Der Apotheker sprach seine Meinung auf die einschmeichelndste Weise aus; aber er schien noch unter sein natürliches Maß einzuschrumpfen, als er das Blut in die Wangen des alten Simon Glover steigen und das Gesicht des unerschrockenen Waffenschmieds vor Zorn stammen sah. Der Letztere trat vor, warf einen strengen Blick auf den erschrockenen Apotheker und brach in die Worte aus: »du wanderndes Gerippe! du schwindsüchtige Medicinalflasche! du Giftmischer von Handwerk! wenn ich glaubte, daß der Pesthauch deiner schändlichen Worte dem unbefleckten Rufe Katharina Glovers nur einen Augenblick schaden könnte, so würd' ich dich in deinem eigenen Mörser zu Pulver stoßen, elender Quacksalber! und deinen schlechten Leichnam mit Schwefelblume zersetzen, der einzigen reinen Medicin in deinem Laden, um eine Salbe für räudige Hunde daraus zu machen!«

»Halt, mein Sohn Harry, halt!« rief der Handschuhmacher im Gefühle seiner Geltung; – »kein Mensch hat ein Recht, über diesen Punkt zu reden, außer ich. – Ehrenwerther Bailie Craigdallie, da man meine Geduld auf solche Weise auslegt, bin ich gezwungen, der Sache auf den Grund zu gehen, und mag auch der Erfolg lehren, daß wir besser gethan hätten, ruhig zu bleiben, so wird man wenigstens sehen, daß meine Tochter weder durch Thorheit, noch durch Leichtsinn Anlaß zu diesem großen Aergerniß gab.«

Auch der Bailie legte sich in's Mittel. »Nachbar Harry,« sagte er, »wir kamen hieher, zu berathen, nicht um zu streiten. Als einer der Väter dieser guten Stadt befehl' ich Euch, jede übelwollende Gesinnung, die Ihr gegen Meister Apotheker Dwining hegen mögt, zu vergessen.«

»Er ist ein zu armes Geschöpf, Bailie,« sagte Harry Gow, »als daß ich mit ihm kämpfen könnte – ich, der ich ihn und seinen Laden mit einem Schlage meines Hammers zertrümmern könnte «

»Also still und hört mich,« sagte der Beamte. »Wir Alle glauben so fest an die Ehre des schönen Mädchens von Perth, wie an die unserer lieben Frau.« Hier bekreuzte er sich andächtig. »Was aber die Berufung auf unsern Oberrichter betrifft, seid Ihr Alle der Meinung, Nachbarn, daß man eine derartige Sache in seine Hände lege, während unser Gegner, wie zu fürchten, ein mächtiger Edler ist?«

»Da der Oberrichter selber ein Edelmann ist« – quäkte der Apotheker, der sich einigermaßen von seinem Schrecken durch die Einmischung des Bailie erholt: – »Gott weiß es, ich bin nicht gesinnt, das Mindeste wider einen Herrn einzuwenden, dessen Vorfahren das Amt hatten, welches er seit vielen Jahren verwaltet – «

»Durch freie Wahl der Bürger von Perth,« sagte der Schmied, den Sprecher mit seiner tiefen und entschiedenen Stimme unterbrechend.

»Ja, gewißlich,« erwiderte der erschreckte Redner. »Durch die Stimme der Bürger. Wie sonst? – Ich bitt' Euch, Freund Schmied, unterbrecht mich nicht. Ich rede zu unserm ehrenwerthen Aeltesten, Bailie Craigdallie, wie mein bescheidener Verstand mir's eingibt. Ich sage, mag kommen was will, Sir Patrick Charteris ist doch immer ein Edelmann, und eine Krähe hackt der andern kein Auge aus. Er mag uns wohl in einer Fehde mit den Hochländern vertreten und Partei gegen sie nehmen, als unser Führer und Oberrichter; aber eine andere Frage ist, ob er, der sich in Seide trägt, Lust haben wird, gegen Herren in gestickten goldverbrämten Kleidern unsere Sache zu verfechten, wie er's gegen den Tartan und irischen Fries gethan hat. Nehmt eines Thoren Rath. Wir haben unser Mädchen gerettet, der meine Worte nimmer eine Schmach anthun sollten, so wahr ich nichts Schmachvolles weiß. Sie haben mindestens eines Mannes Hand verloren, Dank Harry Schmied –«

»Und mir« – fügte der kleine, wichtige Strumpfwirker hinzu.

»Und Oliver Proudfute, wie er uns sagt,« fuhr der Apotheker fort, welcher keines Mannes Anspruch auf Ruhm betritt, wenn er nur selber die gefahrvollen Pfade, die zu selbigem führten, nicht wandeln mußte. »Ich sage, Nachbarn, daß, da sie uns eine Hand als Pfand gelassen haben, nie mehr in die Curfewstreet kommen zu wollen, so wär' es, meiner schlichten Ansicht nach, das Beste, wenn wir unserm tapfern Mitbürger dankten und, da die Stadt die Ehre, jene Schurken aber den Verlust haben, über die Sache schwiegen, und nichts mehr darüber sagten.«

Dieser friedliche Rath that bei einigen Bürgern Wirkung, welche begannen zu nicken und ausnehmend weise den Advokaten des Friedens betrachteten, mit welchem, trotz der letzten Beleidigung, Simon Glover ebenfalls übereinzustimmen schien. Nicht so jedoch Harry Schmied, welcher, bemerkend, daß Niemand das Wort führte, in seiner gewohnten freien Weise wieder zu sprechen begann.

»Ich bin weder der Aelteste noch der Reichste unter Euch, Nachbarn, und darum gräme ich mich nicht. Die Jahre werden kommen, wenn man's erlebt, und ich kann erwerben und meinen Pfennig wie ein Anderer geben beim Feuer des Ofens und dem Blasen meiner Bälge. Aber Niemand sah mich je träge, wenn unserer guten Stadt durch Wort oder That Unrecht geschah und in der Macht der Zunge und des Armes eines Mannes stand, dafür Recht zu schaffen. Daher werd' ich eine solche Schmach nicht ruhig ansehen, wenn ich was Besseres vermag. Ich werde selbst den Oberrichter aufsuchen und wenn ich allein hingehen müßte. Er ist allerdings ein Ritter und ein Edelmann, wie Jeder weiß, von Vater auf Sohn, seit der Zeit Wallace's, der den Urgroßvater des Sir Patrick in dieses Land eingeführt hat. Wär' er aber auch der stolzeste Edle im Lande, er ist Oberrichter in Perth und muß für Erhaltung der Rechte und Freiheiten der Stadt wachen. Ja, und ich bin überzeugt, er wird es thun; ich hab' ihm einen Stahlpanzer gemacht, und weiß so ziemlich, welcher Art das Herz ist, das er decken soll.«

»Allerdings,« sagte der Bailie Craigdallie, »bei Hofe würden wir ohne den Sir Patrick Charteris zu nichts kommen; die schnelle Antwort würde sein: Geht zu Eurem Oberrichter, Ihr grobes Volk! Wenn Ihr daher, Nachbarn und Mitbürger, mir zur Seite stehen wollt, so will ich und unser Apotheker Dwining, nebst Simon Glover, dem wackern Schmied und dem tapfern Oliver Proudfute als Zeugen des Unfugs, sogleich nach Kinfauns gehen und mit Sir Patrick im Namen der guten Stadt reden.«

»Nein,« sagte der friedliche Mann der Medicin, »laßt mich daheim, ich bitt' Euch; mir fehlt die Kühnheit, vor einem Ritter zu sprechen.«

»Schadet Alles nichts, Nachbar, Ihr müßt mit,« sagte Bailie Craigdallie. »Die Stadt hält mich bei meinen sechzig Jahren für einen Hitzkopf – Simon Glover ist die beleidigte Partei – wir Alle wissen, daß Harry Gow mit seinem Schwerte mehr Harnische zerhaut, als er mit seinem Hammer schmiedet – und unser Nachbar Proudfute, – der, wie er selber sagt, beim Anfang und Ende jedes Kampfes in Perth ist, – ist natürlich ein Mann der That. Wir müssen zum wenigsten Einen unter uns haben, der zu Frieden und Ruhe ermahnt, und du, Apotheker, mußt der Mann sein. Fort denn, Ihr Herren, die Stiefeln an und zu Pferde – fix und fertig! – beim östlichen Thor kommen wir zusammen – das heißt nämlich, wenn es Euch gefällt, Nachbarn, uns die Sache anzuvertrauen.«

»Besseres ließ sich nicht sagen, und wir Alle genehmigen es,« sagten die Bürger. »Wenn der Oberrichter unsere Partei nimmt, wie die Stadt mit Recht erwarten kann, so nehmen wir's mit dem Besten von ihnen auf.«

»Nun gut, Nachbarn,« sagte der Bailie. »Wie gesagt, so gethan. Ich habe übrigens auf diese Stunde den ganzen Rath der Stadt zusammenberufen, und ich zweifle nicht,« dabei sah er sich in der Gesellschaft rings um, »daß, da so viele Anwesende dafür sind, daß man sich mit dem Oberrichter berathe, der Rest denselben Beschluß fassen werde. Daher, Nachbarn und Bürger der guten Stadt Perth – zu Pferde, wie ich gesagt habe, und versammelt Euch am östlichen Thore.«

Ein allgemeines Beifallrufen schloß die Sitzung dieses geheimen Rathes, und sie gingen auseinander, die Abgeordneten, um sich zur Reise zu bereiten, und die Andern, um ihren ungeduldigen Weibern und Töchtern die Maßregeln zu berichten, die getroffen waren, um ihre Gemächer in Zukunft gegen das Eindringen von Liebhabern zu ungelegener Stunde sicher zu stellen.

Während man die Klepper sattelt und der Rath der Stadt bespricht oder vielmehr in gesetzlicher Form feststellt, was die leitenden Mitglieder bereits angenommen hatten, mag es zur Unterrichtung mancher Leser nothwendig sein, in bestimmteren Ausdrücken auseinander zu setzen, was im Laufe der frühern Erörterung nur oberflächlich angedeutet ward.

Es war die Sitte dieser Periode, als die Stärke der lehnsherrlichen Aristokratie die Rechte der königlichen Städte Schottlands und deren Privilegien häufig verhöhnte, daß sich diese Städte, wo es thunlich war, ihren Oberrichter, d. h. die höchste obrigkeitliche Person, nicht aus dem Stande der Kaufleute, Krämer und Bürger wählten, welche die Stadt selbst bewohnten und die gewöhnliche Obrigkeit bildeten, sondern aus den Edeln oder Baronen in der Umgegend der Stadt; man erwartete von dem, der auf diesen hohen Posten erhoben worden, daß er die Stadt bei Allem, was ihre Interessen anlangte, bei Hofe vertrat, ihre Truppen befehligte, mochten sie nun für die Krone ziehen, oder eine Privatfehde der Stadt auszufechten haben, und daß er jene mit seinen eigenen Vasallen verstärkte. Der auf solche Weise gewährte Schutz blieb nicht immer unbelohnt. Oefters benutzten die Oberrichter ihre Stellung auf eine unverantwortliche Weise, ließen sich Güter und Häuser, die der Gemeinde gehörten, abtreten, und machten sich oft für die geleisteten Dienste von den Bürgern auf Kosten des öffentlichen Eigenthums sehr theuer bezahlt. Andere begnügten sich mit dem Beistande der Bürger in ihren Privatfehden und mit den andern Zeichen der Achtung und Erkenntlichkeit, welche die untergebenen Städte ihnen gern zollten, um sich ihres thätigen Beistandes im Falle der Noth zu versichern. Dem Baron, der der gewöhnliche Beschützer einer Stadt war, wurden diese freiwilligen Opfer ohne Bedenken dargebracht, und er vergalt sie dadurch, daß er die Rechte der Stadt schirmte, im Rathe durch seine Beredtsamkeit und durch kühne Thaten im Felde.

Die Bürger der Stadt, oder, wie sie lieber sagten, der guten Stadt Perth, hatten seit mehreren Generationen einen Beschützer und Oberrichter solcher Art in dem edlen Hause der Charteris, Herren von Kinfauns, in der Nähe der Stadt gefunden. Kaum ein Jahrhundert (zur Zeit Roberts III.) war verschwunden, seit der Erste dieser ausgezeichneten Familie sich auf dem festen Schlosse niedergelassen hatte, das ihm damals gehörte, so wie das malerische und fruchtbare Gebiet ringsum. Aber die Geschichte dessen, der sich so angesiedelt hatte, an sich schon ritterlich und romantisch, war geeignet, die Niederlassung eines Fremden in dem Lande zu erleichtern, wohin das Schicksal ihn geführt hatte. Wir erzählen sie, wie sie eine alte Sage gibt, welche große Wahrscheinlichkeit hat und vielleicht begründet genug ist, um in ernsteren Geschichtsbüchern, als das vorliegende, eine Stelle zu finden.

Während der kurzen Laufbahn des berühmten Patrioten Sir William Wallace, und als seine Waffen für eine Zeit lang die englischen Eindringlinge aus seinem Vaterlande vertrieben hatten, soll er mit einigen vertrauten Freunden eine Fahrt nach Frankreich unternommen haben, um zu versuchen, ob seine persönliche Gegenwart (denn er war in allen Ländern seiner Tapferkeit wegen geachtet) den König von Frankreich bestimmen könnte, ein Corps Hülfstruppen nach Schottland zu schicken, oder einen andern Beistand, um den Schotten zu Wiedergewinnung ihrer Unabhängigkeit zu verhelfen.

Der schottische Held befand sich an Bord eines kleinen Fahrzeugs und steuerte nach dem Hafen von Dieppe, als in der Ferne ein Segel erschien, welches die Seefahrer anfangs mit Furcht und Besorgniß, und endlich mit Bestürzung und Schrecken betrachteten. Auf Wallace's Frage, woher ihre Bestürzung rühre, unterrichtete ihn der Kapitän, daß das große Schiff, welches in der Absicht, das ihrige zu entern, auf sie lossteure, einem berühmten Korsaren gehöre, der eben durch seinen Muth und seine körperliche Stärke, wie durch sein beständiges, sich immer gleich bleibendes Glück berüchtigt sei. Der Befehlshaber sei ein französischer Edelmann, genannt Thomas de Longueville, und gehöre zu den Piraten, die sich für Freunde des Meeres und für Feinde aller derer erklärt haben, die auf diesem Elemente segeln. Er greife die Schiffe aller Nationen an, plündere sie, gleich einem der nordischen Seekönige, wie man sie nannte, deren Herrschersitz auf den Wogengebirgen war. Der Schiffsherr fügte hinzu, kein Fahrzeug könne dem Räuber durch die Flucht entgehen, so schnell sei sein Schiff; und keine noch so kühne Bemannung könne hoffen, ihm zu widerstehen, wenn er, nach seiner gewohnten Weise zu fechten, sich an der Spitze seiner Leute an Bord stürze.

Wallace lächelte bitter, während der Herr des Schiffes mit Unruhe im Gesicht und Thränen in den Augen ihm die Gewißheit vorstellte, daß sie Gefangene des rothen Räubers sein würden, ein Name, den Longueville erhielt, weil er gewöhnlich eine blutrothe Flagge entfaltete, die er bereits aufgezogen hatte.

»Ich will den Kanal von diesem Räuber säubern,« sagte Wallace.

Dann rief er zehn oder zwölf seiner eigenen Gefährten zusammen, Boyd, Kerlie, Seton und Andere, denen der Kampf der verzweifelten Schlacht wahre Lebenslust dünkte, und befahl ihnen, sich zu waffnen und sich platt auf's Verdeck zu legen, daß man sie nicht sehen könnte. Desgleichen ließ er alle Seeleute unter's Verdeck gehen, außer diejenigen, die durchaus nöthig waren, um das Schiff zu lenken, und befahl dem Schiffsherrn bei Todesstrafe so zu steuern, daß es scheine, als flöhen sie, und daß der rothe Räuber leicht an's Fahrzeug kommen könne; damit legte er sich selbst auf's Verdeck, damit durchaus nichts verriethe, daß man Widerstand zu leisten gedenke. Nach einer Viertelstunde legte des Räubers Schiff an Wallace's Fahrzeug an und der rothe Räuber warf seine Enterhaken aus, um sich der Beute zu versichern, und sprang, vom Kopf bis zu den Füßen gewaffnet, an Bord; seine Leute folgten und erhoben, als wären sie des Sieges schon gewiß, ein furchtbares Geschrei. Aber die bewaffneten Schotten richteten sich plötzlich auf und der rothe Räuber fand unerwartet, daß er es mit Leuten zu thun hatte, die den Sieg als ausgemachte Sache betrachteten, wenn es jeder nur mit zwei oder drei Gegnern zu thun hatte. Wallace warf sich selber auf den Räuberkapitän, und nun begann zwischen den Beiden ein so fürchterlicher Kampf, daß die Uebrigen zu fechten aufhörten, um Jenen zuzusehen, indem sie, wie es schien, durch stillschweigende Uebereinkunft die Entscheidung des Ganzen den zwei tapfern Anführern überließen. Der Räuber focht so gut, als es nur einem Manne möglich war; aber Wallace besaß mehr als gewöhnliche Kraft; er schlug dem Piraten das Schwert aus der Hand und bedrängte ihn so sehr, daß dieser kein anderes Mittel wußte, dem Tode zu entgehen, als daß er sich auf seinen Gegner stürzte, um ihn vielleicht im Ringen niederzuwerfen. Jedoch auch dies mißlang. Mit den Armen einander umschlungen haltend, fielen Beide auf das Verdeck nieder; aber Wallace behielt die Oberhand, faßte den Ringkragen des Gegners und drückte ihn, obwohl er vom besten Stahle gefertigt, so stark zusammen, daß dem Räuber das Blut aus Augen, Mund und Nase strömte, und er nur durch Zeichen um sein Leben bitten konnte. Seine Leute warfen ihre Waffen weg und baten um Gnade, als sie ihren Führer so hart bedrängt sahen. Der Sieger schenkte ihnen allen das Leben, nahm aber ihr Fahrzeug in Besitz und behielt sie als Gefangene.

Als er des französischen Hafens ansichtig ward, beunruhigte Wallace diesen Ort, indem er des Räubers Farben entfaltete, als käme Longueuille, um die Stadt zu plündern. Die Glocken wurden geläutet, Hörner erschallten und die Bürger eilten zu den Waffen, als sich die Scene änderte. Der schottische Löwe auf seinem goldenen Schild erhob sich über des Räubers Flagge, und verkündigte, daß der Befreier Schottlands sich nahe, wie ein Falke mit seiner Beute in den Klauen. Er stieg mit seinem Gefangenen an's Land und brachte denselben an den französischen Hof, wo auf Wallace's Bitten der König de Longueville alle Seeräubereien, die er begangen hatte, verzieh, ihn sogar zum Ritter schlug und ihm anbot, in seine Dienste zu treten. Aber der Seeräuber hatte mit seinem edlen Besieger eine so innige Freundschaft geschlossen, daß er Wallace's Schicksal theilen wollte. Er kehrte mit ihm nach Schottland zurück, focht in vielen blutigen Schlachten an seiner Seite und gab Proben einer Tapferkeit, die nur jener des schottischen Helden nachstand. Aber sein Schicksal war glücklicher als das seines Freundes. Durch Schönheit ausgezeichnet, so wie durch Stärke und Muth, gewann Sir Thomas de Longueville die Gunst eines Fräuleins aus dem alten Hause der Charteris, das ihn zum Gatten wählte und ihm das schöne Schloß Kinfauns und die zu dieser Baronie gehörigen Besitzungen zubrachte. Ihre Nachkommen nannten sich Charteris, wie ihre Ahnen von mütterlicher Seite, die früheren Besitzer ihrer Güter, geheißen hatten, obgleich der Name Thomas de Longueville bei ihnen in derselben Achtung stand. Das große zweihändige Schwert, womit er die Feinde im Kampfe niedermähete, wird noch von der Familie aufbewahrt. Eine andere Nachricht ist, daß der Familienname de Longueville's selbst Charteris war.

Die Herrschaft ging später auf das Haus Blair über und ist jetzt Eigenthum des Lord Gray.

Diese Barone von Kinfauns verwalteten seit mehreren Generationen von Vater auf Sohn das Amt der Oberrichter von Perth; die Nachbarschaft des Schlosses und der Stadt machte diese Einrichtung zu wechselseitiger Unterstützung sehr erwünscht. Der Sir Patrick dieser Erzählung hatte schon mehrmals an der Spitze der Einwohner von Perth gegen die immer wiederkehrenden Streifzügler vom Hochlande und gegen andere fremde und einheimische Feinde gefochten. Allerdings ward er auch nicht selten mit unbedeutenden, nichtssagenden Klagen behelligt, die man ohne Noth seiner Entscheidung vorlegte. Daher kam es, daß man ihm zuweilen den Vorwurf machen hörte, er sei zu stolz als ein Edler und zu gleichgültig als ein Reicher, und gebe sich zu sehr den Freuden der Jagd und der Gastfreiheit hin, als daß er sich bei jedem Anlaß so thätig hätte zeigen können, wie die schöne Stadt es wünschte. Aber trotz dem, daß dies einigen leichten Unwillen erregte, pflegten die Bürger doch bei jedem ernstlichen Grunde zur Besorgniß an ihren Oberrichter zu gehen, und fanden bei ihm warme Unterstützung mit Rath und That.

Achtes Kapitel

Es haben den Gau von Annandale,


Die edlen Johnstones inn';


Sie waren dort wohl tausend Jahre,


Und bleiben noch tausend d'rin.


Alte Ballade.

Nachdem wir so den Charakter und Beruf Sir Patrick Charteris, des Oberrichters von Perth, im letzten Kapitel gezeichnet haben, kehren wir nun zu der Gesandtschaft zurück, welche sich am östlichen Thore versammeln wollte, um mit ihren Beschwerden sich zu jenem Würdenträger nach Kinfauns zu begeben.

Zuerst erschien Simon Glover auf einem sanften Zelter, welcher bisweilen die Ehre genoß, die schönere Person wie die leichtere Last der reizenden Tochter zu tragen. Glovers Mantel verhüllte ihm den untern Theil des Gesichts, sei es, um seinen Freunden anzudeuten, sie sollten, während er durch die Straßen ritt, ihn durch keine Frage aufhalten, sei es wegen der gerade eingetretenen Kälte. Auf seiner Stirn war eine bedeutende Unruhe zu lesen, als wäre ihm die Sache, worin er sich verwickelt sah, immer schwieriger und gefährlicher vorgekommen, jemehr er sie genauer erwog. Er grüßte nur durch stillschweigende Geberden seine Freunde, als sie sich auf dem Sammelplatz einfanden.

Ein starker Rappe von der alten Gallowayrasse, nicht höher als vierzehn Hände, aber hochschulterig, stark von Gliedern, wohlgestaltet und gutgenährt, trug den wackern Schmied zum Ostthore. Ein Kenner des Thiers hätte in seinem Auge einen Funken der Falschheit bemerken können, die sich nicht selten mit der kräftigsten, ausdauerndsten Gestalt paart; aber das Gewicht des Reiters, seine geschickte Hand und die Art, wie er im Sattel saß, so wie die Erfahrung, die das Pferd erst kürzlich während einer langen Reise gemacht, hatten seine Widerspenstigkeit wenigstens für den Augenblick gezähmt. Ihn begleitete der ehrsame Strumpfwirker, der, da er ein kleiner, ziemlich dicker Mann war, wie ein rother Knäuel (denn er war in einen Scharlachmantel gehüllt, worüber eine Jagdtasche hing) auf einen großen Sattel gepackt war, worauf er mehr hing, als saß. Der Sattel, der den Reiter trug, war mit einem Gurt auf den Rücken einer niederländischen Stute befestigt, die den Rücken wie ein Kameel in die Höhe zog, und deren Füße, mit langen, dichten Haaren bewachsen, sich in einen breiten Huf endigten. Der Kontrast zwischen dem Pferd und dem Reiter war so außerordentlich, daß, während die Vorübergehenden, die seiner ansichtig wurden, sich wunderten, wie der Eine den Andern habe besteigen können, seine Freunde nicht ohne Besorgnisse waren, er möchte abgeworfen werden; denn die Beine des so hoch sitzenden Reiters reichten nicht bis an den untern Saum seines Sattels. Er hatte abgewartet, bis der Schmied sich auf den Weg machte, um diesem sich anzuschließen, denn Oliver Proudfute war der Meinung, daß Männer der That sich vortheilhafter zeigen könnten, wenn sie beisammen wären, und er gerieth in Entzücken, als ein Spötter aus der niedern Volksklasse Ernst genug hatte, laut auszurufen, ohne geradezu zu lachen: »Dort reitet der Stolz von Perth – dort reiten die tapfern Bürger, der wackere Schmied vom Wynd und der kühne Strumpfwirker!«

Es ist wahr, der Bursche, der so sprach, gab dabei seines Gleichen einige deutsame Winke; da aber der Strumpfwirker diese Geberden nicht sah, so warf er jenem großmüthig einen Silberpfennig zu, um seine Achtung für kriegerische Leute aufzumuntern. Dies Geschenk machte, daß ihnen eine Schaar Knaben folgte, lachend und jubelnd, bis Harry Schmied, sich umwendend, den vordersten von ihnen zu peitschen drohte; sie warteten nicht, bis er diese Absicht ausführte.

»Hier sind wir, die Zeugen,« sagte der kleine Mann auf dem großen Pferde, als sie zu Simon Glover am Ostthore kamen; »aber wo sind Jene, die uns beistehen sollen? Ach, Bruder Harry! Das Ansehen ist eine Last, passender für einen Esel, als für ein muthig Pferd; es hindert nur die Bewegungen so junger Burschen, wie Ihr und ich.«

»Ich wünschte, Euch immer ein wenig von dieser Last tragen zu sehen, werther Meister Proudfute,« erwiderte Harry Gow, »wär's auch nur, um Euch im Sattel festzuhalten; denn Ihr schwankt umher, als machtet Ihr einen Tanz auf Eurem Sitze, ohne die Beine dazu zu brauchen.«

»Ja, ja; ich hebe mich in den Steigbügeln, um die Stöße zu vermeiden. Meine Stute hat einen grausam harten Trab; aber sie hat mich in Feld und Wald getragen und durch manch' gefährliche Bergschlucht; so trennen wir uns nie, ich und Jesabel – ich nenne sie Jesabel nach der Prinzessin von Kastilien.«

»Isabelle, meint Ihr wahrscheinlich,« antwortete der Schmied.

»Ja – Isabelle oder Jesabel, – Alles gleich, wie Ihr wißt. Aber dort kommt endlich Bailie Craigdallie, mit dem armen, feige kriechenden Geschöpf, dem Apotheker. Sie haben zwei Stadtwächter mit ihren Partisanen, vermutlich als Leibwache für sich, mitgebracht. – Wenn ich irgend ein Ding vor Allem hasse, so ist es ein kriechender Schuft, wie der Dwining!«

»Hütet Euch, daß er so was nicht von Euch hört,« sagte der Schmied. »Ich sage dir, Strumpfwirker, daß mehr Gefahr in jenem dünnen Gerippe liegt, als in zwanzig tapferen Kerls, wie Ihr selbst.«

»Pfui, Schmied! Ihr wollt mit mir spaßen,« sagte Oliver; – indeß dämpfte er seine Stimme und blickte auf den Apotheker, als wollte er entdecken, in welchem Gliede oder Zuge seines abgezehrten Gesichts und Körpers sich etwa die gedrohte Gefahr zeige; und nachdem seine Prüfung ihn wieder sicher gemacht, antwortete er kühn: »Schwerter und Schilde, Freund! mit einem Dutzend solcher wie Dwining nehm' ich's auf. Was könnt' er einem Manne, der Blut in den Adern hat, thun?«

»Er könnte ihm eine Dosis Arznei geben,« antwortete der Schmied trocken.

