und Bürgschaft für die Sicherheit der heiligen Stadt zu leisten durch Einsetzung König Richards zum Schirmvogt über Jerusalem.« – »Wie?« rief Richard mit funkelndem Auge, » – ich – ich Schirmvogt der heiligen Stadt? Kein Sieg könnte höheren Gewinn verleihen! Aber Saladin will sich Rechte vorbehalten im heiligen Lande?« – »Als verbündeter Souverän,« antwortete der Prälat, »als Richards Verwandter und Bundesgenosse – «
»Ah, mein – Verwandter?« wiederholte Richard, doch nicht erstaunt in dem Grade, als es der Prälat erwartet hatte. »Ha! – Edith Plantagenet? Hat mir davon geträumt oder ist mir schon etwas zu Ohren gekommen? Der Kopf ist mir noch schwer vom Fieber – « – »Der Einsiedler von Engaddi,« erklärte der Erzbischof, »hat sich mit unsern Angelegenheiten viel befaßt und, seit Unzufriedenheit unter den Fürsten ausgebrochen, viele Beratungen mit Christen und Heiden gepflogen, um diesen Ausgleich zu bewerkstelligen, durch den der Christenheit zum wenigsten einiger Erfolg gesichert wird.«
»Ich soll meine Base an einen Ungläubigen verheiraten?« sagte Richard, aber nicht in einem Tone, als ob ihn solches Ansinnen allzu tief verletzte ... »Hätte ich mir das wohl träumen lassen, als ich aus meiner Galeere an die syrische Küste sprang, wie ein Löwe nach seiner Beute? Aber fahre fort; ich will ruhig zuhören.«
Ebenso erfreut wie verwundert, seine Aufgabe um so viel leichter zu finden, als er gerechnet hatte, beeilte sich der Erzbischof, dergleichen Ehebündnisse zu nennen, die mit päpstlicher Lizenz zum Vorteil der Christenheit von spanischen Geschlechtern eingegangen worden waren. »Ist Saladin willens, sich taufen zu lassen?« fragte Richard. »In diesem Falle lebt kein König auf Erden, dem ich die Hand meiner Base lieber gäbe als meinem edlen Saladin – « – »Saladin hat unsere Prediger gehört,« erklärte der Bischof ausweichend; »zudem ist der Eremit von Engaddi, aus dessen Munde selten ein Wort fällt, das sich nicht bewahrheitet, überzeugt, daß ein Aufruf der Sarazenen und der anderen Heiden erfolgen wird, wozu diese Ehe gewissermaßen als Prämisse zu betrachten ist.«
»Ich weiß nicht, wie mir zu Mute ist,« sagte König Richard. »Aber es kommt mir vor, als hätten die christlichen Fürsten mit ihren nüchternen Beratungen auch meinen Geist eingeschüchtert. Es gab eine Zeit, wo ich einen Laien, der mir solches Bündnis angesonnen hätte, zu Boden geschlagen, einen Geistlichen wie einen Renegaten oder Baalspfaffen angespuckt hätte ... Jetzt aber klingt der Antrag meinem Ohr nicht fremd; denn warum sollte ich nicht Brüderschaft machen mit einem Sarazenen, der so brav, gerecht, edelmütig ist wie Saladin? Doch einen Versuch will ich noch machen, meine Waffenbrüder zusammenzuhalten, und schlägt auch dieser fehl, Herr Erzbischof, dann sprechen wir weiter von dem Antrage, den ich vorderhand weder annehme, noch verwerfe. Begeben wir uns zur Ratsversammlung – die Stunde ruft! Richard, sagst Du, sei hitzig und stolz; Du sollst sehen, wie er sich selbst erniedrigt, gleich dem kriechenden Ginster, von dem er den Beinamen hat.«
Nur im Wams und Mantel von dunkler Farbe, ohne ein Abzeichen seiner königlichen Würde, außer dem goldnen Reif auf dem Haupte, eilte er mit dem Erzbischof zum Fürstenrate, der nur auf seinen Eintritt wartete, um die Sitzung zu beginnen. In einem geräumigen Zelte, vor welchem das große Kreuz-Banner aufgepflanzt war, hatten sich die fürstlichen Teilnehmer des Kreuzzuges versammelt, und ob sie auch übereingekommen waren, ihn in den Grenzen kalten Zeremoniells zu begrüßen, so riß sie doch der Anblick seiner edlen Gestalt und seines von der eben überstandenen Krankheit noch etwas bleichen fürstlichen Antlitzes mit dem hellen, blauen Augenpaare dermaßen hin, daß sie sich sämtlich erhoben, der eifersüchtige König von Frankreich und der finstere Erzherzog von Österreich nicht ausgeschlossen, und einstimmig riefen: »Gott erhalte den König von England! Lange lebe der tapfere Richard Löwenherz!«
Mit einem Antlitz, frei und hell, wie die Sonne, zollte Richard seinen Dank und gab seiner Freude Ausdruck, endlich wieder in der Versammlung seiner königlichen Brüder und Teilnehmer am Kreuzzuge erscheinen zu können.
»Der heutige Tag ist ein großer Festtag der Kirche,« sprach er, »und es geziemt sich wohl für die Christen, zu solcher Zeit sich untereinander zu versöhnen. Edle Fürsten! Väter dieses heiligen Feldzuges! Richard ist Soldat, sein Arm ist rascher als seine Zunge – und seine Zunge gewöhnt an rauhe Sprache. Gebt aber darum nicht die edle Sache der Befreiung Palästinas auf! Setzt deshalb nicht irdischen Ruhm und ewige Seligkeit hintenan! Hat Richard gegen einen von Euch gefehlt, so wird er es durch Wort und Tat gut machen. – Edler Philipp von Frankreich, hat es mein Unstern gefügt, Euch zu beleidigen?« – »Frankreichs Majestät hat keine Aussöhnung mit England vonnöten,« erwiderte Philipp, mit königlicher Würde die dargebotene Hand Richards nehmend. »Welcher Ansicht ich mich betreffs der Weiterführung dieses Unternehmens zuneige, hängt vom Zustande meines eigenen Reiches ab, nicht aber von Eifersucht oder Abneigung gegen meinen heldenmütigen Bruder von England.«
»Oesterreich,« sagte Richard, dem Erzherzoge mit Freimütigkeit und Würde entgegengehend, während dieser wie unwillkürlich sich von seinem Sitze erhob, »Oesterreich meint, von England beleidigt zu sein, England hingegen glaubt, Ursache zur Klage über Oesterreich zu haben... Mögen sie sich gegenseitig pardonnieren, um die Einmütigkeit im Heere der Kreuzfahrer aufrecht zu erhalten .. sind wir doch jetzt Beschützer einer weit glorreicheren Fahne, als sie sich jemals für einen irdischen Fürsten entfaltet hat! Leopold möge, wenn es in seiner Macht steht, das Banner Englands wiederherstellen, und Richard wird aus Liebe zur heiligen Kirche einbekennen, daß es ihn reue, im Jähzorn Oesterreichs Banner verletzt zu haben.«
Düster und mißvergnügt, den Blick zu Boden gesenkt, stand Leopold da; der Patriarch von Jerusalem beeilte sich, das beängstigende Schweigen zu brechen, indem er erklärte, der Erzherzog von Oesterreich habe sich durch einen feierlichen Eid von dem Verdacht gereinigt, von dem auf Englands Banner unternommenen Angriff irgend welche mittel- oder unmittelbare Kenntnis zu haben.
»So haben wir dem edlen Erzherzog unrecht getan,« sprach Richard, »und reichen ihm die Hand zum Zeichen erneuter Eintracht und Freundschaft. – Doch, was ist das? Schlägt Oesterreich unsere offene Hand aus, wie vordem unsern Handschuh? Sollen wir weder seine Freunde im Frieden, noch seine Gegner im Kriege sein? Wohlan, es sei so! Wir nehmen die geringe Achtung, die er uns bezeigt, hin als Strafe für unser heißes Blut und halten die Rechnung zwischen uns hiermit für ausgeglichen.«
Mit einer Miene, in der Würde und Verachtung zum Ausdruck kam, wandte er dem Oesterreicher den Rücken .. »Edler Graf von Champagne, gefürchteter Marquis von Montserrat, tapferer Großmeister der Tempelherren, ich frage hier, gleichsam als Beichtkind im Beichtstuhl, hat einer von Euch Grund zur Beschwerde? Fordert jemand von mir Genugtuung?« – »Ich wüßte nicht, worauf wir sie gründen sollten,« versetzte Konrad von Montserrat, »als etwa darauf, daß der König von England seinen Waffenbrüdern allen Ruhm vorwegnimmt.«
»Meine Beschwerde,« nahm der Großmeister das Wort, »liegt tiefer. Es könnte vielleicht einem kriegerischen Mönch, wie mir, verdacht werden, daß er seine Stimme erhebt, wenn so viele edle weltliche Fürsten schweigen. Allein es ist für unser ganzes Heer von Wichtigkeit, daß Richard die Beschwerden, die in seiner Abwesenheit gegen ihn erhoben wurden, laut vernehme .. Richards Mut loben wir alle, aber schmerzlich empfinden wir alle, daß er bei allen Gelegenheiten den Vorrang beansprucht. Aus freiem Willen ließe sich seiner Tapferkeit, seinem Eifer, Reichtum und seiner Macht vieles einräumen; so aber würdigt er uns in den Augen unsrer Gefolgschaft herab und befleckt den Glanz unseres Ansehens. König Richard hat gefordert: es kann ihn mithin weder wundern noch kränken, wenn er von jemand, dem irdischer Glanz untersagt ist, und dem weltliches Ansehen nichts gilt, Wahrheit vernimmt.«
Richard errötete ob dieser unerschrockenen Worte des Templers; aber der Beifall, der von allen Seiten her gemurmelt wurde, bewies ihm, daß dessen Vorwürfe für gerecht erachtet wurden. Darum sprach der König mit Fassung, doch nicht ohne Bitterkeit, besonders zu Anfang: »Ist dem wirklich so? Ich hätte doch nie geglaubt, daß zufällige, unabsichtliche Kränkungen so tiefe Wurzeln schlagen könnten in Herzen von Männern, die sich verbündet haben zu solch heiliger Sache! ja, daß man um meinetwillen den geraden Pfad nach Jerusalem verlassen sollte, den unsre Schwerter eröffneten. Vergebens habe ich mir vorgeredet, meine Dienste würden alles andere ausgleichen, es würde etwas gelten, daß ich nie Beute nahm, und doch weder mein eigenes, noch meines Volkes Blut schonte ... Doch glaubt mir, Brüder, nicht Stolz, Zorn oder Ehrgeiz sollen mir Anstoß sein auf dem Wege, zu welchem die Religion uns mit der Posaune des Erzengels auffordert ... Nein! Nie sollen Schwachheiten und Fehler schuld sein, dies edle Fürstenbündnis zu trennen. Freiwillig will ich jedes Recht aufgeben, dem Kriegsheer zu befehlen. Ihr selbst mögt den Fürsten bestimmen, der Euer Anführer in diesem Feldzuge sein soll, und ich werde mich rückhaltslos Eurer Wahl unterordnen ... Seid Ihr aber dieses Krieges müde, so laßt mir zehn- bis fünfzehntausend Krieger da, unser aller Gelübde zu lösen. Und wenn Zion gewonnen ist,« hier streckte er die Hände empor, gleichsam die Kreuzfahne über Jerusalem entfaltend, »dann soll über seinen Thron nicht Richard von Plantagenet seinen Namen setzen, sondern all die hochherzigen Fürsten, die ihn mit Mitteln zur Eroberung versahen.«
Die ungekünstelte Beredsamkeit des kriegerischen Monarchen regte den gesunkenen Mut der Kreuzfahrer wieder auf; und ein Auge entflammte das andere, eine Stimme lieh der andern Mut. Alle stimmten das Kriegsgeschrei wieder an, von welchem die Predigt Peters, des Eremiten, widerhallte: »Führe uns an, ritterlicher Löwenherz! Führe uns nach Jerusalem! Heil dem, dessen Arme Gott die Kraft lieh, das Werk zu erfüllen!«
Jubelgeschrei von außen erhöhte die im Zelte entstandene Begeisterung. Im ganzen Kreuzfahrerlager hallte der Ruf nach Krieg und Sieg wider, und in wessen Herz die Flamme nicht mit gezündet hatte, der scheute sich doch, kälter zu erscheinen, als die übrigen. Zu ihnen gehörten Konrad von Montserrat und der Großmeister der Tempelherren, die mißmutig über die Ereignisse des Tages in ihre Quartiere zurückkehrten ...
»Hab ich nicht immer gesagt,« meinte der letztere, »daß Richard durch alle noch so schlau gestellten Fallen schlüpfen werde? er braucht nur zu sprechen, so bewegt sein Atem diese wankelmütigen Toren, wie ein Wirbelwind zerstreutes Stroh zusammentreibt und auseinanderfegt.« – »Wenn er zu blasen aufhört,« entgegnete Konrad, »so sinkt das Stroh wieder zu Boden.« – »Aber weißt Du nicht,« sagte der Templer, »daß Richard, wenn auch allem Anschein nach dieser neue Eroberungsplan wieder verrauchen wird, sobald die Fürsten wieder der Eingebung ihres eigenes Gehirns folgen, doch wahrscheinlich König von Jerusalem werden und den Vergleich mit dem Sultan schließen wird, den Du ihm selbst vorschlugst?« – »Du meinst also,« rief Konrad, »der stolze König von England werde sein Blut mit einem heidnischen Sultan vermischen? Ich brachte diesen Punkt ja nur in Vorschlag, um ihm den ganzen Vertrag unsympathisch zu machen. Ob er Herr über uns ist durch Uebereinkunft oder Sieg, kann uns gleich sein.« – »Deine Politik hat sich verrechnet, Marquis Konrad, und Dein Witz fängt an zu hinken. Ich mag von Deinen feingesponnenen Ränken hinfort nichts mehr wissen, sondern will mein Heil selbst versuchen. Kennst Du die Sekte, die die Sarazenen Charegiten nennen?« – »Allerdings,« erwiderte der Marquis; »es sind verzweifelte Schwärmer, die ihr Leben der Religion widmen, eine Art von Tempelherren, aber bekannt als zähe in der Durchführung ihrer Pläne.« – »Scherze nicht!« entgegnete der mürrische Mönch, »einer von ihnen hat gelobt, den Inselkönig als Hauptfeind des muselmännischen Glaubens niederzuhauen.« – »Das ist ja einmal ein Heide, der Gerechtigkeit liebt und übt,« rief Konrad. »Gebe ihm Mohammed zur Belohnung sein Paradies!« – »Ein Waffenträger unsers Ordens hat ihn gefangen genommen und zum Geständnis gebracht.« – »Nun, der Himmel möge es denen verzeihen, die ihm so in den Kram gepfuscht haben!« sagte Konrad. – »Er ist mein Gefangener,« ergänzte der Templer seine Mitteilung, »er ist mundtot, wie ich Dir nicht erst zu sagen brauche, aber Gefängnisse sind erbrochen worden – «
»Und Gefangene entsprungen,« unterbrach ihn Montserrat; »es gibt eben bloß einen sichern Kerker, und der ist das Grab.« – »Ist unser Mann frei, so beginnt er sein Spiel von neuem; denn diese Bluthunde verlieren die Spur ihrer Beute niemals.« – »Nichts mehr davon!« rief der Marquis. »Ich durchschaue Deine schändliche Politik; aber die Not ist ihre Mutter.« – »Ich unterrichte Dich nur davon, damit Du auf Deiner Hut bist, denn es wird einen wilden Aufruhr setzen, und ich weiß nicht, an wem die Engländer ihre Rache nicht ausüben würden. – Aber noch eine andere Gefahr ist zu erwähnen,« fuhr der Templer fort, »mein Page kennt die Geheimnisse dieses Charegiten, zudem ist er ein verdrießlicher, eigensinniger Tor, von dem ich mich gern befreite, denn er ist mir oft im Wege und sieht dort mit eigenen Augen, wo er nur mit den meinigen sehen sollte. Doch unser heiliger Orden gibt mir die Macht, dieser Unbequemlichkeit ein Ziel zu setzen. Der Sarazene braucht nur einen guten Dolch in seinem Zelte zu finden, und wird sich seiner, wenn er hervorbricht, bedienen, dafür stehe ich, und zwar, wenn der Page mit seiner Kost bei ihm eintritt.« – »Er gibt der Sache freilich einigen Anstrich,« meinte Konrad, »wenn aber – «
»Wenn und Aber,« entgegnete der Templer rasch, »sind Narrenworte. Der Weise kennt weder Bedenklichkeit noch Rücktritt, sondern beschließt und handelt.«
Neunzehntes Kapitel
König Richard, der von diesem gegen ihn im Werke befindlichen schwarzen Verrat nicht die geringste Ahnung hatte, hatte es zunächst erreicht, daß die Fürsten unter den Kreuzfahrern sich für die Weiterführung des Krieges erklärten. Was ihm nun zunächst am Herzen lag, war die Ermittelung der Umstände, die den Verlust seines Banners veranlaßt hatten und die Feststellung der zwischen seiner Frau und dem verbannten schottischen Abenteurer bestehenden Beziehungen.
Die Königin wurde durch einen Besuch Thomas von Vaux' in nicht geringen Schrecken gesetzt, zumal er Lady Caliste von Montgaillard, die erste Kammerfrau, augenblicklich zum König führen sollte.
»Was soll ich denn bloß sagen?« fragte Caliste zitternd die Königin. »Er bringt uns sicher alle um.« – »Habt keine Bange,« sagte Thomas von Vaux. »Der König hat dem schottischen Ritter das Leben gelassen, der ihn doch schwer beleidigt hatte; wie sollte er so strenge verfahren gegen ein weibliches Wesen, wenn es sich auch vergangen hat?« – »Erdenke Dir eine Mär, Caliste,« sagte Berengaria. »Mein Gemahl hat ja doch nicht Zeit, die Sache zu untersuchen.« – »Rede die Wahrheit,« mahnte Edith, »sonst tue ich's.« – »Mit gnädigster Erlaubnis,« sagte Thomas von Vaux, »dieser Rat ist gut; denn König Richard dürfte doch in diesem besonderen Fall sehr scharf erwägen und prüfen.« – »Lord Gilsland hat recht,« sagte Lady Caliste in großer Unruhe wegen des Verhörs, das ihr bevorstand, »und wenn ich auch Phantasie genug hätte, eine leidliche Mär zu ersinnen, würde es mir doch an Mut fehlen, sie zu erzählen.«
Lady Caliste wurde vom Ritter Vaux vor den König geführt. Ganz, wie sie sich vorgenommen hatte, gab sie eine genaue Schilderung, auf welche Weise es geschehen war, daß der unglückliche Leoparden-Ritter seinen Posten verlassen hatte. Lady Edith energisch in Schutz nehmend, wälzte sie die ganze Last auf die Königin, die ja auch die meiste Aussicht hatte, Verzeihung beim Könige zu finden, der viel zu verliebt war, seiner Gemahlin etwas abzuschlagen. Es war auch gar nicht seine Absicht, streng über Dinge zu richten, die sich nicht mehr ändern ließen, und Lady Caliste, von frühester Jugend mit Hofintriguen vertraut, wußte schnell, wie der König dachte, und flog schnell zur Königin zurück mit der Meldung, daß sie bald seinen Besuch zu erwarten habe.
