Der Connetable verbeugte sich und gab die nöthigen Befehle, so daß Sir John die Materialien eines guten Mahles bereit fand, als er die Barke verließ und in den Pavillon trat.

»Es betrübt mein Herz, Eure Hoheit unter Aufsicht zu sehen,« sagte Ramorny, indem er geschickt eine Miene des Mitleids annahm.

»Die Betrübniß deines Herzens betrübt das meine,« sagte der Prinz. »Freilich hat mich hier Errol, der ein recht biederherziger Lord ist, so ermüdet mit ernsten Blicken und gewissermaßen auch ernsten Lehren, daß es mich zu dir zurücktrieb, du Böser, von dem ich zwar nichts Gutes erwarte, aber vielleicht doch einige Unterhaltung erlange. Doch eh' wir weiter sprechen: – es war eine schlechte That, die am Fastenabend, Ramorny. Ich hoffe, du hast sie nicht angegeben.«

»Bei meiner Ehre, Mylord, ein bloßer Irrthum des rohen Bonthron. Ich gab ihm zu verstehen, daß der Kerl einige Hiebe verdiene, durch den ich die Hand verlor; und seht, mein Schuft begeht einen doppelten Mißgriff. Er nimmt den einen Mann für den andern und statt des Knittels gebraucht er die Axt.«

»Gut, daß es nicht weiter kam. Was liegt viel am Strumpfwirker; aber nie hätt' ich Euch vergeben, wenn der Waffenschmied fiel – der hat seines Gleichen nicht in Britannien. – Aber ich hoffe, man hängte den Schurken hoch genug?«

»Wenn dreißig Fuß genügen,« erwiderte Ramorny.

»Pah! nichts mehr von ihm,« sagte Rothsay; »sein elender Name macht den guten Wein nach Blut schmeckend. – Und was gibt's Neues in Perth, Ramorny? – Wie steht es mit den Bona Rodas und den lustigen Freunden?«

»Es gibt nicht viel Lustigkeit, Mylord,« antwortete der Ritter. »Aller Augen sind auf die Bewegungen des schwarzen Douglas gerichtet, der mit fünftausend auserlesenen Kriegern kommt, uns Alle zurecht zu bringen, als gäb' es ein zweites Otterburn für ihn. Man sagt, er soll wieder Statthalter werden. Gewiß ist, daß sich Viele für seine Partei erklärt haben.«

»Also ist es Zeit, daß meine Füße frei werden,« sagte Rothsay, »sonst kann ich einen schlimmeren Gefangenwärter als Errol finden.«

»Ach, Mylord! wärt Ihr einmal von diesem Orte weg, so könntet Ihr das Haupt so kühn erheben, wie Douglas.«

»Ramorny,« sagte der Prinz ernst, »ich habe nur eine dunkle Erinnerung von Etwas Furchtbarem, was Ihr mir einmal vorgeschlagen habt. Hütet Euch vor solchem Rath. Ich möchte frei sein – ich möchte über meine Person selbst verfügen können; aber nie will ich die Waffen gegen meinen Vater erheben, noch gegen die, auf die er sich verläßt.

»Nur hinsichtlich der persönlichen Freiheit Eurer Hoheit erlaubte ich mir zu sprechen,« antwortete Ramorny. »Wär' ich an Eurer Stelle, ich begäbe mich in das gute Boot, das auf dem Tay liegt und zöge ruhig hinunter nach Fife, wo Ihr viele Freunde habt, und Falkland in Besitz nehmen könnt. Es ist ein königliches Schloß; und obwohl es der König Eurem Oheim geschenkt hat, so kann, selbst wenn das Geschenk nicht bestritten werden dürfte, doch Eure Hoheit sicherlich sich des Wohnsitzes eines so nahen Verwandten bedienen.«

»Er hat sich des meinen frei bedient,« sagte der Herzog, »wie das königliche Gut von Renfrew beweist. Aber halt, Ramorny – halt – hört' ich nicht Errol sagen, daß die Lady Marjory Douglas, die sie Herzogin von Rothsay nennen, in Falkland ist? Ich möchte nicht bei dieser Dame wohnen und ebensowenig sie durch Vertreibung beleidigen.«

»Die Dame war dort, Mylord,« erwiderte Ramorny; »aber ich habe sichere Nachricht, daß sie gegangen ist, ihren Vater zu besuchen.«

»Ha! um Douglas gegen mich aufzubringen? oder vielleicht, ihn anzuflehen, daß er meiner schone, vorausgesetzt, daß ich auf meinen Knieen an ihr Bett komme, wie uns Pilger erzählen, daß es Emire und Admirale thun müssen, denen ein türkischer Sultan seine Tochter zur Ehe gibt? Ramorny, ich will nach des Douglas eigenem Worte handeln: ›es ist besser, die Lerche singen, als die Maus quiken zu hören!‹ Ich will Fuß und Hand aus den Fesseln befreien.« »Kein Ort ist dazu besser, als Falkland,« erwiderte Ramorny. »Ich habe genug guter Yeomen, um den Platz zu behaupten; und sollte Eure Hoheit ihn verlassen wollen, so bringt ein kurzer Ritt Euch in drei Richtungen zur See.«

»Ihr habt recht. Aber wir werden dort vor langer Weile sterben. Weder Freunde, Musik, noch Mädchen – ha!« sagte der leichtsinnige Prinz.

»Verzeiht mir, edler Herzog; aber obwohl die Lady Marjory Douglas, gleich einer irrenden Dame in den Balladen, fortgegangen ist, um Hilfe bei ihrem tapferen Vater zu suchen, so ist doch, ich kann wohl sagen, ein liebenswürdigeres, jedenfalls aber ein jüngeres Mädchen, entweder bereits in Falkland oder bald unterwegs dorthin. Eure Hoheit hat das schöne Mädchen von Perth nicht vergessen?«

»Die artigste Dirne in Schottland vergessen? – Nein – so wenig du die Hand vergessen hast, die du im Gefechte in Curfewstreet am Valentinsabend hattest.«

»Die Hand, die ich hatte? – Eure Hoheit wollte sagen, die Hand, die ich verlor. So gewiß ich sie nimmer wieder gewinnen werde, ist Katharina Glover zu Falkland, oder wird bald dort sein. Ich will Eurer Hoheit nicht schmeicheln, indem ich sagte, sie erwarte Euch dort – in der That, sie will sich dort selbst unter den Schutz der Lady Marjory stellen.«

»Die kleine Verrätherin,« sagte der Prinz – »auch sie stellt sich gegen mich? Sie verdient Strafe, Ramorny.«

»Ich hoffe, Ihr werdet ihr eine sanfte Strafe auferlegen,« erwiderte der Ritter.

»Meiner Treu, ich hätte schon längst ihr Beichtvater sein mögen, aber ich habe sie immer spröde gefunden.«

»Die Gelegenheit fehlte, Mylord,« erwiderte Ramorny, »und gerade jetzt drängt die Zeit.«

»Ei, ich bin nur zu bereit zu einer Narrheit; – aber mein Vater – «

»Er ist persönlich wohl,« sagte Ramorny, »und so frei, als er sein kann; während Eure Hoheit – «

»Fesseln brechen muß, eheliche und wirkliche – ich weiß es. – Dort kommt Douglas mit seiner Tochter an der Hand, so hochmüthig und von so rauhen Zügen, wie er selbst, außer was das Alter anlangt.«

»Und zu Falkland sitzt einsam die schönste Dirne Schottlands,« sagte Ramorny. »Hier ist Buße und Haft, dort ist Freude und Freiheit.«

»Du hast gesiegt, höchstweiser Rath,« erwiderte Rothsay; »aber merk' dir's, es wird die letzte meiner Thorheiten sein.«

»So hoff' ich,« erwiderte Ramorny; »denn wenn Ihr in Freiheit seid, so könnt Ihr einen guten Vergleich mit Eurem königlichen Vater schließen.«

»Ich will ihm schreiben, Ramorny – schafft Schreibmaterial herbei – doch nein – ich kann meine Gedanken nicht in Worte bringen – schreibe du.«

»Eure königliche Hoheit vergißt –« sagte Ramorny, auf seinen verstümmelten Arm deutend.

»Ach! über Eure verwünschte Hand. Was können wir thun?«

»Wenn es Eurer Hoheit gefällt,« antwortete sein Rathgeber, »Euch der Hand des Arztes Dwining zu bedienen – er schreibt wie ein Gelehrter.«

»Weiß er Etwas von dem Stande der Dinge? Kennt er sie?«

»Vollkommen,« sagte Ramorny; und zum Fenster tretend rief er Dwining aus dem Boote.

Er trat vor den Prinzen von Schottland, schleichend, als wenn er auf Eiern ginge, mit niedergeschlagenen Augen und mit einem Körper, der vor Ehrfurcht zusammengeschrumpft schien.

»Hier, Bursche, ist Schreibzeug. Ich will dich versuchen – du kennst die Sache – stelle mein Benehmen meinem Vater in einem guten Lichte dar.«

Dwining setzte sich und schrieb binnen wenigen Minuten einen Brief, den er Sir John Ramorny einhändigte.

»Ei, der Teufel hat dir geholfen, Dwining,« sagte der Ritter. »Hört, mein theurer Herr: – Verehrter Vater und königlicher Herr, – wißt, daß wichtige Rücksichten mich veranlassen, von diesem Eurem Hofe Abschied zu nehmen, indem ich meinen Aufenthalt in Falkland nehmen will, sowohl als dem Besitzthum meines theuersten Oheims Albany (mit dem ich nach Eurer Majestät Wunsch im besten Einvernehmen stehen soll), wie auch dem Wohnsitze Einer, der ich zu lange entfremdet gewesen bin, und mit der ich fortan das Gelöbniß treuester Zuneigung zu tauschen eile.«

Der Herzog von Rothsay und Ramorny lachten laut, und der Arzt, der seiner eigenen Schrift zugehört hatte, als wäre sie ein Todesurtheil, erhob, durch ihren Beifall ermuthigt, die Augen, indem er ganz leise sein »hi, hi!« hören ließ, worauf er wieder ernst und schweigend war, als fürchte er die Grenzen ehrerbietigen Respekts überschritten zu haben.

»Bewundernswerth!« sagte der Prinz – »vortrefflich! Der alte Mann wird Alles dies der sogenannten Herzogin von Rothsay hinterbringen. – Dwining, du solltest ein Geheimschreiber Seiner Heiligkeit des Papstes sein, der bisweilen, wie man sagt, einen Schreiber braucht, welcher ein Wort mit zweierlei Deutung aufzusetzen versteht. Ich will es unterschreiben und das Lob dafür ärnten.«

»Und nun, Mylord,« sagte Ramorny, den Brief siegelnd, und ihn liegen lassend, »wollt Ihr nicht in's Boot?«

»Nicht eher, als bis mein Kammerdiener mit einigen Kleidern und nothwendigen Sachen kommt – auch mögt Ihr meinen Vorschneider rufen.«

»Mylord,« sagte Ramorny, »die Zeit drängt und Vorbereitungen werden nur Argwohn erregen. Eure Dienstleute werden Euch morgen mit den Sachen folgen. Für diese Nacht wird Euch hoffentlich mein armer Dienst bei Tafel und Schlafgemach genügen.«

»Nun, diesmal bist du der vergeßliche,« sagte der Prinz, den verwundeten Arm mit seiner Reitgerte berührend. »Bedenke, Mann, du kannst weder einen Kapaun vorschneiden, noch eine Schleife binden – ein guter Vorschneider oder Mundschenk!«

Ramorny lächelte mit Wuth und Schmerz; denn seine Wunde, obwohl in der Heilung begriffen, war noch sehr empfindlich und selbst die Bewegung eines Fingers dagegen machte ihn zittern.

»Gefällt es Eurer Hoheit nicht, in's Boot zu gehen?«

»Nicht, bis ich Abschied vom Lord Connetable genommen. Rothsay darf nicht, wie ein Dieb aus dem Gefängniß, aus Errols Hause davonschleichen. Ruft ihn hierher.«

»Mylord Herzog,« sagte Ramorny, »es könnte unserm Plane gefährlich sein.«

»Zum Teufel mit Gefahr, deinem Plane und dir! – ich muß und will gegen Errol handeln, wie es uns Beiden gebührt.«

Der Graf trat auf des Prinzen Ruf herein.

»Ich bemühte Euch hieher, Mylord,« sagte Rothsay mit der würdevollen Artigkeit, die er so wohl anzunehmen verstand, »um Euch für Eure Gastfreundschaft und gute Gesellschaft zu danken. Ich kann mich derselben nicht länger erfreuen, weil mich dringende Angelegenheiten nach Falkland rufen.«

»Mylord,« sagte der Großconnetable, »ich hoffe, Eure Hoheit erinnert sich, daß Ihr in Haft seid.«

»Wie! – in Haft! Wenn ich ein Gefangener bin, redet deutlich, – wo nicht, so nehm' ich mir die Freiheit abzureisen.«

»Ich wünschte, Eure Hoheit erbäte Seiner Majestät Erlaubniß zu dieser Reise. Es wird großes Mißfallen erregen.«

»Meint Ihr, Mißfallen gegen Euch, Mylord, oder gegen mich?«

»Ich habe bereits gesagt, Eure Hoheit sei hier in Haft; seid Ihr aber entschlossen, sie zu brechen, so hab' ich keine Vollmacht – Gott verhüte das – Euch gegen Eure Neigung zu zwingen. Ich kann Eure Hoheit nur dringend bitten, um Eurer selbst willen –«

»Was meinen eigenen Vortheil anlangt, bin ich der beste Richter – guten Abend Euch, Mylord.«

Der leichtsinnige Prinz begab sich mit Dwining und Ramorny in's Boot, und da keine andere Dienerschaft vorhanden war, stieß Eviot das Fahrzeug ab, welches mit Hilfe von Segel, Ruder und Ebbe schnell den Tay hinabfuhr.

Eine Zeitlang erschien der Herzog von Rothsay schweigend und unmuthig, und seine Gefährten unterbrachen auch nicht seine Betrachtungen. Endlich erhob er sein Haupt und sagte: »Mein Vater liebt einen Scherz, und wenn Alles vorbei ist, wird er diesen Streich nicht ernster aufnehmen, als er's verdient – eine Jugendthorheit, die er betrachten wird, wie er andere betrachtete. – Dort, meine Herren, zeigt sich der alte Sitz von Kinfauns, über den Tay drohend empor ragend. Nun sag' mir, John Ramorny, wie hast du das schöne Mädchen von Perth aus den Händen jenes hartköpfigen Oberrichters bekommen können? Denn Errol theilte mir das Gerücht mit, sie sei unter seinem Schutze.«

»Das war sie allerdings, Mylord, in der Absicht, der Obhut der Herzogin übergeben zu werden, – ich meine der Lady Marjory von Douglas. Nun hat dieser stierköpfige Oberrichter, der jedenfalls nur ein plumpes Stück von Tapferkeit ist, wie die meisten seines Gleichen, einen Diener von einiger List und Schlauheit, den er bei allen Dingen braucht, und dessen Rathschläge er gewöhnlich als seine eigenen betrachtet. Will ich mich eines Landbarons bemächtigen, so wend' ich mich an solch' einen Vertrauten, der in gegenwärtigem Falle Kitt Henschaw heißt, ein alter Tayschiffer, welcher, nachdem er zu seiner Zeit bis Campvere gefahren, jetzt bei Sir Patrick Charteris die Achtung behauptet, die einem Manne gebührt, der ferne Länder gesehen hat. Diesen seinen Agenten hab' ich zum meinigen gemacht, und habe durch ihn verschiedene Entschuldigungen angebracht, um die Abreise Katharinens nach Falkland aufzuschieben.«

»Und in welcher guten Absicht?« »Ich weiß nicht, ob es klug ist, dies Eurer Hoheit zu sagen, da Ihr meine Absichten mißbilligen könntet – ich dachte, die Beamten der Commission für Erforschung ketzerischer Meinungen sollten das schöne Mädchen zu Kinfauns finden, und da unsere Schöne eine eigensinnige Abtrünnige von der Kirche ist, so schloß ich, daß der Ritter gewiß sein Theil an den Bußen und Confiscationen, die man verhängen wollte, haben werde. Die Mönche waren eifrig genug, an ihn zu kommen, weil sie häufig Streit mit ihm über den Salmenzehnten gehabt hatten.«

»Aber warum wolltest du des Ritters Vermögen zu Grunde richten und das schöne junge Weib vielleicht auf den Scheiterhaufen bringen?«

»Pah, Mylord Herzog! – Die Mönche verbrennen nie hübsche Mädchen. Eine alte Frau könnte in einiger Gefahr gewesen sein; und was den Lord Oberrichter betrifft, wie man ihn nennt, so wär' es eine Buße für die unnütze Beleidigung gewesen, die er mir in der St. Johnskirche anthat, wenn man ihm einige seiner fetten Aecker genommen hätte.«

»Mich dünkt, John, das wäre nur niedrige Rache,« sagte Rothsay.

»Beruhigt Euch, Mylord. Wer sich nicht Recht mit der Hand verschaffen kann, muß den Kopf brauchen. – Nun, diese Möglichkeit entschwand durch des hartköpfigen Douglas Erklärung zu Gunsten der zarten Gewissen; und dann, Mylord, fand der alte Henschaw weiter keinen Einwand gegen die Reise des schönen Mädchens von Perth nach Falkland, – nicht um die eigensinnige Gesellschaft der Lady Marjory zu theilen, wie Sir Patrick Charteris und sie selbst dachte, sondern um Eurer Hoheit die Langeweile zu vertreiben, wenn wir von der Jagd im Parke zurückkommen.«

Wieder entstand eine lange Pause, während welcher der Prinz in tiefes Sinnen versunken schien. Endlich sagte er: »Ramorny, ich habe ein Bedenken bei der Sache; aber wenn ich es dir nenne, wird der Teufel der Sophisterei, von dem du besessen bist, es mir ausreden, wie schon mit vielem Andern geschehen. Dies Mädchen ist, eines ausgenommen, das schönste von allen, die ich je sah oder kannte; und ich liebe sie um so mehr, weil sie einige Züge von – Elisabeth von Dunbar hat. Aber sie, ich meine Katharina Glover, ist verlobt, und soll jetzt mit Harry dem Waffenschmied verheirathet werden, einem Handwerksmann, unübertroffen in seiner Kunst, und einem Krieger, der noch nie besiegt ward. Diese Intrigue ausführen, hieße einem braven Manne zu viel Unrecht thun.«

»Eure Hoheit wird nicht erwarten, daß ich mich sehr um Harry Schmieds Vortheil kümmere,« sagte Ramorny, auf seinen verwundeten Arm sehend.

»Bei St. Andreas mit seinem Kreuz, dieses dein Mißgeschick wird mir zu sehr vorgerückt, John Ramorny! Andere begnügen sich, einen Finger in Jedermanns Schüssel zu stecken, aber du mußt die ganze blutige Hand hineinwerfen. Es ist geschehen und läßt sich nicht ändern – laß es vergessen sein.«

»Ei, Mylord, Ihr spielt häufiger darauf an, als ich,« antwortete der Ritter, – allerdings spottweise; während ich – aber ich kann von der Sache schweigen, wenn ich sie auch nicht vergessen kann.«

»Nun wohl, ich sage dir, daß ich eine Bedenklichkeit bei diesem Anschlag habe. Erinnerst du dich, als wir einmal zum Spaß hingingen, um Vater Clemens predigen zu hören oder vielmehr die schöne Ketzerin zu sehen, daß er rührend wie ein Minstrel vom reichen Manne sprach, der des armen Mannes einziges Lamm wegnahm?«

»Eine wichtige Sache in der That,« antwortete Sir John, »daß der älteste Sohn vom Weibe dieses Kerls den Prinzen von Schottland zum Vater haben sollte! Wie viele Grafen würden sich dies Loos für ihre schönen Gräfinnen wünschen! und wie Viele, die so gutes Glück gehabt haben, schlafen darum kein Haar schlechter!«

»Und dürft' ich mir anmaßen, zu sprechen,« sagte der Arzt, »so ertheilen die alten Gesetze Schottlands solch ein Recht jedem Lehnsherrn über seine weiblichen Unterthanen, obwohl Mangel an Feuer und Liebe zum Gelde es Viele für Gold hingeben ließ.«

»Ich brauche keine Gründe, daß ich freundlich gegen ein hübsches Weib sein soll; aber diese Katharina ist immer kalt gegen mich gewesen,« sagte der Prinz.