Sie hatten keine Zeit zu fernerem Gespräch, denn Bailie Craigdallie hieß sie die Straße nach Kinfauns einschlagen, und gab selber das Beispiel dazu. Während sie in mäßigem Schritt vorwärts zogen, drehte sich das Gespräch um den Empfang, den sie beim Oberrichter zu erwarten hätten, und um die Theilnahme, die dieser an der vorzutragenden Sache zeigen möchte. Der Handschuhmacher befand sich, wie es schien, in einem Zustande gänzlicher Niedergeschlagenheit, und äußerte sich mehrmals auf eine Weise, die andeutete, daß er noch gewünscht hätte, man möchte die Sache auf sich beruhen lassen. Er sprach sich indeß nicht ganz klar aus, vielleicht aus Furcht, man möchte, wenn er sich's allzudeutlich merken ließe, daß er lieber sähe, wenn die strafbare Unternehmung mit Stillschweigen übergangen würde, nächtheilige Folgerungen für den Ruf seiner Tochter daraus ziehen. Dwining schien seine Meinung zu theilen, sprach aber vorsichtiger als am Morgen.

»Nach Allem,« sagte der Bailie, »wenn ich alles das Gute erwäge, was von der lieben Stadt zum Lord Oberrichter gekommen, kann ich nicht denken, daß er sich uns abgeneigt zeigen werde. Mehr als ein Boot, mit Bordeauxwein beladen, hat den südlichen Strand verlassen, um seine Last unter Schloß Kinfauns auszuladen. Ich habe einiges Recht, davon zu reden, weil ich die Ladung besorgte.

»Und,« sagte Dwining mit seiner quäkenden Stimme, »ich könnte reden von auserlesenen Confekten, seltenen Confituren, feinem Gebäck und selbst den köstlichen sogenannten Zuckerhüten, die dorthin gingen wegen einer Hochzeit, einer Taufe oder dergleichen. Aber freilich, Bailie Craigdallie, der Wein ist getrunken, das Confekt gegessen, und man vergißt das Geschenk, wenn der Duft davon verschwunden ist. Ach, Nachbar! das Banket von letzter Weihnacht ist vergessen wie der Schnee des letzten Jahres.«

»Aber es gab auch Handschuhe, mit Goldstücken gefüllt,« sagte die Magistratsperson.

»Ich muß ja wissen, wer sie gemacht hat,« sagte Simon, dessen Berufsgedanken sich mit Allem mischten, was sonst seinen Geist beschäftigen mochte. »Einer war ein Jagdhandschuh für Mylady. Ich macht' ihn etwas weit. Ihre Gnaden waren aber nicht unzufrieden damit, in Betracht des Futters.«

»Nun gut,« sagte Bailie Craigdallie, »um so mehr red' ich wahr; und wenn er nicht mehr daran denkt, so ist der Oberrichter schuld und nicht die Stadt; er konnte das Gold weder essen noch trinken in der Gestalt, wie er's bekam.«

»Ich könnte auch von einer tüchtigen Rüstung sprechen,« sagte der Schmied; »aber, Cogan, na schire! [Frieden oder Krieg, gleichviel!] wie John, der Hochländer, sagt, – ich denke, der Herr von Kinfauns wird seine Pflicht bei der Stadt in Frieden und Krieg erfüllen; und es ist unnütz, die guten Thaten der Stadt nachzurechnen, bevor wir ihn undankbar dafür sehen.«

»So mein' ich's,« schrie unser Freund Proudfute vom Gipfel seiner Stute. »Wir wackern Degen können uns nicht so erniedrigen, daß wir Wein und Nüsse nachzählen, wenn von einem Freunde, wie Sir Patrick Charteris, die Rede ist. Nein, glaubt mir, ein guter Waidmann, wie Sir Patrick, wird das Recht, im Gebiete der Stadt jagen zu dürfen, als eine hohe Gunst würdigen, die, Seine Majestät den König ausgenommen, keinem Lord oder Bürger gewährt wird, außer unserm Oberrichter allein.«

Während der Strumpfwirker sprach, hörte man zur Linken ein Geschrei: »So, so – wau wau – hau!« welches der Ruf eines Jägers zu seinem Falken ist.

»Mich dünkt, es übt soeben ein Mensch das Vorrecht, wovon Ihr sprecht, welcher weder König noch Oberrichter scheint,« sagte der Schmied.

»Ja, wahrlich, ich seh' ihn,« sagte der Strumpfwirker, welcher glaubte, es biete sich eine Gelegenheit dar, um Ehre einzulegen. »Du und ich, wackerer Schmied, wollen hin und ihn zur Rede setzen.«

»Nun vorwärts also,« sagte der Schmied; und sein Gefährte spornte seine Stute und ritt fort, gar nicht zweifelnd, daß Gow ihm dicht folge.

Aber Craigdallie hielt Harry's Pferd beim Zügel. »Bleibt bei der Fahne,« sagte er; »laßt uns sehen, wie's unserm leichten Reiter geht. Wenn er sich eine Beule holt, wird er für diesen Tag ruhiger.«

»Nach dem, was ich schon sehe,« sagte der Schmied, »kann er leicht dazu kommen. Jener Kerl, der so unverschämt stehen bleibt, uns zu betrachten, als wär' er auf der rechtmäßigsten Jagd von der Welt begriffen – ich erkenn' ihn an seinem Klepper, seiner rostigen Pickelhaube mit der Hahnenfeder, und dem langen zweihändigen Schwerte, als Einen, der im Dienste eines Lords im Süden steht, – Leute, die dem Südland so nahe wohnen, daß sie den Harnisch immer umgeschnallt haben, und die eben so gern Schläge austheilen, als lange Finger machen.

Während sie so den Erfolg dieses Zusammentreffens besprachen, begann der tapfere Strumpfwirker Jesabel langsam laufen zu lassen, damit der Schmied, den er noch hinter sich glaubte, ihn einholen, und entweder vorangehen oder wenigstens neben ihm reiten möchte. Als er ihn aber in einer Entfernung von einigen hundert Schritten bei der Gruppe der Gefährten halten sah, fing der Held von Perth, wie der alte spanische General, an, vor den Gefahren zu zittern, denen sein verwegener Geist ihn entgegenführen konnte. Jedoch entmuthigte ihn der Gedanke wieder, daß seine Freunde nahe waren, und da er hoffte, ihre Anzahl werde dem einzelnen Wilddiebe Furcht einflößen, und da er sich schämte, von einem Unternehmen abzulassen, wozu er sich selber erboten, so widerstand er der starken Versuchung, seine Jesabel herumzuwerfen und so schnell als möglich zu den Freunden zurückzukehren, unter deren Schutz er gern gewesen wäre. Er rückte also dem Fremden näher, und seine Besorgnisse stiegen sehr, als er diesen in raschem Trabe auf seinem Klepper heraneilen sah. Sobald er diese offenbar offensive Bewegung bemerkte, blickte unser Held mehrmals über seine linke Schulter zurück, als wollte er das Feld wegen des Rückzugs recognosciren und machte inzwischen geradezu Halt. Aber der Philister kam über ihn, eh' sich der Strumpfwirker für Kampf oder Flucht entscheiden konnte, und es war ein verdächtig aussehender Philister. Seine Gestalt war hager und groß, sein Gesicht bezeichneten einige entstellende Narben und der ganze Mann sah einem solchen Menschen ähnlich, der gewohnt ist zu sagen: »Steh' und gib her, was du hast.«

Die Person begann die Unterhaltung, indem sie in einem Tone, so schlimm wie der Blick, rief: »Der Teufel führt Euch Kuckuck her; warum reitet Ihr über den Moor, um meine Jagd zu stören?«

»Würdiger Fremdling,« sagte unser Freund im Tone friedlicher Vorstellung, »ich bin Oliver Proudfute, ein Bürger von Perth, und ein Mann von Ansehen; und dort ist der würdige Adam Craigdallie, der älteste Bailie der Stadt, mit dem tapferen Waffenschmied Harry Gow und einigen andern bewaffneten Männern, die wissen möchten, wie Ihr heißt und wie es kommt, daß Ihr auf dem Stadtgebiete jagt. Indeß kann ich Euch versichern, daß sie durchaus nicht im Sinne haben, mit einem Edelmanne oder Fremden wegen dieses zufälligen Eingriffs Streit anzufangen. Nur sind sie nicht gewohnt, diese Erlaubniß zu geben, wenn man sie nicht geziemend darum ersucht; und – und – darum wünsch' ich Euren Namen zu wissen, werther Herr.«

Die trotzige und verächtliche Miene, womit der Falkner während dieser Rede Oliver Proudfute betrachtet hatte, entmuthigte Letztern sehr, und änderte den Ton der Frage gänzlich, die, war Harry Gow bei ihm, wahrscheinlich ganz anders geklungen hätte.

Der Fremde erwiderte sie, da sie gelind war, mit einer höchst verdächtigen Miene, wodurch ihn die Narben seines Gesichtes noch wilder erscheinen ließen. »Ihr wollt meinen Namen wissen? – mein Name ist der Teufels-Dick von Hellgarth, wohlbekannt in Annandale als ein edler Johnstone. Ich begleite den tapfern Laird von Wamphray, der mit seinem Vetter, dem muthigen Lord von Johnstone, reitet, welcher mit dem mannhaften Grafen von Douglas zieht; und der Graf und der Lord und der Laird und ich, der Knappe, lassen unsere Falken fliegen, wo wir unsere Beute finden, und fragen Niemand, über dessen Feld wir reiten.«

»Ich will Eure Botschaft ausrichten, Sir,« erwiderte Oliver Proudfute ziemlich sanft; denn er fing an, sich das Unternehmen eifrigst vom Halse zu wünschen, welches er so vorschnell unternommen, und er war im Begriff, sein Pferd umzuwenden, als der Mann von Annandale hinzufügte:

»Und das nehmt noch mit, damit Ihr Euch merkt, Ihr seid dem Teufels-Dick begegnet, und damit Ihr Euch ein andermal zu hüten wißt, die Jagd eines Mannes zu stören, der den geflügelten Sporn auf der Schulter trägt.«

Mit diesen Worten gab er einige harte Schläge mit seiner Reitgerte dem unglücklichen Strumpfwirker auf Kopf und Leib. Einige von ihnen trafen Jesabel, die, sich rasch umwendend, ihren Reiter auf den Moor legte und zur Gesellschaft der Bürger zurückkehrte.

Der so niedergeworfene Proudfute begann in nicht sehr männlichem Tone um Hülfe zu rufen und fast im nämlichen Athem um Gnade zu bitten; denn sein Gegner war, sobald er ihn am Boden sah, abgestiegen und hielt ihm die Spitze eines kleinen Jagdmessers an die Kehle, während er die Tasche des unglücklichen Bürgers plünderte und sogar seine Jagdtasche untersuchte, die er trug, und schwur, er wolle sich mit ihrem Inhalte dafür entschädigen, daß seine Jagd gestört worden. Er riß heftig an dem Gürtel, den unterlegenen Strumpfwirker noch mehr durch sein gewaltthätiges Verfahren erschreckend, da er sich nicht die Mühe nahm, die Schnalle zu lösen, sondern zerrte, bis der Riemen riß. Offenbar aber enthielt sie nichts nach seinem Geschmack. Er warf sie verächtlich weg und ließ zugleich den abgesetzten Reiter aufstehen, während er selbst seinen Klepper bestieg und nach Olivers Gefährten sah, die sich jetzt näherten.

Als sie ihren Abgeordneten fallen sahen, hatten sie gelacht; so sehr hatte die Prahlerei des Strumpfwirkers seine Freunde zum Scherze geneigt gemacht, als sie, wie sich Harry Schmied ausdrückte, ihren Oliver einem Roland begegnen sahen. Als man aber sah, wie des Strumpfwirkers Gegner über jenen herfiel und ihn in der beschriebenen Weise behandelte, konnte sich der Waffenschmied nicht länger halten. »Mit Erlaubniß, guter Meister Bailie, ich kann's nicht mit ansehen, daß unser Mitbürger geschlagen und geplündert wird, und vielleicht vor unsern Augen ermordet. Das betrifft unsere gute Stadt; und wenn es des Nachbars Proudfute Unglück ist, so ist's unsere Schande. Ich muß ihm zu Hilfe.«

»Wir alle wollen ihm zu Hilfe kommen,« antwortete Bailie Craigdallie; »aber schlage Keiner zu ohne mein Geheiß. Wir haben mehr Fehden vor uns, wie zu fürchten steht, als Kraft, sie zu gutem Ende zu bringen. Und daher befehl' ich euch Allen und besonders Euch, Harry vom Wynd, im Namen der guten Stadt, daß Ihr keinen Hieb außer zur Nothwehr thut.« Sonach rückten Alle miteinander vor, und das Erscheinen einer solchen Anzahl vertrieb den Räuber von seiner Beute. Er stand indeß, um sie zu betrachten, in einiger Entfernung, gleich dem Wolf, der, obwohl er sich vor den Hunden zurückzieht, nicht zu unbedingter Flucht gebracht werden kann. Als Harry diesen Stand der Dinge sah, spornte er sein Pferd und eilte den Uebrigen weit voraus, nach dem Schauplatze von Oliver Proudfute's Mißgeschick. Das Erste, was er that, war, daß er Jesabel am Zügel ergriff, das Zweite, daß er sie ihrem Herrn wieder zuführte, der die Kleider ganz mit Koth überzogen und Thränen in den Augen, die ihm Schmerz und Verdruß entlockt hatten, auf ihn zukam. Der Anblick, den er darbot, war von seiner sonstigen wichtigen und anmaßenden Miene so verschieden, daß der ehrliche Schmied nicht umhin konnte, einiges Mitleid mit dem kleinen Mann zu fühlen und sich Vorwürfe zu machen, daß er ihn solchem Unfall ausgesetzt hatte. Es gibt wohl Niemand, glaub' ich, den ein übel abgelaufener Scherz nicht ergötzt. Der Unterschied ist nur, daß ihn der Boshafte ohne unangenehme Nebenempfindung genießt, während der Wohlwollende bald die lächerliche Seite der Sache vergißt und nur Mitgefühl für den Schmerz des Leidenden behält.

»Laßt mich Euch wieder auf Euren Sattel helfen, Nachbar,« sagte der Schmied, während er zugleich abstieg und Oliver auf seinen Kriegssattel klettern half, wie es ein Affe etwa gethan hätte.

»Gott mag Euch verzeihen, Nachbar Schmied, daß Ihr nicht hinter mir kamet! Ich würde es nicht geglaubt haben und hätten mir's hundert glaubwürdige Zeugen zugeschworen.«

Dies waren die ersten Worte, gesprochen mehr im Schmerz als Zorn, womit der gemißhandelte Oliver seinen Gefühlen Luft machte.

»Der Bailie hielt mein Roß beim Zaume; und überdies,« fuhr Harry mit einem Lächeln fort, welches selbst sein Mitleid nicht unterdrücken konnte, »dachte ich, Ihr hättet mir die Beeinträchtigung Eures Ruhmes vorgeworfen, wenn ich Euch gegen einen einzelnen Mann zu Hilfe gekommen wäre! Der Schuft gewann den Vortheil über Euch, weil Euer Pferd nicht pariren wollte.«

»Das ist wahr – das ist wahr,« sagte Oliver, der die Entschuldigung eifrig aufgriff.

»Und dort steht der Schurke und freut sich über das gestiftete Unheil und triumphirt über Eure Niederlage, wie der König in der Romanze, der die Geige spielte, während eine Stadt brannte. Komm' du mit mir und du sollst sehen, wie wir mit ihm umspringen – wahrlich, fürchte nicht, daß ich dich diesmal im Stiche lasse.«

So sprechend ergriff er Jesabel am Zügel und während er ihr zur Seite galoppirte, ohne Oliver Zeit zu einer Weigerung zu lassen, eilte er auf Teufels-Dick zu, welcher auf dem Gipfel einer Anhöhe in einiger Entfernung Halt gemacht hatte. Indessen klatschte der edle Johnstone, sei es, daß er sah, der Kampf würde ungleich werden, oder daß er für einen Tag genug gethan zu haben meinte, in die Hände, streckte, als wollte er seinem Gegner Trotz bieten, die Arme aus, und lenkte dann sein Pferd in das nahe Moor, worin er sich instinktmäßig, wie eine wilde Ente, zu bewegen schien, wobei er sein Federspiel um seinen Kopf schwang und seinem Falken pfiff, während jedes andere Pferd und jeder andere Reiter sogleich bis an den Sattelgurt versunken wäre.

»Das ist ein vollkommener Moorreiter,« sagte der Schmied. »Dieser Kerl wird fechten oder fliehen, wie es ihm behagt, und ihn zu verfolgen nützt nicht mehr, als eine wilde Gans zu jagen. Wahrscheinlich hat er Euren Beutel genommen, denn sie gehen selten fort, ohne die Hände voll zu haben.«

»Ja – ja – ja,« sagte Proudfute in traurigem Tone; »er hat mir den Beutel genommen – aber daran liegt wenig, da er mir die Jagdtasche gelassen hat.«

»Ei wahrlich, die Jagdtasche wäre ein Siegeszeichen für ihn gewesen, gewiß – eine Trophäe, wie es die Minstrels nennen.« »Es liegt noch mehr daran, als das, Freund,« sagte Oliver bedeutsam.

»Nun, das ist gut, Nachbar; mir ist's lieb, daß ich Euch wieder in Eurem würdevollen Tone reden höre. Munter! Ihr habt des Burschen Rücken gesehen und die Trophäen wiedergewonnen, die Ihr verlort, als er im Vortheil gegen Euch war.«

»Ach, Harry Gow – Harry Gow!« sagte der Strumpfwirker und hielt mit einem tiefen Seufzer inne, der fast wie ein Schluchzen klang.

»Was gibt's denn?« fragte sein Freund. »Womit quält Ihr Euch nun selber?«

»Ich habe einigen Verdacht, mein theuerster Freund Harry Schmied, daß der Bursche floh aus Furcht vor Euch und nicht vor mir.«

»Denkt das nicht,« antwortete der Waffenschmied; »er sah zwei Männer und floh, und wer kann sagen, ob er wegen des einen oder des andern floh? Ueberdies kennt er aus Erfahrung Eure Stärke und Gewandtheit; wir Alle sahen, wie Ihr stießt und kämpftet, als Ihr am Boden laget.«

»That ich das?« sagte der arme Proudfute; »ich erinnere mich nicht – aber ich weiß, daß das meine starke Seite ist – ich bin stark, wenn's darauf ankommt. Aber sahen es auch Alle?«

»Alle so gut wie ich,« sagte der Schmied, die Neigung zum Lachen unterdrückend.

»Aber du wirst sie daran erinnern?«

»Ganz gewiß,« antwortete der Schmied; »und auch an dein letztes verzweifeltes Nachsetzen. Merkt, was ich dem Bailie Craigdallie sagen werde, und macht's Euch zu nutze.«

»'s ist nicht darum, daß ich ein Zeugniß zu meinen Gunsten brauchte, denn ich bin von Natur so tapfer, wie die meisten Männer in Perth – sondern nur« – hier hielt der Mann des Muthes inne. »Aber was denn?« fragte der muthige Waffenschmied.

»Nur, daß ich mich vor dem Todtgeschlagenwerden fürchte. Mein artiges Weib und meine jungen Kinder zu verlassen, Ihr seht wohl, das wäre ein trauriger Wechsel, Schmied. Ihr werdet dies erfahren, wenn Ihr selber in dem Falle seid, und Euer Muth wird dann schwächer werden.«

»Das kann wohl sein,« sagte der Waffenschmied nachsinnend.

»Dann bin ich so gewöhnt an den Gebrauch der Waffen und habe so guten Athem, daß Wenige es mit mir aufnehmen. Seht hier,« sagte der kleine Mann, indem er seine Brust wie die eines Huhns am Bratspieß ausdehnte und die Hände darauf legte, »hier ist Raum genug für die Luft.«

»Ich darf wohl sagen, Ihr seid langathmig – zum wenigsten beweisen's Eure Reden –«

»Meine Reden? – Ihr seid ein Spaßvogel – aber ich habe die Schilderei von einem Dromond den Fluß herauf von Dundee geschafft.«

»Die Schilderei von einem Dromond!« rief der Waffenschmied. »Nun, Freund, das wird Euch mit dem ganzen Clan in Fehde verwickeln – der meines Wissens nicht der am wenigsten rachsüchtige im Lande ist.«

»Heiliger Andreas, Mann, Ihr mißversteht mich! – Ich meine einen Dromond, d. h. ein großes Schiff. Ich habe diese Schilderei in meinem Hofe befestigt und gemalt und ausgebessert, daß das Ding wie ein Sultan oder Saracene aussieht, und daran üb' ich meinen Athem und brauche mein zweihändig Schwert auf Hieb und Stoß stundenlang dagegen.«

»Das muß Euch mit dem Gebrauch Eurer Waffen vertraut machen,« sagte der Schmied.

»Ja freilich thut es das – und manchmal setz' ich eine Mütze (versteht sich eine alte) auf meines Sultans Haupt und spalte sie mit einem so gewaltigen Hieb, daß der Ungläubige wahrlich bald nur noch die Hirnschale übrig haben wird.«

»Das ist nicht gut, denn Ihr werdet Eure Uebung verlieren,« sagte Harry. – »Aber was sagt Ihr, Strumpfwirker? Ich will einmal meine Pickelhaube und meinen Harnisch anlegen, und Ihr sollt auf mich hauen, wenn Ihr mir erlaubt, mit einem großen Schwert zu pariren und die Hiebe zurückzugeben. Was meint Ihr dazu?«

»Das geht auf keinen Fall, mein lieber Freund. Ich würde Euch zu viel Schaden thun; – überdies fecht' ich, die Wahrheit zu gestehen, viel freier gegen einen Helm oder Mütze, wenn sie auf meinem hölzernen Sultan sitzt – denn da bin ich gewiß, sie 'runter zu hauen. Seh' ich aber eine Feder darauf schwanken, zwei feurige Augen unter dem Visir hervorblitzen und die ganze Gestalt hier und dorthin tanzen, da ist allerdings meine Hand weniger fest.«

»Also, wenn die Leute still hielten, wie Euer Sultan, so würdet Ihr den Tyrannen mit ihnen spielen, Meister Proudfute?«

»Mit der Zeit und durch Uebung könnt' ich es wohl,« antwortete Oliver. – »Aber hier kommen wir zu den Andern; Bailie Craigdallie sieht böse aus – aber seine Art zornig zu sein, schreckt mich nicht.«

Der freundliche Leser muß sich erinnern, daß, sobald der Bailie und seine Gefährten sahen, wie der Schmied zum besiegten Strumpfwirker kam und der Fremde sich zurückzog, sie nicht weiter für nöthig hielten, Oliver zu Hilfe zu eilen, in der Hoffnung, die Gegenwart des gefürchteten Harry Gow werde Jenen hinreichend sicherstellen. Sie schlugen daher wieder den geraden Weg nach Kinfauns ein, weil sie sich ihres Auftrages möglichst bald entledigen wollten. Da eine geraume Zeit verflossen war, bis der Strumpfwirker und der Schmied wieder zu ihnen stießen, fragte der Bailie, sich vorzüglich an Harry wendend, warum sie die kostbare Zeit mit Verfolgung des Falkners verschwendet hätten?

»Alle Heiligen, meine Schuld war's nicht, Meister Bailie,« erwiderte der Schmied. »Wenn Ihr einen gemeinen niederländischen Windhund mit einer hochländischen Wolfsdogge paart, so dürft Ihr jenen nicht schelten, wenn er beiher läuft, wohin diese ihn zieht. Ganz so ist mir's mit meinem Nachbar Oliver Proudfute gegangen. Kaum war er wieder aufgestanden, so warf er sich wie der Blitz auf sein Pferd, und ergrimmt über die Feigheit, womit der Räuber seinen Sturz benutzt hatte, eilte er ihm nach wie ein Dromedar. Ich mußte ihm wohl folgen, theils um einen zweiten Fall zu verhüten, theils um unsern Beschützer, unsern tapfern Freund zu vertheidigen, wenn ihm dort oben auf der Anhöhe ein Hinterhalt gelegt worden wäre. Aber der Schurke, der im Gefolge eines Lords von den Marches ist und einen geflügelten Sporn auf der Schulter trägt, floh vor unserm Nachbar, wie die Funken vom Feuersteine.«

Der Senior Bailie von Perth lauschte mit Staunen der Sage, welche Harry Gow zu verbreiten beliebte; denn obwohl ihm wenig an der Sache lag, hatte er doch immer an der Wahrheit der romantischen Thaten des Strumpfwirkers gezweifelt, die er nun doch in gewissem Grade für richtig halten mußte. Der schlaue alte Glower durchschaute die Sache besser.

»Ihr werdet den alten Strumpfwirker toll machen,« flüsterte er Harry zu; »er wird mit seiner Klapper lärmen, als wär's eine Stadtglocke an einem Freudenfeste, während er der Ordnung und des Anstandes wegen ganz still sein sollte.«

»O, bei unserer lieben Frau, Vater,« erwiderte der Schmied, »ich liebe den armen kleinen Prahlhans, und mag nicht daran denken, ihn reuig und schweigend beim Oberrichter zu sehen, während alle Uebrigen, und besonders der giftige Apotheker, ihre Meinung sagten.« »Du bist ein allzuguter Bursche, Harry,« antwortete Simon. »Merk' aber den Unterschied zwischen diesen beiden Männern. Der harmlose kleine Strumpfwirker nimmt die Miene eines Drachen an, um seine natürliche Feigheit zu verstecken, während der arglistige Apotheker sich bemüht, schüchtern, muthlos und bescheiden zu scheinen, um seine gefährliche Gemüthsart zu bergen. Die Natter ist nicht minder tödtlich, weil sie unter einen Stein kriecht. Ich sage dir, Sohn Harry, daß, bei all' seinen kriechenden Blicken und schüchternen Worten, dies elende Gerippe Unheil mehr liebt, als es Gefahr fürchtet. – Aber hier stehen wir vor des Oberrichters Schloß. Und Kinfauns ist ein stattlicher Ort, und es gereicht der Stadt zum Vortheil, den Eigner eines so tüchtigen Schlosses zur obersten Magistratsperson zu haben.«

»In der That eine hübsche Burg,« sagte der Schmied, auf den breitfluthenden Tay blickend, der unter der Höhe hinfloß, worauf das Schloß stand, gleich seinem modernen Nachfolger, und wie die Königin des Thales erschien, obschon auf der andern Seite des Flusses die starke Mauer von Elcho ihr den Vorrang streitig machen zu wollen schien. Indeß war Elcho um diese Zeit ein friedliches Kloster, und hinter den Mauern, die es umschlossen, lebten keusche Jungfrauen, die der Welt und ihren Genüssen entsagt hatten. »Ein tüchtiges Schloß,« sagte der Waffenschmied, wieder auf die Thürme von Kinfauns blickend, »es ist Brustwehr und Panzer des schönen Gebietes des Tay; es müßte manche gute Klinge schartig werden, ehe man ihm beikommen könnte.«

»Der Pförtner von Kinfauns, der aus der Ferne die Personen und den Stand der Nahenden erkannte, hatte bereits das Hofthor zu ihrem Eintritt geöffnet, nachdem er Sir Patrick Charteris hatte melden lassen, daß der älteste Bailie von Perth mit mehreren anderen Bürgern dieser Stadt sich dem Schlosse nähere. Der Ritter, der gerade auf die Falkenjagd gehen wollte, empfing diese Nachricht etwa auf die Weise, wie ein Gutsherr in unserer Zeit, wenn ein ungelegener Besuch gemeldet wird, d. h. er wünschte im Stillen die Gäste zu allen Teufeln, während er laut befahl, sie mit gebührendem Anstand und aller Höflichkeit zu empfangen. Den Dienern befahl er, Wildpret und kaltes Fleisch im großen Saale aufzustellen, und seinem Kellermeister, einige Tonnen anzuzapfen, und seine Pflicht zu thun; denn wenn die gute Stadt dann und wann seinen Keller füllte, so waren die Bürger stets ebenso bereit, seine Flaschen leeren zu helfen.