»Kommt der Wind aus dieser Gegend, Caliste?« rief die Königin heiter. »Nun, aus dieser Sache als Sieger hervorzugehen, wird dem König nicht eben leicht sein.«
Berengaria machte aufs geschmackvollste Toilette und wartete nun auf Richards Erscheinen, das nicht lange auf sich warten ließ. Sie kannte die Macht ihrer Reize und die Größe von Richards Liebe. Statt den Vorwürfen, die ihr der König mit Recht machte, irgendwelches Gewicht beizulegen, nahm sie den ganzen Fall als Lappalie, redete ihm als losem Scherze obendrein das Wort und stellte durchaus nicht in Abrede, Nectabanus zu dem Ritter Kenneth auf den Georgsberg geschickt zu haben mit dem Befehle, ihn in ihr Zelt zu führen. Sie schluchzte und weinte, daß ein bloßer Scherz eine so ernste Wendung genommen habe, die sie ihr Leben lang unglücklich gemacht hätte, wenn sie sich als Urheberin solches Trauerspiels hätte ansehen müssen. König Richard nahm umsonst zu Vernunftgründen seine Zuflucht; die Eifersucht raubte der Königin alle Fähigkeit, darauf zu hören, und als er nun sagte, sie hätte zu Eifersucht ganz und gar keinen Grund, fing sie bitterlich zu weinen an. Vollständig aber verdarb er es bei ihr, als er sie erinnerte, daß sie gar keine Ursache habe, ihm böse zu sein, da Ritter Kenneth lebe und wohlbehalten dem berühmten arabischen Arzte übergeben worden, sei, denn es müsse sie, rief sie, doch kränken, daß ein Sarazene ein Geschenk habe erhalten können, um das sie ihren Gemahl knieend gebeten hätte, ohne ihn erweichen zu können. Damit fand die eheliche Zwietracht ihr Ende; König und Königin wälzten nun alle Schuld auf den Zwerg Nectabanus, dem mit seiner Gemahlin Genievra der Aufenthalt bei Hofe verboten wurde. König Richard beschloß außerdem, die beiden Zweige als Raritäten dem Sultan Saladin zum Geschenk zu machen, wenn demselben der Beschluß des Fürstenrats, den Krieg fortzusetzen, überbracht würde.
Es war nun der vierte Tag, seit Ritter Kenneth aus dem Lager entfernt worden war, als König Richard in seinem Zelte saß und sich an der kühlen Abendluft labte. Niemand war bei ihm. Thomas von Vaux war nach Askalon gesandt worden, die Kriegsmunition zu ergänzen. Sein übriges Gefolge war mit Maßregeln zur Heeresmusterung befaßt, die am nächsten Tage stattfinden sollte. Da meldete ein Stallmeister, daß draußen ein Abgesandter Saladins warte.
»Laß ihn augenblicklich herein, Just,« sagte der König. Der Stallmeister führte nun eine Person herein, die dem Anschein nach keinen höheren Rang bekleidete, als den eines nubischen Sklaven, dessen Aeußeres aber nichtsdestoweniger höchst interessant war. Sein Wuchs war prächtig, seine Gestalt edel, und die gebietenden Züge, wiewohl von gelblich schwarzer Farbe, verrieten keine Abkunft von Negern. Sein krauses, kohlschwarzes Haar schmückte ein milchweißer Turban, die Schultern bedeckte ein ebensolcher Mantel, der vorn und an den Aermeln offen war. Darunter saß ein Unterkleid aus gegerbten Leopardenfellen, das, eine Handarbeit, übers Knie reichte. Arme und Beine waren nackt, an den Füßen trug er Sandalen; auch schmückten ihn silbere Armspangen und ein silbernes Halsband. Bewaffnet war er mit einem breiten Schwert, das am Gürtel hing, einem kurzen Speer, den er in der Rechten hielt, und mit der linken Hand führte er an einer aus Seide und Gold gedrehten Leine einen großen, edlen Jagdhund.
Zum Zeichen der Demut einen Teil seiner Schulter entblößend, warf er sich nieder und berührte die Erde mit der Stirn. Knieend überreichte er dem König ein seidenes Tuch, in welchem ein anderes von Goldstoff lag, und in dem letzteren lag ein Schreiben Saladins in arabischer Sprache, nebst einer Uebersetzung in das Normannisch-Englische, die in unserer Sprache etwa so lautete:
Saladin, König der Könige, an Melech Rik, den Löwen von England. Die letzte Botschaft aus Eurem Lager hat uns gekündet, daß Du den Krieg dem Frieden vorziehst, und lieber Unsere Feindschaft als Unsere Freundschaft suchst. Daraus erkennen Wir, daß Du verblendet bist, und daß es Uns obliegen muß, Dich von Deinem Irrtum durch Unsere unüberwindliche Macht der tausend Stämme zu überzeugen. Nichtsdestoweniger gedenken Wir Deiner in allen Ehren, nicht minder der Geschenke, die Du Uns gesandt hast, von denen Uns am meisten die zwei Zwerge in ihrer an Aesop gemahnenden Häßlichkeit und ihrer Unsere Bajaderen übertreffenden Lustigkeit gefallen Haben. In Erwiderung dieser Geschenke senden Wir Dir den nubischen Sklaven, Zohauk mit Namen, den Du aber nicht, gleich vielen Toren auf dieser Erde, nach seiner Farbe beurteilen sollst. Denke vielmehr, daß den ausgesuchtesten Geschmack die schwarzschaligen Früchte haben. Wisse, daß er den Willen seines Herrn prompt erfüllt, auch ist er weise genug, Dir zu raten, falls Du mit ihm verkehren willst, denn der Herr der Sprache hat ihn in seinem Palaste dem Stillschweigen unterworfen. Wir empfehlen ihn Dir und Deiner Fürsorge und rechnen, daß die Stunde nicht fern sein werde, in der er Dir einen guten Dienst leisten kann. Im Vertrauen, daß unser hochheiliger Prophet Dich noch zur Erkenntnis der Wahrheit bringen werde, sagen Wir Dir Lebewohl. Falls dieser Segen Dir aber nicht zuteil wird, so wünschen Wir schnelle Wiederherstellung Deiner Gesundheit, auf daß Allah zwischen Dir und Uns in offener Schlacht entscheiden möge.«
Richard richtete den Blick auf den nubischen Sklaven, der mit gesenktem Blick und über der Brust verschränkten Armen wie eine Bildsäule von schwarzem Marmor vor ihm stand. Muskeln, Nerven und Ebenmaß des Nubiers fanden sein Wohlgefallen, und mit freundlichem Lächeln fragte er ihn in fränkischer Sprache: »Bist Du ein Heide?« Der Sklave schüttelte den Kopf, hob den Finger zur Stirn empor und bekreuzte sich zum Zeichen seines Christentums. Dann nahm er wieder seine unterwürfige Stellung an. – »Ein nubischer Christ gewiß?« sagte Richard, »und durch heidnische Hunde der Sprache beraubt?« Wieder schüttelte der Sklave den Kopf, wies mit dem Zeigefinger gen Himmel und legte ihn dann an die Lippen.
»Ich verstehe,« sagte Richard; »Gottes Strafgericht, nicht menschliche Grausamkeit hat Dich getroffen. Kannst Du eine Rüstung polieren?«
Der Stumme nickte, nahm den Panzer, der mit Helm und Schild des Monarchen an einer Zeltstange hing, und putzte ihn so gewandt, daß sich in seine Eignung zum Waffenträger kein Zweifel setzen ließ.
»Du bist, wie ich sehe, ein geschickter, brauchbarer Knappe,« sagte der König, »sollst in meinem Zelte und um meine Person sein. Fehlt Dir die Zunge, so kannst Du weder Geschichten weiter tragen, noch mich durch unschickliche Rede zum Zorn reizen.« Der Nubier berührte wieder mit der Stirn den Boden; dann blieb er ein paar Schritt vom Könige entfernt stehen, der Befehle seines neuen Herrn gegenwärtig.
In diesem Augenblick erklang draußen ein Horn, und gleich darauf trat Sir Henry Neville mit einem Bündel Briefe ein .. »Aus England, mein König!« sprach er, es Richard behändigend. – »Aus England? aus unserm England?« wiederholte Richard, schwermütig blickend. »Ach! dort denkt wohl kaum jemand, wie hart sein Fürst durch Krankheit und Leiden geprüft, durch lässige Freunde und kühne Feinde geplagt wird!« Dann riß er die Briefe auf und sagte: »Ha! das kommt aus keinem Land des Friedens. Auch dort wilde Fehde? – Verlaß mich, Neville! ich muß das allein lesen.«
Neville entfernte sich, und Richard las nun die traurigen Berichte von dem zwischen seinen Brüdern ausgebrochenen Zwiste, von dem Aufstande der Bauern gegen den Adel, von den Schrecken des Bürgerkriegs, den Frankreich und Schottland zu ihrem Vorteil nützen würden. Richard las die Briefe, die ihm so üble Kunde brachten, aber- und abermals, und verglich die darin enthaltenen Nachrichten mit den Tatsachen, die in anderen Berichten abweichend angegeben waren. Bald gegen alles, was um ihn her vorging, unempfindlich, obgleich er der Kühlung wegen dicht am Eingange des Zeltes saß, schlug er die Vorhänge zurück, so daß er von den außerhalb befindlichen Wachen und Kriegern gesehen werden konnte.
Tiefer im Schatten des Zeltes saß der nubische Sklave, mit dem Rücken beinahe dem König zugewandt, bei seiner Arbeit. Neben ihm von außen kaum sichtbar, lag der große Hund, gewissermaßen sein Mitsklave, lang ausgestreckt, in scheinbar festem Schlafe. Da trat eine neue Person auf den Schauplatz, sich unter die englischen Krieger mischend, deren etwa zwanzig dem Zelt gegenüber Wache hielten, teils beim Glücksspiel, teils in heimlicher Zusammensprache über den herannahenden Tag der Schlacht. Es war ein alter Türke, von kleiner Figur und in ärmlicher Kleidung, an jene Marabuts der Wüste erinnernd, die sich zuweilen in religiöser Schwärmerei in Kreuzfahrerlager wagten, wo sie aber immer sehr schlimmer Behandlung gewärtig sein mußten. In die Nähe der Wachtposten gelangt, riß sich der Marabut den grünen Turban vom Kopfe, und nun sah man, daß er sich Bart und Augenbrauen geschoren hatte, wie ein Possenreißer von Beruf, und daß der verzerrte Ausdruck seiner Züge sowohl als seiner kleinen schwarzen Augen, die wie Achaten funkelten, auf zerrütteten Verstand deuteten.
»Tanze, Marabut!« riefen die Soldaten, denen die Manieren dieser Schwärmer bekannt geworden waren, »tanze, oder wir peitschen Dich mit unseren Sehnen, bis Du Dich wie ein Kreisel drehst.«
Der Marabut ließ sich nicht nötigen, sondern sprang empor und drehte sich, wie ein dürres Blatt, das vom Winde getrieben wird, sauste bald hierhin, bald dorthin, von einem Fleck zum andern, kaum den Boden mit der Fußspitze berührend, rückte jedoch, fast unmerklich, dem Eingange des königlichen Zeltes näher und näher, bis er nach ein paar Sprüngen, höher und weiter, als alle früheren, keine dreißig Schritt von der Person des Königs entfernt, erschöpft zu Boden sank.
»Gib ihm Wasser!« sagte ein Bogenschütze von der Leibwache; »sie betteln ja immer um einen Trunk, wenn sie ausgeruht haben.« – »Wasser, Long Allen?« fragte ein anderer. »Wie würde Dir Wasser schmecken nach solchem Mohrentanz?« – »Wasser gibts bei uns nicht!« rief ein dritter; »wir wollen den alten Heiden lehren, Cypernwein zu saufen.« – »Recht so!« sagte ein vierter; »und wenn er nicht trinken will, dann holt das Hifthorn her, damit wir ihn tränken!«
Bald hatte sich ein lustiger Kreis um den erschöpften Derwisch gebildet. Aber kaum reichte ihm einer der Krieger den Humpen, so flog derselbe auch im weiten Bogen über die Mannen hinweg ... »Das Horn! das Horn!« riefen alle. »Zwischen einem Türkenhund und einem Türkenrosse gibts keinen großen Unterschied. Tränken wir ihn, wie unsere Rosse!« – »Beim heiligen Georg! Ihr werdet ihn ersticken!« sagte Long Allen; »zudem ists doch Sünde, an einen heidnischen Hund so viel Wein zu verschwenden.« – »Halt Dein Maul, Long Allen!« sagte Heinrich Woodstall. »Ich prophezeie Dir, daß ich Dich noch bei dem Pater Franziskus in Ungnade bringe, wie weiland bei der schwarzäugigen syrischen Dirne. – Aber da kommt das Horn. Nun, Bursche, brich ihm mit dem Dolchheft die Zähne auf!« – »Halt! Halt!«
rief Tomalin. »Macht ihm Platz, Bursche! er winkt ja, daß er trinken wolle! Na, das geht ja hinunter wie süßes Bier!«
Der Derwisch trank oder schien die Flasche wirklich in einem Zug bis auf den Boden zu leeren; und als er sie von den Lippen setzte, sprach er nur mit tiefem Seufzer: »Allah, sei barmherzig!«
Darüber stimmte man unter der Leibwache ein so wildes Gelächter an, daß der König aufmerksam wurde. Zornig rief er: »Wie? Ihr Bursche! Keinen Respekt? Keine Ehrerbietung?«
Im Nu herrschte Stille, denn sie kannten des Königs Heftigkeit und zogen sich schleunigst zurück, indem sie den Marabut mit fortzuschleppen suchten. Allein dieser, anscheinend vom Tanze erschöpft oder vom Trunke betäubt, verfiel in Krämpfe und ließ sich nicht vom Flecke bringen ... »So laßt ihn doch, Ihr Narren!« flüsterte Long Allen seinen Kameraden zu. »In einer knappen Minute schläft er wie ein Hamster.« Da schoß der Monarch abermals einen ungeduldigen Blick nach dem Platze, und alle entfernten sich schnell, den Derwisch liegen lassend, der allem Anschein außer stande war, ein Glied zu rühren.
Zwanzigstes Kapitel
Noch eine Viertelstunde lang blieb alles vor dem königlichen Zelte ruhig. Hinter dem Könige, der vor dem Zelteingang saß und las, mit dem Rücken ihm zugekehrt, putzte der nubische Sklave nach wie vor die Waffen. Ganz im Vordergrunde, hundert Schritt entfernt, saßen oder lagen die Wachen auf dem Grase, während auf dem Platze zwischen ihnen und dem Zelte der Marabut lag, noch immer kein Glied rührend und von einem Haufen Lumpen kaum zu unterscheiden.
Der Nubier aber sah auf der glänzenden Politur wie in einem Spiegel und gewahrte nun, nicht ohne Unruhe und Erstaunen, wie der Marabut leise den Kopf von der Erde emporhob, sich vorsichtig umblickte, dann den Kopf wieder sinken ließ, mit einer Miene, die deutlich seine Freude verriet, daß ihn niemand beobachtete, dann dem König immer näher zu rücken suchte, einer Schlange oder vielmehr Schnecke gleich, bis er kaum noch zehn Schritt von dessen Person entfernt war. Da stellte er sich auf die Füße, sprang vorwärts mit dem Satz eines Tigers, und stand in weniger als einem Augenblicke hinter dem König, den Dolch über ihm schwingend, den er unter seinem Gewände verborgen hatte. Nicht sein ganzes Heer hätte den heldenmütigen Monarchen gerettet, die Bewegungen des Nubiers waren aber genau so berechnet, wie die des Mörders, und mit ungemeiner Gewandtheit hatte er den Arm des Mörders gepackt, bevor derselbe auf sein Opfer niederfallen konnte. Aber der Charegite – denn dies war der angebliche Marabut – zückte nun den Dolch gegen den Nubier und ritzte ihm den Arm, jedoch nur leicht, während dieser ihn mit überlegener Stärke zu Boden warf.
König Richard hatte inzwischen wahrgenommen, was sich zutrug, und war, ohne indessen sonderliche Ueberraschung zu zeigen, aufgesprungen, packte den Stuhl, auf dem er gesessen hatte, und zerschmetterte mit dem Rufe: »Ha, Du Hund!« dem Mörder den Schädel.
»Ihr könnt Euch schon sehen lassen als Wächter!« sagte Richard höhnisch zu seinen Bogenschützen, als sie erschreckt in sein Zelt stürzten. »Laßt mich mit eigenen Händen solch Handwerk verrichten? Ruhig alle, und kein solch unvernünftiges Geschrei! Habt Ihr noch nie einen toten Türken gesehen? Fort mit der Leiche aus dem Lager! Schlagt den Kopf vom Rumpfe, steckt ihn auf seine Lanze, mit dem Gesicht nach Mekka, damit er dem schändlichen Betrüger, auf dessen Geheiß er herkam, melde, wie schlecht ihm die Botschaft bekommen sei. Du aber, mein schwärzer, stummer Freund,« wandte er sich zu dem Aethiopier, »bist Du verwundet? Doch sicher mit einer vergifteten Waffe? ... Saug ihm einer von Euch Faulpelzen das Gift aus der Wunde, auf den Lippen ist es unschädlich und tödlich nur, wenn es sich mit dem Blute vermischt.«
Die Wachen sahen einander bestürzt an und zauderten. »Na, wirds bald, Kerle?« fuhr der König sie an. »Habt Ihr Angst vorm Krepieren?« – »Um des schwarzen Viehes willen, das man auf jedem Markte kaufen kann, wie einen Pfingstochsen, will ich nicht wie eine vergiftete Ratte krepieren,« sagte Long Allen, den der König fixierte. – »Nun, das wär das erste mal, daß ich jemand etwas zugemutet hätte, das ich nicht selbst tun könnte!« rief der König, und ohne der Vorstellungen ihn umgebender Krieger zu achten, legte er selbst die Lippen an die Wunde des schwarzen Sklaven. Aber der Nubier fuhr, kaum daß der König zu saugen begonnen, zurück, warf ein Tuch über die Wunde und gab durch ehrerbietige Zeichen zu verstehen, daß er sich solche Liebesdienste von einem Könige verbitte. Da trat Lord Neville mit anderen von des Königs Gefolge ein ... aber der König gebot ihm, als er ihm Vorhaltungen über die Gefahr, der er sich aussetzte, machen wollte, Stille... »Nimm den Nubier mit in Dein Quartier,« sagte er. »Laß ihn gut versorgen, aber – sieh wohl zu, daß er Dir nicht entwische! Es liegt mehr in ihm, als man denkt. Er soll alle Freiheit haben; doch das Lager darf er nicht verlassen. Und Ihr,« zu den Wachen gewendet, »begebt Euch wieder auf Eure Posten! Haltet Eure Augen offen, Euren Mund geschlossen, trinkt wenig und seht schärfer um Euch her, oder Ihr sollt bald spüren, wie ich Euch die Brotkörbe höher hänge!«
Beschämt traten die Krieger ab, Neville aber verlangte, er solle ein Beispiel statuieren in einem Falle, wo man einen so verdächtigen Menschen, wie den Marabut, auf Dolcheslänge an die Person des Königs habe herankommen lassen. – »Kein Wort weiter,« unterbrach ihn Richard, »soll ich die geringe Gefahr meiner Person schärfer ahnden, als den Verlust von Englands Banner? Es ist gestohlen, oder von einem Treulosen ausgeliefert worden, und darum floß kein Tropfen Blut! – Mein schwarzer Freund,« fuhr er fort, »Du bist, wie der glorreiche Sultan versichert, imstande, Geheimnisse zu deuten. Kannst Du mir sagen, wer der Dieb, war, der meiner Ehre diese Schmach zufügte ... He?« Der Stumme schien sprechen zu wollen, brachte aber nur den undeutlichen Ton hervor, der Stummen zu eigen ist. Dann kreuzte er die Arme, sah den König mit einem Blick an, der zu sagen schien, daß er ihn verstehe und nickte. »Wie?« rief Richard. »Du glaubst, es mir sagen zu können?« – Der nubische Sklave nickte wieder. »Aber wie sollen wir einander verstehen?« sagte der König. »Kannst Du schreiben?« Der Sklave nickte zum drittenmale.
