»Unmöglich, beim Himmel, ganz unmöglich!« rief der Ritter, »es müßte denn sein, daß der Jüngling sich selbst umgebracht und in das Grab gebettet habe; um mich als seinen Mörder zu brandmarken.«

»Das Grab soll nachgesehen werden, sobald der Tag graut,« sagte der Mönch. »Ich selbst will es in Augenschein nehmen.«

»Nachdem ich nun hiermit Euer Ehrwürden,« nahm der Schönredner wieder das Wort, »einen vollständigen und ungekünstelten Bericht über alles gegeben habe, was mir in dieser Angelegenheit bekannt ist, überlasse ich es Eurer Weisheit, dasjenige daraus zu entnehmen, was Euch nützlich und verwendbar zu sein scheint. Ich selbst gedenke morgen in aller Frühe mich nach Edinburg zu begeben.«

»Ich bedaure, Herr Ritter,« erwiderte hierauf der Mönch, »Euren Plan stören zu müssen, aber es ist nicht gut möglich, ihn zur Ausführung zuzulassen.«

»Wie, ehrwürdiger Vater?« rief der Ritter mit der Miene des höchsten Erstaunens, »wenn ich es mir vorgenommen habe abzureisen, dann wird es Wohl möglich sein müssen, zu reisen!«

»Ich wiederhole, es wird nicht möglich sein, Euch diesen Plan ausführen zu lassen, so lange wenigstens nicht, bis über die Entscheidung des Lord-Abtes das Nähere bekannt geworden ist.«

»Ehrwürdiger Herr,« rief der Ritter, eine Miene höchster Würde annehmend, »ich bin dem Lord-Abt gewiß auf das tiefste verpflichtet, aber in diesem Falle habe ich mit seinem liebwerten Willen nicht das geringste zu schaffen, sondern bin einzig und allein gesonnen, mich nach meinem und nicht nach seinem Willen zu richten.«

»Bitte um Verzeihung,« versetzte der Unterprior, »dem Lord-Abt in dieser Angelegenheit vorzugreifen ist durchaus unzulässig.«

Sir Piercie Shafton wurde blutrot.

»Was?« rief er, »Euer Ehrwürden wollen mich um des eingebildeten Todes eines gemeinen Grobians willen in meiner Freiheit beschränken, mich, einen Verwandten des ritterlichen Geschlechtes der Piercie Shafton?«

»Herr Ritter,« erwiderte der Unterprior höflich, aber fest, »Eure hohe Abkunft wird Euch in diesem Falle so wenig nützen, wie Euer wieder aufsteigender Zorn. Ihr hättet hier nicht Zuflucht suchen sollen, wenn Ihr hier bloß Blut vergießen wolltet wie Wasser.«

»Ich sage Euch nochmals, daß kein Blut vergossen worden ist,« rief Sir Piercie, »außer meinem eignen.«

»Den Beweis hierfür seid Ihr uns aber noch schuldig geblieben,« antwortete der Prior, »und wir von der Klosterbrüderschaft zu Sankt Marien von Kennaqhueir sind nicht gewohnt, schöne Redensarten für das Leben unsrer Vasallen in Tausch zu nehmen.«

»Und wir vom Hause Piercie Shafton lassen uns weder Drohungen bieten, noch fügen wir uns Zwangsmaßregeln. Ich wiederhole hiermit, daß ich morgen abreisen werde, geschehe, was wolle!«

»Und ich dagegen,« versetzte der Unterprior im gleichen entschiednen Tone, »erkläre hiermit, daß ich Eure Reise verhindern werde, geschehe, was wolle!«

»Wer will mich abhalten,« rief der Ritter, »wenn ich mir den Weg mit Gewalt bahne?«

»Ihr werdet klug tun,« erwiderte der Mönch gefaßt, »Euch erst reiflich zu überlegen, was Ihr tut, bevor Ihrs tut, denn es fehlt im Klostersprengel nicht an Männern, die ihre Rechte gegen jeden, wahren, der sie anzutasten wagt.«

Bei diesen Worten klatschte er in die Hände und rief mit lauter Stimme. Sogleich trat Edward ein in Begleitung von zwei jungen Männern, die sich zufolge seiner Nachricht bereits wohlbewaffnet eingefunden hatten.

»Edward,« redete der Unterprior ihn an, »Du wirst den englischen Ritter in diesem Räume hier mit anständiger Kost für die Nacht versorgen, und ihn im übrigen so behandeln, wie wenn nichts vorgefallen wäre. Aber Du wirst scharfe Wache halten, daß er nicht entkommt. Und sollte er versuchen, Dir Widerstand zu leisten, dann kämpfe mit ihm auf Leben und Tod; doch darfst Du ihm in keinem andern Falle, so gewiß Dich die Verantwortung dafür trifft, ein Haar auf seinem Haupte krümmen.«

»Ihr seid mir in jeder Hinsicht ein Vater gewesen, ehrwürdigster Herr,« sagte Edward Glendinning, »und kennt mich gut genug, um zu wissen, daß meine Hand lieber nach dem Buche griff als nach dem Schwerte, und daß der rasche, kühne Geist mir mangelt, welcher das Eigentum mei ...« hier stockte seine Stimme, er schwieg eine Weile, dann fuhr er entschlossen und mit Heftigkeit fort: »Ich wollte sagen, daß ich meinem Bruder nicht gleichkam an Mut und Kühnheit; aber Halbert ist nicht mehr, und ich stehe nun an seiner Statt und meines Vaters Statt als sein Nachfolger in allen seinen Rechten«, – bei diesen Worten sprühten seine Äugen voll Feuer – »und halte mich für verpflichtet, diese Rechte zu wahren und zu schützen, genau so, wie er es getan hätte. Darum bin ich jetzt ein anderer Mensch, ein Mensch, beseelt von höherm Mute und ausgestattet mit bessern Rechten und Ansprüchen. Und als solcher Mensch, ehrwürdiger Vater, erkläre ich Euch, achtungsvoll aber entschieden und unumwunden: hat dieser Mann meines Bruders Blut vergossen, so soll er dafür büßen, denn Halbert soll nicht vernachlässigt in seinem Grabe schlummern, als wäre mit ihm der Geist meines Vaters für immer entwichen. In meinen Adern rollt sein Blut nicht minder, und so lange Halberts Blut ungerochen ist, so lange wird auch das meinige sich nicht beruhigen. Geduldig will ich den Urteilsspruch des Abtes und der Klosterschaft erwarten und mich bescheiden, wenn sie gerecht am Andenken meines Bruders handeln. Trifft solche Voraussetzung aber nicht zu, dann habe auch ich ein Herz und eine Hand, um solche Irrung zu berichtigen. Denn wer in die Erbfolge meines Bruders tritt, der muß auch seinen Tod rächen.«

Nicht ohne Staunen nahm der Unterprior wahr, daß auch bei Edward, trotz der großen Schüchternheit, die sonst seinem Wesen zu eigen war, und trotz des unbedingten Gehorsams, der sonst seine Tugend bildete, die wilden Grundsätze seiner Vorfahren und seiner Umgebung in den Adern tobten, daß seine Augen glühten, daß er am ganzen Leibe bebte und daß ihn ein Rachedurst beseelte, der seinem Wesen eine Heftigkeit verlieh, die an die Ungeduld der Freude stark erinnerte.

»Edward,« sagte der Mönch, »ich verlasse mich auf Dein Wort, daß Du Dich aller vorschnellen Handlung enthalten wirst.«

»Ich werde Euren Worten gewiß nicht zuwider handeln, ehrwürdiger Vater, denn Ihr seid mir wahrlich mehr denn ein Vater gewesen,« erwiderte Edward; »allein meines Bruders Blut, sowie die Zähren meiner Mutter und ... und ... auch Mary Avenels sollen nicht fließen, ohne daß derjenige, der die Schuld daran trägt, zur strengsten Rechenschaft gezogen werde. Ich will Euch nicht hintergehen, Vater; doch wenn dieser Piercie Shafton meinen Bruder gemordet hat, dann muß er sterben, und wenn alles Blut des Hauses Piercie in seinen Adern rönne.«

In dieser Erklärung Edward Glendinnings kam ein so feierlicher Entschluß, ein so tief eingewurzelter Wille zum Ausdruck, daß dem Unterprior nichts andres übrig blieb, als sich für den Augenblick in die Umstände zu fügen. Er verließ das Gemach und begab sich zu den Frauen, um ihnen Trost zuzusprechen. Aber auch hier mußte er erkennen, daß seine tröstliche Stimme vergebens erscholl, und daß er dem Schmerz seinen natürlichen Verlauf lassen mußte.

Zehntes Kapitel

Die traurige Nachricht von dem Tode Halbert Glendinnings hatte im Turme von Glendearg alle vorher getroffenen Anordnungen über den Haufen geworfen. So hatte man Mary von Avenel, da ihr Zustand unmittelbare Aufmerksamkeit erheischte, in die Stube gebracht, die bisher Halbert und Edward inne gehabt hatten, da Edward willens war, alle Nächte zu wachen, um seinen Gefangnen an jedem Fluchtversuch zu hindern. Auf Müllers Mysie hatte man in der Folge gar keine Rücksicht genommen. Ohne eine Ahnung davon, daß die Eßstube, durch die man bloß zu dem kleinen Kämmerchen gelangen konnte, das bisher von Mary Avenel bewohnt gewesen war, und das man ihr wegen der vielen Gäste, die abends im Turme eingetroffen waren, angewiesen hatte, dem Ritter Piercie Shafton als Schlafstube dienen sollte, war sie dort zurückgeblieben, als die andern Frauen auf die Aufforderung des Unterpriors hin, sich zurückzogen; und nun traute sie sich nicht mehr hinaus, sowohl aus persönlicher Schüchternheit als aus Ehrerbietung vor dem geistlichen Herrn, der in geheimer Unterredung mit dem Ritter in der Eßstube zurückgeblieben war.

Sie mußte also wohl öder übel so lange dort zurückbleiben, bis die Unterredung zu Ende war, und konnte es, da die Verbindungstür nur ein dünner Verschlag war, nicht hindern, daß sie jedes Wort, das zwischen den beiden Männern gesprochen wurde, hörte.

Auf diese Weise traf es sich, daß sie, ohne es zu wollen, mit der Absicht des geistlichen Herrn, dem Ritter die Entfernung aus dem Turme zu wehren, bekannt wurde, und gleichzeitig konnte sie aus dem kleinen Fenster ihres Stübchens, das nach dem Hofe hinaus sah, beobachten, wie sich immer mehr junge Männer draußen einfanden, zufolge des Aufgebots, das Edward im Klostersprengel erlassen hatte.

Hierdurch wurde in ihrem Herzen die lebhafteste Besorgnis für den Fremdling wachgerufen, dessen Eleganz und Auftreten die harmlose, schlichte Müllerstochter ebenso bezaubert und geblendet, wie sie die klarer blickende Mary Avenel abgestoßen hatten. Der Ritter seinerseits hatte diesen Eindruck recht wohl bemerkt und sich dadurch nicht wenig geschmeichelt gefühlt, war es ihm doch ein Beweis dafür, daß seine Tugenden und Vorzüge nicht allgemeiner Mißachtung anheimfielen, sondern in dem Herzen wenigstens dieses Mädchens freundliche Anerkennung fanden. Aus Artigkeit hatte er sich Mysie gegenüber weit höflicher gezeigt, als es seiner Ansicht nach ihrem Stande gegenüber in jedem andern Falle am Platze gewesen wäre. Kein Wunder, daß ihr von Natur weichherzig gestimmtes Gemüt sich infolge dieser ihm von dem Ritter erwiesenen Artigkeit noch um so beruhigter fühlte.

Freilich sagte sie sich, daß es sehr garstig von ihm gewesen sei, solch jungen Menschen wie Halbert Glendinning umzubringen, aber er war und blieb doch Edelmann von Geburt und Soldat und war doch überhaupt ein so feiner und artiger Herr, daß es ihr gar nicht anders scheinen wollte, als daß Halbert den Zwist veranlaßt haben müsse, der doch eben bloß um Mary Avenels willen entstanden sei, für die beide junge Männer, wie man ja in Glendearg recht gut wußte, derart schwärmten, daß sie kein andres Mädchen im ganzen Klostersprengel angucken mochten. Daß ein so hübscher, netter Mensch, wie dieser edle Ritter, der wie ein Prinz aussah und wie ein Prinz sich zu benehmen wußte, sich durch die Schuld eines groben Bauern in einen Zweikampf eingelassen hatte und nun dafür mit dem Leben büßen sollte, das war ein Gedanke für die arme Mysie, der ihr die hellen Tränen in die Augen trieb. Ihr Herz empörte sich gegen solche Grausamkeit einem Menschen gegenüber, der aus seiner Heimat verbannt war, der ganz ohne Hilfe und Freund dastand, und der so anmutig zu sprechen vermochte und sich so geschmackvoll zu kleiden verstand, und sie fing an, mit sich zu Rate zu gehen, ob es denn gar nicht möglich sei, ihm in solcher Not beizustehen.

Ueber diesem Gedanken schwand die Sorge, die ihr Gemüt bisher in Anspruch genommen hatte, einen Weg aus diesem Kämmerchen zu finden, ohne von jemand gesehen zu werden, vollständig; sie pries sich im Gegenteil recht glücklich, daß ihr der Zufall dieses Plätzchen hinter der Eßstube angewiesen hätte, und lebte sich allmählich in die Einbildung hinein, der Himmel habe sie zur Erhaltung und zum Schutze dieses armen Fremdlings dorthin geschickt. Mysie war schlichten Sinnes und empfindsamen Herzens, dabei aber aufgeweckt und unternehmend, und mutiger, als Frauen im allgemeinen zu sein pflegen; auch besaß sie einen ziemlich großen Grad von körperlicher Stärke. Und all diese Umstände zusammen genommen führten sie schließlich zu dem Gedanken: »Ich will ihn retten, den schmucken Menschen, und neugierig bin ich, was er dann wohl von dem armen Müllerstöchterlein denken und was er zu ihr sagen wird, wenn sie so etwas für ihn gewagt und ausgeführt hat, wozu sich doch all die vornehmen Damen in London und andern großen Städten von England im ganzen Leben nicht entschlossen hätten!«

Im nächsten Augenblick gab ihr freilich die Klugheit einen Nasenstüber und hielt ihr vor, daß es doch für sie persönlich im selben Verhältnis gefährlich zu werden drohte, wie sich Sir Piercies Herz aus Dankbarkeit ihr zuwendete. Aber da fielen ihre Blicke gleichzeitig auf den kleinen Spiegel, neben den sie ihre kleine Lampe gestellt hatte, und in dem kleinen Spiegel sah sie eine Figur, die von schönstem Ebenmaße war, und ein Paar Augen, die lustig blitzten und funkelten, und noch durch jenen Ausdruck veredelt wurden, der Gemütern zu eigen ist, die kühne Taten entwerfen und in Ausführung setzen können.

»Ei, sollten diese Augen, diese Züge und diese Figur nicht im Verein mit dem Dienste, den ich dem Ritter zu tun im Begriff stehe, den Rangunterschied zwischen uns beiden bis zu einem gewissen Grade aufheben können?«

Diese Frage wurde durch die nicht geringe Portion von Eitelkeit, die in ihrem Köpfchen steckte, bei ihr wachgerufen, und wenn ihre Phantasie auch nicht gleich mit einem schnellen Ja darauf antworten mochte, so wurde doch ein Mittelweg in dem Schlusse gefunden: »Zunächst will ich dem jungen Menschen mal aus der Patsche helfen, und für das andre mag dann der Himmel sorgen.«

Alle selbstsüchtigen Gedanken nunmehr aus dem Sinne schlagend, richtete das ebenso sehr unbesonnene wie mutige Mädchen ihren ganzen Sinn auf die Ausführung des Gedankens, den jungen Ritter zu befreien.

Noch kaum ein Viertelstündchen war verflossen, seit der Unterprior die Eßstube verlassen hatte, als Mysie auch schon ihren Plan fertig hatte. Kühn war er freilich, aber er versprach Erfolg, sobald er mit der richtigen Vorsicht ausgeführt wurde. Vor allen Dingen war es notwendig, daß sie das Kämmerchen, in welchem sie sich befand, nicht früher verließ, als bis sich alles im Turme zur Ruhe begeben hatte, die Wachen natürlich ausgenommen. Die Zwischenzeit benützte sie dazu, das Verhalten des Mannes zu beobachten, zu dessen freiwilligem Champion sie sich aufzuwerfen gewillt war.

Sie hörte, wie er in der Eßstube hin und her ging, wahrscheinlich in Gedanken vertieft über sein ungünstiges Schicksal und seine keineswegs ungefährliche Lage. Dann hörte sie ihn in seinen Koffern kramen, die ihm auf seinen Wunsch durch den Unterprior aus der Stube, die er bisher bewohnt hatte, geschickt worden waren. Wahrscheinlich suchte er, so dachte das Mädchen bei sich, durch solche Beschäftigung sich von seinen trübsinnigen Betrachtungen Ablenkung zu verschaffen. Dann hörte sie ihn deklamieren, dann ein Liedchen trällern, dann den Takt zu einem Tanze summen, und hieraus schloß Mysie, daß es ihm gelungen sein möchte, seinen Sinn durch die Beschäftigung mit seiner Garderobe aufzuheitern. Zuletzt hörte sie, wie er sich auf sein Lager warf, das man ihm für die nächste Nacht zurecht gemacht hatte, wie er ein paar Gebetsworte vor sich hin brummte, und nach kurzer Zeit gewann sie den Eindruck, daß er eingeschlafen sein müsse.

Nun betrachtete sie ihr Vorhaben von allen Seiten, und so große Gefahr damit auch verbunden sein mochte, so half ihr der ruhige Blick, den sie für alles hatte, doch auf die richtigen Mittel und Wege zur Ausführung. Wirken ja Mitgefühl und Liebe an sich schon mit außerordentlicher Macht auf jedes weibliche Gemüt!

Es war ungefähr eine Stunde nach Mitternacht. Bis auf die den Gefangnen bewachenden jungen Leute schlief alles im Turme, sogar die Witwe und Mary Avenel waren von dem schweren Kummer, der an ihrem Herzen nagte, so niedergedrückt, daß sie für die Außenwelt so gut wie unzugänglich waren. An Werkzeug, um Feuer zu schlagen, war in dem Kämmerchen das Nötige bei der Hand, und es gelang Mysie, die ja in allen häuslichen Arbeiten wohl bewandert war, die kleine Lampe, die Mary Avenel zu brennen pflegte, anzustecken. Zitternd und zagend machte sie nun die Tür leise auf, die sie von der Eßstube trennte, in welcher der Ritter aus dem Süden eingeschlossen war, und wenig fehlte, so wäre sie wankend in ihrem Entschlusse geworden, als sie sich mit dem schlafenden Gefangnen in dem gleichen Raume sah. Kaum getraute sie sich, die Blicke auf ihn zu richten; in seinen Mantel gehüllt, lag er auf dem ärmlichen Schragen und schlief. Mit abgewandten Augen versuchte sie ihn am Aermel zu zupfen und munter zu machen. Aber er regte sich nicht eher, als bis sie es ein paarmal wiederholt hatte. Dann aber drehte er sich um und war so verwundert, daß wenig fehlte, so hätte er laut aufgeschrieen.

Nun wich die Verschämtheit bei Mysie der Furcht. Sie legte die Finger auf den Mund zum Winke für ihn, daß er das strengste Stillschweigen wahren solle, und dann zeigte sie nach der Tür, um ihm verständlich zu machen, daß sie bewacht würden. Jetzt wurde auch Sir Piercie wieder Herr seiner Aufregung und richtete sich in die Höhe. Verwundert betrachtete er die hübsche Mädchengestalt, die sich seinem Blicke zeigte, mit den tadellosen Formen und dem wallenden Haar und den zarten Gesichtsumrissen, und die romantische Phantasie des jungen Ritters wäre sicherlich nicht lange in Verlegenheit gewesen um eine artige Redewendung, aber Mysie ließ ihn nicht Zu Worte kommen.

»Ich komme, Herr Ritter,« Hub sie an, »Euer Leben zu retten, das von großer Gefahr bedroht ist. Sofern Ihr mir Antwort geben wollt, so sprecht nur leise, denn Eure Tür ist mit Bewaffneten besetzt.«

»Huldreichste aller Müllerstöchter,« erwiderte Sir Piercie, der sich bereits auf seinem Lager aufgerichtet hatte, »sei ohne Furcht wegen meiner Sicherheit! Du darfst mir glauben, daß ich Dir die Wahrheit sage, wenn ich es bestreite, die rote Pfütze, die von den höchst ungesitteten Verwandten des Bauernjungen für dessen Blut gehalten wird, vergossen zu haben. Deshalb bin ich auch ohne alle Sorge um des Ausgangs dieser Haft willen, denn ich weiß, daß sie mir keinen Schaden bringen kann. Immerhin soll Dir, meine schönste Molinara, der Dank, den Deine liebevolle Aufmerksamkeit fordert, nicht vorenthalten bleiben.«

»Nicht doch, Herr Ritter, ich verdiene keinen Dank,« antwortete das Mädchen, aber mit so leiser, bebender Stimme, daß er es kaum verstehen konnte, »so lange Ihr meinen Rat befolgt. Edward Glendinning hat nach mehreren jungen Burschen geschickt, ihm Beistand zu leisten, und die sind nun gekommen, und ich hörte sie zusammen sprechen, als sie vorhin im Hofe abstiegen, daß die Buße für den an ihrem Verwandten verübten Mord entrichtet werden müsse, und wenn alle Mönchskutten darüber in Brand gerieten. Die Vasallen sind heute so aufsässig, daß selbst der Abt ihnen nicht Einhalt gebieten könnte, denn das ganze Kloster lebt doch jetzt in ständiger Furcht, sie möchten gleich den andern Leuten in Schottland auch ketzerisch werden und ihren Lehnszins nicht mehr entrichten.«

»Freilich, solche Versuchung mag stark sein,« erwiderte Sir Piercie Shafton, »und vielleicht könnten sich die Mönche, wenn sie mich über die Grenze an Sir John Foster oder Lord Husdon, die beiden englischen Grenzhüter, auslieferten und auf diese Weise England und seine Klostervasallen zugleich befriedigten, von all ihren Sorgen befreien. In Anbetracht dessen, schönste Molinara, will ich Deinen Rat befolgen und Deine Schönheit, sowie Deinen Geist, wenn es Dir gelingt, mich aus diesem Hundestall zu erlösen, feiern und preisen, daß Rafaels Bäkernymphe im Vergleich mit meiner Molinara eine gemeine Zigeunerin sein soll.«

»Still, still, ich bitt Euch,« erwiderte die Müllerstochter, »denn wenn durch Eure Worte die Wächter draußen aufmerksam werden, dann kann mein Plan nicht gelingen, und nur der Gnade des Himmels und der Fürsorge unsrer lieben Frau haben wir es zu danken, daß uns bis jetzt noch niemand gehört und entdeckt hat.«

»Ich werde mich mäuschenstill verhalten,« entgegnete der Engländer, »still wie die Sternennacht! aber, schönste Molinara, sofern Dein Plan Dich selbst irgendwie in Gefahr setzt, dann wäre es doch meiner gänzlich unwürdig, wenn ich meine Rettung Deiner Hand zu verdanken hätte.«

»Denkt nicht an mich, Herr Ritter,« erwiderte Mysie, »ich bin geborgen und werde schon an mich denken, sofern ich nur erst Euch aus dieser Gefahr befreit weiß. Und nun macht schnell! besinnt Euch nicht lange, sofern Ihr von Euren Kleidern oder Sachen etwas mitnehmen wollt.«

Darüber verging nun freilich noch einige Zeit, bis der Ritter sich schlüssig war, was er von seinen Sachen alles, mitnehmen und was er davon zurücklassen wollte, denn an jedes Stück knüpfte sich eine Erinnerung, bald an eine Festlichkeit, bald an ein Gastmahl, bald an dies oder jenes Abenteuer, wobei er es getragen hatte. Mysie ließ ihm eine Weile Zeit, da ja auch sie selbst einige Vorkehrungen zu der schnellen Abreise zu treffen hatte. Als er aber bei ihrem Wiedereintritt noch immer nicht bereit war, bat sie ihn mit ein paar schlichten Worten, sie nicht beide durch längern Aufenthalt in Fährlichkeit zu setzen, sondern sich entweder zur Flucht aufs schnellste einzurichten oder darauf zu verzichten. Da packte der Ritter trostlos ein paar Sachen in ein Bündel, warf auf seine Koffer noch einen stummen Blick voll Schmerz und Weh und erklärte nunmehr seiner freundlichen Führerin, ihr folgen zu wollen »durch dick und dünn«.

Mysie wandte sich nach der Tür und bedeutete den Ritter, sich ihr dicht anzuschließen. Dann klopfte sie leise. Es dauerte eine Weile, bis Edward antwortete, wer denn poche und was man wolle?

»Sprecht doch leise,« versetzte Mysie, »sonst wird der englische Ritter munter. Ich bins, Mysie Happer. Ich will hinaus. Ihr habt mich ja in der kleinen Kammer eingeschlossen, und da Hab ich warten müssen, bis der englische Ritter eingeschlafen war. Nun will ich aber nicht länger eingesperrt bleiben.«

»Was? Ihr seid eingesperrt gewesen, Mysie?« fragte Edward verwundert.

»Ja doch,« erwiderte die Müllerstochter. »Ihr seids doch selbst gewesen, der mich eingesperrt hat! Ich war doch in der kleinen Kammer, in der früher Mary geschlafen hat.«

»Könnt Ihr denn nicht warten bis morgen?« versetzte Edward, »Ihr könnt doch die Nacht auch dort schlafen!«

»So?« rief Mysie empört, »das wäre ja schön! Nicht um alles in der Welt bliebe ich eine Sekunde länger in einem Raume, der neben der Stube liegt, in der sich ein Mann allein befindet. Nein, dazu ist doch meines Vaters Tochter zu sittsam und streng erzogen, als daß sie ihren guten Namen preisgeben sollte!«

»Na, dann kommt heraus und verfügt Euch in Eure Kammer!« sagte Edward und machte die Tür auf.

Die Stiege draußen war finster, wie Mysie sich schon vorher überzeugt hatte. Kaum war sie herausgetreten, so faßte sie Edward am Arm, wie wenn sie sich auf ihn stützen wolle, und zog ihn ein kleines Stück von der Tür weg. Dann stellte sie sich unauffällig so, daß sie den Raum zur Tür vertrat, so daß Edward den ihr auf dem Fuße folgenden Engländer nicht gewahren konnte. Barfuß und behutsam schlich dieser auf den Zehen einher, während Mysie sich laut bei Edward darüber beklagte, daß kein Stümpfchen Licht da sei.

»Ich kann Euch keins verschaffen, Mysie,« erwiderte Edward, »denn ich darf nicht von diesem Posten weichen. Unten werdet Ihr aber schon Feuer finden.«

»Nun, dann kann ich mich schließlich gefaßt machen, bis morgen früh unten zu sitzen,« sagte unwillig das Mädchen und ging die Treppe hinunter, während Edward die Tür der nun leeren Stube unnützerweise wieder abschloß.

Unten traf Mysie wieder den Mann ihrer Sorge, dem sie wiederum das strengste Schweigen befahl, wozu er sich auch, wohl zum ersten Male in seinem Leben bequemte. Mit der größten Behutsamkeit, wie wenn sie über brüchiges Eis schritten, schlichen sie bis zu einem finstern Winkel, der als Holzstall benützt würde, und hier flüsterte Mysie dem Ritter zu, sich hinter dem Reisig zu verstecken, bis sie wiederkäme. Dann steckte sie das Küchenfeuer mit ihrer Lampe an und setzte sich an Rocken und Spindel, um nicht unbeschäftigt zu erscheinen, falls jemand hereinkommen sollte. Von Zeit zu Zeit schlich sie auf den Zehen zum Fenster hin, weil sie zur weitern Ausführung ihres Planes das erste Frühlicht abwarten mußte. Endlich färbte sich der Himmel, und mit gefalteten Händen dankte sie der Jungfrau Maria für ihre bisherige Hilfe und bat um weitern Segen für das Werk, das sie vorhatte.