Die guten Bürger wurden ehrerbietig in den Saal geführt, wo der Ritter, in einem Reitkleide und Stiefeln bis in die Mitte der Schenkel, sie mit einem Gemisch von Höflichkeit und oberherrlicher Herablassung empfing; er wünschte sie dabei in den Grund des Tay, weil sie ihn in einem Vergnügen störten, dem er den Morgen hatte widmen wollen. Er ging ihnen bis in die Mitte des Saales mit entblößtem Haupte und den Hut in der Hand entgegen, und begrüßte sie ungefähr so: – »Ah, Meister Bailie Craigdallie, ehrenwerther Simon Glover, Väter der guten Stadt – und Ihr, mein gelehrter Apotheker – und Ihr, tapferer Schmied, – und auch Ihr, mein muthiger Strumpfwirker, der mehr Köpfe spaltet, als er Mützen verfertigt, – was schafft mir das Vergnügen, so viel Freunde zu so gelegener Stunde bei mir zu sehen? Ich wollte auf die Falkenjagd, und eure Gesellschaft wird den Genuß noch erhöhen – (bei Seite: ich hoffe zu unsrer lieben Frau, daß sie die Hälse brechen!) – das heißt, wenn die Stadt keinen Auftrag für mich hat – Gilbert, du Schelm, spute dich mit dem Wein. – Aber ich hoffe, euer Geschäft ist nicht ernsterer Art, als zu versuchen, ob der Malvasier hier seinen Wohlgeschmack behalten hat?«

Die Abgeordneten der Stadt erwiderten ihres Oberrichters Höflichkeiten durch Verbeugungen und Kratzfüße, die mehr oder minder charakteristisch waren. Die Verbeugung des Apothekers war die tiefste, und die des Schmieds die ungezwungenste. Wahrscheinlich kannte er seinen eignen Werth als Mann des Schwertes. Der Bailie antwortete im Namen der Andern.

»Sir Patrick Charteris und unser edler Lord Oberrichter,« sagte Craigdallie würdevoll, »wäre unsere Absicht nur, Gebrauch von der Gastlichkeit zu machen, mit der Ihr uns schon oft empfangen habt, so hätte uns das Gefühl des Schicklichen gelehrt, wie sonst auf eine Einladung zu warten. Was die Falkenjagd anlangt, so haben wir deren für einen Morgen schon genug gehabt, denn wir stießen unterwegs auf einen Burschen, der im Stadtgebiet jagte und der unsern Freund Oliver oder Proudfute, wie er genannt wird, aus dem Sattel geworfen und gemißhandelt hat, einzig darum, weil er ihn in Eurem und der Stadt Namen fragte, wer oder was er sei, daß er sich so viel herausnehme.«

»Und was sagte er von sich?« fragte der Oberrichter. »Bei St. John! ich will ihn meine Jagd achten lehren!«

»Mit Eurer Gnaden Erlaubniß,« sagte der Strumpfwirker, »er nahm seinen Vortheil über mich wahr. Aber ich stieg hernach wieder auf und setzte ihm muthig nach. Er nennt sich Richard der Teufel.«

»Wie, mein Freund? Auf den die Lieder und Romanzen gemacht sind?« sagte der Oberrichter. »Ich dachte, dieses Burschen Namen wäre Robert.«

»Ich denke, das sind verschiedene Leute, Mylord; ich nannte den Kerl blos beim vollen Namen, denn eigentlich nannte er sich den Teufels-Dick und sagte, er sei ein Johnstone und im Gefolge des Lords gleichen Namens. Aber ich hetzte ihn tüchtig und jagte ihm meine Jagdtasche wieder ab, die er mir bei meinem Unfall abgenommen.«

Sir Patrick schwieg einen Augenblick. »Wir haben,« sagte er dann, »vom Lord von Johnstone und seinen Begleitern gehört. Es kommt wenig dabei heraus, wenn man sich mit ihnen einläßt. – Schmied, sagt mir, habt Ihr das ruhig angesehen?« »Ja, freilich wohl, Sir Patrick; meine Vorgesetzten befahlen mir, nicht zu Hilfe zu kommen.«

»Nun, wenn du ruhig geblieben bist,« sagte der Oberrichter, »so seh' ich nicht ein, warum wir unruhig werden sollten; besonders da Meister Oliver Proudfute, obwohl anfangs im Nachtheil, wie er sagt, seine Ehre und die der Stadt rettete. Aber hier kommt endlich der Wein. Schenkt meinen guten Freunden und Gästen ein, bis es überläuft. Auf das Wohl von St. Johnston und ein fröhlicher Willkommen euch Allen, meine wackern Freunde! Und nun setzt euch und eßt einen Bissen, denn die Sonne steht hoch und ihr muntern Leute werdet lange nichts genossen haben.«

»Bevor wir essen, Mylord Oberrichter,« sagte der Bailie, »laßt uns den dringenden Grund unseres Kommens berichten, welchen wir noch nicht berührt haben.«

»Nein, ich bitte, Bailie,« sagte der Oberrichter, »laßt das, bis ihr gegessen habt. Eine Beschwerde gegen die übermüthigen Jackmen und Diener der Edeln, die in den Straßen der Stadt Ball spielten, oder sonst so eine hübsche Sache?«

»Nein, Mylord,« sagte Craigdallie ernst und fest. »Die Herren der Jackmen sind's, über die wir klagen, weil sie Ball mit der Ehre unserer Familien spielten, und so wenig Umstände mit unserer Töchter Schlafkammern machen, als wären sie in einem Bordell zu Paris. Eine Schaar Nachtschwärmer, – Hofleute und Männer von Rang, wie nur zu viel Grund zu glauben ist, – versuchten in letzter Nacht die Fenster in Simon Glovers Hause zu ersteigen; sie standen mit gezogenen Wehren zu ihrer Verteidigung, als sie durch Harry Schmied gestört wurden, und sie kämpften, bis sie von den erwachten Bürgern vertrieben wurden.«

»Wie?« sagte Sir Patrick, den Becher niedersetzend, den er eben erheben wollte. »Teufel, beweist mir das, und bei der Seele Thomas von Longueville's, mit meiner besten Macht will ich euch beistehen und sollt' es mir Leben und Land kosten. – Wer bezeugt das? – Simon Glover, man kennt Euch als ehrlichen und behutsamen Mann – nehmt Ihr die Wahrheit dieser Beschuldigung auf Euer Gewissen?« »Mylord,« sagte Simon, »versteht wohl, daß ich nicht freiwillig in dieser wichtigen Sache als Kläger auftrete. Nur die Ruhestörer selbst haben dabei den Schaden gehabt. Ich fürchte, nicht blos große Macht konnte sie zu solcher ungesetzlichen Tollkühnheit ermuthigen; und ich möchte nicht gern Anlaß geben, daß sich zwischen meiner Vaterstadt und einem mächtigen Edlen eine gefährliche Fehde erhöbe. Aber man hat angedeutet, wenn ich mich lässig zeigte, hierin zu klagen, so gäb' ich gleichsam zu erkennen, daß meine Tochter einen solchen Besuch erwartete, was völlig unwahr ist. Daher, Mylord, will ich Ew. Gnaden den ganzen Hergang der Sache nach Wissen und Gewissen erzählen und Eurer Weisheit die Entscheidung, was zu thun sei, überlassen.« Dann erzählte er, Punkt für Punkt, Alles, was er von dem Ueberfalle gesehen hatte.

Sir Patrick Charteris, mit vieler Aufmerksamkeit zuhörend, schien besonders verwundert über das Entkommen des Mannes, der gefangen worden war. »Seltsam,« sagte er, »daß Ihr ihn nicht festhieltet, als Ihr ihn hattet. Saht Ihr ihn nicht genau genug an, um ihn wieder zu erkennen?«

»Ich hatte nur das Licht einer Laterne, Mylord Oberrichter; und entkommen lassen mußt' ich ihn, da ich ja allein war und alt bin. Dennoch würd' ich ihn gehalten haben, hätte ich nicht das Geschrei meiner Tochter im obern Zimmer gehört; und eh' ich von dort zurückkam, war der Mann durch den Garten entflohen.«

»Nun, Waffenschmied, als ein wahrhafter Mann und guter Krieger,« sagte Sir Patrick, »erzählt mir, was Ihr von der Sache wißt.«

Harry Gow gab in seiner entschiedenen Redeweise eine kurze, aber klare Schilderung der ganzen Sache.

Der ehrsame Proudfute, der zunächst aufgerufen wurde, begann seinen Bericht mit einer wichtigern Miene: »Indem ich von dem schrecklichen und erstaunlichen Tumult innerhalb der Stadt rede, kann ich allerdings, das ist wahr, nicht mit Harry Gow sagen, daß ich den ersten Anfang sah. Aber es läßt sich nicht läugnen, daß ich einen großen Theil des Endes betrachtete, und daß ich den kräftigsten Beweis zur Ueberführung der Bösewichter beibrachte.«

»Und welcher ist das, Mann?« sagte Sir Patrick Charteris. »Verliert keine Zeit mit langen Reden. Was ist's?«

»Ich habe Ew. Gnaden in dieser Tasche mitgebracht, was einer der Schurken zurückließ,« sagte der kleine Mann. »Es ist eine Trophäe, die ich, in voller ehrlicher Wahrheit, zwar bekenne nicht selbst gewonnen zu haben, bei welcher ich aber doch den Ruhm in Anspruch nehme, daß ich sie mit der Geistesgegenwart sicherte, die wenige Männer unter leuchtenden Fackeln und klirrenden Waffen bewahren. Ich sicherte sie, Mylord, und hier ist sie.«

So sprechend, zog er aus der bereits erwähnten Jagdtasche die erstarrte Hand, die auf dem Schauplatze des Gefechts gefunden ward.

»Ei, Strumpfwirker,« sagte der Oberrichter, »ich glaube, Ihr seid Mann genug, um eines Schurken Hand zu sichern, nachdem sie vom Körper gehauen ist. – Was sucht Ihr so geschäftig in Eurer Tasche?«

»Es muß darin sein – es war darin – ein Ring, Mylord, der an dem Schurkenfinger stak. Ich fürchte, ich war vergeßlich und ließ ihn zu Hause, denn ich nahm ihn ab, um ihn meiner Frau zu zeigen, daß sie sich nichts aus der todten Hand machte, wie denn Weiber dergleichen Anblick nicht lieben. Ich dachte aber doch, ich hätt' ihn wieder an den Finger gesteckt. Trotzdem muß er, glaub' ich, zu Hause sein. Ich will darnach zurückreiten und Harry Schmied wird mit mir traben.« »Wir werden Alle mit dir traben,« sagte Sir Patrick Charteris, »da ich selber nach Perth will. Seht, ehrenwerthe Bürger und gute Nachbarn von Perth, Ihr mögt geglaubt haben, es liege mir nichts an Euren leichten Beschwerden und Klagen wegen des Bruchs Eurer Privilegien, z. B. was die Jagd aus Eurem Revier betrifft, das Ballspiel der Edelknappen in den Straßen und dergleichen. Aber bei der Seele Thomas Longueville's, Ihr werdet Patrick Charteris nicht träge finden in einer so wichtigen Sache. – Diese Hand,« fuhr er, das getrennte Glied in die Höhe haltend, fort, »gehört Einem, der keine Handarbeit verrichtete. Wir wollen sie an einem Orte aufstecken, wo der Eigner sie erkennen und beanspruchen kann, wenn seine Kameraden der Nachtschwärmerei noch einen Funken Ehre in sich haben. – Hört Ihr, Gerard – laßt gleich ein Paar Dutzend tüchtiger Leute aufsitzen und Panzer und Speer mit sich nehmen. Inzwischen, Nachbarn, wenn eine Fehde hieraus entspringt, was sehr wahrscheinlich ist, müssen wir einander beistehen. Wenn mein armes Haus angegriffen wird, wie viel Leute werdet Ihr mir zuführen?«

Die Bürger sahen Harry Gow an, an den sie sich instinktmäßig bei derartigen Erörterungen wendeten. »Ich will,« sagte er, »dafür stehen, daß fünfzig tüchtige Bursche beisammen sind, ehe die Stadtglocke zehn Minuten geläutet hat; tausend werden in Zeit von einer Stunde da sein.«

»Es ist gut,« antwortete der ritterliche Oberrichter; »und im Fall der Noth will ich der guten Stadt mit so viel Mannschaft zu Hilfe kommen, als ich auftreiben kann. Und nun, gute Freunde, steigen wir zu Pferde.«

Neuntes Kapitel

Weiß ich, wie diese Ding' ich schlichten soll,


Die so verworren sich mir aufgedrängt –


Nimmer, glaubt mir –


Richard II.

Es war kurz nach Mittag am St. Valentinstag, als der Prior der Dominikaner in seinem Berufe als Beichtiger beschäftigt war, und zwar vor einem Beichtenden von nicht geringem Ansehen. Dieser war ein ältlicher Mann von gutem Aeußern, blühende Gesundheit ruhte auf seinem Gesicht, welches ein ehrwürdiger weißer Bart umzog, der bis auf die Brust niederhing. Die großen und klaren blauen Augen, mit der hohen, breiten Stirn, drückten Würde aus; aber sie war von einer Art, daß sie mehr gewohnt schien, freiwillige Huldigungen zu empfangen, als sie, im Fall der Weigerung, zu erzwingen. Der gutmüthige Ausdruck war so groß, daß er fast eine Einfalt oder Charakterschwäche anzudeuten schien, die ihn unfähig machte, Zudringlichkeit zurückzuweisen oder Widerstand zu bewältigen. Auf seinen grauen Haaren ruhte ein kleiner goldener Kranz oder eine Krone über einer blauen Binde. Sein Rosenkranz bestand aus dicken, ziemlich plump gearbeiteten Kügelchen, war aber mit schottischen Perlen verziert, die sich durch Größe und Schönheit auszeichneten. Außerdem trug er keinen Schmuck, und seine ganze Kleidung bestand aus einem langen Gewand von karmoisinrother Seide und einem Gürtel von derselben Farbe. Nachdem er gebeichtet, erhob er sich nicht ohne Mühe von dem gestickten Kissen, worauf er gekniet hatte, und ging, auf einen Ebenholzstock mit einem Rabenschnabel gestützt, mit sichtbarer Anstrengung und hinkend auf einen Prunksessel zu, der unter einem Thronhimmel stand, und den man für ihn in das große hohe Gemach, worin er sich befand, neben das Kamin gestellt hatte. Dies war Robert, der Dritte dieses Namens und der Zweite der unglücklichen Familie Stuart, welcher den schottischen Thron einnahm. Er hatte viele Tugenden und war nicht ohne Talent; aber zu seinem großen Unglück, welches mehrere Prinzen dieses, von so vielfachem Mißgeschick heimgesuchten Hauses mit ihm theilten, waren seine vorzüglichen Eigenschaften nicht von der Art, daß sie ihn befähigt hätten, die Rolle zu spielen, wozu ihn seine Geburt berufen. Der König eines so rauhen Volkes, wie damals die Schotten waren, hätte ein tapferer, rüstiger Krieger sein müssen, der geleistete Dienste freigebig belohnte, die Verbrechen streng bestrafte, und dessen ganzes Wesen Furcht und Liebe zugleich einflößen konnte; aber Robert des Dritten Eigenschaften waren das Gegentheil von alledem. Er hatte zwar in seiner Jugend mehreren Schlachten beigewohnt, aber wenn er darin auch keine Schmach ärntete, so hatte er doch nie die ritterliche Begierde nach Krieg und Wagstücken, und das glühende Verlangen, sich durch gefährliche Thaten berühmt zu machen, an den Tag gelegt, welches man damals von Allen erwartete, die von edler Geburt waren und Ansprüche auf Ansehen machten.

Ueberdies war seine kriegerische Laufbahn sehr kurz. Im Getümmel eines Turniers erhielt der junge Graf von Carrick, dies war sein damaliger Titel, einen Schlag vom Pferde des Sir James Douglas von Dalkeith, in Folge dessen er zeitlebens lahm blieb, und völlig unfähig, ferner Theil am Kriege zu nehmen oder an kriegerischen Spielen und Turnieren, die ein Bild von jenem waren. Da Robert nie große Neigung zu solchen Uebungen bewiesen hatte, so bedauerte er wahrscheinlich nicht sehr, bei dergleichen Scenen keine Rolle spielen zu können. Aber dieser Unfall oder vielmehr die Folgen desselben setzten ihn in den Augen eines stolzen Adels und eines kriegerischen Volkes herab. Er mußte die wichtigen Regierungsgeschäfte bald einem Gliede seiner Familie, bald einem Andern überlassen, manchmal mit dem Titel Reichsstatthalter, und stets mit der solchem Range gebührenden Gewalt. Seine väterliche Liebe hätte ihn wohl bestimmt, einen Theil derselben seinem ältesten Sohne, einem talentvollen jungen Manne zu übertragen, den er zum Herzog von Rothsay ernannte, um ihm einen Rang zu verleihen, wodurch er dem Throne so nahe als möglich gebracht wurde; aber der junge Prinz hatte einen zu leichten Sinn und eine zu schwache Hand, um das Scepter mit Würde zu führen. Er liebte zwar die Macht, aber Vergnügungen waren seine Hauptleidenschaft, und zum Aergerniß des Volkes war der Hof Zeuge mannichfacher Liebeshändel, die sich der Prinz gestattete, dessen Aufführung für die Jugend des Landes ein Muster der Tugend und Ehrbarkeit hätte sein sollen.

Das ungebundene und ungebührliche Benehmen des Herzogs von Rothsay war in der öffentlichen Meinung um so tadelnswerther, als er ein verheiratheter Mann war; obwohl Manche, auf die seine Jugend, Heiterkeit, Huld und Gutmüthigkeit Einfluß hatten, der Meinung waren, daß gerade die Verhältnisse seiner Ehe seinen Ausschweifungen zur Entschuldigung dienen könnten. Sie erinnerten sich, daß seine Vermählung ganz das Werk seines Oheims, des Herzogs von Albany, gewesen war, durch den sich der schwache, blödsinnige König meist leiten ließ, und der, wie man allgemein glaubte, dem Geiste seines Bruders eine den Interessen und Hoffnungen des künftigen Thronerben schädliche Richtung zu geben suchte. Durch die Intriguen Albany's wurde die Hand des Prinzen gleichsam an den Meistbietenden verkauft, denn er gab öffentlich zu verstehen, derjenige schottische Große, dessen Tochter die bedeutendste Mitgift erhielte, dürfe hoffen, der Schwiegervater des Herzogs von Rothsay zu werden.

Bei dem erfolgten Streite um den Vorrang wurde Georg, Graf von Dunbar und March, der für sich oder durch seine Vasallen einen großen Theil der östlichen Grenzen besaß, den andern Bewerbern vorgezogen, und seine Tochter wurde mit wechselseitiger Zustimmung des jungen Paares dem Herzog von Rothsay verlobt.

Aber eine dritte Partei mußte noch befragt werden, und das war kein Anderer, als der furchtbare Archibald, Graf von Douglas, zu fürchten wegen der Ausdehnung seiner Besitzungen, wegen seiner zahlreichen Aemter und Gerichtsbarkeiten und wegen seiner Weisheit und seines Muthes, vereint mit unbändigem Stolze und einer ungewöhnlichen Rachlust. Auch war der Graf dem Throne nahe verwandt, indem ihm die älteste Tochter des regierenden Königs vermählt war.

Nach der Verlobung des Herzogs von Rothsay mit des Grafen von March Tochter trat Douglas auf, als ob er gezögert hätte, an der Verhandlung Theil zu nehmen, um zu zeigen, daß sie ohne ihn nicht abgeschlossen werden könne, um den Contrakt ungiltig zu machen. Er bot seine Tochter Marjory mit einer noch bedeutenderen Mitgift an, als der Graf von March versprochen hatte, und Albany, durch seine Habsucht und die Furcht vor Douglas beherrscht, machte seinen Einfluß auf den blödsinnigen Monarchen geltend und bestimmte ihn, dem Grafen von March das Wort zu brechen und seinem Sohne Marjory Douglas zu geben, eine Frau, die dieser nicht lieben konnte. Die einzige Entschuldigung, die man gegen den Grafen von March vorbrachte, war, daß die Verlobung des Prinzen mit Elisabeth von Dunbar die Zustimmung des Parlaments nicht erhalten habe, und so lange diese Bestätigung fehle, Verträge der Art nicht bindend seien. Der Graf war sehr erbittert über den ihm und seiner Tochter angethanen Schimpf, und man glaubte allgemein, er sinne auf Rache, wozu ihm das Ansehen, in dem er an der englischen Grenze stand, leicht die Mittel leihen zu müssen schien.

Inzwischen machte der Herzog von Rothsay, aufgebracht, daß man seine Hand und seine Neigungen dieser Staatsintrigue geopfert habe, seinem Mißvergnügen Luft, indem er seine Gemahlin vernachlässigte, seinen furchtbaren und gefährlichen Schwiegervater verachtete und selbst dem Ansehen des Königs wenig Achtung bezeigte, auch gar keine der Vorstellungen seines Oheims Albany anhörte, den er als erklärten Feind betrachtete.

Unter diesen Familienmißhelligkeiten, die sich auch auf seine Räthe und die Verwaltung erstreckten, so daß sich überall die schlimmen Folgen der Uneinigkeit und des Zwiespalts zeigten, ließ sich der schwache König eine Zeitlang durch den Rath seiner Gemahlin, der Königin Annabella, einer Tochter des edlen Hauses von Drummond, leiten. Mit hohem Scharfsinn und Festigkeit des Charakters ausgestattet, steckte sie dem Leichtsinn eines Sohnes, der sie achtete, einigermaßen Schranken, und hielt nicht selten den wankenden Sinn ihres königlichen Gemahls aufrecht. Aber nach ihrem Tode glich der Fürst einem Schiffe, das die Anker verloren hat und von entgegengesetzten Strömungen hin- und hergeworfen wird. Man konnte sagen, daß Robert seinen Sohn leidenschaftlich liebte, daß er eine furchtsame Achtung gegen den Charakter seines Bruders Albany hegte, der freilich viel fester war, als sein eigener; daß Douglas ihm eine fast instinktmäßige Furcht einflößte, und daß er an der Treue des kühnen, aber unbeständigen Grafen von March zweifelte. Die Empfindungen, die er gegen diese verschiedenen Personen hegte, verflossen so in einander, daß sie von Zeit zu Zeit ganz anders erschienen, als sie wirklich waren. Der letzten Gewalt, die über sein lenksames Gemüth ausgeübt worden war, nachgebend, wurde der König, nachdem er ein nachsichtiger Vater gewesen, streng und selbst grausam, sein Vertrauen auf seinen Bruder verwandelte sich in Mißtrauen, und der sonst so sanfte, gütige Monarch zeigte sich als eifersüchtigen, eigennützigen Tyrannen. Wie das Kamäleon trug sein schwaches Gemüth die Farbe des stärkern Geistes, von dem er sich für den Augenblick lenken ließ. Wenn er dem Rathe eines Gliedes seiner Familie nicht mehr folgte, um sein Ohr dem eines Andern zu erschließen, so war es nicht ungewöhnlich, eine gänzliche Aenderung der Verwaltung eintreten zu sehen: ein Wechsel, eben so unehrenvoll für den Charakter des Königs, als gefährlich für das Wohl des Staates.

Eine natürliche Folge war, daß die Geistlichkeit der katholischen Kirche Einfluß auf einen Mann erlangte, der die besten Absichten hatte, aber dabei einen gänzlichen Mangel an festen Entschlüssen. Es quälte Robert nicht nur das peinliche Bewußtsein der Fehler, die er wirklich begangen hatte, sondern auch die Furcht, die ein abergläubisches Gemüth immer mit Bangigkeit erfüllt. Wir brauchen daher kaum noch hinzuzusetzen, daß die Geistlichen der verschiedenen Orden keinen geringen Einfluß auf einen so schwachen Fürsten ausübten, obwohl dies ein Einfluß war, dem in jener Zeit Wenige entgingen, so fest und entschlossen sie sich auch in ihren weltlichen Angelegenheiten zeigen mochten. – Wir kehren nun von dieser langen Abschweifung zurück, ohne welche unsere Erzählung nicht recht verständlich werden konnte.

Der König hatte sich mühsam und ungraziös zu dem Polsterstuhle bewegt, der unter einem Thronhimmel für ihn bereit stand, und auf welchen er sich behaglich niederließ, gleich einem bequemen Manne, der eine Zeitlang in einer gezwungenen Stellung verharrt hatte. Als er saß, drückten die ehrwürdigen Züge und die sanfte Miene des Greises nichts als wohlwollende Güte aus. Der Prior, in einer Stellung tiefer Ehrerbietung, die sein von Natur stolzes Ansehen barg, vor dem Sessel des Königs stehend, war ein Mann zwischen vierzig und fünfzig Jahren, aber noch keines seiner Haare hatte die natürliche schwarze Farbe verloren. Verständige Züge und ein lebhafter Blick verriethen die Talente, durch die sich der ehrwürdige Prior auf den hohen Posten gehoben hatte, den er bei seinem Orden, und man kann hinzusetzen, im Staatsrathe bekleidete, wo er nicht selten von ihnen Gebrauch machte. Die Hauptzwecke, welche Erziehung und Gewohnheit ihn verfolgen lehrten, waren Vermehrung der Güter und Reichthümer der Kirche und Unterdrückung der Ketzerei, ein Ziel, zu dessen Erreichung er alle Mittel anwandte, die ihm seine Stellung an die Hand gab; aber durch die Aufrichtigkeit seines Glaubens und treue Befolgung der Vorschriften der Sittlichkeit, die ihn im gewöhnlichen Leben leiteten, machte er seiner Religion Ehre. Die Fehler, welche Prior Anselm zu unseligen Irrthümern und selbst zur Grausamkeit verleiteten, müssen vielleicht dem Geiste seiner Zeit und seines Standes zugeschrieben werden – seine Tugenden waren sein eigen.

»Nachdem dies geschehen,« sagte der König, »und die erwähnten Ländereien durch meine Schenkung diesem Kloster gesichert sind, seid Ihr dann der Meinung, Vater, daß ich hinreichend in der Gunst unserer heiligen Mutter Kirche stehe, um mich ihren gehorsamen Sohn zu nennen?«

»Gewiß, mein König,« sagte der Prior; »wollte Gott, daß all' ihre Kinder zum Sakrament der Beichte ein eben so lebendiges Bewußtsein ihrer Fehler brächten, und eben so viel guten Willen, sie abzubüßen. Aber ich spreche diese tröstlichen Worte, Sir, nicht zu Robert, dem König von Schottland, sondern nur zu meinem demüthigen und andächtigen Beichtkinde, Robert Stuart von Carrick.«

»Ihr überrascht mich, Vater,« antwortete der König. »Mein Gewissen macht mir wenig Vorwürfe für das, was ich in meinem königlichen Berufe gethan, denn ich pflege dabei weniger meiner eigenen Meinung, als der Stimme der weisesten Räthe zu folgen.«

»Eben darin liegt die Gefahr, mein König,« erwiderte der Prior. »Der heilige Vater erkennt in jedem Worte, jedem Gedanken, jeder Handlung bei Euch den gehorsamen Diener der heiligen Kirche. Aber es gibt schlimme Räthe, die der Eingebung ihrer schlechten Herzen folgen, während sie die Güte und Lenksamkeit ihres Monarchen mißbrauchen, und unter dem Scheine, seinen zeitlichen Interessen zu dienen, Schritte thun, die seinem ewigen Wohle nicht förderlich sein können.« König Robert erhob sich in seinem Stuhle und nahm eine gebietendere Miene an, die er, obwohl sie ihm zukam, selten zu zeigen pflegte.