»Erlaubt, mein König,« mischte hier Neville sich ein, »daß ich meine Meinung äußere. Der Mann muß ein Zauberer sein, und Zauberer halten's mit dem Satan, und...« »Schweig, Neville!« unterbrach ihn Richard, »suche nicht einen Plantagenet zu hemmen, wenn er Hoffnung hat, seine Ehre wiederzugewinnen.«
Der Sklave erhob sich jetzt, um dem Könige zu überreichen, was er inzwischen geschrieben hatte. Was dieser las, lautete in fränkischer Sprache wie folgt:
»An Richard, den siegreichen, unüberwindlichen König von England, der niedrigste seiner Sklaven. Geheimnisse sind versiegelte Himmelskästchen, nur Weisheit findet die Mittel, ihre Schlösser zu öffnen. Stellt Euren Sklaven so, daß Eure Heerführer der Reihe nach an ihm vorbei müssen, so wird er, falls sich der Böse unter ihnen befindet, ihn ermitteln, und wenn er mit siebenfachem Schleier verhüllt wäre.«
»Nun, beim heiligen Georg!« sagte Richard; »morgen bei der Heerschau werden, wie vereinbart, die Heerführer vor unserer neuen Standarte, wenn sie auf dem St. Georgenberge weht, vorbeiziehen. Glaube mir, Neville, der Verräter wird davon nicht fernbleiben, weil er ja dadurch Anlaß zum Verdacht gäbe. Da will ich nun unsern schwarzen Bosko hinstellen, und kann seine Kunst den Buben entdecken, so will ich ihn auf Abrechnung nicht warten lassen.«
Einundzwanzigstes Kapitel
Unsere Erzählung kehrt nun zu dem Ritter vom Leoparden zurück, den König Richard dem arabischen Arzte geschenkt und auf diese Weise aus dem Kreuzfahrerlager verwiesen hatte. Er war dem »neuen Herrn, denn so mußte er jetzt Hakim nennen, zu den Zelten der Mauren gefolgt in der dumpfen Betäubung eines Menschen, der vom Gipfel eines Abhanges herabgestürzt, aber am Leben geblieben und gerade noch imstande ist, sich von dem verhängnisvollen Orte wegzuschleppen, aber der Fähigkeit ermangelt, die Größe des erlittenen Sturzes zu fühlen.
Als er in dem Zelte Hakims ankam, warf er sich, ohne einen Laut von sich zu geben, auf ein mit Büffelhaut bedecktes Lager, das ihm sein Führer angewiesen hatte, vergrub das Gesicht in den Händen und seufzte tief, als ob das Herz ihm zerspringen sollte.
»Sei guten Muts, Freund,« tröstete ihn der Arzt. »Besser Diener eines gütigen Herrn zu sein, als Sklave seiner Leidenschaften. Und ist nicht auch Josef von seinen Brüdern verkauft worden an Pharao von Aegypten? Dein König hat auch Dich verschenkt an einen, der Dich wie einen Bruder behandeln wird.«
Ritter Kenneth wollte Hakim danken; allein sein Herz war so voll, daß er keine Worte fand. Der freundliche Arzt gönnte ihm die nötige Zeit und Ruhe, seinem Kummer nachzuhängen, und noch war um Mitternacht nicht der Schlaf auf seine Augen gesunken, als ihm der Lärm, der im Lager entstand, Kunde gab, daß Anstalten zum Aufbruche getroffen würden. Um drei Uhr früh erschien ein Diener des Arztes mit der Aufforderung, sich fertig zu wachen.
Ein Stück seitwärts von den Kamelen, die schon bepackt waren, standen die Pferde, ebenfalls schon gesattelt und gezäumt. Hakim schwang sich behend auf eins derselben, dann winkte er, daß ein anderes Roß dem Ritter vorgeführt werde. Ein englischer Krieger war zugegen, sie aus dem Kreuzfahrerlager zu führen, wo sie zwar von Posten zu Posten angerufen wurden, aber keinerlei Behinderung erfuhren, außer daß ein besonders strenggläubiger Ritter ihnen eine Verwünschung ihres Propheten hinterher brummte. Als sie das Lager hinter sich hatten, warf der Ritter einen Blick hinter sich; der Ehre und Freiheit beraubt, verbannt von den glänzenden Fahnen, unter denen er Ruhm zu ernten hoffte, verbannt von den Zelten der Ritterschaft und von – Edith Plantagenet! kam er sich vor, wie dem Tode nahe.
Hakim versuchte, ihn durch allerhand weise Gespräche aufzuheitern, ließ auch zur Kurzweil von Leuten seiner Schar, die darin bewandert waren, allerhand Märchen erzählen, wie es im Morgenlande Brauch und Sitte ist; zu jeder anderen Zeit hätte sich Ritter Kenneth für solchen Genuß erwärmen können, trotz seiner unvollkommenen Kenntnis der Sprache, aber in seiner jetzigen Stimmung hörte er kaum, daß ein Mann in der Mitte der Reiter mit gedämpftem Tone fast zwei Stunden lang seine Stimme mit großem Raffinement den mannigfachen Phrasen der Erzählung, die er vortrug, anzupassen suchte. Dagegen wurde seine Aufmerksamkeit, bei allerhand Betrübnis, die sich seiner bemächtigt hatte, plötzlich durch das dumpfe Geheul eines Hundes in Anspruch genommen, der an einem der Kamele in einem geräumigen Käfig hing. Als Weidmann erkannte er auf der Stelle die Stimme seines alten treuen Jagdhundes in dem Geheul wieder, der jedenfalls seine Nähe witterte und nun bettelte, ihn in Freiheit zu setzen.
»Armer Roswal!« sagte Kenneth, »wie soll ich dir helfen, bin ich doch fast noch schlimmer daran als du! Ich will nicht tun, als ob ich dich bemerkte oder dir deine Liebe vergelten wollte; denn das möchte unser Los nur noch bitterer machen.«
So verstrichen die Stunden der Nacht und der nebelgrauen Dämmerung, die in Syrien dem Morgen vorausgeht. Als aber die Sonne über dem Horizont aufstieg und ihr erster Strahl über die Wüste hinzuckte, die die Reiter nun erreicht hatten, ließ El Hakim mit helltönender Stimme den feierlichen Ruf zum Gebete erschallen, den der Muezzin frühmorgens vom Minaret jeder Moschee kündet:
»Zum Gebet! Zum Gebet! Gott ist der einige Gott! Zum Gebet! Mohammed ist Gottes Prophet! Zum Gebet! Die Zeit entflieht! Zum Gebet! Zum Gebet! Das Gericht steht nahe bevor!«
Augenblicklich warfen sich alle Muselmanen, ihr Antlitz nach Mekka hinwendend, vom Pferde, hoben Sand und Wüstenboden auf und ahmten damit jene Reinigung nach, die sie sonst mit Wasser vornehmen mußten. Als sie sich dann in Gottes Hut in inbrünstigem Gebet begeben und Vergebung der Sünden erfleht hatten, bestiegen sie wieder ihre Rosse und ritten weiter, bis sie eine, aus Sandhügeln bestehende Anhöhe erreicht hatten. In einer Entfernung von etwa einer halben Stunde wurde ein dunkler Punkt sichtbar, der sich bald als ein Reitertrupp offenbarte, dessen Zahl der ihrigen weit überlegen zu sein schien und, den glitzernden Rüstungen nach zu urteilen, aus Europäern bestehen mochte.
Hakims Reiter schienen unruhig zu werden: sie blickten sich wiederholt nach ihrem Anführer um, der mit unnachahmlicher Ruhe zwei seiner besten Reiter absandte, Zahl, Stand und Absicht jener Reiter zu ermitteln. Auf den schottischen Ritter wirkte die in Annäherung befindliche Gefahr belebend wie ein Trunk Wein auf einen Ohnmächtigen.
»Was fürchtet Ihr von den christlichen Reitern,« fragte er Hakim; »denn solche scheinen es zu sein.« – »Fürchten?« wiederholte Hakim verächtlich. »Der Weise fürchtet nichts als den Himmel; aber von schlechtgesinnten Menschen erwartet er stets das Schlimmste.« – »Es sind Christen,« rief Ritter Kenneth, »und noch ist der Waffenstillstand nicht aufgehoben.« – »Es sind Ritter vom Templerorden,« erklärte El Hakim. »Ihr Gelübde bindet sie, weder Waffenstillstand noch Treue und Glauben zu wahren. Möge der Prophet sie ausrotten mit ihren Aesten, Zweigen und Wurzeln! Siehst Du nicht, wie sie einen Trupp von ihrer Schar trennen und östliche Richtung einschlagen? sie wollen nichts anderes, als uns die Wasserstellen abschneiden. Aber es wird ihnen nicht gelingen. Ich kenne den Krieg in der Wüste besser als sie.« Er sprach ein paar Worte zu dem Anführer seiner Schar und auf einmal änderte diese ihre bisherige Taktik des Abwartens. Aber auch der schottische Ritter änderte sein Verhalten, und als El Hakim jetzt sich zu ihm wandte mit dem Befehl: »Du mußt mir dicht zur Seite bleiben!« erwiderte er fest und bestimmt: »Nein! Dort drüben sind Kameraden von mir in Waffen, und ihnen bin ich durch Gelübde verbunden. Ich kann nicht vor dem Kreuze fliehen, wenn ich mich auch in der Schar des Halbmonds befinde.« – »So muß ich Dich zwingen, mir zu folgen!« rief El Hakim, hob den Arm empor und stieß einen durchdringenden Schrei aus, als Signal für einige seines Gefolges, die sich sogleich auf der weiten Fläche der Wüste nach verschiedenen Richtungen hin zerstreuten. Im selben Augenblicke packte er die Zügel von Kenneths Rosse, gab seinem Rosse die Sporen, und schnell wie der Blitz, so daß der Schotte kaum Atem schöpfen konnte, flogen Roß und Reiter über die Ebene hin, als wollten sie die vor ihnen sich dehnende Wüste verschlingen. Meilen flohen wie Minuten hin, und gleichwohl schienen ihre Kräfte sich nicht zu mindern, schien ihnen der Atem nicht zu schwinden.
Eine reichliche Stunde dauerte dieser wilde Wüstenritt; der schottische Ritter war schier blind und taub geworden und von Herzen froh, als er endlich wieder freier atmen und bei dem gemäßigteren Tempo, das nach Verlauf dieser Zeit von El Hakim eingeschlagen wurde, unterscheiden konnte, daß er sich in einer ihm bekannten Gegend befand.
Die öden Gestade des Toten Meeres und die rauhe, steile Gebirgskette zur Linken, und die kleine Palmengruppe, der einzige grüne Punkt in der weiten Wildnis, kündeten dem Ritter, daß sie sich der Quelle nahten, die der Diamant der Wüste genannt wurde, und der Schauplatz seiner Zusammenkunft mit dem Sarazenen-Emir Ilderim gewesen war. Nur ein paar Minuten, und Hakim lud Kenneth ein,, abzusitzen und an der Quelle, einem sicheren Orte, auszuruhen.
»Jetzt iß und trink, und laß den Mut nicht sinken,« sagte Hakim zu dem Schotten. »Das Glück kann den gewöhnlichen Sterblichen erhöhen oder erniedrigen: aber den Weisen und den Krieger muß sein Geist über die Herrschaft des Glückes erheben.«
Kenneth bemühte sich, seinen Dank durch Ruhe und Fügsamkeit zu bekunden. Allein soviel Mühe er sich gab, aus Höflichkeit zu essen, so wirkte doch der große Kontrast zwischen jetzt und einst, als er hier, als Botschafter von Fürsten, siegreich aus dem Kampfe mit dem Sarazenen-Emir hervorgegangen war, so niederdrückend auf ihn, daß er kaum einen Bissen hinunterbringen konnte. El Hakim fühlte seinen schnellen Puls, sah sein entzündetes Auge, seine erhitzte Hand, hörte seinen fliegenden Atem.
»Der Geist wird weise durch Wachen,« sagte er; »aber sein Bruder, der Körper, aus gröberem Stoffe gebildet, bedarf zur Unterstützung der Ruhe. Du mußt schlafen und, damit Dein Schlummer Dich erquicke, einen Trank nehmen, dem dieses Elixir beigemischt ist.«
Aus seinem Busen nahm er ein Fläschchen aus Kristall und tröpfelte ein wenig dunkelfarbige Flüssigkeit in einen goldenen Becher. »Diese,« sagte er, »ist ein Geschenk Allahs, das, wie der Weinbecher des Nazareners, die Macht hat, den Vorhang über das schlaflose Auge zu ziehen und die Bürde der bedrängten Brust zu erleichtern. Wird es indes zu Schwelgerei angewendet, so sprengt es die Nerven, zerstört die Kräfte, schwächt den Verstand und untergräbt das Leben. – »Ich habe schon zu viele Beweise Deiner Geschicklichkeit, weiser Hakim,« entgegnete der Ritter, »als daß ich Deine Arznei von mir weisen sollte.« Hierauf trank er das mit Quellwasser vermischte Elixier, hüllte sich in seinen arabischen Mantel und streckte sich, der Vorschrift des Arztes gemäß, bequem in den Schatten, die verheißene Ruhe abzuwarten.
Anfänglich kam kein Schlaf, aber eine Reihe angenehmer, doch nicht aufregender Empfindungen. Dann folgte ein Zustand der Ruhe, fast Apathie, in welchem alles, was hinter ihm lag, schwand; dann stieg die Zukunft in rosigen Farben auf: Freiheit, Ruhm, beglückte Liebe winkten dem entehrten Ritter; allmählich wurden die Bilder dunkler wie die Farben der untergehenden Sonne, bis sie endlich ganz verschwanden. Ritter Kenneth lag zu Hakims Füßen so bewegungslos wie ein Körper, aus dem das Leben wirklich geschieden war.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Der Ritter vom Leoparden erwachte aus seinem langen, tiefen Schlaf in einem Zustande, der gänzlich verschieden war von demjenigen, in welchem er sich zur Ruhe begeben hatte. Er wußte nicht, ob er nicht noch träume, oder ob sich das ganze Bild durch Zauberei verändert habe. Statt auf feuchtem Grase, lag er jetzt in einem üppigen Bett. Eine freundliche Hand hatte ihm während des Schlafs sein Wams von Gemsleder, das er unter dem Panzer trug, ausgezogen, und ihm ein Nachtgewand vom feinsten Linnen und ein seidenes Oberkleid angelegt. An Stelle der Palmenbäume der Wüste ragten jetzt die Stangen eines buntseidenen Zeltes über seinem Haupte, und ein leichter Gazevorhang breitete sich um sein Lager, dessen Aufgabe es war, ihn vor Insekten zu schützen, die ihm seit seiner Ankunft unter diesem Himmelsstriche stark zugesetzt hatten.
Er sah sich um, wie um sich zu überzeugen, ob er auch wirklich wache, ob auch, was ihm in die Augen fiel, ebenso prächtig sei, wie sein Lager. Eine Wanne aus Cedernholz, mit Silber ausgelegt, duftend von lieblichen Wohlgerüchen, lud ihn zum Bade ein. Auf dem Tischchen aus Ebenholz stand neben seinem Lager eine silberne Vase voll köstlichsten Scherbets, kalt wie Schnee, der nach dem starken Schlaftrunk köstlich durstlöschend wirkte. Das Bad nahm ihm die letzten Spuren des Rausches, in den ihn der Schlaftrunk versetzt hatte. Statt der rauhen Rittertracht, die er gern wieder angelegt hätte, lag für ihn ein türkisches Gewand aus reichem Stoffe bereit, nebst Säbel, Dolch und allem, was sich für einen Emir schickt. Er konnte zwar keinen Grund dieser Fürsorge auffinden; indessen wurde in ihm der Argwohn rege, ob man nicht durch diese Aufmerksamkeit vielleicht beabsichtige, ihn in seinem Glaubensbekenntnis wankend zu machen. Es war allgemein bekannt, daß der Sultan, bei seiner hohen Achtung für europäische Kenntnisse und Tapferkeit, grenzenlose Freigebigkeit gegen diejenigen bewies, die sich, nachdem sie in seine Gefangenschaft geraten waren, bestimmen ließen, den Turban zu nehmen. Aber fest gewillt, solchen Fallstricken zu widerstehen, schlug der Ritter das Kreuz und nahm sich vor, von allem, womit man ihn so freigebig überhäufte, den mäßigsten Gebrauch zu machen. Indes fühlte er doch noch immer eine eigentümliche Schwere und Schläfrigkeit. Seine Ruhe blieb nicht ungestört. Hakim, der Arzt, trat an den Zelteingang und erkundigte sich nach seinem Befinden. Dann fragte er, ob er eintreten dürfe.
Gewillt zu zeigen, daß er seiner Lage nicht eingedenk sei, versetzte Kenneth: »Der Herr braucht nicht erst um Erlaubnis zu bitten, wenn er das Zelt seines Sklaven betreten will.« – »Wenn ich nun aber nicht als Herr komme?« fragte noch immer zögernd El Hakim. – »So hat der Arzt freien Zutritt zu seinem Kranken,« versetzte Kenneth. – »Aber auch als Arzt komme ich nicht!« sagte Hakim, »und deshalb bitte ich noch immer um Erlaubnis, unter das Nach Deines Zeltes zu treten.« – »Wer als Freund kommt,« sagte Kenneth, »und als solcher hast Du Dich bis jetzt gegen mich gezeigt, dem steht die Wohnung des Freundes immer offen.« – »Aber gesetzt,« sagte der morgenländische Weise, in dem umständlichen Zeremoniell seiner Landsleute – »ich käme auch nicht als Freund?« – »So komm, als was Du willst!« rief der schottische Ritter ungeduldig,»Du weißt, daß ich Deinen Eintritt weder abwehren kann noch werde.«
»So komme ich,« sagte El Hakim, »als Dein alter, doch ehrlicher, aufrichtiger Feind.«
Mit diesen Worten trat er ein und war nun zwar, der Sprache nach, noch immer der arabische Arzt Adonebec El Hakim; allein Gestalt, Kleidung und Gesichtszüge zeigten Ilderim von Kurdistan, genannt Scharfhaupt. Voll Staunen betrachtete ihn Ritter Kenneth, als warte er darauf, daß die Erscheinung wie ein Gebild seiner Phantasie vor seinen Augen schwinden solle.