Aber bevor sie mit ihrem Gebet zu Ende war, fühlte sie zu ihrem namenlosen Schreck plötzlich die Hand eines Mannes auf ihrer Schulter.

»Ei, die schmucke Mysie ans der Klostermühle, und schon so früh bei einem frommen Gebet? Ei, dafür muß ich doch einen Kuß bekommen!" rief eine rauhe Stimme gleichzeitig unter derbem Lachen hinter ihr.

Einer von den jungen Burschen war es, die Edward nach dem Turm von Glendearg gerufen hatte, Dan von Howlet-Hirst. Und er ließ seiner lustigen Rede auf der Stelle die kecke Tat folgen, bekam aber dafür nach ländlicher Art einen so derben Knuff in die Seite, daß er kaum einen Aufschrei zu unterdrücken vermochte, im übrigen aber den Knuff ganz ebenso hinnahm, wie ein feiner Herr den Klaps einer schönen Dame mit dem Fächer hingenommen hätte.

»Ei was, Herr Hanswurst,« meinte Mysie, »habt Ihr um Narretei willen Euren Wachtposten bei dem englischen Gefangenen im Stich lassen müssen?«

»Ganz und gar nicht, schönste Mysie,« antwortete Dan von Howlet-Hirst, »ich habe den Edward noch gar nicht von seinem Posten abgelöst; und wärs nicht schädlich, ihn länger Posten stehen zu lassen, so brächt ichs, meiner Treu, nicht fertig, Euch die ersten zwei Stunden allein mit Euch zu lassen.«

»O, Ihr habt Zeit genug, unsereins zu sehen, Dan,« antwortete die Müllerstochter, »aber jetzt solltet Ihr an den Kummer denken, der die Hausleute betroffen hat, und Edward ablösen, damit er sich auch ein bißchen aufs Ohr legen könnte, denn der arme Mensch hat die ganze Nacht gewacht.«

»Aber erst muß ich noch einen Kuß haben, Mysie,« sagte Dan von Howlet-Hirst.

Mysie war jedoch auf ihrer Hut und leistete dem Burschen, vielleicht auch, weil sie an den nahen Holzstall dachte, kräftigen Widerstand, bis schließlich der liebeskranke Schäfer die spröde Dirne unter ein paar kräftigen Ausdrücken, die von Liebe wenig an sich hatten, stehen ließ, und die Stiege hinauf rannte, um den Kameraden abzulösen. Mysie, die sich bis zur Tür hin schlich, hörte nun die beiden Burschen eine Weile zusammen reden, dann verließ Edward den Posten, den Dan von Howlet-Hirst an seiner Statt bezog.

Mysie ließ nun noch einige Zeit verstreichen, bis es noch ein wenig heller draußen geworden war. Dann ging sie zu Dan hinauf, in der Meinung, daß er inzwischen Zeit genug gehabt hätte, allen Groll gegen sie wegen ihrer Sprödigkeit zu vergessen, und sagte ihm, er solle ihr die Schlüssel zum äußern Tor geben.

»Und wozu denn?« fragte der Bursche.

»Ei, die Kühe müssen doch gemolken und ins Freie gelassen werden,« antwortete Mysie, »oder soll das arme Vieh den ganzen Morgen im Stall bleiben? Die Hausleute sind doch noch alle dermaßen von ihrem Kummer übermannt, daß keiner die Arbeit verrichten kann, außer mir und der Magd.«

»Und wo ist die Magd?« fragte Dan.

»Sie sitzt bei mir in der Küche, denn es könnte ja sein, daß die Hausleute dringender Hilfe bedürfen.«

»Na, da nimm den Schlüssel, Du Plagegeist!« sagte der Wachtposten.

»Dank schön, Du Tunichtgut,« antwortete die Müllerstochter und rannte die Treppe hinunter.

Im Nu war sie im Holzstall und warf dem Ritter einen alten Weiberrock über, der dort am Rechen hing, dann riß sie die Tür auf und lief in den Kuhstall, der im andern Hofwinkel lag, während Sir Piercie Shafton sich über den hierdurch entstehenden Aufenthalt beklagen zu müssen meinte.

»Allerschönste und huldreichste Molinara,« rief er, »wäre es nicht gescheiter von uns, wir öffneten das äußre Tor und machten uns wie ein Paar Seemöwen, die bei drohendem Sturmwetter Schutz auf einem Felsen suchen, auf den Weg?«

»Zuerst müssen wir die Kühe hinaustreiben,« antwortete Mysie, »es wäre doch sündlich, die Witwe um ihre Herde zu bringen, sündlich um ihretwillen und um der armen Tiere willen. Daß jemand den Turm mir nichts dir nichts verlassen und uns nachsetzen werde, davor habe ich keine Sorge. Zudem müßt Ihr doch auch Euer Pferd haben, denn Ihr müßt schon zusehen, so schnell wie möglich weiter zu kommen, wenn Ihr Euch in Sicherheit bringen wollt.«

Mit diesen Worten verschloß und verriegelte sie das innere und äußere Turmtor, rannte in den Kuhstall, trieb das Vieh heraus zum Hoftore und führte das Pferd des Ritters zum Holzstalle, worin derselbe noch steckte. Sie wollte nun noch einmal zum Stalle eilen, um ihren eignen Klepper zu holen, aber das Stampfen der Hufe hatte Edwards Aufmerksamkeit wachgerufen. Er trat an das Fenster seiner Stube und rief hinaus, was denn vorgehe?

Ohne Zögern erwiderte Mysie, daß sie die Kühe ins Freie hinaus treibe, weil noch niemand anders im Hause am Gange sei und die Tiere ja hungern müßten.

»Schönen Dank, gutes Mädchen,« erwiderte Edward, aber im andern Augenblick wurde er wieder stutzig. »Was hast Du denn für ein Weibsbild bei Dir?« fragte er wieder.

Mysie wollte Antwort geben, aber Sir Piercie kam ihr zuvor, weil er nicht leiden mochte, wie es den Anschein hatte, daß das große Werk seiner Befreiung vollständig ohne sein Zutun ins Werk gesetzt werde, und rief ihm vom Hofe aus zu:

»Ich bins, mein schöner Hirtenknabe, dessen Aufsicht die milchreichen losen Mütter der Herde von Glendearg unterstellt worden sind.«

»Holla, holla!« schrie Edward, von Grimm und Staunen zugleich ergriffen, »das ist ja Piercie Shafton! Verrat, Verrat! Holla, Dan! holla, Kaspar! holla, Martin! Der Schurke entwischt!«

»Zu Pferd! zu Pferd!« rief, Mysie und saß im Nu hinter dem Ritter, der sich bereits in den Sattel geschwungen hatte. ... Und los ging es nun auf Tod und Leben.

Edward hatte die Armbrust ergriffen und schoß. Dicht an Mysies Ohr schwirrte der Bolzen vorbei.

»Flugs, flugs!« rief sie dem Gefährten zu, »der nächste Bolzen fehlt uns sicher nicht. Hätte Halbert an Edwards Stelle geschossen, dann lägen wir schon im Sande!«

Der Ritter preßte dem Pferde die Sporen in die Weichen, daß das Blut herausschoß. Er sprengte an den Kühen vorbei und sauste den Hügel hinunter, auf dem der Turm stand. Dann nahmen sie ihren Weg ins Tal hinein, und bald brachte das flinke Tier seine doppelte Last weit genug, daß von dem Lärm, der nun im Turme von Glendearg entstand, nichts mehr zu den Ohren des Ritters und des Mädchens drang.

Auf solch wunderliche Weise geschah es, daß ein Menschen-Paar zu gleicher Zeit in verschiedner Richtung von dannen floh, von welchem jeder als des andern Mörder betrachtet wurde.

Elftes Kapitel

Sir Piercie Shafton ritt in so flottem Tempo, wie es die Straße erlaubte, bis er das Tal von Glendearg überwunden und das breite Tal des Tweed gewonnen hatte. Bald erschien am jenseitigen Ufer das hohe graue Kloster zu Unsrer lieben Frau, dessen Türme und Zinnen die Strahlen der aufgehenden Sonne eben trafen. Er setzte seinen Ritt am nördlichen Ufer hinab fort, bis sie dem Wehr ungefähr gegenüber waren, wo Pater Philipp seine ungewöhnliche Wasserfahrt beendigt hatte. Ohne eigentlich zu wissen, wohin er seinen Ritt lenken sollte, war Sir Piercie bis hierher gekommen. Der Anblick des Klosters erinnerte ihn aber an die Gefahr seiner Lage und an die Notwendigkeit, einen festen Plan für seine Rettung zu fassen. Zudem nahm er jetzt auch wahr, daß seine Begleiterin bitterlich weinte und seufzte und das Haupt auf seine Schulter stützte.

»Schöne Molinara, was fehlt Dir?« fragte er. »Kann Piercie Shafton seine Dankbarkeit auf irgend eine Weise bezeigen?«

Mysie zeigte über den Strom, getraute sich aber nicht, den Blick dorthin zu richten.

»Sprich deutlich, edelste aller Jungfrauen, was Du mit Deinem Wink meinst?« sagte der Ritter.

»Dort drüben liegt meines Vaters Haus,« sagte Mysie schluchzend.

»Und ich führte Dich so weit hinweg von dieser Stätte Deiner Wiege?« rief Sir Piercie in dem Wahne, die Quelle ihres Kummers gefunden zu haben. »So steige denn ab, holde Mysinda,« denn so beliebte es ihm, sie umzutaufen, »oder wär es Dir lieber, wenn ich Dich heim zu Deinem kornmahlenden Vater brächte? Sprich ein Wort, Du Süße, und ich trotze gern allen Gefahren, die mir durch Mönch oder Müller drohen.«

Tief errötend schlug Mysie die Augen zu Boden, während Sir Piercie im Tone verlegener Artigkeit fortfuhr: »Weine doch nicht so, Du liebe Molinara, wir werden uns ja wiedersehen, wenigstens hoffe ich es fest und zuversichtlich.«

»Ach,« sagte Mysie, von deren Wangen jetzt das Scharlachrot wich, um langsam fahler Blässe Platz zu machen, »ich hab jetzt keine Heimat mehr.«

»Was? keine Heimat mehr?« rief Shafton. »Spricht meine Molinara das im Ernst, da doch drüben ihres Vaters Haus und Mühle steht?«

»Ach,« versetzte die Müllerstochter, »mein Vater ist doch der Abtei untertan. Ich aber habe den Abt beleidigt, und komme ich jetzt nach Hause, so bringt mich der Vater doch sicher um.«

»Ich schwöre Dir, meine teure Mysinda, er soll Dir nichts zu leid tun,« rief Sir Piercie. »Vergiß nicht, daß Dir ein Mann zu Dank verpflichtet bleibt, der das leiseste Unrecht zu rächen gewillt ist, das jemand Dir zufügen wollte!«

Hiermit sprang er vom Pferde, ergriff die Hand des Mädchens, blickte in ihre großen, schwarzen Augen, die an den seinigen mit einem Ausdruck hingen, den man auch unter dem Schleier mädchenhafter Verschämtheit nicht mißverstehen konnte, blickte auf die Wangen, die ein Hoffnungsstrahl wieder mit ihrer natürlichen Färbung zu beleben anfing, und auf ein Paar Lippen, die sich, Rosenknospen gleich, halb erschlossen und eine Reihe perlengleicher Zähne zeigten. Das war alles nicht ungefährlich anzuschauen, und so war es schließlich kein Wunder, daß der für solche Dinge überempfängliche Sir Piercie Shafton schließlich seine Frage, ob er seine Mysinda nach dem Vaterhaus zurückbringen solle, dahin änderte, ob etwa Mysinda willens sein sollte, mit ihm zu gehen. ... »Wenigstens so lange,« setzte er hinzu, »bis es mir möglich geworden, Mysinda, Euch an einen sichern Ort zu schaffen?« ... Darauf erteilte Mysinda keine Antwort, gab aber, errötend vor Scham und Freude, dadurch, daß sie ihr Bündel fester anzog, zu verstehen, daß sie dem Ritter aus dem Süden zu folgen bereit sei.

Sir Piercie Shafton machte nun die kostbare Kette mit dem Medaillon, deren bereits Erwähnung getan worden ist, von seinem Halse los und hing sie der schönen Mysinda um, ohne daß er sich an die Weigerung des Mädchens, sie zu nehmen kehrte, aber er mußte doch zuletzt dulden, daß sie die Kette wieder abnahm und in ihrem Bündel verbarg, mit dem ausdrücklichen Bemerken, sie nur so lange dort behalten zu wollen, bis Sir Piercie sich in Sicherheit befände; »denn die Mädchen in meiner Heimat,« sagte sie, »lassen sich von vornehmen Leuten nun einmal keine Geschenke machen, und um des heutigen Morgens eingedenk zu bleiben, bedarf es für mich keines Andenkens.«

Darauf setzten sie ihren Ritt fort. Mysie übernahm jetzt, gestützt auf die Ortskenntnis, die Führung, und Sir Piercie fand nun Muße, allerhand Anekdoten »vom Hofe Felicianas« zum besten zu geben, denen seine Begleiterin, obgleich sie kaum einen Begriff davon hatte, doch ein recht aufmerksames Ohr lieh.

So verging der Morgen, und am Mittag gelangten sie an einen andern Strom, an dessen Ufer sich ein altes Schloß, von Bäumen eingeschlossen, erhob. Unfern davon dehnte sich ein Dorf mit einer Kirche in der Mitte. »Dort sind zwei Wirtshäuser,« erklärte Mysie, »aber ich meine, für unsere Zwecke dürfte das geringere den Vorzug verdienen. Uebrigens ist mir dessen Wirt bekannt, denn er hat von meinem Vater Malz gekauft.«

Diese Mitteilung war nicht besonders glücklich für die Absicht, die Mysie verfolgte, denn ihr Begleiter, der infolge der muntern Unterhaltung, die sie zusammen unterwegs geführt hatten, allmählich dazu gelangt war, den zwischen ihm und seiner Begleiterin bestehenden Rangunterschied zu vergessen, wurde sich dessen hierdurch jäh wieder bewußt. Aber er ließ es sich nicht recht merken, am wenigsten hätte er ein Wort darüber fallen lassen mögen, denn für eine Müllerstochter war es ja doch nur natürlich, daß sie Bekanntschaft mit Leuten hatte, die mit ihrem Vater Geschäfte gemacht hatten; immerhin wäre es ihm unangenehm gewesen, und wer weiß, ob er seine Dankbarkeit bis zu solcher Selbstverleugnung ausgedehnt hätte, mit einer Müllerstochter hinter sich auf seinem Rosse durch das Dorf zu traben. Aber Mysie ersparte ihm jeden solchen Unglimpf, indem sie schon ein Stück vor dem Wirtshaus vom Pferde sprang und dem Wirt, der mit gaffendem Munde auf seine Schwelle trat, um einen so stattlichen Gast, wie den englischen Ritter, würdig zu begrüßen, flink ein geschickt ersonnenes Märchen aufband von einer Sendung des Klosters an den Hof von Schottland, und daß sie es auf den Wunsch ihres Vaters übernommen habe, den Ritter bis auf die rechte Straße zu führen, daß ihr aber unterwegs der Klepper müde geworden sei, und daß sie ihn deshalb im andern Dorfe auf der Waldseite gelassen habe. Ner Wirt möge vor allen Dingen nur für ein Abendbrot, wie es sich für einen solchen vornehmen Gast schicke, Sorge tragen, und wenn es in der Küche fehlen sollte, so sei sie gern bereit, auszuhelfen und so weiter, kurz, sie stopfte dem Wirt mit ihrer gewandten Zunge die Ohren so voll, daß er froh war, ihr zu entrinnen. Sir Piercie war schier außer sich vor Verwunderung über die Gewandtheit des Mädchens, sich aus einer Verlegenheit zu ziehen, und setzte sich mit unsagbarer Erleichterung an das von ihr schneeweiß und mit allerhand Leckerbissen geschmackvoll gedeckte Tischchen in der obern Gaststube, der sogenannten »Herrenstube«; und die flinke, dienstbereite Art, wie sie die Speisen auftrug und vorlegte, und das Glas mit edlem Bordeaux füllte, der freundliche Blick, mit dem sie ihn aufforderte, recht tüchtig zuzulangen, da sie noch eine gar tüchtige Strecke vor sich hätten, konnte unmöglich verfehlen, den für Frauenschönheit und Anmut empfänglichen Sir Piercie für seine schöne Molinara noch höher zu begeistern. Aber sich mit an das Tischchen setzen und an dem Mahle teilzunehmen, dazu wollte sich Mysie, aller freundlichen Einladung des Ritters zum Trotz, nicht verstehen, sie verschwand vielmehr alsbald aus der Gaststube und überließ den Schönredner seinen stillen Betrachtungen darüber, wie dies Verschwinden zu erklären sei und ob er richtiger täte, sich darüber zu ärgern oder zu freuen. Er sollte darüber nicht lange im Zweifel sein, denn die Tür ging auf, und der Wirt trat ein mit der Meldung, das Pferd stehe für Seine Gnaden wieder bereit. Auf seine Frage, wo denn das Frauenzimmer, »ich meine das Mädchen«, stecke, fragte der Wirt:

»Die Mysie Happer? wie? Na, heimgegangen!«

»So, heim?« murmelte Sir Piercie, ein paarmal hastig durch das Zimmer schreitend, »heim? na, mag sie! wär sie länger geblieben, hätte sie mir doch nur Schererei gemacht und sich selbst Unehre! Wie konnte ich mir die Sache bloß so umständlich denken, sie los zu werden! Sicher lacht sie jetzt über mich bei irgend einem Bäuerlein und wird sich über meine Kette freuen als Aussteuerstück! Aber Mercie, Piercie Shafton! wie kannst Du Deiner Retterin die Gabe mißgönnen, die sie doch so sauer sich, verdient hat? ... Doch was lohnt alles weitre Grübeln? Herr Wirt, macht mir die Rechnung, und laßt mein Pferd vorführen!«

»Was die Rechnung anbetrifft,« erwiderte der Wirt stockend, »na, so hat sie das Mädel schon bezahlt; aber wenn Euer Gnaden noch etwas zutun wollen, so dürft ichs wohl nehmen, denn die Mysie, die handelt und ist genauer als ihr Vater ...«

»Was? die Rechnung schon beglichen?« Der Ritter schüttelte den Kopf, warf aber dem Wirt einen Rosenobel hin, der die Rechnung für damalige Zeit jedenfalls über das Doppelte glich, trat vor das Gasthaus hinaus, stieg zu Pferde und schlug den Weg in nördlicher Richtung ein, der ihm als der kürzeste nach Edinburg angegeben wurde.

»Hm, ihr Verschwinden hat schließlich noch einen ganz andern Grund gehabt. Was meinst Du, Piercie?« sprach er bei sich und strich sich wohlgefällig die Seite; »beten wir: Führe uns nicht in Versuchung! und freuen wir uns, daß wir uns nicht weiter erst eingelassen haben, so empfindlich mir wohl bald ihr Verlust werden dürfte,« setzte er hinzu, denn vor ihm dehnte sich, so weit er blickte, Moorgegend, die mit Gestrüpp eingefaßt und von zahllosen kleinen Hügeln bedeckt war; »solche Ariadne, mich durch die Schlupfwinkel dieses Gebirgslabyrinthes zu leiten, wäre freilich im Grunde nicht grade übel.«

Da erklang hinter ihm Pferdegetrappel, und als er sich umdrehte, sah er auf einem Nebenpfade hinter dem Dickicht hervor einen schmucken Burschen, kaum über Jungengrüße, auf einem Pony gesprengt kommen. Als derselbe die offne Straße gewonnen hatte, ritt er zu dem Ritter heran, den sein Aeußeres, die saubre Pagentracht und die kecke Miene bestachen, so daß er ihm die Frage stellte, wohin er wolle und von wo er käme. Der Page gab mit abgewandtem Gesicht die Antwort, daß er unterwegs nach Edinburg sei, sich in einem vornehmen Hause einen Dienst zu suchen.

»Bist wohl Deinem letzten Herrn entlaufen, daß Du Dir nicht getraust, mir ins Gesicht zu sehen?« fragte Sir Piercie.

»Wahrlich nicht,« erwiderte der Page beschämt, indem er sich herumdrehte und sein Gesicht auf einen Augenblick zeigte. Nur einen Blick hatte Sir Piercie auf das Gesicht geworfen, aber er hatte hingereicht, ihm zu offenbaren, daß sich in der Pagentracht niemand anders verbarg, als seine holde Molinara. Das gab ein gar fröhliches Wiedersehen, und Sir Piercie hatte über dem glücklichen Bewußtsein, seine schöne Ariadne wieder zu haben, rasch alte Bedenken vergessen, mit denen er sich noch eben das Herz beschwert hatte.

»Aber woher so schnell die Tracht? woher das Pony?« fragte dann Sir Piercie.

Die Tracht, erklärte ihm die schmucke Müllerstochter, habe sie geliehen von einem mit ihrem Vater befreundeten Krämer im Dorfe, es seien die Sonntagssachen seines Sohnes, der mit seinem Lehnsherrn ins Feld habe ziehen müssen, und den Klepper habe sie geliehen vom Gastwirt, bei dem sie eben eingekehrt seien. Der möge ihn von der Rechnung streichen, die er beim Vater noch zu begleichen habe.

»Aber da leidet doch der Vater Einbuße?« sagte Sir Piercie.

»Was müßt Ihr jetzt von meinem Vater reden?« erwiderte verdrießlich das Mädchen, setzte aber gleich hinzu, im Tone tiefen Schmerzes:

»Was der Vater heut sonst verloren, dürfte ihm wohl den Verlust aller übrigen Habe leicht machen.«

Daraufhin meinte der Ritter, daß ihn Ehre und Gewissen verpflichteten, dem Mädchen Vorhaltungen zu machen, welchen Gefahren sie sich aussetze, und daß die Schicklichkeit ihre Rückkehr ins Vaterhaus verlange. Das Mädchen hörte seinen wie immer blumenreichen Darlegungen aufmerksam zu, senkte das Haupt, wie jemand, der tiefen Gedanken nachhängt, blickte dann ihren Begleiter gefaßt an und antwortete dann mit Festigkeit, daß, wenn er ihrer Gesellschaft müde sei, er es nur sagen solle, dann werde ihm die Müllerstochter nicht weiter lästig fallen; gleichwie er den Weg jetzt nach Edinburg allein finden könne, würde auch sie wissen, wohin sie sich zu wenden habe, und was er ihr in ihrer persönlichen Sache zu erwähnen für notwendig meine, habe sie sich alles schon reiflich überlegt. »Bloß eins will ich noch beifügen,« schloß sie, »Ihr seid hier nicht in Eurem englischen Lande, wo, wie es heißt, gegen hoch und niedrig die gleichen Maße gelten für Recht und Unrecht, sondern in einem Lande, wo die Stärke des Armes entscheidet, wo ein gutes Maß Schlauheit die beste Verteidigungswehr ist. Die Gefahren, denen Ihr hier ausgesetzt seid, kurz gesagt, kenne ich besser als Ihr.«

Ein Seitenblick auf seinen Pagen zeigte dem Ritter, mit welchem Geschick derselbe sein Pferd zu führen wußte, ein andrer Blick, auf die kräftig entwickelten Muskeln, daß er auch in Kämpfen und Spielen geübt sein müsse, wenigstens doch seinen Mann zu stellen vermöchte, und so gelangte er, alles in allem erwogen, zu dem Schlusse, daß er mit seiner Begleiterin doch besser zurechtkommen werde als ohne sie.

Das Paar ritt nun weiter, wie am Morgen, den ganzen Tag. Noch als es zu dämmern anfing, war die schöne Molinara von der Seite des Ritters verschwunden, und er sah sie erst am andern Morgen wieder, als die Pferde geschirrt vor dem Wirtshause standen, wo er die Nacht über geweilt hatte.

»Ein seltsames Geschöpf!« sprach er bei sich, »bei meiner Ehre, ebenso sittsam wie klug und gebildet. Keine Frage! es wäre gemein, ihr Schimpf und Schande anzutun!«

Zwölftes Kapitel

Mary Avenel war in das Gemach gebracht worden, worin sonst die Brüder Glendinning gehaust hatten. Tibbie, die treue Magd, hatte sich nach Kräften bemüht, sie zu beruhigen, und auch Pater Eustachius suchte sie durch Trostsprüche zu erheitern. Schließlich mußte man sich darein finden, sie ihrem Gram zu überlassen, der sich übrigens nicht in Seufzern und Tränen erschöpfte, sondern seine Quelle fand in ernsten Erwägungen der Lage, in die sie durch den Tod Halberts versetzt worden war. Sie berechnete, gleich einem bankerotten Schuldner, die ganze Höhe des Verlustes, der sie betroffen hatte. Es schien ihr, als sei mit diesem Bande alles zerrissen, was sie an die Erde gefesselt hatte. Wenn sie auch nie an die Möglichkeit eines ehelichen Bundes mit Halbert Glendinning gedacht hatte, so schien ihr doch jetzt der einzige Baum gestürzt worden zu sein, der sie vor Stürmen hätte schützen können. Sie achtete wohl den sanftern Charakter Edwards, des jüngern Bruders, sie glaubte schließlich, sich nach wie vor mit der rauhen, wenn auch mütterlichen Güte der Mutter der beiden Knaben abfinden zu können, aber für die männlichen Eigenschaften Halberts, die ihr als der letzten Erbin der Anschauungen eines stolzen und kriegerischen Geschlechts, vor allem sympathisch sein mußten, meinte sie, nun und nimmer Ersatz finden zu können. Eine Gemütsleere, wie sie aus der Unwissenheit, in welcher damals Rom die Kinder seiner Kirche hielt, notwendig entstehen mußte, versagte ihr Trost, und auch im Gebete ihn zu finden, war ihr nicht vergönnt, denn ihr Gebet war weiter nichts als Herlallen unbekannter Worte, deren sie sich nur aus Gewohnheit bediente; und so gelangte sie, unbekannt mit wahrer geistiger Andacht und außer stande, die Gnade göttlichen Wesens zu fassen, in ihrem Elend zu der Ueberzeugung, daß es auf Erden für sie keine Hilfe mehr gebe.

Endlich befiel ein unruhiger Schlummer ihren erschöpften Geist und Leib, und sie schlief bis zum Tagesanbruch, um erst durch den Lärm geweckt zu werden, der im Turme sich über Sir Piercie Shaftons Flucht erhoben hatte. Rasch fuhr sie, in Furcht vor neuem Unheil, in die Kleider. Als sie aber zur Tür hinausstürzen wollte, vernahm sie von der Magd, die mit fliegenden Haaren, wild vor Aufregung, von einem Raum in den andern stürzte, daß der südländische Schuft entwichen sei, und daß Halbert Glendinning ungerochen in seinem blutigen Grase werde schlummern müssen. Gleich darauf aber war die Stimme des Unterpriors laut geworden, die Schweigen geboten hatte, und darauf hatte sich Mary Avenel, die sich nicht gestimmt fühlte, sich vor den Leuten zu zeigen oder gar an Erörterungen oder Beratungen teilzunehmen, wieder in ihrer Stube eingeschlossen.

Dadurch, daß Mysie die Tore von außen geschlossen hatte, saß die ganze Turmbewohnerschaft wie in einer Falle, und in Ermangelung von Werkzeug, die Eisenstäbe vor den Fenstern zu brechen, war ihnen auch dieser Ausweg ins Freie verschlossen. Wenn es ihnen auch gelang, die Bewohner der Hütten außerhalb der Hofmauer zu alarmieren, so waren dort doch nur Weiber und Kinder anwesend, da man die Männer zur Verstärkung der Wache für die Nacht in den Turm hinein befohlen hatte. In dieser allgemeinen Wirrnis kam die Mittagszeit heran, ohne daß man im stande gewesen wäre, das Geringste zur Verfolgung des flüchtigen Ritters zu unternehmen. Da nahte unvermutet Sukkurs von außen durch die Ankunft Christies von Clinthill, der an der Spitze eines kleinen Trupps Reisiger herangesprengt kam, die auf ihren Sturmhauben das Zeichen der Avenel, den Stechpalmzweig, trugen.