»Prior Anselm,« sagte er, »wenn Ihr in meinem Benehmen Etwas entdeckt habt, sei es in meinem königlichen oder in meinem Stande als Privatmann, was solchen Tadel nach sich ziehen kann, wie Eure Worte andeuten, so ist es Eure Pflicht, offen zu sprechen, und ich befehle Euch, so zu thun.«

»Mein König, es soll Euch gehorcht werden,« antwortete der Prior mit leichter Verbeugung. Dann erhob er sich, und indem er die Würde seines kirchlichen Ranges annahm, sagte er: »Hört von mir die Worte unsers heiligen Vaters, des Papstes, des Nachfolgers St. Peters, dem die Schlüssel gegeben sind, beides, zu binden und zu lösen: Warum, Robert von Schottland, hast du nicht gesetzt auf den Stuhl des heiligen Andreas, Henry von Warstlaw, den der Papst empfahl, um jenen Sitz einzunehmen? Warum thust du Bekenntniß mit deinen Lippen, als gehorsamer Diener der Kirche, wenn deine Handlungen die Verstocktheit und den Ungehorsam deines Innern kund thun? Gehorsam ist besser denn Opfer.«

»Sir Prior,« sagte der Monarch, in einem Tone, der seinem hohen Range zukam, »wir können uns wohl erlassen, Euch über diesen Gegenstand zu antworten, da die Sache uns und die Staaten unsers Reichs betrifft, nicht aber unser persönliches Gewissen angeht.«

»Ach!« sagte der Prior, »und wessen Gewissen wird sie am jüngsten Tage angehen? Wer von Euren kühnen Lords oder reichen Bürgern wird sich dann zwischen den König und die Strafe stellen, die er verwirkt hat, indem er ihrer weltlichen Politik in geistlichen Angelegenheiten folgte? Wisse, mächtiger König, daß, wäre auch die ganze Ritterschaft deines Reiches aufgestellt, um dich vor dem Donnerkeil zu schirmen, daß sie doch verzehrt werden würde, wie trockenes Pergament von der Gluth eines Ofens.«

»Guter Vater Prior,« sagte der König, auf dessen schüchternes Gewissen eine solche Sprache selten verfehlte großen Eindruck zu machen, »Ihr redet sicherlich zu streng in dieser Sache. Es war während meiner letzten Unpäßlichkeit, als der Graf von Douglas als Statthalter die königliche Gewalt in Schottland ausübte, daß sich das Hinderniß gegen die Aufnahme des Primaten unglücklicherweise erhob. Tadelt mich daher nicht um dessen willen, was sich ereignete, als ich die Angelegenheiten des Reichs nicht leiten konnte, und meine Macht einem Andern anvertrauen mußte.«

»Eurem Unterthan, Sire, habt Ihr genug gesagt,« erwiderte der Prior. »Aber wenn sich das Hinderniß während der Statthalterschaft des Grafen Douglas erhob, so wird der Legat Seiner Heiligkeit Euch fragen, warum es nicht sofort verschwand, als der König die Zügel der Gewalt wieder in seine Hand nahm? Der schwarze Douglas kann viel thun, mehr als ein Unterthan in seines Herrn Reiche sollte thun können; aber er kann sich nicht zwischen Ew. Majestät und Euer Gewissen stellen, oder Euch von den Pflichten gegen die heilige Kirche entbinden, die Euch Euer Stand als König auferlegt.«

»Vater,« sagte Robert mit einiger Ungeduld, »Ihr seid zu streng in dieser Sache und solltet zum wenigsten eine gelegene Zeit erwarten, bis wir Frist zur Erwägung einer Abhilfe haben. Solche Streitfälle sind häufig unter der Regierung unserer Vorfahren vorgekommen, und unser königlicher und seliger Vorfahr, der heilige David, entsagte seinen Vorrechten als Monarch nicht, ohne sie vertheidigt zu haben, obwohl er sich dadurch mit dem heiligen Vater selbst in Streit verwickelte.«

»Und darin war dieser große und gute König weder fromm noch heilig,« sagte der Prior; »und daher ward er in die Macht seiner Feinde gegeben, als er sein Schwert gegen die Banner St. Peters, St. Pauls und St. Johannes von Beverley erhob, in dem Kriege, der noch der Standartenkrieg heißt. Gut war es für ihn, daß, gleich seinem Namensvetter, dem Sohn Isai's, seine Sünde auf Erden bestraft ward, um nicht gegen ihn zu zeugen am schrecklichen Tage des jüngsten Gerichts.«

»Wohl, guter Prior – wohl – genug davon für diesmal. Der heilige Stuhl soll, Gott geb' es, nicht Ursache haben, sich über mich zu beklagen. Ich nehme unsere Liebe Frau zum Zeugen, daß ich nicht um die Krone, die ich trage, die Bürde auf mich nehmen möchte, unsere Mutter Kirche zu beleidigen. Wir fürchteten immer, daß der Graf von Douglas seine Blicke zu sehr auf den Ruhm und die zeitlichen Güter dieses vergänglichen und flüchtigen Lebens richte, um überhaupt die Ansprüche zu kennen, welche die künftige Welt an uns hat.«

»Es ist nicht lange her,« sagte der Prior, »daß er sich mit einer Schaar von tausend Gefährten im Kloster von Aberbrothock Quartier erzwang, und der Abt ist genöthigt, ihn mit Allem für Roß und Mann zu versorgen, der Graf nennt dies eine Uebung der Gastfreiheit, die er mit Recht von einer Stiftung erwarte, zu welcher seine Vorfahren beigetragen hätten. Gewiß besser wäre es, dem Douglas seine Ländereien zurückzugeben, als solche Erpressung zu dulden, welche mehr der unbändigen Zügellosigkeit eines hochländischen Räubers gleicht, als dem Benehmen eines christlichen Barons.«

»Die schwarzen Douglase,« sagte der König mit einem Seufzer, »sind ein Geschlecht, welches keinen Widerspruch hören mag. Aber, Vater Prior, ich bin vielleicht selbst so ein Zudringlicher; denn ich bin schon lange bei Euch gewesen, und meine Gefährten, obwohl nicht so zahlreich, wie jene des Douglas, sind trotzdem ihrer genug, um Euch mit ihrem täglichen Unterhalt zu belästigen. Und obwohl unser Befehl ist, Euren Aufwand so viel als möglich zu erleichtern, so wäre es doch, wenn wir Euch belästigen, gerathen, uns endlich zu entfernen.«

»Nun, das verhüte unsre liebe Frau!« sagte der Prior, der, wenn auch begierig nach Macht, doch nichts Niedriges und Habsüchtiges in seinem Charakter hatte, sondern sogar eine vorzügliche Großmuth und Freundlichkeit besaß; »sicherlich kann das Dominikanerkloster seinem Fürsten die Gastfreiheit gewähren, die das Haus jedem Wanderer, weß Standes er auch sei, bietet, den die armen Diener unsers Schutzheiligen bewirthen. Nein, mein königlicher Herr, kommt mit einem zehn Mal größern Gefolge, als jetzt, und es soll kein Körnchen Hafer, kein Bund Stroh, kein Stück Brod und kein Pfund Fleisch mangeln. Ein Anderes ist's, die Einkünfte der Kirche, die ansehnlicher sind, als die Mönche wünschen dürfen oder nöthig haben, dazu zu verwenden, mit geziemender Achtung Ew. Majestät zu empfangen, ein Anderes, sie sich von rohen, gewaltthätigen Menschen entrissen zu sehen, deren Liebe zum Raub keine andern Schranken kennt, als den Umfang ihrer Gewalt.«

»Nun wohl, guter Prior,« sagte der König; »lenken wir nun unsere Gedanken einen Augenblick von Staatsangelegenheiten ab; – könnt Ihr, ehrwürdiger Herr, uns berichten, wie die guten Bürger von Perth ihren Valentinstag begonnen haben? Verliebt und fröhlich, und hoffentlich friedlich?«

»Was das Verliebte betrifft, mein König, so versteh' ich wenig von solchen Dingen. Hinsichtlich des Friedlichen, so kamen drei oder vier Männer, zwei schrecklich verwundet, diesen Morgen vor Tagesanbruch, um das Recht des Heiligthums in Anspruch zu nehmen, verfolgt von schreienden Bürgern in ihren Hemden mit Knitleln, Piken, Streitäxten und zweihändigen Schwertern, indem immer Einer lauter als der Andere rief: schlagt zu, schlagt todt! Ja, sie waren nicht zufrieden, als unser Pförtner und Wächter ihnen sagte, daß die Verfolgten Zuflucht beim Altar der Kirche gefunden, sondern fuhren einige Minuten lang fort, zu lärmen und gegen das hintere Thor zu schlagen, verlangend, daß die Leute, die sich vergangen, ihnen ausgeliefert werden sollten. Ich fürchtete, ihr wilder Lärm möchte Ew. Majestät Ruhe stören und Euch in Schrecken setzen.«

»Meine Ruhe hätte gestört werden können,« sagte der Monarch; »aber daß das Geschrei mich erschreckt hätte – ach! ehrwürdiger Vater, in Schottland giebt es blos einen Platz, wo der Schrei des Opfers und die Drohungen des Unterdrückers nicht gehört werden – und der, Vater, ist – das Grab.«

Der Prior stand in ehrerbietigem Schweigen, die Gefühle des Monarchen theilend, dessen Herzenssanftmuth so schlecht mit dem Zustande und den Sitten seines Volkes übereinstimmte.

»Und was ward aus den Flüchtlingen?« fragte Robert, nachdem er eine Minute geschwiegen.

»Sie wurden, Sire,« sagte der Prior, »vor Tagesanbruch, wie sie wünschten, entlassen; wir schickten vorher hinaus, um gewiß zu sein, daß kein Hinterhalt ihrer Feinde in der Nähe sei, und darauf zogen sie ihres Weges in Frieden.«

»Ihr wißt nicht,« forschte der König, »wer die Männer waren, oder warum sie Zuflucht bei Euch suchten?«

»Der Grund,« sagte der Prior, »war ein Streit mit den Bürgern der Stadt; aber wie er entstand, ist uns nicht bekannt. Der Brauch unseres Hauses ist, vierundzwanzig Stunden hinter einander Zuflucht im Heiligthum St. Dominikus zu gewähren, ohne daß währenddem an die Unglücklichen eine Frage gerichtet würde, wer dort Schutz suche. Wenn sie längere Zeit zu bleiben wünschen, muß der Grund ihrer Flucht zur Freistätte in's Klosterbuch eingetragen werden; und, Preis sei unserm Heiligen, viele Personen entkamen der Schwere des Gesetzes durch diesen zeitweiligen Schutz, die wir, wenn wir den Charakter ihrer Verbrechen wußten, wohl selbst ihren Verfolgern pflichtgemäß hätten ausliefern müssen.« Während der Prior sprach, schwebte dem Monarchen ein dunkler Gedanke vor, daß das so streng geübte Privilegium der Freistätte den Lauf der Gerechtigkeit in seinem Reiche unziemlich unterbrechen müsse. Er unterdrückte aber dies Gefühl, als wäre es eine Eingebung des Satans gewesen, und gab sich Mühe, daß ihm kein Wort entschlüpfe, dem Geistlichen zu verrathen, daß ein so profaner Gedanke je in seinem Busen aufgestiegen sei; im Gegentheil, er eilte, auf einen andern Gegenstand zu kommen.

»Die Sonne,« sagte er, »bewegt sich recht langsam. Nach der schlimmen Nachricht, die Ihr mir gegeben habt, erwarte ich die Lords meines Raths früher, um ihnen wegen dieses unseligen Tumultes Aufträge zu ertheilen. Schlimm war das Geschick, welches mir das Scepter über ein Volk gab, unter welchem ich, wie es scheint, der einzige Mann bin, welcher Ruhe und Frieden wünscht!«

»Die Kirche wünscht stets Ruhe und Frieden«, fügte der Prior hinzu, der auch nicht duldete, daß selbst eine so allgemeine Bemerkung des armen Königs bedrücktem Gemüth entschlüpfe, ohne für die Ehre der Kirche eine sichernde Klausel beizufügen.

»So ist unsere Meinung auch nur,« sagte Robert. »Aber, Vater Prior, Ihr werdet zugeben, daß die Kirche, wenn sie Streit unterdrückt, wie ohne Zweifel ihre Absicht ist, der geschäftigen Hausfrau gleicht, die den Staub in Bewegung setzt, den sie hinweg fegen will.«

Auf diese Bemerkung würde der Prior Etwas erwidert haben, aber die Thür des Saales öffnete sich, und ein Kammerdiener meldete den Herzog von Albany.

Zehntes Kapitel

Edler Freund! Schilt ihre Luft nicht, gestern war sie traurig.


Und kann es morgen auch sein.


Joanna Bailie.

Der Herzog von Albany hieß, gleich seinem königlichen Bruder, Robert. Der Taufname des Letztern war Johann gewesen, bis er den Thron bestieg; der Aberglaube der Zeit bemerkte, daß der Name mit Mißgeschick verknüpft gewesen im Leben und der Regierung Johanns von England, Johanns von Frankreich und Johann Baliol's von Schottland. Man beschloß daher, daß, um dem bösen Omen vorzubeugen, der neue König sich Robert nennen solle, ein Name, welcher für Schottland durch die Erinnerung an Robert Bruce theuer war. Wir erwähnen dies aus Rücksicht auf das Vorhandensein zweier Brüder von gleichem Taufnamen in einer Familie, was jedenfalls eben so ungewöhnlich war, wie heutzutage.

Albany, gleichfalls ein bejahrter Mann, schien nicht mehr als der König zu kriegerischen Unternehmungen geneigt. Hatte er aber keinen Kriegsmuth, so hatte er die Klugheit, den Mangel jener Eigenschaften zu verstecken und zu umhüllen, überzeugt, daß dieser Fehler, wenn man ihn auch nur ahnte, alle Pläne stürzen würde, die sein Ehrgeiz entworfen. Auch war er stolz genug, im äußersten Falle Tapferkeit zu zeigen, wenn diese ihm gleich nicht eigenthümlich war, und besaß so viel Herrschaft über sich, um seine Nervenreizbarkeit zu verbergen. Uebrigens war er ein gewandter Staatsmann, ruhig, kalt und schlau; seine Blicke waren immer auf das Ziel gerichtet, das er zu erreichen wünschte, wenn es noch in weiter Ferne lag, und er verlor es nie aus dem Gesicht, wenn gleich die Krümmungen des Weges, den er einschlug, oft nach ganz entgegengesetzter Richtung führen zu müssen schienen. In seiner Person glich er dem König, denn sein Wuchs und seine Haltung war eben so edel und majestätisch; was er jedoch vor dem ältern Bruder voraus hatte, war, daß er nicht gebrechlich und im Allgemeinen gewandter und lebhafter war. Seine Kleidung war reich und gewählt, wie sie sein Alter und Rang forderte, und gleich seinem königlichen Bruder trug er gar keine Waffen, indem ein Besteck kleiner Messer an seinem Gürtel den Ort einnahm, wo sonst ein Dolch stak, sobald man kein Schwert trug.

Bei des Herzogs Eintritt zog sich der Prior, eine ehrerbietige Verbeugung machend, nach einer Vertiefung des Saales zurück, etwas entfernt vom Sitze des Königs, um die Unterhaltung der Brüder nicht durch Gegenwart einer dritten Person zu stören. Es muß hier erwähnt werden, daß die Vertiefung durch ein Fenster gebildet wurde, welches sich an der innern Fronte der Klostergebäude befand, die man Palast nannte, weil sich die schottischen Könige häufig hier aufhielten, obwohl gewöhnlich der Prior oder Abt hier wohnte. Das Fenster, über dem Haupteingange zu den königlichen Gemächern gelegen, sah auf den innern Hof des Klosters, der zur Rechten durch die lange, prächtige Kirche, zur Linken durch ein Gebäude begrenzt wurde, worin sich die Zellen, das Refektorium, die Probstei und andere Zimmer befanden. Diese ganze Partie stand abgesondert von dem Flügel, den König Robert mit seinem Hofstaat einnahm. Eine vierte Reihe von Gebäuden, deren äußere Fronte gegen Morgen lag, bestand aus einem großen Hospitium zur Aufnahme der Fremden oder Pilger, und aus den Magazinen für die großen Vorräthe, deren die glänzende Gastfreiheit der Dominikaner bedurfte. Ein hohes Gewölbe führte durch die östliche Fronte in den innern Hof, es lag gerade dem Fenster gegenüber, an welchem der Prior Amseln stand, und er konnte durch die dunkle Halle sehen und die Lichtstrahlen bemerken, die durch das östliche, offenstehende Thor in das Gewölbe hineinfielen, aber wegen der Höhe und Tiefe desselben konnte er das gegenüberliegende Portal nur undeutlich unterscheiden. Es ist nothwendig, diese Oertlichkeiten zu merken. Wir kehren zurück zu der Unterhaltung zwischen den fürstlichen Brüdern.

»Mein lieber Bruder,« sagte der König, den Herzog von Albany zurückhaltend, als dieser ihm die Hand küssen wollte; »mein lieber, lieber Bruder, wozu diese Förmlichkeit? Sind wir nicht Beide Söhne desselben Stuart von Schottland und derselben Elisabeth More?«

»Ich habe nicht vergessen, daß dem also ist,« sagte Albany, sich aufrichtend; »aber ich darf, bei aller Vertraulichkeit gegen den Bruder, die Ehrerbietung nicht vernachlässigen, die dem König gebührt.«

»O, wahr, sehr wahr, Robin,« antwortete der König. »Der Thron gleicht einem hohen und dürren Felsen, auf dem nie eine Blume oder Staude Wurzel fassen kann. Alle freundlichen Gefühle, alle zärtlichen Neigungen versagt man einem König. Ein König darf einen Bruder nicht an sein Herz drücken – er darf seiner Zärtlichkeit gegen einen Sohn nicht nachgeben!«

»Das ist in mancher Hinsicht das Loos der Größe, Sire,« antwortete Albany; »aber der Himmel, der von Ew. Majestät Sphäre die Glieder Eurer eigenen Familie etwas entfernte, hat Euch ein ganzes Volk zu Euren Kindern gegeben.«

»Ach, Robert!« antwortete der Monarch, »Euer Herz ist besser geeignet für die Pflichten eines Monarchen, als das meine. Ich sehe von der Höhe, auf welche das Schicksal mich stellte, auf die Menge, die ihr meine Kinder nennt – ich liebe sie, ich will ihnen wohl – aber ihrer sind viel und sie sind fern von mir. Ach! selbst der Geringste von ihnen hat ein geliebtes Wesen, das er an's Herz drücken kann, und dem er die Zärtlichkeit eines Vaters weihen darf; aber Alles, was ein König einem Volke geben kann, ist ein Lächeln, wie es die Sonne den Schneegipfeln der Grampischen Gebirge schenkt, so fern und so wirkungslos! Ach, Robin, unser Vater pflegte uns zu liebkosen, und wenn er uns schalt, so geschah es mit freundlichem Tone; doch war er Monarch so gut als ich, und warum sollte mir nicht erlaubt sein, gleich ihm, meinen armen verlorenen Sohn durch Zärtlichkeit so gut als durch Strenge zu bessern?«

»Wäre Zärtlichkeit nie versucht worden, mein König,« erwiderte Albany im Tone eines Menschen, der eine Meinung ausspricht, deren Aeußerung ihn schmerzt, »so müßte allerdings zuerst von sanften Mitteln Gebrauch gemacht werden. Ew. Majestät können am besten urtheilen, ob man diese Mittel nicht schon lange genug angewendet hat, und ob Strenge nicht wirksamer wäre. Es steht ausschließlich in Eurer königlichen Macht, gegen den Herzog von Rothsay die Maßregeln zu nehmen, die Ihr für sein und des Reiches Bestes am geeignetsten haltet.«

»Das ist unfreundlich, Bruder,« sagte der König; »Ihr zeigt mir den schmerzlichen Weg, den ich betreten soll, aber Ihr bietet mir keine Unterstützung dabei.«

»Ueber meine Unterstützung hat Ew. Majestät stets zu gebieten,« erwiderte Albany; »würde es aber mir unter allen andern Männern anstehen, Euch zu harten Maßregeln gegen Euren Sohn und Erben anzutreiben? Mir, auf den im Falle des Erlöschens Eurer königlichen Familie, was Gott verhüte, diese verhängnißvolle Krone übergehen würde? Würde nicht der gewaltthätige March und der stolze Douglas sagen und denken, Albany habe den Samen der Zwietracht gestreut zwischen seinen Bruder, den König, und den Erben des Thrones von Schottland, um zu diesem den Weg seinem eigenen Hause zu bahnen? Nein, mein König – ich kann Eurem Dienste mein Leben opfern, aber ich darf meine Ehre nicht in Gefahr bringen.«

»Ihr habt Recht, Robin, Ihr habt sehr Recht,« erwiderte der König, der sich beeilte, den Worten seines Bruders seine eigene Deutung zu geben. »Wir dürfen nicht dulden, daß diese mächtigen und gefährlichen Lords merken, es sei ein Zwiespalt in der königlichen Familie. Das ist vor Allem zu verhüten, und daher wollen wir noch ein Mal Nachsicht versuchen in der Hoffnung, Rothsay von seinen Verirrungen zurückzubringen. Ich bemerke manchmal an ihm Funken von Verstand, die ihn liebenswürdig machen; er ist jung, sehr jung, er ist Prinz und das wilde Feuer der Jugend lodert bei ihm noch in voller Kraft. Wir wollen Geduld mit ihm haben, wie ein guter Reiter mit einem unlenksamen Roß. Laßt diesen leichten Sinn austoben, und Niemand wird dann zufriedener mit ihm sein, als Ihr. Ihr habt mir schon manchmal vorgeworfen, ich sei zu zurückgezogen, zu still, – Rothsay hat diese Fehler nicht.«

»Ich wette mein Leben, daß er sie nicht hat,« antwortete Albany trocken.

»Und es mangelt ihm ebenso wenig Verstand, als Lebendigkeit,« fuhr der König fort, der die Sache seines Sohnes gegen den Bruder verfocht. »Ich habe nach ihm geschickt, damit er heute dem Rathe beiwohne, und wir werden sehen, wie er seiner Pflicht nachkommt. Ihr selber gebt zu, Robin, daß dem Prinzen weder Scharfsinn noch Gewandtheit zu Geschäften fehlen, wenn er aufgelegt ist, sich damit zu befassen.«

»Ohne Zweifel fehlt es ihm nicht daran, mein König,« erwiderte Albany, »wenn er aufgelegt ist, sich damit zu befassen.«

»So sag' ich,« entgegnete der König; »und es freut mich herzlich, daß Ihr mir beistimmt, Robin, bei dem armen unglücklichen jungen Manne noch ein Mal Nachsicht anzuwenden. Er hatte keine Mutter mehr, um seine Sache bei einem unwilligen Vater zu vertreten. Daran muß man sich erinnern, Albany.«

»Ich hoffe,« sagte Albany, »das Verfahren, welches Eurer Majestät Gefühl am angenehmsten ist, werde sich als das weiseste und beste bewähren.«

Der Herzog durchschaute ganz gut die einfache Kriegslist, wodurch sich der König den Schlüssen seiner Bemerkungen zu entziehen, und, unter dem Vorwande seiner Genehmigung, einen entgegengesetzten Weg einzuschlagen suchte, als der ihm empfohlen worden. Aber obwohl er sah, daß er ihn nicht bewegen konnte, den angegebenen Weg einzuschlagen, so mochte er doch nicht alle Hoffnung aufgeben, entschlossen, eine bessere Gelegenheit zu erwarten, die ihm die Mißhelligkeiten zwischen dem König und dem Prinzen bald gewähren sollten.

Inzwischen rief König Robert, aus Furcht, sein Bruder möchte den verhaßten Gegenstand, dem er soeben entgangen, wieder aufnehmen, laut den Prior der Dominikaner herbei. »Euer Posten beherrscht den Schloßhof, ehrwürdiger Vater. Ich höre Pferdegetrappel. Seht aus dem Fenster und sagt uns, wer kommt. Ist es nicht Rothsay?«

»Der edle Graf von March mit seinem Gefolge,« sagte der Prior.

»Ist sein Gefolge stark?« fragte der König. »Betreten seine Leute den Hof?«

Im nämlichen Augenblicke flüsterte Albany dem König zu: »Fürchtet nichts – die Brandanen [So hießen die Bewohner der Insel Bute, aus denen die königliche Leibwache bestand.] Eures Hauses stehen unter den Waffen.«

Der König nickte dankend, während der Prior vom Fenster die Frage beantwortete: »Der Graf ist begleitet von zwei Pagen, zwei Herren und vier Knechten. Ein Page folgt ihm auf der Haupttreppe und trägt seiner Herrlichkeit Schwert. Die andern halten im Hofe, und – Benedicite! was ist das? – Hier ist eine wandernde Sängerin, die sich mit ihrer Laute unter den königlichen Fenstern zum Gesang anschickt, im Kloster der Dominikaner, wie sie es im Hofe einer Schenke könnte. Ich will sie sogleich fortweisen lassen.«

»Nicht so, Vater,« sagte der König. »Laßt mich für die arme Pilgerin bitten. Die sogenannte ›fröhliche Kunst‹, welche sie treibt, ist trübselig vereint mit der Armuth und dem Elend, wozu dies wandernde Geschlecht der Minstrels verdammt ist. Darin gleicht es den Königen, die allenthalben auf ihrem Wege mit Freuden empfangen werden und umsonst nach dem friedlichen Glücke seufzen, das der ärmste Landmann im Schooße seiner Familie genießt. Die wandernde Sängerin soll nicht fortgewiesen werden, Vater; laßt sie, wenn sie will, vor den Dienern und Reitern im Hofe singen. Vielleicht wird dadurch verhütet, daß sie handgemein werden, wie sie pflegen, die so wilden und feindseligen Herren angehören.«

So sprach der wohlwollende und gemüthsschwache Fürst, und der Prior verbeugte sich gehorsam. Während er sprach, trat der Graf von March in den Audienzsaal, gekleidet in die gewöhnliche Rittertracht der Zeit, und den Dolch an der Seite. Er hatte den Edelknaben, der sein Schwert trug, im Vorzimmer gelassen. Der Graf war ein wohlgebauter, schöner Mann von blühendem Aussehen, sein Haar dicht und blond, und seine glänzenden blauen Augen funkelten wie die eines Adlers; in seinem, übrigens angenehmen, Betragen entwickele er einen reizbaren, jähzornigen Charakter, und seine Stellung in der Welt als angesehener, mächtiger Lehnsherr gab ihm nur zu viel Freiheit, seinen Leidenschaften nachzuhängen.