»Wunderts einen so bewährten Krieger, daß ein Soldat auch etwas von Heilkunde versteht?« fragte Ilderim. »Nazarener, ich sage Dir, ein tüchtiger Ritter muß sich auf sein Handwerk verstehen, das Wunden reißt, aber auch darauf, Wunden zu heilen.«
Der Christ hielt noch immer die Augen geschlossen, noch immer schwebte Hakims Bild mit seinem langen, dunklen Gewande, der hohen Tatarenmütze und den ernsten Gebärden vor seiner Phantasie. Kaum aber öffnete er die Augen, so verrieten der schöne, reich mit Edelsteinen besetzte Turban, der glänzende Schuppenpanzer, das nicht mehr von der Fülle von Haaren beschattete Antlitz den Krieger und nicht den Gelehrten.
»Kommst Du aus den Wundern noch immer nicht heraus?« fragte der Emir; »hast Du die Welt so flüchtig durcheilt, daß es Dich befremdet, die Menschen nicht immer als das zu finden, was sie scheinen? – Bist Du selbst, was Du scheinst?« – »Nein, beim heiligen Andreas,« rief der Ritter. »Im ganzen Christenlager gelte ich als Verräter, und doch kenne ich mich selbst als redlichen, wenn, auch Irrtümern unterworfenen Menschen.« – »Dafür halte auch ich Dich,« sagte Ilderim, »und da wir Salz miteinander gegessen haben, hielt ich mich für verpflichtet, Dich von Tod und Schmach zu retten. – Aber was liegst Du noch auf Deinem Bett, da die Sonne schon hoch am Himmel steht? Oder dünken die Kleider, die meine Saumtiere geliefert haben, Dir des Tragens nicht wert?«
»Des Tragens schon wert,« antwortete Kenneth, »doch nicht für mich. Gib mir den Sklaventitel, edler Ilderim, den will ich gern tragen; allein das Gewand des freien morgenländischen Kriegers mit dem Turban des Muselmanen zu tragen, das kann ich nicht über mich gewinnen.« – »Nazarener,« sagte der Emir, »Deine Nation nährt zu leicht Argwohn. Habe ich Dir nicht gesagt, Saladin mag niemand bekehren, den nicht der heilige Prophet selbst fähig macht, sich seinem Gesetz zu unterwerfen? Drum trage ohne Bedenken die Kleidung, die für Dich hergebracht worden ist; denn wolltest Du Dich in Saladins Lager in Deiner Rittertracht begeben, so könntest Du leicht Kränkungen, wenn nicht gar ernsteren Gefahren ausgesetzt sein.« – »Wenn ich mich in Saladins Lager begebe?« wiederholte der Ritter. »Bin ich denn freier Handlung fähig? Muß ich nicht gehen, wohin es Euch beliebt?« – »Du, bist und bleibst Herr Meines Willens,« erwiderte der Emir, »denn der edle Feind, mit dem ich zusammentraf, und der um ein Haar Herr meines Schwertes wurde, kann nicht mein Sklave werden.« – »Setzt Eurer Großmut die Krone auf, edler Emir,« entgegnete Ritter Kenneth, »indem Ihr Euch enthaltet, wider mein Gewissen zu sprechen; doch erlaubt mir, meinen Dank für diese echt ritterliche Güte auszusprechen, die ich nicht verdient habe.«
»Sage das nicht,« erwiderte Ilderim; »habe ich mich nicht auf Deine Schilderung der Schönheiten, die den Hof des Melech Rik zieren, verkleidet dorthin gewagt, so daß mir einer der holdseligsten Anblicke wurde, die ich jemals genossen habe, die ich jemals genießen werde, bis die Herrlichkeiten des Paradieses meinen Augen entgegenstrahlen?« – »Ich verstehe Eure Worte nicht,« sagte Kenneth, die Farbe wechselnd. – »Du verstehst mich nicht?« rief der Emir. »Es kann Dir doch nicht verborgen geblieben sein, welcher Anblick mir in König Richards Zelt wurde? freilich war das Todesurteil damals über Dich gesprochen; aber mir könnte man schier den Kopf vom Rumpfe hauen, so würde doch mein letzter Blick auf dieser lieblichsten aller Houris ruhen, die das Auge eines Mannes sehen kann.« – »Sarazene!« sprach Ritter Kenneth ernst; »Du sprichst von der Gemahlin Richards von England! sprich nicht anders von ihr als von einer Königin!«
»Verzeiht mir!« sprach der Sarazene; »mir kam Eure abergläubische Verehrung des anderen Geschlechts, das Ihr betrachtet, als müsse es bloß bewundert und verehrt, doch nicht gefreit und besessen werden, auf einen Augenblick aus den Gedanken. Da Du mit so tiefer Ehrerbietung auf dieses zarte weibliche Wesen blickst, wirst Du der anderen, der mit den dunklen Locken und den edlen, sprechenden Augen, wohl nur Anbetung widmen? In ihrer edlen Haltung und edlen Miene liegt freilich ein Ausdruck, der auf Reinheit und Festigkeit hinweist, doch auch sie würde dem feurigen Liebhaber, dafür stehe ich, dankbarer sein, wenn er sie als eine Sterbliche und nicht als eine Gottheit behandelte.« – »Laßt den Respekt nicht aus den Augen vor der Base des Löwenherz!« sagte Kenneth im Tone unverhaltenen Verdrusses. – »Respekt?« wiederholte der Emir spöttisch. »Bei der Kaaba! Doch erst dann, wenn sie Saladins Braut ist!« – »Der ungläubige Sultan ist nicht würdig, den Fleck zu küssen, den der Fuß einer Edith Plantagenet betrat!« rief der Christ, von seinem Lager aufspringend. – »Ha! Was spricht der Giaur?« schrie der Emir, die Hand an den Griff seines Dolches legend, während sein Antlitz wie Kupfer glühte. – »Was ich gesagt habe,« erwiderte er, mit verschränkten Armen und furchtlosem Blick, »würde ich, wenn meine Hände frei wären, zu Fuß oder zu Roß gegen jeden Sterblichen behaupten.«
Der Sarazene faßte sich, nahm die Hand von der Waffe und sagte: »Freilich sind jetzt Deine Hände gebunden, aber durch Dein eigenes zartes Gefühl für Rechtlichkeit, und die Bande zu lösen, würde sich jetzt nicht in meinen Plan schicken. Wir haben einander Beweise von Mut und Kraft genug gegeben, und können uns im offenen Felde bald wieder treffen. Jetzt aber sind wir Freunde, und Dein Beistand ist mir erwünschter als harte Ausdrücke oder Trotz.« – »Ja, wir sind Freunde,« wiederholte der Ritter. In der Pause, die nun eintrat, schritt der feurige Sarazene im Zelt auf und ab, dem Löwen gleich, der sein wallendes Blut abkühlt, ehe er sich in seiner Höhle zur Ruhe niederstreckt. Der kältere Europäer hingegen veränderte weder Stellung noch Blick; doch schien auch er bemüht, zornige Regungen zu bezwingen.
»Laß uns ruhig über diese Sache sprechen,« sagte der Sarazene. »Du weißt, ich bin ein Arzt, und es steht geschrieben: Wer seine Wunden geheilt haben will, der darf nicht zucken, wenn der Arzt sie sondiert. Sieh, ich stehe im Begriff, Deine Wunde zu sondieren. Du liebst diese Base des Melech Rik!« – »Ich habe sie geliebt,« antwortete der Ritter nach einer Pause, »wie der Mensch die himmlische Gnade liebt, und ihre Gunst gesucht, wie man vom Himmel Verzeihung sucht.« – »Und liebst Du sie nicht mehr?« sagte der Sarazene. – »Ich bin ihrer nicht mehr wert,« erwiderte Ritter Kenneth; »endige, bitte, dies Gespräch! Deine Worte sind Dolche für mich.« – »Verzeih! Nur noch einen Augenblick!« fuhr Ilderim fort. »Erhofftest Du, als Du ihr im Stande eines armen Kriegers Deine Liebe weihtest, gar keinen Erfolg?« – »Liebe ohne Hoffnung ist keine Liebe,« erwiderte der Ritter; »aber, mir winkte so geringe Aussicht, wie dem Schiffer, der sein Leben durch Schwimmen zu retten sucht. Er sieht wohl Land in der Ferne; aber sein sinkendes Herz und seine erschöpften Glieder sagen ihm, daß er es nie erreichen wird.« – »Mich dünkt,« sagte der Sarazene, »wenn Dir nichts anderes fehlt, als was in solch entferntem, täuschendem Schimmer von Glück steht, so kann das Feuer Deines Leuchtturms wieder flammen, und Du selbst, wackrer Ritter, wirst wieder zu der Freude gelangen, Deine Liebe mit einer so substanzlosen Kost wie Mondschein zu nähren; und die, die Du liebst, wird darum nicht minder Fürstentochter sein, und Saladins erwählte Braut werden.«
»Sofern ich nicht – « rief der Ritter, brach aber plötzlich ab, wie jemand, der erschrickt, daß er sich etwas vornimmt unter Umständen, die es ihm verwehren. Der Sarazene lächelte.
»Du hattest im Sinne, den Sultan zum Zweikampf zu fordern?« fragte er; »mich dünkt nur, er möchte sich doch besinnen, die Hoffnung auf eine königliche Braut und den Erfolg eines Krieges aufs Spiel zu setzen!« – »Aber im Kampfe, in der Schlacht werde ich ihn treffen,« rief der Ritter, dessen Augen bei dem Gedanken funkelten, mit dem ihn seine Idee erfüllte. – »In der Schlacht,« entgegnete Ilderim, »ist er immer zu finden; aber von dem Sultan zu sprechen, lag nicht gerade in meinem Plane. Mit einem Wort, wenn Dir daran liegt, Deinen ritterlichen Ruf wiederherzustellen durch Entdeckung jenes Diebes, der sich an König Richards Banner vergriffen hat, so dürfte ich Dir einen Weg dazu zeigen können, vorausgesetzt, daß Du Dich leiten lassen willst,« – »Du bist weise, Ilderim,« sagte der Schotte, »obgleich ein Sarazene, und edelmütig, obgleich ein Ungläubiger. Leite mich also! und verlangst Du nichts von mir, was meiner Lehnpflicht und meinem Christenglauben widerspricht, so will ich Dir pünktlich Gehorsam leisten.« – »So höre,« sprach der Sarazene; »Dein edler Hund ist wieder gesund, und seine Spürkraft wird den, der ihn überfiel, entdecken.« – »Ha!« rief der Ritter, »ich verstehe! Wie war ich doch verblendet, daß mir das nicht einfiel!« – »Hast Du Leute im Lager, denen das Tier bekannt ist?« fragte der Emir. – »Meinen alten Waffenträger,« antwortete Ritter Kenneth, »Deinen Patienten, entließ ich mit einem Diener, der ihn pflegte, damals als die Todesstrafe meiner wartete, und gab ihm Briefe an Freunde in Schottland mit. Sonst kennt niemand den Hund. Aber, meine eigene Person ist ja bekannt genug, und meine Sprache wird mir zur Verräterin werden in einem Lager, wo ich monatelang keine unbedeutende Rolle gespielt habe.«! – »Ihr sollt beide gut verkleidet werden, so daß Dein leiblicher Bruder Dich nicht erkennen sollte; nur mußt Du meiner Leitung folgen. Bedingung hierbei ist, daß Du der Nichte des Melech Rik, deren Name für morgenländische Zungen so schwer auszusprechen, wie ihre Schönheit zu fassen ist, ein Schreiben Sultan Saladins überbringst.«
Der Ritter schwieg einen Augenblick, ehe er Antwort gab, und der Sarazene, ungeduldig über dieses Zaudern, fragte ihn, ob er sich vor solcher Botschaft fürchte... »Nein!« rief Kenneth. »Und wenn der Tod damit verbunden wäre! – Ich habe nur geschwiegen, weil ich mich fragte, ob es sich mit meiner Ehre vertrüge, vom Sultan ein Schreiben zu überbringen, oder mit der Ehre der Lady, einen Brief von einem heidnischen Fürsten entgegenzunehmen.« – »Bei Mohammed!« sagte der Emir, »der Brief ist in allen Ehren geschrieben.«
»Dann will ich des Sultans Brief so ehrlich besorgen, als wenn ich sein Leibvasall wäre.«
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Der Leser kann nun schwerlich noch im Zweifel sein darüber, wer der nubische Mann war, zu welchem Zweck er König Richards Lager aufgesucht hatte, und weshalb er dicht zu der Person des Königs herantrat, als dieser, von seinen heldenmütigen Pairs von England und der Normandie umgeben, auf dem Gipfel des Georgenberges stand, neben dem Banner Englands, das der trefflichste Mann im Heere trug, sein eigner natürlicher Bruder, Wilhelm Longsword, der »Ritter mit dem langen Schwert«, der edle Graf von Salisbury, der Königssohn Heinrichs des Zweiten mit der berühmten Rosamunde von Woodstock.
Infolge verschiedener Aeußerungen, die in der Unterredung des Königs mit Neville am vorhergehenden Tage gefallen waren, war der Nubier in großer Sorge, daß seine Verkleidung entdeckt worden sei, besonders da der König zu wissen schien, daß der Hund zur Entdeckung des Bannerdiebes herangezogen werden sollte, trotzdem in Richards Gegenwart von seiner Verwundung kaum die Rede gewesen war. Da aber der König ihn nach wie vor als Nubier behandelte, gelang es ihm nicht, seine Zweifel zu heben, und er hielt es für richtiger, seine Verkleidung beizubehalten.
Inzwischen stellten sich die Truppen der verschiedenen Kreuzfahrerfürsten unter ihren Heerführern, in langen Reihen am kleinen Walle auf, mit fliegenden Fahnen, blinkenden Speeren, wallenden Federbüschen: ein Heer, formiert aus verschiedenen Völkerschaften, verschiedener Farbe, verschiedener Sprache, von allerhand Waffen und Trachten, aber alle getragen von frommer Begeisterung, die bedrängte Tochter Zions aus dem Joch der Ungläubigen zu erlösen.
König Richard saß mittwegs zwischen Lager und Georgenberg zu Pferde, einen von einer Krone überragten Helm auf dem Haupte, mit kaltem, bedächtigem Blick jede Reihe musternd und den Gruß der Heerführer erwidernd. An seiner Seite stand der vermeintliche äthiopische Sklave mit dem edlen Hund an einer Leine. Verwundern konnte dies nicht weiter, denn viele Fürsten unter den Kreuzfahrern ahmten den Sarazenen nach und hielten schwarze Sklaven in ihrem Hofstaat. Ueber dem Haupte des Königs wallten die breiten Falten des britischen Banners. Im Hintergrunde, auf dem eigentlichen Gipfel der Anhöhe, in einem für den Anlaß besonders errichteten kleinen Turm befand sich die Königin Berengaria nebst den vornehmsten Hofdamen. Dorthin warf der König von Zeit zu Zeit einen Blick, der aber schnell wieder zu dem Nubier und dem Hunde zurückkehrte, wenn Heerführer vorbeizogen, die er der Entwendung des Banners für fähig hielt.
Als Philipp August von Frankreich an der Spitze seiner gallischen Ritterschaft nahte, ging er den Berg hinunter ihm entgegen, so daß sie sich mittwegs trafen und freundlich begrüßten, wie ein paar Brüder; als die Ritter und Knappen der Tempelherren in dunkler Rüstung, mit den durch Palästinas Sonne schwarzgebräunten Gesichtern, auf Rossen nahten, deren treffliche Beschaffenheit und Abrichtung selbst die besten Frankreichs und Englands weit übertraf, da warf der König einen schnellen Seitenblick; allein der Nubier stand ruhig, und sein treuer Hund ihm zu Füßen musterte mit scharfem Blick die vorbeireitenden Reihen. Der Großmeister des ritterlichen Ordens nahm seinen doppelten Charakter als Priester und Krieger wahr und vermied es, dem König als Heerführer seine Ehrfurcht zu bezeigen, indem er ihm als Priester seinen Segen erteilte.
»Der zweideutige Schurke!« sagte Richard zum Grafen Salisbury; »er fertigt mich als Pfaffe ab; aber wir wollen es hingehen lassen. Der Dienst dieser erfahrenen so übermütig gewordenen Lanzenträger soll der Christenheit nicht um kleinlicher Empfindlichkeit willen geraubt werden! Doch sieh! der Erzherzog von Oesterreich, gib acht auf sein Benehmen, und Du, Nubier, halt den Hund richtig! Beim Himmel! seine Possenreißer bringt er auch mit.«
Von seinem Spruchmeister und Hofnarren begleitet, kam Leopold herangeritten und fing, um seine Gleichgültigkeit zu zeigen, zu pfeifen an; als er aber mit mürrischer Miene vor dem englischen Banner die dekretierte Verbeugung machte, schüttelte der Spruchmeister seinen Stab und verkündete wie ein Herold: »Der Erzherzog wolle um deswillen, was er jetzt getan, nicht dafür angesehen sein, als ob er dem Range und den Vorrechten, eines souveränen Fürsten etwas vergebe,« worauf der Hofnarr zum großen Gelächter der Anwesenden mit einem helltönenden »Amen!« antwortete.
Wiederholt sah der König nach dem Nubier und dem Hunde; aber keiner von beiden rührte sich. »Ich fürchte, schwarzer Freund, unter die Zauberer gehörst Du nicht, und Deine Verdienste um unsere Person wirst du auch nicht mehren, trotz Deinem Hunde.«
Da zogen die Mannen des Marquis von Montserrat vorüber, um sie zahlreicher erscheinen zu lassen, in zwei Scharen geteilt. An der Spitze der ersten Schar, die aus Vasallen der syrischen Besitzungen bestand, ritt Enguerrand, der Bruder des Marquis, Während dieser selbst an der Spitze von zwölfhundert Stradioten, einer Art leichter Reiterei, von den Venetianern aus ihren Besitzungen in Dalmatien ausgehoben und dem Marquis anvertraut, daher kam. In überreicher Tracht, strotzend von Gold und Silber, den milchweißen Federbusch mit einer Demantschnalle auf seiner Mütze befestigt, so daß er bis zu den Wolken emporzuragen schien, auf dem edlen Rosse, das er mit kräftiger Faust in Räson hielt, näherte Marquis Konrad sich dem Könige, der ihn kaum erblickte, als er ihm ein paar Schritt weit entgegenging ... Eben wollte er das Wort an ihn richten, als Roswal mit wildem Geheul vorsprang. Der Nubier ließ die Leine locker, der Hund sprang an Konrads Rosse hinauf, packte den Marquis an der Kehle und riß ihn aus dem Sattel zu Boden. Während das Pferd durch das Lager raste, wälzte sich der Marquis mit seinem stolzen Federbusch im Sande.