»Ei, Mylord,« sagte Ramorny, »wenn Ihr, jung, hübsch und ein Prinz, Euch nicht einem schönen Weibe angenehm zu machen wißt, so hab' ich nichts weiter zu sagen.«

»Und wär' es nicht eine allzugroße Kühnheit für mich, noch ein Mal zu reden,« sagte der Arzt, »so würde ich sagen, daß ganz Perth weiß, daß der Gow Chrom nie des Mädchens Wahl war, sondern ihr vom Vater aufgezwungen ward. Ich weiß ganz gewiß, daß sie ihn mehrmals zurückwies.«

»Nun, wenn du mich dessen versichern kannst, so ist es eine ganz andere Sache,« sagte Rothsay. »Vulkan war ein Schmied so gut wie Harry Wynd; er warb um Venus, und unsere Chroniken sagen uns, was dabei herauskam.«

»So möge Lady Venus lange leben und verehrt werden,« sagte Sir John Ramorny; »und glücklich sei der artige Ritter Mars, der geht, um ihre Göttlichkeit zu werben!«

Das Gespräch nahm für einige Minuten eine heitere und tändelnde Richtung; aber der Herzog von Rothsay ließ es bald fallen. »Ich habe,« sagte er, »die Luft des Gefängnisses dort zurückgelassen, und doch will mein Muth nicht aufleben. Ich fühle die matte, nicht unangenehme, aber doch melancholische Stimmung, die uns befällt, wenn uns Bewegung fehlt, oder Vergnügen übersättigt hat. Eine Musik, sich zum Ohr stehlend, nicht laut genug, um uns den Blick erheben zu lassen, wäre ein Götterfest.«

»Eure Hoheit braucht Ihre Wünsche nur auszusprechen, und die Nymphen im Tay werden so gefällig sein, wie die Schönen am Strande. – Horcht – das ist eine Laute.«

»Eine Laute!« sagte der Herzog von Rothsay lauschend; »so ist's, und mit seltner Kunst gespielt. Dieses Tonfalls sollt' ich mich erinnern. Lenkt das Boot dahin, woher die Musik tönt.«

»Es ist der alte Henschaw,« sagte Ramorny, »der stromauf fährt – heda, Schiffer!«

Der Bootsmann beantwortete den Gruß und legte sich an die Barke des Prinzen.

»Oho! meine alte Freundin!« sagte der Prinz, der Gestalt und Kleidung der französischen Sängerin Louise wieder erkannte. »Ich denke, ich bin dir Etwas schuldig, weil ich dir mindestens Schrecken verursachte am St. Valentinstag. Komm in dies Boot, sammt Laute, Hund, Gepäck und Allem – ich will dich in einer Dame Dienst bringen, die selbst deinen Hund mit Kapaun und Kanariensekt füttern wird.«

»Ich hoffe, Eure Hoheit wird bedenken – « sagte Ramorny.

»Ich will nichts als mein Vergnügen bedenken, John. Bitte, sei so gefällig und bedenke das ebenfalls.«

»Wollt Ihr mich fürwahr in einer Lady Dienst bringen?« sagte die Sängerin, »und wo wohnt sie?«

»Zu Falkland,« antwortete der Prinz.

»O, ich habe von der großen Lady gehört!« sagte Louise; »und wollt Ihr mich wirklich in den Dienst Eurer königlichen Gemahlin bringen?«

»Ich will's, bei meiner Ehre – sobald ich sie als solche anerkenne – merk' diesen Vorbehalt, John,« sagte er leise zu Ramorny.

Die Personen, die im Boote waren, hörten die Kunde, und da sie schlossen, es sei eine Aussöhnung zwischen dem königlichen Paar im Werke, ermahnten sie Louise, ihr Glück zu benutzen und in's Gefolge der Herzogin von Rothsay zu treten. Mehrere boten ihr eine Belohnung für die Ausübung ihres Talents.

Während dieses kurzen Aufenthalts flüsterte Ramorny Dwining zu: »Bring' einen Einwand zum Vorschein, Schuft. Diese Zugabe ist zu viel. Wecke deinen Witz, unterdessen will ich ein Wort mit Henschaw sprechen.«

»Dürft' ich mir anmaßen, zu sprechen,« sagte Dwining, »als Einer, der seine Studien in Arabien und Spanien gemacht hat, so würd' ich sagen, Mylord, daß sich die Seuche in Edinburg gezeigt hat, und daß es gewagt sein dürfte, wenn Ihr diese junge Fremde in Eurer Hoheit Nähe kommen ließt.«

»Ach! was geht es dich an,« sagte Rothsay, »ob ich mich lieber durch die Pest oder durch den Apotheker vergiften lassen will? Thut es auch dir Noth, meine Laune zu trüben?«

Während der Prinz so die Gegenreden Dwinings zum Schweigen brachte, hatte Sir John einen Augenblick gewonnen, um von Henschaw zu erfahren, daß die Entfernung der Herzogin von Rothsay aus Falkland immer noch tiefes Geheimniß sei, und daß Katharina Glover dort an diesem Abend oder am nächsten Morgen ankommen werde, in der Erwartung, unter der edlen Dame Schutz zu kommen.

Der Herzog von Rothsay, tief in Gedanken versunken, empfing diese Nachricht so kalt, daß Ramorny sich die Freiheit nahm, zu tadeln. »Dies, Mylord,« sagte er, »heißt das verzogene Kind des Glückes spielen. Ihr wünscht Freiheit – sie kommt. Ihr wünscht Schönheit – sie erwartet Euch, nur eben so viel zögernd, um das Gut um so köstlicher zu machen. Selbst Eure geringsten Wünsche scheinen dem Schicksal Gesetz zu sein; denn Ihr wünscht Musik, während sie am fernsten scheint, und Laute und Gesang sind Euch zur Hand. Diese Dinge, so gesendet, sollte man genießen, sonst gleichen wir nur eigensinnigen Kindern, die das Spielzeug von sich werfen, nach welchem sie sich krank geweint haben.«

»Um Vergnügen zu genießen, Ramorny,« sagte der Prinz, »muß man Schmerz empfunden haben, wie man fasten muß, um guten Appetit zu gewinnen. Wir, die wir Alles nach Wunsch haben können, genießen das wenig, was wir besitzen. Siehst du jene dichte Wolke, die im Begriff ist, sich in Regen aufzulösen? Sie scheint mir zu ersticken – das Wasser sieht dunkel und trübe – das Ufer scheint seine Schönheit verloren zu haben –«

»Mylord, verzeiht Eurem Diener,« sagte Ramorny. »Ihr gebt einer mächtigen Einbildungskraft nach, so wie ein ungeschickter Reiter einen feurigen Hengst sich bäumen läßt, bis er zurückfällt und den Herrn erdrückt. Ich bitt' Euch, schüttelt diese Schlaffheit von Euch. Soll die Sängerin ein wenig musiciren?«

»Sie mag's thun – aber es muß melancholisch sein, alles Lustige würde in diesem Augenblicke mein Ohr beleidigen.«

Das Mädchen sang ein trauriges normannisches Lied; die Worte, von denen Folgendes eine Nachahmung ist, wurden in einer ebenso schwermüthigen Weise gesungen.

Ja, seufze jetzt, – Noch ein Mal magst du ringsum schau'n


Auf Himmel, Land, auf Strom und Au'n;


Dein Leben schließt und Todesgrau'n


Naht dir zuletzt.

Ja, ruhe so,


Und da dein Puls noch zittert bang',


Stimm' an der Mönch der Messe Sang,


Dumpf schall' der Todtenglocke Klang –


Dein Leben floh.

Nichts, was dir droht! Es ist ein Schmerz, ein Beben dann,


Gluth, die in Kälte bald zerrann,


Ein Ende jeden Weh's sodann,


Denn du bist todt.

Der Prinz machte keine Bemerkung über die Musik, und das Mädchen setzte, auf Ramorny's Wink, von Zeit zu Zeit ihren Gesang fort, bis der Abend niedersank mit Regen, erst leis und sanft, endlich aber in Strömen und von einem kalten Winde begleitet. Der Prinz hatte weder Mantel noch Decke, und düster wies er den zurück, welchen ihm Ramorny bot.

»Es paßt nicht für Rothsay, Eure abgelegten Kleider zu tragen, Sir John; – diesem geschmolzenen Schnee, den ich nun bis auf's Mark dringen fühle, setzt' ich mich durch Eure Schuld aus. Warum unterstandet Ihr Euch, das Boot zu lösen, ohne meine Diener und Geräthschaften?«

Ramorny wagte keine Entschuldigung; denn er wußte, daß sich der Prinz in einer solchen Laune befand, wo es ihm angenehmer war, seine Beschwerden zu behaupten, als sich mit einer vernünftigen Entschuldigung zum Schweigen bringen zu lassen. In trübem Schweigen oder unter verhaltenem Aerger kamen sie bei dem Fischerdorf Newburgh an. Die Gesellschaft landete und fand Pferde bereit, die Ramorny längst für diese Gelegenheit in Bereitschaft gehalten hatte. Der Prinz spottete bitter über ihre Gestalt, und drückte diesen Spott bald in offenen Worten, bald in Seitenhieben gegen Ramorny aus. Endlich stiegen sie auf und ritten durch die finstere Nacht und den fallenden Regen, indeß der Prinz immer mit rastloser Eile voranjagte. Die Sängerin, die auf seinen ausdrücklichen Befehl gleichfalls ein Pferd bekommen hatte, begleitete sie und hielt, glücklicherweise an strengeres Wetter gewöhnt, die Anstrengungen des nächtlichen Rittes so fest wie die Männer aus. Ramorny war genöthigt, sich neben dem Prinzen zu halten, da er nicht wenig in Angst war, dieser möchte in seiner mürrischen Laune ganz von ihnen wegreiten, in das Schloß irgend eines ergebenen Barons fliehen und so der Schlinge entgehen, die sie ihm gelegt hatten. Er litt daher unaussprechlich während des Rittes, sowohl körperlich, wie im Innern.

Endlich nahm der Wald von Falkland sie auf, und ein Strahl des Mondes zeigte das düstere und hohe Schloß, ein Eigenthum der Krone, obwohl auf eine Zeitlang dem Herzog von Albany geschenkt. Auf ein Zeichen senkte sich die Zugbrücke. Fackeln strahlten im Hofe, Diener waren bereit, und der Prinz, dem man vom Pferde half, wurde in ein Gemach geführt, wo Ramorny und Dwining ihn bedienten, und baten, den Rath des Arztes anzunehmen. Der Herzog von Rothsay wies den Vorschlag zurück, befahl stolz, sein Bett zu bereiten, und nachdem er eine Zeitlang in seinen nassen Kleidern frierend bei einem großen Feuer gestanden, zog er sich in sein Gemach zurück, ohne von irgend Jemand Abschied zu nehmen.

»Ihr seht nun die eigensinnige Laune des kindischen Burschen,« sagte Ramorny zu Dwining; »könnt Ihr Euch wundern, wenn ein Diener, der so viel für ihn gethan hat, wie ich, eines solchen Herrn müde wird?«

»Nein, wahrhaftig,« sagte Dwining, »dies und die versprochene Grafschaft von Lindores würde Jedermanns Treue erschüttern. Aber was werden wir diesen Abend mit ihm beginnen? Er hat, wenn Wange und Auge wahr reden, den Grund des Fiebers in sich, was unser Werk leicht machen wird, während es eine Wirkung der Natur scheint.«

»Es ist eine Gelegenheit verloren,« sagte Ramorny; »aber wir müssen unsern Streich verzögern, bis er jene Schönheit, Katharina Glover, gesehen hat. Sie kann hernach bezeugen, daß sie ihn in völliger Gesundheit sah, kurz vorher, und Herr aller seiner Bewegungen – Ihr versteht mich?«

Dwining nickte bejahend und fügte hinzu:

»Es ist keine Zeit verloren, denn es macht wenig Schwierigkeit, eine Blume verwelken zu lassen, die erschöpft ist, weil sie zu früh erblühte.«

Einunddreißigstes Kapitel

Fürwahr, er war ein schamlos wilder Mann,


Ergeben schnöder Lust und Becherklang;


Nur wenig war's, was seine Gunst gewann;


Nur üpp'ge Dirnen, lock're Brüder dann,


Und wilde Zecher auch von hoh' und nieder'm Rang.


Byron.

Mit dem nächsten Morgen hatte sich die Laune des Herzogs von Rothsay verändert. Er beklagte sich allerdings über Schmerz und Fieber, aber dies schien ihn mehr anzuregen, als zu bewältigen. Er war freundlich gegen Ramorny, und obwohl er nichts von der Angelegenheit des vorigen Abends sagte, war es doch klar, daß er sich dessen erinnerte, was er aus dem Gedächtniß seiner Gefährten auszulöschen wünschte – der üblen Laune, die er da entfaltet hatte. Er war artig gegen Jeden, und scherzte mit Ramorny hinsichtlich der Ankunft Katharinens;

»Wie erstaunt wird die hübsche Spröde sein, sich in einem Haushalt von Männern zu befinden, während sie erwartete, unter die Hüte und Hauben der Kammerfrauen Lady Marjory's zu kommen. Du hast wohl wenig vom zarten Geschlecht in deinem Haushalt, Ramorny?«

»Meiner Treu, Keine außer der Sängerdirne und einer oder zwei unentbehrlichen Mägden. Beiläufig, sie fragt besorglich nach der Gebieterin, die Eure Hoheit ihr versprochen – soll ich sie entlassen, um mit Muße einer neuen Herrin nachzujagen?«

»Nicht doch, sie wird zu Katharinens Unterhaltung dienen. Und hört, wär' es nicht gut, das spröde Mädchen mit einiger Mummerei zu empfangen?«

»Wie meint Ihr das. Mylord?«

»Du begreifst schwer, Mensch – Wir wollen sie nicht enttäuschen, da sie die Herzogin von Rothsay zu finden hofft – Ich will Herzog und Herzogin in eigener Person sein.«

»Noch begreif' ich nicht.«

»Keiner ist dümmer als ein Witziger,« sagte der Prinz, »wenn er nicht gleich auf die Spur kommt. Meine sogenannte Herzogin ist in großer Eile von hier weggelaufen, als ich herangekommen bin. Wir haben beide unsere Kleider zurückgelassen. Es ist genug weiblicher Flitterstaat in der Kleiderkammer, die an mein Schlafgemach stößt, um damit einen ganzen Karneval zu versorgen. Seht, ich will die Lady Marjory spielen, mit einem Trauerschleier und einem Weidenkranz auf diesem Ruhebett liegend, um mich als Verlassene darzustellen; du, John, wirst für ihre Galwegische Ehrendame, die Gräfin Hermigild, starr und steif genug aussehen, und Dwining soll die alte Hekate, ihre Amme, vorstellen, nur hat sie mehr Bart auf der Oberlippe, als Dwining im ganzen Gesicht und auf dem Kopfe zusammengenommen. Er sollte den Vorzug eines Bartes haben, um sie gehörig zu spielen, Hole deine Küchenmägde und was du von erträglichen Pagen bei dir hast, um meine Kammerfrauen zu machen. Hörst du? – es muß gleich geschehen.«

Ramorny eilte in's Vorzimmer, um Dwining des Prinzen Plan zu melden.

»Sieh zu, wie du den Narren bei Laune erhältst,« sagte er; »mir liegt nichts dran, wie wenig ich ihn sehe, da ich weiß, was geschehen soll.«

»Vertraut Alles mir an,« sagte der Arzt, die Schulter emporziehend. »Was ist das für ein Schlächter, der des Lammes Kehle abschneiden kann, und sich fürchtet, sein Blöken zu hören?«

»Still, fürchte nichts für meine Beständigkeit. – Ich kann nicht vergessen, daß er mich so rücksichtslos in's Kloster gesteckt hätte, als wenn er den Schaft einer zerbrochenen Lanze wegwärfe. An's Werk – doch halt – bevor du diese thörichte Mummerei besorgst, muß Etwas geschehen, um den dickköpfigen Charteris zu täuschen. Wahrscheinlich wird er, im Glauben, die Herzogin von Rothsay sei noch hier mit Katharina Glover in ihrem Gefolge, mit Dienstanerbietungen daher kommen, und das zu einer Zeit, wo, wie ich dir nicht zu sagen brauche, seine Gegenwart unbequem wäre – fürwahr, dies ist um so wahrscheinlicher, da die Leute der großen und zarten Fürsorge für das Mädchen von Seiten des eisenköpfigen Ritters einen wärmern Namen geben.«

»Mit diesem Winke überlaßt mir's allein, gegen ihn zu wirken. Ich will ihm einen solchen Brief schicken, daß er für diesen Monat sich ebenso bereit zu einer Reise nach der Hölle, als nach Falkland halten wird. – Könnt Ihr mir den Namen des Beichtvaters der Herzogin sagen?«

»Waltheof, ein Kapuziner.«

»Genug – also an's Werk.«

Binnen wenigen Minuten, denn er war ein Schreiber von seltener Gewandtheit, vollendete Dwining einen Brief, den er Ramorny einhändigte.

»Dies ist vortrefflich, und würde dein Glück bei Rothsay gemacht haben – ich denke, ich hätte zu eifersüchtig sein sollen, um dich in seinen Dienst zu bringen, außer jetzt, da seine Tage sich schließen.«

»Les't es laut,« sagte Dwining, »damit wir urtheilen können, ob sich's gut ausnimmt.« Und Ramorny las wie folgt: – »Auf Befehl unserer hohen und mächtigen Prinzessin Marjory, Herzogin von Rothsay u.s.w., thun wir, Waltheos, unwürdiger Bruder des Ordens St. Franciscus, dir, Sir Patrick Charteris, Ritter von Kinfauns, zu wissen, daß sich Ihre Hoheit sehr über die Unbedachtsamkeit wundert, mit welcher Ihr derselben ein Weib geschickt habt, über deren Ruf sie nur bedenklich urtheilen kann, da sie sieht, daß dieselbe länger als eine Woche ohne alle Noth in deinem eigenen Schloß wohnte, ohne irgend andere weibliche Gesellschaft, als Mägde; von diesem schnöden Betragen hat sich das Gerücht schon durch Fife, Angus und Perthshire verbreitet. Trotzdem hat Ihre Hoheit in Betracht der menschlichen Schwachheit die Buhlerin nicht mit Nesseln peitschen oder sonst harte Buße thun lassen; sondern da zwei gute Brüder ans dem Kloster Lindores, die Väter Thickscull und Dundermore, durch besondern Befehl in's Hochland gerufen wurden, hat Ihre Hoheit das Mädchen deren Sorge übergeben, um sie zu ihrem Vater zu führen, der, wie sie hört, sich am Taysee aufhält, unter dessen Schutz sie eine für ihre Fähigkeiten und Gewohnheiten passendere Lage finden wird, als im Schloß Falkland, so lange Ihre Hoheit, die Herzogin von Rothsay, darin wohnt. Sie hat den besagten ehrwürdigen Brüdern aufgetragen, das Mädchen so zu behandeln, daß sie zur Erkenntniß der Sünde der Unenthaltsamkeit komme, und sie empfiehlt dir Beichte und Buße. – Unterzeichnet: Waltheof, auf Befehl einer hohen und mächtigen Prinzessin,« u.s.w.

Als er geendet hatte, rief Ramorny: »Trefflich, trefflich! Dieser unerwartete Tadel wird Charteris toll machen! Er hat dieser Lady lange eine Art Huldigung bewiesen, und sich nun der Unenthaltsamkeit verdächtig zu finden, während er das volle Lob einer barmherzigen That erwartete, wird ihn ganz verwirren. Und, wie du sagst, es wird lange dauern, eh' er hierher kommt, nach der Dirne zu sehen, oder der Dame aufzuwarten. – Aber fort zu deiner Mummerei, während ich das bereite, was der Mummerei für immer ein Ende machen soll.«

Es war eine Stunde vor Mittag, als Katharina, begleitet vom alten Hendschaw und einem Reitknecht des Ritters von Kinfauns, vor dem Schloß Falkland anlangte. Das große Banner, welches herniederwehte, trug das Wappen Rothsay's, alle Diener, die erschienen, trugen die Hausfarben des Prinzen, Alles den allgemeinen Glauben bestärkend, daß die Herzogin noch dort wohne. Katharinens Herz schlug, denn sie hatte gehört, die Herzogin habe so gut den Stolz, als den hohen Muth des Hauses Douglas, und sie war ungewiß über die Art ihrer Aufnahme. Beim Eintritt in's Schloß bemerkte sie, daß die Dienerschaft minder zahlreich war, als sie erwartet hatte, aber da die Herzogin ganz zurückgezogen lebte, ward sie dadurch wenig befremdet. In einer Art Vorzimmer begegnete ihr ein kleines altes Weib, die vom Alter tiefgebeugt schien und sich auf einen Ebenholzstab stützte.

»Gewißlich bist du willkommen, liebe Tochter,« sagte sie, Katharina begrüßend, »und, wie ich wohl sagen kann, in einem betrübten Hause; und ich hoffe (dabei grüßte sie noch ein Mal), du wirst meiner edeln und königlichen Tochter, der Herzogin, ein Trost sein. Setz' dich, mein Kind, bis ich gesehen habe, ob Mylady Zeit hat, dich zu empfangen. Ach, mein Kind, du bist sehr schön, in der That, wenn dir nur unsere Frau ein Herz gegeben hat, das einem so schönen Leibe gleichkommt.«

Damit kroch die nachgemachte Alte in's nächste Zimmer, wo sie Rothsay in dem herbeigeschafften Maskenstaat fand, so wie Ramorny, der keinen Theil an der Mummerei genommen, in seinem gewöhnlichen Anzuge.

»Du bist ein köstlicher Schuft, Sir Doctor,« jagte der Prinz; »bei meiner Ehre, ich glaube, du könntest in deinem Herzen Lust haben, das ganze Spiel, Liebhaberrolle und Alles, selber durchzuspielen.«

»Wär' es auch nur, um Eurer Hoheit die Mühe zu sparen,« sagte der Arzt, mit seinem gewöhnlichen unterdrückten Lachen.

»Nein, nein,« sagte Rothsay, »ich werde nie deine Hilfe brauchen, Mann – und sage mir nun, wie seh' ich aus, so auf dem Kissen ruhend – schmachtend und damenartig, nicht?«

»Etwas zu schön von Farbe und von zu sanften Zügen für die Lady Marjory von Douglas, wenn ich mich unterfangen darf, das zu sagen,« sagte der Apotheker.