»Es freut mich, Euch zu sehen, Mylord von March,« sagte der König mit huldvoller Verbeugung. »Ihr seid lange nicht in unserm Rathe gewesen?«

»Mein Lehnsherr,« antwortete March mit einer tiefen Verbeugung vor dem König, und einem stolzen und förmlichen Gruße gegen den Herzog von Albany, »wenn ich in Eurer Majestät Rathe fehlte, so geschah es, weil angenehmere und ohne Zweifel gewandtere Räthe meine Stelle einnahmen. Ich komme nur, Eurer Majestät zu sagen, daß die Nachrichten, die ich von der englischen Grenze erhalten habe, es nöthig machen, daß ich ohne Verzug auf meine Güter zurückkehre. Ihr habt Euren Bruder, den weisen, klugen Herzog von Albany, mit dem Ihr Beschlüsse fassen könnt, und den mächtigen, tapferen Grafen Douglas, sie auszuführen. Ich kann nur in meinem Gebiete Dienste leisten, und bin entschlossen, mit Eurer Majestät Erlaubniß sofort dorthin zurückzukehren, um mein Amt als Wächter der östlichen Grenze zu versehen.«

»Ihr werdet nicht so unfreundlich gegen uns sein, Vetter,« erwiderte der sanfte Monarch. »Es sind schlimme Zeitungen vorhanden. Die unseligen Hochlandclans fangen wieder an, sich offen zu empören, und die Ruhe des Hofes heischt die Unterstützung unserer besten Räthe und tapfersten Barone, um zu vollziehen, was wir zu thun Willens sind. Der Nachkomme Thomas Randolphs wird gewiß den Enkel Robert Bruce's in solcher Zeit nicht verlassen.«

»Ich lasse bei ihm den Nachkommen des weltberühmten James von Douglas,« antwortete March. »Es ist seiner Herrlichkeit Stolz, daß er nie den Fuß in den Steigbügel setzt, ohne daß tausend Reiter zugleich mit ihm als tägliche Leibwache aufsitzen, und ich glaube, die Mönche von Aberbrothock werden das beschwören. Gewiß, die Ritter von Douglas vermögen besser einen Haufen empörter Hochländer zurückzuschlagen, als ich den englischen Bogenschützen und der Macht Henry Hotspurs Widerstand zu leisten. Ueberdies ist hier seine Hoheit, der Herzog von Albany, der für die Sicherheit Ew. Majestät so gut sorgt, daß er Eure Brandanen unter die Waffen treten läßt, wenn sich ein gehorsamer Unterthan der Residenz seines Königs nähert mit einem armseligen halben Dutzend Reiter, dem Gefolge des geringsten Barons, der eine Burg und tausend Acker dürres Land besitzt. Wenn man solche Vorsichtsmaßregeln trifft, wo sich nicht der geringste Schein von Gefahr zeigt – denn ich hoffe, daß man keine von mir befürchtete – da wird Eure königliche Person vor wirklicher Gefahr gewiß sicher bewacht sein.«

»Mylord von March,« sagte der Herzog von Albany, »die geringsten der Barone, von denen Ihr sprecht, lassen ihre Begleiter unter die Waffen treten, selbst wenn sie ihre liebsten und nächsten Freunde hinter der Eisenpforte ihres Schlosses empfangen; und wenn es unsrer lieben Frau gefällt, werd' ich nicht minder für die Sicherheit der Person des Königs sorgen, als sie für ihre eigene thun. Die Brandanen sind des Königs unmittelbares Gefolge und seine Leibwache, und hundert von ihnen ist nur eine schwache Bedeckung für einen König, da Ihr selbst, Mylord, so wie der Graf von Douglas, oft mit zehn Mal mehr reitet.«

»Edler Herzog,« erwiderte March, »wenn es der Dienst des Königs erfordert, kann ich mit zehn Mal so viel Leuten, als Ihr nanntet, reiten; nie aber that ich es in verräterischer Absicht gegen den König, oder aus Stolz, um es andern Edlen zuvorzuthun.«

»Bruder Robert,« sagte der König, der immer eifrig Frieden zu stiften suchte, »Ihr thut Unrecht, einen Verdacht gegen Mylord von March anzudeuten; und Ihr, Vetter March, laßt der Weisheit meines Bruders keine Gerechtigkeit widerfahren. – Aber hört – um dies mißliche Gespräch zu unterbrechen, – ich vernehme keinen ungefälligen Gesang. Ihr kennt die fröhliche Kunst, Mylord von March, und habt sie gern. – Tretet an jenes Fenster, neben den frommen Prior, an den wir keine Frage über weltliche Vergnügungen richten mögen; und darum sollt Ihr uns sagen, ob die Musik und der Gesang verdienen von uns gehört zu werden. Die Worte sind französisch, glaub' ich – meines Bruders von Albany Urtheil gilt in solchen Dingen nichts – daher sollt Ihr, Vetter, uns sagen, ob die arme Sängerin eine Belohnung verdient. Unser Sohn und Douglas werden gleich hier sein, und dann, wenn unser Rath versammelt ist, wollen wir ernstere Dinge verhandeln.«

Mit einer Art von Lächeln auf seinem stolzen Gesicht ging March in die Fenstervertiefung und stand dort schweigend neben dem Prior, gleich Einem, der, während er des Königs Befehle gehorcht, die ängstliche Vorsicht, die diesen veranlaßte, durchschaute, womit der Monarch einen Streit zwischen ihm und Albany abzuwenden suchte. Die Weise, welche auf einer Laute gespielt wurde, war anfangs fröhlich und heiter, mit einem Anflug der lebendigen Art der Troubadours. Allmälig aber wurden die Töne des Instrumentes und die weibliche Stimme, die sie begleiteten, klagend und gedehnt, als dämpfte sie das schmerzliche Gefühl der Sängerin.

Der beleidigte Graf, welcher Art auch seine vom König gerühmte Kennerschaft in solchen Dingen sein mochte, zollte, wie sich denken läßt, der Musik der Sängerin wenig Aufmerksamkeit. Sein stolzes Herz kämpfte zwischen der seinem Souverain schuldigen Treue, so wie der Liebe, die noch in seinem Busen für den gutmüthigen König lebte, und dem Verlangen nach Rache, welches sein getäuschter Ehrgeiz und die Schmach erweckte, die ihm widerfuhr, als Marjory Douglas statt seiner verlobten Tochter die Braut des muthmaßlichen Thronerben wurde. March hatte die Fehler und Tugenden der unentschlossenen Charaktere, und selbst wenn er sich vom König in der Absicht beurlaubt hätte, die ihm geschworene Treue zu brechen, hätte er, auf seinen Gütern angelangt, über ein so strafbares, so gefahrvolles Unternehmen nicht mit sich in's Reine kommen können. Solche gefährliche Gedanken beschäftigten ihn, während das Lied der Sängerin begonnen hatte; aber Gegenstände, die seine Aufmerksamkeit mächtiger fesselten, während die Sängerin fortfuhr, nahmen den Gang seiner Gedanken ein, und richteten sie auf das, was im Klosterhofe vorging. Der Gesang war in provençalischem Dialekt, wohlverstanden bei allen europäischen, und besonders dem schottischen Hofe, als Sprache der Dichtkunst. Das Lied war indeß einfacher, als gewöhnlich bei den Troubadours, und glich mehr der Weise eines normannischen Minnesängers. Es lautete in unserer Sprache etwa so:

Das Lied der armen Louise.

Arme Louise! Tagelang


Geht stets durch Hütt' und Schloß ihr Gang!


Da warnt ihr Spiel und ihr Gesang:


Vorm Waldpfad, Mädchen, sei euch bang',


Denkt an Louise.

Arme Louise! Glühend bricht


Der Sonne Gluth auf Wang' und Gesicht,


Nah' war der Waldpfad, kühl und dicht,


Wo Vogelsang beim Bächlein spricht


Froh zu Louise.

Arme Louise! Des Bären Brut


Hat nie hier im schönen Hain geruht;


Kein Wolf weilt hier an Naches Fluth –


Doch besser wär's, tränken sie das Blut


Der armen Louise.

Arme Louise! Im Waldesgrün


Naht ihr ein Jäger schön und kühn;


In Seid' und Gold – die Augen sprühn –


Manch süßes Wort macht heiß erglühn


Die arme Louise.

Arme Louise! Nicht Angst noch Pein


Hat dir gemacht des Goldes Schein;


Denn Frieden, wie ihn Engel leihn,


Und Kindesunschuld waren dein,


Arme Louise!

Arme Louise! Hin ist dein Gut!


Weiß nicht, ob List es stahl, ob Gluth.


Gabst du es, nahm's des Räubers Wuth?


Doch nun ist Elend das ganze Gut


Der armen Louise!

Arme Louise! Nach Hilfe streckt


Sie die Hand nicht aus; von der Lust geweckt


Sei kein Fröhlicher, durch sie geschreckt –


Denn der Himmel tröstet, die Erde deckt


Die arme Louise.

Kaum war das Lied beendigt, als der König, besorgt, daß sich der Streit zwischen seinem Bruder und dem Grafen von March wieder entspinnen möchte, dem Letztern zurief: »Was haltet Ihr von der Musik, Mylord? – ich denk' es selber hier in der Ferne vernommen zu haben, es war ein lebendiges, angenehmes Lied.«

»Mein Urtheil ist nicht von Belang, Herr; aber die Sängerin kann meinen Beifall entbehren, da sie den seiner Hoheit, Rothsay's, des ersten Kenners in Schottland, erhalten zu haben scheint.«

»Wie!« sagte der König unruhig, »ist mein Sohn unten?«

»Er sitzt zu Pferde neben der Sängerin,« sagte March mit einem boshaften Lächeln, »offenbar eben so angezogen durch ihre Unterhaltung, wie durch ihre Musik.«

»Wie ist das, Vater Prior?« sagte der König. Aber der Prior zog sich vom Fenster zurück.

»Mein König, ich will Dinge nicht ansehen, deren Bericht mir schwer fallen würde.«

»Wie verhält sich das?« sagte der König, dessen Gesicht von Röthe bedeckt war, während er im Begriff schien, aufzustehen; doch besann er sich anders, vielleicht weil er nicht gern einen ungeziemenden Streich des wilden jungen Prinzen mit ansehen wollte, den mit nöthiger Strenge zu strafen er nicht über's Herz bringen konnte. Dem Grafen von March schien es Freude zu machen, ihm das zu melden, was er wahrscheinlich nicht gern wissen wollte.

»Mein König,« rief er, »es wird immer besser. Die Sängerin hat nicht nur das Ohr des Prinzen von Schottland eingenommen, wie das jedes Knechtes und Reiters im Hofe, sondern sie hat auch die Aufmerksamkeit des schwarzen Douglas gefesselt, den wir noch nicht als Bewunderer der fröhlichen Kunst kannten. Aber wahrlich, mich wundert seine Ueberraschung nicht, denn der Prinz hat die schöne Künstlerin von Laute und Gesang mit einem Beifallskusse belohnt.«

»Wie?« rief der König, »treibt David von Rothsay Possen mit einer Sängerin, und in Gegenwart des Vaters seines Weibes? – Geht, mein guter Vater Abt, ruft den Prinzen sogleich hierher. – Geht, mein theuerster Bruder« – und als Beide das Gemach verlassen hatten, fuhr der König fort: – »geht, guter Vetter von March – das wird Unheil geben, ich bin deß gewiß. Ich bitt' Euch, geht, Vetter, und unterstützt des Herrn Priors Bitten mit meinem Befehl.«

»Ihr vergeßt, mein König,« sagte March im Tone eines schwer beleidigten Mannes, »daß der Vater Elisabeths von Dunbar ein unpassender Vermittler zwischen Douglas und seinem königlichen Schwiegersohn wäre.«

»Ich bitt' Euch um Verzeihung, Vetter,« sagte der sanfte alte Mann; »ich gestehe, es ist Euch ein Unrecht geschehen – aber mein Rothsay wird ermordet werden – ich muß selber gehen.«

Als er sich aber hastig von seinem Stuhle erhob, that der arme König einen falschen Tritt, stolperte und fiel hart auf eine solche Weise auf den Boden, daß sein Haupt gegen die Ecke des Stuhles stieß, den er verlassen, und er ward eine Minute lang ohnmächtig. Der Anblick dieses Unfalles überwältigte sogleich March's Zorn und machte sein Herz weich. Er eilte zu dem gefallenen Monarchen, half ihm wieder auf seinen Sitz und wandte dabei auf die zarteste und ehrerbietigste Weise solche Mittel an, als ihm am passendsten schienen, sein Bewußtsein zurückzurufen. Robert öffnete seine Augen und starrte verstört umher.

»Was ist geschehen? – sind wir allein? – wer ist bei uns?«

»Euer ergebener Unterthan, March,« erwiderte der Graf.

»Allein mit dem Grafen von March!« wiederholte der König, während sein noch immer gestörter Geist mit einiger Unruhe den Namen eines mächtigen Vasallen vernahm, den er tödtlich beleidigt zu haben glauben mußte.

»Ja, mein gnädiger König, mit dem armen Georg von Dunbar, von dem Viele Ew. Majestät Uebles beibringen, obwohl er Eurer königlichen Person treuer erfunden werden wird, als Jene.«

»Fürwahr, Vetter, es ist Euch zu viel Unrecht geschehen; und glaubt mir, wir wollen auf Entschädigung denken –«

»Wenn Ew. Majestät darauf denkt, so kann es noch geschehen,« unterbrach ihn der Graf, die Hoffnung festhaltend, die ihm sein Ehrgeiz eingab, »der Prinz und Marjory Douglas sind nahe verwandt – die Dispensation von Rom ward nicht in gehöriger Form gewährt – Ihre Heirath kann nicht rechtmäßig sein – der Papst, der mehr für einen so guten Fürsten thun wird, kann dies unchristliche Bündniß aufheben, hinsichtlich des frühern Kontraktes. Bedenkt wohl, mein König,« fuhr der Graf fort, indem sich auf's Neue ehrgeizige Gedanken in ihm regten, welche die unerwartete Gelegenheit, seine Sache persönlich zu vertreten, in ihm erweckt hatte, – »bedenkt Eure Wahl zwischen Douglas und mir. Er ist roh und mächtig, das ist wahr; aber Georg von Dunbar trägt die Schlüssel Schottlands an seinem Gürtel und könnte eine Armee vor die Thore von Edinburg führen, ehe Douglas die Grenzen von Cairntable verließ, um ihr zu begegnen. Euer königlicher Sohn liebt meine arme verlassene Tochter und haßt die stolze Marjory von Douglas. Eure Majestät kann seine geringe Achtung für sie aus seinem Betragen gegen eine gemeine Sängerin in Gegenwart ihres Vaters ersehen.«

Der König hatte bisher der Rede des Grafen mit der verstörten Empfindung eines furchtsamen Reiters zugehört, den ein hartnäckig Pferd trägt, dessen Lauf er weder hemmen noch leiten kann. Aber die letzten Worte erweckten in seiner Erinnerung das Bewußtsein der unmittelbaren Gefahr des Sohnes.

»Ach ja, sehr wahr – mein Sohn – der Douglas – O, mein theuerster Vetter, verhütet Blutvergießen, und Alles soll nach Eurem Willen geschehen. – Horcht, da findet ein Getümmel statt – das war Schwerterklirren!«

»Bei meinem Ritterwort – das ist wahr!« sagte der Graf, aus dem Fenster auf den innern Klosterhof hinabschauend, der jetzt von bewaffneten Leuten und geschwungenen Schwertern angefüllt war und vom Klirren der Waffen widerhallte. Der hochgewölbte Eingang war gedrängt voll von Kriegern, und es schien, als würden Hiebe gewechselt zwischen Einigen, die sich bemühten, das Thor zu schließen, und Andern, die hineinzudringen suchten.

»Ich will sogleich gehen,« sagte der Graf von March, »und diesen plötzlichen Zwist bald dämpfen. Bescheidentlich bitt' ich Eure Majestät, an das zu denken, was ich vorzuschlagen die Kühnheit hatte.« –

»Ich will – ich will, lieber Vetter,« sagte der König, der kaum wußte, was er versprochen hatte. – »Aber verhütet Tumult und Blutvergießen!«

Elftes Kapitel

Schön ist das Mädchen, es umzieht


Ein sonnig Lächeln sie von Weitem;


Die Wolke trüber Sorge sieht


Man in der Näh' sich drüber breiten.


Lucinda, eine Ballade.

Wir müssen hier ein wenig bestimmter die Ereignisse verfolgen, die nicht recht genau vom Fenster des königlichen Saales gesehen und noch ungenauer von Denen berichtet wurden, die Zeugen derselben waren. Das bereits erwähnte Mädchen hatte sich an einen Ort gestellt, wo zwei breite Stufen, die den Zugang zu der großen Treppe bildeten, ihr den Vortheil darboten, anderthalb Schuh höher zu stehen, als die im Hofe, von denen sie gehört zu werden wünschte. Sie trug die Kleidung ihres Standes, welche, mehr prachtvoll als reich, die Gestalt mehr hervortreten ließ, als andere Frauenkleider jener Zeit. Neben ihr lag ihr Mantel und Körbchen, das ihre kleine Garderobe enthielt; ein kleiner französischer Hühnerhund saß als Wächter daneben. Ein azurblaues, silbergesticktes Jäckchen, vorn geöffnet, zog die Taille der Sängerin zusammen und ließ mehrere seidene Westchen von verschiedener Farbe blicken, deren Zuschnitt die Umrisse der Schultern und der Brust bezeichnete. Eine kleine silberne Kette um den Hals verlor sich darunter und erschien von Neuem, um eine Medaille vom nämlichen Metall zu zeigen, die den Hof oder die Sängergesellschaft ankündigte, wo das Mädchen ihre Grade in der »Fröhlichen Kunst« erhalten hatte. Ein kleiner Beutel hing an einem blauen Bande von der Schulter an der linken Seite herab.

Ihre gebräunte Gesichtsfarbe, die schneeweißen Zähne, die glänzenden schwarzen Augen und Rabenlocken sagten, daß ihre Heimath im fernen Süden Frankreichs lag, und das schalkhafte Lächeln und Grübchenkinn trug denselben Charakter. Ihr schönes, um eine kleine goldene Nadel gelocktes Haar war von einem golddurchwirkten Netz zusammengehalten. Ein kurzes Röckchen mit Silberborde, welches dem Jäckchen entsprach, rothe Strümpfe, die bis zur Mitte des Beines sichtbar waren und kurze Stiefel von spanischem Leder vollendeten ihren Putz, der zwar nicht neu, aber festlich und mit großer Sorgfalt erhalten war. Sie schien etwa fünfundzwanzig Jahr alt zu sein, aber vielleicht hatten Mühseligkeiten und Wanderungen der Zeit vorgegriffen und die Frische ihrer Jugend beeinträchtigt.

Wir sagten, das Benehmen der Sängerin sei lebhaft gewesen und wir können hinzufügen, daß ihr Lächeln und ihre Antworten schnell waren. Aber ihre Fröhlichkeit war erzwungen, weil diese eine der Haupteigenschaften eines Standes war, der unter seine Unannehmlichkeiten auch die zählte, daß er häufig nöthigte, den Kummer des Herzens unter einem Lächeln zu verbergen. Dies schien Louisens Fall zu sein, die, weil sie wirklich die Heldin ihrer eigenen Ballade war, oder aus irgend einem andern Grunde zur Traurigkeit, oft wider Willen eine Folge schwermüthiger Gedanken ausdrückte, welche die von Ausübung der fröhlichen Kunst geforderte Lebhaftigkeit des Geistes mäßigten. Auch fehlte ihr das kecke, freche Lachen der Frauen ihres Standes, die nie in Verlegenheit waren, auf eine unschickliche Geberde zu antworten, oder das Gelächter gegen Einen zu richten, der sie unterbrach oder störte.

Es mag hier bemerkt sein, daß diese Klasse von Frauen, in damaliger Zeit sehr zahlreich, unmöglich in besonderer Achtung stehen konnte. Sie waren indeß durch die Sitten der Zeit geschützt; und von der Art waren die Freiheiten, die sie besaßen durch die Gesetze der Chevalerie, daß nichts seltener war, als diese irrenden Damen sich über erlittene Kränkungen und Unrecht beklagen zu hören. Ohne Gefahr gingen sie an Orten ab und zu, wo bewaffnete Männer wahrscheinlich blutigen Widerstand gefunden hätten. Aber, obwohl, ihrer Kunst zu Ehren, geduldet und geschützt, führten doch die Minstrels beiderlei Geschlechts, wie die wandernden Musikanten und Schauspieler der neuen Zeit, ein zu ungeordnetes und armseliges Leben, um ein geachteter Theil der Gesellschaft zu sein. Ja, unter den strengern Katholiken galt ihr Beruf für unerlaubt.

So war das Mädchen, welches, die Laute in der Hand und auf der erwähnten geringen Erhöhung stehend, gegen die Umstehenden vortrat und sich als Meisterin der fröhlichen Kunst darstellte, dazu erkoren und berechtigt durch das Zeugniß eines Hofes der Liebe und Musik, der zu Aix in der Provence unter dem Vorsitze der Blüthe der Ritterschaft, des tapfern Grafen Aymer, gehalten worden. Und sie bat nun die, durch die weite Welt wegen ihrer Tapferkeit und Artigkeit bekannten schottischen Ritter, einer armen Fremden den Versuch zu gestatten, ihnen durch ihre Kunst einige Unterhaltung zu gewähren. – Die Liebe zum Gesang war damals, wie die Liebe zum Ruhme, allgemeine Leidenschaft, die Jeder zur Schau trug, er mochte sie haben oder nicht; daher wurde der Vorschlag Louisens allgemein angenommen. In diesem Augenblick hielt ein alter Mönch, der sich unter den Zuhörern befand, es für nöthig, das Mädchen zu erinnern, daß, weil sie in Mauern geduldet werde, wo man nicht gewohnt sei, Personen ihres Standes zu empfangen, er hoffe, es werde nichts gesagt oder gesungen werden, was mit dem heiligen Charakter des Ortes im Widerspruch stände.

Die Sängerin neigte das Haupt tief, schüttelte die Rabenlocken und bekreuzte sich ehrerbietig, als bekenne sie die Unmöglichkeit einer solchen Uebertretung, und darauf begann sie das Lied von der armen Louise, welches wir am Schlusse des letzten Kapitels mittheilten.

Kaum hatte sie begonnen, als sie ein Geschrei unterbrach: »Platz – Platz – Raum für den Herzog von Rothsay!«

»Ei, übereilt Niemand meinetwegen,« sagte ein artiger junger Kavalier, der auf einem edlen arabischen Hengste erschien, den er mit vieler Grazie regierte, obwohl durch so leichte Führung der Zügel, so unmerklichen Druck der Seiten des Pferdes, daß das Thier aus freiem Willen weiter zu gehen und einen Reiter zu tragen schien, der zu nachlässig war, um sich selber deshalb zu bemühen.

Des Prinzen Anzug, obwohl sehr reich, war mit großer Nachlässigkeit angelegt. Seine Gestalt, obgleich er nicht groß und seine Glieder schwächlich waren, war vorzüglich schön; und nicht minder hübsch waren seine Gesichtszüge. Aber auf seiner Stirn lag ein bleiches verstörtes Wesen, welches eine Folge von Sorge oder Ausschweifung war, oder von beiden zerstörenden Ursachen zugleich. Seine Augen waren eingesunken und trübe, wie von einem Gelage der letzten Nacht, während seine Wange von unnatürlicher Röthe flammte, sei es, daß die Wirkung bacchanalischer Orgien noch nicht verschwunden, oder daß ein Morgentrunk angewendet worden war, um die Folgen der nächtlichen Ausschweifung zu beseitigen.

So war der Herzog von Rothsay und Erbe der schottischen Krone zugleich ein Anblick der Theilnahme und des Mitleides. Alle zogen die Mützen und machten ihm Platz, während er gleichgiltig wiederholte: »Nichts übereilt – ich werde bald genug den Ort erreichen, der mich ruft. – Was ist das? ein Mädchen von der fröhlichen Kunst? Ja, bei St. Giles! und eine hübsche Dirne obendrein. Wartet, meine lustigen Leute; Minnesang ward nie durch mich gestört. – Eine gute Stimme, bei allen Heiligen! Fang' das Lied von vorn an, mein Liebchen.«

Louise kannte den Mann nicht, von dem sie angeredet ward; aber die Achtung, die ihm alle zollten und die leichte und gleichgiltige Manier, wie er sie aufnahm, zeigten ihr, daß sie von einem hochgestellten Manne angeredet wurde. Sie begann ihr Lied wieder und sang besser; der junge Prinz wurde gegen den Schluß der Ballade nachdenklich, aber er pflegte traurige Eindrücke nicht lange festzuhalten. »Das ist ein traurig Lied, mein nußbraunes Mädchen,« sagte er, indem er der jungen Sängerin unter's Kinn griff und sie beim Kragen ihres Kleides hielt, was nicht schwer war, da er dicht neben den Stufen, wo sie stand, zu Pferde saß. »Aber ich wette, Ihr habt fröhlichere Lieder, ma bella tenebrosa; ja, und könnt in einer Laube so gut singen, als im Freien, und bei Nacht so gut, als bei Tage.«

»Ich bin keine Nachtigall, Mylord,« sagte Louise, die sich bemühte, einer Galanterie zu entgehen, die schlecht für Ort und Umstände paßte, eine Ungehörigkeit, wogegen er, der sie anredete, ganz gleichgiltig zu sein schien.

»Was hast du da, Liebchen?« setzte er hinzu, seine Hand vom Kragen nach dem Beutel bewegend, den sie trug.

Louise war froh, von seiner Hand frei zu sein, indem sie den Knoten des Bandes löste und den kleinen Beutel in des Prinzen Hand ließ, wobei sie, weit genug zurücktretend, antwortete: »Nüsse, Mylord, vom letzten Frühling.«

Der Prinz nahm eine Hand voll Nüsse heraus. »Nüsse, Kind! – sie werden deine Elfenbeinzähne brechen – deiner artigen Stimme schaden,« sagte Rothsay, eine Nuß, gleich einem Dorfschuljungen, mit den Zähnen aufknackend.

»Es sind nicht die Wallnüsse meiner sonnigen Heimath, Mylord,« sagte Louise; »aber sie hängen tief und die Armen können sie erreichen.«

»Ihr sollt Etwas haben, was besser für Euch ist, mein armes wanderndes Aeffchen,« sagte der Herzog in einem Tone, worin mehr Gefühl lag, als in der gezierten und vornehmen Artigkeit seiner ersten Anrede.

In diesem Augenblicke, als er sich wandte, um von einem Begleiter seine Börse zu fordern, begegnete der Prinz dem strengen und durchbohrenden Blicke eines großen schwarzen Mannes, der auf einem gewaltigen eisengrauen Hengste saß, und mit seinem Gefolge den Hof betreten hatte, während der Herzog von Rothsay mit Louise beschäftigt war. Jener blieb jetzt erstaunt und fast versteinert vor Ueberraschung und Zorn bei dem unziemlichen Schauspiel. Wer auch den schwarzen Douglas noch nie gesehen hatte, der würde ihn an seiner schwarzbraunen Farbe, seinem riesigen Wuchs, seinem Koller von Büffelhaut und seiner Miene voll Muth, Festigkeit und Scharfsinn, vermischt mit unbändigem Stolze, erkannt haben. Der Verlust eines Auges in der Schlacht, obwohl beim ersten Anblick nicht bemerkbar, da der verletzte Augapfel dem andern ähnlich geblieben war, gab dem ganzen Gesichte einen strengen und unbeweglichen Ausdruck.

Das Zusammentreffen des königlichen Schwiegersohnes mit seinem furchtbaren Schwiegervater geschah unter Umständen, welche die Aufmerksamkeit aller Anwesenden darauf lenkten, und die Zuschauer erwarteten den Erfolg mit Schweigen, und hielten den Athem an, damit ihnen nichts von dem, was vorginge, entgehen möchte.

Als der Herzog von Rothsay den Ausdruck sah, den die strengen Züge Douglas' zeigten, und bemerkte, daß der Graf nicht die geringste Bewegung zu ehrerbietigem oder nur höflichem Gruße machte, schien er entschlossen, ihm zu zeigen, wie wenig er seine mißfälligen Blicke zu beachten geneigt sei. Er nahm die Börse von dem Kämmerer.