»Dein Roswal hat die rechte Beute gepackt,« sagte der König zum Nubier, »ich schwör's beim heiligen Georg! Aber reiße den Hund weg, denn er erwürgt ihn noch!«
Der Aethiopier machte den Hund mühsam von Konrad los. Inzwischen drängten sich, besonders aus Konrads Gefolge und der Stradiotenschar, viele herbei, die, als sie ihren Anführer am Boden liegen sahen, wild durcheinander schrien: »Haut den Sklaven und seinen Hund in Stücke!«
Allein Richards Stimme erscholl hell über alles Geschrei: »Des Todes ist, wer sich an dem wackern Hunde vergreift! Tritt hervor, Konrad, Graf von Montserrat! Ich klage Dich der Treulosigkeit und des Verrats an!«
»Sind die Fürsten des Kreuzzuges Hasen oder Rehe in König Richards Augen geworden, daß er Jagdhunde auf sie losläßt?« fragte der Großmeister mit Grabesstimme. – »Es muß ein Zufall, ein Mißverständnis vorliegen,« sprach Philipp von Frankreich, herbeireitend. – »Eine List des bösen Feindes!« meinte der Erzbischof von Tyrus. – »Ein Kunstgriff der Sarazenen!« rief Heinrich von Champagne. »Den Hund sollte man aufhängen und den Sklaven foltern!«
»Niemand, dem sein Leben lieb ist, lege die Hand an ihn!« rief Richard; »Konrad, wenn Du es wagst, so leugne die Anklage, die dies stumme Tier in edlem Instinkt wider Dich erhoben hat, die Anklage der schmachvollen Beleidigung Englands und des ihm selbst zugefügten Unrechts.« – »Ich habe Dein Banner nie berührt,« rief Konrad schnell.
»Deine Worte verraten Dich!« entgegnete Richard. »Warum redest Du von meinem Banner, wenn Du Dich der Missetat nicht schuldig fühltest?« – »Hast Du das Kreuzfahrerheer aus diesem und keinem anderen Grunde alarmiert?« fragte Konrad: »sinnst Du einem Fürsten und Bundesgenossen ein Verbrechen an, das irgend ein Spitzbube wegen der Goldfäden an der Fahne begangen haben mag? oder willst Du einen Hund als Ankläger gegen einen Bundesgenossen gelten lassen?«
Der Lärm wurde so heftig, daß sich der König Philipp von Frankreich ins Mittel legte ... »Fürsten und Edle,« sprach er, »halten wir unsere Mannen im Zaume! führe ein jeder seine Truppen in ihre Quartiere zurück! und treffen wir uns nach Ablauf einer Stunde im Zelte des hohen Rats. Dort wollen wir über diesen neuen Fall verhandeln.« – »Ich bin es zufrieden,« sprach König Richard, »obgleich ich diesen Elenden am liebsten auf der Stelle verhört hätte. Aber Frankreichs Wille soll der unsrige sein.«
Der Fürstenrat traf zur bestimmten Stunde zusammen. Konrad von Montserrat, wie ein Fürst gekleidet, trat, von dem Erzherzog von Österreich, den Großmeistern der Tempelherren und Johannitern begleitet, in das Ratszelt. Mit dem beschimpften Staatsgewand hatte er auch die Scham und Verwirrung abgestreift, die sich bei solch unvermuteter Anklage seines Geistes bemächtigt hatten.
Auf den König von England aber machte es nicht den geringsten Eindruck, auch nicht, daß sich die drei hervorragenden Kreuzfahrer ihm, gleichsam zur Verteidigung, angeschlossen hatten. Mit seinem gewöhnlichen Wesen und in der gleichen Kleidung, in der er vom Pferde gestiegen war, trat er ein, warf einen flüchtigen, halb verächtlichen Blick um sich und beschuldigte hierauf den Marquis rundheraus, das Banner Englands gestohlen und den treuen Hund, der dasselbe bewacht, gefährlich verwundet zu haben.
Konrad erklärte keck, dem Menschen und dem Tiere zum Trotze, seine Unschuld.
»Bruder von England,« sprach Philipp, der gern die Rolle eines Vermittlers übernahm. »Wir stehen vor einer ungewöhnlichen Beschuldigung; aber Euer Glaube stützt sich bloß auf diesen Jagdhund. Ich sollte doch meinen, das Wort eines Ritters gelte mehr als ein Hundegebell.« – »Königlicher Bruder!« nahm Richard das Wort, »Ihr laßt außer acht, daß der Allmächtige den Hund mit einer Natur begabte, die jedes Betruges unfähig ist. Er vergißt weder Freund noch Feind und merkt sich genau Wohltat und Beleidigung. Ihr könnt einen Soldaten bestechen, mit dem Schwert zu töten, einen Zeugen, durch falsche Anklage ein Leben zu rauben, nie aber einen Hund bewegen, seinen Wohltäter zu zerreißen. Er ist der Freund des Menschen, ausgenommen, wenn der Mensch sich seine Feindschaft zuzieht. Putzt diesen Marquis von Montserrat mit den prunkendsten Pfauenfedern, verkleidet ihn, schminkt ihn, versteckt ihn unter Hunderten, und mein Szepter setze ich zum Pfande, daß der Jagdhund ihn herausfinden, ihm an die Kehle springen wird wie vorhin! Der Vorfall mag seltsam erscheinen, aber neu ist er nicht! In Deinem Lande, mein königlicher Bruder, wurde in einem ähnlichen Falle durch feierlichen Zweikampf zwischen Mensch und Hund der Mord entschieden, und das Verbrechen bekannt.« – »Solcher Zweikampf hat allerdings stattgefunden, mein königlicher Bruder,« sagte Philipp, »unter der Regierung eines unserer Vorfahren, dem Gott gnädig sein möge, aber da sich der Fall in der alten Zeit ereignet hat, läßt er sich nicht anwenden auf den unsrigen ... zudem war der Angeklagte ein Mann von geringem Range; seine Waffe bloß eine Keule, sein Schutz bloß ein ledernes Wams. Zu so rohen Waffen, zu solch gemeinsamem Kampfe können wir keinen Fürsten erniedrigen.« – »Das ist auch nicht meine Absicht,« versetzte Richard; »es wäre ein schlimmes Spiel, das Leben des guten Hundes gegen das eines doppelzüngigen Verräters zu wagen! – Aber da liegt unser eigener Handschuh! Wir fordern Konrad von Montserrat zum Kampfe heraus wegen der gegen ihn erhobenen Anklage. Ein König steht wohl über dem Kameraden eines Marquis.«
Konrad beeilte sich keineswegs, das von dem englischen König in die ritterliche Versammlung geschleuderte Pfand aufzuheben, und König Philipp gewann Zeit zu dem Einspruche: »Ein König ist um soviel mehr als Gegner des Marquis, als ein Hund weniger sein würde. Richard von England, solcher Zweikampf kann nicht gestattet werden. Ihr seid der Anführer unseres Feldzuges, das Schild und Schwert der Christenheit.« – »Ich protestiere gegen solche Gefährdung meines königlichen Bruders deshalb, weil sein Leben Eigentum des englischen Volkes ist. Mein Handschuh soll an Stelle des seinigen treten,« sagte der Graf von Salisbury.
»Fürsten und Edle,« nahm Konrad von Montserrat das Wort, »ich nehme König Richards Herausforderung nicht an. Er ist zu unserm Anführer gegen die Sarazenen erwählt worden, und wenn ers vor seinem Gewissen verantworten kann, einen Bundesgenossen wegen eines so nichtswürdigen Streites zum Kampf zu fordern, so kann ichs doch nicht vor dem meinigen, mich auf solchen Kampf einzulassen. Was aber seinen Bastardbruder Wilhelm von Woodstock betrifft, so will ich gegen ihn, wie gegen jeden anderen, der diese Beschuldigung auszusprechen oder zu bekräftigen wagt, meine Ehre in den Schranken verteidigen.« – »Der Marquis von Montserrat,« sprach der Erzbischof von Tyrus, »hat wie ein weiser, billig denkender Edelmann gesprochen. Mich dünkt, der Streit könnte, unbeschadet der Ehre beider Parteien, hiermit sein Ende haben.« – »Meiner Ansicht nach auch,« pflichtete Philipp von Frankreich bei, »vorausgesetzt, daß König Richard seine Anklage, als auf schwachen Füßen stehend, widerrufen wird.« – »Philipp von Frankreich,« sagte Richard Löwenherz, »meine Worte stehen mit meinen Gedanken niemals in Widerspruch! Ich habe Konrad von Montserrat als Dieb angeklagt, der bei Nacht das Sinnbild von Englands Würde von seinem Platze stahl. Ich halte ihn noch dafür und beschuldige ihn dieser Missetat, und ist erst ein Tag zum Kampf anberaumt, so zweifelt nicht, daß mir, weil Konrad mit uns selbst zu kämpfen ablehnt, ein Kämpfer fehlen werde; denn Du, Wilhelm, darfst Dein langes Schwert ohne unsere besondere Erlaubnis in diesem Streite nicht ziehen.«
»Da mich mein Rang zum Schiedsrichter in dieser höchst unglücklichen Sache Macht,« entgegnete Philipp von Frankreich, »so bestimme ich den fünften Tag von heute an, zur Entscheidung derselben mittels Kampfes nach Rittersitte, so daß Richard, König von England, durch seinen Kämpfer als Ankläger, und Konrad, Marquis von Montserrat, in eigener Person als der Angeklagte erscheine. Doch gestehe ich, daß ich keinen neutralen Grund und Boden ausfindig zu machen weiß, wo ein solcher Kampf stattfinden kann: denn hier in der Nähe des Lagers darf es nicht geschehen, weil die Krieger von beiden Seiten Partei bilden würden.« – »Es wäre gut,« sagte Richard, »zum Edelmut des königlichen Saladin unsere Zuflucht zu nehmen. Denn ist er gleich ein Heide, so habe ich doch nie einen Ritter reicher an wahrem Adel oder von solcher Treue und Aufrichtigkeit gefunden, dem wir uns so unbedingt anvertrauen können.«
»So sei es,« stimmte Philipp bei; »und so entlasse ich jetzt diesen Fürstenrat!« – »Amen! Amen!« erscholl es von allen Seiten.
Vierundzwanzigstes Kapitel
König Richard, in sein Zelt zurückgekehrt, ließ den äthiopischen Sklaven vor sich führen, der sich vor ihm niederwarf und die Augen zu Boden heftete; vielleicht zum Glück, denn er hätte den scharfen Blick, mit dem Richard ihn eine Zeitlang schweigend betrachtete, schwerlich ausgehalten.
»Du verstehst Dich auf weidmännische Kunst,« nahm der König nach einer Pause das Wort, »denn Dein Wild hast Du aufgejagt, wie wenn Du bei Tristan in der Lehre gewesen wärest! Aber es muß nun auch erlegt werden. Ich hätte ja gern meinen Spieß nach ihm geworfen; gewisse Rücksichten scheinen aber dies zu verhindern. So kehre Du in des Sultans Lager zurück und übergib ihm dies Schreiben, durch welchen wir ihn um einen neutralen Platz für dieses ritterliche Vorhaben bitten. Falls es ihm nicht zuwider wäre, so sag ihm, möchten Wir ihn selbst als Zeuge bei diesem Kampfe erscheinen sehen. Es dürfte wohl sein, daß Du dort den einen oder anderen Ritter ausfindig machst, der aus Liebe zur Wahrheit und um seiner eignen Ehre halber mit Montserrat, dem Verräter, kämpfen möchte.«
Der Nubier heftete die Äugen mit dem Ausdruck inniger Wärme auf den König, dann richtete er sie gen Himmel mit feierlicher Dankbarkeit. Dann senkte er den Kopf und nahm wieder seine demütige Miene an.
»Und nun zu einem anderen Punkte,« sagte der König hastig, »hast Du Edith Plantagenet gesehen?«
Der Stumme blickte empor, wie um zu sprechen: ja seine Lippen setzten schon zu einem Nein an, als er sich besann und den unzeitigen Versuch in einem dumpfen Gemurmel auslaufen ließ.
»Sieh mal an!« rief Richard. »Der bloße Name unserer reizenden Cousine scheint Stummen die Sprache verleihen zu können? Was für Wunder müßten da erst ihre Augen wirken! Ich will den Versuch machen, Freund Sklave. Du sollst sie sehen, diese auserlesene Schönheit unseres Hofes, und den Auftrag des fürstlichen Sultans ausrichten.«
Wieder ein freudiger Blick, wieder ein Kniefall . . . Nach einer Pause aber legte der König die Hand auf seine Schulter. »In einer Hinsicht,« fuhr er fort, »muß ich Dich warnen, mein schwarzer Abgesandter ... Sobald Du fühlen solltest, ihr gütiger Einfluß wolle die Bande Deiner Zunge lösen, dann hüte Dich vor jedem Wort in ihrem Beisein! denn Du darfst Dich verlassen darauf, daß ich Dir in solchem Falle die Zunge herausreißen ließe, und alle Deine Zähne dazu... Darum sei klug und verschwiegen.«
Der Nubier legte zum Zeichen des Gehorsams die Hand auf die Lippen. Richard aber legte ihm wieder die Hand, doch sanfter, auf die Achsel und fügte hinzu: »Wärst Du ein Ritter und Edelmann, so forderten wir Deine Ehre als Unterpfand Deiner Verschwiegenheit und nichts weiter, statt daß wir Dir als Sklaven in solcher Weise gebieten.« Dann rief er seinen Kämmerer... »Neville,« sagte er, »begib Dich mit diesem Sklaven ins Zelt unserer königlichen Gemahlin und sage, es sei unser Wunsch, daß ihm eine Audienz bei unserer Base Edith bewilligt werde, da er ihr einen Auftrag zu bestellen habe. Du kannst ihm auch den Weg zeigen, wenn er Deine Begleitung wünscht; doch wirst Du vielleicht schon mit Verwunderung bemerkt haben, wie genau er den Umkreis unseres Lagers kennt; – Und Du, Freund Aethiopier, was Du tust, das tue schnell, in einer halben Stunde erwarte ich Dich wieder hier.«
»Ich bin entdeckt,« dachte der angebliche Nubier, als er mit zu Boden gesenktem Blick Neville folgte; »gleichwohl kann ich mir nicht denken, daß er noch erzürnt auf mich wäre. Versteh ich seine Worte, und es ist ja schier unmöglich, sie falsch zu deuten, so gibt er mir eine edle Gelegenheit, meine Ehre an dem Helmbusch dieses falschen Marquis zu rächen, dessen Schuld ich in seinem feigen Blick und auf seiner bebenden Lippe las, ehe noch die Anklage gegen ihn vorgebracht wurde. – Roswal! Du hast deinem Herrn treu gedient, und die dir widerfahrene Schmach soll schwer gerächt werden! – Aber was soll die Erlaubnis bedeuten, sie zu sehen, da ich doch immer daran zweifelte? Wie kann der königliche Plantagenet zugeben, daß ich Edith sehe, ob nun als Bote des heidnischen Saladins oder als der schuldige Verbannte, den er erst vor kurzem aus seinem Lager vertrieb? Aber Richard, wenn ihn nicht Leidenschaft bewegt, ist freisinnig, großmütig und edel, und darum will ich ihm gehorchen in allem, was er mir befiehlt... hat er mir doch eine so herrliche Gelegenheit gegeben, meine befleckte Ehre zu rächen! O, er kennt mich nur wenig; ich bin ihm Dank schuldig hierfür, und werde meinen Dank ihm wahrlich nicht schuldig bleiben!«
Sie wurden von den Wachen gleich eingelassen, und Neville ließ den Nubier in einem Vorraume zurück, der diesem nur zu gut bekannt war, und trat in den Raum, der als Audienzgemach von der Königin benützt wurde.
»Und wer ist der nubische Sklave, der mit solchem Auftrage vom Sultan kommt?« fragte die Königin, hell auflachend; »ein Neger, nicht wahr, Neville? mit schwarzer Haut, Krauskopf, plumper Nase und wulstigen Lippen?«
»Vergessen Majestät doch die Schienbeine nicht,« sagte eine andere Stimme, »auswärts gebogen, wie die Klinge eines Sarazenen-Säbels!« – »Oder wie Cupidos Bogen,« meinte die Königin; »da er mit einer Liebesbotschaft kommt, klingt das doch besser... lieber Neville, Du bist immer bereit, uns armen Frauen ein Vergnügen zu schaffen. Komm, wir müssen diesen Liebesboten sehen. Türken und Mohren habe ich ja gesehen, aber noch keine Neger.« – »Gnädige Königin,« meinte Lady Caliste, »laßt doch den schwarzen Kerl gleich zu Lady Edith führen, lautet doch sein Beglaubigungsschreiben an sie! wir sind ja doch erst mit genauer Not den schlimmen Folgen eines ähnlichen Spaßes entgangen!«
»Eines ähnlichen Spaßes?« wiederholte die Königin verächtlich. »Aber Du kannst recht haben, Caliste. Laß den Nubier, wie Du ihn nennst, erst mit seinem Auftrage zu unserer Muhme. Er ist ja doch stumm, nicht?« – »Allerdings, meine Königin,« versetzte der Ritter.
Lord Neville kehrte zu dem Aethiopier zurück und winkte ihm zu folgen. Er führte ihn zu einem Zelt, abseits von dem der Königin. Ein koptisches Mädchen nahm Nevilles Auftrag entgegen, und nach einigen Minuten wurde der Nubier zu der Prinzessin geführt, während Neville draußen vor dem Zelte blieb.
Als Edith sich dem knienden Sklaven bis auf einen Schritt genähert hatte, sah sie ihm scharf, ein paar Sekunden lang ins Gesicht. Dann wandte sie sich weg und sagte ruhig, doch im Tone tiefster Trauer: »Seid Ihr es! – wirklich, tapferer Ritter vom Leoparden, edler Kenneth von Schottland? – Seid Ihr es wirklich, als Sklave verkleidet, umringt von tausend Gefahren?«
Als der Ritter die Stimme seiner Dame vernahm, die ihn so unerwartet anredete, in einem Tone halb Mitleid, halb Zärtlichkeit, da drängte sich ihm eine Antwort auf die Lippen, und Richards Befehle sowie sein eigenes Versprechen waren kaum imstande, sie zu bannen. Wie gern hätte er ihr gesagt, daß der Anblick, den er genieße, die Stimme, die er höre, alle Sklaverei, alle Gefahren ihm reichlich lohnten . . und doch hielt er an sich, und ein tiefer, leidenschaftlicher Seufzer war die einzige Antwort auf Ediths Frage.