»Fort, Schuft, und führe das schöne Eisstück ein – fürchte nicht, daß sie sich über meine Weiblichkeit beklagen soll – und du, Ramorny, geh' ebenfalls.«

Als der Ritter das Zimmer durch die eine Thür verließ, führte das nachgeahmte alte Weib Katharina Glover durch die andere herein. Das Zimmer war sorgfältig in Zwielicht gehüllt, so daß Katharina ohne den mindesten Argwohn die anscheinend weibliche Gestalt auf dem Bette liegen sah.

»Ist es das Mädchen?« fragte Rothsay mit einer natürlich zarten Stimme, die er nun sorgfältig nur flüsternd hören ließ. – Laß sie näher treten, Griselda, und unsere Hand küssen.«

Die vermeinte Amme führte das zitternde Mädchen zur Seite des Bettes und ließ sie niederknieen. Katharina that dies und küßte mit vieler Demuth und Einfalt die behandschuhte Hand, welche die falsche Herzogin ihr entgegenhielt.

»Fürchte dich nicht,« sagte dieselbe musikalische Stimme; »in mir siehst du nur ein trauriges Beispiel der Eitelkeit menschlicher Größe – glücklich diejenigen, mein Kind, deren Stand sie unter die Stürme des Staates stellt.«

Während er so sprach, legte er die Arme um Katharinens Nacken und zog sie gegen sich, als wollte er sie zum Zeichen des Willkommens küssen. Aber der Kuß ward mit einem Eifer gegeben, der so sehr die Rolle der schönen Besitzerin überschritt, daß Katharina, in der Meinung, die Herzogin sei von Sinnen, laut aufschrie.

»Still, Närrin! ich bin es – David von Rothsay.«

Katharina sah umher – die Amme war gegangen, und indem der Herzog den Schleier abriß, sah sie sich in der Gewalt eines kühnen jungen Wüstlings.

»Nun sei Gott mit mir!« sagte sie; »und er wird es, wenn ich mich nicht selbst verlasse!«

Als dieser Entschluß in ihrer Seele erwachte, unterdrückte sie ihre Neigung zu schreien, und bemühte sich, so viel als möglich ihre Furcht zu verbergen.

»Der Scherz ist ausgespielt,« sagte sie mit so viel Festigkeit, als sie annehmen konnte; »darf ich bitten, daß Eure Hoheit mich nun loslassen?« denn noch immer hielt er ihren Arm.

»Nein, meine hübsche Gefangene, wehre dich nicht – Warum dich fürchten?«

»Ich wehre mich nicht, Mylord. Da es Euch beliebt, mich zu halten, so will ich Euch durch Widerstand nicht reizen, mich übel zu behandeln und Euch selbst Qual zu bereiten, sobald Euch Zeit zum Ueberlegen wird.«

»Warum, Verrätherin, hast du mich Monate lang gefangen gehalten,« sagte der Prinz; »und du willst dich von mir nicht einen Augenblick halten lassen?«

»Dies wäre Artigkeit, Mylord, geschäh' es in den Straßen von Perth, wo ich zuhören oder entfliehen könnte, nachdem ich gehört – hier ist es Tyrannei.«

»Und wenn ich dich gehen ließe, wohin willst du fliehen?« sagte Rothsay. »Die Brücken sind empor – die Fallgitter nieder – und meine Leute sind außerordentlich taub gegen die Klagen eines eigensinnigen Mädchens. Sei daher freundlich, und du sollst wissen, was es heißt, einem Prinzen gefällig sein.«

»Also laßt mich los, Herr, und hört, wie ich von Euch an Euch selbst appellire – von Rothsay an den Prinzen von Schottland. – Ich bin die Tochter eines niedern, aber ehrlichen Bürgers. Ich bin, wie ich fast sagen kann, die Gattin eines braven und wackern Mannes. Wenn ich Eurer Hoheit irgend eine Aufmunterung dazu, was Ihr gethan habt, gab, so ist es ohne Absicht geschehen. So gewarnt, bitte ich Euch, Eure Gewalt über mich zu vergessen, und mich abziehen zu lassen. Eure Hoheit kann nichts von mir erlangen, außer durch Mittel, die ebenso unwürdig des Ritters wie des Mannes wären.«

»Ihr seid kühn, Katharina,« sagte der Prinz; »aber weder als Ritter noch als Mann kann ich vermeiden, eine Ausforderung anzunehmen. Ich muß Euch lehren, wie gefährlich solche Ausforderungen sind.«

Während er so sprach, versuchte er seine Arme wieder um sie zu legen; aber sie entwand sich der Umarmung und fuhr im nämlichen Tone fester Entschiedenheit fort:

»Meine Kraft, Mylord, ist eben so groß, um mich in einem ehrenhaften Streite zu vertheidigen, als die Eurige sein kann, um mich in höchst unehrenhafter Absicht anzugreifen. Beschämt nicht Euch und mich, indem ihr es zum Kampfe kommen laßt. Ihr könnt mich durch Schläge betäuben oder Beistand rufen, um mich zu überwältigen; außerdem aber werdet Ihr Euern Zweck verfehlen.«

»Zu welchem Barbaren willst du mich machen?« sagte der Prinz. »Die Gewalt, die ich brauchen möchte, ist keine andere, als welche Frauen entschuldigt, wenn sie ihrer Schwachheit nachgeben.«

Er setzte sich in einiger Aufregung nieder.

»Dann bewahrt sie,« sagte Katharina, »für jene Frauen, die solch' eine Entschuldigung wünschen. Mein Widerstand ist der des entschlossensten Muthes, welcher je durch Ehrliebe und Furcht vor Schande eingeflößt ward. Ach, Mylord, könnt' es Euch gelingen, so würdet Ihr nur jedes Band zwischen mir und dem Leben zerreißen – zwischen Euch selbst und der Ehre. Ich wurde falsch hieher gelockt, durch welche List, weiß ich nicht; aber müßte ich entehrt von hier weggehen, so wär' es, um jedem Lande in Europa den Zerstörer meines Glückes anzuzeigen. Ich nähme den Wanderstab in die Hand, und wo nur die Ritterlichkeit geehrt würde, oder Schottlands Name gehört worden wäre, da würde ich den Erben von hundert Königen, den Sohn des gütigen Robert Stewart, den Nachkommen des Helden Bruce – einen falschen, treulosen Mann nennen, unwerth der Krone, die ihn erwartet, und der Sporen, die er trägt. Jede Dame im weiten Europa hielt' Euren Namen für zu schlecht für ihren Mund – jeder würdige Ritter hielt' Euch für einen verworfenen Elenden, der dem ersten Waffengelübde, dem Schutze der Frauen und der Vertheidigung des Schwachen, treulos geworden.«

Rothsay nahm seinen Sitz wieder ein und betrachtete sie mit einer Miene, worin Unwillen mit Bewunderung gemischt war. »Ihr vergeßt, zu wem Ihr sprecht, Mädchen. Wißt, die Auszeichnung, die ich Euch erwies, ist eine, wofür sich Hunderte, deren Schleppe Ihr zu tragen geboren seid, sich dankbar fühlen würden.«

»Noch einmal, Mylord,« begann Katharina wieder, »behaltet solche Gunst für Jene, welche sie schätzen, oder vielmehr bewahrt Eure Zeit und Gesundheit für andere und edlere Bestrebungen, – für die Vertheidigung Eures Vaterlandes und das Glück Eurer Unterthanen. Ach, Mylord! wie gern möchte ein jauchzendes Volk Euch zu seinem Oberherrn annehmen! – Wie freudig würden sie Euch umringen, zeigtet Ihr ihnen den Wunsch, sie zu führen gegen die Unterdrückung der Mächtigen, die Gewaltthat der Gesetzlosen und die Tyrannei der Heuchler.«

Der Herzog von Rothsay, dessen tugendhafte Gefühle eben so leicht erregt wurden, als sie schwanden, war gerührt durch die Begeisterung, mit welcher sie sprach. »Verzeih' mir, wenn ich dich beunruhigte, Mädchen,« sagte er; »du bist zu edelsinnig, um das Spielwerk flüchtiger Lust zu sein, wozu dich mein Irrthum bestimmte; und ich hätte Euch, wäre auch Eure Geburt Eures edlen Geistes und Eurer großen Schönheit würdig, ich hätte Euch kein Herz zu geben; und nur Huldigung des Herzens darf um ein Mädchen werben, wie du bist. Aber meine Hoffnungen sind verwelkt, Katharina – das einzige Mädchen, das ich liebte, wurde mir durch den Willen der Staatskunst entrissen und mir ein Weib aufgedrungen, die ich immer verabscheuen müßte, und besäße sie selbst die milde Sanftmuth, die allein ein Weib in meinen Augen liebenswürdig macht. Auch meine Gesundheit schwindet in der Jugend hin, und Alles, was mir übrig bleibt, ist, so viel Blumen zu pflücken, als ich auf meinem kurzen Wege zum Grabe erlangen kann. Sieh meine schwindsüchtige Wange – fühle, wenn du willst, meinen unterbrochenen Pulsschlag, und bemitleide und entschuldige mich, wenn ich, dessen Rechte als Fürst und Mensch man geraubt und mit Füßen getreten hat, oft gleichgiltig gegen die Rechte Anderer bin, und dem selbstsüchtigen Verlangen nachgebe, dem Wunsche eines flüchtigen Augenblicks zu genügen.«

»O, Mylord!« rief Katharina mit der Begeisterung, welche ihrem Charakter eigen war – »ich bitte Euch, mein theurer Herr – denn theuer muß der Erbe Bruce's jedem Kinde Schottlands sein – laßt mich Euch nicht solche Worte sprechen hören! Euer ruhmwürdiger Ahn trug Verbannung, Verfolgung, die Nacht des Hungers und den Tag des ungleichen Kampfes, um sein Vaterland zu befreien – übt die nämliche Selbstverläugnung, um Euch selbst frei zu machen. Entreißt Euch denen, die ihren Weg zur Größe durch Nährung Eurer Laster gebahnt finden. Mißtraut dem finstern Ramorny! Ihr kennt ihn nicht, das weiß ich! – Ihr könnt ihn nicht kennen. Aber der Elende, der die Tochter auf die Bahn der Schande drängen will, indem er das Leben des alten Vaters bedroht, ist alles Schlechten fähig – Alles fähig, was verräterisch ist!«

»That Ramorny dies?« sagte der Prinz.

»Er that es allerdings, Mylord, und er wagt nicht, es zu läugnen.«

»Es soll untersucht werden,« antwortete der Herzog von Rothsay; »ich habe aufgehört, ihn zu lieben; aber er hat meinetwillen viel gelitten, und ich muß sehen, daß seine Dienste ehrenvoll belohnt werden.«

»Seine Dienste! O, Mylord, wenn Chroniken wahr sprechen, so legten solche Dienste Troja in Trümmer und gaben Spanien den Ungläubigen in die Hände.«

»Still, Mädchen; sprich mit Mäßigung, ich bitte dich,« sagte der Prinz, aufstehend; »unser Gespräch endigt hier.«

»Noch ein Wort, Mylord, Herzog von Rothsay,« sagte Katharina mit Lebhaftigkeit, während ihr schönes Gesicht dem eines warnenden Engels glich – »ich kann nicht sagen, was mich antreibt, so kühn zu sprechen, aber das Feuer brennt in mir und will herausbrechen. Verlaßt dies Schloß ohne eine Stunde zu zögern! Die Luft ist ungesund für Euch. Entlaßt diesen Ramorny, bevor der Tag zehn Minuten älter ist! Seine Gesellschaft ist höchst gefährlich.«

»Welchen Grund habt Ihr, dies zu sagen?«

»Keinen besonderen,« sagte Katharina, über ihren eigenen Eifer betroffen, – »keinen vielleicht, außer meine Besorgniß für Eure Sicherheit.«

»Auf leere Besorgniß darf der Erbe von Bruce nicht achten. Wie, heda! wer wartet draußen?«

Ramorny trat ein und verbeugte sich tief vor dem Herzog und dem Mädchen, die er wahrscheinlich zur Stelle einer Lieblingssultanin bestimmt glaubte, und folglich zu höflicher Aufwartung berechtigt.«

»Ramorny,« sagte der Prinz, »ist unter der Dienerschaft irgend eine anständige Frau, welche tauglich ist, dieser Jungfrau aufzuwarten, bis wir sie hinsenden können, wohin sie zu gehen wünscht?«

»Ich fürchte,« antwortete Ramorny, »wenn es Eurer Hoheit nicht mißfällt, die Wahrheit zu hören, daß Euer Haushalt in dieser Hinsicht schlecht versehen ist; und um die Wahrheit zu sagen, die Sängerin ist die Anständigste unter uns.«

»Also laßt sie diesem jungen Mädchen aufwarten, da keine Bessere vorhanden ist. – Habe Geduld, Mädchen, auf einige Stunden.«

Katharina entfernte sich.

»Wie, Mylord, – scheidet Ihr so bald von dem schönen Mädchen von Perth? Das ist, in der That, der Uebermuth des Sieges.«

»Hier ist weder von Sieg noch von Niederlage die Rede,« erwiderte der Prinz trocken. »Das Mädchen liebt mich nicht; auch liebe ich sie nicht genug, um mich hinsichtlich ihrer Bedenklichkeiten zu quälen.«

»Der keusche jungfräuliche Malcolm lebt in einem seiner Nachkommen wieder auf!« sagte Ramorny.

»Begünstigt mich, Sir, mit einem Stillstand Eures Witzes, oder mit einem andern Gegenstand für denselben. Es ist Mittag, glaub' ich, und Ihr werdet mich verbinden, wenn Ihr die Mahlzeit auftragen laßt.«

Ramorny verließ das Zimmer, aber Rothsay glaubte ein Lächeln auf seinem Gesichte zu entdecken, und der Gegenstand für den Spott dieses Mannes zu sein, machte ihm nicht geringe Pein. Er rief indeß den Ritter zu seiner Tafel und erwies selbst Dwining dieselbe Ehre. Die Unterhaltung war lebendigen und muntern Charakters, ein Ton, den der Prinz förderte, als wollte er dadurch seine sittliche Strenge an diesem Morgen gut machen, die Ramorny, welcher in alten Geschichten belesen war, die Kühnheit hatte, mit der Enthaltsamkeit Scipio's zu vergleichen.

Die Mahlzeit wurde, trotz des Herzogs schwankender Gesundheit, übermüthiger Weise weit über die Grenzen der Mäßigung hinausgezogen; und, geschah es nun blos wegen der Stärke des Weines, den er trank, oder wegen seiner schwachen Constitution, oder auch, was am wahrscheinlichsten ist, weil der letzte Wein, den er genoß, von Dwining eine Beimischung erhielt, kurz, der Prinz fiel zuletzt in einen tiefen Schlaf, aus dem ihn zu wecken unmöglich schien. Sir John Ramorny und Dwining trugen ihn in sein Gemach, ohne fremde Hilfe, außer von einer dritten Person, die wir später nennen werden.

Am nächsten Morgen ward verkündigt, der Prinz sei von einer ansteckenden Krankheit ergriffen, und um zu verhüten, daß sich dieselbe unter die Dienerschaft verbreite, ward Niemandem gestattet, ihm aufzuwarten, außer seinem ehemaligen Stallmeister, dem Arzt Dwining und dem bereits erwähnten Diener; Einer von ihnen schien stets in dem Zimmer zu bleiben, während die Andern eine gewisse Vorsicht hinsichtlich ihrer Gespräche mit den übrigen Hausgenossen beobachteten, und zwar so streng, daß sie den Glauben aufrecht hielten, er liege gefährlich an einer ansteckenden Krankheit darnieder.

Zweiunddreißigstes Kapitel

In langen Winternächten sitz' am Feuer


Mit guten alten Leuten, und laß dir erzählen


Von längst entschwundner, jammervoller Zeit;


Und eh' du gute Nacht sagst, zur Vergeltung


Erzähl' du ihnen mein betrübtes Ende.


König Richard II. Akt V. Scene l.

Sehr anders aber war das Schicksal des irregeleiteten Erben von Schottland gewesen, als man es in der Stadt Falkland ausstreute. Sein ehrgeiziger Oheim hatte seinen Tod beschlossen, als einziges Mittel zur Beseitigung der ersten und furchtbarsten Schranke zwischen seiner eigenen Familie und dem Throne. James, der jüngere Sohn des Königs, war nur ein Knabe, der mit mehr Muße leicht beseitigt werden konnte. Ramorny's Aussichten aus größere Macht und die Rachlust, die er seit Kurzem gegen seinen Gebieter nährte, machten ihn zum bereitwilligen Werkzeug für Rothsay's Untergang. Dwining leitete dabei seine Habsucht und natürliche Bosheit. Man beschloß mit der berechnendsten Grausamkeit, alle Mittel zu vermeiden, die Zeichen gewaltsamen Todes hinterlassen würden, und das Leben durch Entziehung jedes Heilmittels für einen schwachen und angegriffenen Körper von selber erlöschen zu lassen. Der Prinz von Schottland sollte nicht ermordet werden, wie Ramorny sich bei einer andern Gelegenheit ausgedrückt hatte, – er sollte nur aufhören zu leben.

Rothsay's Schlafgemach im Schlosse Falkland war zur Ausführung eines so schrecklichen Planes wohlgeeignet. Eine kleine schmale Treppe, deren Vorhandensein man kaum gewahrte, und die eine Fallthüre im Zimmer schloß, führte durch einen Gang in die unterirdischen Kerker des Schlosses, durch welchen der Schloßherr insgeheim und verkleidet die Bewohner dieser furchtbaren Region besuchen konnte. Auf dieser Treppe brachten die Verruchten den besinnungslosen Prinzen in den tiefsten Kerker des Schlosses, so weit in den Eingeweiden der Erde, daß kein Geschrei und Stöhnen vernommen werden konnte, während die Stärke der Thüren und der Schlösser, auch wenn der Eingang entdeckt worden wäre, lange Zeit der Gewalt getrotzt hätte. Bonthron, der nur zu diesem Zwecke vom Galgen gerettet wurde, war das thätige Werkzeug der unmenschlichen Grausamkeit Ramorny's gegen seinen verführten und verrathenen Herrn.

Dieser Elende besuchte den Kerker zu der Zeit, als des Prinzen Lethargie zu weichen begann und als er, zur Besinnung erwachend, tödtliche Kälte empfand, unfähig sich zu regen und belastet mit Ketten, die ihm kaum gestatteten, sich auf dem feuchten Stroh zu erheben, auf welches er gelegt war. Sein erster Gedanke war, er sei in einem fürchterlichen Traume – sein nächster ließ ihn die Wahrheit dunkel ahnen. Er rief, lärmte, schrie endlich wie rasend – aber keine Hilfe kam und nur das Kerkergewölbe antwortete. Das Werkzeug der Hölle hörte dieses Schreien der Verzweiflung und berechnete es kalt gegen die Vorwürfe und den Hohn, womit Rothsay seine ahnungsvolle Abneigung gegen ihn ausgedrückt hatte. Als der unglückliche Jüngling erschöpft und hoffnungslos schwieg, beschloß der Grausame, sich seinem Gefangenen zu zeigen. Die Schlösser rasselten und der Riegel fiel; der Prinz stand auf, so weit es seine Ketten erlaubten – ein rother Lichtstrahl, gegen den er die Augen schloß, strömte durch's Gewölbe, und als er sie wieder öffnete, sah er die scheußliche Gestalt eines Mannes, den er für todt halten mußte. Er sank voll Entsetzen zurück. »Ich bin verurtheilt und verdammt!« rief er; »und der abscheulichste Teufel in den höllischen Regionen ist gesendet, mich zu quälen!«

»Ich lebe, Mylord,« sagte Bonthron; »und damit Ihr leben und Euch des Lebens freuen mögt, so gefall' es Euch, aufzustehen und Eure Lebensmittel zu essen.«

»Befreie mich von diesen Eisen,« sagte der Prinz, – »erlöse mich aus diesem Kerker, – und, ein Hund wie du bist, sollst du der reichste Mann in Schottland sein.«

»Gäbt Ihr mir das Gewicht Eurer Ketten in Gold,« sagte Bonthron, »ich möchte doch lieber das Eisen an Euch sehen, als selber den Schatz haben! – Aber blickt auf – Ihr wart gewohnt, ein gutes Mahl zu lieben – seht, wie ich für Euch gesorgt habe.« Der Elende entfaltete mit teuflischer Freude ein Stück rohen Felles, worein das Bündel, das er unterm Arme trug, gewickelt war, und indem er das Licht darüber hin und her bewegte, zeigte er dem unglücklichen Prinzen einen frisch vom Rumpfe gehauenen Stierkopf, was in Schottland als sicheres Zeichen des Todes bekannt war. Er legte ihn zu Füßen des Bettes oder vielmehr der Streu, worauf der Prinz lag. »Seid mäßig in Eurer Nahrung,« sagte er; »es wird wahrscheinlich lange dauern, eh' Ihr ein anderes Gericht bekommt.«

»Sage mir nur eins, Elender,« sagte der Prinz. »Weiß Ramorny um diesen Streich?«

»Wie wärest du sonst hieher gelockt worden? Arme Schnepfe, du bist gefangen!« antwortete der Mörder.

Mit diesen Worten schloß sich die Thür, die Riegel hallten und der unglückliche Prinz blieb in Finsterniß, Einsamkeit und Elend. »O mein Vater! – mein prophetischer Vater! – Der Stab, auf dem ich lehnte, hat sich in der That als Speer erwiesen!« – Wir wollen bei den folgenden Stunden, ja Tagen voll leiblichem Schmerz und Seelenverzweiflung nicht weilen.