»Heda,« rief Cristie hinauf, »ich bring Euch einen Gefangenen!« »Besser wärs schon,« antwortete ihm Dan von Howlet-Hirst, »Ihr brächtet uns Freiheit.«

Verwundert über die Lage, in der er die Turmbewohner fand, rief Christie: »Und wenn mir der Galgen drohte, ich könnt mir das Lachen nicht verbeißen, Leute wie die Ratten durchs eigne Gitterloch gucken zu sehen! Der mit dem Barte dort sieht aus wie der echte Rattenkönig!«

»Schweig, Du Schelm! hier ist jetzt keine Zeit zu rohen Späßen!« rief Edward hinunter.

»Ei, ei, mein Jüngling,« rief Christie zurück, »auch obendrein noch naseweis? Immerhin, ich will die Worte heute nicht auf die Goldwage legen. Reicht mir einen Haken herunter! Damit werd ich Euch wohl Luft machen können. Bin doch schon in manch liebes Gitter eingebrochen!«

Christie hatte nicht zu viel versprochen, denn noch ehe eine halbe Stunde verstrichen war, stand das Gitter, das allen Anstrengungen von innen so lange getrotzt hatte, offen.

»Und nun zu Pferde, Kameraden! und hinter dem elenden Shafton her!« rief Edward, dem Stalle zurennend.

»Sachte, sachte,« erwiderte Christie, »Ihr werdet doch nicht Eurem Gaste, einem Freunde meines Herrn, nachsetzen? Mit so was ist ja nicht zu spaßen. Weshalb wollt Ihr ihm hinterher?«

»Der Schurke hat meinen Bruder ermordet! Also Platz da!« rief Edward.

»Was faselt der Mensch? Wer ermordet? und von wem ermordet?«

»Shafton hat heut morgen Halbert im Walde erschlagen,« sagte Dan.

»Ihr seid Wohl alle miteinander toll geworden?« rief Christie von Clinthill, »Ihr sitzt hier alle m Eurem Turm eingesperrt, ohne Euch rühren zu können, damit Ihr nicht Rache nehmt für einen Mord, der gar nicht verübt worden ist.«

»Ihr hört doch aber, daß dieser Hund von Shafton gestern früh meinen Bruder erschlagen hat,« rief Edward,

»Und ich sag Euch,« versetzte Christie, »daß ich gestern abend Euer« Bruder heil und gesund gesehen habe.«

Darauf schwiegen alle und gafften verwundert den Reisigen an, bis der Unterprior, der sich bisher von dem Manne ferngehalten hatte, auf ihn zutrat und ihn auf sein Gewissen fragte, ob er als wahr behaupten wolle und könne, daß Halbert Glendinning noch am Leben sei. »Ehrwürdiger Vater,« antwortete Christie mit einer Ehrerbietung, wie er sie außer seinem Herrn sonst niemand zu erweisen pflegte, »ich treibe manchmal meinen Spaß mit Leuten, die Kutten tragen, mit Euch aber nie! denn Euch hab ich, wie Ihr wohl noch wißt, mein Leben zu verdanken! Und Euch sag ich, Pater Prior, so wahr wie gestern abend die Sonne am Himmel untergegangen ist, so wahr ists, daß gestern abend Halbert Glendinning im Schlosse meines Herrn sein Abendbrot gegessen hat, und daß er dorthin gekommen ist in Gesellschaft eines Greises, den ich Euch hierher bringe, als Euren Gefangenen.«

Die letzten Worte überhörend oder auf sie kein Gewicht legend, fragte Pater Eustachius: »Und wo befindet sich Halbert jetzt?«

»Das kann Euch bloß der Teufel sagen,« versetzte Christie, »denn meiner Meinung nach muß die ganze Sippe seines Namens vom Teufel besessen sein. Der Junge ist über dies und das, was mein Herr gesagt hat, aus Rand und Band geraten, ist aus dem Schloß ausgebrochen, ist über den See geschwommen wie eine wilde Ente und ist nicht wieder aufgebracht worden, trotzdem ihm mehrere unsrer Reisigen auf Tod und Leben nachgesetzt sind.«

»Und warum hat ihm Euer Herr nachsetzen lassen? hat er was verbrochen?«

»Meines Wissens nicht. Aber der Ritter von Avenel ist seit einigen Tagen schier wie von der Tarantel gestochen,« sagte Christie, »und möchte jeden fressen, der ihm in den Weg tritt.«

»Edward,« fragte der Mönch jetzt den jüngern Glendinning, »wohin so eilig?«

»Nach Corinnan-Shian, Vater!« versetzte der Jüngling. »Martin, Dan, wenn Ihr Männer seid, so nehmt Hacke und Spaten und folgt mir!«

»Recht so,« sagte der Mönch, »und findet Ihr was, setzt uns sofort in Kenntnis.«

»Ungesalzen will ich fressen, was Ihr findet,« rief Christie, »wenn Ihr was findet, das mit Halbert Aehnlichkeit hat! ... Aber da bringen meine Reisigen Euren Gefangnen. Von ihm hätt ich schon lange reden sollen, aber Euer Krakehl hat mich noch nicht zu Worte kommen lassen.«

Zwei Avenel'sche Reisige ritten in den Hof, in der Mitte ein Klepper, auf dem der reformierte Prediger Heinrich Warden saß. »Mein Herr schickt Euch und Eurem Abt, um sich von böser Verleumdung zu reinigen, die ihn als Ketzer brandmarken möchte, den Mann, der mit seinen Predigten die Welt von oben zu unterst gekehrt hat. Ihr sollt mit ihm verfahren, wie es die heilige Kirche gebeut, und wie es Eure Ehrwürden und Seine Ehrwürden der Abt für recht und billig befinden werden.«

Die Augen des Unterpriors leuchteten bei dieser Kunde, denn für das Kloster war es eine Sache von hoher Wichtigkeit, einen Mann in Haft zu nehmen, der von so hohem Eifer für den neuen Glauben beseelt war, daß er die römische Kirche nicht allein aufs tiefste geschädigt hatte, sondern seit langem und noch immer in Schrecken hielt.

Für das Verständnis der in diese Erzählung verwobenen Charaktere ist es hier notwendig, zu erwähnen, daß die römische Kirche in dem Königreiche Schottland in ihren letzten Zügen lag, daß in vielen Städten die Klöster schon durch den Pöbel niedergerissen worden waren und die reformierten Barone sich allerorten im Lande an klösterlichem Gut zu bereichern liebten. Das Kloster Kennaqhueir erfreute sich nun aber des besonderen Schutzes der mächtigen Grafen von Northumberland und Westmoreland, und war zufolgedessen noch immer im stande gewesen, all seine Gerechtsame aufrecht zu erhalten und für das Ansehen seiner Kirche als streitende Macht aufzutreten.

Zu den eifrigsten Predigern der Gegenkirche hatte nun Heinrich Warden, seitdem er aus dem Kloster geflohen war, in das er seinerzeit zusammen mit dem Prior Eustachius als Novize eingetreten war, gegolten, und nun lieferte der Zufall ihn als Gefangenen in dasselbe Kloster, zu einer Zeit, da sein einstiger Schulkamerad dort die Stelle eines Unterpriors bekleidete und in allem als die rechte Hand, in nicht wenigem als die eigentliche Seele seines Abtes galt. Heinrich Warden hatte in dem Feuereifer, der ihn beseelte, die Grenzen seiner Glaubenspartei eingeräumten Rechte überschritten und sich mit dem Staate und dem Gerichte in Konflikt gesetzt. Zufolgedessen war er aus Edinburg geflohen, hatte aber von Lord James Stuart, nachmals als Graf von Murray berühmt, Empfehlungen an verschiedne Grenzhäuptlinge, darunter an Julian von Avenel, mit auf den Weg bekommen, und diese hatten sich heimlich verschworen, ihn sicher nach England hinüber zu schaffen. Julian von Avenel hatte sich ohne Bedenken mit beiden Parteien eingelassen, würde sich aber, so schlimmen Sinnes er sonst war, nichts gegen einen ihm von so hoher Seite empfohlenen Gast herausgenommen haben, hätte derselbe sich nicht in solcher, wie ihm es schien, maßlos zudringlichen Weise in seine häuslichen Verhältnisse gemischt. Anstatt nun aber gegen Warden in seinem eignen Schlosse Gewalt zu üben, hatte er, mit der ihm eigenen Arglist, den Plan geschmiedet, ihn an das Liebfrauenkloster auszuliefern, um nicht allein ihm die Befriedigung seiner Rachsucht zu überlassen, sondern sich dort auch einen Anspruch auf Belohnung zu sichern, sei es in Geld, sei es in Abtretung von Klosterland gegen geringen Erbzins, der damals üblichen Weise, die Klöster ihres weltlichen Besitzes zu entkleiden.

Als nun der Unterprior so unerwartet den unbeugsamen Feind der Kirche seinen Händen überantwortet sah, war seine erste Regung, die Erwartung aller Freunde der Kirche, die sich mit solchem Vorgange verknüpften, dadurch zu erfüllen, daß er die Ketzerei in dem Blute eines ihrer tätigsten Bekenner erstickte.

»Räumt das Gemach,« befahl er den Anwesenden,»bloß die zur Bewachung des Gefangenen notwendigen Leute sollen hier bleiben – und dann bringt mir den Mann Herein!«

Außer Christie von Clinthill, der selbst die Wache zu übernehmen erklärte, verließen alle den Raum. Antlitz in Antlitz standen sich nun die beiden Nebenbuhler gegenüber: der Mönch im Begriff, mit äußerster Gefahr für sich und seine Brüderschaft ein Werk zu tun, das er in seiner Unwissenheit für seine Pflicht erachtete; der Prediger, von besserer Einsicht erfüllt, sich für die Sache des Herrn jeglicher Strafe zu unterziehen, nötigenfalls seine Sendung mit seinem Blute zu besiegeln. Also gerüstet zu dem geistigen Kampfe, einer den andern mit den Blicken durchdringend, in der Hoffnung, einen Riß oder Mangel in der Rüstung des Gegners zu entdecken, näherten sie sich einander. Aber während sie sich mit den Blicken maßen, fingen doch langsam alte Erinnerungen an, sich in ihren Herzen zu regen. Von der Stirn, des Mönches wich langsam die Strenge und Unversöhnlichkeit, und von Wardens Antlitz der verhaltene Trotz, und auf einen Moment streiften sie die düstre Feierlichkeit des Wesens von sich. Sie hatten zusammen eine Universität im Auslande besucht, waren dort treue Freunde gewesen, hatten sich geholfen in mancher Zeit der Bedrängnis. Dann hatten sie sich auf lange Zeit trennen müssen. Warden hatte um seiner Sicherheit willen, der Mönch der gemeinen Klostersitte gemäß, den bürgerlichen Namen abgelegt, und so war es gekommen, daß sie sich in den feindlichen Rollen in dem großen politischen Drama, das sich zu ihrer Lebenszeit in Schottland abspielte nicht wiedererkannt hatten. Allein jetzt rief der Mönch: »Henry Wellwood!« und der Prediger: »William Allan!« und ergriffen von den alten vertrauten Klängen, ergriffen von den unvergeßlichen Erinnerungen gemeinsamer Jugenderlebnisse, gemeinsamer Studien, reichten sie sich auf einen Augenblick die Hände und blickten einander ins Herz.

»Nehmt ihm die Fesseln ab!« sprach der Mönch und half dem Reisigen eigenhändig bei dieser Arbeit.

Aber als sie im andern Augenblick zum Bewußtsein der Rollen, die ihnen vom Schicksal zuerteilt worden waren, kamen, da ließ jeder die Hand des andern los und trat von dem andern hinweg. Und jeder maß wieder den andern mit den kalten Blicken des Widersachers.

»Ist dies die Grenze von Wellwoods Laufbahn?« hub der Unterprior an, »ist dies das Ende der rastlosen Tätigkeit, der unerschrocknen Wahrheitsliebe, die die Forschung bis auf die Spitze trieb? die den Himmel stürmen zu wollen schien? Mußten wir uns darum in den besten Jahren der Jugend kennen und lieben, um uns im Alter als Richter und Beklagter gegenüberzustehen?«

»Nicht so, William Allan, begegnen wir uns wieder,« versetzte Warden, »sondern als irregeführter Tyrann und als demütiges Schlachtopfer. Auch ich frage nun: sind dies die Früchte jener herrlichen Hoffnungen auf William Allans klassische Bildung, scharfe Verstandeskräfte und unschätzbare Kenntnisse, daß er sich erniedrigen mußte zum nutzlosen Einsiedler, vor dem Pöbel beehrt mit dem hohen Auftrage, Roms Bosheit an Roms Widersachern zu üben?«

»Nicht Dir,« wiederholte der Mönch, »noch sonst einem Sterblichen, des sei versichert, will ich Rechenschaft geben von der Gewalt, mit der die heilige Kirche mich bekleidet hat, die mir verliehen von ihr wurde als ein Pfand zu ihrem Heile. Und zu ihrem Heile soll diese Gewalt jeder Gefahr zum Trotz angewendet werden, ohne Furcht und ohne Nachsicht!«

»Von Deinem mißleiteten Eifer habe ich Geringeres nicht erwartet,« antwortete der Prediger, »und in mir habt Ihr jemand gefunden, gegen den Ihr Euer Ansehen furchtlos geltend machen könnt, mit der Sicherheit, daß wenigstens sein Geist Eurem Einfluß Trotz bieten wird, gleich dem Schnee auf dem Mont-Blanc, der auch nicht schmilzt in der Hitze des Sommers, und den wir einst zusammen sahen.«

»Daran zweifle ich nicht,« erwiderte der Mönch. »Du warst von je ein Löwe, der sich gegen den Speer des Jägers wandte, und nicht wie ein Hirsch beim Klange des Hifthorns erbebte.« Schweigend schritt er durch den Raum. Dann sprach er wieder: »Wellwood! wir können nicht länger Freunde sein. Unser Glaube, unser Anker in der Zukunft ist nicht mehr der gleiche.«

»Es betrübt mich tief,« erwiderte der andre, »daß Du die Wahrheit redest, Allan! Möge denn Gott mich richten, wenn ich die Belehrung einer Seele, wie der Deinen, nicht mit meinem Herzblut erkaufte.«

»Mit besserm Grunde muß ich Dir Deinen Wunsch zurückgeben,« sagte der Mönch. »Ein Arm, wie der Deine, sollte die Bollwerke der Kirche verteidigen! Doch da es der Wille des Schicksals ist, daß wir nicht länger als Freund Seite an Seite fechten, so laß uns wenigstens als edle Feinde handeln. Willst Du ehrlicher Gefangner bleiben auf Dein Wort, wie es die Krieger dieses Landes zur Bedingung setzen? Willst Du feierlich geloben, Dich auf meine Ladung vor dem Abt und Kapitel des Liebfrauenklosters zu stellen, und Dich nicht über eine Viertelmeile in der Runde von diesem Hause zu entfernen? Ich meine, willst Du Dein Wort dafür setzen zum Pfande, so sollst Du, also baue ich auf Deine Ehrlichkeit, unbewacht und ungefesselt Dich hier bewegen können.«

»Insofern, als Dein Vorschlag mit solcher Ruhe und Höflichkeit gemacht wird,« sagte der Prediger, »und von meiner Seite mit Ehren angenommen werden kann, will ich darauf eingehen.«

»Halt!« rief der Mönch, »einen Punkt noch, den ich fast vergessen hatte! Du mußt geloben, während Deines Aufenthalts hier weder mittel- noch unmittelbar Deine pestartige Ketzerei zu verbreiten.«

»Hier müssen wir unsre Unterhandlung abbrechen,« versetzte fest und entschieden der Prediger. »Wehe mir, wenn ich das Evangelium zu predigen unterließe!«

Diese Worte brachten den Mönch außer sich. ... »Bereite Dich, zu tragen, was Du um solcher Gesinnung, um solches Trotzes willen verdienst. Kriegsmann, bindet ihn!«

Heinrich Warden, mit stolzer Ergebenheit in sein Schicksal, reichte die Arme den Fesseln, ... »Schont meiner nicht!« sprach er zu Christie, der, so rohen Sinnes er war, doch Anstand nahm, die Bande fest zu ziehen.

Und während der Mönch aus seiner Kutte hervorsah, wie der Reisige dem Befehle genügte, wahrend er den Blick zu Boden senkte und die Hand an die halb von der Kutte verhüllte Wange legte, als wenn er die Bewegungen seines Gemüts ersticken wolle, erhob sich am Eingänge des Turmes ein wilder Lärm, und gleich darauf stürzte Edward Glendinning mit erhitzten Wangen in das Gemach hinein.

»Gott sei Dank, ehrwürdiger Vater,« rief er, »mein Bruder lebt! In Corinnan-Shian findet sich kein Grab, keine Spur von einem solchen. Der Rasen um die Quelle ist weder durch Spaten noch durch Schaufel weggeräumt worden. Mein Bruder lebt, so gewiß ich noch lebe!«

Der Ernst des Jünglings, die Lebhaftigkeit seines Wesens, sein blitzendes Auge erinnerten den Prediger, als er ihn sah, lebhaft an Halbert, und er fragte, ohne sich Zeit zu gönnen: »Von wem sprichst Du, mein Sohn, etwa von einem Jünglinge, der etwas älter zu sein scheint, wie Du, schlanker und kräftiger ist als Du, braunes Haar hat und ein offnes Gesicht? der aber beinahe die gleiche Stimme hat wie Du und fast die gleiche Haltung hat wie Du?«

»Sprecht, ums Himmels willen, sprecht!« rief Edward, »Tod und Leben liegen auf Eurer Zunge.«

Und mit einer Stimme, so ruhig, als stände er nicht hier unter der schwersten Bedrohung von Freiheit und Leben, gab der Prediger einen haarkleinen Bericht, wie er Halbert getroffen, wie ihn Halbert in die Schlucht geführt hatte, worin sie Gras mit Blut bedeckt und ein zugeschüttetes Grab gefunden hätten, wie der Jüngling sich selbst des Mordes an Sir Piercie Shafton bezichtigt habe.

»Und sagtest Du nicht eben,« wandte der Mönch sich an Edward, »daß dort keine Spur von einem Grabe zu sehen, zu finden sei?«

»Keine Spur!»wiederholte Edward, »indessen muß auch ich sagen, daß der Rasen ringsum niedergetreten und mit Blut bespritzt war.«

»Das sind Blendwerke des Bösen,« rief der Mönch, indem er sich bekreuzte, »kein Christ kann länger daran zweifeln!

»Wäre dies der Fall,« sagte Würden, »so möchten wohl Christen sich besser davor bewahren mit dem Schwert des Gebets als durch solch kabbalistisches Zeichen!«

»Das Zeichen des Kreuzes, das Zeichen der Erlösung,« sagte der Mönch, »entwaffnet alle bösen Geister.«

»Das bloße Wort,« erwiderte der immer kampfbereite Warden, »ist kein Beweis! Wo steht geschrieben, daß dergleichen leeren Zeichen und Gebärden solche Kräfte, wie Du behauptest, innewohnen?«

»Ich wollte vordem mit Dir disputieren,« antwortete der Mönch, »aber Dein Trotz lehnte es ab. Jetzt bin ich nicht mehr dazu willens.«

»Und sollten es die letzten Worte sein, die über meine Lippen dringen,« versetzte der Reformator, »und würden sie gesprochen auf dem Scheiterhaufen, halb erstickt vom Rauche der Flammen, so würde ich doch mit meinem letzten Hauche zeugen gegen Roms abergläubische Erfindungen!«

Nur mit Mühe unterdrückte der Unterprior die Antwort, die ihm auf den Lippen schwebte, und sagte zu Edward, er solle seine Mutter auf der Stelle in Kenntnis setzen, daß sein Bruder noch lebe.

»Ich habs Euch doch schon vor zwei Stunden gesagt,« bemerkte Christie von Clinthill, »aber mir wolltet Ihr nicht glauben. Wie es scheint, verdients die Aussage solch alten Graukopfs besser? und dabei reite ich doch niemals aus, ohne mein Paternoster herzusagen.«

»Führt den Gefangenen ab,« antwortete der Mönch, »und achtet darauf, daß er nicht entweiche. Allein füget ihm kein Leid zu! Bei Eurem Leben!«

Kaum sah sich der Unterprior mit Edward, der das Gemach noch immer nicht verlassen hatte, allein, so fragte er: »Was ist Dir widerfahren, Edward, daß Deine Augen funkeln, Deine Wangen bald rot, bald blaß sich färben? daß Du Dich weigerst, Deiner Mutter die frohe Kunde zu bringen? So geh doch und sage es ihr!«

»Ich muß ihr, wenn ich das eine melden, jetzt auch das andre melden, daß, wenn sie einen Sohn wiedergewonnen, den andern dafür verliert!«

»Was sollen solche Reden bedeuten, Edward?« fragte der Prior streng.

»Vater,« sprach der Jüngling, indem er vor dem Prior niederkniete, »ich will Dir meine Sünde bekennen und Du sollst Zeuge sein von meiner Reue.«

»Was ist es, mein Sohn, das Dein Gewissen so peinigt?« fragte der Prior gütig. »Laß es mich wissen. Die Gnade der Kirche ist groß gegen ihre folgsamen Kinder, die ihre Gewalt nicht bezweifeln.«

»Mein Bekenntnis wird ihrer Gnade gar sehr bedürfen,« erklärte Edward, »ich hörte von dem plötzlichen Tode des Bruders mit Freude und freute mich seiner – ich hörte von seiner Wiedergeburt und betrübte mich dessen.«

»Edward!« rief der Mönch, »Du bist von Sinnen! In der Erschütterung Deines Herzens hast Du die Stimme desselben falsch gedeutet! Geh hin, mein Sohn, und sammle Deine Sinne im Gebet!«

»O, Vater, was mein Herz erfüllte, was mein Herz trieb zu solch sündiger Freude, es war die Liebe zu Mary von Avenel! durch sie bin ich zu dem schrecklichen Sünder geworden, als welchen ich mich vor Dir und unsrer Kirche bekenne!«

»Liebe zu einem Mädchen, das Eurem Stande so weit überlegen ist? Wie durfte Halbert, wie durftest Du es wagen, die Augen zu ihr zu erheben, anders, als mit dem Bewußtsein, daß sie für Euch unerreichbar sei? daß sie an Rang so unendlich über Euch stände, daß jeder solche Gedanke an Wahnsinn streife?«

»Wann hat Liebe gewartet auf Ahnen?« erwiderte Edward; »war Mary nicht unsrer Mutter Pflegekind? und in nichts unterschieden von uns, mit denen sie gemeinsam erzogen wurde? Genug, wir liebten sie, liebten sie beide! und ich sah, wenn, wir beisammen saßen, recht gut, daß Halbert ihr der Liebere sei, an tausenderlei Zeichen. Aber ich trug es, Vater, ohne ihn zu hassen ...«

»Und wohl Dir,« fiel der Mönch ihm in die Rede, »daß Du es trugst, und daß Du ihn nicht haßtest! wie hattest Du auch so verstockt sein können, ihn zu hassen, weil er töricht war wie Du?«

»Vater,« fügte Edward, »die Welt hält Dich für weise und schätzt Deine Kenntnis des menschlichen Herzens. Aber hier gehst Du irre! Es geschah nicht ohne schweren innern Kampf, daß ich mich vor Haß bewahrte, und nie habe ich schwerer gekämpft als in jener Nacht, die uns trennte. Und es war mir kaum möglich, der Freude zu widerstehen, als er von meinem Pfade gerissen wurde – es war mir nicht möglich, mich der Betrübnis zu wehren, als er wieder in meinen Pfad geschleudert wurde.«

»Gott sei Dir gnädig, mein Sohn!« sprach der Mönch und legte die Hand auf sein hämmerndes Haupt, »das ist ein gräßlicher Gemütszustand! In eben solch böser Stimmung erwürgte der erste Mörder seinen Bruder, weil Abels Opfer dem Herrn genehmer war.«

»Ich will ringen mit dem Dämon, der sich meiner bemächtigt hat,« sprach der Jüngling mit Festigkeit. »Aber ich muß zuerst vor den Auftritten fliehen, die hier stattfinden werden. Ich kann den Anblick nicht ertragen, wenn Marys Augen vor Freude leuchten werden über die Nachricht von dem Wiederfund ihres Geliebten, denn das könnte mich zu einem andern Kain machen!«

»Rasender!« rief der Mönch. »Zu welchem Verbrechen droht Deine Wut Dich zu treiben?«

»Mein Los ist entschieden,« sprach Edward. »Ich werde in den geistlichen Stand treten, den Ihr mir einst so dringend empfahlet. Es ist mein Vorsatz, mich mit Euch ins Kloster zu begeben, Vater.«

»Nicht in diesem Zustande von Zerrüttung, mein Sohn,« antwortete der Mönch. »Ich sage es nicht, um Dich von Deinem Pfade abzubringen, und Du sollst ja mit mir gehen. Aber als Novize mußt Du eine Prüfungszeit bestehen, und für diese ist es Vorschrift des Ordens, daß Du sie antrittst mit kaltem Blute und nach reiflichem Bedacht.«

»Es gibt Handlungen, Vater,« erwiderte Edward, »die keinen Verzug gestatten. ... Wann werden wir uns in das Kloster begeben?«

»Wenn Du willst, auf der Stelle,« erklärte der Prior, seinem Ungestüm nachgebend. »So gehe und triff die hierzu nötigen Anstalten! Doch warte! Du mußt mir zuvor volle Beichte ablegen, mein Sohn; ich frage Dich drum, hast Du auch nichts mir verschwiegen, was Dich so plötzlich bestimmt hat zu solchem Entschlusse?«

»Meine Sünde habe ich vollständig gebeichtet,« sprach Edward, indem er sich wieder auf die Kniee fallen ließ, »aber einer seltsamen Erscheinung habe ich nicht erwähnt, die durch ihre Wirkung auf mein Gemüt wohl dazu beigetragen haben mag, daß ich diesen Entschluß so schnell faßte!«

»Laß mich denn alles wissen, mein Sohn!«

»Ich erzähle es nicht gern,« sagte Edward.

»Erzähle es mir immerhin!« sagte der Mönch, »und fürchte keinen Tadel von mir! denn ich kann Gründe haben, als wahr anzunehmen, was Dir anders bedünken mag.«

»So wisset denn, Vater, daß ich, zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwebend, den verstümmelten, eilig verscharrten Leichnam zu finden, nach dem Tale eilte. Ihr wißt, in welchem Rufe der Platz in der ganzen Gegend steht. Meine Begleiter gerieten in Angst, und eilten, wie auf einem Verbrechen ertappt, das Tal hinunter. Meine Seele war zu erregt, um Lebendige oder Tote zu fürchten. Ich ging langsamer als meine Begleiter. Schon waren sie mir aus dem Gesicht geschwunden, als ich, mich umschauend, an der Quelle eine weibliche Gestalt erblickte ...«

»Hüte Dich, mein Sohn,« fiel ihm der Mönch streng in die Rede, »in einer Stimmung, wie Deiner jetzigen, zu scherzen!«

»Ich scherze nicht, Vater,« antwortete der Jüngling, »wer weiß, ob ich je wieder scherze! Ich sage Euch, ehrwürdiger Vater, ich sah eine weibliche Gestalt, in weitem Gewande, schneeweiß, ganz so, wie man den Geist schildert, der um das Haus Avenel wandert. Glaubt mir, Vater, bei Himmel und Erde! ich spreche kein Wort, als was ich mit diesen Augen gesehen habe!«

»Ich glaube Dir, mein Sohn,« sagte der Mönch. »Erzähle weiter!«

»Die Erscheinung,« sagte Edward Glendinning, »begann zu singen, und zwar wie folgt: – und so seltsam es Euch erscheinen mag, daß ich die Worte noch jetzt so genau weiß, so vermag ich doch keine Erklärung dafür zu geben, außer daß sie mir so unvergeßlich in die Seele geprägt sind, wie wenn sie mir seit meiner Kindheit bekannt wären: –

Der Du zu meinem Quell gekommen,


Von argen Hoffnungen entglommen,


Des Herz von sünd'ger Freude glüht,


Wenn scheinbar Gram Dein Aug umzieht,


Zurück! hier findest Du fürwahr


Nicht Leiche, Sarg, nicht Grab noch Bahr,


Der Tot-Lebendige ist nicht hie.