»Ich sehe, daß ich richtig vermutet habe,« fuhr sie fort. »Ich bemerkte Euch gleich bei Eurem ersten Erscheinen auf der Plattform, wo ich mit der Königin stand. Auch Euren wackeren Jagdhund habe ich erkannt. Sprich daher ohne Furcht zu Edith Plantagenet, denn sie hat den guten Ritter im Unglück nicht vergessen, der, als das Glück ihm hold war, ihr ehrenvoll diente. – Noch immer still? aus Furcht oder Scham? Furcht sollst Du nicht kennen, und die Scham überlasse denen, die Dich gekränkt haben!«
In Verzweiflung darüber, daß er den Stummen spielen mußte, konnte er nur durch Seufzer seinen Schmerz ausdrücken.
»Wie?« sagte Edith halb unmutig, »der Stumme wie im Aeußeren, so auch im Tun? Das hätt' ich nicht gedacht. Oder solltest Du vielleicht meiner spotten, weil ich so kühn gestand, Deine mir bewiesene Huldigung bemerkt zu haben? Denke deshalb nicht unwürdig von Edith! Doch warum schlägst Du die Hände zusammen und ringst sie so leidenschaftlich? Sollten sie Dich,« rief sie, vor dem Gedanken zurückschreckend, »grausam der Sprache beraubt haben? – Du schüttelst den Kopf? Nun, mag es Zauber oder Trotz sein; ich frage Dich nicht weiter. Richte, was Du auszurichten hast, auf Deine Weise aus ... auch ich kann stumm sein.«
Der verkleidete Ritter überreichte ihr stumm Saladins Schreiben. Edith nahm es, warf einen flüchtigen Blick darauf, legte es beiseite und sagte, wieder zu dem Ritter gewendet, leise: »Auch kein Wort an mich als Geleit Deines Auftrages?«
Der Ritter preßte beide Hände gegen die Stirn, als Ausdruck des Schmerzes darüber, daß er ihr nicht gehorchen könne. Da wandte sie sich entrüstet von ihm. »Geh!« sprach sie, die Hand über die Augen legend, »ich habe genug, habe zu viel gesprochen für einen, der nicht ein einziges Wort an mich verschwenden will.«
Der Ritter wollte sich ihr nähern; aber sie wies ihn durch einen Wink zurück.
»Geh! sage ich, denn der Himmel hat Deine Seele für Deinen neuen Posten gewandelt... Was säumt Ihr? Geht!«
Fast unwillkürlich blickte der Ritter auf das Schreiben. Edith nahm es. . »Ich hatte ganz vergessen,« sagte sie, halb spöttisch, halb verächtlich, »der untertänige Sklave wartet auf Antwort ... Was ist das? vom Sultan?« Kaum hatte sie gelesen, so lachte sie in bitterem Aerger ...
»Nun, das geht über den Horizont!« rief sie. »Er mag Zechinen in Maravedis wandeln können; aber einen tapferen Ritter in den Sklaven eines heidnischen Sultans verwandeln? der seine übermütigen Anträge an eine christliche Jungfrau bringt, der Gesetze des Rittertums wie der Religion vergessen? Nein! das geht über den Horizont! Doch was hilft alles Reden mit dem Sklaven eines heidnischen Hundes? Sag Deinem Herrn, wenn er Dir Deine Zunge wiedergegeben hat, was Du mich hier tun siehst.«
Hier warf sie das Schreiben des Sultans auf die Erde und setzte ihren Fuß darauf. »Sag ihm, Edith Plantagenet lasse sich die Huldigung ungetaufter Heiden verbitten!«
Sie wollte hinausstürzen... da kniete er mit schwer keuchender Brust vor ihr nieder, wollte die Hand an ihr Gewand legen, sie zu halten ... sie aber drehte sich rasch nach ihm um und fuhr ihn an: »Hast Du nicht gehört, was ich sagte, Sklave?» Sage Deinem Herrn, daß ich seine Hand verachte ganz ebenso wie den Ritter, der sich entwürdigt, vor ihm den Staub zu küssen!«
Sie riß ihr Kleid aus seiner Hand und stürzte aus dem Zelte .... In diesem Augenblick rief Neville . . . und betäubt durch wilden Schmerz, wankte der unglückliche Ritter dem Baron hinterher, bis sie das königliche Zelt erreichten, vor welchem eben ein Trupp Reiter vom Pferde stieg. Als Neville mit seinem verkleideten Diener eintrat, bewillkommnete der König nebst seinen Edlen die eben angekommenen Personen.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
»Thomas von Baux, tapfrer Tom von Gills!« ließ sich König Richards helle Stimme vernehmen, »Du bist mir willkommen, wie je eine Flasche Wein einem fröhlichen Zecher. Hätt' ich nicht Deine rüstige Gestalt im Auge gehabt, wie einen Grenzstein, meine Reihen danach zu ordnen, so hätt' ich kaum gewußt, wie ich meine Truppen in Schlachtordnung stellen sollte. Jetzt wirds Hiebe setzen, Thomas, wenn die Heiligen uns beistehen, und hätten wir in Deiner Abwesenheit gefochten, so wäre ich darauf gefaßt gewesen, Dich an irgend einem Baume hängen zu sehen!« »Statt den Tod eines Abtrünnigen zu sterben, hätte ich meine fehlgeschlagene Hoffnung mit christlicher Geduld getragen,« sagte Thomas von Baux. »Allein ich danke Eurer Majestät für dies Willkommen um so herzlicher als ja doch der größere Teil Hiebe auf Konto Eurer Majestät genommen wird. Ich habe aber jemand mitgebracht, den Eure Majestät gewiß noch herzlicher willkommen heißen werden.«
Ein Jüngling von kleiner, schlanker Figur trat vor, um sich vor dem König zu verneigen. Seine Tracht war so einfach wie seine Figur unbedeutend; doch trug er auf seiner Mütze eine goldene Schnalle mit einem Edelstein, der mit den von der Mütze beschatteten Augen um die Wette funkelte. Sonst stach an dem Gesicht nichts weiter hervor; wer es jedoch genauer betrachtete, konnte sich eines gewissen Eindrucks nicht erwehren. Um den Hals des Jünglings hing an einem Bande von himmelblauer Seide ein Stimmhammer aus gediegenem Golde, das für Sänger unentbehrliche Werkzeug für ihre Harfe. Der Jüngling wollte vor dem König niederknien, der aber hob ihn fröhlich empor, drückte ihn zärtlich ans Herz und küßte ihn auf beide Wangen.
»Blondel von Nesle,« rief er, »willkommen von Cypern, Du König der Minnesänger! Willkommen dem König von England! Ich bin krank gewesen; ich glaube aber, bloß, weil Du mir fehltest; denn Deine Lieder würden mich gewiß auf dem Weg zum Himmel aufhalten ... Doch sprich, bist Du fleißig gewesen?« – »Etwas habe ich gelernt, und etwas getan, edler König,« erwiderte der berühmte Sänger bescheiden. – »Wir wollen Dich hören – auf der Stelle,« rief der König; »vorausgesetzt natürlich, daß Du nicht von Deiner Reise zu müde bist.« – »Ich bin wie immer, meinem königlichen Herrn zu Dienst,« sagte Blondel; »aber,« setzte er hinzu mit einem Blick auf die umherliegenden Papiere, »Majestät scheinen beschäftigt zu sein, und spät ist es auch schon.«
»Das bißchen Arbeit, Blondel, eilt nicht im mindesten; eine Schlachtordnung gegen die Sarazenen – so flink erledigt, wie ihre Niederlage.«
»Ich möchte aber gern wissen,« mischt« sich Thomas von Baux in das Gespräch, »was für Krieger Majestät aufzustellen haben. Ich bringe nämlich Berichte von Askalon.« – »Du bist eigensinnig, Thomas,« versetzte der König, »wie ein Maultier! Kommt, Ihr Edlen, stellt Euch ringsum! – Gebt Blondel den Sessel! gebt ihm meine Harfe; seine eigene könnte unterwegs gelitten haben.« »Majestät,« tief Thomas von Vaux; »ich bin weit geritten. Kein Wunder also, daß es mich mehr nach der Streu als nach Blondelschen Strophen verlangt.« – »Macht doch ein einziges Mal eine Ausnahme, Gills,« sagte der König, »Ihr wißt doch, daß ich wie Blondel ein Zunftgenosse der fröhlichen Kunst bin?« – »Majestät sollten nicht vergessen,« sagte Thomas von Vaux lächelnd, »daß man von einem Maultiere keine Ausnahmen verlangen kann.« – »Sehr wahr,« sagte der König, »dann kommt her, Herr Maulesel, und werft Eure Last ab, damit Ihr auf die Streu kommt. Du aber, Bruder Salisbury, begib Dich in das Zelt unserer Gemahlin, und sage ihr, Blondel sei angekommen und habe die neuesten Minnelieder mitgebracht. Sie solle sogleich kommen, und unsere Cousine Edith Plantagenet auch!«
Sein Auge streifte wieder den Nubier mit jenem zweifelsvollen Ausdruck, der sich immer in seinen Mienen verriet, wenn er ihn anblickte.
»Ha, unser geheimer Bote ist wieder zurückgekehrt? Steh auf, Sklave, und tritt hinter Neville! Was Du jetzt hören wirst, wird Dich freudig stimmen darüber, daß Du bloß stumm und nicht auch taub bist!« Dann wandte er sich zu Thomas von Vaux, und horte dessen Vortrag an. Kaum war Thomas von Vaux, fertig, so meldete ein Bote, die Königin nähere sich mit ihrem Gefolge dem königlichen Zelte. – »Eine Flasche Wein!« rief der König, »von des alten König Isaaks lang aufgespartem Cypernwein, den wir von dem Sturm auf Famagusta haben. Füllt dem wackeren Lord Gilsland einen Becher, Ihr Edlen! Einen getreueren Diener hat noch kein Fürst gehabt. Doch sieh! der Fackelschein draußen verrät, daß unsere Gemahlin sich nähert. Eile ihr entgegen, Thomas! halte Dich doch nicht auf mit Deinem Mantel! Da sieh, Lord Neville kommt Dir zwischen Wind und Segel!« – »Auf dem Schlachtfeld hat er mir nie das Prävenire gespielt,« brummte Thomas von Vaux, durchaus nicht erfreut über die Zuvorkunft des gewandteren Kämmerers. – »Nein, weder er, noch sonst jemand, mein guter Thomas von Gils,« sagte der König, »außer mir selbst dann und wann.« – »Doch einer noch,« versetzte Thomas; »möchte wenigstens auch ihm Gerechtigkeit werden! Der unglückliche Ritter vom Leoparden ist mir seinerzeit auch zuvorgekommen, denn er ist leichter zu Pferde, drum ....« – »Still!« wehrte ihm der König mit gebietendem Tone. »Kein Wort mehr von ihm!« und er trat einen Schritt vor, seine Gemahlin zu begrüßen. Dann stellte er ihr Blondel vor als König der Minstrels und seinen Lehrherrn in der fröhlichen Kunst. Berengaria kannte die Passion ihres Gemahls für Musik und Poesie und wußte, daß Blondel sein besonderer Liebling war; sie ließ es sich deshalb angelegen sein, ihn mit Auszeichnung zu empfangen. Blondel erwiderte die Höflichkeit der Königin mit tiefer Ehrerbietung und demütigem Dank; aber es ließ sich nicht verkennen, daß er den schlichten anmutigen Gruß Lady Ediths mit größerer Herzlichkeit erwiderte.
König Richard entging es nicht, daß seine Gemahlin diese Bevorzugung Ediths nicht gern sah, und empfindlich sagte er, wohl selbst nicht eben erfreut darüber: »Wir Minstrels, Berengaria, erweisen einem strengen Kunstrichter, wie unserer Edith, mehr Achtung als einer wohlgeneigten Freundin, wie Dir, die zwar bereit ist, in unsern Wert keinen Zweifel zu setzen, ihn aber doch nicht unmittelbar zu taxieren weiß.«
Edith fühlte sich durch diese sarkastische Bemerkung ihres Oheims verletzt und erwiderte, daß hart und streng zu urteilen nicht die Eigenschaft sei, die unter den Plantagenets ihr allein zukomme.
Sie hätte sich vielleicht nicht auf diese wenigen Worte beschränkt; allein ihr Blick begegnete plötzlich dem Blicke des Nubiers, obwohl sich derselbe hinter den anwesenden Edlen zu verbergen suchte; sie sank in einen Sessel, so bleich, daß die Königin nach Wasser rief, weil sie eine Ohnmacht befürchtete. Aber Richard, der Edith besser kannte, bat Blondel mit seinem Gesange zu beginnen, da Minnegesang besser als jede Arznei einen Plantagenet zu heilen vermöchte.
Blondels Auge aber ruhte mit angstvollem Ausdruck auf Edith, und als er sah, daß ihre Farbe wiederkehrte, leistete er dem Befehle des Königs Gehorsam. Seine Gestalt schien zu wachsen, sein Antlitz glühte von Kraft und Begeisterung, seine volle, männliche Stimme erschütterte Ohren und Herzen.
»Horcht, Ihr Ritter, in Burgen und Hallen!« rief der König, winkte den Anwesenden, sich um den Sänger im Kreise zu gruppieren, und nahm mit allem Ernst eines sachverständigen Kunstrichters Platz. Blondel sang in normannischer Sprache eines jener ritterlichen Liebesabenteuer, die damals im Schwunge waren:
Von dem herrlichen Benevent nicht fern,
Als tief schon die Strahlen der Sonne sanken,
Erblickte man viele Ritter und Herrn
Zum Sankt-Johannis-Turnier in den Schranken.
Da kam, von einer Prinzessin gesandt,
Nach Lincolngreen ein junger Fant
Durchs Lager geeilt mit schnellen Schritten,
Und fragte nach Thomas von Kent, dem Briten.
Weit war er gewandert, weit ging noch sein Pfad,
Bis er dem schmucklosen Zelte sich naht,
Das nichts enthielt als Eisen und Stahl,
Blutarm an Geld, blieb ihm keine Wahl,
Als selbst, mit entblößten, nervigen Händen,
Des Waffenschmieds Arbeit zu vollenden.
Er hämmert den Harnisch, Johannes dem Täufer
Und seiner Dame zu Ehren, mit Eifer.
Da naht ihm ein Page: »So sagte sie« –
Und der Ritter beugte sein Haupt und Knie –
»Die hohe Prinzessin von Benevent:
Du bist ein Ritter, den niemand kennt;
Willst Du erklimmen den hohen Baum
Und überspringen den trennenden Raum,
So vollbring eine Tat, daß ein jeder muß sagen:
Nur Ehrgeiz und Rittertum konnte dies wagen.«
»Hinweg mit dem Harnisch,« sagte sie –
Und der Ritter beugt abermals Haupt und Knie –
»So schön er dich ziert! Aus meiner Hand
Empfange statt dessen ihr Nachtgewand!
Mit ihm, statt dem Panzerhemd, ohne Wanken,
Erscheine mutig und keck in den Schranken;
Wo das Blut in Strömen fließt, da erwirb
Dir Ehre im tapfern Kampf, oder stirb!«
Mit ruhigem Blick, im Herzen erfreut,
Empfängt der Ritter und küßt das Kleid.
»Heil sei der Stunde, und du gesegnet.
Durch den mir so hohe Ehre begegnet!
Zur Dame: sprich: Mit dem Kleid angetan,
Werd' ich nicht weichen dem tapfern Mann;
Ihr dank ich es, wenn Ruhm ich errang!« –
Hier endigt des Blutsgewands erster Sang.
[In der Umdichtung von Heinrich Döring]
»Du hast das Versmaß in der letzten Strophe verändert,« sagte der König. – »Allerdings,« antwortete Blondel, »ich bekam die italienischen Verse von einem alten Harfner in Cypern, und es mangelte mir an Zeit, sie in mein Gedächtnis einzuprägen; ich mußte deshalb die Lücken aus dem Stegreif ausfüllen.« – »Nun, meiner Treu,« sagte der König, »ich habe die rollenden Alexandriner gern: sie klingen mir besser zur Musik, als die kurzen Verse; aber für die Szene, wo das Gefecht vor sich gehen soll, eignen sich meiner Meinung nach die erstern besser.« – »Es soll geschehen nach Eurer Majestät Belieben,« antwortete Blondel und fing von neuem zu präludieren an. Dann setzte er den Gesang fort:
Das Fest St. Johannis sah Taten vollführen,
Sah Ehre gewinnen und Ehre verlieren;
Sah Säbel hauen und Lanzen splittern;
Hier winkte Sieg, dort ein Grab den Rittern;
Und mancher darunter focht wacker und brav:
Doch wer sie alle wohl übertraf,
Der Ritter war es, der schlau und klug
Als Panzer der Dame Nachtgewand trug.
Zwar ward ihm manch blutige Wunde geschlagen.
Doch hörte man manchen mit Ehrfurcht sagen:
»Ihn, den ein Gelübde hält gebunden,
Unritterlich wärs, ihn zu verwunden.«
Der Fürst gebeut, das Turnier zu enden;
Der Herold erscheint, und aus den Händen
Der Richter empfängt, im versammelten Kreis,
Der Ritter im Nachtgewande den Preis.
Das Fest war nahe, noch näher die Meß':
Da nahet ein Knappe sich der Prinzeß
Und reicht ein Gewand ihr, unwürdig zu schaun,
Zerstochen, zerstoßen, zerspießt und zerhaun,
Zerlumpt und zerrissen, mit Blut befleckt,
Vom Staub und vom Schaum der Rosse bedeckt.
So daß der Prinzessin Finger, ich wette,
Kein reines Fleckchen gefunden hätte.
Dies Zeichen erstattet Sir Thomas von Kent,
Mein Herr, der Prinzessin von Benevent.
Ihm gebührt die Frucht, er erklimmte den Baum
Und übersprang den trennenden Raum.
Sein Leben dran wagend, errang er den Preis,
Er fordert der Herrin Treu' als Beweis.
Sie stürzt' ihn in diese Gefahr hinab –
Sie lege das Zeugnis der Treue ihm ab.
Das Kleid, so er trug, erstattet er nun,
Die Fürstin ersuchend, es anzutun.
Mit blutigen Flecken hat's zwiefachen Wert.
Denn nimmer ward es durch Schande entehrt.« –
Die Fürstin errötet und drückt unbewußt
Das blutige Kleid an Lippen und Brust.
»Sag meinem Treuen, in kurzer Zeit
Wirds kund, ob ich schätze das blutige Kleid.«
Und als für den Adel die Stunde schlug,
Die ihn zur Kirch' und zur Messe trug,
Zog mit auch die Fürstin in Purpur und Seide,
Doch trug sie das Blutkleid, trotz allem Geschmeide;
Und als in der Halle die Tafel glänzt,
Sie knieend den Wein ihrem Vater kredenzt,
Da schimmerte, unter Juwel und Demant
Und prächtigen Stoffen das Blutgewand.