Aber es war nicht der Wille des Himmels, daß ein so großes Verbrechen ungestraft verübt werden sollte.

Katharina Glover und die Sängerin, vernachlässigt von den anderen Hausgenossen, welche mit den Nachrichten von des Prinzen Krankheit beschäftigt schienen, durften indeß das Schloß nicht eher verlassen, als bis man sehen würde, wie diese schreckliche Krankheit sich ende, und ob sie wirklich ansteckend sei. Zur Gesellschaft beiderseitig gezwungen, wurden die Mädchen einander Gefährtinnen, wo nicht Freundinnen, und die Verbindung wurde noch etwas enger, als Katharina fand, daß es dieselbe Sängerin war, derentwillen Harry Wynd bei ihr in Ungnade fiel. Sie vernahm nun seine gänzliche Unschuld und hörte begeistert das Lob, womit Louise ihren tapfern Beschützer überhäufte. Auf der andern Seite verweilte die Sängerin, welche Katharina's höhern Stand und Charakter wohl anerkannte, gern bei einem Gegenstande, der ihr zu gefallen schien, und zeigte ihre Dankbarkeit gegen den tapfern Schmied in der Wiederholung des kleinen Liedes: »Du, kühn, voll Muth,« welches lange ein Lieblingslied in Schottland war.

Du, kühn, voll Muth,


Mit blauem Hut,


In dem nie Lüg' und Furcht geruht!


Deß Herzen stets sein Wort war werth,

Deß Hand getreu war seinem Schwert –


Durchsuch' Europa fern und nah,


Der Blauhut ist bei mir nur da!


Ich sah wohl Deutschlands muth'ge Schaar –

Sah Frankreichs tapfre Ritter zwar,


Bei Schwert und Lanze groß, fürwahr!


Ich sah wohl Englands tapfern Sohn

Und seiner braunen Streitaxt Droh'n.


Ob Frankreich schön und England frei:


Der Blauhut wohnt doch mir nur bei!

Kurz, obwohl Louisens verrufene Beschäftigung unter anderen Umständen für Katharina ein Hinderniß gewesen wäre, freiwillig ihre Gesellschaft zu theilen, so fand sie in ihr doch, bei ihrem gezwungenen Zusammensein, eine bescheidene und gefällige Gefährtin.

Sie verlebten auf diese Weise vier oder fünf Tage, und um so viel als möglich das Angaffen oder auch wohl die Unarten der Diener zu vermeiden, bereiteten sie sich ihre Nahrung auf ihrem Zimmer. Wenn es durchaus nöthig war, mit den Leuten zu verkehren, so übernahm Louise, die sich mehr zu helfen wußte, aus Gewohnheit und um Katharinen zu gefallen, das Geschäft, vom Küchenmeister das Nöthige zu ihrem kleinen Mahl zu holen und mit der Geschicklichkeit ihrer Heimath zu bereiten.

Die Sängerin war in dieser Absicht am sechsten Tage ein wenig vor Mittag weggegangen, und das Verlangen nach frischer Luft, die Hoffnung, etwas Salat oder Küchenkraut, oder doch einige zeitige Blumen zu finden, um damit ihren Tisch zu schmücken, hatte sie in den Schloßgarten gelockt. Sie trat wieder in's Gemach, bleich wie Asche und gleich Espenlaub zitternd. Ihr Schrecken ging sogleich auf Katharinen über, die kaum Worte fand, zu fragen, welch' neues Unglück sich ereignet habe.

»Ist der Herzog von Rothsay todt?«

»Schlimmer! Sie lassen ihn lebendig verhungern!«

»Du bist wahnsinnig, Mädchen!«

»Nein, nein, nein!« sagte Louise, außer Athem, und ihre Worte so schnell hervorbringend, daß Katharina sie kaum verstehen konnte. »Ich suchte nach Blumen, weil Ihr gestern sagtet, Ihr liebtet sie – mein armer kleiner Hund, der sich in ein Gebüsch von Eiben und Hollunder drängte, das aus einigen alten Ruinen nahe bei der Schloßmauer wuchs, kam winselnd und heulend zurück – ich schlich mich hin, um zu sehen, was der Grund sei, und o! ich hörte das Stöhnen eines im Todeskampfe begriffenen Menschen, aber so schwach, daß es aus der Tiefe der Erde selbst herauszukommen schien. Endlich merkte ich, daß es aus einer kleinen Mauerspalte hervorkam, und als ich das Ohr dicht an die Oeffnung legte, hört' ich deutlich des Prinzen Stimme sagen: >Es kann nun nicht lange dauern;< und dann versank er in Etwas, wie ein Gebet.«

»Gnädiger Himmel! – spracht Ihr zu ihm?«

»Ich sagte: Seid Ihr's, Mylord? und die Antwort war: >Wer verhöhnt mich mit dem Titel?< – Ich fragte ihn, ob ich ihm helfen könnte, und er antwortete mit einer Stimme, die ich nimmer vergesse: >Nahrung! – Nahrung! – ich sterbe vor Hunger!< – Es kam ich hieher, es Euch zu erzählen. – Was kann geschehen? Sollen wir Lärm im Hause machen?«

»Ach! das hieße ihn wahrscheinlicher verderben, als ihm helfen,« sagte Katharina.

»Und was sollen wir dann thun?« sagte Louise.

»Ich weiß noch nicht,« antwortete Katharina, entschlossen und kühn bei plötzlichen Vorfällen, obwohl sie ihrer Gefährtin bei gewöhnlichen Gelegenheiten an Erfindungsgabe nachstand. »Ich weiß noch nicht – aber Etwas wollen wir thun – das Blut der Bruce soll nicht hilflos sterben.«

So sagend ergriff sie die kleine Schüssel, die ihre Suppe enthielt und das Fleisch, womit sie bereitet war, steckte einige dünne Kuchen, die sie gebacken hatte, in die Falten ihres Mantels, und indem sie ihrer Gefährtin winkte, mit einem Gefäß voll Milch, ebenfalls einem Theile ihrer Mahlzeit, zu folgen, eilte sie nach dem Garten.

»So, will unsre schöne Vestalin fortgehen?« sagte der einzige Mann, dem sie begegnete, und der einer von den Dienern war; Katharina aber ging ohne Blick und Antwort vorüber und erreichte den kleinen Garten ohne fernere Störung.

Louise zeigte ihr einen Trümmerhaufen, der, mit Gebüsch bedeckt, dicht an der Schloßmauer lag. Wahrscheinlich war es ursprünglich ein Vorsprung des Gebäudes gewesen, und der enge Spalt, der mit dem Kerker in Verbindung stand, um Lust zuzuführen, hatte sich darin geendet. Aber die Oeffnung war durch den Verfall etwas erweitert und ließ einen trüben Lichtstrahl hinab, obwohl derselbe nicht von denen bemerkt werden konnte, die den Ort mit Fackellicht besuchten.

»Hier herrscht Todtenstille,« sagte Katharina, nachdem sie aufmerksam einen Augenblick gelauscht hatte. – »Himmel und Erde, er ist dahin!«

»Wir müssen Etwas wagen,« sagte ihre Gefährtin, und ließ die Finger über die Saiten ihrer Laute laufen.

Ein Seufzer war die einzige Antwort aus der Tiefe des Kerkers. Darauf wagte Katharina zu sprechen. »Ich bin hier, Mylord – ich bin hier, mit Nahrung und Getränk.«

»Ha, Ramorny? – der Scherz kommt zu spät – ich sterbe,« war die Antwort.

»Sein Hirn ist verwirrt, und kein Wunder,« dachte Katharina; »aber so lange Leben da ist, kann auch Hoffnung sein.«

»Ich bin's, Mylord, Katharina Glover – ich habe Nahrung, wenn ich sie sicher zu Euch bringen könnte.«

»Der Himmel segne dich, Mädchen! ich dachte, die Qual sei vorüber, aber es glüht wieder in mir bei dem Worte Nahrung.«

»Die Nahrung ist hier, aber wie, ach! wie kann ich sie Euch mittheilen? Der Spalt ist so eng, die Mauer so dick! Doch es gibt ein Mittel – ich hab' es! – Schnell, Louise, schneide mir einen Weidenzweig, den längsten, den du findest.«

Die Sängerin gehorchte, und mittelst eines Spaltes an dem Ende der Ruthe sendete Katharina mehrere Stücke der weichen Kuchen, in Brühe getaucht, hinab, die zugleich als Speise und Getränk dienten.

Der junge unglückliche Mann aß wenig und mit Mühe, flehte aber tausendfachen Segen herab auf das Haupt seiner Trösterin. »Ich hatte dich zur Sklavin meiner Laster bestimmt,« sagte er, »und doch suchst du die Erhalterin meines Lebens zu werden! Aber hinweg und rette dich selbst.«

»Ich kehre mit Nahrung zurück, sobald ich Gelegenheit finde,« sagte Katharina, eben als die Sängerin sie am Aermel zupfte und bat, zu schweigen und still zu stehen.

Beide verbargen sich unter die Ruinen, und sie hörten die Stimmen Ramorny's und des Arztes, die sich leise unterhielten.

»Er ist stärker, als ich dachte,« sagte der Erstere in tiefem, krächzendem Tone. »Wie lange hielt Dalwolsy aus, als ihn der Ritter von Liddesdale in seinem Schloß von Hermitage einkerkerte?«

»Vierzehn Tage,« antwortete Dwining; »aber er war ein starker Mann und hatte einigen Beistand durch Korn, welches aus einer Kornkammer über seinem Gefängniß fiel.«

»Wär' es nicht besser, die Sache schnell zu enden? Der schwarze Douglas kommt diesen Weg. Er ist nicht in Albany's Geheimniß. Er wird den Prinzen sehen wollen, und Alles muß vorüber sein, eh' er kommt.«

Sie gingen in ihrem düsteren und verhängnißvollen Gespräch vorüber.

»Nun gewinnen wir das Schloß,« sagte Katharina zu ihrer Gefährtin, als sie sah, daß Jene den Garten verlassen hatten. »Ich hatte einen Plan der Flucht für mich – ich will ihn in einen der Rettung des Prinzen verwandeln. Die Schaffnerin betritt das Schloß zur Vesperzeit und läßt gewöhnlich ihren Mantel in dem Gange, während sie die Milch zum Küchenmeister trägt. Nimm du den Mantel, hülle dich darein und gehe kühn am Wächter vorbei; er ist gewöhnlich betrunken um diese Stunde, und du wirst, gleich der Melkerin, ungefragt durch Thor und Brücke kommen, wenn du dich nur mit Selbstvertrauen benimmst. Dann eile zum schwarzen Douglas, er ist unsere nächste und einzige Hilfe.«

»Aber,« sagte Louise, »ist er nicht jener schreckliche Lord, der mich mit Schmach und Strafe bedrohte?«

»Glaube mir,« sagte Katharina, »Leute wie du und ich bleiben nie eine Stunde in Douglas' Gedächtniß, weder im Guten noch im Bösen. Sag' ihm, daß sein Schwiegersohn, der Prinz von Schottland, stirbt – verrätherisch verhungert – im Schloß Falkland, und du wirst nicht allein Gnade, sondern Lohn erwerben.«

»Ich frage nicht nach Lohn,« sagte Louise, »die That wird sich selbst belohnen. Aber mich dünkt, zu bleiben ist gefährlicher als zu gehen. – Laß mich daher bleiben und den unglücklichen Prinzen ernähren; Ihr aber geht fort, um Hilfe zu bringen. Wenn sie mich vor Eurer Rückkehr tödten, so lass' ich Euch meine arme Laute und bitt' Euch, freundlich mit meinem armen Charlot zu sein.«

»Nein, Louise,« erwiderte Katharina, »Ihr seid eine privilegirtere und erfahrenere Wandererin, als ich – geht Ihr – und wenn Ihr mich todt bei Eurer Rückkehr findet, was wohl möglich ist, so gebt meinem armen Vater diesen Ring und eine Locke meines Haares, und sagt ihm, Katharina starb, während sie Bruce's Blut erretten wollte. Und diese andere Locke gebt Harry; sagt, daß Katharina zuletzt seiner gedachte, und daß, wenn er sie für zu bedenklich hielt hinsichtlich des Blutes Anderer, er erkennen möge, daß es nicht geschah, weil sie ihr eigenes hochschätzte.«

Sie schluchzten, einander in den Armen liegend, und die Stunden bis zum Abend verflossen mit Berathungen, wie man auf bessere Weise den Gefangenen mit Nahrung versehen könne, und mit Verfertigung einer Röhre, die aus ineinandergeschobenem Schilfrohr bestand, mittelst deren man ihm Flüssigkeit zuführen konnte. Die Glocke der Dorfkirche von Falkland läutete zur Vesper. Die Schaffnerin trat mit ihren Gefäßen ein, um die Milch für den Haushalt abzuliefern und Neuigkeiten zu erzählen und zu hören. Sie war kaum in die Küche getreten, als die Sängerin sich noch ein Mal in Katharinens Arme warf, sie ihrer unwandelbaren Treue versicherte und, das Hündchen unterm Arm, still die Treppe hinunterschlich. Einen Augenblick später sah die athemlose Katharina sie, in der Schaffnerin Mantel gehüllt, ruhig über die Zugbrücke gehen.

»Nun,« sagte der Wächter. »Ihr kehrt heute früh zurück, May Bridget? Wenig Spaß im Schloß – ja, Weib! – kranke Zeiten sind traurige Zeiten.«

»Ich habe mein Kerbholz vergessen,« sagte die schnell besonnene Französin, »und komme wieder, eh' man einen Milcheimer ausschöpft.«

Sie ging weiter, vermied das Dorf Falkland und schlug einen Fußpfad ein, der durch den Park führte. Katharina athmete frei und pries Gott, als sie sie in der Ferne verschwinden sah. Noch eine ängstliche Stunde dauerte es, bis man die Flucht der Sängerin entdeckte. Dies geschah, sobald die Schaffnerin, die sich eine Stunde zu einem Geschäft genommen hatte, wozu zehn Minuten genügten, zurückkehren wollte, und fand, daß Jemand ihren grauen Friesmantel weggenommen hatte. Sogleich wurde genaue Untersuchung angestellt; endlich erinnerten sich die Mägde der Sängerin und wagten zu flüstern, dieser könne es wohl eingefallen sein, ein altes Kleid für ein neues auszutauschen. Der Wächter wurde streng befragt und gab an, er habe die Schaffnerin gleich nach der Vesperglocke hinausgehen sehen, und als diese selbst es läugnete, sagte er, so könne es kein Anderer, als der Teufel gewesen sein.

Da indeß die Sängerin nicht gefunden werden konnte, so ließen sich die wirklichen Umstände der Sache leicht ahnen, und der Hausverwalter ging, um Sir John Ramorny und Dwining zu benachrichtigen (die jetzt fast nie getrennt waren), daß eine ihrer weiblichen Gefangenen entflohen sei. Jeder Umstand erweckt den Argwohn des Schuldigen. Sie sahen einander mit unzufriedenen Gesichtern an, und begaben sich sofort mit einander in Katharinens niederes Gemach, um sie wo möglich mit der Untersuchung über Louisens Verschwinden zu überraschen.

»Wo ist Eure Gefährtin, Mädchen?« sagte Ramorny in strengem und ernstem Tone.

»Ich habe keine Gefährtin hier,« antwortete Katharina.

»Keine Ausflucht,« erwiderte der Ritter; »ich meine die Sängerin, die jüngst mit Euch dies Zimmer bewohnte.«

»Sie ist fort, sagt man mir,« – sagte Katharina, »fort seit einer Stunde.«

»Und wohin?« sagte Dwining.

»Wie,« antwortete Katharina, »soll ich den Weg wissen, den eine Wandererin von Handwerk wählen mag? Sie war ohne Zweifel des einsamen Lebens müde, welches so verschieden ist von den Scenen der Festlichkeit und des Tanzes, zu denen sie ihr Beruf oft führt. Sie ist fort, und dabei nur zu bewundern, daß sie so lange dageblieben ist.«

»Dies ist also Alles,« sagte Ramorny, »was Ihr uns berichten könnt?«

»Alles, was ich Euch zu berichten habe, Sir John,« antwortete Katharina mit Festigkeit; »und wenn der Prinz selber fragte, ich könnt' ihm nicht mehr sagen,«

»Es ist wenig Gefahr, daß er Euch wieder die Ehre anthun werde, in Person mit Euch zu reden,« sagte Ramorny, »selbst wenn Schottland dem Unglück entgeht, durch seinen Tod elend zu werden.«

»Ist der Herzog von Rothsay so sehr krank?« fragte Katharina.

»Keine Hilfe, außer im Himmel,« antwortete Ramorny, emporblickend.

»So möge von dort doch Hilfe kommen,« sagte Katharina, »wenn menschliche Hilfe nichts vermag.«

»Amen!« sagte Ramorny mit dem entschiedensten Ernst, während Dwining ein Gesicht schnitt, welches dies Gefühl auch ausdrücken sollte, obwohl es ihm einen peinlichen Kampf zu kosten schien, sein höhnisches, aber leises Triumphgelächter zu unterdrücken, welches besonders durch Alles, was eine religiöse Färbung hatte, erregt ward.

»Und Menschen sind es – irdische Menschen und nicht eingefleischte Teufel, die so den Himmel anrufen, während sie tropfenweise das Lebensblut ihres unglücklichen Herrn verschlingen!« murmelte Katharina, als ihre beiden betroffenen Inquisitoren das Gemach verließen. – »Warum schläft der Donner? – aber er wird bald rollen, und o! möge es geschehen, sowohl zu erhalten als zu strafen.«

Nur die Stunde des Mittagessens gewährte eine Zeit, wo, da Alles im Schlosse mit der Mahlzeit beschäftigt war, Katharina glaubte, sie hätte die beste Gelegenheit, sich zum Mauerspalt zu wagen, ohne besondere Gefahr zu fürchten. Während sie auf die Stunde wartete, bemerkte sie einige Bewegung im Schlosse, das seit der Einkerkerung des Herzogs von Rothsay still wie das Grab gewesen war. Das Fallgatter wurde niedergelassen und aufgezogen, und unter das Krachen der Maschine mischte sich Rossegetrappel, und Bewaffnete auf dampfenden und schnaubenden Pferden ritten ab und zu. Sie sah auch von ihrem Fenster, daß alle Diener, die ihr in die Augen fielen, bewaffnet waren. Bei alle dem klopfte ihr Herz stark, denn es ließ das Nahen der Hilfe hoffen, und überdies ließ das Getümmel den kleinen Garten einsamer als je. Endlich erschien die Mittagsstunde; sie hatte Sorge getragen, unter dem Vorwand ihrer eigenen Bedürfnisse, denen der Küchenmeister gern zu genügen schien, sich solche Speisen zu verschaffen, die sich am leichtesten zu dem unglücklichen Gefangenen bringen ließen. Sie flüsterte, um ihm ihre Gegenwart zu melden – keine Antwort erfolgte; – sie sprach lauter, aber noch blieb Alles still.

»Er schläft,« – diese Worte murmelte sie halblaut und mit einem Schaudern, dem ein Zusammenfahren und ein Schrei folgte, als eine Stimme hinter ihr erwiderte:

»Ja, er schläft; aber für immer.«

Sie sah sich um. Sir John Ramorny stand hinter ihr in voller Rüstung, aber das Visir seines Helms war offen, und zeigte ein Gesicht, ähnlicher dem eines Sterbenden, als eines Mannes, der fechten will. Er sprach mit ernstem Tone, der zwischen dem des ruhigen Beobachters eines merkwürdigen Vorfalles und dem des thätigen Teilnehmers und Gehilfen dabei in der Mitte lag.

»Katharina,« sagte er, »Alles ist wahr, was ich Euch sage. Er ist todt – Ihr habt Euer Bestes für ihn gethan – Ihr könnt nicht mehr thun.« »Ich will nicht – ich kann es nicht glauben,« sagte Katharina. »Der Himmel erbarme sich meiner! Es würde mich an der Vorsehung zweifeln lassen, zu denken, daß ein so großes Verbrechen vollbracht werden konnte.«

»Zweifle nicht an der Vorsehung, Katharina, obwohl sie duldete, daß der Verworfene durch seine eigenen Rathschläge fiel. Folge mir – ich habe zu sagen, was dich angeht. – Folge mir, sag' ich,« (denn sie zögerte,) »wenn du es nicht vorziehst, der Gnade des rohen Bonthron und des Arztes Henbane Dwining überlassen zu bleiben.«

»Ich will Euch folgen,« sagte Katharina. »Ihr könnt mir nicht mehr thun, als Euch gestattet wird.«

Er führte sie nach dem Schlosse und erstieg Treppe nach Treppe, Leiter nach Leiter.

Katharinens Entschlossenheit wich. »Ich will nicht weiter folgen,« sagte sie. »Wohin wollt Ihr mich führen? – Wenn zu meinem Tode, so kann ich hier sterben.«

»Blos zu den Zinnen des Schlosses, Thörin,« sagte Ramorny, eine verriegelte Thür weit aufsperrend, die sich nach dem gewölbten Dache des Schlosses öffnete, wo man sogenannte Mangonels (Kriegsmaschinen, um Steine oder Pfeile zu werfen) und tüchtige Armbrüste rüstete, auch Steine zusammenhäufte. Aber die Vertheidiger waren an Zahl nicht über zwanzig, und Katharina glaubte Furcht und Unentschlossenheit unter ihnen zu bemerken.