Zu den Lebendig-Toten flieh!


Zu ihnen, deren Ernst verhehlt


Oft jenen Wunsch, der Dich beseelt;


Die oftmals, Leidenschaft zernagt,


Der sie mit einem Schwur entsagt;


Die ernsten Blicke oft wild Verlangen


Und eitle Hoffnung hält befangen;


Du eile in des Klosters Schoß,


Gebet und Wachen sei Dein Los!


Weg mit dem Grün, nimm graues Kleid,


Hinweg! dem Kloster Du geweiht!

»Das ist ja ein seltsamer Singsang,« sagte der Mönch, »und wie mir scheinen will, nicht eben zu Deinem Besten gesungen. Aber wir haben die Gewalt, des Satans Blendwerk zu schanden zu machen. Du sollst mit mir gehen, mein Sohn! Aber willst Du nicht Deine Mutter noch einmal sehen?«

»Keinen Menschen mag ich mehr sehen,« rief Edward. »Ich will nicht Gefahr laufen, daß mein Entschluß wankend gemacht werde. ... Aus dem Kloster sollen sie erfahren, was ich will. Sie alle mögen wissen, daß Edward nicht länger mehr der Welt angehört, ihrem Glücke im Wege zu stehen!«

»So komm, mein Sohn! und wenn wir durch das Tal hinunter reiten, will ich Dir die Wahrheiten künden, wodurch die Väter und Weisen der Vorzeit zu jener köstlichen Alchimie den Weg fanden, welcher die Kraft innewohnt, unsre Leiden in Glückseligkeit zu wandeln!«

Dreizehntes Kapitel

Edward ließ die Pferde anschirren, dann verabschiedete er sich von den Nachbarsleuten, die ihm zu Hilfe geeilt waren, und die über seinen so schnellen Aufbruch wie über die Wendung, die sich so schnell vollzogen hatte, nicht wenig überrascht waren.

»Hier ist es mit der Gastfreundschaft gar traurig bestellt,« meinte Dan von Howlet-Hirst zu seinen Kameraden, »soviel steht bei mir fest, die Glendinnings mögen sterben und aufwecken, soviel es ihnen paßt, ich setze wegen dieser Gesellschaft keinen Fuß mehr von meinem Gehöft.«

Martin redete ihnen gut zu und suchte sie durch Speise und Trank besser zu stimmen. Aber es wollte ihnen nicht schmecken, was Martin ihnen vorsetzte, und übellaunig zogen sie von dannen.

Die Familie hatte bald erfahren, daß Halbert Glendinning noch lebe. Die Mutter weinte bald, bald dankte sie dem Himmel für seine Gnade. Frau Tibbie meinte, sie hätte es sich niemals so recht denken können, daß Halbert sich von einem Piercie oder einem dieses Schlages umbringen ließe; man möge über die Englischen reden und denken, was man wolle, einem echten Schotten kämen sie doch einmal an Körperkraft und Ausdauer nicht gleich.

Auf Mary Avenel machten diese Ereignisse einen ungleich tiefern Eindruck. Sie hatte erst seit kurzer Zeit Trost im Gebete gesucht, und ihr war ganz so zu Mute, als seien ihre Gebete auf der Stelle erhört worden, als hätte die himmlische Gnade sich an ihr auf höchst seltsame Weise offenbart, kaum daß sie gelernt habe, sich an sie zu wenden; und wenn auch solchen Empfindungen ein bedenklicher Grad von Schwärmerei zu grunde liegen mochte, so ging dieselbe doch nur aus der lautersten Andacht hervor.

Das heilige Buch, das sie von nun ab als ihren besten Schatz betrachtete, wickelte sie in ein seidnes Tuch, eins der wenigen Sachen von wirklichem Wert, die sie ihr eigen nannte, und sie fühlte nur eins mit Schmerzen, daß ihr das heilige Buch, weil es ihr an einem geschickten Ausleger gebrach, wohl immer nur ein verschlossnes Buch, eine versiegelte Quelle bleiben werde.

Während Edward für die Pferde besorgt war, ersuchte Christie von Clinthill neuerdings um Weisung, was mit dem reformierten Prediger werden solle, und abermals suchte der Unterprior einen Ausweg zu finden aus dem Dilemma, in das ihn das Mitleid mit dem alten Freunde, die hohe Achtung, die er vor ihm fühlte, und die Pflicht, die er seiner Kirche gegenüber zu erfüllen hatte, stürzte. Die beträchtlichste Schwierigkeit war, wie ihm vorkam, durch Edwards unvermuteten Entschluß beseitigt worden, und darum durfte er den Prediger nicht in Glendearg lassen. »Ueberliefere ich diesen Wellwood oder Warden dem Kloster,« sprach er bei sich, »so muß er in seiner Ketzerei sterben, muß Leib und Seele verlieren; und wenngleich solches Verfahren ehedem für ratsam erachtet wurde, um Schrecken unter den Ketzern zu verbreiten, so ist doch ihre Macht jetzt so groß geworden, daß wir durch solches Vorgehen wohl nur ihre Wut entflammen, ihren Rachedurst wecken würden. Freilich hat er mir das Versprechen nicht gegeben, kein Unkraut mehr unter den Weizen säen zu wollen, aber der Boden ist doch anderseits viel zu dürr hier, daß Saat aufgehen könnte. Und daß er Einfluß auf die armen Frauen hier gewinnen könnte, brauche ich doch wahrlich nicht zu befürchten, denn sie sind ja in viel zu strengem Gehorsam gegen die Kirche als ihre Vasallen erzogen worden. Dagegen hätte Edwards scharfer, wißbegieriger Geist sich leicht an der neuen Lehre entzünden können, aber Edward ist nun fort von hier, und außer ihm bleibt nichts mehr hier gegenwärtig, was von der Flamme erfaßt werden könnte. Es wird mithin Warden einerseits alle Gelegenheit fehlen, seine verderblichen Lehren auszustreuen, anderseits ist sein Leben hier in Sicherheit; und wer weiß, ob nicht vielleicht seine eigne Seele aus dem Netze des Vogelstellers gerettet wird. Ließe sich Warden von seinen Irrtümern bekehren, so zöge die Kirche aus solcher geistigen Wiedergeburt hundertfältigen Vorteil, während ihr der zeitliche Tod des Mannes bloß schaden würde.«

Am Schlusse dieser Betrachtungen angelangt, die in demselben Maße von seiner Herzensgüte wie von der Beschränktheit seiner Anschauungen und auch einem gewissen Grade von Eigendünkel und Selbsttäuschung Zeugnis gaben, erteilte der Unterprior Befehl, den gefangenen Prediger vor ihn zu bringen.

»Heinrich,« sagte er, »alte Freundschaft und christliches Mitleid verbieten mir, das zu erfüllen, was mir das strenge Pflichtgefühl gebeut, und Dich dem sichern Tode zu überliefern. Du warst, wenn auch hart und unbeugsam in Deinen Entschlüssen, doch immer edlen Herzens. Ich verlange von Dir kein andres Versprechen, als daß Du Dein Wort gibst, nicht aus diesem Turme zu entfliehen, und Dich, der Ladung gehorsam, zu stellen.«

»Du hast einen Kunstgriff gefunden,« antwortete der Prediger, »mir die Hände fester zu binden, als es die schwersten Kerkerfesseln vermöchten. Selbstverständlich werde ich nichts tun, was Dich bei Deinen Obern in Mißkredit setzen könnte, und werde um so behutsamer vorgehen, als es mir bei weiteren Unterredungen doch am Ende noch gelingt, Deine Seele wie einen Brand aus dem Feuer zu retten, Dich aus den Klauen des Antichrists zu erlösen.«

Der Unterprior geriet ob dieser Meinung, die seiner eignen so vollständig gleich war, in hellen Zorn, und streitfertig rief er:

»Gott und die heilige Jungfrau seien gelobt, daß mein Glaube an jenem Felsen ankert, auf welchem der heilige Petrus seine Kirche gegründet hat.«

»Das ist eine Textverdrehung,« rief der eifrige Streiter Heinrich Warden, »die sich an ein bloßes Wortspiel klammert, und eine durchaus grundlose Redefigur.«

Es fehlte wenig, so hätte sich der Wortstreit wieder entzündet und vielleicht mit der Abführung Heinrich Wardens in den Klosterkerker geendigt, zum Glück aber warf jetzt Christie von Clinthill die Bemerkung dazwischen, daß es spät zu werden anfange und sie wohl gut täten, aufzubrechen, da sie ja noch durch das ganze Tal zu wandern hätten, das doch ziemlich berüchtigt sei, und das er nach Sonnenuntergang nicht gern noch passieren möchte. Der Unterprior bekämpfte deshalb seine Streitlust, erinnerte Heinrich Warden nochmals daran, daß er sich seiner Dankbarkeit und seines Edelsinns gewärtig halte, und verabschiedete sich von ihm.

»Du darfst Dich versichert halten, alter Freund,« erwiderte Warden, »daß ich mit Vorsatz und Willen nichts tun werde, was Dir nachteilig werden könnte. Sollte aber mein Meister mich zu einem neuen Werk auffordern, dann ist es für mich Gebot, Gott eher zu gehorchen als den Menschen.«

Die beiden Männer, die durch Gaben der Natur und durch einen erworbnen Schatz von Kenntnissen gleich hervorragend waren, hatten der gemeinsamen Berührungspunkte weit mehr, als sie sich zugestehen mochten. Worin sie von einander im Grunde genommen nur abwichen, war die Eigenschaft des einen als Katholik und die Eigenschaft des andern als Protestant. Der Katholik stritt für seinen Glauben, der wenig Raum für Gefühl und Empfindung litt, voll frommer Ergebenheit in die Gerechtigkeit seiner Sache mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen und zeigte sich weltklug, behutsam und listig ... der andre hingegen, den die starke Triebfeder einer im spätern Leben gewonnenen Ueberzeugung leitete, verfocht dieselbe mit dem gerechten Gefühl eines lebendigen Vertrauens, mit Feuer und Begeisterung und, bedingt hierdurch, mit einer gewissen Ueberhast. Wahrend der Katholik also, um sich soldatisch auszudrücken, der Defensive den Vorzug gab, trachtete der Protestant nach der Offensive; der Priester suchte hinzuhalten, der Prediger hingegen zu erringen. Aber sie konnten nicht von einander scheiden, ohne sich noch einmal die Hände zu reichen und mit einem Blicke ins Angesicht zu schauen, aus welchem sowohl Kummer als Liebe und Mitleid deutlich sprachen.

Pater Eustachius machte nun der Witwe Glendinning davon Mitteilung, daß der Prediger auf ein paar Tage bei ihr als Gast zu verweilen hätte, und untersagte ihr und allen Hausbewohnern, unter Androhung schwerer Kirchenbußen, sich mit ihm über Glaubenssachen in irgend welches Gespräch einzulassen, hingegen für seine sonstigen Bedürfnisse gewissenhaft Sorge zu tragen.

Frau Glendinning war über diese Mitteilung tief erschrocken und fand erst nach einer Weile die Fassung zu folgender Antwort:

»Verzeih mirs unsre liebe Frau, ehrwürdiger Vater, aber es ist schon in viele Häuser durch viele Gäste viel Verderben gekommen, und ich fürchte, es wird auch Glendearg nicht frommen, daß es fortwährend einen neuen Gast aufnehmen muß. Zuerst hat sich die Dame von Avenel hergefunden. Nun, ihre Seele möge in Frieden ruhen, aber sie hat einen solchen Schwarm von Geistern und Feen mitgebracht, daß in dem alten Turmgebäude Schrecken und Angst geherrscht haben bis zu ihrem Hinscheiden, und daß es uns allen vorkommt, als hätten wir die ganze Zeit nicht in Wirklichkeit gelebt, sondern nur im Traume. Dann ist der Ritter aus England gekommen, und wenn er auch meinen Halbert nicht gemordet hat, so hat er ihn doch dazu gebracht, daß er dem Vaterhause entwichen und in die weite Welt hinausgelaufen ist. Nun bringen mir Euer Ehrwürden noch gar einen Ketzer ins Haus, der wahrscheinlich den Satan selbst über uns alle bringen wird. Für den Satan ist ja jede Tür und jedes Fenster zu eng, und so wird er wohl ein ganzes Stück von unserm alten Turme mitnehmen. ... Indessen, ehrwürdiger Vater, an mir ist es, Euch und dem Kloster zu Diensten zu sein, und ich will es auch nicht fehlen lassen, diese Pflicht gewissenhaft zu erfüllen.«

»Laßt nur gut sein, Frau,« erwiderte hierauf der Priester, »was Ihr an Eurem Hause Schaden gelitten habt, dafür soll Euch das Kloster schadlos halten. Ich werde den Schatzmeister anweisen, Euch auszuzahlen, was Ihr zu fordern habt. Und wegen der Unruhe, die wir Euch bereitet haben, und wegen der Ausgaben, die Euch jetzt wieder entstehen, soll Euch ein Nachlaß am Lehnszins gewährt werden. Außerdem will ich nach dem Verbleib Eures Sohnes die sorgfältigsten Ermittelungen anstellen lassen.«

Die Witwe verneigte sich tief vor dem geistlichen Herrn und bat ihn noch, doch ja ihrem Gevatter, dem Müller Happer, sagen zu wollen, daß in betreff seiner Tochter und des Schicksals, das über sie hereingebrochen sei, sie selbst nicht die geringste Schuld träfe.

»Da erinnert Ihr mich noch an eine andre Angelegenheit, gute Frau,« nahm Pater Eustachius wieder das Wort, »die nicht verabsäumt werden darf, so viel ihrer mich zurzeit auch bedrängen. Dieser Ritter aus England muß aufgesucht und von diesem seltsamen Ereignis in Kenntnis gesetzt werden. Ebenso muß Sorge dafür getragen werden, daß dieses leichtsinnige Mädchen den Weg ins Vaterhaus zurück finde. Denn litte sie durch dieses Mißverständnis an ihrem Rufe, so könnte ich mich von Schuld an solchem Unglimpf nicht frei halten. Indessen weiß ich im geringsten nicht, wie sie wohl wieder aufzufinden sein könnten.«

»Mit Verlaub,« sagte da Christie, »diese Sorge will ich auf mich nehmen. Wenn Ihr mir auch niemals sonderlich freundlich gesinnt gewesen seid, so darf ich doch nimmer vergessen, daß ich ohne Eure Dazwischenkunft schwerlich noch unter den Lebenden weilte. Und wenn anderseits jemand im stande ist, ihre Spur ausfindig zu machen, so bin ich dieser Jemand. Das behaupte ich vor jedermann im ganzen Grenzgebiet. Zuvor aber habe ich noch etwas mit Euch abzutun von seiten meines Herrn, sofern Ihr mir erlauben wollt, mit Euch das Tal hinunter zu reiten.«

»Ich dachte, mein Lieber,« erwiderte der Mönch, »Du müßtest Dir allein sagen, daß ich keine rechte Ursache habe, einem Kameraden wie Dir in solch einsamer Gegend mit Vertrauen entgegenzukommen.«

»Ehrwürdiger Herr,« antwortete der Reiter, »wollt ich solchen Versuch noch einmal riskieren, so ginge es mir selbst doch am schlimmsten dabei. Habe ich Euch denn im übrigen nicht schon oft genug gesagt, daß ich Euch mein Leben zu verdanken habe? Solchen Dienst bleibt aber Christie von Clinthill niemand schuldig, früher oder später kommt so was zum Ausgleich. Zudem hab ichs verschworen, jemals durch das einsame Tal wieder allein zu ziehen, auch nicht mit meinen Reisigen, denn sie sind doch alle Belialskinder wie ich. Was anders ist es, wenn Euer Ehrwürden mit Psalter und Rosenkranz dabei sind, dann könnt Ihr alle bösen Geister in die Lüfte verjagen, während ich mit meinem Speere alle irdischen Widersacher über Stock und Stein jage.«

Edward trat herein mit der Meldung, daß die Pferde gesattelt seien. Dabei fiel sein Auge auf seine Mutter, und sein Entschluß geriet ins Wanken, als ihm einfiel, daß er nun Abschied nehmen müsse. Der geistliche Herr, seine Verwirrung wahrnehmend, kam ihm zu Hilfe.

»Liebe Frau,« sagte er, »ich hatte vergessen, Euch davon zu unterrichten, daß Euer Sohn Edward sich mit mir in das Kloster hinüber begibt und vor ein paar Tagen nicht heimkehren wird.«

»Ihr wollt gewiß bei der Suche nach dem Bruder helfen. Gott und die Heiligen mögen Euch dafür belohnen!«

Der geistliche Herr nahm den Segen, der ihm diesmal recht unverdienterweise in den Schoß fiel, mit auf den Weg und trat mit Edward die Reise an. Dicht auf dem Fuße folgte ihm Clinthill mit seinen Reisigen, so daß man deutlich merkte, wie viel ihm daran gelegen, war, auf seinem Ritte durch das Tal geistliches Geleit wahrzunehmen.

»Euer Ehrwürden,« redete er den Prior an, sobald er in seine Nähe gelangt war, »ich war der Meinung gewesen, Euch mit dem alten Evangelischen ein passables Präsent gemacht zu haben. Da Ihr ihm aber so geringe Rücksicht schenkt, scheint Euch wenig daran gelegen zu sein.«

»So dürft Ihr die Sache doch eben nicht nehmen,« antwortete der Mönch. »Das Kloster wird Eurem Herrn diesen Dienst hoch anrechnen und auch gut vergelten. Aber der alte Mann ist vormals ein guter Freund von mir gewesen, und ich rechne darauf, ihn vom Wege des Verderbens abzubringen.«

»So ist mirs freilich vorgekommen, als ich sah, wie sich die beiden Herren begrüßten. Aber das ist meinem Herrn ganz gleich. Heilige Jungfrau,« rief er plötzlich, »was ist denn das dort?«

»Ein Weidenzweig, der zwischen uns und dem Himmel über dem Wege hängt,« antwortete der Mönch.

»Gott helf uns!« erwiderte der Reiter, »es sah doch ganz so aus, wie eine Menschenhand mit einem Schwert. ... Aber, um wieder auf meinen Herrn zu kommen, der hat sich als vernünftiger Mann in unfrei schwierigen Zeit so lange in der Schwebe gehalten, bis er genau zu unterscheiden vermochte, wo sich für ihn die größte Sicherheit bietet. Die Lords von der Kongregation hatten ihm ja ganz verlockende Anträge gestellt, und um es Euch rund heraus zu sagen, er hat sich auch eine Zeitlang mit dem Gedanken getragen, mit diesen Herren, die bei Euch ja Ketzer heißen, zu paktieren, hat er doch recht gut gewußt, daß Lord James an der Spitze eines ansehnlichen Reiterhaufens die Straße hier entlang ziehen werde. Anderseits hat aber auch Lord James so bestimmt auf ihn gerechnet, daß er diesen Warden, oder wie er sonst heißt, voraus schickte, mit dem Ansinnen, ihn als Freund in Schutz zu nehmen. Unterwegs aber ist der Lord ...«

»Bewahr uns die heilige Jungfrau!« rief der Mönch.

»Amen!« ergänzte der Reiter. »Haben Euer Ehrwürden was gesehen?« setzte er ängstlich hinzu.

»Nicht das mindeste,« sagte der Mönch; »Deine Erzählung hat mir den Ausruf abgenötigt.«

»Na, da mögt Ihr wohl auch im Recht sein, wenn Ihr Euch sorgt,« meinte der Reiter, »denn wenn Lord James den Weg hierher nehmen wollte, dann ginge Euer Kloster wohl in Feuer und Flammen auf. Aber seid gutes Mutes! denn wie auf dem Schlosse Avenel verlautete, ist der Lord wohl auf dem Marsche, aber in westlicher Richtung, nicht hierher, weil die Aufforderung an ihn gelangt ist, dem Lord Semple gegen Cassilis und die Kennedys zu Hilfe zu marschieren.«

»Darum also ist dem Prediger Warden eine so frostige Aufnahme auf dem Schlosse bereitet worden?« fragte der Mönch.

»Der Grund ist wohl ein andrer gewesen,« sagte der Reiter, »denn mein Herr konnte sich lange nicht darüber schlüssig werden, wie er sich am besten verhielte, und hätte sich ganz gewiß nicht darauf eingelassen, so mit einem Manne zu verfahren, der ihm vom Lord James zugeschickt wurde, wenn nicht irgend ein rühriger Teufel dem Manne zugesetzt hätte, sich mit einer Sache zu befassen, die ihn gar nichts anging, mit dem Verhältnis nämlich, in welchem mein Herr sich zu der Dame Katharina von Newport befindet. Die beiden leben nämlich zusammen, sind aber nicht verheiratet, wohl aber, nach schottischem Hochlandsbrauch, auf ein Jahr zusammen versprochen. Dagegen fing der Prediger an zu eifern, und mein Herr ist darüber in Wut geraten, und darüber ists auf einmal zwischen meinem Herrn und Lord James zu bösem Verdruß gekommen, denn Lord James hat noch nie jemand eine Beleidigung oder Kränkung verziehen. Seitdem steht aber mein Herr Euch mit allem, was sein ist, zu Gebote. Es bleibt ihm ja auch kaum was andres übrig, muß er doch damit rechnen, daß Lord James nicht früher mit der Fehde aufhört, als bis er mit meinem Ritter vollständig fertig ist, das heißt, bis er denselben vom Erdboden getilgt hat und mit ihm das ganze Geschlecht Avenel, denn wenn man das arme Mädel nicht mitrechnet, das hinten in Glendearg hockt, ist doch Ritter Julian der letzte Avenel. Hiermit habe ich Euch wohl mehr mitgeteilt, als meinem Ritter selbst recht sein dürfte; Ihr habt mir aber noch einmal großmütig durchgeholfen, und es könnte sich wohl treffen, daß ich nochmals auf Euren Beistand zu rechnen habe.«

»Es soll Euch nicht zum Nachteil sein, daß Ihr uns so aufrichtig Bescheid erteilt habt,« versetzte der Mönch, »denn in solch unsichern Zeiten muß der Kirche natürlich viel daran liegen, zu erfahren, was ihre Nachbarn im Schilde führen, und durch welche Triebfeder sie in Bewegung gesetzt werden. Aber was erwartet Euer Herr als Entgelt für seine Dienste? Ich halte ihn nämlich für einen von jenem Schlage, auf die das alte Wort: Kein Geld, kein Schweizer, zutrifft.«

»Nun, das kann ich Euch ganz genau sagen,« antwortete Christie von Clinthill, »Lord James hatte ihm für seine Parteigängerschaft einen schmucken Landstrich zugesagt, der an seine Herrschaft Avenel stößt, und dazu den mitten in seinem Gebiete gelegenen Distrikt Cranberry-Moor. Weniger dürfte er also von Euch auch nicht erwarten.«

»Aber was sollte dann mit dem alten Gilbert von Cranberry-Moor werden?« fragte der geistliche Herr.

»Ich sollte doch meinen, das Kloster besäße Land genug, um Gilbert, der doch nur knapp über ein paar lahme, gebrechliche Bauern verfügt, anderswo hinzusetzen, wenn auch Cranberry-Moor sein alter Erbsitz sein mag. Aber gegen meinen Herrn, der über fünfzig Berittne kommandiert, die alle schneidig einexerziert sind, kann doch der alte Krippensetzer nicht aufkommen! Zum wenigsten wird Euch wohl der Entschluß zwischen beiden nicht schwer fallen.«

»Wir wollen überlegen, wie sich die Dinge einrichten lassen,« erwiderte der geistliche Herr, »und wie sich der tätige Beistand Eures Herrn für das Kloster gewinnen läßt.«

Sie langten jetzt an die Stelle, wo dem Sakristan das garstige Begegnis mit dem Geiste passiert war. Es war eine schöne Nacht, und sie setzten ohne Abenteuer und Fährlichkeit über. Aber kaum standen sie an der Pforte des Klosters, als ihnen der Pförtner entgegeneilte und an den Prior die Worte richtete:

»Ach, ehrwürdiger Vater, der Lord-Abt vergeht vor Ungeduld, Euch zu sprechen.«

»Führe diese fremden Männer hier in die große Halle und trage Sorge, daß sie ordentlich beköstigt und untergebracht werden. Doch erinnere sie daran, daß sie sich bescheiden und sittsam verhalten, wie es sich für Gäste einer frommen Stätte schickt.«

»Ehrwürdiger Bruder,« sagte Pater Philipp wieder, »Ihr müßt so freundlich sein, Euch sogleich zu dem Lord-Abt zu begeben, denn so trostlos und kleinmütig habe ich ihn seit der Schlacht bei Pinkie-Cleugh nicht mehr gesehen.«

»Ich komme, lieber Bruder, ich komme,« erwiderte Pater Eustachius. »Nur um eins noch bitte ich Dich: diesen Jüngling hier, Edward Glendening aus Glendearg, geleite in die Novizenzelle und überweise ihn dem Bruder Lehrmeister, Gott hat sein Herz gerührt, und er will ein Glied unsers heiligen Ordens werden. Da er gute Fähigkeiten mit Fleiß und Demut verbindet, so denke ich, daß er unserm Kloster dereinst zur Zierde gereichen wird.«

Ein andrer Klosterbruder kam herbeigestürzt, der Pater Nikolaus. »Mein allerwürdigster Bruder,« rief er, »begib Dich doch bitte, auf der Stelle, zum Lord-Abt! In solcher tiefen Sorge habe ich ihn noch nie gesehen. Seine Bestürzung ruft mir den Tag ins Gedächtnis, als Pater Ingilram die Unglücksbotschaft von Flodden-Field erhielt.«

»Ich komme, ich komme, ehrwürdiger Bruder,« versetzte Pater Eustachius und begab sich nun allen Ernstes zu seinem Obern.

Vierzehntes Kapitel

»Meine Brüder,« sprach der Abt, als sein Ratgeber, der Unterprior, mit dem Bruder Sakristan und dem alten Pater Nikolaus in sein Zimmer getreten war, wo er, neben sich die von kostbaren Steinen schimmernde altertümliche Mitra, den Rosenkranz und den prächtig verzierten Krummstab, in einem gewaltigen Armsessel saß, über dessen Lehne seine Hände unruhig hin und her fuhren ... »meine Brüder, ich darf doch wohl annehmen, daß Ihr mir gegenüber gelten lassen werdet, daß ich dem mir zugewiesenen Amte allezeit mit Eifer und Ehren vorgestanden habe. Auch habt Ihr immer Eure Nahrung hier gehabt, und ich habe die Einkünfte des Klosters niemals zu eitlen Genüssen verschwendet, habe niemals die eignen Verwandten oder fremdes Weibsvolk auf Kosten des Klosterschatzes unterhalten oder gar bereichert ...«

»Darüber ist niemals eine Beschwerde verlautbart,« antwortete, dem Obern in die Rede fallend, der Prior, »aber dürfen wir fragen, hochwürdiger Herr, welche neue Sorge Euch bedrückt? auf welche neue Sorge Eure Worte hinzudeuten scheinen?«

»Ihr wählt das richtige Wort, Pater,« erwiderte der Abt, »jawohl, eine neue Sorge! die Sorge um die Engländer, die unter Führung des Sir John Foster von Hexham im Anmarsch gegen das Kloster sind, und die Sorge, wie wir dem Lord James Stuart entrinnen sollen, der mit seinen Söldnerscharen von der andern Seite, Zerstörung und Verderben drohend, heranrückt.«

»Ich dachte, dieser Anschlag sei durch die Fehde zwischen Lord Semple und den Kennedys vereitelt worden?« fragte der Unterprior.

