»Und so wird es denn nun zum Schlusse noch so kommen,« sagte Adam Woodcock, »daß Ihr Erbe von Avenel werdet, Herr Roland, sobald mein gnädiger Herr und seine Frau Gemahlin das Zeitliche gesegnet haben werden. Ich habe nun bloß noch eine einzige Bitte an Euch, und darum versehe ich mich darauf auch einer günstigen Antwort.«

»Steht es in meiner Macht, Woodcock, Euch die Bitte zu gewähren, so dürft Ihr freilich darauf rechnen,« sagte Roland.

»Ei, wenn ich's erlebe, daß Ihr die Schloßherrschaft bekommt, Herr Roland,« rief Adam Woodcock keck, »dann füttre ich die jungen Falken wie bisher mit ungewaschnem Fleische weiter!«

»Na, meinetwegen,« erwiderte unter Lachen Roland, »füttre sie, wie es Dir paßt. Ich bin zwar bloß um ein paar Monate älter geworden, seit ich Schloß Avenel den Rücken gewandt habe, aber soviel habe ich doch gelernt, daß es mir nicht mehr beikommen wird, einem Manne, der seinen Beruf versteht, in der Ausübung desselben zu widersprechen.«

»Nun, daraufhin tausche ich nicht mit dem Falkner des Königs und nicht mit dem Falkner der Königin,« rief Adam Woodcock, »aber die Königin, du meine Güte, wird ja, wie es heißt, eingesperrt, wird also keinen Falkner wieder brauchen! und ich sehe es auf Eurem Gesichte, Herr Roland, die Erinnerung hieran macht Euch betrübt, und mir könnte es ja freilich auch so ergehen, aber was hilft's, das Glück geht nun mal seinen Weg ganz nach seiner Laune, und wenn man sich heiser schriee danach, ändern würde man hierin doch nichts!«

Kurz darauf unternahmen der Abt und Roland die Reise nach Schloß Avenel, und sie fanden bei dem Ritter Halbert eine überaus herzliche Aufnahme. Die Dame von Avenel aber konnte Tränen der Freude nicht zurückhalten, als sie den Waisenknaben, den sie so tief in ihr Herz geschlossen hatte, wiedersah und zwar als den einzigen überlebenden Sprößling ihrer Familie. Sowohl der Ritter als auch die Dame von Avenel waren erstaunt über die mit Roland in dieser kurzen Zeitspanne vorgegangne große Veränderung, weit erstaunter hierüber war jedoch die Schloßdienerschaft, und zu ihrem Staunen gesellte sich eine aufrichtige Freude, denn der verhätschelte, anmaßende und zanksüchtige Page war als freundlicher, anspruchsloser Jüngling wiedergekehrt, der viel zu genau wußte, was er zu erwarten hatte, und wie sich die Dinge für ihn schicken mußten, als daß er wie ehedem keck und rücksichtslos einen Respekt hätte fordern sollen, der ihm an sich selbst ja gern und willig gezollt wurde. Wingate, der alte Haushofmeister, war der erste, der seinem Lobe die Zügel schießen ließ über die Veränderung, die mit dem jungen Herrn vorgegangen, und ebenso erklangen wahre Hymnen aus dem Munde der Zofe Lilias, die nur einer Hoffnung noch Ausdruck gab, daß es Gott dem Allgütigen belieben möge, ihn zur Erkenntnis des wahren Glaubens zu führen.

Das war jedoch schon lange ein stiller Wunsch Rolands selbst, und als der Abt Ambrosius sich nach Frankreich begab, um dort in ein Kloster seines Ordens zu treten, war das wichtigste Hindernis zur Ausführung von Rolands Absicht, den katholischen Glauben abzuschwören, beseitigt. Ein andres Hindernis war freilich noch seine Pflicht gegen seine Großmutter Magdalena Gräme, aber sein Aufenthalt auf dem Schlosse Avenel war erst von kurzer Dauer, als ihn die Nachricht erreichte, die Großmutter sei in Köln als Opfer einer für ihr Alter zu strengen Bußübung verstorben, der sie sich nach Eintreffen der Kunde von der verlorenen Schlacht bei Longside zum Frommen ihrer Königin und der Kirche Schottlands unterzogen habe. Abt Ambrosius wurde in seiner Gesinnung um vieles gemäßigter und zog sich in ein Schottenkloster auf dem Festlande zurück. Dort führte er ein solches Leben der Frömmigkeit, daß die Klosterbrüder es für angemessen erachteten, die Ehre der Heiligsprechung für ihn zu beantragen. Aber er erriet, was sie vorhatten, und bat sie auf seinem Sterbebett, hiervon Abstand zu nehmen, dagegen seinen Leichnam und sein Herz in der Familiengruft des Geschlechts von Avenel im Sankt-Marienkloster zu Kennaqhueir beisetzen zu lassen, auf daß der letzte Abt des berühmten Gotteshauses unter seinen Trümmern ruhe.

Um viele Jahre früher wurde Roland von Avenel mit Katharina Seyton verbunden, die nach zweijährigem Aufenthalt bei ihrer Königin entlassen wurde, weil die Königin Elisabeth von England, beziehungsweise ihre Ministerräte eine Verschärfung der Haft für die unglückliche Maria Stuart für angemessen erachteten. Daraufhin kehrte Katharina in das Haus ihres Vaters zurück, und seitdem Roland als Nachfolger und rechtmäßiger Erbe des alten Geschlechts derer von Avenel anerkannt worden war, und sein Vorgänger, Sir Halbert Glendinning von Avenel, die Besitztümer durch seine Klugheit und Umsicht reich vermehrt hatte, wurde von seiten der Angehörigen des Hauses Seyton keinerlei Widerspruch gegen diese Verbindung erhoben. Ihre Mutter war kurz vor Katharinas Heimkehr aus dem Kloster gestorben, und ihr Vater erachtete die Verbindung mit einem der Königin Maria zwar treu ergebenen, indessen klugen Manne wie es Roland Avenel war, – der durch Sir Halbert Glendinning auf die herrschende Partei nicht ganz ohne Einfluß war, – in den wirren Zeiten, die auf die Flucht der Königin Maria nach England folgten, für nicht unerwünscht und für nicht unvorteilhaft. So wurde aus Roland und Katharina, trotz dem verschiedenen Glauben, dem sie anhingen, ein glückliches Paar, und die Erscheinung der weißen Dame von Avenel, die zur Zeit des Niedergangs des alten berühmten Geschlechts nur selten zu beobachten war, trieb wieder, angetan mit dem goldnen Gürtel so breit wie ein gräfliches Wehrgehenk, an ihrem Lieblingsbrunnen fleißig ihr Wesen.

Ende

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