»Katharina,« sagte Ramorny, »ich darf diesen Posten nicht verlassen, der nothwendig zu meiner Verteidigung ist; aber ich kann hier so gut als anderswo mit Euch reden.«

»So redet,« antwortete Katharina, – »ich bin bereit, Euch zu hören.«

»Ihr habt Euch in ein blutiges Geheimniß gedrängt, Katharina. Habt Ihr Festigkeit genug, es zu bewahren?«

»Ich versteh' Euch nicht, Sir John,« antwortete das Mädchen.

»Seht Ihr. Ich habe erschlagen – ermordet, wenn Ihr wollt – meinen ehemaligen Herrn, den Herzog von Rothsay. Der Funke von Leben, den Eure Freundlichkeit nähren wollte, war leicht erstickt. Seine letzten Worte lauteten an seinen Vater. Ihr seid ohnmächtig – rafft Euch zusammen – Ihr habt mehr zu hören. Ihr kennt das Verbrechen, aber Ihr kennt nicht den Anlaß. Seht, dieser Handschuh ist leer – ich verlor meine rechte Hand für ihn; und als ich nicht mehr für seinen Dienst taugte, ward ich wie ein abgelebter Hund weggeworfen, mein Geschick verspottet, mir ein Kloster empfohlen, statt der Schlösser und Paläste, die meine natürliche Sphäre waren! Daran denkt – habt Mitleid und steht mir bei.«

»Auf welche Weise könnt Ihr Beistand von mir verlangen?« sagte das zitternde Mädchen; »ich kann weder Euren Verlust ersetzen, noch Euer Verbrechen tilgen.«

»Du kannst schweigen, Katharina, über das, was du in jenem Dickicht gesehen und gehört hast. Es ist nur eine kurze Vergeßlichkeit, die ich von dir verlange, auf deren Worte man, wie ich weiß, hören wird, mögt Ihr nun sagen, es geschah oder es geschah nicht. Das Wort deiner marktschreierischen Gefährtin, der Fremden, wird Niemand einer Nadelspitze werth achten. Willst du mir dies zugestehen, so nehme ich dein Versprechen für meine Sicherheit und öffne den Anrückenden das Thor. Versprichst du mir nicht Sicherheit, so vertheidige ich das Schloß, bis Alle gefallen sind, und schleudere dich rücklings von diesen Zinnen. Ja, sieh' sie nur an – es ist kein Sprung, dem man leicht Trotz bietet. Sieben Treppen gingst du mit Anstrengung und athemlos heran, aber du sollst in kürzerer Zeit vom Giebel bis auf den Grund kommen, als du einen Seufzer ausstößt! Sprich das Wort, schönes Mädchen; denn Ihr sprecht mit Einem, der Euch nicht gern schaden möchte, aber bei seinem Vorsatze beharrt.«

Katharina stand erschrocken und unfähig, einem Menschen zu antworten, der ihr so verzweifelt schien; aber die Antwort ward ihr erspart, indem Dwining sich näherte. Er sprach mit derselben Demuth, die stets sein Benehmen auszeichnete, und mit seinem gewöhnlichen ironischen Lachen, welches jenes Benehmen Lügen strafte. »Ich thue Unrecht, edler Sir, daß ich mich zu Euch dränge, während Ihr mit einem schönen Mädchen beschäftigt seid. Aber ich komme, um eine kleine Frage zu thun.«

»Sprich, Quäler!« sagte Ramorny. »Schlimme Nachrichten sind Scherz für dich, selbst wenn sie dich selber angehen, wofern sie nur auch Andere betreffen.«

»Hm, – hi, hi! – ich wünschte nur zu wissen, ob Eure Herrlichkeit das ritterliche Geschäft der Vertheidigung des Schlosses mit einer einzigen Hand unternehmen will – ich bitt' um Verzeihung – ich meinte mit Eurem einzigen Arm? Die Frage ist der Rede werth, denn ich werde bei der Vertheidigung für wenig gut sein, außer wenn Ihr die Belagerer dahin bringen könnt, Arznei zu nehmen – hi, hi, hi ! und Bonthron ist so betrunken, als Bier und gebranntes Wasser ihn machen können – und Ihr, Er und Ich machen die ganze Besatzung aus, die zum Widerstand aufgelegt ist.«

»Wie! – wollen die andern Hunde nicht fechten?« sagte Ramorny.

»Man sah nimmer Leute, die weniger Lust dazu zeigten,« antwortete Dwining, »niemals; aber da kommt ein Paar von ihnen. – Venit extrema dies. – Hi, hi, hi!«

Eviot und sein Gefährte Buncle näherten sich nun mit düsterer Entschlossenheit im Gesicht, gleich Männern, welche den Entschluß gefaßt haben, der Macht zu widerstehen, welcher sie lange gehorchten.

»Wie steht's?« sagte Ramorny, ihnen entgegentretend. »Warum von eurem Posten? – Warum hast du die Warte verlassen, Eviot? – Und du anderer Bursch', trug ich dir nicht auf, nach den Mangonelen zu sehen?«

»Wir haben Euch Etwas zu sagen, Sir John Ramorny,« antwortete Eviot. »Wir werden in dieser Fehde nicht fechten.«

»Wie – meine eigenen Knappen meistern mich?« rief Ramorny.

»Wir waren Eure Knappen und Pagen, Mylord, während Ihr in des Herzogs von Rothsay Diensten standet – man erzählt, der Herzog lebe nicht mehr – wir wünschen die Wahrheit zu wissen.«

»Welcher Verräther wagt solche Lügen auszustreuen!?« sagte Ramorny.

»Alle, welche ausgegangen sind, den Park zu besetzen, Mylord, und unter Andern bringe ich selbst dieselbe Nachricht zurück. Die Sängerin, welche das Schloß gestern verließ, hat das Gerücht überall ausgestreut, der Herzog von Rothsay sei ermordet oder dem Tode nah. Der Douglas zieht gegen uns mit einer starken Macht –«

»Und ihr, Feiglinge, macht Euch ein müßig Gerücht zu nutze, um euern Herrn zu verlassen?« sagte Ramorny unwillig.

»Mylord,« sagte Eviot, »laßt Buncle und mich den Herzog von Rothsay sehen, und seine persönlichen Befehle zur Vertheidigung des Schlosses empfangen, und wenn wir dann nicht bis zum Tode in diesem Kampfe fechten, so will ich mich gern auf den höchsten Thurm hängen lassen. Aber wenn er an natürlicher Krankheit gestorben ist, so wollen wir das Schloß dem Grafen von Douglas übergeben, der, wie man sagt, des Königs Statthalter ist – oder wenn, was der Himmel verhüte! – dem edlen Prinzen Arges widerfuhr, so wollen wir uns nicht in die Schuld verwickeln, indem wir die Waffen zum Schutze der Mörder brauchen, mögen sie sein, wer sie wollen.«

»Eviot,« sagte Ramorny, seinen verstümmelten Arm erhebend, »wäre dieser Handschuh nicht leer, so hättest du's nicht erlebt, zwei Worte voll Unverschämtheit auszusprechen.«

»Sei dem wie ihm wolle,« antwortete Eviot, »wir werden nur unsere Pflicht thun. Ich bin Euch lange gefolgt, Mylord, aber hier halt' ich den Zügel an.«

»So fahrt denn wohl, und ein Fluch treff' euch Alle!« rief der erbitterte Baron. »Laßt mein Pferd vorführen!«

»Unsere Tapferkeit ist im Begriff, davon zu laufen,« sagte der Apotheker, der dicht an Katharinens Seite geschlichen war, eh' sie es merkte. »Katharina, du bist eine abergläubische Närrin, wie die meisten Weiber; trotzdem hast du einigen Verstand, und ich spreche mit dir als einer Person, die mehr versteht, als die Büffel, die um uns herum weiden. Diese stolzen Barone, die nur so über die Welt wegschreiten, was sind sie am Tage des Unglücks? – Spreu vor'm Wind! Laßt ihre Schmiedehammerhände oder ihre Säulenfüße Schaden nehmen, und bah! – die Ritter sind weg – Herz und Muth ist ihnen nichts, Kraft und Glieder Alles; – gebt ihnen Thieresstärke, was sind sie anders, als wüthende Stiere? – nehmt diese weg und Euer ritterlicher Held kriecht auf dem Boden, wie ein lahmes Thier. Nicht so der Weise; so lang' ein Körnchen Verstand einem verwachsenen oder verstümmelten Körper übrig bleibt, soll sein Geist so stark sein, denn je. – Katharina, diesen Morgen sann ich auf Euern Tod; aber mich dünkt, es freut mich jetzt, daß Ihr noch lebt, um zu erzählen, wie der arme Mediciner, der Pillenvergolder, der Mörselstößer, der Gifthändler seinem Schicksal begegnete, in Gesellschaft mit dem tapfern Ritter von Ramorny, jetzigem Baron und künftigem Grafen von Lindores – Gott segne seine Herrlichkeit!«

»Alter Mann,« sagte Katharina, »wenn du in der That dem Tage deines verdienten Schicksals so nahe bist, so wären andere Gedanken weit heilsamer, als die ruhmredigen Schwätzereien einer eitlen Philosophie. – Frage nach einem frommen Manne –«

»Ja,« sagte Dwining verächtlich, »mich an einen fetten Mönch wenden, der – hi, hi, hi! – das barbarische Latein nicht versteht, was er auswendig hersagt. Der würde ein passender Rathgeber für Einen sein, der in Spanien und Arabien studirt hat! Nein, Katharina, ich will einen Beichtvater wählen, den man gern ansieht, und Ihr sollt mit dem Amte beehrt werden. – Nun, seht dort seine Tapferkeit – seine Augenbrauen tropfen vor Feuchtigkeit, seine Lippen beben vor Angst – hi, hi, hi! – – denn seine Tapferkeit bittet ihre ehemaligen Diener um das Leben, und hat nicht Beredtsamkeit genug, um sie zu bereden, sie entschlüpfen zu lassen. Seht, wie die Fibern seines Gesichts arbeiten, indeß er die undankbaren Bestien anfleht, die er mit Wohlthaten überhäuft hat, ihm nur eine so kurze Lebensfrist zu geben, als die Jagdhunde dem Hasen, wenn die Menschen ihm tüchtig nachsetzen. Seht auch die finstern, niedergeschlagenen, hündischen Gesichter, womit die schurkischen Knechte, zwischen Furcht und Schande schwankend, ihrem Herrn diese elende Frist versagen. Solche Wesen hielten sich für höher, als ein Mann wie ich! Und Ihr, thörichtes Mädchen, denkt so gemein von Eurer Gottheit, daß Ihr Elende wie sie für das Werk der Allmacht haltet!«

»Nein! böser Mensch, nein!« sagte Katharina mit Wärme; »der Gott, den ich verehre, schuf diese Menschen mit der Fähigkeit, ihn zu erkennen und anzubeten, ihre Mitgeschöpfe zu schützen und zu schirmen, Frömmigkeit und Tugend zu üben. Ihre eigenen Laster und die Versuchungen des Bösen haben sie so gemacht, wie sie jetzt sind. O, nimm diese Lehre auf in dein Herz von Diamant! der Himmel machte dich klüger als deine Nebenmenschen, gab dir Augen, um in die Geheimnisse der Natur zu sehen, einen scharfen Verstand und eine geschickte Hand; aber dein Stolz hat all' diese schönen Gaben vergiftet und einen gottlosen Atheisten aus einem Mann gemacht, der ein christlicher Weiser hätte sein können!«

»Atheist, sagst du?« antwortete Dwining; »vielleicht hab' ich Zweifel in dieser Sache – aber sie werden bald gelöst sein. Dort kommt Einer, der mich, wie zuvor Tausende, an den Ort geschickt hat, wo sich alle Geheimnisse aufklären werden.«

Katharina folgte dem Auge des Arztes nach den Waldlichtungen und sah, daß sie von einer Reiterschaar bedeckt waren, die im vollen Galopp anrückte. In ihrer Mitte wehte eine Fahne, die, obwohl Katharina ihr Wappen nicht sehen konnte, doch durch ein Gemurmel ringsum als die des schwarzen Douglas anerkannt wurde. Sie machten einen Pfeilschuß vom Schlosse halt, und ein Herold mit zwei Trompetern ritt an das Hauptthor, wo er nach einem lautschmetternden Trompetenstoß Einlaß begehrte für den hohen und gefürchteten Archibald, Grafen von Douglas, Lordstatthalter des Königs, derzeit mit unumschränkter Vollmacht Seiner Majestät versehen; zugleich wurde allen Bewohnern bei Strafe des Hochverraths befohlen, die Waffen niederzulegen.

»Hört Ihr?« sagte Eviot zu Ramorny, der düster und unentschlossen dastand. »Wollt Ihr die Uebergabe des Schlosses befehlen, oder muß ich – «

»Nein, Schurke!« unterbrach ihn der Ritter, »bis an's Ende will ich Euch befehlen. Oeffnet die Thore, laßt die Brücke nieder und übergebt das Schloß dem Douglas.«

»Nun, das kann man doch eine tapfere That aus freiem Willen nennen,« sagte Dwining. »Just, wie wenn die metallenen Dinger, die seit einer Minute schreien, sich anmaßten, die Töne sich selber beizulegen, die ein dickbackiger Trompeter hineingeblasen hat.«

»Elender Mensch,« sagte Katharina, »entweder schweigt, oder wendet Eure Gedanken auf die Ewigkeit, an deren Rande Ihr steht.«

»Und was geht das dich an?« antwortete Dwining. »Du, Dirne, kannst nicht umhin, zu hören, was ich dir sage, und du wirst es wieder erzählen, weil dein Geschlecht keins von beiden lassen kann. Perth und ganz Schottland sollen wissen, welch einen Mann sie in Henbane Dwining verloren haben.«

Das Geklirr der Waffe verkündigte nun, daß die neuen Ankömmlinge abgestiegen waren und das Schloß betreten hatten, während sie die kleine Besatzung entwaffneten. Graf Douglas erschien selbst mit einigen seiner Leute auf den Zinnen, und wies sie an, Ramorny und Dwining gefangen zu nehmen. Andere schleppten aus einem Winkel den betäubten Bonthron.

»Diese Drei waren's, denen die Wache des Prinzen allein übertragen war während seiner angeblichen Krankheit?« sagte Douglas, eine Untersuchung fortsetzend, die er im Saale des Schlosses begonnen hatte.

»Kein Anderer sah ihn, Mylord!« sagte Eviot, »obwohl ich meine Dienste anbot.«

»Führt uns in des Herzogs Zimmer und bringt die Gefangenen mit – es soll sich auch ein Weib im Schlosse befinden, wenn man sie nicht ermordet oder hinweggezaubert hat – die Gefährtin der Sängerin, welche die erste Nachricht brachte.«

»Sie ist hier, Mylord,« sagte Eviot, Katharinen vorführend.

Ihre Schönheit und Rührung machten selbst auf den unempfindlichen Grafen einigen Eindruck.

»Fürchte nichts, Mädchen,« sagte er, »du hast Lob und Belohnung verdient. Sage mir, wie wenn du dem Himmel beichtetest, Alles, wovon du im Schlosse Zeuge gewesen.«

Mit einigen Worten berichtete Katharina die furchtbare Geschichte.

»Es stimmt,« sagte Douglas, »mit der Erzählung der Sängerin Punkt für Punkt überein. – Nun zeigt uns des Prinzen Zimmer.«

Sie gingen nach dem Gemach, wo der unglückliche Herzog von Nothsay angeblich gewohnt hatte; aber der Schlüssel war nicht zu finden, und der Graf konnte nur Zutritt erlangen, indem man die Thür sprengte. Beim Eintritt entdeckte man den abgezehrten und schmutzigen Körper des Prinzen, wie in Eile auf's Bett geworfen. Die Absicht der Mörder war offenbar gewesen, den Leichnam so in Stand zu setzen, daß er einem längst Gestorbenen ähnlich sehe; aber sie waren durch die Unruhe, die Louisens Flucht veranlaßt hatte, gestört worden. Douglas betrachtete den Leichnam des verführten Jünglings, dessen wilde Leidenschaften und Launen ihn zu dieser verhängnißvollen und vorzeitigen Katastrophe gebracht hatten.

»Ich hatte Beleidigungen zu rächen,« sagte er; »aber ein Anblick wie dieser verbannt alle Erinnerung an Beleidigungen!«

»Hi, hi! – er hätte geordnet werden sollen,« sagte Dwining, »um Eurer Herrlichkeit mehr zu gefallen; aber Ihr kamt plötzlich über uns, und eilige Herren verursachen schlechten Dienst.«

Douglas schien nicht zu hören, was sein Gefangener sagte, so eifrig prüfte er die verfallenen und zerstörten Züge und steifen Glieder des Leichnams vor ihm. Katharina, überwältigt von Unwohlsein und Ohnmacht, erhielt endlich Erlaubniß, sich von dem furchtbaren Anblick zurückzuziehen, und fand durch Verwirrung aller Art den Weg nach ihrem früheren Gemach, wo Louise, die indeß zurückgekehrt war, sie in die Arme schloß.

Die Untersuchungen Douglas' schritten fort. Man fand, daß die starre Hand des Prinzen eine Haarlocke krampfhaft umfaßt hielt, an Farbe und Stärke dem kohlschwarzen verworrenen Haar Bonthrons gleich. So, obwohl Hunger das Werk begonnen hatte, schien es doch, daß Rothsan's Tod endlich durch Gewalt vollständig herbeigeführt worden sei. Die geheime Treppe des Kerkers, wozu die Schlüssel an des untergeordneten Mörders Gürtel gefunden wurden, – die Lage des Gewölbes, seine Verbindung mit der äußern Luft durch den Mauerspalt, das elende Strohlager mit den Fesseln, die sich noch vorfanden, – Alles bestätigte vollkommen die Erzählung Katharinens und der Sängerin.

»Wir wollen keinen Augenblick zögern,« sagte der Douglas zu seinem nahen Verwandten, dem Lord Balveny, sobald sie aus dem Kerker zurückkehrten. »Fort mit den Mördern! hängt sie über die Zinnen.«

»Aber, Mylord, ein Verhör möchte doch erforderlich sein,« antwortete Balveny.

»Zu welchem Zweck?« antwortete Douglas. »Ich habe sie Kraft meines Rechts und Amts gefangen. Meine Vollmacht gestattet sofortige Hinrichtung. Doch halt – haben wir nicht einige Leute aus Jedwood unter unsern Truppen?«

»Eine Menge Turnbulls, Rutherfords, Ainslies und so fort,« sagte Balveny.

»Ruft mir eine Anzahl von ihnen herbei; sie sind sämmtlich gute und ehrliche Leute, außer daß sie ein Bischen zu ihrem Unterhalt stehlen. Laßt sie diese Schurken hinrichten, während ich einen Gerichtshof im großen Saale halte, und wir wollen versuchen, ob der Gerichtshof oder der Profoß eher fertig wird; wir wollen Jedwood-Gerechtigkeit üben – schnell hängen und nach Muße untersuchen.«

»Doch halt, Mylord,« sagte Ramorny, »Ihr möchtet Eure Eile bereuen – wollt Ihr mir ein Wort in's Ohr erlauben?«

»Nicht um die Welt!« sagte Douglas; »sprich es aus, was du zu sagen hast, vor Allen, die hier sind.«

»So wißt denn Alle,« sagte Ramorny laut, »daß dieser edle Graf Briefe vom Herzog Albany und mir hat, ihm durch jenen feigen Ausreißer Buncle übergeben, – laßt ihn läugnen, wenn er's kann – welche die Entfernung des Herzogs vom Hofe auf einige Zeit anrathen, sowie seine Gefangenschaft in diesem Schlosse.«

»Aber kein Wort davon,« erwiderte Douglas, ernst lächelnd, »daß man ihn in einen Kerker werfen sollte – verhungern – erdrosseln. – Fort mit den Elenden, Balveny, sie verderben Gottes Luft zu lange!« Die Gefangenen wurden nach den Zinnen geschleppt. Aber während die Mittel der Hinrichtung zubereitet wurden, drückte der Apotheker einen so glühenden Wunsch aus, Katharina noch einmal zu sehen, wie er sagte, zum Heil seiner Seele, daß das Mädchen in der Hoffnung, seine Hartnäckigkeit habe sich noch in der letzten Stunde geändert, noch ein Mal hinauf ging, um eine Scene zu sehen, vor welcher ihr Herz zurückschauderte. Ein einziger Blick zeigte ihr Bonthron in gänzliche, trunkene Fühllosigkeit versunken, Ramorny seiner Rüstung beraubt, und umsonst bemüht, seine Angst zu verbergen, während er mit einem Priester sprach, um dessen Beistand er gebeten hatte, und Dwining als denselben unterwürfigen, demüthigen, kriechenden Burschen, wie sie ihn vorher gesehen hatte. Er hielt in der Hand eine kleine, silberne Feder, womit er auf ein Stück Pergament schrieb.

»Katharina,« sagte er, – »hi, hi, hi! – ich wünsche zu dir über die Natur meines religiösen Glaubens zu sprechen.«

»Wenn das deine Absicht ist, warum verlierst du Zeit mit mir? – sprich mit diesem frommen Vater.«

»Der fromme Vater,« sagte Dwining, »ist hi, hi! – bereits ein Verehrer der Gottheit, welcher ich gedient habe. Ich zieh' es daher vor, dem Altar meines Götzen einen neuen Verehrer in dir zu geben, Katharina. Dies Stück Pergament wird dir den Weg zu meiner Kapelle zeigen, wo ich oft in der Stille gebetet habe. Ich hinterlasse dir als ein Vermächtniß die Götzenbilder, die sie enthält, blos weil ich dich etwas minder hasse und verachte, als andere alberne Elende, die ich bisher Mitgeschöpfe zu nennen genöthigt war. Und nun fort! – Oder bleib und sieh, ob das Ende des Quacksalbers sein Leben Lügen straft.«

»Unsere Frau verhüt' es!« sagte Katharina.