»Es ist gegangen, wie es immer geht,« versetzte der Abt, »die beiden strittigen Parteien haben sich auf Kosten des Klosters geeinigt. Der Earl von Cassilis soll die Landstriche bekommen, die eigentlich dem Hause Corseregal gehören, und demzufolge hat er sich dem Stuart angeschlossen, der sich jetzt Murray nennt. Hier sind die Briefe.«

Der Prior, nahm die durch einen Eilboten vom Fürst-Primas übersandten Schreiben und trat zur Lampe, um sie mit aufmerksamer Miene zu lesen. Der Sakristan und Pater Nikolaus sahen einander an mit solch jämmerlichen Mienen, wie ein Paar Hähne, wenn über ihrem Hofe der Habicht schwebt. Das Auge des Abtes, das unter der Last schwerer Sorge gebeugt saß, ruhte voll Bangigkeit auf dem Unterprior, wie wenn er aus dem Ausdruck seiner Mienen Trost zu schöpfen suchte; als er aber sah, daß sein Berater noch immer in Nachdenken versunken stehen blieb, fragte er in ängstlichem Tone:

»Was beginnen wir nun?«

»Was uns die Pflicht vorschreibt,« antwortete der Unterprior, »das übrige steht in Gottes Hand.«

»Unsre Pflicht!« wiederholte der Abt; »nun freilich, unsre Pflicht müssen wir tun, aber worin besteht sie? wozu soll sie uns frommen? ... wirds uns gelingen, die Feinde mit Glockengeläut, mit Büchern und Kerzen zu verjagen? Oder wird Murray sich um Chorgesänge und Psalmen was scheren?

oder kann ich für das heilige Stift fechten wie Judas Makkabäus gegen den ungläubigen Nikanor? oder kann ich den Sakristan aussenden gegen diesen neuen Holofernes, daß er mir sein Haupt im Korbe herbringe?«

»Wohl habt Ihr recht, Mylord-Abt,« erwiderte der Unterprior, »wir können nicht fechten mit weltlichen Waffen, denn das widerspräche unsrer Tracht ebenso wohl wie unserm Gelübde; allein wir können für unser Kloster und für unsern Orden in den Tod gehen.«

Der Bruder Sakristan und Pater Nikolaus sahen einander mit einem Ausdruck in ihren Mienen an, der von Entsetzen nicht mehr weit war.

»Indessen bleibt uns,« fuhr der Unterprior fort, »noch ein Mittel, nämlich, wir können diejenigen unter die Waffen rufen, die fechten können und fechten wollen. Die Engländer sind nur gering an Zahl und scheinen auf Murrays Beistand zu warten, dessen Marsch aber unterbrochen worden ist. Wagt es nun Foster mit seinen Banditen aus Cumberland und Hexamshire in Schottland einzudringen, in der Absicht, unser Stift zu plündern, so müssen wir unsre Vasallen aufbieten, und daß wir es an Stärke mit ihnen aufnehmen können, erscheint mir nicht zweifelhaft.«

»Im Namen unsrer heiligen Jungfrau,« erwiderte der Abt, »meint Ihr, ich sei ein Petrus, um mich als Heerführer an die Spitze einer Armee zu stellen?«

»Es gibt doch kriegsgewohnte Männer,« sagte der Unterprior, »zum Beispiel Julian Avenel ...«

»Ein schlechter Mensch, ein Lüdrian, ein echter Belialssohn!« erwiderte der Abt.

»Und doch müssen wir uns seiner zu solchem Amte bedienen, wozu er erzogen worden ist,« antwortete der Mönch, »zumal wir es ihm ja gut bezahlen können. Ich weiß schon, wie es sich mit seiner Abfindung dafür wird machen lassen. Es scheint wohl sicher, daß die Engländer in der Meinung heranrücken, sich des Ritters Piercie Shafton bemächtigen zu können, der sich zu uns geflüchtet hatte. Zum wenigsten werden sie diesen Vorwand benützen, um unser Kloster zu überfallen.«

»Ich habe niemals gewähnt, daß er uns mit seinem Firlefanz von Atlasgewändern und Helmschmuck und Federn sonderlich Gutes bringen, würde,« bemerkte der Abt.

»Und doch müssen wir, sofern es irgend angeht, uns auch seiner Hilfe versichern!« sagte der Unterprior. »Mag er doch den großen Piercie, mit dessen Huld und Freundschaft er sich brüstet, bestimmen, daß er zu unsrer Hilfe heranziehe! Dieser gute und getreue Lord könnte einen Foster schon bezwingen und all seine Absichten vereiteln. Ich gedenke, diesen Reitersmann noch heute zu ihm zu schicken.«

»Wohl möglich, daß Foster auf Murray wartet,« erklärte der Abt, »zumal dessen Zug gegen uns ja nur auf kurze Zeit verzögert weiden dürfte.«

»Das glaube ich nicht,« entgegnete der Unterprior, »denn dieser Foster ist ein zu verzweifelter Ketzer, der zu erpicht ist auf die Zerstörung unsrer Kirche. Als geborner Grenzer trachtet er nach den Schätzen der Kirche, und ein Einfall in Schottland wird ihm ein Gaudium sein! Außerdem hat er noch Beweggründe genug, sich sogleich über uns herzumachen, denn wartet er, bis ihm Murray beisteht, so geht ihm die Aussicht auf die Hälfte der Beute verloren; macht er die Sache allein ab, so fällt ihm alles zu. Ferner kann Julian Avenel den Foster nicht besehen, wie ich gehört habe. Sobald die sich sehen, geht die Hauerei los. Bruder Sakristan, holt doch unsern Vogt herbei! er soll das Verzeichnis der streitbaren Männer mitbringen, die dem Kloster zur persönlichen Hilfeleistung verpflichtet sind. Schickt auch zu dem Baron von Meigallot und laßt ihm sagen, daß sich das Kloster mit ihm wegen des Brückenzolls verständigen werde, falls er uns diesmal mit seinem Trupp helfen wolle. Endlich, Mylord, wollen wir uns an die Abschätzung unsrer Mannschaften und derjenigen des Feindes machen, damit nicht etwa umsonst Menschenblut vergossen werde. Wir wollen also einmal berechnen.«

»Mir ist von dem allen so dumm,« rief der Abt, »als ging mir ein Mühlrad im Kopfe herum!. Aber mein Entschluß steht fest, steht schon lange fest,« und bei diesen Worten stand er auf und trat mit all der Würde, die ihm seine stattliche Person vergönnte, einen Schritt vor, um dann fortzufahren: »Vernehmt zum letzten Male die Stimme Eures Abtes Bonifacius! Ich habe für Euch gearbeitet, so weit meine Kräfte es mir erlaubten. In ruhigeren Zeiten wäre mir manches wohl besser gelungen. Habe ich mich doch nur ins Kloster geflüchtet, um der Ruhe pflegen zu können, und das Kloster mußte gerade mir zu einer Stätte der Unruhe werden! Zudem wird es von Tag zu Tag in dieser Hinsicht schlimmer, und je höher ich im Alter herausrücke, desto geringer wird meine Fähigkeit, mich mit all dieser Plackerei zu befassen. Darum gebührt mir ein solcher Platz nicht mehr, denn ich kann die Pflichten, die er auferlegt, nicht mehr erfüllen. So habe ich mich denn entschlossen, mein Amt in die Hände des Paters Eustachius, unsers geliebten Priors, dem es nach der Rangordnung zunächst anheimfällt, niederzulegen. Ich freue mich, daß er noch nicht anderswo eine seinen Verdiensten angemessene Stellung zuerteilt bekommen hat, denn ich hoffe, daß er die Mitra und den Stab aus meinen Händen entgegennehmen werde.«

»Mylord-Abt,« nahm hierauf der Unterprior das Wort, »wenn ich von den Tugenden, die Euch bei Führung dieses hohen Amtes geziert haben, schwieg, so dürft Ihr nicht meinen, daß ich dieselben nicht zu würdigen wüßte. Gleich allen, die Euch kennen, bin ich mir des Umstandes wohl bewußt, daß kaum jemals ein Mitglied unsers Ordens zu diesem hohen Amt einen lauterern Willen besessen hat, allen Menschen wie allen Verhältnissen gerecht zu werden, und wenn auch Eure Amtszeit nicht ausgezeichnet war durch kühne Unternehmungen, wie diejenige manches Eurer Vorgänger, so sind hinwiederum Eurem Charakter die Fehler fremd gewesen, die den Charakter solcher Vorgänger verdunkelt haben.«

Der Abt richtete seine Blicke mit Verwunderung auf den Prior und sprach:

Daß auch Ihr, ehrwürdiger Vater, mir so viel Gerechtigkeit zu teil werden ließet, dessen bin ich mir nicht gewärtig gewesen.«

»Ich habe in Eurer Abwesenheit,« sagte der Prior, »diese Meinung noch kräftiger vertreten als in Eurer Gegenwart, und ich möchte nicht unterlassen, hochwürdiger Herr, Euch zu bitten, daß Ihr die gute Meinung, die allgemein über Euch herrscht, nicht dadurch beeinträchtigen möchtet, daß Ihr zu einer Zeit, da Eure Fürsorge gerade am notwendigsten ist, den Verzicht auf Euer Amt erklärt.«

»Aber, geliebter Bruder in Christo, ich trete doch mein Amt einem weit besser dafür geeigneten Mitgliede unsers heiligen Ordens ab!« sagte der Lord-Abt. »Zu einer Zeit, wie der jetzigen, bedarf unser Kloster einer kräftigeren Hand. Drum bestimme ich, daß Ihr noch heut abend Euer Amt als Abt antretet und alle notwendigen Anstalten trefft, damit morgen das Kapitel zusammentrete und Eure Wahl vollziehe! Und nun, geliebte Brüder, benedicite! Friede sei mit Euch! Ich bete mit Euch! Ich wünsche dem Anwärter der Abtswürde, daß er so sanft schlafen möge, wie der, welcher die Mitra niederzulegen im Begriffe steht.«

Fünfzehntes Kapitel

Der neu erwählte Abt traf alsbald die Vorkehrungen, die durch den Drang der Umstände geboten waren, und wer in seine Nähe kam, der konnte sehen, daß seine Falkenaugen seltsam blitzten und auf seine hagern, bleichen Wangen eine lebhafte Röte stieg. Kurz und bestimmt schrieb er an verschiedne Barone, um sie von dem bevorstehenden Einfall der Englischen zu unterrichten und um ihre Hilfe in solchem Notfalle anzugehen. Solchen, denen er nicht zutraute, daß sie sich um der bloßen Ehre halber verpflichten würden, bot er mancherlei Vorteile; bei allen aber appellierte er an die Vaterlandsliebe und an den eingeimpften Haß gegen alles Englische. Zu früherer Zeit wäre solcher Appell wohl kaum notwendig gewesen, aber die Unterstützung, die der reformierten Partei Schottlands durch die Königin Elisabeth von England zu teil geworden war, hatte sich von so bedeutenden Folgen erwiesen, daß sich nicht ohne Grund vermuten ließ, ein großer Teil der Edelleute würde sich diesmal neutral verhalten, wenn nicht gar eine Verbindung mit den Englischen gegen die Katholischen eingehen.

Als Abt Eustachius erwog, auf wieviel Klostervasallen er zu rechnen habe, erfüllte es ihn mit Betrübnis, daß er dieselben unter das Banner eines so wüsten und hochmütigen Mannes wie Julian Avenel stellen solle ... »Schade,« dachte er bei sich, »daß der junge, schwärmerische Glendinning nicht aufzufinden ist, ihm vertraute ich die Führung lieber an, trotz seiner Jugend, und möchte mich des himmlischen Segens für gewisser halten. Unser Vogt ist leider schon zu alt und zu schwächlich. Es wird sich also wohl kein andrer finden, der für das Amt eines Truppenführers sich eignete, als dieser Julian Avenel.«

Er klingelte und gebot dem eintretenden Bruder, Christie von Clinthill zu ihm zu führen.

»Du verdankst mir bis zu einem gewissen Grade Dein Leben,« redete der Abt den eintretenden Reiter an, »und wenn Du offen und ehrlich auf die Fragen, die ich Dir stellen werde, antwortest, so kann ich Dir eine Gefälligkeit andrer Natur erweisen.«

Christie hatte bereits ein paar Becher Wein geleert, und bei andrer Gelegenheit hatte er Wohl seiner Frechheit unbedenklich die Zügel schießen lassen. Hier aber erklärte er, daß er bemüht sein wolle, auf alle Fragen aufrichtige Antwort zu erteilen.

»Steht der Baron von Avenel zu Sir John Foster, dem Grenzwächter der westlichen Marken, in freundschaftlichem Verhältnis?« fragte der Abt Eustachius.

»Etwa wie Wildkatze und Dachshund,« erwiderte der Reiter.

»Er würde also mit ihm sofort aneinander geraten, wenn sie sich träfen?«

»Ganz gewiß.«

»Und würde er in einer Kirchenfehde mit Foster Händel anfangen?«

»Wenns bloß Fehde ist,« antwortete Christie; »welcher Art, danach früge er ganz gewiß nicht.«

»So wollen wir an ihn schreiben und ihm kund tun, daß er im Fall eines Einbruchs Fosters in unser Gebiet seine Mannen mit den unsrigen vereinigen und den Befehl über das vereinigte Korps übernehmen solle. Für diese Dienstleistung wollen wir ihm eine hohe Belohnung sichern, deren Bestimmung in seine Hände gelegt werden soll. Aber nun noch, ein weitres Wort! Du meintest den Aufenthalt des englischen Ritters Piercie auskundschaften zu können?"

»Allerdings. Ich schaffe ihn Euch, ob im Guten oder im Bösen, ganz wie es Euer Ehrwürden als das Bessere dünkt.«

»Gewalt soll ihm nicht angetan werden,« erwiderte der Abt. »Wie lange Zeit meinst Du dazu zu brauchen?«

»Etwa dreißig Stunden, falls er nicht schon Lothian hinter sich haben sollte,« erwiderte Christie. »Wenn Ihrs befehlt, dann setze ich mich sogleich auf und spüre ihn aus, wie der Hund den Landstreicher.«

»Bring ihn zur Stelle, und Du sollst rasche und gute Belohnung bekommen,« sagte der Abt.

»In dieser Hinsicht verlasse ich mich ganz auf Euer Ehrwürden. Wir Leute mit Schwert und Spieß ziehen ziemlich sorglos durch das Leben. Aber leben muß halt jeder, und das geht manchmal nicht grade.«

»Mach Dich also auf den Weg! Ich werde Dir einen Brief an den Ritter mitgeben.«

Christie war fast ziemlich an der Tür, als er umdrehte und wie jemand, der, wenn er dürfte, gern einen derben Spaß machte, die Frage stockend stellte, was er denn mit Müllers Mysie anfangen solle, wenn er die beiden zusammen träfe?

»Soll ich sie etwa auch mit herbringen, Euer Ehrwürden?« schloß er.

»Hierher, Du loser Wicht?« herrschte ihn der Abt an; »weißt Du nicht, an wen Du das Wort richtest?«

»Na, böse wars ja nicht gemeint,« entgegnete Christie; »aber wenn Ihr sie nicht hier haben mögt, könnt man sie ja nach Schloß Avenel bringen, wo man eine schmucke Dirne immer ganz gern einziehen sieht.«

»Unterlaß Deine Späße!« sprach der Abt. »Nach ihres Vaters Hause bring das übelberatne Mädchen, und sieh zu, daß es in aller Sicherheit und in Ehren für sie geschieht.«

»Gegen die Sicherheit soll sich nichts sagen lassen,« erwiderte Christie; »was aber die Ehre anbetrifft, so läßt sich da nur sagen, daß ihr die bleiben soll, die sie noch hat. Und nun, Euer Ehrwürden, lebt wohl! ich muß zu Pferde sein, ehe der Hahn kräht.«

»Was? Im Finstern willst Du weg? Wirst Du den Weg auch finden?«

»Ich habe die Spuren von des Ritters Gaul bei der Furt gesehen, als wir vorbeiritten,« sagte Christie von Clinthill, »auch bemerkt, daß sie nach Norden ging. Also ist der Herr unterwegs nach Edinburg, dafür möcht ich die Hand ins Feuer legen. Und noch ehe der Tag anbricht, will ich dorthin auf dem Wege sein.«

Mit diesen Worten verließ er das Gemach.

»Schlimmer Anlaß, der es notwendig macht, sich solcher Werkzeuge zu bedienen,« sagte Abt Eustachius, indem er ihm nachsah. »Allein, da uns von allen Seiten und von allerhand Menschen der Angriff droht, welcher Ausweg bleibt uns dann offen? Aber ich muß nun zu dem allernotwendigsten schreiten, was mir noch zu tun bleibt.«

Er setzte sich an seinen Tisch und schrieb noch weitere Briefe, erließ Befehle und nahm die ganze Sorge auf sich für eine Anstalt, die dem Einsturz drohte, aber er verrichtete alles mit dem tapfern Geiste eines Festungskommandeurs, der sich auf die letzten Mittel, den Sturm hintanzuhalten, angewiesen sieht, dieweil sein Vorgänger Bonifacius, aller Sorgen und Beschwerden ledig, nach ein paar Stoßseufzern entschlummerte und den Schlaf des Gerechten schlief.

Sechzehntes Kapitel

Wir hatten Halbert Glendinning auf der Hochstraße nach Edinburg verlassen. Sein Zusammentreffen mit Heinrich Warden war so flüchtig gewesen, daß er nicht einmal von ihm hatte hören können, wie der Edelmann hieß, an den er empfohlen worden war. Er hatte nur so viel verstanden, daß er einem Ritter begegnen werde, der mit einem Trupp nach Süden zu unterwegs sei. Bei Tagesgrauen befand sich Halbert noch immer in dieser Ungewißheit. Hätte er eine bessre Schulkenntnis besessen, so hätte er sich durch die Aufschrift, die der Brief trug, belehren können, aber er hatte in dem Unterricht beim Pater Eustachius nicht so viel profitiert, daß er die Buchstaben hätte entziffern können. Indessen sagte ihm die angeborne Klugheit, daß es nicht gut sei, bei der Unsicherheit, die zurzeit überall im Lande herrsche, sich bei Leuten, die ihm unterwegs begegneten, zu erkundigen; als ihn aber nach langem Marsche unfern von einem Dorfe die Nacht überfiel, wurde er doch allgemach unsicher und ängstlich über den Ausgang seines Vorhabens. In einem armen Lande, wo Gastfreundschaft willig gewährt wird, fällt es nicht eben auf und erniedrigt auch nicht, wenn jemand um ein Nachtquartier bittet. Bei einer greisen Bäuerin fand er ein solches und brach am andern Morgen beizeiten auf. Sein Pfad führte durch Sumpf und Moor, bergauf, bergab, und endlich kam er an eine Höhe, die eine weite Aussicht über einen Strich wilden, wüsten Landes bot, das mit Schieferhügeln und seichten Lachen bedeckt war. Durch diese Oedenei zog sich schlangenartig ein kaum sichtbarer Weg. Unschlüssig, ob er gradeaus oder seitab gehen solle, machte Halbert hier Halt; aber er hatte noch nicht lange auf einem Baumstumpf gesessen, als er in nicht zu großer Ferne eine Staubwolke sah, die sich auf ihn zu bewegte, und bald erkannte er, daß sie aus etwa einem Dutzend Reiter sich zusammensetzte. Sie ritten in sehr schnellem Tempo, und ihre Helme und Lanzenspitzen blitzten im Sonnenschein.

Der vorderste des Zuges ritt auf der Stelle auf Halbert zu und stellte ihm die Frage, wer er sei? Halbert übergab dem Reiter seinen Brief, und alsbald erscholl von dem hinter dem Vortrab einhersprengenden Haupttrupp der Ruf: Halt! Dann kam der Befehl, daß hier eine Stunde gerastet werden solle. Gleich darauf wurde der junge Erbe von Glendearg auf eine Stelle geführt, die höher lag als der eigentliche Moorgrund. Hier war ein Teppich auf den Boden gebreitet worden. Die Führer der Reiterschar ließen sich rings um den Teppich nieder, um ihr Frühmahl zu halten, das aber kaum viel anders und besser sein mochte, als das, welches Halbert noch eben bei der greisen Bäuerin bekommen hatte.

Als Halbert herbeigeführt wurde, erhob sich ein Mann von schöner Gestalt, mit gebietender Haltung, aus dessen ganzem Wesen selbst Halbert trotz seiner Jugend auf der Stelle inne wurde, daß er dem eigentlichen Befehlshaber der Schar sich gegenüber befand. Er trug ein Büffelwams, das mit seidnen Schnüren besetzt war, an Stelle einer Rüstung, und um den Hals eine Kette von gediegnem Golde und ein Medaillon. Das schwarze Samtbarett, das auf seinem Haupte saß, war mit einer Schnur großer, schöner Perlen und mit einem Federstutz verziert, und um die Hüften gegürtet hing ihm ein Schwert an der Seite, das eine auffallende Länge zeigte und wuchtig niederhing. Goldne Sporen an den hohen Reiterstiefeln vervollständigten seine Rüstung.

Er winkte Halbert Glendinning, näher zu treten.

»Dieses Schreiben,« hub er an, »ist von dem wackern Gottesstreiter Heinrich Warden, junger Mann? nicht wahr?«

Halbert antwortete mit einem bestimmten Ja auf die Frage.

»Dem Anschein nach schrieb er an Uns im Zustande von Sorge und Bedrängnis und weist Uns betreffs näherer Auskunft an Euch. Laßt Uns also wissen, Jüngling, wie es mit ihm steht.«

Halbert erzählte nun nicht ohne Verwirrung, wie es sich gefügt hatte, daß Warden in Haft von dem Baron Avenel genommen worden war. Als er auf den Streit zwischen den beiden Männern über das Leben des Barons in wilder Ehe zu sprechen kam, machte ihn die ernste Miene des Grafen Murray so bestürzt, daß er in der Meinung, doch vielleicht etwas Unschickliches gesagt zu haben, fast gestockt hätte.

»Was fehlt denn dem Esel?« rief ein andrer Ritter, der neben dem stand, der mit Halbert sprach, und zog die dunkelroten Brauen finster zusammen, während sich auf der Stirn tiefe Falten zu graben anfingen. »Hast Du nicht gelernt, die Wahrheit zu sagen, ohne zu stocken?«

»Mit Verlaub,« erwiderte hierauf mit fester Stimme der Jüngling, »ich habe noch nie mit solchem Herrn gesprochen.«

»Wie mir scheint,« nahm hierauf der erste der Herren das Wort, – der kein andrer war als Lord Murray – indem er sich zu dem neben ihm stehenden Ritter wendete, »ist der Jüngling bescheidnen Sinnes, aber doch ein Mensch, der sich in einer guten Sache weder vor Freund noch Feind fürchtet. Sprich weiter, mein Sohn, freimütig und ehrlich.«

Nun berichtete Halbert weiter von dem Streit zwischen dem Baron Avenel und dem Prediger. Der Ritter hörte ihm zu, indem er sich auf die Lippen biß, und sich anscheinend zur Gleichgültigkeit zwang.

»Warden,« sagte er dann, nicht abgeneigt, sich auf die Seite des Barons Avenel zu schlagen, »ist zu eifrig in seinem Eifer, denn gewisse eheliche Beziehungen sind sowohl nach göttlichem als menschlichem Recht statthaft, auch wenn sie nicht der strengen bürgerlichen Form angemessen geschlossen worden sind, und die Nachkommenschaft, die solchen Verhältnissen entspringt, gilt nicht minder für erbfähig, als die aus den streng bürgerlich geschlossenen Ehen.«

Die allgemein gehaltne Meinung, die er mit einem Blick auf die bei dem Gespräch anwesenden Kriegsgefährten begleitete, fand die allgemeine Billigung, und alle, bis auf einen, der den Blick zu Boden schlug und schwieg, riefen: »Dawider läßt sich nichts vorbringen!«

Graf Murray wandte sich wieder an Halbert mit der Aufforderung, weiter zu erzählen, aber sich der größten Genauigkeit dabei zu befleißigen. Als nun Halbert schilderte, wie der Baron Avenel seine Konkubine wild von sich schleuderte, knirschte der Graf mit den Zähnen und fuhr mit der Hand an den Griff seines Dolches. Dann aber winkte er, daß Halbert fortfahren solle. Inzwischen hatten sich zu den Zuhörern noch ein paar reformierte Geistliche gefunden, die mit gesteigertem Interesse an den Worten des Jünglings hingen. Als derselbe nun von der schmählichen Weise erzählte, wie Baron Julian den Prediger ins Verließ habe werfen lassen, da schien Graf Murray den richtigen Anlaß gefunden zu haben, seinem Grolle Lust zu machen, denn augenscheinlich war er sich der Zustimmung aller Anwesenden sicher.

»Anwesende Pairs und Edlen von Schottland,« hub er an, indem er einen Blick in der Runde schweifen ließ, »richtet Ihr zwischen mir und diesem Julian Avenel! Er hat sein Wort gebrochen und ein sicheres Geleit verletzt. Auch darüber richtet Ihr, daß er sich vergriffen hat an einem Prediger der heiligen Lehre, auch darüber, daß er mit dem Gedanken umzugehen scheint, den Anhängern des Antichrists sein Blut zu verdingen.«

»Den Tod eines Verräters soll er sterben,« riefen die weltlichen Hauptleute, »der Henker soll ihm zur Strafe seines Meineids die Zunge mit glühendem Eisen ausreißen.«

»Zu den Baalspfaffen soll er hinunter fahren!« zeterten die geistlichen Herren, »und seine Asche sollt Ihr streuen in den tiefsten Abgrund!«

Murray hörte ihre Worte mit verhaltnem Lächeln. Er hatte den Ausbruch solcher Rache wohl erwartet, aber er mochte denken, daß die Roheit, mit der der Baron Avenel seine Konkubine behandelt hatte, ein gewisses Seitenstück fand in der Art und Weise, wie auch die Mutter des Ritters behandelt worden war, der vorhin den Blick zu Boden geschlagen und geschwiegen hatte, als er dem in Schottland üblichen »Eheverspruch« das Wort geredet hatte, und der kein andrer war als Graf Morton, der unehelich geborne Halbbruder des Lords; er mochte weiterhin denken, daß man die Ursache zu dem grimmigen Ausdruck, den das Gesicht des Grafen jetzt zeigte, in der Erinnerung hieran zu suchen haben mochte. Dagegen sprach Lord Murray sehr freundlich mit Halbert, als dessen Bericht zu Ende geführt war. Dann wandte er sich zu den Begleitern.

»Der Jüngling ist augenscheinlich kühn und tapfer und aus dem Stoffe gebildet, den diese unruhigen Zeitläufte erheischen. Es gibt Vorgänge, die einem Manne Gelegenheit geben, sich als Mann zu zeigen, und einen solchen Vorgang haben wir mit diesem Jüngling eben erlebt. Ich muß ihn näher kennen lernen, den Jüngling.«

Umständlich fragte er nun Halbert aus nach den Streitkräften, die dem Baron von Avenel zur Verfügung seien, nach der Stärke seines Schlusses, wie nach dem Schicksal seines nächsten Erben. Dabei mußte natürlich die Rede kommen auf die traurige Lage, in welcher sich die einzige Tochter seines verstorbnen Bruders, Mary von Avenel, befand, und die Halbert mit einer Befangenheit erzählte, die dem Lord Murray nicht entging.