»Da, hübsches Kind,« sagte er, »ich gebe dir ein Goldstück für das Lied, das du mir gesungen hast, ein zweites für die Nüsse, die ich dir entwendet habe, und ein drittes für den Kuß, den du mir geben wirst. Denn wisse, artiges Kind, wenn schöne Lippen (und deine können in Ermanglung besserer so heißen) süße Musik zu meinem Vergnügen machen, so habe ich St. Valentin geschworen, sie an die meinigen zu drücken.«

»Mein Gesang ist fürstlich bezahlt,« – sagte Louise, zurückbebend; »meine Nüsse sind um einen guten Preis verkauft – weiterer Handel, Mylord, würde für Euch nicht passen und mir nicht ziemen.«

»Wie, Ihr thut spröde, meine Nymphe von der Landstraße?« sagte der Prinz verächtlich. »Wißt, Mädchen, daß Euch Einer um eine Gunst bittet, der keine Weigerung gewohnt ist.«

»Es ist der Prinz von Schottland – der Herzog von Rothsay« – sagten die Hofleute rings zu der erschreckten Louise, das zitternde junge Weib vorwärts drängend; »Ihr müßt ihn nicht böse machen.«

»Aber ich kann Eure Herrlichkeit nicht erreichen,« sagte sie schüchtern, »Ihr sitzt zu hoch zu Rosse.«

»Muß ich absteigen,« sagte Rothsay, »so wird die Buße um so schwerer sein – warum zittert die Dirne? Stelle deinen Fuß auf die Spitze meines Stiefels und reich mir die Hand – so war's brav!« Er küßte sie, während sie so in der Luft schwebend auf seinem Fuße und von ihm gehalten, stand; und dabei sagte er: »Da ist dein Kuß, und da ist meine Börse, ihn zu bezahlen; und um dich ferner zu ehren, wird Rothsay deinen Beutel für immer tragen.« Er ließ das erschrockene Mädchen auf den Boden springen, und wandte seine Blicke von ihr, um sie verächtlich auf den Grafen Douglas zu lenken, als wollte er sagen: »Alles dies thu' ich trotz Euch und Eurer Tochter Ansprüchen.«

»Beim heiligen Zaum von Douglas!« sagte der Graf, sich nach dem Prinzen drängend, »dies ist zu viel, unbärtiger Knabe, ebenso weit entfernt von Verstand, als Ehre! Ihr wißt, welche Rücksichten Douglas' Hand zurückhalten, sonst hättet Ihr nimmer gewagt – «

»Könnt Ihr mit Schnellkugeln spielen, Mylord?« sagte der Prinz, eine Nuß auf das zweite Glied seines Zeigefingers legend, und sie mit dem Daumen fortschnellend. Die Nuß traf Douglas' breite Brust, welcher einen furchtbaren Ausruf des Zornes hören ließ, unartikulirt, aber ähnlich dem Gebrüll eines Löwen an Tiefe und Härte. »Ich bitt' Euch um Verzeihung, mächtiger Lord,« sagte der Herzog von Rothsay höhnend, während alle Anwesenden zitterten; »ich dachte nicht, daß Euch meine Kugel verwunden könnte, da Ihr ein Büffelkleid tragt. Hoffentlich traf ich doch Euer Auge nicht?«

Der Prior, der, wie wir im letzten Kapitel sahen, vom König abgeschickt wurde, hatte sich indessen durch die Menge gedrängt, und indem er Douglas' Zügel auf eine Weise ergriff, daß er nicht vorwärts konnte, erinnerte er ihn, daß der Prinz der Sohn seines Souverains und der Gemahl seiner Tochter sei.

»Fürchtet nichts, Sir Prior,« sagte Douglas. »Ich verachte den kindischen Knaben zu sehr, als daß ich nur einen Finger gegen ihn erheben sollte. Aber ich will Beleidigung mit Beleidigung vergelten. – Hier, wer von Euch den Douglas liebt, – jagt mir diese Bettlerin aus dem Hofe und laßt sie geißeln, damit sie sich bitterlich bis an ihr Ende erinnern möge, daß sie einem unehrerbietigen Knaben das Mittel gab, Douglas zu beleidigen!«

Vier oder fünf vom Gefolge traten sogleich vor, um Befehle zu vollziehen, die selten umsonst ertheilt wurden, und schwer würde Louise für ein Vergehen gebüßt haben, wozu sie die unschuldige, unbewußte und unfreiwillige Ursache war, wäre der Herzog von Rothsay nicht dazwischen getreten.

»Das arme Mädchen fortjagen!« sagte er mit tiefem Unwillen; »sie peitschen, weil sie meinem Befehl gehorchte! – Jage deine eigenen unterdrückten Vasallen, roher Graf! – geißele deine eigenen schlechten Hunde – aber hütet Euch, daß Ihr wie einen Hund den behandelt, dem Rothsay das Haupt streichelte, geschweige denn ein Mädchen, dessen Lippen er geküßt hat!«

Bevor Douglas eine Antwort geben konnte, die jedenfalls herausfordernd gewesen wäre, erhob sich jener große Tumult am äußern Klosterthor, den wir bereits erwähnten, und Männer zu Pferd und zu Fuß begannen hastig herein zu stürzen, nicht eigentlich unter einander fechtend, aber jedenfalls auf unfriedliche Weise.

Eine der streitenden Parteien waren, wie es schien, Lanzknechte des Douglas, kenntlich durch das Zeichen des blutigen Herzens, die andere Partei bestand aus Bürgern der Stadt Perth. Es schien, daß sie außerhalb des Thores ernstlich gekämpft hatten, aber aus Ehrfurcht vor dem geweihten Boden senkten sie ihre Waffen, als sie eintraten, und beschränkten ihren Streit auf einen Wortkrieg und Schimpfreden.

Der Tumult hatte die gute Wirkung, den Prinzen und Douglas in dem Augenblicke zu trennen, wo der Leichtsinn des Einen und der Stolz des Andern sie zur größten Heftigkeit getrieben hatte. Aber von allen Seiten erschienen nun Friedenstifter. Der Prior und die Mönche warfen sich unter den Haufen und geboten im Namen des Himmels und der Ehrerbietung, die man heiligen Orten schuldig sei, bei Strafe der Excommunication, Frieden. Man gab ihren Bitten nach. Der Herzog von Albany, der von seinem Bruder gleich im Anfang des Zankes abgeschickt worden war, kam in diesem Augenblicke herbei. Er wandte sich sogleich an Douglas und beschwor ihn leise, seine Hitze zu mäßigen.

»Beim heiligen Zaum von Douglas, ich will Rache!« sagte der Graf. »Kein Mensch soll sich des Lebens freuen, nachdem er Douglas beleidigt hat.«

»Ei, so mögt Ihr Euch zu passender Zeit rächen,« sagte Albany; »aber laßt Euch nicht nachsagen, daß der große Douglas, wie ein zänkisches Weib, weder Zeit noch Ort zur Rache zu wählen gewußt habe. Bedenkt, daß Alles, was wir gethan haben, auf dem Punkt steht, durch einen unseligen Umstand gestört zu werden. Georg von Dunbar hat eine geheime Audienz bei dem guten Manne gehabt, und währte sie auch nur fünf Minuten, so fürcht' ich, er hat den König vermocht, eine Verbindung aufzulösen, die wir mit so viel Mühe zu Stande brachten. Die Bestätigung von Rom ist noch nicht erlangt.«

»Ach Possen!« antwortete Douglas hochmüthig. – »Sie wagen nicht, sie aufzulösen.«

»Nicht, so lange Douglas kraftvoll und im Besitze seiner Macht ist,« sagte Albany. »Aber, edler Graf, kommt mit mir, und ich will Euch zeigen, wie Ihr im Nachtheil seid.«

Douglas stieg ab und folgte seinem schlauen Gefährten schweigend. In einem untern Saale sahen sie die Reihen der Brandanen unter Waffen, wohlgerüstet mit Pickelhauben und Panzerhemden. Ihr Hauptmann, der Albany achtungsvoll grüßte, schien ein Gespräch mit ihm zu wünschen.

»Wie steht's, Mac Louis?« sagte der Herzog.

»Man sagt uns, der Herzog von Rothsay sei beleidigt worden, und ich kann die Brandanen kaum hier zurückhalten.«

»Tapferer Mac Louis,« sagte Albany, »und Ihr, meine wackern Brandanen, der Herzog von Rothsay, mein Neffe, befindet sich so wohl, als ein Ritter nur sein kann. Ein kleiner Streit war, aber Alles ist beigelegt.« Er fuhr fort, den Grafen von Douglas weiter zu führen. »Ihr seht, Mylord,« sagte er ihm leise, »daß, wenn das Wort Verhaftung einmal ausgesprochen würde, man leicht gehorchen möchte, und Ihr wißt, daß Eurer Gefährten zu wenig zum Widerstande sind.«

Douglas schien sich für diesmal aus Nothwendigkeit in Geduld zu fügen. »Wenn meine Zähne,« sagte er, »auch die Lippen durchbeißen sollten, ich will schweigen, bis die Stunde zum Sprechen kommt.«

Georg von March hatte inzwischen das leichtere Geschäft, den Prinzen zu beruhigen. »Mylord von Rothsay,« sagte er, sich mit ernster Würde nähernd, »ich brauche Euch nicht zu sagen, daß Ihr mir einige Ehrerstattung schuldig seid, obwohl ich Euch nicht persönlich für den Bruch des Contrakts anklage, der den Frieden meiner Familie störte. Laßt mich Euch bei der Achtung beschwören, die Eure Hoheit einem gekränkten Manne schuldig ist, für jetzt diesen ärgerlichen Streit zu vergessen.«

»Mylord, ich schulde Euch viel,« erwiderte Rothsay; »aber dieser übermüthige und herrschsüchtige Lord hat meine Ehre verletzt.«

»Mylord, ich kann nur hinzufügen, Euer königlicher Vater ist unwohl – ist vor Furcht wegen Eurer Hoheit Sicherheit ohnmächtig geworden.«

»Unwohl!« erwiderte der Prinz – »der freundliche, gute alte Mann – ohnmächtig, sagt Ihr, Mylord von March? – ich werde im Augenblick bei ihm sein.«

Der Herzog von Rothsay sprang aus dem Sattel auf den Boden und eilte wie ein Windspiel in den Palast, als eine schwache Hand seinen Mantel faßte und die zarte Stimme einer knieenden Frau ausrief: »Schutz, mein edler Prinz! – Schutz für eine hilflose Fremde!« »Weg mit der Hand, Landstreicherin!« sagte der Graf von March, die stehende Sängerin bei Seite drängend.

Aber der sanftere Prinz blieb stehen. »Es ist wahr,« sagte er, »ich habe die Rache eines unbarmherzigen Teufels auf dies arme Wesen gelenkt. O Himmel! Welch' ein Leben führ' ich, verhängnißvoll für Alle, die sich mir nahen! – Was ist in der Eile zu thun? – Sie darf nicht nach meinen Gemächern gehen – und all' meine Leute sind geborne Schufte. – Ha! du neben mir, wackerer Harry Schmied? Was machst du hier?

»Es ist so eine Art von Gefecht gewesen, Mylord,« antwortete unser Bekannter, der Schmied, »zwischen den Bürgern und den südländischen Burschen, die mit dem Douglas reiten; und wir haben sie bis zum Thore der Abtei gejagt.«

»Das freut mich – das freut mich. Und Ihr klopftet die Schufte hübsch aus?«

»Hübsch? fragt Eure Hoheit?« sagte Harry. »Ei ja! wir waren allerdings stärker an Zahl; aber keine Reiter sind besser bewaffnet, als die dem blutigen Herzen folgen. Und daher haben wir sie in einer Hinsicht hübsch geklopft; denn wie Eure Hoheit weiß, ist es der Schmied, der Kriegsleute macht, und Männer mit guten Waffen wiegen ganze Schaaren auf.«

Während sie so schwatzten, kehrte der Graf von March, der mit Einem in der Nähe des Palastthores gesprochen hatte, in ängstlicher Eile zurück. »Mylord Herzog! – Mylord Herzog! – Euer Vater hat sich erholt, und wenn Ihr nicht sehr eilt, so wird Mylord von Albany und der Douglas sein Ohr in Besitz nehmen.«

»Und wenn sich mein königlicher Vater erholt hat,« sagte der leichtsinnige Prinz, »und hält, oder will Rath halten mit meinem gnädigen Oheim und dem Grafen Douglas, so schickt es sich weder für Eure Herrlichkeit noch für mich, uns einzudrängen, bevor wir gerufen werden. Daher hab' ich Zeit, meine kleinen Geschäfte mit meinem wackern Waffenschmied hier zu besprechen.«

»Betrachtet es Eure Hoheit so?« sagte der Graf, dessen sanguinische Hoffnungen auf Hofgunst zu schnell erweckt waren und ebenso rasch gedämpft wurden, – »dann gebt nur Georg von Dunbar auf.«

Er eilte mit düsterer mißvergnügter Miene hinweg; und so machte sich, zu einer Zeit, wo die Aristokratie den Thron so sehr beschränkte, der Erbe desselben die zwei mächtigsten Edelleute Schottlands zu Feinden, indem er den Einen durch verachtenden Trotz, den Andern durch fehlerhaften Leichtsinn beleidigte. Indeß bemerkte er kaum des Grafen von March Abschied oder fühlte sich vielmehr erleichtert von seiner Zudringlichkeit.

Der Prinz ließ sich in ein müssiges Gespräch mit dem Waffenschmied ein, dessen Geschick in seiner Kunst ihn mit vielen der vornehmsten Lords bei Hofe persönlich bekannt gemacht hatte.

»Ich hatte dir Etwas zu sagen, Schmied – kannst du einen gebrochenen Ring in meinem Mailänder Panzer wieder einsetzen?«

»So gut, mit Eurer Hoheit Erlaubniß, als meine Mutter eine Masche in einem Netz wieder aufnehmen konnte – der Mailänder wird mein Werk von seinem eigenen nicht unterscheiden.«

»Gut, aber das war's nicht, was ich dir jetzt sagen wollte,« sagte der Prinz, sich besinnend. »Diese arme Sängerin, guter Schmied, muß in Sicherheit gebracht werden. Du bist Mann genug, um für jede Frau ein Ritter zu sein, und du mußt sie zu einem sichern Orte geleiten.«

Harry Schmied war, wie wir gesehen haben, rasch und kühn genug, wo es Waffen zu führen galt; aber er hatte auch den Stolz eines ehrbaren Bürgers und wollte sich nicht gern in Dinge einlassen, die bei dem anständigen Theile seiner Mitbürger für zweideutig gelten konnten.

»Mit Eurer Hoheit Erlaubniß,« sagte er, »ich bin nur ein armer Handwerker. Aber obwohl mein Arm und Schwert dem König zu Befehl stehen, sowie auch Eurer Hoheit, so bin ich doch, verzeiht mir, kein Knappe für Damen. Eure Hoheit wird unter Eurem eigenen Gefolge Ritter und Herren finden, die recht gern den Sir Pandarus von Troja spielen werden – es ist eine zu ritterliche Rolle für den armen Harry vom Wynd.«

»Hm – ha!« sagte der Prinz. »Meine Börse, Edgar« – (sein Diener flüsterte ihm Etwas zu) – »freilich, freilich, ich gab sie der armen Dirne. – Ich weiß genug von Eurem Gewerbe, Sir Schmied, und von Gewerbsleuten im Allgemeinen, um überzeugt zu sein, daß man keine Falken mit leeren Händen lockt; aber ich denke, mein Wort mag für den Werth einer guten Rüstung gelten, und soviel will ich dir, mit Dank obendrein, für den kleinen Dienst zahlen.«

»Eure Hoheit mag andere Handwerker kennen,« sagte der Schmied; »aber mit Erlaubniß, sie kennt Harry Gow nicht. Er gehorcht Euch, wenn es eine Waffe zu machen oder auszubessern gilt, aber er versteht nichts von diesem Schürzendienst.«

»Höre, du Maulthier von Perth,« sagte der Prinz, jedoch während er sprach, über das Zartgefühl des ehrsamen Bürgers lächelnd, – »die Dirne geht mich so wenig an, wie dich. Aber in einem müssigen Augenblicke, wie Euch die Umstehenden erzählen können, wenn Ihr's nicht selber saht, gab ich ihr im Vorbeigehen einen Kuß, was der armen Unglücklichen wahrscheinlich das Leben kosten wird. Hier ist nicht Einer, dem ich ihren Schutz anvertrauen kann gegen die Gürtelriemen und Bogenstränge, womit die Gränzbestien, die Douglas folgen, sie zu Tode schlagen werden, da es sein Wille so ist.«

»Wenn die Sache so ist, Herr, so hat sie Anspruch auf jedes ehrlichen Mannes Schutz; und da sie einen ordentlichen Rock trägt – obwohl ich wollte, er wäre länger und von minder phantastischem Schnitt – so will ich für ihre Sicherheit stehen, so gut dies ein einzelner Mann kann. Aber wohin soll ich sie bringen?«

»Ja wahrhaftig, das kann ich nicht sagen,« antwortete der Prinz. »Bringt sie nach Sir John Ramorny's Wohnung – aber, nein, nein – er ist krank, und überhaupt sind da Gründe – bring' sie zum Teufel, wenn du willst, aber nur in Sicherheit, und du verbindest David von Rothsay.«

»Mein edler Prinz,« sagte der Schmied, »ich denke – mit allem Respekt, daß ich ein schutzloses Weib der Fürsorge des Teufels immer eher als Sir John Ramorny anvertrauen könnte. Aber obwohl der Teufel ein Feuerarbeiter ist, wie ich, so kenn' ich doch seinen Aufenthalt nicht, und hoffe ihn mit Hilfe der heiligen Kirche in gebührender Entfernung von mir zu halten. Und wie kann ich sie überhaupt durch dies Gedränge oder durch die Straßen in einem solchen Narrenkleide führen? Das ist die große Frage.«

»Was das Verlassen des Klosters anlangt,« sagte der Prinz, »so wird dieser gute Mönch« (dabei ergriff er den Nächsten bei der Kapuze), »Vater Niclas oder Bonifacius –«

»Der arme Bruder Cyprian, zu Eurer Hoheit Befehl,« sagte der Pater.

»Ja richtig, Bruder Cyprian,« fuhr der Prinz fort, »ja, Bruder Cyprian wird Euch durch den geheimen Gang lassen, den er kennt, und ich werd' ihn wieder sehen, um eines Prinzen Dank dafür zu zahlen.«

Der Geistliche neigte sich einwilligend, und die arme Louise, die während des Streites von einem Sprecher auf den andern geblickt hatte, sagte hastig: »Ich will diesem guten Manne mit meinem thörichten Anzug kein Aergerniß geben – ich habe einen Mantel, den ich gewöhnlich trage.«

»Nun also, Schmied, du hast eines Mönchs Kapuze und einen Weibermantel, um dich d'runter zu bergen. Ich wollte, all' meine Schwachheiten wären so gut verhüllt! Lebe wohl, wackerer Bursche; ich werde dir später danken.«

Damit, als fürchtete er einen neuen Einwand von Seiten des Schmieds, eilte er in den Palast.

Harry Gow blieb erstaunt über das Geschehene stehen, da er sich ein Geschäft auferlegt sah, das nicht nur sehr gefährlich war, sondern auch Anstoß erregen konnte, was Beides, verbunden mit dem großen Antheil, den er nach gewohnter Raschheit am Gefechte genommen, ihm nicht geringen Schaden bei Verfolgung des eifrig erstrebten Zieles bringen konnte. Gleichwohl ein schutzloses Wesen der Mißhandlung barbarischer Galwegier und zügelloser Gefährten des Douglas zu überlassen, war ein Gedanke, den sein männliches Herz keinen Augenblick hegen konnte.

Aus dieser Betrachtung ward er durch die Stimme des Mönchs erweckt, der, seine Worte mit der Gleichgültigkeit äußernd, welche die heiligen Väter gegen alle weltlichen Angelegenheiten hatten oder heuchelten, ihm zu folgen bat. Der Schmied setzte sich mit einem Seufzer, der mehr einem Schluchzen glich, in Bewegung, und offenbar wenig auf des Mönchs Bewegungen achtend, folgte er diesem in einen Gang und durch eine Hinterthür, die der Priester, sich noch ein Mal umschauend, offen ließ. Ihnen folgte Louise nach, die eilend ihr kleines Bündel ergriffen und ihren kleinen vierbeinigen Gefährten gerufen hatte. Hastig folgte sie auf dem Pfade, der sie einem Orte entgehen ließ, wo ihr kurz zuvor eine große und unvermeidliche Gefahr zu drohen schien.

Zwölftes Kapitel

Es sprach die alte Wirthin nun,


Die mürrisch g'nug erschien:


»Mocht' Euer Vater je dies thun,


So war es schlimm für ihn.«


Lucky Trumbull.

Die Gesellschaft war jetzt durch einen geheimen Gang in die Klosterkirche gelangt, deren äußere Thüren, gewöhnlich offen stehend, in Folge des letzten Tumultes für Jedermann verschlossen waren, da die Aufrührer beider Parteien sich bemüht hatten, aus anderen Gründen, als denen der Andacht, hineinzudringen.

Sie gingen durch die düstern Gänge, deren Gewölbe von dem schweren Tritte des Waffenschmieds widerhallten, aber stumm blieben durch den Sandalentritt des Mönchs und den leichten Schritt der armen Louise, die vor Furcht wie vor Kälte außerordentlich zitterte. Sie sah, daß weder ihr geistlicher, noch ihr weltlicher Führer freundlich auf sie blickten. Der Erstere war ein strenger Mann, dessen Miene zeigte, er betrachte den unglücklichen Wanderer mit Verachtung und Abscheu; während der Letztere, obwohl, wie wir sahen, einer der gutmüthigsten Menschen von der Welt, gegenwärtig doch ernst bis zur Härte war, und nicht wenig mißvergnügt, daß er eine Rolle zu spielen genöthigt war, ohne, wie er wohl einsah, sie ablehnen zu können.

Sein Mißfallen an diesem Geschäfte erstreckte sich sogar auf seinen unschuldigen Schützling, und er sagte im Stillen zu sich, während er sie verächtlich betrachtete: – »Eine hübsche Bettlerkönigin, um mit ihr durch die Straßen von Perth zu wandern, ich, ein ehrsamer Bürger! Diese phantastische Schöne muß einen so saubern Ruf haben, als ihre ganze Brüderschaft, und ich bin gut daran, wenn meine Chevalerie zu ihrem Besten zu Katharina's Ohr gelangt! Eher dürft' ich einen Mann erschlagen haben, und wär' er der Beste von Perth; und, bei Hammer und Nägeln! ich wollt' es auf erfolgte Beleidigung lieber gethan haben, als diese Bagage durch die Stadt führen.«

Vielleicht ahnte Louise den Grund der Unruhe ihres Begleiters, denn sie sagte, furchtsam und zögernd: »Werther Herr, wär' es nicht besser, ich blieb' einen Augenblick in der Kapelle und nähme meinen Mantel um?«

»Hm, Liebchen, das ist nicht übel,« sagte der Waffenschmied; aber der Mönch sprach dagegen, indem er zugleich den Finger verbietend erhob.

»Die Kapelle des heiligen Madox ist kein Ankleidezimmer für Gaukler und Landstreicher, um sich dort zu putzen. Ich will dir gleich einen Ort zeigen, der besser für deinen Stand paßt.«

Das arme junge Weib senkte ihr gedemüthigtes Haupt und kehrte von der Kapellenthür, der sie sich genähert hatte, mit dem tiefen Gefühle der Erniedrigung zurück. Ihr kleiner Hund schien aus seiner Herrin Blick und Benehmen zu ahnen, daß sie auf diesem heiligen Boden unberechtigte Eindringlinge waren, denn er senkte die Ohren und fegte den Boden mit dem Schwanze, während er leise und dicht hinter Louisens Füßen hinlief.

Der Mönch ging ohne Aufenthalt vorwärts. Sie stiegen eine breite Treppe hinab und gingen durch ein Labyrinth unterirdischer, matt erhellter Gänge. Als sie durch ein niedrig gewölbtes Thor kamen, wandte sich der Mönch um und sagte, in demselben strengen Tone wie vorher, zu Louisen: – »Dort, Tochter der Thorheit, ist ein Ankleidezimmer, wo viele vor Euch ihre Kleider abgelegt haben!«

Dem geringsten Zeichen mit rascher und furchtsamer Bereitwilligkeit folgend, eilte sie durch die offene Thür, kehrte aber sogleich entsetzt zurück. Es war ein Beinhaus, halb angefüllt mit alten Schädeln und Knochen.

»Ich fürchte mich, dort mein Kleid zu wechseln, und allein – aber wenn Ihr, Vater, es befehlt, so möge es geschehen.«

»Ei, du Kind der Eitelkeit, die Reste, die du siehst, sind nur der irdische Theil derer, die in ihrer Zeit zu weltlicher Lust anführten oder ihr folgten. Und so wirst auch du sein, wegen all' deines Leichtsinns und Wanderns, deines Singens und Klimperns; du, und alle solche Diener leichtfertiger und weltlicher Lust, müßt diesen armseligen Gebeinen gleich werden, die deine eitle Weichlichkeit fürchtet und anzusehen scheut.«

»Sprecht nicht von eitler Weichlichkeit, ehrwürdiger Vater,« antwortete die Sängerin, »denn der Himmel weiß, ich beneide die Ruhe dieser armen gebleichten Reste; und wenn ich, meinen Leib darauf legend, ohne Sünde meinen Zustand dem ihrigen gleich machen könnte, so würde ich den Beinhaufen zu meiner Ruhestatt wählen vor dem sanftesten und schönsten Kissen in Schottland.«

»Sei geduldig und komm',« sagte der Mönch in milderem Tone; »der Schnitter darf die Arbeit nicht verlassen, bis Sonnenuntergang das Zeichen gibt, daß das Tagewerk vorüber ist.«

Sie gingen vorwärts. Bruder Cyprian öffnete am Ende einer langen Gallerie ein kleines Gemach oder vielleicht eine Kapelle, denn es war mit einem Kruzifix geschmückt, vor welchem vier Lampen brannten. Alle neigten und bekreuzten sich, und der Priester sagte zur Sängerin, auf das Kruzifix zeigend: »Was sagt dies Zeichen?«

»Daß Er den Sünder so gut wie den Gerechten zu sich ladet.«

»Ja, wenn der Sünder von seiner Sünde abläßt,« sagte der Mönch, dessen Stimme offenbar milder war. »Bereite dich hier zu deiner Reise.«

Louise blieb ein paar Augenblicke in der Kapelle und erschien sogleich wieder in einem Mantel von grobem grauem Tuch, worein sie sich dicht gehüllt hatte, indem sie soviel von ihrer auffallenden Kleidung, als die Zeit gestattete, in das Körbchen gelegt, welches zuvor ihren gewöhnlichen Anzug enthielt.

Der Mönch entriegelte sogleich eine Thür, welche in's Freie führte. Sie befanden sich in dem Garten, der das Kloster der Dominikaner umgab. »Das südliche Thor ist nur verriegelt und ihr könnt unbemerkt hindurch,« sagte der Mönch. »Gott segne dich, mein Sohn; und er segne auch dich, unglückliches Kind. Gedenke, wo du deine eitlen Gewänder ablegtest und hüte dich, sie je wieder anzuthun!«

»Ach, Vater!« sagte Louise, »könnte die arme Fremde die einfachen Bedürfnisse des Lebens durch eine ehrenvollere Beschäftigung gewinnen, so möchte sie gern dieser eitlen Kunst entsagen. Aber – –«

Aber der Mönch war verschwunden, ja, dieselbe Thür, durch die sie eben gekommen, schien auch verschwunden zu sein, so merkwürdig war sie durch einen beweglichen Pfeiler, wie unter den reichen gothischen Mauerzierrathen versteckt. »Hier ist nun freilich ein Weib durch die geheime Thür herausgelassen,« dachte Harry. »Gebe der Himmel, daß die guten Väter keines wieder einlassen. Der Ort scheint ganz geeignet zum Versteckenspielen. – Aber, Benedicite, was ist nun zu thun? Ich muß die Dirne so geschwind als möglich loswerden – und ich muß sie in Sicherheit bringen. Denn mag sie eigentlich sein, wie sie will, sie sieht so sittsam aus, nunmehr sie ehrbare Kleidung trägt, als daß sie die Mißhandlung des wilden Schotten von Galloway oder die der Teufelslegion von Liddell verdienen sollte.«

Louise stand da, als wartete sie, welchen Weg Harry sie führen werde. Ihr kleiner Hund, erleichtert durch den Wechsel der dunklen unterirdischen Wölbung mit der freien Luft, sprang in wilden Sätzen durch die Gänge und hüpfte an seiner Gebieterin empor; ja er umkreiste auch, obwohl schüchterner, des Schmiedes Füße, um auch diesem seine Zufriedenheit auszudrücken und seine Gunst zu gewinnen.