Es flüsterten Damen, es flüsterten Herrn,
Mit Winken und Kichern, von nah und von fern,
Der Fürst, der vor Zorn und vor Aerger verging,
Gab endlich der Tochter den zürnenden Wink:
»Das Blut, das vergossen ward, mag Deine Hand
Vergüten, da frei Du die Schuld bekannt.
Doch sollt ihr nun beide die Kühnheit bereu'n,
Verbannt hinfüro von Benevent sein.«
Und Thomas rief laut in der Hall', wo er stand,
Erschöpft und kraftlos, von Zorn übermannt:
»Was für die Prinzessin an Blut ich vergossen,
Frei ists, wie der Wein aus der Flasche geflossen.
Ward' Buß' und Schande durch mich ihr zu teil,
So schaff ich für Leid und Beschämung ihr Heil;
Leicht fühlt sie, von deinem Haus sich getrennt.
Wenn England sie grüßet als Gräfin Kent.
Ein Gemurmel des Beifalls durchlief die Versammlung. Der König überschüttete ihn mit Lob und machte ihm einen Ring von hohem Wert zum Geschenk. Die Königin überreichte ihm ein kostbares Armband.
»Hat unsere Base alles Interesse für Gesang und Harfenspielen verloren?« fragte Richard.
»Sie dankt dem Sänger für sein Lied,« entgegnete Edith; »aber doppelt dankt sie dem gütigen Oheim, der ihr so herrlichen Genuß verschaffte.« – »Du bist ärgerlich Base,« sagte der König; »weil Blondel von einem eigensinnigeren Weibe gesungen hat, als Du selbst bist. – Aber Du entschlüpfst mir nicht! Ich begleite Dich ein Stück zum Zelte der Königin; unterwegs müssen wir zusammen sprechen.«
Die Königin und ihr Gefolge brachen auf; die Gäste verließen das königliche Zelt; Fackelträger und Bogenschützen bildeten ihr Geleit. König Richard aber bot seiner Base den Arm .. »Was soll ich dem edlen Sultan antworten?« fragte er sie; »Könige und Fürsten fallen von mir ab, Edith! der neue Zwist hat sie mir noch mehr entfremdet. Ich täte gern etwas für das heilige Grab, wenn nicht durch Sieg, so durch Vergleich; aber leider ist mein Erfolg abhängig von den Launen eines eigensinnigen Mädchens, das ihrem eigenen Besten die Augen verschließt. Wie gesagt, Base, was soll ich Saladin antworten?« – »Daß sich die Aermste des Hauses Plantagenet lieber dem Unglück vermählen werde als dem Unglauben.«
»Willst Du nicht lieber noch das Wort Sklaverei hinzutun, Edith?« versetzte der König. »Es scheint mir doch Deinem Gedanken gleich am nächsten zu liegen?.« – »Körperliche Sklaverei,« erwiderte Edith, »ließe sich beklagen; aber seelische, o König, nur verachten! Schäme Dich, Richard, Du Herrscher des fröhlichen Englands! Du hast Körper und Geist eines Ritters in Knechtschaft gestürzt, der einst kaum weniger berühmt war, als Du.« – »Mußte ich nicht meiner Base wehren, Gift zu trinken, indem ich das gifthaltige Gefäß besudelte? bot sich denn ein anderes Mittel, ihr das Getränk zu verleiden?« antwortete der König. – »Du selbst willst aber mich nötigen, Gift zu trinken, das in goldenem Kelche geboten wird!« – »Edith,« sagte Richard, »erzwingen kann ich Deinen Entschluß nicht; doch hüte Dich, die Tür zu verschließen, die der Himmel öffnet! Der Eremit von Engaddi, den Päpste und Konzilien für einen Propheten halten, hat in den Sternen gelesen, daß Deine Vermählung mich mit einem mächtigen Feinde aussöhnen, daß Dein Gatte den christlichen Glauben annehmen werde. Bringe lieber ein Opfer, Edith, ehe Du so glückliche Aussichten verdunkelst.«
»Widder und Ziegen mögen die Menschen opfern,« sagte Edith, »aber nicht Ehre und Gewissen. Die Schmach einer christlichen Jungfrau hat, wie ich vernommen, die Sarazenen nach Spanien geführt; die Schande einer anderen dürfte kaum das passende Mittel sein, die Sarazenen aus Palästina zu vertreiben.« – »Nennst Du es Schmach, eine Kaiserin zu werden?« sagte der König. – »Ich nenne Schmach die Entweihung eines Sakraments, den Ehebund einer Christin mit einem Ungläubigen, der dadurch nicht gebunden werden kann; gemeinen Schimpf aber nenne ich es, daß ich als Tochter einer christlichen Fürstin das Haupt eines heidnischen Harems werden soll.« – »Wohlan, Base,« sagte her König, »ich will nicht länger mit Dir rechten, obgleich ich der Meinung bin, Deine Abhängigkeit sollte Dir größere Nachgiebigkeit empfehlen.«
»Mein König und Oheim,« versetzte Edith, »aller Reichtum, alle Würde und Herrschaft des Hauses Plantagenet ist kraft Rechtens auf Euch übergegangen. Vergönnt zum wenigsten Eurer armen Base Anteil am Stolze ihres Hauses!«
»Meiner Treu, Mädchen!« sagte der König, »mit diesem Worte hast Du mich aus dem Sattel geworfen. Gib mir einen Kuß und laß uns Freunde sein! Ich will sofort Saladin Deine Antwort senden... Aber wäre es nicht doch vielleicht besser, zu warten, bis Du ihn gesehen? es soll ein sehr schöner Mann sein!« – »Es wird sich keine Gelegenheit zu einer Zusammenkunft bieten,« meinte Edith. – »Beim heiligen Georg, die findet sich nächstens!« rief der König; »Saladin wird uns einen Platz anweisen, wo der Zweikampf stattfinden soll, der die Frage entscheiden wird, wer unser Banner beiseite geschafft hat. Er wird, wenn nicht alles trügt, dem Kampfe selbst beiwohnen. Berengaria und ihre Hofdamen werden auch nicht fehlen, und Du wohl am wenigsten, liebe Base! – Doch komm, wir haben das Zelt erreicht und müssen uns trennen, doch nicht im Verdruß!« Er umarmte sie zärtlich, doch hoheitsvoll, dann kehrte er, Blondelsche Weisen trällernd, nach seinem Zelte zurück, wo er das Schreiben ausfertigte, und dem Nubier übergab mit dem Befehle, sich bei Tagesanbruch zu dem Sultan zu begeben.
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Am nächsten Morgen wurde Richard zum König Philipp von Frankreich gebeten, der ihm in äußerst höflichen, aber unverblümten Worten den Entschluß bekannt gab, nach Europa zurückzukehren, da er sich eines glücklichen Erfolges nicht länger mehr versehen könne. König Richards Vorstellungen blieben fruchtlos, und es überraschte ihn nicht, nach Beendigung der Unterredung den gleichen Entschluß auch vom Erzherzog Leopold von Oesterreich und andern Kreuzfahrern zu vernehmen, die sogar nicht verheimlichten, daß Richards Ehrgeiz und willkürliche Herrschaft ihren Abfall von der Sache des Kreuzes veranlaßten. Alle Hoffnungen, den Krieg mit Erfolg fortzusetzen, schwanden nun, und Richard geriet über diese Vereitlung seiner Hoffnungen außer sich. Ein Glück für ihn und seine Umgebung war es, daß bald nachher ein Bote des Sultans Saladin gemeldet wurde.
Sultan Saladin hatte als Platz für den Zweikampf, der zwischen den Rittern ausgefochten werden sollte, die unter dem Namen »Diamant der Wüste« bekannte Gegend bestimmt, weil sie von dem Lager der Christen und der Sarazenen ziemlich gleich weit entfernt lag. Konrad von Montserrat, als Angeklagter, sollte sich dort mit seinen Zeugen, dem Erzherzog von Österreich und dem Großmeister der Tempelherren, am Kampftage mit hundert Bewaffneten, Richard von England und sein Bruder Salisbury als Kläger, mit ebenso viel Mannen zum Schutze seines Kämpfers, der Sultan aber mit einer Leibwache von fünfhundert auserwählten Kriegern einfinden. Zuschauer sollten keine andern Waffen tragen als Schwerter. Die Einrichtung des Kampfplatzes und die Sorge für Bequemlichkeit und Erfrischungen übernahm der Sultan.
Am Tage vor dem Kampfe brachen Konrad und seine Freunde auf, kurz nach ihm auch König Richard, in Gesellschaft der Königin Berengaria und ihres Hofstaates, dem sich auch Lady Edith angeschlossen hatte. Am anderen Morgen stiegen sie über die niedrigen Sandhügel, die dem bezeichneten Platze vorgelagert waren, wo sich ein glänzendes Schauspiel vor ihnen zeigte.
Der »Diamant der Wüste«, bis vor kurzem eine einsame Quelle, war zum Mittelpunkt eines Lagers geworden, das in tausendfältigen Farben schimmerte, denn jede Nation hatte für ihre Zelte ihre besondere Farbe und die Spitzen der Zeltpfähle waren mit goldenen Granatäpfeln und seidenen Wimpeln geschmückt. Araber und Kurden, jeder mit seinem Pferd an der Hand, bildeten im Vordergrund eine dunkle, verworrene Masse. Kaum war König Richard ins Lager geritten, als ein gellender Pfiff den Lärm der arabischen und kurdischen Höllenmusik übertönte, worauf die dunkelfarbigen Reiter in den Sattel sprangen. Eine Staubwolke verbarg dem König und seiner Begleitung nicht allein das Lager, die Palmenbäume und die entfernte Bergkette, sondern auch die Truppen, deren plötzliche Bewegung diese Wolke erregt hatte. Ein abermaliger Pfiff, und die Reiterei rückte vor in vollem Galopp, so daß sie auf einmal an die Front, die Flanken und den Nachtrab von Richards kleiner Leibwache kamen, die auf diese Weise von beiden Seiten durch dichte Staubwolken eingehüllt wurde. Abwechselnd tauchten daraus die finsteren wilden Gesichter der Sarazenen hervor, um jedoch ebenso schnell zu verschwinden. Unter wildem Geschrei schwenkten sie ihre Lanzen, und rissen ihre Pferde oft erst in Speeresweite vor den Christen herum, wahrend ihr Nachtrab förmliche Pfeilwolken auf Christen und Sarazenen abschoß. Ein Pfeil traf die Sänfte der Königin, ein anderer den König vor die Stirn. »Ha! beim heiligen Georg!« rief er. »Gegen diesen Abschaum der Ungläubigen müssen wir Maßregeln treffen!«
Edith steckte den Kopf aus der Sänfte, nahm einen Pfeil in die Hand und sagte: »Ei, seht doch, sie haben ja keine Spitzen!« – »Kluges Kind!« rief Richard; »Du beschämst uns alle mit Deinem Scharfblick. Landsleute,« fuhr er, zu seinem Gefolge sich wendend, fort: »Keine unnütze Bange! sie vollführen den Lärm bloß als Willkommen für uns, haben wohl auch ihre Lust daran, uns in Unruhe zu setzen. Also nur immer vorgerückt!«
Von den Arabern auf allen Seiten umringt, zog die kleine Schar unter dem gellenden Geschrei derselben weiter: gleichsam als Kern einer Szene von unbeschreiblicher Verwirrung. Da erschallte abermals ein durchdringender Ruf, auf den hin all diese an der Front und den Flanken der Europäer befindlichen Truppen eine lange, tiefe Kolonne bildeten. Der Staub zerteilte sich, und ein Trupp regulärer Reiter, etwa fünfhundert Mann, mit Angriffs- und Verteidigungswaffen ausgerüstet, kam ihnen entgegen. Es waren Sklaven aus Georgien und Cirkassien, durchweg Männer in der Blüte ihrer Jahre, in einer Kriegstracht von bunter Pracht mit Oberkleid aus Brokat, und seidnen Schärpen. Ihre reichen Turbane waren mit Federbüschen und Juwelen geschmückt, ihre Säbel und Dolche aus Damaszenerstahl mit Gold und Edelsteinen besetzt.
Unter den Klängen kriegerischer Musik rückten sie heran und öffneten angesichts der Christenschar ihre Glieder, um sie durch ihre Reihen zu lassen. Richard, Saladin in der Nähe vermutend, stellte sich an die Spitze der Seinen. Es währte auch nicht lange, so erschien der Sultan, umgeben von seiner Leibwache, in der Miene und Haltung eines Mannes, auf dessen Stirn die Natur geschrieben hatte: Dies ist ein König! Er trug Turban und Gewand von schneeweißer Farbe, darüber eine Schärpe von scharlachroter Seide. Im Turban funkelte jener unschätzbare Edelstein, der von den Dichtern »das Meer des Lichts« genannt wird. Zum Schutze gegen den Staub, der in der Nähe vom Toten Meere der feinsten Asche glich, vielleicht auch aus orientalischem Stolze, hatte er an seinem Turban eine Art Schleier geheftet, der seine edlen Gesichtszüge zum Teil verdeckte. Er ritt ein milchweißes arabisches Roß, das ihn mit einem Stolze trug, als sei es sich seiner edlen Bürde bewußt gewesen.
Die beiden Herrscher sprangen zu gleicher Zeit vom Pferde, die Musik verstummte, die Truppen machten Halt, und nachdem sie sich voreinander verbeugt hatten, gingen sie einander entgegen und umarmten sich wie Brüder. Der Sultan brach zuerst das Schweigen, »Melech Rik,« sprach er, »ist dem Saladin willkommen, wie das Wasser dieser Wüste. Hoffentlich setzt er kein Mißtrauen in diese zahlreich aufgestellte Schar, die sich, mit Ausnahme der bewaffneten Sklaven meines Hofstaats, nur aus Edlen meiner tausend Stämme zusammensetzt. Denn wer könnte daheim bleiben wollen, wenn ein Fürst sich uns zeigt, wie Richard, mit dessen Namen die Amme ihr schreiendes Kind, und der freie Araber sein widerspenstiges Roß zur Ruhe bringt?« – »Dies alles also sind arabische Edle?« fragte Richard, rings umher schauend auf wilde, von der Sonne schwarz gebrannte Gestalten. – »So zahlreich sie sind,« sagte Saladin, »so stehen sie doch unter den Bedingungen des zwischen uns geschlossenen Vertrags und führen keine anderen Waffen als den Säbel.« – »Wenn sie sie bloß nicht wo liegen haben, wo sie sie nicht lange zu suchen haben,« flüsterte Thomas von Vaux; »wirklich! eine glänzende Versammlung von Pairs, die in der Westminster-Halle kaum Platz hätte.«
»Schweig, ich befehl es Dir!« raunte Richard ihm zu; dann wandte er sich zu Saladin: »Edler Sultan! Argwohn wächst nicht auf dem gleichen Boden mit Dir... Sieh – « auf die Sänften zeigend, »auch ich habe einiges Kriegsvolk mitgebracht, aber bewaffnetes, also vielleicht dem Vertrage zuwider gehandelt; denn glänzende Augen und schöne Züge sind Waffen, die man nicht zu Hause lassen darf.«
Der Sultan machte in der Richtung nach den Sänften hin eine so tiefe Verneigung wie nach Mekka hin, und küßte dabei, als Zeichen der Ehrerbietung, den Staub. »Willst Du nicht zu ihren Sänften hinreiten, Bruder?« fragte König Richard. – »Das wolle Allah verhüten!« antwortete der Sultan; »ist doch kein Araber hier, der es den edlen Frauen nicht als Schande anrechnete, wenn sie sich mit entblößtem Antlitz sehen ließen.« – »So sollst Du sie nachher insgeheim sehen, Bruder,« sagte Richard. – »Wozu?« fragte Saladin traurig; »war doch Dein letztes Schreiben für die Hoffnungen, die ich nährte, was Wasser für Feuer ist! Wozu eine Flamme wieder anzünden, die wohl verzehren, doch nicht erfreuen kann? – Aber will mein Bruder nicht in das Zelt kommen, das sein Diener für ihn bereitet hat? Mein vornehmster Eunuch hat Befehl, die Fürstinnen zu empfangen; Deinem Gefolge werden meine Hausbeamten aufwarten; Wir selbst werden des königlichen Richard Kämmerer sein.«
Darauf führte er sie zu einem prächtigen Zelt; Thomas von Vaux nahm dem König den langen Reitmantel ab, der nun vor Saladin in der prallen, Stärke und Ebenmaß seines Körpers vorteilhaft zur Geltung bringenden Kleidung stand, ein auffälliger Kontrast zu den weiten langen Gewändern, die die schmächtige Gestalt des orientalischen Herrschers verhüllten. Vor allem fesselte Richards gewaltiges Schwert die Aufmerksamkeit des Sarazenen: eine breite gerade Klinge, die sich in ihrer unförmlichen Länge fast von der Schulter des Königs bis zur Ferse erstreckte.