»Ha, Baron Julian!« rief er, »Du reizest mich zum Zorn zu einer Zeit, die Dir doch alle Ursache gäbe, meine Gnade zu erflehen? O, ich habe Walter Avenel gut gekannt, er war ein wackrer Schotte und ein tapfrer Kriegsmann. Unsre Schwester, die Königin, muß, seiner Tochter zu ihrem Recht verhelfen, die gewiß eine schickliche Braut abgäbe für einen tapfern Kriegsmann, der Unsrer Gunst würdiger sein dürfte, als dieser Verräter von einem Julian!« Hierauf heftete er einen forschenden Blick auf Halbert und fragte: »Jüngling, bist Du von edlem Geblüt?«

Auf diese Frage erwiderte Halbert mit einer längern Darlegung seiner Ansprüche auf die Abstammung von den alten Glendowynes von Galloway, aber Graf Murray unterbrach ihn nach einer Weile mit den Worten:

»Ei, Jüngling! laß die Stammbäume von Barden und Wappengelehrten beiseite! Heute ist jeder der Mann seiner Taten. Das erhabne Licht der Reformation erleuchtet den Fürsten wie den Bauern, und Bauer und Fürst einen sich zum Kampfe für die Verbreitung der Glaubensneuerung. Alles in der Welt rührt sich zum Kampfe für den Bezwinger des Antichrists, was über ein tapfres Herz und einen starken Arm gebietet. Jüngling, sage mir freimütig, warum Du Deines Vaters Haus verließest?«

Ohne Zaudern bekannte Halbert seinen Zweikampf mit dem Ritter Piercie Shafton und verschwieg auch nicht den vermeintlichen Tod desselben.

»Bei meiner Faust!« rief Murray, »Du bist ein kühner Sperber, der einem Falken wie Piercie Shafton gar früh das Gefieder zerzaust! Die Königin Elisabeth hätte ihren Handschuh, mit Goldkronen bis zum Rande gefüllt, dafür gegeben, war ihr bekannt geworden, daß dieser vorlaute Geck unterm Rasen läge. Nicht wahr, Morton?«

»Allerdings,« erwiderte dieser, »ihren Handschuh jedoch für ein bessres Geschenk gehalten als die güldnen Kronen!«

»Was sollen nun aber wir anfangen mit seinem jugendlichen Mörder?« fragte Murray, »und was werden unsre geistlichen Herren sagen zu diesem Fall?«

»Denen erzählt bloß was von Moses und Benajah,« antwortete Morton, »denn es ist schließlich doch nichts weiter als der Tod eines Aegypters.«

»Recht so,« erwiderte Murray mit Lachen, »begraben wir also die Geschichte, wie der Prophet den Leichnam im Sande begrub. Hinfort will ich sorgen für unsern Jüngling. Glendinning, denn dies ist hinfort hier Dein Name, bleib bei uns! Du trittst als Squire in unsre Dienste. Unser Stallmeister wird für Deine Ausrüstung sorgen.«

Graf Murray bekam während des Kriegszugs, auf dem er sich befand, wiederholt Veranlassung, den Mut und die Geistesgegenwart des jungen Glendinning zu prüfen, und Glendinning stieg bald so schnell in seinem Ansehen, daß alle, die den Grafen kannten, die Meinung gewannen, das Glück des jungen Menschen sei gemacht. Und was ihn noch mehr in dieser Gunst befestigen sollte, das war seine Bereitwilligkeit, die katholische Religion abzuschwören, zu der er sich nie sonderlich hingezogen gefühlt hatte, und sich zu dem neuen Glauben zu bekennen, der jetzt die Gemüter Schottlands erfüllte. Hierdurch trat er seinem Herrn um vieles noch näher, und bald durfte er ihm nicht mehr von der Seite weichen während der ganzen Zeit, die er im westlichen Schottland zubrachte, und das erstreckte sich auf Wochen und Monate, denn der unbeugsame Sinn seiner Widersacher machte ihm das Leben außerordentlich schwer.

Siebzehntes Kapitel

Man war schon weit im Herbste vorgerückt, als eines Morgens der Earl von Morton, dessen Bekanntschaft der Leser im vorigen Kapitel zusammen mit derjenigen des Grafen Murray gemacht hat, unvermutet in das Vorzimmer des letztern trat, in welchem grade Halbert Glendinning die Wache hielt.

»Ruft Euren Herrn, Halbert,« sagte der Earl, »es sind Neuigkeiten da von Teviotdale, auch für Euch welche, Glendinning!«

Der Graf erschien, begrüßte den Earl und fragte hastig, was er zu erzählen hätte.

»Es ist ein verläßlicher Mann aus dem Süden bei mir gewesen, « antwortete Morton, »er ist im Liebfrauenkloster gewesen. Der Aegypter unsers getreuen Glendinning, der schottische Moses, ist wieder zum Leben erwacht und wächst und gedeiht herrlicher denn je im Gosen von Teviotdale, zu Kennaqhueir im Kloster.«

»Was meint Ihr mit solcher Rede?« fragte Graf Murray.

»Nichts weiter, als daß Euer neuer Squire Euch einen Bären aufgebunden hat. Piercie Shafton ist frisch und gesund und liegt in den Fesseln eines holden Müllerskindes, das mit ihm in schmucker Verkleidung das Land durchstreift hat.«

»Glendinning,« wandte Murray sich an den Jüngling, während seine Stirn sich in finstre Falten legte, »Du wirst Dich doch nicht unterstanden haben, Dich durch eine Unwahrheit in mein Vertrauen einzudrängend?«

»Mylord,« erwiderte Halbert, »ich bin der Lüge unfähig, und sollte es mich das Leben kosten. Ich habe dem Manne, wie ich Euch erzählte, dieses Schwert meines Vaters durch den Leib gestoßen, daß ihm die Spitze zum Rücken herausdrang und der Griff ihm in der Brust saß. Und ebenso tief will ich es demjenigen in den Leih rennen, der sich erfrechen sollte, mich einer Falschheit oder gar einer Lüge zu zeihen.«

»Wie, Bursche,« rief Morton, »Du wolltest Dich erfrechen, einem Edelmanne Trotz zu bieten?«

»Halbert, still!« kam ihm Murray zuvor, »und Ihr, Mylord von Morton, seht ihm die heftigen Worte nach! Ich sehe ihm die Wahrheit auf der Stirn geschrieben.«

»Ich wünschte, was drin im Buche steht, möchte mit der äußern Aufschrift im Einklange stehen. Nehmt Euch in acht, Mylord, durch Euer allzu großes Vertrauen werdet Ihr Euch noch mal selbst ums Leben bringen.«

»Und Ihr durch Euern Argwohn um Eure Freunde!« erwiderte Murray.... »Doch genug davon! laßt mich hören, was Ihr zu melden habt.«

»Sir John Foster,« berichtete Morton, »steht im Begriff, Truppen nach Schottland zu senden, mit dem Befehle, das Liebfrauenkloster zu verwüsten.«

»Ohne auf meine Einwilligung und Anwesenheit zu warten?« rief Murray. »Wie? will er in das Land unserer Königin als Feind einfallen?« »Ja, auf ausdrücklichen Befehl der Königin Elisabeth, und die läßt bekanntlich nicht mit sich spaßen!« versetzte Morton; »von seinem Einmarsch ist schon mehrmals während unsers Hierseins die Rede gewesen, er ist aber immer wieder aufgegeben worden und hat jetzt in Kennaqhueir keinen geringen Schrecken verursacht. Der alte Abt ist zurückgetreten, und wen, meint Ihr wohl, haben sie an seiner Statt zum Abt erhoben?«

»Natürlich keinen,« erwiderte Graf Murray. »Bevor man dort nicht meinen Willen und den Willen der Königin kennt, wird man sich solcher Wahl nicht erfrechen.«

Earl Morton zuckte die Achseln.

»Den Zögling des alten Kardinals Beatoun hat man gewählt, den pfiffigen, resoluten Kämpen Roms, den Busenfreund unsres tätigen Primas von Sankt Andreas, der bis jetzt Unterprior von Kennaqhueir war. Jawohl, Eustachius ist jetzt Abt von Kennaqhueir, und gleich einem andern Papste Julius hebt er Leute aus und schickt sich zum Kampfe mit Foster an, falls er wirklich einrücken sollte.«

»Solchem Zusammenstoße müssen wir zuvorzukommen suchen,« erwiderte Graf von Murray hastig, »denn welcher der beiden Teile auch das Feld behielte, immer wäre es für uns eine unangenehme Sache. ... Wer ist Befehlshaber über die Truppen des Abtes?«

»Kein andrer, als unser alter, getreuer Freund Julian Avenel,« antwortete Morton.

»Glendinning,« sagte Murray, »laß schleunig zum Aufsitzen blasen! Alle, die es ehrlich mit uns meinen, sollen sich ohne Verzug aufmachen. Jawohl, Mylord, wir stecken in einer recht mißlichen Klemme. ... stellen wir uns auf die Seite unsrer englischen Freunde, so laden wir Schimpf auf uns vor dem ganzen Lande, und zu solcher Handlung dürfen wir nicht schreiten. Zumal meine Schwester, deren Vertrauen ich kaum gewonnen habe, mir darüber höchst ungnädig werden dürfte. ... Leisten wir hingegen dem englischen Grenzwächter Widerstand, so müssen wir damit rechnen, daß uns dies Elisabeth als eine Begünstigung ihrer Feinde auslegen dürfte, und das ist für uns in keinem geringern Grade gefährlich.«

»Die Dame ist freilich wohl die beste Karte in unserm Spiel,« bemerkte Morton, »und doch würde ich nicht ruhig mit zusehen, wenn englische Klingen in schottisches Fleisch hauen wollten. Ich meine fast, wir täten am klügsten, ruhig unsre Straße zu ziehen, indem wir so tun, als könnten unsre Gäule auf den Hundswegen nicht recht vom Flecke. Mögen sie dann sich verhauen, so viel sie wollen, uns kann dann wenigstens von keiner Seite ein Vorwurf treffen, denn wir haben nichts davon gewußt und sind auch nicht dabei gewesen.«

»James Douglas,« erwiderte Murray, »dann würden wir beide Teile einbüßen. Nein, besser, wir rücken mit äußerster Schnelligkeit vor und suchen auf alle Weise den Frieden zwischen beiden Parteien zu erhalten. Hätte der Klepper, der diesen Piercie Shafton über die Grenze trug, bloß den Hals gebrochen! der vermaledeite Hanswurst ist gerade der Kerl danach, alles durcheinander zu wühlen und womöglich gar es zu einem Bürgerkriege zu bringen.«

»Hätten wirs beizeiten erfahren, daß der Kerl über die Grenze wollte,« meinte Douglas, »so hätten wir ihm dort heimlich aufgepaßt und ihn beizeiten um die Ecke gebracht! An Kerlen, die dazu bereit gewesen waren, fehlts doch im Lande nicht! Aber nun aufgesessen, James Stuart! Die Trompeten schmettern. Wir werden bald sehen, wessen Klepper den besten Atem hat!«

Die beiden mächtigsten Barone des Landes setzten sich an die Spitze des aus 300 Mann bestehenden Zuges, um nach Dumfries und von da nach Teviotdale zu reiten, und zwar in solcher Eile, daß an die hundert Pferde zu Falle kamen, und sie knapp 200 Mann noch stark waren, als sie sich dem Platze näherten, wo sich der Zusammenstoß der beiden feindlichen Truppenteile erwarten ließ.

Etwa sechs bis sieben Meilen mochten sie noch von dem Liebfrauenkloster entfernt sein, als ihnen ein Edelmann, den Graf Murray, weil er auf seine Einsicht rechnen zu dürfen meinte, zu sich entboten hatte, mit ein paar Dienern in gestrecktem Galopp ihnen entgegengesprengt kam. Er kam mit der Meldung, daß Foster, nachdem er wiederholt mit seinem Einfalle gedroht hatte, sich über die Kunde, daß Piercie Shafton sich unverhohlen im Klosterbezirk zeige, so ergrimmt habe, daß er die Befehle seiner Königin, die Grenze nicht zu respektieren, um deswillen schon auszuführen willens sei, um sich der Person dieses versäumten Schwätzers zu bemächtigen und den Patron endlich unschädlich zu machen. Der Abt hatte einen Kriegertrupp zusammengebracht, dessen Zahl sich mit derjenigen der Engländer wohl messen könne, wenn er anderseits auch nicht kriegstüchtig sei. Den Befehl habe Julian Avenel übernommen. Wie man allgemein annähme, würde es am Ufer eines kleinen Flusses, der die Grenze des Klostergebiets bilde, zum Zusammenstoße kommen.«

»Wer kennt diesen Platz?« fragte Murray.

»Ich, Mylord,« erwiderte Glendinning.

»Gut,« beschied ihn der Graf, »nimm Dir zwei Dutzend der besten Reiter mit und eile dorthin! Sage beiden, ich sei unterwegs mit einer großen Streitmacht und würde jeden ohne Gnade und Barmherzigkeit über die Klinge springen lassen, der den ersten Streich führen sollte. Davidson,« wandte er sich an den Ritter, der ihm die Meldung gebracht hatte, »Ihr bleibt als Führer bei mir. Du aber, Glendinning, tummle Dich und sage Foster, ich ließe ihm raten, wenn ihm sein Dienst bei der Königin Elisabeth lieb sei, mir nicht in den Kram zu pfuschen. Dem Abte dagegen tue kund und zu wissen, daß ich ihm den roten Hahn auf sein Klosterdach setzen lasse, wenn er sichs einfallen lassen sollte, loszuschlagen, ehe ich an Ort und Stelle wäre. Dem Hund Avenel aber bestelle, er hätte nun schon so, viel auf dem Kerbholz bei mir, daß ich ihn um einen Kopf kürzer machen ließe, wenn er sich etwa erfrechen sollte, noch für weitere Kreidestriche Sorge zu tragen. Und nun los! Schone weder Sporen noch die Weichen Deines Pferdes!«

»Zu Befehl, Mylord!« rief Glendinning und sprengte von dannen.

Noch hatte er mit seinem kleinen Kommando nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ihm ein paar Leute entgegenkamen, die einen dritten schleppten, der schwer verwundet sein mußte, Halbert erkannte Klostervasallen in ihnen und rief sie an. Aber im selben Augenblick glitt der Verletzte zur Erde, und die andern beiden stiegen ab, um dem Sterbenden die letzte Tröstung zu spenden, und so konnte Halbert nichts von ihnen vernehmen. Er sprengte weiter, und mit um so größerer Hast, als er jetzt immer mehr Leute erblickte, die das Sankt Andreas-Kreuz auf Sturmhaube und Harnisch trugen, und allem Anschein nach, wie die drei ersten, denen er begegnet war, das Schlachtfeld geräumt hatten. Aber auch von ihnen konnte Halbert keine Kunde erlangen. Die meisten ritten dem heranziehenden Reiterhaufen aus dem Wege oder hielten sich rechts oder links in solchem Abstande, daß es nicht möglich war, sich mit ihnen zu verständigen. Aber Halbert zweifelte nun nicht länger mehr, daß die Klösterlichen in die Flucht geschlagen worden seien, und unsäglich besorgt um das Schicksal seines Bruders, der dort sicher an dem Treffen teilgenommen hatte, trieb er sein Roß zu solcher Eile an, daß kaum ein halbes Dutzend seiner Leute mit ihm Schritt halten konnte. Endlich hatte er einen Hügel erklommen, an dessen Fuße die Ebene sich erstreckte, in welcher das Treffen sich abgespielt hatte.

Es war ein düstres Bild, das sich vor seinen Augen hier entfaltete. Es war hart gekämpft worden, wie ja immer in diesen Grenzgefechten, bei denen tief eingewurzelter Haß die Waffen schärfte. In der Hütte des Blachfeldes lagen die Leiber von Soldaten, die im Handgemenge niedergemacht worden waren. Neben ihnen lagen Verwundete im Gebete oder bettelten um Wasser. Unsicher, in welcher Richtung er seinen Ritt fortsetzen solle, von Angst erfüllt, daß er den Bruder unter den Toten finden werde, anderseits unter der Annahme, daß er bei weiterer Annäherung sein Leben wie das seiner Mannschaft in die schlimmste Gefahr durch die siegreichen Engländer setzen müsse, beschloß er zu warten, bis Graf Murray mit seinen Streitkräften heran sein werde, und nahm auf einem günstigen Platze Posten, den die Schotten beim Anfange des Treffens innegehabt und, wie der Augenschein lehrte, hartnäckig verteidigt hatten.

Kurze Zeit nachher drang auf einmal an sein Ohr leises Wimmern, offenbar von einem Weibe herrührend. Außer stande, sich zu erklären, wie auf einem Kampfplatze, wo doch nur Männer gefochten haben konnten, ein Weib zugegen sein sollte, blickte er sich besorgt um und bemerkte endlich neben einem Ritter in glänzender Rüstung, dessen Helm trotz allem Schmutz, der auf ihm haftete, doch den hohen Rang deutlich erkennen ließ, der ihm gehörte, die Gestalt einer Frau, die, in einen Reitermantel gehüllt, ein Kind an ihrem Busen hielt.

Da warf er einen raschen Blick auf die Truppen der Engländer, die aber nicht im Vorrücken waren, sondern augenscheinlich alle Mühe hatten, sich wie er zu sammeln; wenigstens ließ sich das aus den Signalen ihrer Trompeten deutlich erkennen. Auf diese Weise gewann Halbert Zeit, sich um die Unglückliche zu kümmern, die neben dem Ritter lag. Er fragte sie, nachdem er sein Pferd einem Lanzenknecht gegeben, in freundlichem Tone, ob er ihr in ihrer Not beistehen könne. Er bekam nicht sogleich Antwort, denn das Weib war bemüht, dem Ritter, neben dem sie lag, die Springfedern von Helmsturz und Ringkragen zu öffnen, was aber ihrer ungeübten und zitternden Hand nicht gelingen wollte. Aber, nach einer Weile sagte sie im Tone schmerzlicher Ungeduld:

»Ach! er erholte sich gewiß bald, wenn ihm Luft verschafft werden könnte! Alles gäbe ich drum, wenn ich diese eisernen Platten lösen könnte, die ihm ja allen Atem benehmen!«

Halbert Glendinning bückte sich, den Helmsturz zu öffnen und den Ringkragen zu lösen und erkannte nun zu seinem namenlosen Erstaunen in dem am Boden liegenden Ritter den Baron Julian von Avenel. Sein bleiches Antlitz ließ deutlich erkennen, daß er den letzten Kampf gekämpft hatte, daß der wilde, ruhelose Geist mitten im Kampfe, den er ja immer geliebt hatte, von ihm gewichen war. ...

»Er ist tot!« sagte Halbert zu dem jungen Weibe, in welchem er nun ohne Mühe die unglückliche Konkubine des Ritters, Katharina, erkannte.

»Nein, nein, nein!« rief das Weib, »sprecht nicht so! er ist nicht tot, er ist bloß ohnmächtig. Ich habe selbst schon einmal so da gelegen, und damals hat mich seine Stimme ins Leben zurückgerufen, als er freundlich zu mir sprach: Blick auf, Katharina! mir zu lieb! Und nun rufe ich, Julian! blick auf, Julian, mir zu lieb! ...« und sie betastete den leblosen Leib, »ich weiß ja, Julian, daß Du nicht tot bist! ... nein, nein, Du tust ja bloß so, Du stellst Dich ja bloß so, um Schreck einzujagen, aber Du kannst mir nicht Angst machen, Julian;« und sie versuchte krampfhaft zu lachen ... dann wechselte sie die Stimme und bat: »Sprich! o, sprich! und wärs auch nur, meine Torheit zu verhöhnen! Ach, Julian, alle rauhen Worte, die Du mir gesagt hast, sie würden mir klingen, wie die liebsten und teuersten, die Du an mich richtetest, ehe ich Dir alles, alles gab. ... Ach, hab Mitleid mit mir und geh nicht so von mir!« und dann wandte sie sich zu Halbert: »Ach, so hebt ihn doch auf! hebt ihn auf! um Gottes willen! habt Ihr denn gar kein Mitleid in Eurer Brust? ... Ach, er hat mir versprochen, mich zur Frau zu nehmen, mich zur Gattin zu machen, wenn ich ihm einen Sohn brächte, und nun bring ich ihm einen! einen, der ihm ähnlich sieht, wie aus den Augen geschnitten! Ach, wie soll er sein Wort halten können, wenn Ihr ihn nicht wieder zu sich bringen wollt! Ach, Christie von Clinthill, Rowley, Hutcheon, Ihr habt an seinen Festen teilgenommen, habt mit ihm geschmaust und gezecht, aber in der Schlacht, da habt Ihr ihn verlassen, da seid Ihr von ihm gewichen, Ihr falschen Schurken! da habt Ihr nicht gesorgt, daß ihn kein Stahl treffe!«

»Ich nicht, beim Himmel! ich nicht!« lallte ein im Sterben liegender Krieger unfern von ihm, der sich auf den Ellbogen zu stützen suchte, und in welchem Halbert die ihm wohlbekannten Züge des Knappen Julians erkannte, »ich bin keinen Fußbreit von ihm gewichen, aber der Mann kann nicht länger fechten, als er Atem hat, und mir geht der Atem schon aus. So, mein junger Freund?« sagte er, mit einem Blick auf Glendinning, als er dessen Rüstung erblickte, »hast Du wirklich noch den Helm genommen? Na, es lebt sich besser darunter als es sich stirbt! ... Na, ich hätts lieber gesehen, der Zufall hätte Deinen Bruder hergeführt, an Stelle von ... hm, in dem steckt noch was Gutes ... aber Du ... Du bist von so wildem Sinne ... und wirst bald ganz ebenso gottvergessen sein wie ich ... ganz ebenso gottver...«

»Da sei Gott vor!« rief Halbert.

»Amen, von Herzen Amen!« lallte der Verwundete, »dort wohin ich komme, wird es Gesellschaft geben auch ohne Dich genug. Aber, Gott sei gelobt! an dieser Schändlichkeit trifft mich keine Schuld!« sagte er, mit einem Blick auf die arme Katharina, und mit einem Gemurmel zwischen den Lippen, das sich halb wie ein Gebet, halb wie ein Fluch anhörte, wandte er sich ... und dann entfloh ihm die Seele. ...

Einen Augenblick lang vergaß Glendinning seine Lage und seine Pflicht, denn der Vorgang war von zu erschütternder Wirkung gewesen ... dann aber wurde er durch Pferdegestampf und durch den Schlachtruf: »Sankt Georg für England!« wieder in die Gegenwart zurückgerufen. ... Seine paar Leute, denn die meisten waren in Erwartung von Murrays Ankunft zurückgeblieben, hielten sich mit gelüfteten Lanzen im Sattel, des Befehls gewärtig, ob sie kämpfen oder sich ergeben sollten.

»Da steht unser Hauptmann,« sagte einer von Halberts Leuten, als ein an Zahl weit überlegner Trupp Engländer, der Vortrab von Fosters Zuge, heranrückte.

»Euer Hauptmann?« wiederholte höhnisch der englische Führer, »oho! mit dem Schwert in der Scheide! und angesichts des Feindes zu Fuße? ... Muß ja ein recht grimmiger Soldat sein! ... Na, junger Frosch!« wandte er sich höhnend an Halbert, »seid Ihr nun fertig mit Träumen? ... wollt Ihr mir nun wohl sagen, ob Ihr fechten ober ausreißen wollt?«

»Weder das eine noch das andre!« versetzte Halbert Glendinning mit großer Ruhe.

»Dann tu Dein Schwert ab und ergib ich!« sagte der Engländer.

»Erst, wenn ich anders nicht kann,« versetzte Halbert, noch immer mit der gleichen Ruhe.

»Stehst Du auf eigne Faust hier, oder bist Du in eines andern Dienst?« fragte der englische Hauptmann.

»Im Dienste des Grafen von Murray,« erwiderte Glendinning.

»«So? Na, dann hast Du Dir ja den besten Dienst ausgesucht!« sagte der Hauptmann, »das ist ja der treuloseste aller Edelleute unter Gottes Sonne! falsch wie Galgenholz, und zwar gegen England sowohl als gegen Schottland!«

»Du lügst!« rief Glendinning, ohne Bedacht auf die Folgen zu nehmen.

»Oho! jetzt so hitzig, und vor einer Minute noch so kalt?« versetzte der Hauptmann, ... »so? ich lüge? ... willst Du diesen Vorwurf auf mir sitzen lassen oder vom Leder ziehen?«

»Mann gegen Mann, oder ich allein gegen zwei, oder zwei gegen fünf ... ganz wie es Euch recht ist,« sagte Halbert Glendinning ... nur gebt Raum genug!«

»An Raum solls Dir nicht fehlen, junger Heißsporn,« versetzte der Engländer; »sollt ich fallen, dann laßts ihn nicht entgelten, Kameraden. ... Zurück! Er soll Raum haben, und wenn ich unterliege, Jungens, dann soll er frei abziehen dürfen mit seinen Leuten!«

»Lang lebe der Hauptmann!« riefen die Soldaten, erfüllt von Ungeduld, den Zweikampf anzusehen.

»Lange wird ers wohl auf diese Weise nicht mehr machen,« sagte der Rottenführer, »wenn er als alter, sechzigjähriger Mann noch mit all und jedem wegen der geringfügigsten Lappalie sich in einen Zweikampf einläßt, obendrein mit solch blutjungem Gesellen, von dem er Vater sein könnte. ... Na, Gott sei Dank! da kommt unser Grenzwächter! der kann ja den Strauß gleich mit ansehen!«

Wirklich kam jetzt Sir John Foster herangesprengt mit einem starken Reitertrupp, im selben Augenblick, als seinem Hauptmann, der gegen einen so kräftigen, gewandten Jüngling wie Glendinning nicht mehr standhalten konnte, das Schwert aus der Faust geschlagen wurde.

»Pfui, alter Stalwarth Bolton, heb Dein Schwert auf!« rief Sir John Foster, »und Du, junger Sausewind! sage mir, wer und was Du bist und hier willst!«

»Wer ich bin? ein Dienstmann des Earl von Murray, der Euer Gnaden durch mich sagen läßt,« versetzte Glendinning; »aber da kommt er ja selbst ... dort sehe ich den Vortrab seiner Reiter den Hügel herauf reiten.«

»In Reih und Glied getreten!« kommandierte Foster; »wessen Speer gebrochen ist, der zieht sein Schwert! Wir sind zwar zu neuem Kampfe nicht sonderlich mehr tüchtig, aber wenns sein muß, dann muß es eben gehen, auch wenn wir statt Mäntel bloß Fetzen noch auf dem Leibe haben! ... Inzwischen, mein lieber Stalwarth Bolton, haben wir das Wild gestellt, auf dessen Jagd wir ausgezogen sind. Hier zwischen zwei Reisigen steht Piercie Shafton, unter sichrer Bedeckung!«

»Was? der Junge da?« rief Bolton, »der ist Piercie Shafton so blutwenig wie ich! Freilich, er hat seinen prächtigen Kittel an. Aber Piercie Shafton ist ein reichliches Dutzend Jahre älter als dieser Jammerbold! Ich hab den Piercie Shafton doch gekannt, wie er kaum größer war als ein Dreikäsehoch. ... Habt Ihr ihn denn nie in der Rennbahn oder bei Hofe gesehen, wenn Audienz war?«

Da schallten Trompetenstöße über das Blachfeld, und ein schottischer Herold trat vor und erklärte, der edle Graf von Murray lasse in allen Ehren und ohne alles Arg um eine Zusammenkunft nachsuchen mit Sir John Foster, inmitten beider Truppen, jeder mit einem Gefolge von sechs Mann und unter zehn Minuten Freiheit, zu kommen und zu gehen, je nach Belieben.