»Nieder, Charlot, nieder!« sagte die Sängerin. »Du freuest dich, wieder im hellen Sonnenlicht zu sein; aber wo werden wir die Nacht ruhen, mein armer Charlot?«

»Und nun, Mistreß,« sagte der Schmied – nicht unfreundlich, denn dies lag nicht in seiner Natur, aber kurz, wie Einer, der ein unangenehmes Geschäft zu endigen wünscht, – »wohin liegt Eure Straße?«

Louise blickte zu Boden und schwieg. Auf's Neue gedrängt, zu sagen, welchen Weg sie geführt zu sein wünschte, blickte sie wieder abwärts und erklärte, sie könne es nicht sagen.

»Kommt, kommt,« sagte Harry, »ich versteh' Alles – ich bin ein munterer Bursch' gewesen – ein Wildfang zu meiner Zeit – aber 's ist am besten, man ist offen. Wie die Sachen jetzt mit mir stehen, so bin ich seit vielen, vielen Monaten ein anderer Mann; und daher, meine Gute, müssen Ihr und ich uns vielleicht eher trennen, als sich ein junges hübsches Weib wie Ihr eigentlich trennen möchte von – einem ansehnlichen jungen Burschen.«

Louise weinte still, die Augen immer noch zu Boden gesenkt, wie Jemand, der eine Beleidigung fühlt, worüber er kein Recht hat sich zu beklagen. Endlich, als sie merkte, daß ihr Führer ungeduldig ward, sagte sie mit gebrochener Stimme: »Edler Sir –«

»Sir gehört für einen Ritter,« sagte der ungeduldige Bürger, »und edel für einen Baron. Ich bin Harry vom Wynd, ein ehrsamer Handwerker und von freier Zunft.«

»Nun, guter Handwerker,« sagte die Sängerin, »Ihr beurtheilt mich hart, aber ohne scheinbaren Grund. Ich wollte Euch sogleich von meiner Gesellschaft befreien, die vielleicht guten Männern wenig Ehre bringt, wüßt' ich nur, wohin ich gehen sollte.«

»Zum nächsten Jahrmarkt oder Feste gewiß,« sagte Harry rauh, indem er nicht zweifelte, daß ihre Traurigkeit nur verstellt sei, um ihn zu fesseln, und vielleicht auch, weil er fürchtete, selbst in Versuchung zu gerathen; »und es ist das Fest des heiligen Madox zu Auchterarder. Gewiß wirst du den Weg dorthin recht gut finden.«

»Aftr – Auchter –« wiederholte die Sängerin, vergebens mit ihrer südlichen Zunge die Celtischen Laute versuchend. »Man sagt mir, meine armen Lieder würden nicht verstanden, wenn ich jenen schrecklichen Bergen näher käme.«

»Wollt Ihr also in Perth bleiben?«

»Aber wo wohnen?« sagte die Fremde.

»Ei, wo wohntet Ihr die letzte Nacht?« erwiderte der Schmied. »Ihr wißt sicherlich, woher Ihr kommt, obwohl Ihr zweifelhaft scheint, wohin Ihr gehen sollt.«

»Ich schlief im Hospitium des Klosters. Aber ich ward nur mit großer Schwierigkeit zugelassen und man befahl mir, nicht wiederzukommen.«

»Nein, sie werden Euch nimmer aufnehmen, da Ihr des Douglas Zorn auf Euch geladen, das ist nur zu wahr. Aber der Prinz erwähnte Sir John Ramorny's – ich kann Euch durch Seitengassen zu seiner Behausung führen, – obwohl dies kein Geschäft für einen ehrlichen Bürger ist, und meine Zeit drängt.«

»Ich will gehen, wohin es sei – ich weiß, ich bin ein Aergerniß und eine Last. Es gab eine Zeit, wo es anders war. – Aber wer ist dieser Ramorny?«

»Ein artiger Ritter, der ein munteres Junggesellenleben führt, und Knappe und Privado, wie man sagt, des jungen Prinzen ist.«

»Wie! des wilden, höhnischen jungen Mannes, der Anlaß zu jenem Skandal gab? – O, bringt mich nicht dorthin, guter Freund! Ist keine christliche Frau da, die einem armen Wesen in ihrem Stall oder ihrer Scheune für eine Nacht Ruhe gönnen möchte? Ich will mit Tagesanbruch fortgehen. Ich habe Gold und ich will Euch auch bezahlen, wenn Ihr mich wohin führen wollt, wo ich sicher vor dem wilden Schwärmer bin und vor den Dienern des schwarzen Barons, in dessen Blicken der Tod lag.«

»Behaltet Euer Gold für die, die es brauchen, Mistreß,« sagte Harry, und bietet nicht ehrlichen Händen das Geld an, was durch Lautenspiel, Fiedeln, Tanzen und vielleicht schlimmeres Handwerk gewonnen ist. Ich sag' Euch geradezu, Mistreß, ich lasse mich nicht bethören. Ich bin bereit, Euch zu jedem sichern Orte zu führen, den Ihr nennt, denn mein Versprechen ist so fest, wie eine Eisenspange. Aber Ihr macht mich nicht glauben, als wüßtet Ihr nicht wohin. Ihr seid nicht so jung in Eurem Gewerbe, um nicht zu wissen, daß es Wirthshäuser in jeder Stadt gibt, zumal in einer Stadt wie Perth, wo Euresgleichen Herberge für Geld finden kann, wenn Ihr nicht einen mehr oder weniger großen Dummkopf findet, der Eure Zeche bezahlt. Wenn Ihr Geld habt, Mistreß, so hab' ich wenig Sorge um Euch; und in der That seh' ich wenig mehr als Vorwand in dem übertriebenen Kummer und der Furcht, allein zu sein, bei Jemand von Eurem Beruf.«

Nachdem er so, wie er glaubte, angezeigt hatte, er lasse sich durch die gewöhnlichen Künste einer Sängerin nicht täuschen, ging er einige Schritte vorwärts, indem er sich einbildete, er handle so am weisesten und klügsten; er konnte sich aber nicht enthalten, zurückzusehen, wie Louise seinen Abschied ertrüge, und war betroffen, als er bemerkte, daß sie auf ein Beet gesunken war, die Arme auf den Knieen und das Haupt auf den Armen ruhend, in einer Lage, welche die höchste Verzweiflung ausdrückte.

Der Schmied suchte sein Herz zu verhärten, »'s ist Alles Schein,« sagte er, »die Dirne kennt ihr Geschäft – ich will drauf schwören, bei St. Ringan.«

In diesem Augenblicke zerrte Etwas am Saume seines Kleides, und als er sich umsah, erblickte er den kleinen Hund, der sogleich, als wollte er seiner Gebieterin Sache vertreten, sich auf die Hinterbeine stellte und zu tanzen begann, zu gleicher Zeit winselnd und nach Louise zurücksehend, als wollte er für seine verlassene Herrin Mitleiden erregen.

»Armes Thier,« sagte der Schmied, »auch du verstellst dich vielleicht nur, denn du thust nur, was man dich gelehrt hat. – Doch, da ich dies arme Wesen zu schützen versprach, so darf ich sie nicht in einer Ohnmacht verlassen, wenn es eine ist, geschah' es auch nur aus Menschlichkeit.«

Als er umkehrte und sich seiner beschwerlichen Bürde näherte, erkannte er sogleich an ihrer veränderten Gesichtsfarbe, daß sie entweder wirklich sehr unwohl sei, oder eine Macht der Verstellung besitze, wie kein Mann, ja vielleicht keine Frau begreifen könnte.

»Junges Weib,« sagte er mit mehr Freundlichkeit, als er bisher an den Tag zu legen vermocht hatte, »ich will Euch offen sagen, wie es mit mir steht. Es ist heute St. Valentinstag, und der Sitte nach muß ich ihn bei meiner schönen Valentine zubringen. Aber Schläge und Streit haben den ganzen Morgen weggenommen, bis auf eine armselige halbe Stunde. Nun könnt Ihr wohl einsehen, wo mein Herz und meine Gedanken sind, und wo, wär' es auch nur der Höflichkeit wegen, mein Leib sein sollte.«

Die Sängerin lauschte und schien ihn zu begreifen.

»Wenn Ihr ein ächter Liebender seid, und eine keusche Valentine zu besuchen habt, so verhüte Gott, daß Meinesgleichen Euch eine Störung bereiten sollte. Denkt nicht mehr an mich. Ich will diesen großen Fluß als Führer zum Meere nehmen, wo sich, wie man sagt, ein Hafen befindet; von dort will ich nach dem schönen Frankreich segeln, und noch ein Mal meine Heimath begrüßen, wo der roheste Bauer das ärmste Weib nicht so kränken würde.«

»Ihr könnt heute nicht nach Dundee gehen,« sagte der Schmied. »Die Leute des Douglas sind auf beiden Seiten des Flusses in Bewegung, denn der Lärm vom Morgen muß sie schon erreicht haben; und den ganzen Tag, und den nächsten, und die ganze Nacht, die dazwischen ist, während sie sich zu ihres Führers Fahne sammeln, wie Hochländer zum feurigen Kreuz. Seht Ihr jene fünf oder sechs Männer, die so rasch am andern Ufer des Flusses reiten? Das sind Leute von Annandale; ich kenne sie an ihren langen Lanzen und an der Art, wie sie sie tragen. Ein Mann von Annandale läßt seinen Speer nie rückwärts hängen, sondern trägt die Spitze immer aufwärts oder vorwärts.«

»Und was ist mit ihnen?« sagte die Sängerin. »Sie sind Bewaffnete und Krieger – sie werden mich meiner Laute und meiner Hilflosigkeit wegen schonen.«

»Ich will ihnen nichts Böses nachsagen,« antwortete der Schmied. »Wäret Ihr in ihren eigenen Thälern, würden sie Euch gastfrei behandeln und Ihr hättet nichts zu fürchten; aber jetzt sind sie im Felde. Alles ist Fisch, was in ihr Netz kommt. Es gibt unter ihnen welche, die Euch das Leben nehmen würden Eurer goldnen Ohrringe wegen. Ihre ganze Seele ruht in ihren Blicken, um Beute zu sehen, und in ihren Händen, um sie zu ergreifen. Sie haben keine Ohren, um Lieder zu hören, oder auf eine Bitte um Gnade zu horchen. Ueberdies haben sie einen Befehl von ihrem Führer hinsichtlich Eurer, und der Befehl ist von einer Art, daß er sicher befolgt wird. Ach, großen Herren schenken sie eher Gehorsam, wenn es heißt, brennt eine Kirche nieder, als wenn sie sagen, baut eine auf.«

»Dann,« sagte die Sängerin, »ist das Beste, ich setze mich hin, um zu sterben.«

»Sprecht nicht so,« erwiderte der Schmied. »Wenn ich nur ein Nachtquartier für Euch erlangen könnte, so führte ich Euch morgen an die Treppe bei unsrer lieben Frau, von wo die Fahrzeuge stromab nach Dundee gehen, und übergebe Euch Jemand am Bord, der für Eure Sicherheit sorgte, damit Ihr gute Bewirthung und freundliche Behandlung fändet.«

»Guter – trefflicher – großmüthiger Mann!« sagte die Sängerin. »Thut das, und wenn die Gebete und Segenswünsche einer armen Unglücklichen je den Himmel erreichen, so werden sie für Euch emporsteigen. Wir werden uns an jener Hinterpforte treffen, um die Zeit, wo die Boote abgehen.«

»Das ist um sechs Uhr Morgens, so wie der Tag anbricht.«

»Also geht nur zu Eurer Valentine; – und wenn sie Euch liebt, o, so hintergeht sie nicht.«

»Ach, armes Mädchen! ich fürchte, Täuschung hat dich in diesen Zustand gebracht. Aber ich darf Euch nicht so unversorgt verlassen. Ich muß wissen, wo Ihr die Nacht zubringen werdet.«

»Sorgt nicht darum,« erwiderte Louise. – »Der Himmel ist hell. – Es gibt Büsche und Gesträuche genug am Flusse; Charlot und ich können wohl für eine Nacht ein Blätterlager als Schlafgemach nehmen; und morgen werd' ich, mit Eurer versprochenen Hilfe, aus dem Bereich der Kränkung und Beleidigung kommen. O, die Nacht vergeht bald, wenn man Hoffnung auf den Morgen hat! – Zögert Ihr noch, während Eure Valentine auf Euch wartet? Ei, ich werde Euch nur für einen lauen Liebhaber halten, und Ihr wißt, was der Tadel eines Minstrels gilt.«

»Ich kann Euch nicht verlassen, Mädchen,« antwortete der Waffenschmied. »Es wäre geradezu Mord, ließ' ich Euch die Nacht unter der Strenge eines schottischen Februarwindes zubringen. Nein, nein, – mein Wort wär' auf diese Weise schlecht gehalten; und lief' ich Gefahr, Tadel zu ärnten, so wär's gerechte Strafe, daß ich übel von Euch dachte und Euch durch ein Betragen kränkte, das Ihr gewißlich nicht verdient. Kommt mit mir, Mädchen – Ihr sollt für die Nacht sicher wohnen, was auch daraus werde. Es wär' ein schlechtes Kompliment für meine Katharina, ließ ich ein armes Geschöpf umkommen, um mich eine Stunde früher ihrer Gesellschaft zu freuen.«

So sprechend, und indem er sich gegen jede Ahnung der üblen Folgen stählte, die eine solche Maßregel haben könnte, entschloß sich her mannhafte Schmied, der Verläumdung Trotz zu bieten und der Fremden in seinem eigenen Hause eine Zuflucht für die Nacht zu geben. Es muß noch bemerkt werden, daß er dies mit großem Widerstreben und nur in einer Art von Begeisterung des Wohlwollens that.

Bevor unser wackerer Sohn des Vulkan dem schönen Mädchen von Perth seine stete Verehrung weihte, stellte ihn eine gewisse natürliche Wildheit des Charakters unter den Einfluß der Venus so gut wie unter den des Mars; und es war nur die Folge redlicher Neigung, die ihn gänzlich von solchen ungebundenen Freuden abgelenkt hatte. Er war daher mit Recht eifersüchtig auf seinen neuerworbenen Ruf der Beständigkeit, den sein Betragen gegen die arme Fremde dem Verdachte aussetzen konnte – auch fürchtete er sich vielleicht selbst ein wenig vor Versuchung – und besonders verzweifelte er darüber, daß er so viel vom St. Valentinstage verlor, den der Brauch nicht nur erlaubte, sondern selbst verpflichtete bei der Genossin des Jahres zuzubringen. Die Reise nach Kinfauns, und die mancherlei folgenden Vorgänge hatten den Tag weggenommen und es war nun fast Vesperzeit.

Als könnte er durch eiligen Schritt die Zeit einbringen, die er für einen Gegenstand verwenden mußte, der jenem, welcher ihm am Herzen lag, so fremd war, ging er durch den Dominikanergarten, betrat die Stadt, und, indem er den Mantel dicht um den untern Theil seines Gesichtes schlug und zur Verhüllung des obern die Mütze herunterzog, lief er mit der nämlichen Eile weiter durch die Straßen und Gäßchen, indem er sein Haus auf dem Wynd zu erreichen hoffte, ohne bemerkt zu werden. Als er aber seinen Weg so rasch zehn Minuten lang verfolgt hatte, begann er zu glauben, sein Schritt möchte für das junge Weib zu scharf sein. Er sah sich daher mit einer Art von Ungeduld um. die sich aber bald in Reue verwandelte, als er sie fast ganz erschöpft vor übermäßiger Anstrengung sah.

»Ei, wahrlich, wär' ich doch werth als wilde Bestie aufgehängt zu werden,« sagte Harry zu sich selbst. »Und hätt' ich noch größere Eile, könnte das dem armen Geschöpf Flügel geben? Und sie hat noch dazu Gepäck zu tragen! Ich bin ein ungeleckter Bär, das ist gewiß, sobald sich's um Weiber handelt; und immer werd' ich Unrecht thun, wenn ich den besten Willen habe, gut zu sein. – Hört, Mädchen, laßt mich das Zeug für Euch tragen. Wir kommen dann schneller vorwärts.«

Die arme Louise würde widersprochen haben, aber ihr Athem war zu erschöpft, als daß sie hätte sprechen können; sie gestattete daher ihrem gutmüthigen Beschützer, den kleinen Korb zu nehmen; als dies der Hund sah, lief er vor Harry hin, richtete sich auf, schüttelte die Vorderpfoten und winselte leise, als wollte er auch getragen sein.

»Ei nun, so muß ich dich wohl auch schleppen,« sagte der Schmied, welcher sah, wie ermüdet das Thier war.

»Pfui, Charlot!« sagte Louise; »du weißt, daß ich selber dich tragen werde.«

Sie bemühte sich, den kleinen Hund zu fangen, aber er entkam ihr, und indem er an die andere Seite des Schmieds ging, erneuerte er seine Bitten um Aufnahme.

»Charlot hat Recht,« sagte der Schmied; »er weiß am besten, wer ihn tragen kann. Dies thut mir kund, mein artig Kind, daß Ihr nicht immer der Träger Eurer Sachen selber wart. Charlot weiß was zu erzählen.«

Eine solche Todesblässe überzog der armen Sängerin Gesicht, während Harry sprach, daß er genöthigt war, sie zu unterstützen, damit sie nicht zu Boden fiel. Sie erholte sich indeß nach wenig Augenblicken wieder, und mit matter Stimme bat sie ihren Führer, weiter zu gehen.

»Nun, nun,« sagte Harry, als sie ihren Weg fortsetzten, »haltet Euch an meinem Mantel oder an meinem Arm, wenn Euch das besser forthilft. Wir geben einen schönen Anblick; und hätt' ich noch eine Fiedel oder Guitarre auf dem Rücken, wir glichen dem lustigsten Paar Landstreicher, das je vor einem Schloßthor anklopfte. – Bei allen Nägeln,« so dachte er bei sich selbst, »wenn mir ein Nachbar mit diesem Pack Lumpen auf dem Rücken begegnete, einen Hund unterm Arm, und solch ein Mädchen am Mantel hängend, er dächte nicht anders, als ich sei Komödiant geworden. Nicht um den besten Harnisch, woran ich je den Hammer legte, möcht' ich, daß mir einer unserer zungenfertigen Nachbarn in diesem Aufzug begegnete; das wär' ein Spaß, der von St. Valentin bis Lichtmeß währte.«

Beunruhigt durch diese Gedanken, schlug der Schmied, obwohl auf Gefahr einen weit längern Weg, als er wünschte, durchlaufen zu müssen, den entlegensten Pfad ein, den er finden konnte, um die Hauptstraßen zu vermeiden, die noch immer von Menschen angefüllt waren wegen des letzten Tumultes. Aber zum Unglück half ihm seine Vorsicht nichts. Denn als er aus einer Gasse herausging, begegnete er einem in einen Mantel gehüllten Manne, der auch nicht erkannt sein zu wollen schien, obwohl die hagere, dünne Gestalt, die Spindelbeine, die sich unter dem Mantel zeigten, und die kleinen trüben Augen, die oben über dieses Kleid hervorblinzelten, den Apotheker so deutlich ankündigten, als hätte er seinen Namen auf der Mütze getragen. Diese unerwartete und unangenehme Begegnung setzte den Schmied in Verwirrung. Die Flucht schickte sich nicht für seinen kühnen, entschlossenen Charakter. Er wußte, daß dieser Mann so verleumderisch als neugierig, und besonders, daß er ihm sehr abgeneigt war. Es blieb also nur ein Mittel, aus der Verlegenheit zu kommen, und Harry hoffte, der Apotheker werde ihm eine Gelegenheit geben, ihm den Hals umzudrehen, damit er seiner Verschwiegenheit sicher wäre.

Aber weit entfernt, Etwas zu thun oder zu sagen, was so zum Aeußersten führen konnte, schien der Apotheker, als er seinem starken Nachbar sich so nahe gegenüber sah, daß Erkennung unvermeidlich blieb, diese so kurz als möglich zu machen. Ohne daß er des Schmieds Begleiterin große Aufmerksamkeit zu schenken schien, ließ er im Vorbeigehen die Worte fallen, während er nach dem ersten Moment der Begegnung keinen Blick weiter schenkte: – »Einen recht lustigen Feiertag für Euch, Schmied! Wie, du führst dein Mühmchen, die hübsche Mistreß Joan Letham, mit ihrem Bündel vom Wasser herauf – gewiß erst von Dundee, nicht wahr? Ich hörte, daß man sie bei dem alten Schuster erwartete.«

Während er so sprach, sah er weder rechts noch links, dankte noch für ein »Gott grüß' Euch!« das ihm der Schmied mehr zugemurmelt als gerufen, und verschwand auf seinem Wege, wie ein Schatten.

»Hole mich der Satan, wenn ich diese Pille verschlucken kann,« sagte Harry Schmied, »wie schön sie auch immer vergoldet sein mag. Der Schuft hat ein scharfes Auge, wenn es Weiber betrifft, und kann eine wilde Ente von einer zahmen unterscheiden, so gut als irgend einer in Perth. – Er wäre der letzte in der guten Stadt, um saure Pflaumen für Birken zu nehmen, oder meine dicke Muhme Joan für dies phantastische Stück Eitelkeit. Mir ist, als hätt' ich ihn sagen hören: Ich will nicht sehen, was Ihr mir verbergen wollt – und er thut recht daran, da er sich leicht einen gebrochenen Schädel kaufen könnte, wenn er sich in meine Angelegenheit mischte – und daher wird er seinetwegen stumm sein. Aber wer kommt nun wieder? – Bei St. Dunstan! der schwatzhafte, prahlerische, feige Schuft, Oliver Proudfute!« Es war in der That der kühne Strumpfwirker, dem sie zunächst begegneten, und der, die Mütze auf einer Seite und die Weise des Liedchens,

»Du bleibst zu lang' beim Krug, Tom, Tom,«

summend, deutlich anzeigte, daß er sein Mahl nicht trocken gehalten hatte.

»He, mein wackerer Schmied!« sagte er, »fang' ich dich auf die Weise? – Wie kann sich ächter Stahl biegen? – Kenn Vulkan, wie der Minnesänger spricht, Venus mit ihrer eigenen Münze zahlen? – Wahrlich, du wirst das Jahr ein hübscher Valentin sein, da du den Festtag so lustig anfängst.«

»Hört, Oliver,« sagte der mißvergnügte Schmied, »schließt Eure Augen und geht Eures Wegs, Alter. Und merkt wohl, rührt Eure Zunge nicht um das, was Euch nichts angeht, wenn Euch eine ganze Reihe Zähne in Eurem Kopfe lieb sind.«

»Ich aus der Schule schwatzen? – Ich plaudern, und noch dazu gegen meinen Kampfgefährten? – Ich veracht' es – ich würd' es nicht einmal meinem hölzernen Sultan sagen. – Ei, ich kann auf einem Winkel ein so lustiger Bruder sein, als du, Freund, – und da ich gerade daran denke, ich will mit gehen, wir wollen eins mit einander trinken und deine Delila soll uns dazu ein Lied singen. Ha! ist's Euch nicht recht so?«

»Trefflich,« sagte Harry, der sich die ganze Zeit über sehnte, seinen Kampfgefährten niederzuschlagen, aber klüglich einen friedlichern Weg wählte, um seine lästige Gegenwart loszuwerden. – »Ja vortrefflich! – Ich kann deinen Beistand brauchen – denn hier sind fünf oder sechs vom Douglas vor uns – sie werden gewiß versuchen, einem armen Bürger wie mir die Dirne abzunehmen, daher freut mich's, den Beistand eines so tapfern Mannes wie du zu haben.«

»Dank' Euch – dank' Euch,« antwortete der Strumpfwirker; »aber wär's nicht besser, ich liefe, ließe die Gemeindeglocke läuten und holte mein großes Schwert?«

»Ja, ja – geht heim so schnell Ihr könnt, und sagt nichts von dem, was Ihr gesehen habt.«

»Wer, ich? – nein, fürchtet mich nicht. Pah! ich hasse das Plaudern.«

»Also fort mit Euch, – ich höre Waffen klirren.«

Dies belebte und bewegte die Fersen des Strumpfwirkers, welcher, der vermeinten Gefahr den Rücken kehrend, einen Schritt annahm, daß der Schmied nicht zweifeln konnte, er werde bald zu Hause sein.

»Wieder eine schwatzhafte Elster,« dachte der Waffenschmied; »aber auch ihn hab' ich im Garne. Die Minstrels haben eine Fabel von einem Vogel, der sich mit eines andern Federn schmückte, – nun, Oliver ist derselbe Vogel, und, bei St. Dunstan! wenn sich seine Schwätzerzunge auf meine Kosten erlustigt, so will ich ihn rupfen, wie nur je ein Falke das Rebhuhn. Und das weiß er.«

Während sich ihm solche Gedanken aufdrängten, hatte er fast das Ziel seiner Wanderung erreicht; und während die Sängerin noch an seinem Mantel hing, erschöpft, theils aus Furcht, theils vor Müdigkeit, langte er endlich auf der Mitte des Wynd an, den seine eigene Wohnung zierte, und von dem er, der Unsicherheit zufolge, die damals in Anwendung von Familiennamen herrschte, seinen eigenen Zunamen ableitete. Hier brannte an Werkeltagen ein Ofen, und vier halbnackte Bursche betäubten die Nachbarschaft durch den Lärm des Hammers und Amboßes. Aber am St. Valentinstag war kein Handwerker bei der Arbeit, und jetzt waren diese Leute auswärts auf ihren eigenen Wegen der Andacht oder des Vergnügens. Das Haus neben der Schmiede gehörte Harry eigenthümlich, und obwohl es klein war und in einer engen Straße lag, war doch ein großer Garten mit Obstbäumen dahinter, und es bot im Ganzen eine angenehme Wohnung. Der Schmied, statt zu klopfen oder zu rufen, was die Nachbarn an Thür und Fenster gezogen haben würde, zog einen Hauptschlüssel von seiner eigenen Arbeit hervor, damals eine große und beneidete Merkwürdigkeit, und öffnete die Thür seines Hauses, worauf er die Gefährtin in die Wohnung führte.

Das Gemach, welches Harry und die Sängerin aufnahm, war die Küche, die unter Leuten vom Stande des Schmiedes als Wohnzimmer diente, obwohl Einige, wie Simon Glover, auch ein Speisezimmer hatten, getrennt von dem, worin ihre Speisen bereitet wurden. Im Winkel dieses Gemachs, welches außerordentlich sauber gehalten war, saß eine alte Frau, deren sorgfältige Kleidung und die Nettigkeit, mit welcher sie den Scharlachplaid auf dem Kopfe trug, so daß er zu beiden Seiten auf die Schultern fiel, einen höhern Rang angedeutet haben könnte, als den der Luckie Shoolbred, der Haushälterin des Schmieds. Aber dieser und kein anderer war ihr Titel; und da sie der Frühmesse nicht beigewohnt hatte, saß sie ruhig beim Feuer, während ihr halbgebeteter Rosenkranz über den Arm hing; ihr halblautes Gebet hielt oft auf den Lippen still, und ihre halbgeschlossenen Augen schlummerten, während sie den erwartete, dessen Amme sie gewesen, ohne die Stunde errathen zu können, wo er zurückkehren würde. Sie fuhr beim Geräusch seines Eintrittes empor und wandte ihr Auge auf die Gefährtin, zuerst mit einem Blick des höchsten Staunens, welches sich allmälig in den Ausdruck des höchsten Mißvergnügens verwandelte.