»Nun,« sagte der Arzt, ich habe nur ein einzig Wort zu sagen, und jenes Edelmanns Herrlichkeit mag es hören, wenn er will.«

Lord Balveny näherte sich mit einiger Neugier; denn die unerschrockene Entschlossenheit eines Mannes, der nie ein Schwert geschwungen oder eine Rüstung getragen, und von Person ein elender Zwerg war, schien ihm Etwas wie Zauberei zu sein.

»Ihr seht dies elende Werkzeug,« sagte der Verbrecher, die silberne Feder zeigend. »Mittelst dieser kann ich selbst der Macht des schwarzen Douglas entgehen.«

»Gebt ihm weder Tinte noch Papier,« sagte Balveny hastig, »er will einen Zauber schreiben.«

»Nicht doch, mit Eurer Weisheit und Tapferkeit Erlaubniß – hi, hi, hi! – « sagte Dwining mit seinem gewöhnlichen Lachen, während er das Ende der Feder losschraubte und daraus ein Stück Schwamm oder etwas Aehnliches, nicht größer als eine Erbse, hervorzog. »Nun, merkt auf! – – « sagte der Gefangene und nahm es zwischen die Lippen. Die Wirkung war augenblicklich. Er lag als Leichnam vor ihnen, die höhnische Verachtung auf dem Gesichte.

Katharina schrie auf und floh, indem sie hastig hinabeilte, um einem so schrecklichen Anblicke zu entgehen. Lord Balveny war einen Augenblick starr und dann rief er: »Das kann Hexerei sein! hängt ihn über die Mauern lebendig oder todt. Wenn sich sein schlechter Geist nur auf einige Zeit zurückgezogen hat, so mag er zu einem Körper mit umgedrehtem Halse zurückkehren.«

Man gehorchte seinem Befehl. Darauf wurden Ramorny und Bonthron zur Hinrichtung gefühlt. Der Letztere ward gehangen, bevor er völlig zu begreifen schien, was mit ihm geschah. Ramorny, bleich wie der Tod, aber mit demselben Stolze, der sein Verderben herbeigeführt hatte, berief sich auf seine Ritterwürde und verlangte das Vorrecht, mit dem Schwert enthauptet zu werden und nicht durch den Strang zu sterben.

»Der Douglas ändert nie sein Urtheil,« sagte Balveny. »Aber dir sollen all deine Rechte werden. – Schickt den Koch mit einem Hackmesser hieher.« Der geforderte Diener erschien auf seinen Ruf. »Weshalb zitterst du, Bursche?« sagte Balveny; »hier, hau' mir mit deinem Messer dieses Mannes goldene Sporen von seinen Fersen – und nun, John Ramorny, bist du nicht mehr ein Ritter, sondern ein Schurke – zum Strang' mit ihm, Profoß! hängt ihn zwischen seine Gefährten, und wo möglich höher als sie.«

Eine Viertelstunde nachher ging Balveny hinab, um Douglas zu sagen, daß die Verbrecher hingerichtet wären.

»Dann hat die Untersuchung keinen weitern Nutzen,« sagte der Graf. »Was meint Ihr, liebe Männer des Gerichts, waren jene Leute des Hochverraths schuldig? ja oder nein?«

»Schuldig!« rief das nachträgliche Gericht mit erbaulicher Einmüthigkeit; »wir brauchen kein weiteres Zeugniß.«

»Laßt trompeten, und dann zu Roß nur mit unserm Gefolge; und laßt Jedermann über das hier Vorgegangene schweigen, bis das Verfahren dem König vorgelegt ist, was nicht füglich geschehen kann, bevor der Kampf am Palmsonntag gefochten und beendigt ist. Wählt unser Gefolge und sagt, daß Jeder, der, mag er mit uns gehen oder hier bleiben, plaudert, sterben muß.«

Nach wenigen Minuten saß Douglas zu Pferde, nebst dem für seine Person erwählten Gefolge. Boten wurden an seine Tochter, die verwittwete Herzogin von Rothsay, mit der Weisung geschickt, sie solle ihren Weg nach Perth nehmen, über die Küste von Lochleven, ohne sich Falkland zu nähern; zugleich wurden ihrer Obhut Katharina Glover und die Sängerin übergeben, als Personen, deren Sicherheit er wünschte.

Als sie durch den Wald ritten, sahen sie zurück und betrachteten die drei hängenden Körper, die gleich Flecken die Mauern des alten Schlosses verdunkelten.

»Die Hand ist gestraft,« sagte Douglas; »aber wer wird den Kopf anklagen, auf dessen Weisung die That verübt ward?«

»Ihr meint den Herzog von Albany?« sagte Balveny.

»Ja, Vetter; und hörte ich auf die Mahnungen meines Herzens, so würde ich ihn der That beschuldigen, die er, wie ich überzeugt bin, angab. Aber es ist kein Beweis da, außer starkem Verdacht, und Albany hat die zahlreichen Freunde des Hauses Stuart an sich gefesselt, denen allerdings die Schwachheit des Königs und die lüderlichen Sitten Rothsay's keinen andern Führer übrig ließen. Breche ich daher das Band, welches mich seit Kurzem mit Albany verknüpft, so ist die Folge ein Bürgerkrieg, das Verderblichste für das arme Schottland, so lang' es ein Einfall des thätigen Percy bedroht, dem die Verrätherei March's Vorschub leistet. Nein, Balveny, – die Strafe Albany's muß dem Himmel bleiben, der zu seiner Zeit ihn und sein Haus richten wird.«

Dreiunddreißigstes Kapitel

Die Stund ist nah'; ein jedes Schwert


Ist scharf, die Herzen schlagen;


Wer sterben kann, wer Flucht begehrt:


Das Morgenlicht wird's sagen.


Sir Edwald.

Wir müssen nun unsere Leser erinnern, daß Simon Glover und seine schöne Tochter aus ihrer Wohnung geeilt waren, ohne Zeit zu haben, Harry Schmied ihren Abschied oder den beunruhigenden Grund desselben zu melden. Als daher der Liebende am Morgen nach ihrer Flucht in Curfewstreet erschien, empfieng er statt des herzlichen Willkomms des ehrsamen Bürgers und des halb fröhlichen, halb tadelnden Aprilgrußes, der ihm von Seiten der lieblichen Tochter versprochen war, nur die niederschlagende Kunde, sie sei mit ihrem Vater auf Befehl eines Fremden, der sich sorgfältig vermummt gehalten habe, früh abgereist. Dann gefiel es Dorotheen, deren Talente für Erzählung von Unglücksfällen und Mittheilungen ihrer Ansichten hierüber der Leser schon kennt, noch beizufügen, sie zweifle nicht, daß ihr Herr und ihre junge Gebieterin in's Hochland gereist seien, um einen Besuch zu vermeiden, der ihnen seit ihrer Abreise von einigen Gerichtsdienern gemacht worden sei, die im Namen eines vom König niedergesetzten Gerichtshofes das Haus durchsucht, alle Behältnisse, von denen man dachte, sie könnten Papiere enthalten, versiegelt, und gerichtliche Vorladungen für Vater und Tochter hinterlassen hätten, an einem bestimmten Tage, bei Strafe des Bannes, vor dem Gerichtshofe zu erscheinen. Alle diese beunruhigenden Nachrichten bemühte sich Dorothee in den düstersten Farben zu malen, und der einzige Trost, den sie dem geängstigten Liebhaber gab, war der, daß sie ihm sagte, ihr Herr habe ihr aufgetragen, ihm zu sagen, er möchte ruhig in Perth bleiben, und er würde bald Kunde von ihnen erhalten. Dies hintertrieb des Schmieds ersten Entschluß, ihnen sogleich nach den Hochlanden zu folgen und Theil an dem Schicksale zu nehmen, welches ihnen drohen möchte.

Als er sich aber seiner öfteren Fehden mit mehreren aus dem Clan Quhele erinnerte und besonders seines persönlichen Zwistes mit Conachar, der nun zu einem ersten Häuptling erhoben war, konnte er bei näherer Ueberlegung nur glauben, daß sein Eindringen in ihre Zufluchtsstätte wahrscheinlich eher die Sicherheit, deren sie sich sonst dort erfreuen konnten, stören, als ihnen nützlich sein möchte. Simons Freundschaft mit dem Häuptling des Clans Quhele war ihm wohlbekannt, und er vermuthete mit Recht, der Handschuhmacher werde dort einen Schutz finden, den seine eigene Ankunft nur stören konnte, da seine Hitze ihn ohne Zweifel in einen Streit mit dem ganzen Clan zorniger Hochländer verwickeln würde.

Zugleich schlug sein Herz vor Unwillen, wenn er dachte, daß Katharina nun ganz in der Gewalt des jungen Conachar sei, der gewißlich sein Nebenbuhler war, und nun so viele Mittel hatte, seine Bewerbung zu unterstützen. Wie, wenn der junge Häuptling die Sicherheit des Vaters von der Gunst der Tochter abhängig machte! Er setzte kein Mißtrauen in Katharinens Liebe, aber ihre Denkart war so uneigennützig und ihre Liebe zu ihrem Vater so innig, daß, wenn ihre Liebe gegen seine Sicherheit oder vielleicht sein Leben in die Wage gelegt würde, ein schwerer und schrecklicher Zweifel waltete, ob erstere sich nicht als zu leicht bewähren möchte. Von Gedanken gequält, bei denen wir nicht verweilen dürfen, beschloß er daher, zu Hause zu bleiben, seine Angst so gut als möglich zu unterdrücken und die versprochene Nachricht von dem Alten zu erwarten. Sie kam, befreite ihn aber nicht von seiner Besorgniß.

Sir Patrick Charteris hatte das Versprechen nicht vergessen, dem Schmied den Plan der Flüchtlinge mitzutheilen. Aber bei dem Getümmel, welches die Bewegungen der Truppen veranlaßte, konnte er die Nachricht nicht selbst überbringen. Er vertraute daher seinem Geschäftsträger, Kitt Henschaw, das Geschäft an. Aber dieser würdige Mann war, wie der Leser weiß, von Ramorny gewonnen, dem daran lag, Jedermann, besonders aber einem so thätigen und kühnen Liebhaber, wie Harry, den wahren Aufenthalt Katharinens zu verbergen. Henschaw sagte daher dem geängstigten Schmied, sein Freund, der Handschuhmacher, sei sicher in den Hochlanden, und obwohl er von Katharina etwas zurückhaltender sprach, sagte er doch wenig, was der Meinung widersprechen konnte, sie theile, gleich Simon, den Schutz des Clans Quhele. Aber er wiederholte im Namen Sir Patricks die Versicherung, daß Vater und Tochter sich wohlbefänden, und Harry für sein eigenes Interesse und ihre Sicherheit am besten sorgen würde, wenn er ruhig bliebe, und den Lauf der Begebenheiten abwartete.

Daher beschloß Harry Gow geängstigten Herzens ruhig zu bleiben, bis er gewissere Nachricht erhalten würde, und beschäftigte sich mit der Vollendung eines Panzerhemdes, welches das härteste und polirteste sein sollte, das seine geschickten Hände je verfertigt hatten. Diese Uebung seiner Kunst gefiel ihm besser, als irgend etwas Anderes, das er hätte treiben können, und diente ihm zur Entschuldigung dafür, daß er sich in seiner Werkstatt einschloß und die Gesellschaft mied, in welcher täglich müßige Gerüchte umliefen, die ihn nur in Verlegenheit setzen und verwirren konnten. Er beschloß, auf Simons Achtung, auf die Treue seiner Tochter und die Freundschaft des Oberrichters zu vertrauen, der seine Tapferkeit im Kampfe mit Bonthron so sehr lobte, und von dem er glaubte, er würde ihn in dieser äußersten Noth nicht verlassen; die Zeit ging jedoch Tag für Tag hin, und erst als der Palmsonntag nahe war, gedachte Sir Patrick Charteris, da er wegen einiger Anordnungen zu dem bevorstehenden Kampfe nach Perth geritten war, dem Schmied vom Wynd einen Besuch zu machen.

Er betrat seine Werkstatt mit einer mitleidigen Miene, die ihm ungewöhnlich war und die Harry sogleich auf schlimme Nachricht gefaßt machte. Der Schmied erschrak und der erhobene Hammer zögerte, auf das heiße Eisen zu fallen, während der bewegte Arm, der ihn schwang, erst so stark wie der eines Riesen, so machtlos ward, daß Harry nur mit Mühe die Rüstung auf den Boden legen konnte, statt sie aus der Hand fallen zu lassen.

»Mein armer Harry,« sagte Sir Patrick, »ich bringe Euch nur kalte Neuigkeiten – sie sind indeß ungewiß; und wenn sie wahr, sind sie von der Art, daß tapfere Männer, wie du, sie sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen dürfen.«

»In Gottes Namen, Mylord,« sagte Harry, »ich hoffe, Ihr bringt keine schlimmen Nachrichten von Simon Glover und seiner Tochter?«

»Von ihnen selbst nicht,« sagte Sir Patrick; »sie sind sicher und wohl. Aber was dich betrifft, Harry, so sind meine Neuigkeiten kälter. Kitt Henschaw hat, denk' ich, dir gemeldet, daß ich bemüht war, Katharina Glover in sichern Schutz im Hause einer vornehmen Dame, der Herzogin von Rothsay, zu bringen. Aber sie hat das Gesuch abgelehnt und ist zu ihrem Vater in's Hochland geschickt worden. Das Schlimmste kommt nun. Du wirst gehört haben, daß Gilchrist Mac Jan todt und daß sein Sohn Eachin, der in Perth als Lehrling des alten Simon unter dem Namen Conachar bekannt war, jetzt Häuptling des Clans Quhele ist; und ich hörte von einem meiner Leute, es gehe unter den Mac Jans ein starkes Gerücht, der junge Häuptling suche die Hand Katharinens zur Ehe. Meine Leute erfuhren dies übrigens als ein Geheimniß, so lang' sie im Land von Breadalbane waren, um einige Rüstungen zu dem Kampfe zu machen. Die Sache ist ungewiß; aber, Harry, sie sieht wahrscheinlich aus.«

»Sah' Euer Herrlichkeit Diener Simon Glover und seine Tochter?« sagte Harry, nach Athem ringend und hustend, um das Uebermaß seiner Aufregung vor dem Oberrichter zu verbergen.

»Das nicht,« sagte Sir Patrick; »die Hochländer schienen argwöhnisch und wollten ihm nicht gestatten, den alten Mann zu sprechen, und er fürchtete, sie aufmerksam zu machen, wenn er Katharinen zu sehen verlangte. Ueberdies spricht er nicht gälisch und Jener, von dem er die Nachricht erhielt, nicht viel englisch, und also kann ein Mißverständniß obwalten. Trotzdem geht ein solches Gerücht, und ich hielt es für's Beste, Euch davon zu sagen. Aber Ihr dürft gewiß sein, daß die Hochzeit nicht Statt finden kann, ehe die Sache vom Palmsonntag vorüber ist, und ich rathe Euch, keinen Schritt zu thun, bis wir die Umstände näher erfahren; denn Gewißheit, wär's auch die schmerzlichste, ist wünschenswerth. – Geht Ihr nach dem Rathhause,« setzte er nach einer Pause hinzu, »um über die Herstellung der öffentlichen Schranken auf dem nördlichen Anger zu sprechen? Ihr werdet dort willkommen sein.«

»Nein, guter Lord!«

»Nun, Schmied, ich schließe aus Eurer kurzen Antwort, daß Ihr unzufrieden über diese Sache seid; aber nach Allem sind ja die Weiber Wetterhähne, das bleibt wahr. Salomo und Andere haben es vor Euch erfahren.«

Damit entfernte sich Sir Patrick Charteris, völlig überzeugt, das Amt eines Trösters auf die befriedigendste Weise versehen zu haben.

Mit ganz andern Empfindungen betrachtete der unglückliche Liebhaber die Nachrichten und den tröstenden Commentar.

»Der Oberrichter,« sagte er bitter zu sich selbst, »ist ein trefflicher Mann; wahrlich, er hält seine Ritterwürde so hoch, daß, wenn er Unsinn spricht, ein armer Mann es für Verstand halten muß, ebenso wie er abgestandenes Bier loben muß, wenn es ihm in Seiner Herrlichkeit Silberkrug gereicht wird. Wie würde Alles dies unter andern Umständen klingen? Gesetzt, ich wollte den steilen Abhang des Corrichi Dhu herab, und eh' ich an den Felsenvorsprung käme, begegnete mir Mylord Oberrichter und riefe: ›Harry, dort ist ein tiefer Abgrund, und es thut mir leid, Euch sagen zu müssen, daß Ihr gerade hineinstürzt; aber seid nicht traurig, der Himmel kann einen Stein oder Busch geben, der Euch aufhält. Indeß dacht' ich, es würde Euch tröstlich sein, das Schlimmste zu wissen, was Ihr bald sehen werdet. Ich weiß nicht, wie viel Hundert Fuß tief der Abgrund ist, aber Ihr könnt Euch davon überzeugen, sobald Ihr unten seid, denn Gewißheit ist Gewißheit. Und hört, wann kommt Ihr zum Kegelspiel?‹ Und solch Geschwätz statt eines freundlichen Versuchs, den Hals des armen Burschen zu retten! Wenn ich daran denke, könnt' ich rasend werden, meinen Hammer nehmen und rings umher Alles zusammenschlagen. Aber ich will ruhig sein, und wenn dieser hochländische Habicht, der sich einen Falken nennt, auf meine Turteltaube stößt, soll er erfahren, ob ein Bürger von Perth einen Bogen spannen kann oder nicht.«

Es war nun der Donnerstag vor dem verhängnißvollen Palmsonntag und man erwartete, daß die Kämpfer beider Parteien am nächsten Tage ankommen würden, damit sie den Sonnabend als Rasttag hätten, um sich zu erquicken und zum Kampfe vorzubereiten. Zwei oder drei von jeder Partei wurden abgeordnet, um Anweisung über die Lagerung ihrer kleinen Schaar einzuholen, und was noch sonst von Befehlen nöthig war. Harry war daher nicht überrascht, einen großen, starken Hochländer um die Gasse, in welcher er wohnte, in der Art schleichen zu sehen, wie die Bewohner eines wilden Landes die Eigenheiten eines gebildeten untersuchen. Des Waffenschmieds Herz erhob sich gegen diesen Mann wegen seines Landes, gegen das unser Perther Bürger ein natürliches Vorurtheil hegte, und besonders, da er die Kleidung des Clans Quhele an ihm wahrnahm. Der in Silber gearbeitete Zweig von Eichenlaub bezeichnete ihn als einen von der Leibwache des jungen Häuptlings, auf deren Anstrengung im nächsten Kampfe ihr Clan so viel Vertrauen setzte.

Nachdem Harry so viel bemerkt hatte, zog er sich in seine Schmiede zurück, denn der Anblick des Mannes machte seine Leidenschaft rege; und da er wußte, daß die Hochländer zu einem öffentlichen Kampfe verpflichtet waren und keine untergeordnete Fehde ausmachen durften, beschloß er, auch allen freundlichen Verkehr mit ihm zu meiden. Nach wenigen Minuten indeß, flog die Thür der Schmiede auf, und der Gäle trat mit flatterndem Tartan, was seine natürliche Größe noch erhöhte, und mit dem stolzen Schritt eines Mannes, der sich höherer Würde bewußt ist, als Alle, die ihm begegnen, herein. Er stand, sich umschauend, da, und schien zu erwarten, daß man ihn mit Verwunderung empfange. Aber Harry hatte durchaus keine Neigung, seiner Eitelkeit zu schmeicheln, und fuhr fort, ein Bruststück zu hämmern, welches auf seinem Ambos lag, als wäre er seines Gastes Gegenwart nicht gewahr.

»Ihr seid der Gow Chrom?« (der krummbeinige Schmied) sagte der Hochländer.

»Die krummbeinig zu werden wünschen, nennen mich so,« antwortete Harry.

»Will nicht beleidigen,« sagte der Hochländer; »aber sie selbst kommt, eine Rüstung zu kaufen.«

»Sie selbst mag dann mit ihren bloßen Beinen wieder abziehen,« antwortete Harry, – »ich habe keine zu verkaufen.«

»Wenn nicht in zwei Tagen Palmsonntag wäre, würde sie selbst Euch ein ander Lied singen lehren,« erwiderte der Gäle.

»Und am heutigen Tage,« sagte Harry mit derselben verächtlichen Gleichgültigkeit, »bitt' ich Euch, mir aus dem Lichte zu gehen.«

»Ihr seid ein unhöflicher Mann; aber sie selbst ist auch Fir nan ord [ein Mann des Hammers]; und sie weiß, der Schmied ist trotzig, wenn das Eisen heiß ist.«

»Wenn sie selbst ein Hammermann ist, so kann sie ihren Harnisch selber machen,« bemerkte Harry.