»So!« antwortete der Engländer, »also mit diesem falschen Schotten soll ich mich in eine Unterredung einlassen? der weiß doch jeden so zu beschwatzen und einem ehrlichen, schlichten Menschen solchen Staub in die Augen zu streuen, daß einem Hören und Sehen vergeht. Im Reden bin ich ihm nicht gewachsen, und auf einen Waffengang kann ich mich jetzt auch nicht mit ihm einlassen. ... Herold, wir bewilligen die Zusammenkunft, und Ihr, junger Kriegsmann,« wandte er sich zu Halbert Glendinning, »Ihr zieht ab mit Euren Reisigen zu der Partei, zu der Ihr gehört. ... Marsch! folgt Eures Earls Trompete! Und Ihr, Stalwarth Bolton, bringt Euren Trupp in Reih und Glied, bleibt aber in Bereitschaft, vorzurücken, wenn ich Euch winke ...«

Trotz des Befehls, den ihm Foster gegeben, konnte Glendinning den Blick nicht von der unglücklichen Frau wenden, die noch immer auf dem Boden lag, unempfindlich für die Gefahr, von den Pferden, die um sie her standen, zertreten zu werden. Ein zweiter Blick aber belehrte ihn, daß es auch mit ihr zu Ende sei, daß auch sie den letzten Hauch von sich gegeben habe. ... Er freute sich fast über diese Wahrnehmung, denn es erfüllte ihn mit seltsamem Wohlbehagen, daß kein Huf mehr ihr wehtun, kein Huf mehr ihr schaden könne. ... Aber er nahm ihr das Kind aus den Armen, wenn er sich auch fürchtete ob des Gelächters, das die Krieger anstimmen würden, wenn sie ihn mit solcher Last in ihrer Mitte sehen würden. ...

»Schultert das Kind!« rief ein Arkebusier.

»Präsentiert's Kind!« rief ein Lanzenträger.

»Schweigt, Unmenschen!« rief Stalwarth Bolton, »aber verliert die letzte Spur von Menschlichkeit nicht! Ich verzeih's dem jungen Menschen, daß er sich an meinen grauen Haaren vergangen hat, weil er sich des armen, hilflosen Wesens auf solche Christenart annimmt, über das Ihr doch alle miteinander hingeritten wäret, als wärs Wolfsbrut, und nicht ein Kind, vom Weibe geboren!«

Inzwischen trafen die beiden Truppenführer auf dem gewählten neutralen Platze zusammen, und der Earl von Murray eröffnete die Unterhaltung mit der Ansprache:

»Heißt das ehrlich gehandelt, Sir John, oder für was seht Ihr uns beide an, den Earl von Morton und mich, daß Ihr in Schottland einfallt, wie der Führer einer wilden Horde, Treffen liefert und Menschen erschlagt, ganz wie es Euch zu Sinne kommt? ... Was habt Ihr für schriftliches Recht dazu?«

»Mylord von Murray,« erwiderte hierauf Foster, »Ihr habt mich wochenlang hingehalten mit dem Versprechen, den Aufwiegler gegen meine Landesherren, diesen Piercie Shafton, zu verhaften und in meine Hände zu liefern, habt aber nicht Wort gehalten, sondern allerhand Ausflüchte vorgebracht, bald die Unruhen im Westen, bald was anders! Da er nun gar die Frechheit gehabt hat, dieser erbärmliche Wicht, sich knapp zehn Meilen weit von England öffentlich zu zeigen, so durfte ich mich nicht länger mehr ungehorsam gegen meine Herrin und Gebieterin zeigen, durfte ich mich nicht länger von Euch hinhalten lassen, sondern mußte meine Macht und Gewalt in Geltung setzen und den Aufwiegler greifen, wo ich ihn fände.«

»Und habt Ihr ihn denn nun?« fragte der Earl. »Vergeßt nicht, daß es für mich ein Schimpf wäre ohnegleichen, wenn ich ihn von Euch außer Landes bringen ließe, ohne Euch fühlen zu lassen, daß Ihr niemand, ohne mich zu fragen, aus dem Lande meiner Schwester hinausführen dürft."

»Ihr würdet also, aller Gunst zum Hohn, die Ihr von der Königin von England empfinget, um solches Schuftes willen die Hand wider sie erheben?« fragte Sir John Foster.

»Nicht um deswillen, Sir John,« antwortete Murray, »aber um der Unverletzlichkeit unsers freien Königreichs willen würde ich in solchem Falle kämpfen bis zum letzten Blutstropfen!«

»Ganz wie es Euch beliebt, Graf Murray,« lautete Fosters frostige Erwiderung, »mein Schwert ist durch den Kampf, den es heute bestanden hat, noch lange nicht rostig geworden.«

»Bei meiner Ehre, Sir John,« nahm jetzt Sir George von Chipchase das Wort, »wir haben keinen Grund, uns mit diesen schottischen Lords in einen Kampf einzulassen, denn ich bin ganz der gleichen Meinung, wie unser greiser Stalwarth Bolton, daß wir in unserm Gefangnen den Piercie Shafton so wenig erwischt haben, wie den Earl von Northumberland selber ... Wozu also den Friedensbruch zwischen den beiden Königreichen um einer Lappalie willen verschärfen?«

»Sir George,« erwiderte Foster, »ich habe oft die Rede gehört, daß der Reiher, den Ihr in Eurem Wappen führt, sich vor dem Falken fürchte ... ei, laßt die Hand vom Schwertknauf, es war nicht im Ernst gemeint, was ich hier sagte. ... Aber was nun meinen Gefangenen anbetrifft, so soll er herbeigebracht werden, damit wir uns überzeugen können, wer er ist, und was er ist; aber, Mylords, alles unter der Zusage unverbrüchlicher Sicherheit,« sagte er, indem er sich zu den schottischen Lords wendete.

»Auf unser Ehrenwort,« erklärte Earl Morton, »es soll keinerlei Gewalt gebraucht werden.«

Ein wildes Gelächter brach nun los, als der Gefangene vor die Kriegsmannen geführt wurde und sich in ihm nicht allein eine ganz andre Person entpuppte, als der gesuchte Sir Piercie Shafton, sondern sogar nicht einmal ein Manns-, sondern ein Weibsbild!

»Reißt der Betze den Mantel von der Fratze!« rief Sir Foster, »und dann jagt sie hinter zu den Stallknechten, denn aus bessrer Gesellschaft kommt sie ja doch nicht. Mein Wort darauf!«

Sogar der Graf von Murray fühlte sich über diese Täuschung des Hüters der englischen Reichsgrenze zum Lachen gereizt, was bei ihm nicht grade häufig war. Allein daß der schönen Molinara, die nun zum zweiten Male Sir Piercie Shafton dadurch vor schwerer Gefahr behütete, daß sie sich auf der Flucht für ihn ausgab, irgend welches Leid angetan werde, das litt seine ritterliche Ehre unter keinen Umständen.

»Ihr habt nun des Unheils mehr, weit mehr angerichtet, als sich verantworten läßt,« sagte der Earl; »wollte ich jetzt noch dulden, daß diesem jungen Frauenzimmer auch nur ein Haar gekrümmt werde, würde ich Schmach und Unehre auf mich häufen.«

»Mylord,« sagte Morton, »wenn Sir John sich dazu verstehen will, auf ein Weilchen mit mir beiseite zu reiten, so werde ich ihm Gründe genug namhaft machen, daß er es für geraten ansehen wird, das Feld zu räumen.«

Der Graf winkte zustimmend mit der Hand, und der Earl von Morton nahm nun den Hüter der englischen Reichsgrenze beiseite.

»Sir Foster,« erklärte er ihm, »es nimmt mich Wunder, daß ein Mann wie Ihr, der doch seine Königin kennen sollte, sich in Dinge einläßt, die ihr nicht allein keinen Nutzen, sondern im Gegenteil Verdruß und Schaden bringen müssen, indem sie sie in Zwistigkeiten mit ihren Nachbarn verwickeln. Ich will Euch unverhohlen die Wahrheit bekennen, Herr Ritter. Hättet Ihr wirklich bei solch törichtem Einfall den richtigen Sir Piercie Shafton erwischt, und wäre es durch Eure Heldentat, wie doch bestimmt zu erwarten stand, zu einem tatsächlichen Bruche zwischen den beiden Reichen gekommen, so würde die weltkluge Fürstin und ihr nicht minder weltkluger Kronrat dem Ritter Sir John Foster es schwerlich Dank gewußt haben. Sie hätte wohl eher ihn in Ungnade fallen lassen, als daß sie sich in einen zweifelhaften Krieg mit Schottland eingelassen hätte. Allein, nun da Ihr Euer Ziel nicht erreicht habt, dürft Ihr Euch verlassen drauf, daß Ihr Euch bloß in schweren Verdruß setzt, wenn Ihr die Sache noch weiter verfolgen wolltet. ... Ich will den Grafen Murray zu bestimmen suchen, daß er es durchsetzt, daß Sir Piercie Shafton den Boden Schottlands verläßt. Im weitern aber seid klug und laßt von Gewalt ab, denn wenn Ihrs drauf ankommen ließet, so würdet Ihr mit Euren geschwächten Leuten wohl kaum etwas ausrichten gegen unsre durchaus frische Mannschaft.«

»Eine verdammte Geschichte!« sagte Foster, nachdem er eine Weile mit gesenktem Haupte neben dem Earl gehalten hatte ... »ich werde für alle Plackerei, die ich heut gehabt habe, wohl nur wenig Dank ernten!«

Darauf ritt er zu dem Earl zurück und erklärte, daß er aus Rücksicht gegen Seine Herrlichkeit, wie auch mit Rücksicht auf die persönliche Verwendung des Earl von Morton sich dahin entschlossen habe, von allen weitern Feindseligkeiten Abstand zu nehmen und sich wieder über die Grenze zurückzuziehen.

»Einen Augenblick noch, Sir John!« sprach Murray, »es geht nicht an, daß ich Euch aus dem Reiche lasse, ohne daß Ihr mir eine Geisel stellt, als Sicherheit dafür, daß sich das Unheil, das Ihr über Schottland gebracht habt, nicht wiederhole ...«

»Das soll niemand in England von John Foster sagen,« rief der Hüter englischer Reichsgrenze, »daß er gleich einem Besiegten sich zur Stellung von Geiseln verpflichtet hätte ... obendrein auf einem Schlachtfelde, auf dem er den Sieg errungen hat. ... Indessen,« setzte er nach einigem Bedacht hinzu, »sollte sich mein Hauptmann Stalwarth Bolton dazu verstehen wollen, aus freien Stücken bei Euch zu verweilen, so hätte ich nichts dawider, und nach meinem Dafürhalten wäre es schon aus dem Grunde recht gut, wenn er hier bliebe, weil er sich doch mit eignen Augen überzeugen könnte, ob dieser Piercie Shafton, den er doch kennt, wirklich des Landes verwiesen wird.«

»Ich aber betrachte und behandle ihn, wie eine mir von Euch gestellte Geisel,« erklärte der Graf. Sir John Foster tat jedoch so, als hörte er die Worte nicht, sondern machte sich mit Stalwarth Bolton zu schaffen, dem er seine Weisungen erteilte.

»Da reitet ein getreuer Diener einer schönen, aber gestrengen Gebieterin,« sagte Murray beiseite zu Morton, »und doch weiß er nicht, der glückliche Mensch, ob ihm die Vollstreckung ihrer Befehle nicht am Ende gar den Kopf kostet. Eins aber hat er sicher, wenn er sie unvollstreckt läßt, und zwar die Ungnade seiner Gebieterin. ... Wahrlich, ein brillantes Glück, nicht bloß den Launen Fortunas unterworfen zu sein, sondern auch noch den Launen einer Königin, die der andern Donna hierin vielleicht noch voransteht!«

»Mylord,« bemerkte Morton, »auch wir dienen einer Herrscherin!«

»Freilich, Douglas, freilich,« antwortete Graf Murray mit unterdrücktem Seufzer ... »aber wie lange noch eine Frauenhand in solchem zerklüfteten Reiche wie unserm Schottland die Zügel der Regierung wird in der Hand behalten können, das wird die Zukunft wohl erst zu zeigen haben. Jetzt aber, Douglas, auf nach dem Liebfrauenkloster! wir müssen die Zustände, die dort eingerissen sind, mit eignen Augen sehen. ... Heda, Glendinning! kümmre Dich mal um das Frauenzimmer hier und nimm sie unter Deinen Schutz! Aber zum Teufel, Bursche! was hältst denn Du in den Armen? Ein Kind? Mord und Tod! wo hast Du denn das aufgegabelt? unter solchen Umständen, wie wir sie jetzt erlebt haben?«

Halbert Glendinning erzählte nun den Sachverhalt. Der Earl ritt zu der Stelle hin, wo die Leiche Julian Avenels lag, in den Armen der unglückseligen Gefährtin seines wilden Lebens, gleich dem Stamm einer vom Sturm entwurzelten Eiche ... niedergeschmettert mit dem an ihm rankenden Efeu, mit den aus ihm sprossenden Ranken ... Beide waren kalt, der Baron sowohl wie seine Konkubine ... kalt wie der Tod. ... Murray wurde von tiefem Herzweh erfüllt, als er sich bei diesem Anblick der eignen Herkunft erinnerte. ...

»Douglas,« sprach er, »was haben die zu verantworten, welche die süßesten Gaben der Zärtlichkeit auf solche Weise mißbrauchen?«

Der Earl von Morton, der eben so unglücklich war als Gatte, wie zügellos in seinen Leidenschaften, antwortete:

»Ja, Mylord, nach solchen Dingen erkundigt Ihr Euch wohl besser bei Leuten wie Heinrich Warden und John Knox. Denn ich maße mir in allem, was die Weiber angeht, kein Urteil an.« »Auf denn nach dem Liebfrauenkloster!« rief der Earl von Murray, »und Du, Glendinning, gib das Kind dem weiblichen Reitersmanne dort! Der mag dafür sorgen. Den Leichen aber laß keinen Unglimpf antun, sondern sorge dafür, daß sie ein schickliches Grab bekommen, wie es ihrem Ansehen und Stande zukommt! ... und nun vorwärts, Kameraden und Freunde!«

Achtzehntes Kapitel

Im Dorf und im Kloster von Kennaqhueir verursachte die Nachricht von dem verlornen Treffen die größte Bestürzung und Verwirrung. Der Sakristan riet zur Flucht, und nicht wenige Mönche pflichteten ihm hierin bei. Der Schatzmeister meinte, es werde am besten sein, alles Kirchensilber als Tribut zu spenden, um den englischen Befehlshaber günstig zu stimmen. Der Abt war der einzige, der den Mut nicht verlor, sondern Mut und Entschlossenheit wahrte.

»Meine Brüder,« sagte er, »Gott hat den Unsrigen nicht den Sieg verliehen, mithin legt er uns sicherlich den Kampf als Märtyrer auf, und in diesem edlen Kampfe kann uns nur eins um den Sieg bringen, und das ist unsre eigne Kleinmütigkeit. Laßt uns die Rüstung des Glaubens anlegen und uns bereiten zum Tod unter den Trümmern jener heiligen Stiftung, deren Dienste wir uns geweihet haben. Uns winkt hohe Ehre, von dem frommen Bruder Nikolaus an, dessen graues Haar ihm geblieben ist, daß es die Krone des Märtyrertums trage, bis zu meinem geliebten Sohne Edward hinunter, dem die Mitarbeit in unsern Hallen vergönnt wurde, wiewohl er erst in des Tages letzter Stunde Aufnahme gefunden hat im Weinberge unsers lieben Herrn. ... Aber seid alle gutes Mutes, meine Kinder und Brüder! freilich darf ich Euch nicht Rettung durch ein Wunder verheißen, wie es meinen gepriesenen Vorgängern so oft vergönnet war, denn wir sind solcher Auszeichnung längst nicht mehr würdig; drum müssen wir selbst zusehen, daß wir uns der Aufgabe würdig zeigen, die jetzt an uns herantritt! wir müssen sorgen, daß Euer Vater und Abt die Mitra weiter in Ehren auf seinem Haupte tragen könne, und daß diese Mitra nicht entehrt werde... Drum gehet in Eure Zellen, Kinder, und betet zu unserm Herrn, daß er uns stärke! Und dann legt Eure Chorröcke an, als solltet Ihr das hehrste unsrer Feste begehen. Haltet Euch bereit, dem Feinde, wenn das Geläut der großen Glocke ihn kündet, in feierlichem Ornate entgegenzuziehen! Lasset die Portale der Kirche öffnen, damit sie denjenigen unserer Vasallen eine Zuflucht gewähre, die infolge des unglücklichen Treffens und wegen ihres Anteils daran den Zorn des Feindes am ärgsten zu fürchten haben. ... Und – dann meldet dem Sir Piercie Shafton, wenn er dem Treffen glücklich entronnen sein sollte ...

»Hochwürdiger Abt, hier bin ich,« sprach Sir Piercie Shafton, »und falls es Euch schicklich erscheinen sollte, so will ich ohne Säumen alle Mannschaft sammeln, die dem Treffen entronnen ist, und den Kampf hier von neuem beginnen und fortführen bis zum letzten Hauche meiner Seele. O, hätte es Julian Avenel gefallen, nach meinem Rate zu handeln ... Ihr werdet von allen Ueberlebenden hören, daß ich meine volle Schuldigkeit in dieser Sache getan habe, ... hätte Julian Avenel, wie gesagt, nach meinem Rate gehandelt, hätte er sein Haupttreffen um einige Glieder zurückgehalten, wie Ihr ja sicher schon bemerkt haben werdet, wenn der Reiher dem niederschießenden Falken ausweicht, um ihn, statt mit den Flügeln, lieber mit dem Schnabel zu nehmen, so wären, meine ich, die Dinge wohl anders gekommen, und wir hätten uns ohne Frage auf eine weit kriegsmäßigere Weise geschlagen. Demungeachtet liegt es mir ferne, irgend welche geringschätzige Aeußerung über Julian Avenel zu tun, im Gegenteil, denn ich sah ihn in mannhaftem Kampfe fallen, mit dem Antlitz dem Feinde zugewandt, und das hat den häßlichen Ausdruck, den er mir zurief: »Vorlauter Naseweis«, wie ich sagen muß, in einem Momente der Unbedachtsamkeit, aus meinem Gedächtnis getilgt, wenn ich mir auch vorgenommen hatte, den trefflichen Menschen, wenn es dem Himmel und seinen Heiligen gefallen hätte, sein Leben zu verlängern, zur Rechenschaft zu ziehen ...«

»Sir Piercie Shafton,« sagte der Abt, indem er ihm endlich ins Wort fiel, »wir haben uns jetzt nicht damit zu befassen, was man hätte tun und lassen können ...«

»Ihr habt recht, hochwürdigster Herr und Vater,« erwiderte der unverbesserliche Schönredner, »das Präteritum, wie sich die Sprachlehrer auszudrücken lieben, kümmert die sterbliche Menschheit weit weniger als das Futurum, und im Grunde genommen beziehen sich unsre Gebauten vornehmlich auf das Präsens. Mit einem Worte, ich bin bereit, mich an die Spitze der Mannschaften zu stellen, die bereit sein sollten, mir Gefolgschaft zu leisten, um dem Vordringen der Engländer, trotzdem sie meine Landsleute sind, allen Widerstand entgegenzusetzen, der einem sterblichen Wesen möglich ist. ... Verlaßt Euch drauf, edler Abt, Piercie Shafton wird mit seiner Länge von fünf Fuß zehn Zoll eher den Boden messen, auf dem er steht, als um nur einen Zoll zurückzuweichen.«

»Ich zweifle nicht, Herr Ritter, daß Ihr Euer Wort auch einlösen würdet, allein es ist des Himmels Wille nicht, daß wir mit irdischen Waffen siegen sollen. Es ist uns bestimmt zu dulden, und darum steht uns kein Recht weiter zu, das Blut unsrer unschuldigen Gemeinde nutzlos zu vergeuden. ... Männern meines Standes ziemt unnützer Widerstand nicht ... Unsre Paniere sind von Gott und der Jungfrau gesegnet!«

»Bedenkt Euch noch, ehrwürdiger Herr,« wandte Piercie Shafton sehr eindringlich ein, »bevor Ihr auf Verteidigung verzichtet, die doch in Eurer Macht steht, daß es am Eingange des Dorfes mehrere Stellen gibt, an denen tapfere Männer viel vermögen gegen einen andringenden Feind, und daß ich noch einen andern Grund habe, auf die Verteidigung nicht zu verzichten, die Rücksicht auf die Wohlfahrt einer Freundin, die den Händen der Ketzer, wie ich hoffen will, entronnen sein wird ...«

»Ich verstehe, Sir Piercie, Ihr sprecht von der Tochter unsers Klostermüllers ...«

»Hochwürdiger Herr,« erwiderte Sir Piercie, diesmal nicht, ohne zu stocken, »die schöne Mysie ist die Tochter eines Mannes, so läßt sich in gewissem Sinne sagen, ... dessen Beruf es ist, auf mechanischem Wege Korn zu verarbeiten, so daß Brot aus dem Produkt gebacken werden kann, ohne welches die Menschen nicht zu bestehen vermöchten, so daß mithin sein Gewerbe nicht bloß ein höchst ehren- und segensreiches, sondern auch ein unentbehrliches ist. Wenn indessen die hehrsten Empfindungen eines adlig gesinnten Frauenherzens, das davon überströmt, gleich dem Diamant, der die Sonnenstrahlen widerspiegelt, im stande sind, ein Weib zu adeln, das allerdings die Tochter eines Korn auf mechanischem Wege verarbeitenden Müllers ist ...«

»Meine Zeit, Sir Piercie Shafton, ist zu kurz, mich mit dergleichen Dingen zu befassen. Laßt Euch darum an der Antwort genügen, daß wir nicht mehr mit irdischen Waffen fechten werden und dürfen. Wir Männer geistlichen Berufs werden Euch weltliche Leute lehren, wie man kalten Blutes stirbt, nicht mit geballter Faust, sondern mit gefalteten Händen, nicht mit haßerfülltem Herzen, sondern mit christlicher Sanftmut, nicht unter dem Lärm von sinnverwirrenden Kriegsdrompeten, sondern unter dem milden Klange frommen Hallelujahs ...«

»Lord-Abt,« erwiderte Sir Piercie Shafton, »dies kann an dem Schicksal unsrer Molinara nichts ändern, die ich, wie ich bitte, nochmals bemerken zu dürfen, nicht verlassen werde, so lange noch das goldne Heft und die stählerne Klinge meines Dolches zusammenhalten. ... Ich gab ihr den Befehl, uns nicht in die Schlacht zu folgen, und doch meine ich, sie in der Tracht eines Edelknaben unter dem Nachtrab bemerkt zu haben ...«

»Ihr werdet anderswo nach der Person suchen müssen, an der Euch so sehr viel gelegen zu sein scheint,« erwiderte der Abt, »indessen hindert Euch nichts, Euch in der Kirche nach ihr zu erkundigen unter den wehrlosen unsrer Vasallen, die sich dorthin geflüchtet haben ... Euch gebe ich den gleichen Rat, gleichfalls unter den heiligen Altar zu flüchten, im übrigen könnt Ihr Euch einer Sache versichert halten, Sir Piercie Shafton,« schloß er seine Rede, »geschieht Euch ein Leid, so leidet darunter die ganze fromme Brüderschaft, denn nie wird der Geringste von uns sein Heil erkaufen dadurch, daß er einen Gast oder Freund des Klosters ausliefert ... Und nun, mein Sohn, verlaßt uns! und seid Gottes Schutz empfohlen!«

Kaum war Sir Piercie Shafton aus der Zelle des Abtes verschwunden, als dieser, im Begriffe, sich in sein Ornat zu kleiden, von einem Unbekannten um eine Unterredung gebeten wurde. Als er diesem Wunsche willfahrte und er sich den Mann ansah, der zu ihm trat, erkannte er zu seinem nicht geringen Staunen den reformierten Prediger Heinrich Warden. Der Abt stutzte und rief voll tiefen Verdrusses:

»Ha! sollen die wenigen Stunden, die das Schicksal vielleicht dem Manne läßt, der wohl zum letzten Male den hehren Schmuck dieser heiligen Stätte tragen wird, noch durch die Zudringlichkeit der Ketzerei vergällt werden? Kommst Du, Dich der Hoffnungen zu freuen, die Deiner fluchwürdigen Sekte verstattet zu sein scheinen? kommst Du, den Besen zu führen, der unsre Heiligtümer hinwegfegen, unsre heilige Religion schänden soll? der die Zinnen dieses heiligen Gotteshauses zertrümmern helfen soll?«

»Ruhig, William Allan,« antwortete mit Fassung und Würde der protestantische Prediger, »aus solchem Grunde komme ich nicht! Freilich sähe ich gern diese heiligen Hallen der Götzenbilder beraubt, die nicht mehr betrachtet werden als Darstellungen guter und weiser Menschen, sondern die zu Gegenständen schändlichsten Mummenschanzes geworden sind! Nichtsdestoweniger tadle ich scharf all jene Verwüstungen, die das niedre Volk in seiner blinden Zerstörungswut begangen hat, indem es sich, von seinem Eifer gegen falschen Götzendienst zu blutigen Verfolgungen hinreißen läßt ...«

»Nichtswürdiger!« erwiderte Pater Eustachius, »wozu der Vorwand, unter dem Du dieses Gotteshaus beraubst? Warum willst Du in solcher Zeit schwerer Bedrängnis seinem letzten Abte Hohn sprechen durch Deine unheilkündende Nähe?«

»William Allan, Du bist unbillig, und doch bleibe ich bei meinem Entschlusse! Du hast mich vor kurzem mit Gefahr Deines Standes und, was bei Dir noch mehr gilt, Deines Rufes, bei Deiner eignen Sekte in Schutz genommen. Jetzt hat unsre Partei die Oberhand. Aber ich bin, glaube mir, bloß darum in dieses Tal hernieder gekommen, das Du mir seinerzeit bis zur Entscheidung der Angelegenheit angewiesen hast, um meine Schuld bei Dir abzutragen.«

»Es mag wohl sein,« erwiderte der Abt, »daß mich jetzt dafür, daß ich einst schwach genug war, weltlichem und unmännlichem Mitleid Gehör zu geben, die Strafe trifft durch das Herannahen dieses Gerichts ... und daß der Himmel um deswillen den irrenden Hirten gestraft und die Herde zerstreut hat.«

»Denke besser vom göttlichen Gericht!« erwiderte Warden, »nicht um der Sünden willen, an denen Deine verkehrte Erziehung die Schuld trifft, wirst Du gestraft, sondern für jene Sünden, die Deine unselige Kirche durch jahrhundertelange Irrtümer auf ihr Haupt und aus das Haupt ihrer Getreuen gehäuft hat.«

»Nun, bei meinem unerschütterlichen Glauben an den Felsen Petri,« rief der Abt, »Du entfachst den letzten Funken menschlichen Unwillens, den ich aus meinem Busen gebannt wähnte, und Deine Stimme reizt mich noch einmal zur Aeußerung ungöttlichen Zornes. Ha, in diesen Stunden schweren Herzeleids willst Du der Kirche Hohn sprechen, die das Licht des Christentums seit den Zeiten der Apostel bis auf uns ungetrübt erhalten hat!«

»Seit den Zeiten der Apostel!« wiederholte Warden, »nein! William Allan, das ist zu leugnen! Die Urkirche ist von der römischen so grundverschieden, wie Licht von Finsternis. Aber schnöde denkst Du von mir, wenn Du mir unterschiebst, ich sei gekommen, Dich in der Stunde der Betrübnis zu kränken, während ich doch, das weiß Gott, zu Dir herkomme mit dem christlichen Wunsche, eine Schuld abzutragen, in der ich noch immer bei Dir stehe, dadurch abzutragen, daß ich den Grimm der Sieger mildre zu Deinem Besten, den Groll jener Sieger, die Gott als Geisel für Deine Hartnäckigkeit Dir sendet ...«

»Ich brauche Deine Güte nicht,« erwiderte der Abt mit Stolz, »die Würde, zu der die Kirche mich erhob, hätte zu keiner Zeit, sogar nicht denen des höchsten Glücks, meinen Busen mit größerm Stolze erfüllt, als es der Fall ist in diesen Stunden schweren Verhängnisses. Ich verlange nichts weiter von Dir, als die Versicherung, daß meine Milde gegen Dich nicht zum Mittel geworden ist, eine Seele dem Satan zuzuführen, die von dem großen Seelenhirten meiner Aufsicht anvertraut wurde ...«

»William Allan,« sagte Warden, »ich will aufrichtig sein gegen Dich. Was ich versprach, habe ich gehalten, ich habe meine Zunge gefesselt. Aber es hat dem Himmel gefallen, Fräulein Mary von Avenel zu einem bessern Glauben zu bekehren.«

»Elender!« rief der Abt, nicht mehr im stande, an sich zu halten, »Du rühmst Dich vor dem Abt des Liebfrauenklosters, die Seele eines Menschen aus dem Kirchsprengel auf die Pfade des Irrtums, in das Netz der Ketzerei gelockt zu haben? Wellwood, Du treibst mich zum Aeußersten, die letzten Augenblicke meiner Macht zur Vernichtung eines Menschen anzuwenden, der seine ihm von Gott verliehenen Anlagen in so schnöder Weise dem Dienste des Satans geweiht hat!«

»Tue, was Dir gefällt, William Allan,« erwiderte der Prediger, »aber Deine nichtige Wut soll mich nicht hindern, meine Pflicht zu Deinem Besten zu erfüllen, so weit ich es darf, ohne daß ich die andern Pflichten meines höhern Berufs dadurch verletze. Ich gehe zum Earl von Murray.«

In diesem Augenblick dröhnte die größte Kirchenglocke, und das war das Zeichen, daß der Feind im Anzuge sei. Der Abt wiederholte seinen Befehl, daß sich alle Brüder wie zu feierlicher Prozession kleiden und in dem Chor verharren sollten, dann stieg der Abt auf einer besondern Treppe zu den Zinnen des herrlichen Klosters hinauf, wo er den Sakristan antraf, der eben die gewaltige Glocke in Bewegung gesetzt hatte, gemäß dem ihm vom Abte gegebnen Befehle.