»Hätte ich dieses Schwert nicht in der Schlacht flammen sehen,« sprach Saladin, »so würde ich nicht glauben, daß es ein Menschenarm regieren könnte!« Hierauf, nahm er die muskulöse Hand des Königs, hielt sie neben die seinige, die dürr und mager war und nur wenig Fleisch und Sehnen hatte, und lachte. Hierbei verrückte sich sein Turban, und eine darunter befindliche Tatarenmütze wurde sichtbar. Da riß Thomas den breiten Mund und die großen runden Augen weit auf, und auch Richard sah mit Erstaunen auf den Sultan, der in ernstem Tone sprach: »Der Kranke, sagt der Dichter, kennt den Arzt an seinem Gange; ist er aber wieder hergestellt, so kennt er selbst sein Gesicht nicht, wenn er ihn sieht.« – »Ein Wunder! Ein Wunder!« rief Richard; »so, muß ich meinen gelehrten Hakim in meinem königlichen Bruder Saladin wiederfinden?« – »Das ist gar oft der Lauf der Welt!« erwiderte der Sultan; »das zerrissene Gewand macht nicht immer den Derwisch.« – »Und durch Deine Vermittelung,« rief Richard, »wurde der Ritter vom Leoparden vom Tode errettet, und auf Dein Anstiften besuchte er mich verkleidet im Lager?« – »So ist's,« erwiderte Saladin. »Wußte ich doch als Arzt, daß seine Lebenstage gezählt seien, wenn nicht, die blutende Wunde seiner vernichteten Ehre geheilt würde. Aber seine Verkleidung wurde schneller offenbar, als ich nach dem glücklichen Erfolg der meinigen rechnete.«
»Ein Zufall,« sagte König Richard, wahrscheinlich auf seinen Einfall, die Wunde des Nubiers auszusaugen, anspielend, »lehrte mich, daß seine Haut künstlich gefärbt sei. So fiel dann die weitere Entdeckung nicht schwer; denn Person und Gestalt von ihm waren nicht vergessen. Ich rechne, daß er morgen kämpfen wird.«
»Ich habe ihn mit Roß und Waffen versehen,« versetzte der Sultan, »und hege eine hohe Meinung von ihm, seit ich ihn unter mancherlei Verkleidungen beobachtet habe.« – »Weiß, er jetzt, wem er zu Dank verpflichtet ist?,« fragte Richard. »Allerdings,« entgegnete der Sarazene. »Ich konnte nicht umhin, ihm meine Person zu entdecken, als ich ihm meinen Plan auseinandersetzte.« – »Und bekannte er Euch etwas?« fragte der König.. – »Das könnte ich nicht sagen,« erwiderte der Sultan; »doch aus vielem, was unter uns vorging, schließe ich, daß er sich zu hoch verirrt hat, um Erfolg zu haben.« – »Wußtest Du, daß er Deinen eignen Wünschen in den Weg trat?« fragte Richard. – »Ich vermute es,« sagte Saladin; »allein, wenn die edle Dame ihn mehr liebte als mich, wer könnte leugnen wollen, daß sie diesem hochherzigen Ritter nur Gerechtigkeit widerfahren ließ?« – »Er ist zu niedriger Abkunft, um sich mit dem Blute der Plantagenets zu vermischen, « versetzte Richard stolz. »Das mag in Frangistan so sein,« erwiderte der Sultan; »bei uns aber heißt ein Sprichwort: jeder tapfere Kameltreiber ist würdig, die Lippen einer Königin zu küssen, aber kein feiger Prinz wert, auf den Saum ihres Gewandes einen Kuß zu drücken. Doch mit Eurer Erlaubnis, edler Bruder, muß ich mich jetzt beurlauben, um den Erzherzog von Oesterreich und jenen Nazarener-Ritter zu empfangen, der zwar meiner Gastfreundschaft weniger würdig ist, aber um meiner eigenen Ehre willen seinem Rang gemäß begrüßt werden muß.«
Der sarazenische Herrscher verließ das Zelt, und auch König Richard hüllte sich in seinen Mantel, um sich nach dem Zelt seiner Gemahlin zu begeben, das er von jenen unglücklichen Dienern bewacht fand, mit denen morgenländische Eifersucht den Harem der Großen zu umgeben pflegt. Vor dem Eingange wandelte Blondel auf und ab und griff von Zeit zu Zeit in die Saiten seiner Harfe, während die Schwarzen ihre Elfenbeinzähne blicken ließen, und mit seltsamen Gebärden und gellenden Stimmen seinen Gesang begleiteten. – »Was hast Du mit dieser schwarzen Herde, Blondel?« fragte der König; »warum gehst Du nicht ins Zelt?« – »Weil ich weder Kopf noch Finger für meinen Stand entbehren kann,« entgegnete Blondel; »die Kerle drohen mir aber, mir Glied für Glied abzuhauen, wenn ich einen Schritt weiter tue.« – »Komm,« sagte der König, »ich will Dich mit meiner Person decken.«
Die Schwarzen senkten vor König Richard Piken und Schwerter, und schlugen die Augen nieder. Im Zelte fanden sie Thomas von Vaux, der Königin aufwartend; während diese den Sänger willkommen hieß, sprach Richard mit seiner schönen Cousine.
»Nun, sind wir noch Feinde, holde Edith?« fragte er. – »Nein, König und Ohm,« sagte Edith; »Feindschaft hegen gegen König Richard kann niemand, wenn er sich so zeigt, wie er wirklich ist, großmütig und edel, tapfer und ehrliebend.«
Mit diesen Worten reichte sie ihm die Hand, die der König zum Zeichen der Versöhnung küßte. Dann fuhr er fort: »Du denkst, Edith, mein Zorn sei nur Verstellung gewesen? Da irrst Du! Die Strafe, die ich dem Ritter auferlegte, war gerecht, denn er hatte das ihm anvertraute Amt verraten! Weshalb, tritt hierbei nicht in Erwägung; aber ich freue mich vielleicht ebenso wie Du, daß er morgen Gelegenheit hat, den Flecken, der an ihm haftete, an dem wirklichen Dieb und Verräter zu tilgen! Aber wie, Edith? Wenn der Schotte den Sieg verlöre?« – »Was kann nicht sein!« rief Edith mit Festigkeit. »Mit meinen Augen sah ich, wie dieser Montserrat sich verfärbte... er ist der Schuldige!«
»Ich will offen sprechen, Edith,« sagte der König nach einer Weile, »und wie zu einer Freundin... was würde der Ritter Dir sein, wenn er als Sieger die Schranken verliehe?« – »Mir?« sagte Edith, tief errötend; »was kann er mir mehr sein als ein Ritter in Ehren?« – »Aber er hat viel für Dich getan und erlitten!« sagte der König. – »Ich habe seine Dienste mit Lob und seine Leiden mit Zähren vergolten,« entgegnete Edith. »Wär ihm um anderen Lohn zu tun gewesen, so hätte er sich in den Grenzen seines Standes halten müssen.«
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Lange vor Tagesanbruch waren die Schranken, die für den Zweikampf errichtet worden waren, von einer größeren Menge Sarazenen umgeben, als König Richard am Abend zuvor gesehen hatte. Kaum stieg die Sonne über der Wüste auf, als vom Sultan selbst der Ruf: »Zum Gebet!« laut erhoben und von andern Edlen beantwortet wurde, die durch ihren Rang und Eifer berechtigt waren, als Muezzins zu dienen. Mit dem Gesicht nach Mekka gewandt, sanken sie plötzlich zur Erde nieder, als seien die vielen bloß ein einziges Wesen; ein wahrhaft ergreifendes Schauspiel!
Nun nahten die Bürgen der beiden Kämpfer, denen die Pflicht oblag, die Bewaffnung derselben zu prüfen. Der Erzherzog von Oesterreich zeigte keine sonderliche Eile, denn er hatte am Abend tüchtig gezecht. Dagegen stand der Großmeister der Tempelherren schon frühzeitig vor dem Zelte Konrads von Montserrat, denn ihm war am Ausgange des Kampfes mehr gelegen als den andern. Zu seinem Erstaunen versagten ihm die Wächter den Eintritt . . . »Kennt Ihr mich nicht, Schurken?« rief er entrüstet. – »Allerdings, würdiger Herr!« entgegnete Konrads Schildknappe. »Aber der Marquis beichtet soeben.« – »Beichtet?« rief der Templer voll Unruhe und Verachtung; »bei wem, bitte!« – »Mein Herr gebot Schweigen!« antwortete der Knappe; aber der Großmeister stieß ihn beiseite und drang ins Zelt.
Der Marquis von Montserrat kniete eben vor dem Einsiedler von Engaddi, um seine Beichte abzulegen. – »Was heißt das, Marquis?« rief der Großmeister; »stehe auf! wenn Du beichten mußt, bin ich da.« – »Ich habe Euch schon zu oft gebeichtet,« antwortete Konrad, bleich und mit zitternder Stimme. »Großmeister, laßt mich vor diesem heiligen Mann mein Gewissen erleichtern.« – »Inwiefern ist er heiliger als ich?« entgegnete der Großmeister. »Eremit, Prophet, Wahnsinniger, bekenne, wenn Du es wagst, worin Du mich übertriffst!« – »Kühner, böser Mann!« rief der Eremit; »so wisse, daß ich dem Gitterfenster gleiche, durch welches das göttliche Licht hindurchdringt, um anderen zu nützen; Du aber gleichst der eisernen Säule, die weder Licht empfängt noch abgibt.« – »Schwatze nicht, sondern entferne Dich aus diesem Zelt!« befahl der Großmeister. »Der Marquis soll heute morgen nicht beichten, außer bei mir; denn ich weiche nicht von seiner Seite.« – »Ist dies Euer Wunsch?« fragte der Einsiedler den Marquis; »denn daß ich diesem stolzen Manne gehorche, falls Ihr noch Beistand begehrt, dürft Ihr nicht meinen.« – »Ach!« sagte Konrad unentschlossen; »was soll ich tun? Lebt wohl einstweilen, frommer Mann! wir werden uns später sehen.« – »Seelenmörder!« donnerte ihm der Eremit zu; »Du begehrst Aufschub? Nun denn, so gehab Dich Wohl! bis wir beide einander wieder treffen werden – gleichviel wo – Du aber,« fügte er hinzu, sich an den Großmeister wendend, »Zittere!« – »Zittern?« wiederholte der Templer verächtlich. »Das könnte ich nicht, wenn ich auch wollte.«
Der Eremit hörte diese Worte nicht; denn er hatte bereits das Zelt verlassen.
»Wohlan, zur Sache,« sprach der Großmeister, »da Du nun einmal die Narretei mitmachen willst! Einzelheiten können wir übergehen, das möchte zu lange dauern, drum wollen wir. gleich mit der Absolution beginnen.« – »Nein!« erklärte Konrad; »lieber sterbe ich ohne Beichte.« – »Nicht so blöde, Marquis,« sagte der Templer; »in einer Stunde steht Ihr siegreich in den Schranken, oder beichtet in Eurem Helm wie ein wackrer Ritter!« – »Großmeister,« sagte Konrad, »alles weissagt mir Unglück, die seltsame Entdeckung durch den Instinkt eines Hundes – die Wiedererscheinung des schottischen Ritters, der wie ein Gespenst in den Schranken auftaucht ...« – »Possen!« rief der Templer; »denke Dir, Du seiest auf einem Turnier! Wer nimmt sich besser aus dort als Du? – »Herbei, Knappen und Reisige! rüstet Euern Herrn zum Kampfe!«
Die Diener traten ein, und unter tiefem Schweigen verrichteten sie ihre Arbeit.
Endlich schlug die entscheidende Stunde. Die Trompeten schmetterten, und die Ritter ritten gerüstet in die Schranken; mit geöffnetem Visir zeigten sie sich, dreimal um die Schranken reitend, den Zuschauern; in dem Gesicht des Schotten lag männliches Vertrauen: auf Konrads Stirn dagegen ruhte eine Wolke zweifelhafter Verzagtheit; selbst sein Roß schien nicht so aufzutreten, als der edle Araber des Schotten.
Unter der Galerie der Königin war bei dieser Gelegenheit ein Altar errichtet worden, vor welchem der Eremit in seiner Karmelitertracht stand. Dorthin wurden von den Kampfbürgen sowohl bei Ankläger als der Angeklagte geführt, und jeder beteuerte die Gerechtigkeit seiner Sache mit feierlichem Eide: der Ankläger mit fester, männlicher Stimme, und kühnem, heiterm Blicke. Dem Angeklagten aber drohte, so keck und dreist er war, die Stimme zu versagen; die Lippen, mit denen er den Himmel anrief um Sieg in seinem Streite, wurden bleich; da näherte sich ihm der Großmeister und flüsterte ihm zu: »Feigherziger Narr! nimm Deinen Mut zusammen und stehe Deinen Mann in diesem Kampf, sonst, beim Himmel! solltest Du ihm entgehen, mir entgehst Du nicht!« Der wilde Ton, worin der Templer die Worte flüsterte, machte den Marquis vollends bestürzt. Er stolperte, als er zu seinem Pferde ging, ermannte sich aber und schwang sich mit seiner gewöhnlichen Gewandtheit in den Sattel.
Nach einem feierlichen Gebet, daß Gott die Gerechtigkeit des Streits offenbaren möge, entfernten die Priester sich aus den Schranken. Jetzt dröhnten die Trompeten des Anklägers, und ein Wappenherold am östlichen Ende der Schranken machte kund: »Hier steht ein wackrer Ritter, Kenneth von Schottland, als Kämpfer für Se. Majestät König Richard von England, der den Marquis Konrad von Montserrat anklagt, besagtem König Verrat und Schimpf angetan zu haben.«
Lauter Beifall erklang aus dem Gefolge König Richards, denn der Name des Kämpfers war nur wenigen bekannt gewesen. Nun erklärte der Angeklagte seine Unschuld und erbot sich zum Kampfe. Die Knappen nahten sich, Schild und Lanze überreichend. Jeder schwenkte nun die Lanze, um Festigkeit und Gewicht zu prüfen, und stellte sie dann auf den Schaft. Bürgen, Herolde und Knappen zogen sich an die Schrankengeländer zurück, und die Kämpfer saßen sich gegenüber zu Pferde, das Gesicht einander zugekehrt, mit geschlossenem Visier und gerade vor sich gehaltener Lanze – mehr Bildsäulen von Eisen, als Wesen von Fleisch und Blut ähnlich.
Stille herrschte. Aller Blicke waren gespannt; alles atmete schwerer; kein Laut außer dem Schnauben der Rosse wurde vernehmlich – etwa drei Minuten vergingen, da gab der Sultan ein Zeichen, und an die hundert Instrumente erfüllten mit ihrem schmetternden Getöse die Luft. Im vollen Galoppe rannten die Rosse, und mit dröhnendem Prall die beiden Reiter mitten auf dem Platze gegeneinander . . . Keinen Augenblick war der Sieg zweifelhaft. Konrad stieß seine Lanze so wuchtig, daß sie bis zum Panzerhandschuh zersplitterte; Kenneths Roß prallte ein paar Schritte zurück und stürzte auf die Schenkel; er brachte es aber mit der Hand und dem Zügel leicht wieder auf die Beine; seine Lanze war mitten durch Konrads Schild und Brustharnisch gedrungen, hatte ihn schwer verwundet und aus dem Sattel geworfen, die Spitze der Lanze saß noch in der Wunde. Bürgen, Herolde, der Sultan selbst, der von seinem Throne stieg, umdrängten den Verwundeten, während Kenneth, das Schwert ziehend, neben ihn trat und ihm befahl, seine Schuld zu bekennen.
Wild gen Himmel blickend, rief Konrad, als ihm der Helm geöffnet worden: »Was wollt Ihr noch? Gott hat entschieden. – Ich bin schuldig, aber es gibt noch schlimmere Verräter im Lager. Erbarmt Euch meiner Seele und laßt meinen Beichtvater kommen!«
»Den Talisman, königlicher Bruder!« bat König Richard den Sultan. – »Der Verräter,« antwortete dieser, »sollte eher aus den Schranken nach dem Galgen geschleppt werden, als Vorteil von dem Talisman ziehen. Aber ob ihm auch der Tod auf die Stirn gedrückt ist, so soll dem Wunsche meines königlichen Bruders gehorcht werden ... Sklaven, tragt den Verwundeten in unser Zelt!« – »Nicht also!« sprach der Tempelherr, der bisher finster dagestanden hatte; »weder der königliche Erzherzog von Oesterreich, noch ich werden zugeben, daß dieser unglückliche Fürst den Sarazenen überliefert werde. Als seine Bürgen verlangen wir, daß man ihn unserer Fürsorge anvertraue.« – »Ihr weigert ihm also die Heilung?« rief Richard. – »Nicht doch,« versetzte der Großmeister. »Wenn der Sultan wirkliche Heilmittel anwendet, so kann er in mein Zelt gebracht werden.« – »Tue das, ich bitte Dich, Bruder!« sagte Richard zu Saladin. »Doch nun zu einer fröhlicheren Sache! Tönt Trompeten! dem König Englands zu Ehren!«
Trommeln, Trompeten und Cymbeln erklangen.
»Tapfrer Ritter vom Leoparden,« rief Richard Löwenherz, »Du hast gezeigt, daß der Aethiopier seine Haut, der Leopard seine Flecken vertauschen kann; aber wenn ich Dich in die Versammlung der Damen geführt habe, die ritterliche Taten am besten zu schätzen und zu belohnen wissen, werde ich Dir noch Weiteres sagen! Doch horch! die Pauken dröhnen zum Zeichen daß unsere Gemahlin die Galerie verlassen hat; seht, wie die Turbane zu Boden sinken! gerade so, als könnte der Blick eines heidnischen Auges den Glanz einer christlichen Frauenwange beflecken! Kommt, wir wollen unseren Sieger im Triumph nach dem Zelte der Königin begleiten.« Blondel stimmte seine Harfe, die Einführung des Siegers zu preisen.
»Nehmt ihm die Waffen ab, Ihr Damen!« sprach der König, ein großer Freund solcher ritterlicher Gebräuche. »Nimm ihm die Sporen ab, Berengaria! Schnür ihm den Helm ab, Edith! und wärest Du die stolzeste Plantagenet unseres Stammes, und er der ärmste Ritter auf Erden, so mußt Dus tun!« Beide Damen gehorchten den königlichen Befehlen – Berengia geschäftig, Edith unter öfterem Erröten.
»Und was erwartet Ihr unter dieser eisernen Schale?« fragte Richard, als das edle Antlitz Ritter Kenneths, noch glühend von der letzten Anstrengung und der gegenwärtigen Gemütsbewegung, sichtbar wurde. »Gleicht er einem äthiopischen Sklaven oder einem namenlosen Abenteurer? – Nein, bei meinem guten Schwert! Hier endet all sein Mummenschanz! Ritter Kenneth, steht auf als David, Graf von Huntingdon, königlicher Prinz von Schottland!«
Allgemeines Erstaunen ... die Königin sank auf einen Sessel, und Edith ließ den Helm, den sie eben aufgehoben hatte, wieder fallen. »Ja, Ihr Herren, so ist es!« sprach der König. »Ihr wißt, wie Schottland uns täuschte durch das Versprechen, uns diesen tapferen Grafen mit einem wackeren Gefolge seiner besten, edelsten Mannen zu unserm Feldzug nach Palästina zu schicken. Diesem wackern Jüngling, dessen Befehl die Kreuzfahrer unterstellt werden sollten, widerstrebte aber diese Wortbrüchigkeit, und er stieß zu uns mit einer Schar treuer ergebener Anhänger. Aber bis auf einen alten Diener wurden sie alle vom Tode hingerafft. Da hätte sein gutbewahrtes Geheimnis mich bald veranlaßt, ihn als gewöhnlichen Abenteurer dem Tode zu weihen und damit Europa um eine seiner schönsten Hoffnungen zu berauben.«
»Dürfen wir nun von Euch erfahren, mein königlicher Gemahl,« sagte Berengaria, »durch welches seltsame Glück sich dies Rätsel endlich gelöst hat?« – »Es sind uns Briefe aus England überbracht worden,« erklärte der König, »aus denen wir, unter anderen unangenehmen Nachrichten, erfuhren, daß der König von Schottland sich dreier von unseren Edlen auf einer Wallfahrt nach St. Ninian bemächtigt habe, und zwar weil sein Erbe, den er in den Reihen der Deutschritter im Kampf gegen die heidnischen Preußen wähnte, sich in unserer Gewalt befände. So erfuhren wir die erste Wahrheit über den wirklichen Rang des Ritters vom Leoparden, und meine Vermutungen wurden durch Thomas von Vaux bestätigt, der bei seiner Rückkehr von Askalon den einzigen Diener des Grafen von Huntingdon mitbrachte, der dreißig Meilen weit gelaufen war, um dem Lord Gills zu offenbaren, was ich hätte vernehmen sollen.«
»Der alte Strauchan,« sagte Thomas von Vaux; »wußte recht gut, daß mein Herz weicher ist als das der Plantagenets.« – »Dein Herz weich? Du alter Kiesel!« rief der König. »Wir Plantagenets, Edith,« wandte er sich zu seiner Base, mit einem Ausdruck, der ihr das Blut in die Wangen trieb, »sollen harten Herzens sein? Komm, gib mir Deine Hand, liebe Base und Du Prinz von Schottland, die Deinige.«