»Und sie selbst würde das thun, und Euch nimmer um die Sache angehen; aber man sagt, Gow Chrom, Ihr pfeift und singt Weisen über die Schwerter und Harnische, die Ihr schmiedet, welche solche Kraft haben, daß die Klingen Stahl durchhauen, wie Papier, und Panzer und Harnisch Stahllanzen zurückweisen, als wären es Nadeln.«

»Man sagt Eurer Unwissenheit allen Unsinn, den Christenmenschen nicht glauben mögen,« sagte Harry. »Ich pfeife bei meinem Werk, was mir einfällt, wie ein ehrlicher Handwerksmann, und gewöhnlich ist es die Hochlandsweise: Hoch auf die Houghmansstufen [Galgen]! Mein Hammer geht von selber nach dieser Weise.«

»Freund, es ist müssig Spiel, ein Roß zu spornen, wenn seine Beine gefesselt sind,« sagte der Hochländer stolz. »Sie selbst kann gerade jetzt nicht fechten und also ist's nicht artig, sie so zu reizen.«

»Bei Nagel und Hammer, da habt Ihr Recht,« sagte der Schmied, seinen Ton ändernd. »Aber sagt es heraus, Freund, was ist's, was Ihr von mir haben wollt? Ich habe nicht Lust, zu plaudern.«

»Einen Harnisch für ihren Häuptling, Eachin Mac Jan,« sagte der Hochländer.

»Ihr seid ein Hammermann, sagt Ihr? Versteht Ihr Etwas davon?« sagte unser Schmied, den Harnisch aus einem Kasten hervorholend, womit er sich in der letzten Zeit beschäftigt hatte.

Der Gäler betrachtete ihn mit einer Verwunderung, die mit etwas Neid gemischt war. Neugierig betrachtete er jeden Theil des Werkes, und endlich erklärte er es für das beste Waffenstück, welches er je gesehen.

»Hundert Kühe und Stiere und eine gute Heerde Schafe würde Euch ein zu leichtes Gebot sein?« sagte der Hochländer, um einen Versuch zu machen; »aber sie selbst wird dir nicht weniger bieten, komme sie dazu wie sie wolle.

»Es ist ein schönes Gebot,« erwiderte Harry; »aber Gold und Gut erkauft diesen Harnisch nicht. Ich muß mein eigenes Schwert an meiner eigenen Rüstung versuchen können; und ich gebe dieses Stahlkleid Keinem, als wer mir im freien Felde auf drei Hiebe und einen Stoß stehen will; auf diese Bedingungen gehört sie Eurem Häuptling.«

»Oho, Mann – nehmt einen Trunk und geht zu Bett«, sagte der Hochländer mit großer Verachtung. »Seid Ihr toll? Meint Ihr, der Häuptling des Clans Quhele würde kämpfen und balgen mit einem niedrigen Perther Bürgerleib wie Ihr? Still, Mann, und hört. Sie selbst will Euch mehr Ehre anthun, als Eurem Geschlecht je gebührte. Sie selbst will mit Euch um den schönen Harnisch fechten.«

»Sie muß erst beweisen, daß sie mir gleich ist,« sagte Harry mit spöttischem Lächeln.

»Wie, ich, Einer von Eachin Mac Jans Leibwache, und dir nicht gleich?«

»Ihr könnt mich versuchen, wenn Ihr wollt. Ihr sagt, Ihr seid ein Fir nan ord – wißt Ihr, wie man einen Schmiedehammer wirft?«

»Ei, freilich – fragt Ihr den Adler, ob er über den Ferragon fliegen kann?«

»Aber bevor Ihr mit mir streitet, müßt Ihr erst einen Wurf mit Einem von meiner Leibwache versuchen. – Dunter, stelle dich für die Ehre von Perth! – Und nun, Hochländer, da steht eine Reihe Hämmer – nimm, welchen du willst, und laß uns zum Garten gehen.«

Der Hochländer, der Norman nan Ord oder Normann vom Hammer hieß, bewies sein Recht zu diesem Titel, indem er den größten Hammer wählte, worüber Harry lächelte. Dunter, der starke Gefährte des Schmieds, that, was man einen ungeheuren Wurf nennt; aber der Hochländer, der sich verzweifelt anstrengte, warf einige Fuß weiter und sah Harry mit triumphirender Miene an, worüber dieser wieder lächelte.

»Wollt Ihr's besser machen?« sagte der Gäle, dem Schmied den Hammer bietend.

»Nicht mit diesem kindischen Spielzeug,« sagte Harry, »was kaum Gewicht genug hat um gegen den Wind zu fliegen. – Janniken, hole meinen Simson; oder helf' Einer von Euch dem Jungen, denn Simson ist etwas schwer.«

Der jetzt beigebrachte Hammer war um die Hälfte schwerer als jener, den der Hochländer schon von ungewöhnlichem Gewicht erwählt hatte. Norman stand erstaunt; aber noch mehr war er's, als Harry seine Stellung nahm, das gewichtige Stück weit hinter seine Hüfte schwang und seiner Hand entgleiten ließ, als würd' es von einer Wurfmaschine geschleudert. Die Luft stöhnte und pfiff, während die Masse hindurch flog. Endlich fiel sie nieder und das Eisen einen Fuß tief in die Erde, eine volle Elle jenseits des Wurfes von Norman.

Der gedemüthigte und besiegte Hochländer ging zu dem Orte, wo die Waffe lag, hob sie auf, wog sie staunend in der Hand und prüfte sie genau, als erwartete er mehr, als einen gewöhnlichen Hammer darin zu entdecken. Endlich kehrte er mit melancholischem Lächeln zum Eigenthümer zurück, achselzuckend und kopfschüttelnd, als der Schmied ihn fragte, ob er seinen Wurf nicht übertreffen wolle.

»Norman hat bei dem Spiele bereits zu viel verloren,« erwiderte er. »Sie hat ihren eignen Namen, der Hammerer, verloren. Aber arbeitet Ihr selbst, der Gow Chrom, auf dem Ambos mit dieser Pferdelast Eisen?«

»Ihr werdet sehen, Bruder,« sagte Harry, nach der Schmiede vorangehend. »Dunter,« sagte er, »zieh' mir diese Stange aus dem Ofen;« und Simson erhebend, wie er den ungeheuren Hammer nannte, bog er das Metall mit hundert Streichen von der Rechten zur Linken, – jetzt mit der rechten Hand, jetzt mit der linken, dann mit beiden, mit so viel Kraft und Geschick, daß er ein kleines, aber schön geformtes Hufeisen in der Hälfte der Zeit vollendete, die ein gewöhnlicher Schmied mit einem bequemen Werkzeuge gebraucht hätte.

»Ei, ei!« sagte der Hochländer, »und warum wolltet Ihr mit unserm jungen Häuptling fechten, der weit über Euern Stand ist, wenn Ihr auch der beste Schmied seid, der je mit Wind und Feuer arbeitete?«

»Hört an!« sagte Harry – »Ihr scheint ein guter Bursche, und ich will Euch die Wahrheit sagen: Euer Herr hat mich beleidigt, und ich gebe ihm diesen Harnisch umsonst, wenn er mit mir kämpfen will.«

»Ei, wenn er Euch beleidigt hat, muß er sich Euch stellen,« sagte der Leibgardist. »Einen Mann beleidigen, das nimmt die Adlerfeder von des Häuptlings Mütze, und wäre er der Erste in den Hochlanden, was Eachin allerdings ist, er müßte mit dem Manne fechten, den er beleidigt hat, oder es fällt eine Rose aus seinem Kranze.«

»Wollt Ihr ihn dazu bewegen,« sagte Harry, »nach dem Kampfe am Sonntag?«

»O, sie selbst wird ihr Bestes thun, wenn die Falken nicht die Gebeine ihrer selbst abzufressen bekommen; denn Ihr müßt wissen, Bruder, daß Clan Chattans Klauen sehr tief bohren.«

»Auf diese Bedingung gehört die Rüstung Eurem Häuptling,« sagte Harry; »aber ich will ihn vor König und Hof entehren, wenn er den Preis nicht zahlt.«

»Keine Furcht, keine Furcht; ich selbst will ihn zum Kampfe führen,« sagte Norman; »gewißlich.«

»Ihr werdet mir einen Gefallen thun,« erwiderte Harry; »und damit Ihr Eures Versprechens gedenken mögt, will ich Euch diesen Dolch schenken. Seht – wenn Ihr ihn gehörig gebraucht und zwischen Harnisch und Kragen Eures Feindes setzt, so wird der Wundarzt unnöthig sein.«

Der Hochländer war verschwenderisch mit seinen Danksagungen und nahm Abschied.

»Ich hab' ihm den besten Harnisch gegeben, den ich je machte,« sagte der Schmied, seine Freigebigkeit fast bereuend, »und zwar für den armseligen Preis, daß er seinen Häuptling auf einen Kampfplatz mit mir bringen will; dann mag Katharina dem gehören, der sie tapfer gewinnen kann. Aber sehr fürcht' ich, der Jüngling wird einen Ausweg finden, er müßte denn am Palmsonntag solches Glück haben, daß er einen zweiten Kampf wagt. Das ist indeß eine Hoffnung; denn schon oft hab' ich einen unreifen Burschen nach seinem ersten Kampfe emporschießen sehen, von einem Zwerge zu einem Riesentödter.«

So erwartete Harry mit wenig Hoffnung aber größter Entschlossenheit die Zeit, die sein Schicksal entscheiden sollte. Was ihn das Schlimmste besorgen ließ, war das Schweigen des Handschuhmachers und seiner Tochter. »Sie schämen sich,« sagte er, »mir die Wahrheit zu gestehen und daher schweigen sie.«

Am Freitag Mittag kamen die beiden Schaaren, jede dreißig Mann stark, welche die streitenden Clans vertraten, bei den verschiedenen Punkten an, wo sie zur Erholung Halt machen sollten.

Der Clan Quhele wurde gastlich in der reichen Abtei Scone bewirthet, während der Oberrichter die Gegner in seinem Schlosse Kinfauns aufnahm. Die äußerste Sorgfalt ward angewendet, um beide Parteien mit der pünktlichsten Aufmerksamkeit zu behandeln und keinen Anlaß zu geben, daß sie sich über Parteilichkeit beklagen könnten. Alle Punkte der Etikette wurden indessen von dem Lord Großconnetable, Grafen Errol, und dem Grafen von Crawford geordnet, indem Ersterer für den Clan Chattan sprach, während der Letztere des Clans Quhele Vertreter war. Boten gingen beständig von dem einen Grafen zum andern, und sie hielten mehr als sechs Zusammenkünfte in dreißig Stunden, ehe das Ceremoniel des Kampfes vollständig geordnet werden konnte.

Unterdessen befahl, für den Fall einer Erneuerung alten Streites, wozu viel Samen zwischen den Bürgern und ihren hochländischen Nachbarn vorhanden war, eine Bekanntmachung den Bürgern, sich nicht über eine halbe Meile dem Orte zu nähern, wo die Hochländer einquartiert waren, während hinsichtlich der Letztern die bestimmten Streiter genöthigt waren, eine Annäherung an Perth ohne besondere Erlaubniß zu meiden. Truppen waren zur Vollziehung des Befehls aufgestellt, die ihre Pflicht so gewissenhaft thaten, daß sie selbst Simon Glover, einen ächten Bürger von Perth, hinderten in die Stadt zu kommen, weil er gestand, mit Eachin Mac Jan's Kämpfern angelangt zu sein und ein Plaid nach ihrem Muster trug. Dies machte es dem Handschuhmacher unmöglich, Harry Wynd aufzusuchen und ihn von Allem, was seit ihrer Trennung vorgegangen, genau zu unterrichten; ein Gespräch, dessen Stattfinden das Ende unserer Erzählung wesentlich geändert haben würde.

Am Sonnabend Nachmittag kam noch Jemand an, der die Stadt fast ebensosehr interessirte, als die Vorbereitungen zum bevorstehenden Kampfe. Dies war der Graf von Douglas, der durch die Stadt ritt mit einer Schaar von nur dreißig Reitern, von denen aber Alle Ritter und Herren des ersten Ranges waren. Aller Augen folgten diesem gefürchteten Grafen, wie man den Flug des Adlers durch die Wolken verfolgt, unfähig, den Lauf von Jupiters königlichem Vogel zu erkennen, aber schweigend, aufmerksam und so ernst in der Betrachtung, als könnte man den Grund errathen, warum er am Firmamente dahin eilt. Er ritt langsam durch die Stadt und zog durch das nördliche Thor hinaus. Am Dominikanerkloster stieg er ab und verlangte den Herzog von Albany zu sehen. Der Graf wurde sogleich eingeführt und vom Herzog auf eine Weise empfangen, die einnehmend und gefällig sein sollte, aber beim ersten Anblick Verstellung und Unruhe verrieth. Nachdem die ersten Begrüßungen vorüber, sagte der Graf mit großem Ernst: »Ich bringe Euch traurige Nachrichten. Euer königlicher Neffe, der Herzog von Rothsay, ist nicht mehr, und ich fürchte, er ist durch schändliche Anschläge zu Grunde gegangen.«

»Anschläge!« sagte der Herzog verwirrt, »was für Anschläge? – Wer wagt Anschläge gegen den Erben des schottischen Thrones?«

»Es ist nicht meine Sache, diese Zweifel zu erklären,« sagte Douglas – aber die Leute sagen, der Adler ward mit einem Pfeil getödtet, der mit seiner eigenen Schwinge befiedert war, und der Eichstamm ward durch einen Keil des nämlichen Holzes gespalten.«

»Graf von Douglas,« sagte der Herzog von Albany, »ich verstehe keine Räthsel.«

»Und ich gebe keine aus,« sagte Douglas hochfahrend. »Eure Hoheit wird Umstände in diesen Papieren finden, die des Durchlesens werth sind. Ich will eine halbe Stunde nach dem Klostergarten gehen und dann wieder zu Euch kommen.«

»Ihr geht nicht zum König, Mylord?« fragte Albany.

»Nein,« antwortete Douglas; »ich hoffe, Eure Hoheit wird mir beistimmen, daß wir dies große Familienunglück unserem Monarchen verbergen, bis die Sache des morgenden Tages entschieden ist.«

»Gern stimm' ich bei,« sagte Albany. »Wenn der König von diesem Verluste hörte, könnte er nicht Zeuge des Kampfes sein; und wenn er nicht in Person erscheint, werden die Leute sich wahrscheinlich weigern zu fechten, und die ganze Sache ist aufgelöst. Ich bitte, setzt Euch, Mylord, während ich diese traurigen Papiere in Betreff des armen Rothsay lese.«

Er ging die Papiere in seinen Händen durch, einige flüchtig überlaufend und auf andern weilend, wie wenn ihr Inhalt von größter Wichtigkeit wäre. Als er fast eine Viertelstunde auf diese Weise zugebracht hatte, erhob er die Augen und sagte sehr ernst: »In diesen höchst traurigen Dokumenten ist wenigstens der Trost, daß ich nichts darin sehen kann, was die Spaltungen im Staatsrath erneuern dürfte, die durch den letzten feierlichen Vertrag zwischen Eurer Herrlichkeit und mir beigelegt wurden. Mein Unglücklicher Neffe sollte demzufolge bei Seite gebracht werden, bis die Zeit ihm mehr Ernst und Urtheilskraft gäbe. Er ist jetzt durch das Schicksal entfernt, das unserer Absicht hierbei zuvorkam und unser Handeln unnöthig machte.«

»Wenn Eure Hoheit,« erwiderte der Graf, »nichts sieht, was das gute Einverständniß zwischen uns stört, auf dem die Ruhe und Sicherheit Schottlands beruht, so bin ich kein so schlechter Freund meines Vaterlandes, um dergleichen zu suchen.«

»Ich versteh' Euch nicht, Mylord von Douglas,« sagte Albany schnell. »Ihr urtheilt zu rasch, wenn Ihr meint, ich würde mich von Eurer Herrlichkeit beleidigt fühlen, weil Ihr Eure Macht als Statthalter gebrauchtet, und die elenden Mörder auf meinem Gebiete zu Falkland straftet. Glaubt, ich bin vielmehr Eurer Herrlichkeit Dank schuldig, daß Ihr mir die Bestrafung der Elenden abnahmt, da es mir das Herz gebrochen hätte, sie nur zu sehen. Das schottische Parlament wird ohne Zweifel ihre ruchlose That untersuchen, und glücklich schätz' ich mich, daß das Racheschwert in der Hand eines so gewichtigen Mannes, wie Eure Herrlichkeit, war. Unser Beschluß ging, wie Ihr Euch erinnern werdet, nur bis zum Vorschlag der Haft unseres unglücklichen Neffen, bis einige Jahre ihn Klugheit gelehrt hätten.«

»Dies war allerdings Eurer Hoheit Vorschlag, wie er mir ausgedrückt wurde,« sagte der Graf; »das kann ich bezeugen.«

»Nun, edler Graf, dann kann uns kein Tadel treffen, weil Schurken zu ihrem eigenen rachsüchtigen Zwecke unserer guten Absicht ein Ziel gesetzt haben.«

»Das Parlament wird nach seiner Weisheit entscheiden,« sagte Douglas. »Was mich anlangt, mein Gewissen spricht mich frei.«

»Und meines beruhigt mich,« sagte der Herzog feierlich. »Nun, Mylord, was die Vormundschaft des Knaben Jakob anlangt, der seines Vaters Erbe sein soll, wie steht es damit?«

»Der König muß das entscheiden,« sagte Douglas, den das Gespräch ungeduldig machte. »Meinetwegen wohne er, wo es sei, nur nicht zu Stirling, Doune oder Falkland.«

Damit verließ er das Gemach sofort.

»Er ist fort,« murmelte der schlaue Albany, »und er muß mein Verbündeter sein – doch er fühlt sich geneigt, mein Todfeind zu werden. Gleichviel – Rothsay schläft bei seinen Vätern – Jakob kann bald folgen, und dann – vergütet eine Krone meine Verlegenheiten.«

Vierunddreißigstes Kapitel

– Dreißig gegen Dreißig fochten in Schranken


Zu Perth eines Tags unweit der Dominikaner.


Wyntoun.

Palmsonntag dämmerte nun. In einer früheren Periode der christlichen Kirche würde es für eine des Bannes würdige Entweihung gegolten haben, wenn man einen Tag der Passionswoche zu einem Kampfe benutzt hätte. Die römische Kirche hatte, zu ihrer unendlichen Ehre, entschieden, daß während der heiligen Osterzeit, wo der Mensch aus seinem gefallenen Zustande erlöst worden, das Kriegsschwert in der Scheide ruhen und zornige Fürsten die Zeit achten sollten, welche Gottesfriede hieß. Die wilde Heftigkeit der letzten Kriege zwischen Schottland und England hatte alle Rücksicht auf diese sittliche und religiöse Anordnung vernichtet. Sehr oft mißbrauchte eine Partei die feierlichsten Gelegenheiten zu einem Angriff, weil sie einander in frommer Andacht und unvorbereitet zur Vertheidigung zu finden hofften. So war der Gottesfriede, den man früher der Zeit, wo er galt, angemessen fand, unterbrochen, und es war selbst nicht ungebräuchlich, die heiligen Feste der Kirche zur Entscheidung der Kampfprobe zu wählen, mit welcher der bevorstehende Streit eine bedeutende Aehnlichkeit hatte.

In gegenwärtigem Falle wurden indeß die Pflichten des Tages mit üblicher Feierlichkeit beobachtet, und die Kämpfer selbst nahmen daran Theil. Eibenzweige in den Händen tragend, als die passendsten Stellvertreter der Palmenzweige, zogen sie ehrfurchtsvoll nach dem Dominikaner- und Karthäuserkloster, um das Hochamt zu hören und sich wenigstens durch einen Anschein von Frömmigkeit auf den blutigen Streit des Tages vorzubereiten. Daher war wohl dafür gesorgt, daß sie während dieses Zuges einander selbst nicht so nahe kamen, daß eine Partei die Sackpfeifen der andern hören konnte; denn es war gewiß, daß sie gleich Streithähnen, die auffordernd einander ankrähen, sich gesucht und angegriffen hätten, ehe man auf dem Kampfplatz anlangte.

Die Bürger von Perth drängten sich auf den Straßen, den ungewöhnlichen Aufzug zu sehen, und erfüllten die Kirche, worin die Clans ihre Andacht verrichteten, um ihr Benehmen zu beobachten und aus ihrem Äußern die Wahrscheinlichkeit des Sieges für die eine Partei zu erkennen. Ihr Benehmen in der Kirche war, so selten sie auch sonst ähnliche Orte besuchten, höchst würdig, und es waren, trotz ihrer wilden und ungebändigten Natur, doch wenige Hochländer, die Verwunderung oder Neugier blicken ließen. Sie schienen es unter ihrer Würde zu achten, Staunen oder Überraschung bei vielen Dingen zu äußern, die sie wahrscheinlich zum ersten Male erblickten.

Hinsichtlich des Ausganges des Streites wagten selbst nur wenige der kompetentesten Richter eine Meinung auszusprechen; obwohl die große Gestalt Torquils und seiner acht gewaltigen Söhne Einge, die sich für Kenner menschlicher Kraft hielten, geneigt machte, dem Clan Quhele den Vortheil zuzusprechen. Die Meinung des weiblichen Geschlechts wurde hauptsächlich durch die schöne Gestalt, die edlen Züge und das ritterliche Benehmen Eachin Mac Jans bestimmt. Mehr als Eine glaubte sich seiner Züge zu erinnern, aber sein glänzender Kriegeranzug machte den niedrigen Lehrling des Handschuhmachers unkenntlich in dem jungen Hochländerhäuptling, außer für eine Person.