»Ich erfülle heute zum letzten Male, hochwürdiger Vater und Lord,« sprach er zu dem Abte, »meine Amtspflichten als Sakristan des Klosters, denn dort nahen die Philister, aber die Glocke sollte nicht anders, als in echten und vollen Klängen erschallen. Für einen Mann unsers Standes bin ich zwar Sündenknecht genug gewesen,« fügte er hinzu mit einem Blicke zum Himmel, »aber das eine glaube ich sagen zu dürfen, daß noch nie eine Glocke vom Turm unsrer heiligen Kirche die Harmonie nicht gewahrt habe, seit Vater Philipp als Glöckner im Amte gewesen ist.«

Ohne dem Bruder eine Antwort zu geben, richtete der Abt seine Blicke auf die Straße, die sich um den Berg herum von Süden her um Kennaqhueir zieht. Er sah in der Ferne eine Staubwolke und hörte das Stampfen von Rossen, dann sah er das Blitzen von Speeren, die sich in das Tal herunter bewegten.

»Pfui über meine Schwäche,« sprach Pater Eustachius, indem er sich die Augen wischte, »mein Gesicht ist zu trüb geworden, um ihre Bewegungen zu verfolgen. Sieh Du hin, mein Sohn Edward,« ... sein Liebling, der Novize, war eben in seine Zelle getreten ... »und sage mir, was für Fahnen sie führen.«

»Schotten sinds, bloß Schotten,« rief Edward, »ich sehe die weißen Kreuze ... vielleicht sind es die westlichen Grenzleute ...«

»Sieh nach dem Banner,« sagte der Abt, »was für ein Wappen führt es?«

»Das Wappen von Schottland,« sagte Edward, »den Löwen mit dem Saum, durch drei Balken, wie mir deucht, geteilt. Sollte dies etwa die königliche Standarte sein?«

»Nein!« versetzte der Abt, »die des Earl von Murray! Er hat ja doch seit seinen letzten Siegen die Abzeichen des mutigen Randolph angenommen und auf seinem angeerbten Wappenschilde die Binde angefügt, die seine niedre Herkunft bekundete ... wollte Gott, daß er sie auch aus seinem Gedächtnisse verwischt hätte!«

»Zum wenigsten wird er uns vor den Südländern schützen,« meinte Edward.

»Ja, mein Sohn, wie der Schäfer ein schwaches Lamm vor dem Wolfe schützt, das er zu rechter Zeit sich für eine Mahlzeit aufbewahrt. Ach, mein Sohn, schwere Zeiten sind es, die unsrer warten; schon zeigen die Mauern unsers Heiligtums eine Bresche, denn Dein Bruder ist von seinem Glauben abgefallen. So lautet die letzte geheime Nachricht, die mir übermittelt worden ist. Murray hat bereits davon gesprochen, ihn mit der Hand Mary Avenels zu belohnen.«

»Mary Avenels!« sagte der Novize, indem er zu der Wand hinüber wankte, die den stolzen Bau stützte.

»Ja, Mary Avenels, mein Sohn, und sie ... sie hat gleichfalls den Glauben ihrer Väter abgeschworen. ... Weine nicht, mein Sohn, oder wenn Du weinen willst, dann weine über ihren Abfall, und preise den Herrn, daß er Dich aus dieser sündigen Welt zu sich einberufen hat, denn ohne die Gnade der heiligen Jungfrau wärest Du auch einer von diesen Abtrünnigen geworden.« Nach einer Weile fuhr er fort: »Auch ich weine nicht, mein Sohn, und welchen Verlust habe ich zu gewärtigen! Betrachte hier diese Türme, in denen Heilige wohnten und Helden bestattet wurden. Erwäge, daß ich doch kaum erst zur Leitung der frommen Herde berufen worden bin, die seit den ersten Zeiten des Christentums hier sich zusammengefunden hat. ... O, komm, komm, laß uns hinab steigen! laß uns unserm Schicksal entgegen gehen! Ich sehe, sie nähern sich bereits dem Dorfe.«

Kurz nachher tat sich das Hauptportal der Kirche auf, und eine feierliche Prozession bewegte sich langsam aus dem reichverzierten Torwege. Kreuze und Fahnen wurden getragen, Kelche und Monstranzen und Reliquienschreine, Weihrauchfässer wurden geschwenkt, und dem langen Zuge der Mönche in ihren schwarzen, bis zu den Füßen reichenden Talaren, darüber die weißen Skapuliere, schritten die Klosterbeamten voran mit den besonderen Abzeichen ihres Amtes. Und in der Mitte, umringt von seinen vornehmsten Amtsgehilfen, ging der Abt in seiner feierlichen Tracht, mit so ruhiger, ernster Miene, als hätte er nur Sinn für die feierliche Handlung, die sich eben vollzog. Hinter ihm her schritten die geringern Personen des Klosters, die Novizen in ihren weißen Chorhemden, dann die Laienbrüder, sich durch ihre Bärte auszeichnend, die von den Mönchen nur in besondern Fällen beibehalten wurden. Den Nachzug bildeten Weiber und Kinder mit mehreren Männern, die sämtlich über die bevorstehende Verwüstung ihres Klosters bittre Tränen weinten. In dieser Ordnung bewegte sich die Prozession einher, durch leise Klagetöne, die sich in den gemessnen Gesang der Mönche mischten, ihr Nahen kündend.

Auf dem Marktplatz des kleinen Dorfes Kennaqhueir, damals wie noch heutzutage sich durch ein uraltes Kreuz von prächtiger Schnitzerei auszeichnend, das neben einer vielleicht noch ältern, aber sicher ebenso hoch verehrten mächtigen Eiche stand, die wohl schon den Götzendienst der Druiden erlebt haben mochte, stellten die Mönche sich auf, das Te-Deum singend, und um sie her drängten sich alle diejenigen, die unter dem Banne des allgemeinen Schreckens standen. Dann trat eine feierliche Pause ein. Der Gesang der Mönche verstummte, die Wehklagen der Laien verstummten, und alles harrte in bangem Schweigen der Ankunft des ketzerischen Söldnertrupps. ... Endlich Stampfen und Wiehern von Rossen, dann blitzten hüben überm Dorfe Lanzen und Speere. Dann Waffengeklirr und laute Stimmen. Und nun zeigten sich am Hauptportal die ersten Reiter, die schnell zum Marktplätze hin sprengten. Paarweis, in geschlossener Ordnung, kamen sie, ritten um den Platz herum, bildeten Front nach der Straße zu, und so ging es fort in der gleichen Ordnung, bis sich der Marktplatz gefüllt hatte. Nun winkte der Abt leise, und gleich darauf stimmten die Mönche den feierlichen Gesang an: De Profundis clamari. ... Unterdes beobachtete der Abt die Reihen der Krieger, um zu erkennen, welchen Eindruck der Gesang auf sie mache. Alle wahrten Schweigen, aber auf manchem Gesicht malte sich deutlich die Verachtung, und fast alle andern zeigten Gleichgültigkeit, denn sie waren schon zu lange an ihr wildes Leben gewöhnt, daß durch Hymnen und Prozessionen noch ihre schlummernden bessern Gefühle hätten geweckt werden sollen. ...

Mittlerweile ritten langsam die Kommandanten heran, Earl Murray und Morton, beide in tiefem Gespräch begriffen, mit ihrem Gefolge, darunter auch Halbert Glendinning, bis in die Mitte des Platzes. Heinrich Warden, eben aus dem Kloster zurückgekehrt, gesellte sich sogleich zu ihnen. Er war übrigens der einzige, der bei der Unterredung der beiden Grafen zugegen sein durfte.

»Also seid Ihr wirklich entschlossen, Mylord,« sagte Morton, »die Erbin von Avenel mit all ihren Rechten und Ansprüchen diesem in Niedrigkeit gebornen jungen Menschen ohne Namen zu geben?«

»Hat Euch nicht Warden gesagt, daß sie zusammen aufgezogen worden sind?« fragte Murray, »und daß sie einander von Jugend auf in Liebe zugetan gewesen sind?«

»Nun, meiner Meinung nach recht romantische Gründe, Mylord von Murray, und kaum triftig genug, das junge Ding einem Bennygask zu weigern! Doch sagts nur unumwunden, Mylord! Ihr seht das feste Schloß lieber in den Händen eines Menschen, der, was er ist, Eurer Huld und Gnade verdankt, als in der Hand eines Douglas und meines engsten Verwandten!«

»Mylord von Morton,« sagte hierauf Graf Murray, »ich habe in der Sache nicht das geringste getan, was Euch kränken oder gar beleidigen könnte. Ich habe dem jungen Glendinning dieses Versprechen eigentlich schon gegeben zu Julians Lebzeiten, als er, außer der Lilienhand dieses Fräuleins, nichts zu erwarten hatte. Dahingegen habt Ihr für eine Heirat zwischen Mary Avenel und Eurem Verwandten ein Wort erst eingelegt, als Ihr Julian tot auf dem Schlachtfelde liegen sahet. Wahrlich, Mylord, Ihr erweist Eurem Vetter Bennygask nach meinem Dafürhalten keinen sonderlichen Gefallen, denn ihre Herkunft abgerechnet, ist sie doch nur eine Bauerndirne. Ich hätte gemeint, Ihr könntet für Eure Familie weit besser sorgen!«

Morton wollte eben hierauf erwidern, als sich Heinrich Warden, der protestantische Pfarrer, die Freiheit, die seinem Stande schon lange zustand, herausnahm zu einer Einmischung.

»Mylords,« sprach er, »ich muß der Pflicht gemäß, die mein Stand mir auferlegt, die beiden Edlen, die das Werk der Reformation so eifrig gefördert haben, ermahnen, sich nicht zu veruneinigen um eines alten Schlosses und einiger Sandhügel willen oder gar um einer alten Liebschaft willen, die zwischen einem geringen Lanzenreiter und einem in gleicher Niedrigkeit erzognen Mädchen sich gebildet hat ...«

»Edler Douglas,« sprach Murray, »ich glaube, unser frommer Warden hat im rechten Augenblicke das Wort genommen und hat mit dem wenigen, was er gesprochen, durchaus recht.« Hier reichte er Morton-Douglas die Hand. ... »Unsre Einigkeit ist für die gegenwärtige Lage unsers gemeinsamen Vaterlandes zu wichtig, als daß wir sie um geringfügiger Dinge wegen gefährden dürften. Dem Glendinning in diesem Falle den Willen zu tun, bin ich fest entschlossen. Ich kann nicht mehr anders, denn ich habe ihm mein Wort gegeben. Die Kriege, an denen ich beteiligt gewesen, haben manche Familie ins Elend gebracht. Laßt mir den Versuch, ob ich einmal eine Familie werde glücklich machen können! Es gibt Mädchen in Schottland genug, die sich besser schicken für Euern Vetter, und ich geb Euch das Versprechen, daß Bennygask eine treffliche Partie machen soll.«

»Mylord,« nahm Heinrich Warden wieder das Wort, »Ihr redet edel und wie ein echter Christ. O, laßt uns in diesem Lande des Blutvergießens die wenigen Spuren der Liebe nicht vertilgen, die sich noch darin vorfinden! Noch nun zu ...«

»Ich weiß, Warden, ich weiß! Dort steht der stolze Abt, von dem Ihr nun reden wollt. ... Aber Ihr habt nun schon so viel für ihn gesprochen, daß ich fast hätte sagen mögen: weniger wäre mehr gewesen! Sonst aber, Warden, hätt ich das Nest heut einmal richtig ausgehoben und all dies schwarze Gesindel hinausgeworfen.«

»Und ich meine,« sagte Morton, »das solltet Ihr jetzt auch noch tun! den Mönchen die Einkünfte nehmen, heißt ihnen die Fangzähne ausbrechen!«

»Nun, etwas rupfen wollen wir ihn doch, trotz aller schönen Worte unsers frommen Warden ... und wenn er in der Abtei verbleiben will, dann wird ihm nichts andres übrig bleiben, als uns den Piercie Shafton herauszurücken!«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so waren sie auf den Marktplatz gelangt, und im selben Augenblick sprengte ein Herold aus dem Zuge, der die beiden mächtigsten Edelleute des Reiches begleitete, und ritt zu den Mönchen hinüber.

»Dem Abte des Liebfrauenklosters wird hiermit befohlen, vor dem Earl von Murray, dem Landesverweser, zu erscheinen!«

»Der Abt des Liebfrauenklosters,« lautete dessen Antwort, »behauptet in seinem Stiftsgebiete den Rang vor jedem weltlichen Lord. Er läßt demzufolge dem Earl von Murray sagen, derselbe möge sich zu ihm verfügen!«

Murray vernahm diese Antwort mit Hohnlächeln. Dann schwang er sich aus dem Sattel und näherte sich in Begleitung von Morton-Douglas und mehreren andern den um das Kreuz versammelten Mönchen, die von Schrecken vor dem mächtigen Manne befallen zu werden schienen. Aber der streitbare Abt strafte sie mit einem tadelnden Blicke. Dann trat er aus ihren Reihen heraus und direkt vor die Edelleute.

»Lord James Stuart, oder Earl von Murray, sofern dies Euer Titel ist, mit welchem Rechte, frage ich, Eustachius, Lord-Abt des Liebfrauenklosters, Euch hiermit, überfallt Ihr mit streitbaren Haufen unser friedliches Kirchdorf? Weshalb umzingelt Ihr meine Brüder? Nie weigerten wir Euch, wenn Ihr darum ersuchtet, die Gastfreundschaft! Denkt Ihr aber Gewalt gegen friedfertige Geistliche zu gebrauchen, so saget uns zuvor den Grund hierfür und laßt uns auch Zweck und Ziel solches Tuns wissen!«

»Herr Abt,« erwiderte Murray, »Eure Redeweise hätte sich für ein früheres Jahrhundert besser geeignet und für geringere Personen, als Ihr in uns vor Euch seht. Wir stehen nicht hier, um Fragen von Euch zu beantworten, sondern um an Euch Fragen zu stellen. – Warum habt Ihr den Frieden gebrochen dadurch, daß Ihr Eure Vasallen unter die Waffen riefet und die Lehnsleute der Königin aufbotet?«

»Lupus in fabula!« erwiderte voll Verachtung der Abt, »auch der Wolf warf ja dem Lamme vor, es habe das Bächlein getrübt, dieweil er doch oben am Laufe stand ... aber das gab ihm den Vorwand, das Lamm zu verschlingen. Ich hätte die Lehnsleute der Königin aufgeboten? Ich tat es, um das Land der Königin gegen Fremdlinge zu verteidigen! Ich tat also nichts, als meine Pflicht, und bedaure nur eins, daß ich zu schwach an Mitteln war, meine Pflicht mit stärkerm Nachdruck zu erfüllen.«

»Und Eure Pflicht war es auch, Verrätern und Empörern wider die Königin von England in Euern Klostermauern Unterstand zu geben?«

»In meinen jüngern Jahren,« erwiderte der Abt mit der gleichen Unerschrockenheit, »war es kein so schlimmes Ding, ein Krieg mit England, daß deshalb ein infulierter Abt einem Fremdling, der Gastfreundschaft bei ihm suchte, sie hätte weigern sollen. In meinen jüngern Jahren,« setzte der Abt hinzu, »hätte sich jeder Bauer geschämt, aus Furcht vor einem Zwiste mit England einem Fremden die Tür zu weisen. Allein in jenen Zeiten sahen Engländer selten das Gesicht eines schottischen Ritters anders als durch sein Visier.«

»Mönch!« sprach mit Nachdruck der Graf von Murray, »es soll Dir wenig frommen, daß Du versuchst, Dich in Ungezogenheiten zu überbieten! Wir leben nicht mehr in jenen Zeiten, da sich ein römischer Priester herausnehmen durfte, einem Edelmanne ungestraft Hohn zu sprechen! Den Piercie Shafton gib uns heraus, oder, bei meines Vaters Helmbusch! Deiner Abtei wird der rote Hahn aufs Dach gesetzt!«

»Sofern dieser Fall eintreten sollte, so werden die Trümmer meiner Abtei auf die Gräber Deiner Ahnen stürzen. Möge der Ausgang werden, wie er wolle, der Abt des Liebfrauenklosters liefert keinen Menschen aus, der Schutz in den Mauern des heiligen Zufluchtsortes gesucht hat!«

»Abt, bedenke Dich,« erwiderte Graf Murray, »und nötige uns nicht zu harten Maßregeln! Die Hände von Kriegern wie diesen,« setzte er hinzu, auf seine Mannen, zeigend, »werden in Zellen und zwischen Heiligtümern keine Euch genehme Arbeit verrichten. Also zwingt uns nicht zu einer Haussuchung, denn wir müssen den englischen Hund haben.«

»Das sollt Ihr nicht notwendig haben,« rief eine Stimme aus der Menge, und der Schönschwätzer, den Mantel von sich werfend, in den er sich gehüllt hatte, trat mit allem Anstand eines Edelmannes vor die Grafen und Edelleute, »hinweg mit der Wolke, die Piercie Shafton verdunkelte! hier, Mylords, erblickt den Ritter von Wilverton, der Euch die Schuld erspart, Gewalttat und Kirchenraub zu begehen.«

»Vor Gott und der Menschheit protestiere ich wider jeden Eingriff in die Rechte meines heiligen Klosters und seiner Schirmherrschaft,« rief der Abt mit lauter Stimme, die weithin über den Platz erschallte, »und mithin gegen die Festnahme dieses edlen Ritters. Sofern das Parlament Schottlands noch über ein Atom von Macht und Ansehen verfügt, werden wir diesen Fall anderswo zur Sprache bringen.«

»Erspart Euch Eure Drohungen,« erwiderte der Graf. »Möglich, daß mein Plan mit Sir Piercie Shafton anders ist, als Ihr vermutet, aber das beschäftigt uns hier jetzt nicht. Nehmt ihn in Haft, Herold, als unsern Gefangnen! Die Folgen treffen uns.«

»Ich gebe mich selbst in Gefangenschaft,« erklärte der Schönschwätzer, »behalte mir aber mein Recht vor, die beiden Mylords von Murray und von Morton zum Zweikampfe zu fordern für die mir als Edelmann angetane Schmach!«

»Still, Freundchen, still!« rief da eine Stimme aus der Schar der Hauptleute, und Stalwarth Bolton trat vor. »Nur ruhig, ganz ruhig, Kerlchen! Deiner Mutter Vater war nichts weiter als ein Schneiderlein, ich hab ihn gar gut gekannt, den alten Fadenspuler von Holderneß! Meinst, wir solltens vergessen, weil Du Dich erfrechst, Deine Herkunft zu verleugnen, und Dich wie ein aufgeblasner Vogel in unbezahlten Samt und Seide zu stecken und mit Kavalieren und Kammerherren Umgang zu halten? Molly Kreuzstich, Deine Frau Mama, war das niedlichste Marjellchen im ganzen Lande. Die ging mit dem wilden Shafton von Wilverton auf und davon, und der war, wie man sagt, mit den Piercies linker Hand verwandt. Ob sich die beiden hinterher noch geheiratet haben, kann sein. Bestreiten will ich es nicht, aber gehört davon hab ich nichts.«

»Holt doch dem edlen Ritter ein bißchen geweihtes Wasser!« rief höhnend Morton, »er ist so hoch herabgepurzelt, daß ihn schwindelt, infolge all des vielen Schwindels, den er uns aufgetischt hat!«

Wirklich sah Sir Piercie Shafton aus, als wenn ihn der Donner gerührt hätte, während sich niemand, selbst der heilige Abt nicht, eines Lachens enthalten konnte. »Lacht nur, Ihr ärgert mich damit doch nicht,« sagte Sir Piercie endlich, »aber erlaubt mir, an diesen Squire hier die Frage zu richten, zu welchem Zweck er diesen unseligen Flecken in einer sonst makellosen Abkunft an die große Glocke gehängt hat?«

»Ich?« fragte tief verwundert Glendinning, der mit am lautesten gelacht hatte, denn ihm galt die pathetische Frage des Gefoppten; »ich habe bis zur Stunde ja selbst keine Ahnung von diesem Zusammentreffen der Dinge gehabt.«

»Wie? nicht von Euch hätte dieser alte Krieger diese Kunde bekommen?« fragte mit steigender Verwunderung der Ritter.

»Nein! beim Himmel! von ihm nicht!« beteuerte Stalwarth Bolton, »denn ich hab den Jüngling ja mein Lebtag noch nie gesehen als hier und als heute!«

»O, würdiger Herr,« sagte da Frau Glendinning, die jetzt aus der Menge heraustrat. »Ihr habt ihn doch schon früher einmal gesehen ... Halbert, mein Sohn, das ist ja Stalwarth Bolton, dem wir unser Leben und die Mittel zu seiner Erhaltung verdanken. Und wenn er, wie es den Anschein hat, Gefangner im Heere der Schotten ist, so tue, was in Deinem Vermögen steht, ihm seine Lage zu erleichtern. Er hats um uns verdient! ...«

»Ach ja, gute Frau,« sagte Bolton, »in meine Stirn haben sich Furchen gegraben, seit wir uns nicht mehr gesehen haben, aber Deine Zunge hält die Probe besser als mein Arm. Dein Junge hat mir heut morgen weidlich zugesetzt! Er ist ein tüchtiger Kriegsmann geworden, der braune Wicht. Aber was ist denn aus Deinem andern, aus dem Weißkopfe, geworden?«

»Ach, mein Edward ist Mönch hier in der Abtei geworden,« erwiderte die Witwe.

»Ein Mönch und ein Landsknecht. Schlimm ausgesucht von allen beiden! besser hätten sie getan, wenn der eine ein Schneider geworden wäre wie der alte Fadenspuler von Holderneß. ... Damals hab ich sie Euch geneidet, die beiden schmucken Jungen, aber heut beklag ich Euch drum. ... Der Landsknecht stirbt auf offnem Felde, und der Mönch lebt knapp im Kloster.«

»Mutter, Mutter!« rief Halbert, »wo ist Edward? Kann ich nicht ein paar Worte mit ihm reden?«

»Er ist jetzt unterwegs mit einer Botschaft für den Lord-Abt,« beschied ihn Pater Philipp.

»Und Mary, Mutter?« fragte Halbert. Mary war in der Nähe, und bald waren die drei Menschen abseits von den andern, um sich zu erzählen, wie es ihnen in der Zeit, da sie sich nicht gesehen hatten, ergangen war.

Inzwischen hatte sich der Abt mit den beiden Grafen über die zukünftige Lage seines Klosters unterhalten und war durch kluge Nachgiebigkeit einer-, durch unbedingte Zähigkeit anderseits zu Abmachungen gelangt, die den bisherigen Fortbestand der uralten Gottesstätte einigermaßen sicherten. Dann legte der Abt ein gutes Wort für Piercie Shafton ein.

»Freilich, wohl ist er ein Geck, Mylords,« sprach er »aber er ist doch ein edelsinniger Geck, und Ihr mögt ihm heute wohl weher getan haben, als wenn ein Dolchstoß sein Herz getroffen hätte.«

»Oder eine Nadel,« erwiderte lachend Morton, »ich habe wahrhaftig immer selbst gemeint, dieser Schneidersenkel sei zum wenigsten einem fürstlichen Schoße entsprungen.«

»Indes muß ich dem Abte beistimmen,« bemerkte Murray, »es möcht uns kaum zur Ehre sein, wollten wir ihn an Elisabeth ausliefern. Aber an einen Ort müssen wir ihn schaffen, wo er weder ihr noch uns ferner zum Nachteil sein kann. Unser Herold mag ihn mit Stalwarth Bolton nach Dunbar bringen. Von dort soll er hinüber nach Flandern. Doch still! da kommt er ja eben mit seiner Donna am Arm.«

»Lords und andre,« sprach der Schönschwätzer mit unsagbarer Feierlichkeit. »Bitte, Platz für die Gemahlin Piercie Shaftons! dies Geheimnis, daß mir die Dame hier angetraut worden, sollte nicht eher über meine Lippen kommen, als bis mir das Schicksal die Umstände, es zu offenbaren, günstiger in meinem Leben geordnet hatte. Aber nun muß ich es schon heute ...«

»Aber das ist ja die Mysie Happer, die Tochter vom Klostermüller,« rief die Tibb Tacket, die sich ebenfalls mit unter der Menge befand, die sich der Prozession angeschlossen hatte, »so wahr ich lebe! Also so tief ist der Stolz Piercie Shaftons gesunken?«

»Ganz recht, es ist die liebenswerte Mysinda,« bestätigte der Ritter, »deren Verdiensten um ihren Herrn und Gemahl ein weit höherer Rang noch zukäme, als ich ihn ihr zu bieten im stande bin.«

»Und doch hätten wir,« meinte Graf Murray, »wohl nie in unserm Leben etwas davon vernommen, daß aus der Müllerstochter eine Lady geworden sei, hätte Stalwarth Bolton nicht die Schneidersherkunft bewiesen.«

»Mylord,« nahm hierauf der Gekränkte wieder das Wort, »sich an einem Manne zu reiben, der nichts zu erwidern vermag, sich in solch spöttischer Weise zu reiben, ist kein sonderliches Zeichen von Mut, und Ihr werdet, wie ich hoffe, wohl nicht außer Betracht lassen, was Ihr nach dem Kriegsgesetz einem Gefangenen schuldig seid, demgemäß also des häßlichen Gegenstands nicht weiter erwähnen. Sobald ich erst wieder Herr meiner selbst bin, werde ich um Mittel und Wege, mich davor zu bewahren, nicht eben verlegen sein.«

»Wenigstens doch in der Phantasie,« bemerkte Morton.

»Doch nun gut, Douglas,« sagte Murray, »sonst steht zu fürchten, daß Ihr ihn noch toll macht! Zudem haben wir Wichtigeres zu erledigen. Glendinning soll mit Mary Avenel durch Warden getraut werden. Dann soll er ungesäumt den Besitz der Herrschaft Avenel antreten. Ich bringe dies am besten ins reine, bevor wir aus der Gegend rücken.«

»Und ich meinerseits,« nahm hier der Klostermüller das Wort, »habe auch noch solche Metze Korn zu vermahlen, denn ich hoffe, es wird sich wohl von unsern frommen Vätern einer der Mühe unterziehen, eine Mutter mit ihrem zugestutzten Herrn Bräutigam zu kopulieren.«

Загрузка...