»Nun, die Heiligen schützen mein Augenlicht, Harry Schmied!« – rief sie sehr andächtig aus.

»Amen von ganzem Herzen. Schnell ein Bißchen zu essen, gute Amme, denn ich fürchte, diese Fremde wird nur leicht zu Mittag gespeist haben.«

»Und ich bitte nochmals, daß unsere Frau mein Augenlicht schütze vor den schnöden Blendwerken des Satans.«

»So sei es, sag' ich Euch, gute Frau. Aber wozu all dies Bitten und Beten? Hört Ihr mich nicht? oder wollt Ihr nicht thun, was ich Euch heiße?«

»Er muß es doch selber sein, wie's auch zugehe! Aber o! Er sieht dem bösen Feinde ähnlicher, da ihm ein solch Gepäck am Mantel hängt. – O, Harry Schmied! Die Leute nannten Euch um geringere Dinge einen wilden Burschen; aber wer hätte je gedacht, daß Harry ein liederlich Weibsstück unter das Dach bringen könnte, das seine würdige Mutter deckte, und wo seine eigene Amme dreißig Jahre lang gewohnt hat!«

»Haltet Ruhe, alte Frau, und seid vernünftig,« sagte der Schmied. »Diese Sängerin ist kein Liebchen für mich, noch für sonst Jemand, den ich kenne; aber sie geht morgen früh mit dem Boten nach Dundee, und wir müssen sie bis dahin beherbergen.«

»Beherbergen!« sagte die alte Frau. »Ihr mögt solchem Vieh Quartier geben, wenn es Euch gefällt, Harry Wynd; aber dasselbe Haus soll nicht die liederliche Dirne und mich beherbergen, darauf verlaßt Euch.«

»Eure Mutter ist böse auf mich,« sagte Louise, das Verhältniß der Andern mißdeutend. »Ich will nicht bleiben, um ihr Aergerniß zu geben. Wenn ein Stall vorhanden ist, so wird er ein genügendes Lager für mich und Charlot gewähren.«

»Ja, ja; ich denke, an solches Quartier seid Ihr am besten gewöhnt,« sagte Frau Shoolbred.

»Hört, Amme Shoolbred,« sagte der Schmied; »Ihr wißt, ich liebe Euch um Euretwillen selbst, und meiner Mutter wegen; aber bei St. Dunstan! der ein Heiliger meines eigenen Gewerbes war, ich will in meinem Hause zu befehlen haben; und wenn Ihr keinen bessern Grund, als Euren unsinnigen Verdacht, vorbringt, indem Ihr mich verlaßt, so mögt Ihr erwägen, wie Ihr Euch die Thür öffnen wollt, wenn Ihr zurückkehrt; denn ich werd' Euch nicht dabei helfen, das sag' ich Euch.«

»Ei nun, mein Sohn, dies soll mich nie zwingen, den ehrlichen Namen dranzuwagen, den ich sechzig Jahre bewahrte. Es war nie Eurer Mutter Sitte, und soll nie die meine sein, Landstreicher und Bänkelsängerinnen aufzunehmen; und ich brauche nicht lange nach einer Wohnung zu suchen, wenn ich nicht will, daß mich dasselbe Dach mit einer solchen Prinzessin deckt.«

Damit begann die strenge Hofmeisterin in großer Eile ihren Tartanmantel zurecht zu legen, um fortzugehen, indem sie ihn so weit vorzog, daß er ihre weiße Linnenhaube deckte, deren Saum ihr runzeliges, aber frisches und gesundes Gesicht umzog. Darauf ergriff sie einen Stab, den treuen Gefährten ihrer Gänge, und ging auf die Thür zu, als der Schmied zwischen sie und den Ausgang trat.

»Wartet wenigstens, Alte, bis wir abgerechnet haben. Ich bin Euch noch Lohn schuldig.«

»Und das ist wieder ein Traum Eures eigenen thörichten Kopfes. Welchen Lohn soll ich von dem Sohne Eurer Mutter nehmen, die mich nährte und kleidete, als wär' ich eine Schwester gewesen?«

»Und das lohnt Ihr gut, Amme; Ihr verlaßt ihr einzig Kind, da es Euch am nöthigsten braucht.«

Dies schien das hartnäckige alte Weib zur Ueberlegung zu bringen. Sie blieb stehen und sah abwechselnd ihren Herrn und die Sängerin an; dann schüttelte sie das Haupt und schien sich wieder nach der Thür bewegen zu wollen.

»Ich nehme blos die arme Pilgerin unter mein Dach,« sagte der Schmied, »um sie vor Gefängniß und Geißel zu schützen.«

»Und warum sollt Ihr sie schützen?« sagte die unerbittliche Frau Shoolbred. »Ich kann sagen, sie hat Beides verdient, so gut nur je ein Dieb einen Hanfkragen verdiente.«

»Mag sie das, oder mag sie nicht. Aber sie kann nicht verdienen, zu Tode gegeißelt oder eingekerkert zu werden, bis sie verhungert; und dies Loos finden Alle, auf die der schwarze Douglas böse ist.«

»Und den schwarzen Douglas wollt Ihr beleidigen einer Sängerin wegen? Das wird noch die schlimmste von Euren Fehden werden. – Ach, Harry Gow, es ist so viel Eisen in Eurem Kopf, als in Eurem Ambos!«

»Ich habe das selber manchmal gedacht, Mistreß Shoolbred; aber bekomm' ich bei dieser neuen Gelegenheit ein Paar Hiebe, so weiß ich nicht, wer mich pflegen soll, wenn Ihr von mir lauft, wie eine aufgescheuchte wilde Gans. Ja, noch mehr, wer soll meine hübsche Braut empfangen, die ich dieser Tage auf den Wynd zu bringen denke?«

»Ach, Harry, Harry!« sagte die alte Frau kopfschüttelnd; »das ist nicht die Art, um eines ehrsamen Mannes Haus für eine junge Braut zu bereiten. Ihr solltet Euch mit Sittsamkeit und Anstand betragen, und nicht liederlich und üppig.«

»Ich sage Euch noch ein Mal, das arme Wesen geht mich nichts an. Ich wünsche nur, daß sie in Sicherheit sei; und ich denke, der kühnste Gränzbewohner in Perth wird den Riegel meiner Thür so gut achten, wie das Thor von Carlisle Castle. – Ich gehe jetzt hinab zu Sim' Glovers – ich kann wohl die ganze Nacht dort bleiben, denn der hochländische Bursche ist nach den Bergen gelaufen, wie ein junger Wolf, und also ist dort ein Bett frei und Vater Simon wird es mich gern benutzen lassen. Ihr werdet bei diesem armen Wesen bleiben, sie speisen und während der Nacht schützen, und ich werde sie vor Tage abrufen; und wenn du willst, kannst du selber mit ihr zum Boote gehen, und so wird dein letzter Blick zugleich mit dem meinigen sie beobachten.«

»Das klingt wohl etwas vernünftig,« sagte Frau Shoolbred; »obwohl mir ein Räthsel ist, warum Ihr Euren Ruf wegen eines Wesens in Gefahr bringt, die für einen Silberpfennig und noch weniger ein Quartier finden würde.«

»Habt darin Vertrauen zu mir, gute Alte, und begegnet dem Mädchen freundlich.«

»Freundlicher als sie's verdient, verlaßt Euch darauf; und wirklich, obwohl ich wenig Gefallen an der Gesellschaft solchen Viehes finde, glaube ich doch, sie wird mir weniger Leid zufügen können, als Euch – sie müßte denn eine Hexe sein, was wohl der Fall sein kann, da der Teufel sehr mächtig ist bei Allen, die so ein Landstreicherleben führen.«

»Sie ist nicht mehr eine Hexe, als ich ein Zauberer,« sagte der ehrliche Schmied; »ein armes trauriges Wesen, die, wenn sie Uebles gethan hat, nur zu bitter dafür gestraft wurde. Seid freundlich gegen sie; – und Ihr musikalisches Mädchen – ich will Euch morgen früh rufen und zum Strande führen. Diese alte Frau wird Euch freundlich behandeln, wenn Ihr nichts zu Ihr sagt, außer was für ehrsame Ohren paßt.«

Die arme Sängerin hatte dem Gespräche zugehört, ohne mehr davon zu verstehen, als den allgemeinen Inhalt; denn obwohl sie englisch gut sprach, hatte sie doch die Sprache in England selbst gelernt, und der nördliche Dialekt war damals, wie jetzt, von einem breitern und rauhern Charakter. Sie sah indeß, daß sie bei der alten Frau bleiben sollte, und freundlich ihre Arme auf der Brust übereinander legend, beugte sie bescheiden ihr Haupt. Dann sah sie auf den Schmied mit dem Ausdrucke tiefen Dankgefühls, erhob darauf ihre Augen gen Himmel, nahm seine duldsame Hand und schien im Begriff, die kräftigen Finger zu küssen, zum Zeichen tiefer und inniger Dankbarkeit. Aber Frau Shoolbred erlaubte der Fremden nicht, auf diese Weise ihre Gefühle auszudrücken. Sie drängte sich zwischen beide und sagte, Louisen bei Seite schiebend: »Nein, nein, solche Sachen mag ich nicht leiden. Geht in die Kaminecke, Mistreß, und wenn Harry Schmied fort ist, so könnt Ihr, wenn Ihr einmal Hände küssen müßt, die meinen küssen, so lang's Euch gefällt. – Und Ihr, Harry, macht, daß Ihr zu Sim' Glovers kommt, denn wenn die artige Mistreß Katharina von der Gesellschaft hört, die ihr heimgeführt habt, so dürfte sie so wenig Freude daran haben, als ich. – Nun, wie steht es? – ist der Mensch von Sinnen? – wollt Ihr ohne Euren Schild ausgehen, und die ganze Stadt ist in Aufruhr?«

»Ihr habt Recht, Frau,« sagte der Waffenschmied; und den Schild über seine breiten Schultern werfend, verließ er sein Haus, ohne eine weitere Frage abzuwarten.

Dreizehntes Kapitel

Wie in der Mitternacht der Pibroch tönt


So wild und schrill! Doch gleich dem Hauch, der füllt


Die Bergespfeife, füllt den Bergbewohner


Der wilde Muth der Heimath.


Byron.

Wir müssen die tiefer gestellten Personen unsers historischen Drama's nun verlassen, um den Vorfällen zu folgen, welche unter denen von höherem Range und größerer Bedeutung vorgingen.

Wir gehen von der Hütte eines Waffenschmieds in den Staatsrath eines Monarchen, und fassen unsere Geschichte in dem Augenblicke auf, wo, nachdem der Tumult unten beruhigt war, die zornigen Führer vor den König gerufen wurden. Sie traten ein, mißvergnügt und mit finstern Mienen, Jeder viel zu ausschließlich mit den vermeintlich erlittenen Kränkungen erfüllt, um fähig zu sein, auf vernünftige Gründe hören zu können. Nur Albany, ruhig und schlau, schien so weit gefaßt, um ihr Mißbehagen für seine eigenen Pläne zu nützen, und jeden Zufall so zu wenden, daß er seinen indirekten Absichten förderlich sein müßte.

Des Königs Unentschlossenheit, die selbst an Furchtsamkeit grenzte, hinderte ihn nicht, äußerlich das für seine Stellung geziemende Benehmen zu zeigen. Blos wenn er hart bedrängt ward, wie bei dem letzten Auftritt, verlor er seine scheinbare Fassung. Ueberhaupt konnte er wohl von seinen Plänen abgelenkt werden, aber selten von seinem würdevollen Betragen. Er empfing Albany, Douglas, March und den Prior (die übelgewählten Glieder seines bunt zusammengesetzten Rathes) mit einer Mischung von Artigkeit und Hoheit, die jeden hochmüthigen Pair erinnerte, daß er vor seinem Monarchen stand und ihn zu gebührender Ehrerbietung nöthigte.

Nachdem er ihre Grüße angenommen, bedeutete sie der König, sich zu setzen, und sie gehorchten soeben seinem Befehl, als Rothsay eintrat. Mit Anstand trat er zu dem Vater hin und, auf dessen Fußschemel kniend, erbat er sich seinen Segen. Robert versuchte mit einer Miene, unter welcher Zärtlichkeit und Kummer schlecht versteckt waren, ein vorwurfsvolles Gesicht zu zeigen, als er die Hände auf des jungen Mannes Haupt legte und mit einem Seufzer sagte: »Gott segne dich, mein leichtsinniger Sohn, und mache dich in künftigen Jahren zu einem weiseren Manne!«

»Amen, mein theuerster Vater!« sagte Rothsay mit einem so gefühlvollen Tone, wie er ihn oft in seinen besseren Augenblicken hören ließ. Dann küßte er die königliche Hand mit der Ehrfurcht eines Sohnes und Unterthans, und statt einen Platz am Rathstische einzunehmen, blieb er hinter des Königs Stuhl in einer solchen Stellung, daß er, wenn er wollte, dem König in's Ohr flüstern konnte.

Der König gab zunächst dem Prior von St. Dominikus ein Zeichen, seine Stelle an der Tafel einzunehmen, auf welcher Schreibmaterialien lagen, die von allen anwesenden Unterthanen, Albany ausgenommen, der Geistliche allein zu handhaben verstand. Dann eröffnete ihnen der König den Zweck der Zusammenkunft, indem er mit vieler Würde sagte:

»Unser Geschäft, Mylords, betrifft jene unseligen Aufstände in den Hochlanden, die, wie wir durch unsere letzten Boten erfahren, auf dem Punkte sind, die Verwüstung und Zerstörung des Landes selbst bis auf wenige Meilen von diesem unserem Hofe zu veranlassen. Aber so nahe diese Empörung ist, so hat unser schlimmes Geschick und die Anreizung schlechter Menschen doch noch eine nähere erweckt, indem sie Streit und Zwiespalt zwischen die Bürger von Perth und die Leute, welche zum Gefolge Eurer Herrlichkeiten und anderer Ritter und Edeln gehören, geworfen haben. Ich muß mich daher zuerst an Euch selbst wenden, Mylords, um zu hören, warum unser Hof durch so ungebührliche Streitigkeiten beunruhigt wird, und durch welche Mittel sie unterdrückt werden könnten? – Bruder von Albany, sagt Ihr uns zuerst Eure Meinung über diese Sache.«

»Sir, unser königlicher Herr und Bruder,« sagte der Herzog, »da ich in Gegenwart von Eurer Majestät Person war, als der Streit begann, so kenn' ich seinen Ursprung nicht.«

Und was mich betrifft,« sagte der Prinz, »ich hörte kein schlimmeres Kriegsgeschrei, als einer Sängerin Ballade, und sah keine gefährlichern Geschosse fliegen, als Haselnüsse.«

»Und ich,« sagte der Graf von March, »konnte nur begreifen, daß die muthigen Bürger von Perth einige Schufte hetzten, die das blutige Herz auf ihre Schulter gesetzt hatten. Sie liefen zu schnell, als daß sie wirklich die Leute des Grafen Douglas hätten sein können.

Douglas verstand den Spott, erwiderte aber nur durch einen jener versengenden Blicke, durch die er seinen tödtlichen Haß anzudeuten pflegte. Er sagte indeß mit stolzer Ruhe:

»Mein König muß natürlich einsehen, daß es Douglas ist, der auf jene schwere Anklage zu antworten hat; denn wann gab es Streit oder Blutvergießen in Schottland, daß nicht schnöde Zungen einen Douglas oder einen von Douglas' Leuten als Ursache davon angegeben hätten? Wir haben hier gute Zeugen. Ich spreche nicht von Mylord Albany, der nur sagte, daß er, wie ihm zukommt, bei Eurer Majestät war. Und ich sage nichts von Mylord von Rothsay, der, wie seinem Range, seinem Alter und Verstande zukommt, mit einer fahrenden Musikantin Nüsse knackte. – Er lächelt – hier darf er sagen, was ihm beliebt – Ich werde eine Pflicht nicht vergessen, die er vergessen zu haben scheint. Aber hier ist Mylord von March, der meine Begleiter vor den Tölpeln von Perth fliehen sah! Ich kann diesem Grafen sagen, daß die Männer mit dem blutigen Herzen nur vorrücken und weichen, wenn ihr Führer es befiehlt oder das Wohl von Schottland es fordert.«

»Und ich kann antworten –« rief der ebenso stolze Graf von March, dem das Blut in's Gesicht stieg, als der König ihn unterbrach: –

»Friede! zornige Herren,« sagte der König, »und bedenkt, in wessen Gegenwart ihr seid! – Und Ihr, Mylord von Douglas, sagt uns, wenn Ihr könnt, die Ursache dieses Aufruhrs und warum Eure Gefährten, deren gute Dienste im Allgemeinen wir anerkennen müssen, so thätig bei einem Privatstreit waren?«

»Ich gehorche, Mylord,« sagte Douglas, leicht mit dem Haupte, das sich selten beugte, nickend. »Ich ging von meiner Wohnung im Karthäuserkloster durch die Highstreet von Perth mit Einigen von meinem gewöhnlichen Gefolge, als ich Einige von der schlechtern Bürgerklasse sich um das Kreuz drängen sah, an welches dieser Anschlag und was sich dabei befand, angenagelt war.«

Er zog aus einer Tasche im Busen seines Büffelwamses eine menschliche Hand und ein Stück Pergament. Der König war erschrocken und unruhig.

»Leset,« sagte er, »guter Vater Prior und laßt den häßlichen Anblick entfernen.«

Der Prior las eine Bekanntmachung folgenden Inhalts: –

»In Betracht, daß das Haus eines Bürgers von Perth in letzter Nacht, dem Abend vor St. Valentin, durch eine Schaar liederlicher Nachtschwärmer vom Gefolge eines der Fremden, die jetzt in dieser guten Stadt wohnen, angegriffen ward, wobei man einem der gesetzwidrigen Ruhestörer in dem erfolgten Kampfe diese Hand abhieb: so haben Oberrichter und Magistrat verordnet, daß diese Hand zur Schmach und Schande derer, die solchen Streit veranlaßten, an dieses Kreuz genagelt werde. Und sollte einer von ritterlicher Abkunft behaupten, daß dieses unser Verfahren unrecht sei, so will ich Patrick Charteris von Kinfauns, Ritter, dies Blatt mit ritterlichen Waffen in den Schranken rechtfertigen; oder wenn Einer von geringerer Herkunft läugnen sollte, was hier gejagt ist, so soll er einen Bürger der guten Stadt Perth, seinem Stande gemäß, zur Entgegnung bereit finden. Und so schütze Gott und St. John die gute Stadt!«

»Ihr werdet Euch nicht wundern, Mylord,« begann Douglas wieder, »daß, als mein Almosenier mir den Inhalt eines so unverschämten Blattes vorgelesen hatte, ich durch einen meiner Knappen eine für die Ritterschaft und den Adel Schottlands so schmachvolle Trophäe abreißen ließ. Darauf nahmen sich, wie es scheint, einige jener rohen Bürger die Freiheit, die Hintersten meines Zuges zu beschimpfen und zu höhnen; diese griffen sie zu Pferde an und würden den Streit bald beendigt haben, hätt' ich ihnen nicht bestimmt befohlen, sie sollten mir so ruhig folgen, als der schuftige Pöbel gestatten würde. Und so langten sie hier scheinbar als fliehende Leute an, während sie, hätt' ich befohlen, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, die elende Stadt an vier Ecken angezündet und die unverschämten Bursche, gleich jungen Füchsen in einem brennenden Dickicht, erstickt haben würden.«

Es herrschte Stille, nachdem Douglas gesprochen hatte, bis der Herzog von Rothsay, seinen Vater anredend, antwortete: –

»Da der Graf von Douglas die Macht besitzt, die Stadt anzuzünden, wo Eure Majestät ihren Hof hält, sobald nur der Oberrichter und er wegen eines nächtlichen Tumults oder wegen der Ausdrücke eines Anschlags uneins sind, so sollten wir ihm wohl Alle recht dankbar sein, daß er nicht auch den Willen hat, also zu thun.«

»Der Herzog von Rothsay,« sagte Douglas, der entschlossen schien, sich zu mäßigen, »mag Grund haben, dem Himmel in einem ernsteren Tone zu danken, als er's jetzt thut, daß der Douglas eben so treu als mächtig ist. Dies ist eine Zeit, wo sich die Unterthanen in allen Ländern gegen das Gesetz auflehnen; wir hörten von den Insurgenten der Jacquerie in Frankreich; von Jack Straw, Hob Miller und Pfarrer Ball bei den Engländern; und wir können überzeugt sein, daß Brennstoff genug da ist, um solches Feuer zu fangen, wenn es sich zu unsern Grenzen erstreckte. Wenn ich sehe, wie Bauern Edelleute fordern und Hände des Adels an ihr Stadtkreuz nageln, so will ich nicht sagen, ich fürchte Meuterei – das würde unwahr sein – aber ich sehe sie kommen und will ihr wohlbereitet entgegen treten.«

»Und warum sagt Mylord Douglas,« antwortete der Graf von March, »diese Ausforderung rühre von den Bauern her? Ich sehe Sir Patricks Namen darauf, und er ist, denk' ich, nicht aus gemeinem Blute. Douglas selbst könnte, da er die Sache mit so viel Wärme behandelt, Sir Patricks Handschuh aufheben, ohne seine Ehre zu bestecken.«

»Mylord von March,« erwiderte Douglas, »sollte nur von dem sprechen, was er versteht. Ich bin nicht ungerecht gegen den Nachkommen des rothen Räubers, wenn ich sage, er wiegt zu leicht gegen den Douglas. Der Erbe Thomas Randolphs dürfte bessere Ansprüche auf seine Anwort haben.«

»Und, bei meiner Ehre, ich werde nicht unterlassen, um die Gnade zu bitten,« sagte der Graf von March, seinen Handschuh abziehend.

»Halt, Mylord,« sagte der König. »Thut uns nicht so grobes Unrecht an. Euch hier zu tödtlicher Fehde herauszufordern; bietet vielmehr Eure bloße Hand in Freundschaft dem edlen Grafen, und umarmt Euch zum Zeichen beiderseitiger Treue für die Krone Schottlands.«

»Nicht so, mein König,« antwortete March; »Eure Majestät kann mir gebieten, den Handschuh zurückzunehmen, denn dieser und die ganze Rüstung steht zu Eurem Befehl, so lang' ich meine Grafschaft von der Krone Schottland zu Lehen trage – aber wenn ich Douglas umarme, so muß es mit gepanzerter Hand geschehen. Lebt wohl, mein König. Mein Rath frommt hier nichts, ja, er wird so ungünstig aufgenommen, daß ferneres Weilen vielleicht meiner Sicherheit nicht förderlich wäre. Möge Gott Eure Hoheit vor offenen Feinden und verräterischen Freunden bewahren! – Ich gehe nach meinem Schlosse Dunbar, von wo Ihr, denk' ich, bald Nachrichten erhalten werdet. Auch Ihr lebt wohl, Mylords von Albany und Douglas; Ihr spielt ein hohes Spiel, seht zu, daß es gut abläuft. – Lebt wohl, armer, leichtsinniger Prinz, der Ihr wie ein Reh im Bereich eines Tigers scherzt! – Lebt Alle wohl – Georg von Dunbar sieht das Uebel, das er nicht heilen kann. – Adieu Euch Allen.«

Der König würde gesprochen haben, aber die Laute erstarben ihm auf der Zunge, als er von Albany einen Blick erhielt, der ihn zum Schweigen ermahnte. Der Graf von March verließ das Gemach, die stummen Grüße der Glieder des Rathes empfangend, die er einzeln angeredet hatte, außer von Douglas, der sein Lebewohl mit einem Blicke verachtenden Trotzes erwiderte.

»Der Elende geht, um uns den Engländern zu verrathen,« sagte er; »sein Stolz beruht auf dem Besitz der vom Meere ausgewaschenen Burg, die unsere Feinde in Lothian einführen kann. – Nein, seid nicht besorgt mein König, ich werde halten, was ich sage – indeß ist es noch Zeit. Sprecht nur das Wort, mein König – sagt nur ›Verhaftet ihn‹, und March soll auf seiner verrätherischen Reise nicht bis über den Earn kommen.«

»Nein, tapferer Graf,« sagte Albany, der mehr wünschte, daß die beiden mächtigen Lords einander das Gegengewicht halten möchten, als daß Einer eine entschiedene Uebermacht erlangen sollte; »das hieße zu unbedacht verfahren. Der Graf von March kam hierher unter des Königs sicherem Geleit, und dies zu brechen dürfte sich nicht mit meines königlichen Bruders Ehre vertragen. Wenn jedoch Eure Herrlichkeit einen einzelnen Beweis geben könnte –«

Hier wurden sie durch Trompetenschall unterbrochen.

»Seine Hoheit von Albany ist heut ungewöhnlich bedenklich,« sagte Douglas; »aber es nützt nichts, Worte zu verschwenden – die Zeit ist vorbei – dies sind March's Trompeten, und ich glaube, sobald er das südliche Thor hinter sich hat, wird er im Fluge reiten. Wir werden bald von ihm hören; und wenn es ist, wie ich vermuthe, so werden wir ihn nur mit ganz England im Gefolge wiedersehen.«

»Nein, laßt uns Besseres von dem edlen Grafen hoffen,« sagte der König, keineswegs unzufrieden, daß der Streit zwischen March und Douglas scheinbar die Spuren des Zwistes zwischen Rothsay und seinem Schwiegervater verwischt hatte; »er hat ein feuriges, aber kein böses Gemüth. – In einigen Punkten ist er – ich will nicht sagen gekränkt – aber getäuscht worden – und Etwas muß man dem Zorne des edlen Blutes, welches große Macht besitzt, nachsehen. Aber, Dank dem Himmel, Alle von uns, die zurückblieben, sind von einer Gesinnung, und ich darf sagen von einer Familie; so kann nun wenigstens unser Rath nicht durch Uneinigkeit beeinträchtigt werden. – Vater Prior, ich bitt' Euch, nehmt Euer Schreibmaterial, denn Ihr müßt, wie gewöhnlich, der Geheimschreiber unsers Rathes sein. – Und nun an's Werk, Mylords – zuerst wollen wir den hochländischen Streit in Erwägung ziehen.«

»Zwischen dem Clan Chattan und dem Clan Quhele,« sagte der Prior. »Derselbe ist, wie uns die letzten Nachrichten von unsern Brüdern zu Dunkeld melden, im Begriff, in eine furchtbarere Fehde auszubrechen, als je zwischen diesen Belialskindern stattfand, die von nichts sprechen, als von gegenseitiger gänzlicher Vernichtung. Ihre Schaaren sammeln sich auf beiden Seiten, und jeder Verwandte bis zum zehnten Grade muß sich beim Brattach [Fahne] seines Stammes stellen, oder er verfällt der Strafe von Feuer und Schwert. Das feurige Kreuz hat in jeder Richtung wie ein Meteor geleuchtet, und fremde und unbekannte Stämme jenseit des fernen Murray Frith erweckt – mög' uns der Himmel und St. Dominikus schützen! Aber wenn Eure Herrlichkeiten kein Mittel gegen das Uebel finden können, so wird es sich weit und breit erstrecken und das Erbtheil der Kirche muß allenthalben der Wuth dieser Amalekiter ausgesetzt sein, bei denen so wenig Ehrfurcht vor dem Himmel ist, als Erbarmen oder Liebe für ihre Nachbarn. – Behüt' uns unsre liebe Frau! – Wir hören, einige von ihnen sind vollkommene Heiden und beten Mahound und Termagaunt an.

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