Diese Person war, wie man vermuthen kann, der Schmied vom Wynd, der voran unter der Menge gewesen war, welche sich drängte, die tapferen Streiter des Clans Quhele zu sehen. Mit gemischten Gefühlen von Mißfallen, Eifersucht und einer Art Bewunderung betrachtete er den Lehrling des Handschuhmachers, der seine gemeine Kleidung abgelegt hatte und als ein Häuptling glänzte, der durch sein schnelles Auge und ritterliches Benehmen, die edle Stirn und den stolzen Nacken, die glänzende Rüstung und die wohlgebauten Glieder als ein Mann erschien, der wohl verdiente, den ersten Rang unter Männern einzunehmen, die erwählt waren, für die Ehre ihres Stammes zu leben oder zu sterben. Der Schmied konnte kaum glauben, daß er denselben leidenschaftlichen Knaben sah, den er von sich geschüttelt hatte, wie etwa eine Wespe, die ihn stach, und den er aus bloßem Mitleiden nicht zu Boden trat.

»Er sieht stattlich aus mit meinem schönen Harnisch,« so murmelte Harry für sich, »den besten, den ich je machte. Ständ' ich aber mit ihm zusammen, wo keine Hand hälfe, kein Auge zusähe, bei Allem, was heilig ist in dieser Kirche, der gute Harnisch sollte dann zu seinem Eigner zurückkehren! Alles, was ich werth bin, wollte ich um drei oder vier schöne Hiebe auf seine Schulter geben, um mein bestes Werk zu verderben; aber solches Glück wird mir nimmer zu Theil. Entkommt er aus dem Kampfe, so ist der Ruhm seines Muthes so gegründet, daß er es wohl verachten kann, sein neues Glück durch Zweikampf mit einem armen Bürger, wie ich, in Gefahr zu setzen. Er wird mir einen Kämpfer stellen, und zwar meinen Zunftgenossen, den Hammerer, wobei mein ganzer Gewinn sein kann, einen Hochländer Ochsen vor den Kopf zu schlagen. Wenn ich nur Simon Glover sehen könnte! – Ich will nach der andern Kirche, um ihn zu suchen, denn sicherlich muß er aus dem Hochland herunter sein.«

Die Gemeinde ging aus der Kirche der Dominikaner, als der Schmied seinen Entschluß faßte, den er eilig auszuführen trachtete, indem er sich so schnell durch die Menge drängte, als die Gelegenheit und die Würde des Ortes gestattete. Indem er sich Bahn durch's Gedränge machte, kam er auf einmal so nahe an Eachin, daß ihre Augen sich begegneten. Des Schmieds kühnes, braunes Gesicht färbte sich wie das glühende Eisen, das er bearbeitete, und behielt die dunkle Röthe mehrere Minuten. Eachin's Züge glühten von der helleren Glut des Zornes, und ein Blick voll feurigen Hasses schoß aus seinen Augen. Aber das schnelle Erröthen schwand in aschgraue Blässe und sein Auge mied sogleich den unwilligen, aber festen Blick, der ihm begegnete.

Torquil, dessen Auge seinen Pflegesohn nie verließ, sah seine Aufregung und schaute ängstlich um sich, um den Grund zu entdecken. Aber Harry war bereits fern, und eilte weiter nach dem Karthäuserkloster. Auch hier war der heutige Gottesdienst geendet, und die, welche vor Kurzem zum Andenken der großen Begebenheit, welche Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen brachte, Palmen getragen hatten, strömten auf den Kampfplatz, theils in der Absicht, ihren Mitmenschen das Leben zu nehmen, oder es selbst zu verlieren, theils den tödtlichen Kampf mit dem rohen Vergnügen zu betrachten, das die Heiden an den Gefechten ihrer Gladiatoren fanden.

Die Menge war so groß, daß jede andere Person gezweifelt haben würde, hindurchzukommen. Aber die allgemeine Ergebung, die man Harry vom Wynd schenkte, als dem Kämpfer von Perth, und das allgemeine Bewußtsein, er sei fähig, sich den Weg zu erzwingen, veranlaßte Alle, ihm Platz zu machen, so daß er sich ganz dicht bei den Streitern des Clans Chattans befand. Ihre Pfeifer zogen an der Spitze ihres Zuges. Hierauf folgte das wohlbekannte Banner, die springende Bergkatze darstellend, mit der geeigneten Warnung: »Rühre die Katze nicht ohne den Handschuh an.« Der Häuptling folgte mit erhobenem zweihändigen Schwerte, als wollte er das Sinnbild seines Stammes beschützen. Er war ein Mann von mittlerer Größe, mehr als fünfzig Jahre alt, der aber weder in Mienen noch Gestalt eine Abnahme oder ein Zeichen des Alters verrieth. Sein dunkelrothes krauses Haar war zum Theil mit grauen Locken gemischt, aber sein Schritt und seine Bewegung waren so leicht im Kampfe, auf der Jagd, oder im Tanze, als wär' er noch nicht über das dreißigste Jahr hinaus. Ans seinem grauen Auge glänzte ein wildes Feuer des Muthes mit Trotz verbunden, aber Weisheit und Erfahrung wohnte augenscheinlich auf seiner Stirn, seinen Brauen und Lippen. Die erwählten Streiter folgten ihm paarweise. Es war ein ängstlicher Zug auf den Gesichtern von Vielen bemerkbar, denn sie hatten diesen Morgen die Abwesenheit eines Mannes aus der bestimmten Zahl bemerkt, und in einem so verzweifelten Kampfe schien dieser Verlust Allen bedeutend, außer dem hochherzigen Häuptling Mac Gillie Chattanach.

»Sagt den Sachsen nichts von seiner Abwesenheit,« sagte dieser kühne Führer, als man ihm die Verminderung seiner Schaar berichtete. »Die falschen niederländischen Zungen könnten sagen, daß Einer vom Clan Chattan ein Feiger war, und daß die Uebrigen vielleicht seine Flucht begünstigt haben, um einen Vorwand zur Vermeidung des Kampfes zu finden. Ich weiß, daß Ferquhard Day sich gewiß in den Reihen zeigen wird, ehe wir zum Kampfe bereit sind; oder wenn das nicht geschieht, bin ich nicht Mannes genug für Zwei vom Clan Quhele? oder würden wir nicht lieber Fünfzehn gegen Dreißig kämpfen, als den Ruhm verlieren, den dieser Tag uns bringt?«

Der Stamm vernahm mit Beifall die muthige Rede seines Führers, doch blickten Manche besorgt umher, in der Hoffnung, den Flüchtigen zurückkehren zu sehen, und vielleicht war der Häuptling der Einzige in der muthigen Schaar, den der Umstand gar nicht kümmerte.

Sie zogen vorwärts durch die Straßen, ohne Etwas von Ferquhard Day zu sehen, der viele Meilen jenseits der Berge beschäftigt war, eine solche Entschädigung für den Verlust der Ehre zu empfangen, als glückliche Liebe gewähren konnte. Mac Gillie Chattanach zog voran, ohne seine Abwesenheit zu bemerken, wie es schien; er betrat den nördlichen Anger, eine schöne Ebene dicht bei der Stadt, die zu den Waffenübungen der Bürger eingerichtet war.

Diese Fläche war auf einer Seite von dem tiefen wogenden Tay bespült. Hier war ein starker Pallisadenzaun errichtet, der von drei Seiten einen Platz von hundertundfünfzig Yards Länge und vierundsiebzig Yards Breite umschloß. Die vierte Seite der Schranken hielt man durch den Fluß für hinreichend gedeckt. Ein Amphitheater für die Zuschauer lief rings um die Schranken, welches einen großen Raum für Bewaffnete zu Roß und Fuß und für die gemeinen Zuschauer frei ließ. Am Ende der Schranken war eine Reihe erhöhter Balkone für den König und den Hof, so sehr mit ländlichem Laubwerk und vergoldeten Zierrathen geschmückt, daß der Platz bis auf den heutigen Tag die goldene oder vergoldete Laube heißt.

Die hochländischen Musiker, welche die geeigneten Pibrochs oder Schlachtweisen der jederseitigen Partei gespielt hatten, schwiegen, als sie den Anger betraten, denn so lautete der gegebene Befehl. Zwei stattliche aber bejahrte Krieger, jeder das Banner seines Stammes tragend, schritten an die entgegengesetzten Seiten der Schranken und steckten ihre Standarten in die Erde, bereit, die Zuschauer eines Gefechtes zu sein, woran sie nicht Theil nahmen. Die Pfeifer, die gleichfalls neutral im Kampfe sein sollten, nahmen ihre Plätze bei ihren Brattachs ein.

Die Menge empfing beide Schaaren mit dem allgemeinen Geschrei, womit sie bei ähnlichen Gelegenheiten diejenigen begrüßt, von deren Bemühungen sie Unterhaltung, oder, wie sie sich ausdrückt, Spaß erwartet. Die erwählten Kämpfer erwiderten diesen Gruß nicht, sondern jede Schaar begab sich nach entgegengesetzten Seiten der Schranken, wo sich Eingänge befanden, durch die sie in's Innere gelassen werden sollten. Eine starke Abtheilung Bewaffneter bewachte jeden Eingang; und der Graf Marschall auf der einen, der Lord Großconnetable auf der andern Seite untersuchten sorgfältig jeden Einzelnen, ob er die gehörigen Waffen, nämlich Helm, Panzer, zweihändiges Schwert und Dolch führe. Auch zählten sie beide Schaaren, und groß war der Schrecken des Volkes, als der Graf von Errol die Hand emporhielt und rief: – »Ho! – der Kampf kann nicht beginnen, denn dem Clan Chattan fehlt ein Mann.«

»Was thut das?« sagte der junge Graf von Crawford; »sie hätten besser zählen sollen, ehe sie von Hause gingen.«

Der Graf Marschall stimmte indeß dem Connetable bei, daß das Gefecht nicht vor sich gehen könne, bis die Ungleichheit beseitigt sei, und allgemein regte sich die Besorgniß unter der versammelten Menge, daß nach all' den Zurüstungen kein Kampf stattfinden werde.

Von allen Anwesenden waren vielleicht nur Zwei, die sich bei der Aussicht, daß der Kampf vertagt werden solle, freuten; und diese waren der Häuptling des Clans Quhele und der weichherzige König Robert. Inzwischen begegneten sich die beiden Häuptlinge, jeder von einem besondern Freund und Rathgeber begleitet, in der Mitte des Platzes, während ihnen in der Berathung, was zu thun sei, der Graf Marschall, der Lord Großconnetable, der Graf Crawford und Sir Patrick Charteris beistanden. Der Häuptling des Clans Chattan erklärte, daß er gern und willig auf der Stelle kämpfen wolle, ohne Rücksicht auf die ungleiche Zahl.

»Das,« sagte Torquil von der Eiche, »wird der Clan Quhele nimmer zugeben. Ihr könnt nimmer bei uns Ehre gewinnen mit dem Schwerte, und sucht nur eine Ausflucht, um, wenn ihr geschlagen seid (was geschehen wird, wie ihr wißt), sagen zu können, dies sei wegen der kleinen Zahl geschehen. Aber ich thue einen Vorschlag – Ferquhard Day war der Jüngste eurer Schaar, Eachin Mac Jan ist der Jüngste der Unsern – wir wollen ihn für den Mann weglassen, der dem Kampfe entflohen ist.«

»Ein höchst unbilliger und ungerechter Vorschlag,« rief Toshach Beg, der Secundant, wie man ihn nennen konnte, Mac Gillie Chattanachs. »Das Leben des Häuptlings ist für den Clan der Lebensodem, und nimmer dulden wir, daß unser Häuptling den Gefahren ausgesetzt werde, welche der Häuptling des Claus Quhele nicht theilt.«

Torquil sah mit großer Besorgniß, daß sein Plan scheitern wollte, als man diesen Einwand gegen Hektors Wegbleiben aus dem Kampfe machte; und er sann nach, wie sich sein Vorschlag unterstützen ließe, als sich Eachin selbst einmischte. Seine Furchtsamkeit war, wie man bemerken muß, nicht von der schmutzigen und selbstsüchtigen Art, die diejenigen, welche von ihr angesteckt sind, ruhig der Schande sich unterziehen läßt, ehe sie sich in Gefahr wagen. Er war im Gegentheil von moralischem Muthe beseelt, aber durch körperliche Anlage feig, und die Scham, den Kampf zu meiden, war in dem Augenblicke mächtiger, als die Furcht vor demselben.

»Ich will,« sagte er, »nichts von einem Plane hören, der während des glorreichen Kampfes dieses Tages mein Schwert ruhig in der Scheide läßt. Wenn ich jung in Waffen bin, so sind genug tapfere Männer um mich, denen ich nachahmen kann, wenn ich ihnen nicht gleichzukommen vermag.«

Er sprach diese Worte mit einem Feuer, das auf Torquil und vielleicht auf den jungen Häuptling selbst Eindruck machte.

»Nun, Gott segne dein edles Herz,« sagte der Pflegevater zu sich selbst. »Ich wußte gewiß, daß der schnöde Zauber gebrochen werden würde, und daß der träge Geist, der ihn gefangen hielt, beim Klange der Pfeife und beim ersten Wehen des Brattach weichen müßte!«

»Hört mich, Lord Marschall,« sagte der Connetable. »Die Stunde des Kampfes kann nicht länger verschoben werden, denn es ist hoch am Mittag. Laßt den Häuptling des Clan Chattan die übrige halbe Stunde nützen, um einen Vertreter für seinen Flüchtling zu finden; kann er's nicht, so mögen sie fechten, wie sie dasteh'n.«

»Ich bin's zufrieden,« sagte der Marschall, »wiewohl, da Keiner von seinem eigenen Clan näher als fünfzig Meilen ist, ich nicht einsehe, wie Mac Gillie Chattanach einen Helfer finden soll.«

»Das ist seine Sache,« sagte der Großconnetable; »aber wenn er einen hohen Lohn bietet, so gibt's genug rüstige Yeomen um die Schranken, die froh sein werden, ihre Glieder in einem solchen Kampfspiel zu regen. Ich selber, wenn Stand und Amt es erlaubten, würde gern unter diesen wilden Burschen fechten, und es mir zur Ehre anrechnen.«

Sie theilten ihre Entscheidung den Hochländern mit, und der Häuptling des Clans Chattan erwiderte: »Ihr habt unparteiisch und edel geurtheilt, Mylord, und ich halte mich für verpflichtet, Eurer Weisung zu folgen. – So macht bekannt, Herolde, daß wenn Einer an den Ehren und Schicksalen des Clans Chattan heute Theil nehmen will, er sofort eine Goldkrone erhalten und die Freiheit haben soll, bis auf den Tod in meinen Reihen zu fechten.«

»Ihr seid etwas karg mit Eurem Schatze, Häuptling,« sagte der Graf Marschall; »eine Goldkrone ist ein geringer Lohn für einen solchen Kampf.«

»Wenn Jemand da ist, der um Ehre fechten will,« erwiderte Mac Gillie Chattanach, »so ist der Preis hoch genug; und ich kann den Dienst eines Kerls nicht brauchen, der sein Schwert allein für Gold zieht.«

Die Herolde schritten vor, gingen halb um die Schranken herum und hielten von Zeit zu Zeit still, um nach dem erhaltenen Befehl den Aufruf hören zu lassen, ohne daß sich bei irgend Jemand die mindeste Neigung zu zeigen schien, der Werbung folgen zu wollen. Einige spotteten über die Armseligkeit der Hochländer, die einen so niedrigen Preis für einen so verzweifelten Dienst boten. Andere waren unwillig, daß sie das Blut der Bürger so niedrig anschlugen. Keiner zeigte die mindeste Neigung, das Anerbieten anzunehmen, bis der Lärm des Ausrufers Harry vom Wynd erreichte, der, von Zeit zu Zeit mit dem Bailie Craigdallie sprechend, oder vielmehr zerstreut anhörend, was ihm diese Magistratsperson erzählte, an den Schranken stand.

»Ha! was rufen sie aus?« rief er.

»Ein freigebiges Anerbieten von Seiten Mac Gillie Chattanachs,« sagte der Wirth aus dem Greif; »derselbe bietet eine Goldkrone Jedem, der es heute mit der wilden Katze halten und sich in ihrem Dienst ein Bißchen todtschlagen lassen will! Das ist Alles.«

»Wie!« rief der Schmied eifrig, »fordern sie einen Mann, um gegen den Clan Quhele zu fechten?«

»Ja, das thun sie wahrhaftig,« sagte Greif; »aber ich denke, solche Narren werden sie in Perth nicht finden.«

Er hatte das Wort bereits gesagt, als er sah, wie der Schmied mit einem Sprunge in den Schranken stand und sagte: »Hier bin ich, Sir Herold, Harry vom Wynd, bereit zum Kampfe auf Seiten des Clans Chattan.«

Ein Schrei der Verwunderung lief durch die Menge, während die ersten Bürger nicht den geringsten Grund finden konnten für Harry's Benehmen, und daher schlossen, sein Kopf müsse ganz verdreht vor Kampflust sein. Der Oberrichter war besonders betroffen. »Du bist toll!« sagte er, »Harry! Du hast weder ein zweihändiges Schwert, noch Panzer.«

»Freilich nicht,« sagte Harry, »denn ich trennte mich von einem Panzer, den ich für mich gemacht, und ließ ihn jenem hübschen Häuptling des Clans Quhele, der bald auf seinen Schultern fühlen soll, mit was für Hieben ich an meinen Ringen rassele! Was das zweihändige Schwert anlangt, so wird mir dieser Kindersäbel genügen, bis ich mir eine schwerere Waffe erbeute.«

»Das darf nicht geschehen,« sagte Errol. »Hör', Waffenschmied, bei St. Maria, du sollst meinen Mailänder Harnisch und mein gutes spanisches Schwert haben.«

»Ich danke Eurer Herrlichkeit, Sir Gilbert Ray; aber die Wehr, womit Euer tapferer Ahn die Schlacht von Loncarty gewann, würde mir wohl auch genügen. Ich bin wenig gewöhnt an Schwert oder Harnisch, die ich nicht selber gemacht habe, weil ich nicht genau weiß, welche Hiebe der Eine aushält, ohne zu brechen, oder der Andere austheilt, ohne zu springen.«

Der Lärm hatte sich unterdessen unter der Menge verbreitet und war in die Stadt gedrungen, daß der tapfere Schmied im Begriff sei, ohne Rüstung zu fechten, als, just wie sich die verhängnißvolle Stunde näherte, der gellende Schrei eines Weibes gehört ward, welches sich schreiend durch die Menge drängte. Das Volk gab ihrer Zudringlichkeit Raum und sie trat, athemlos vor Eile, unter der Last eines Harnisches und großen zweihändigen Schwertes heran. Man erkannte bald Oliver Proudfute's Wittwe, und die Rüstung, die sie trug, war Harry Schmieds eigene, die ihr Gatte an dem armseligen Abend seiner Ermordung getragen, die natürlich mit dem Leichnam nach Hause gebracht worden war, und die nun durch die Anstrengungen der dankbaren Wittwe in dem Augenblick in die Schranken gebracht wurde, da so erprobte Waffen sehr wichtig für ihren Besitzer waren. Harry empfing mit Vergnügen die wohlbekannte Rüstung, und die Wittwe nahm, nachdem sie zitternd vor Hast sie ihm anlegen geholfen, mit den Worten Abschied: »Gott mit dem Kämpfer für Wittwen und Waisen, und Unglück Allen, die ihm entgegenstehen!«

Sich vertrauensvoll in seiner wohlerprobten Rüstung fühlend, schüttelte sich Harry, als wollte er das Stahlkleid am Körper anschmiegen lassen, und das große zweihändige Schwert entblößend, schwang er es über seinem Kopfe, die Luft, welche dabei pfiff, in Form einer Achte durchschneidend, und zwar mit so leichter und gewandter Hand, daß man sah, wie kräftig und geschickt er die gewichtige Waffe zu führen verstand. Die Kämpfer erhielten nun Befehl, in Ordnung um die Schranken zu ziehen, so jedoch, daß sie einander nicht begegneten, während sie, bei der goldenen Laube, wo der König saß, vorübergehend, sich verbeugten.

Während dieser Zug Statt fand, verglichen die meisten Zuschauer wieder neugierig die Gestalt, Glieder und Sehnen der beiden Parteien und bemühten sich, den wahrscheinlichen Ausgang des Streites vorauszusagen. Eine hundertjährige Fehde, mit all ihren Angriffen und Wiedervergeltungen, concentrirte sich im Busen eines jeden Streiters. Ihre Mienen schienen zum wildesten Ausdruck des Stolzes, Hasses und des verzweifelten Entschlusses, bis auf's Aeußerste zu kämpfen, gebracht zu sein.

Die Zuschauer murmelten freudig Beifall, in hochgespannter Erwartung des blutigen Spieles. Wetten wurden geboten und angenommen über den Streit im Allgemeinen und die Thaten einzelner Kämpfer. Der helle, freie und stolze Blick Harry Schmieds machte ihn zum Liebling aller Anwesenden, und ungleiche Wetten wurden darauf eingegangen, daß er drei Gegner tödten würde, ehe er selbst fiele. Kaum war der Schmied zum Kampfe gerüstet, als der Befehl der Anführer die Kämpfer an ihre Plätze stellte, und in demselben Augenblick hörte er Simon Glovers Stimme aus dem Volke, das vor Erwartung schwieg, rufen : »Harry Schmied, Harry Schmied, welcher Wahnsinn hat dich befallen?«

»Ja, er will seinen hoffnungsvollen Schwiegersohn retten, das heißt nämlich aus des Schmieds Händen,« war Harry's erster Gedanke – sein zweiter war, sich umzudrehen und ihn anzureden – und sein dritter, daß er unter keinem Vorwande die Schaar verlassen könnte, zu der er sich gesellt, ja, daß es auch nicht mit der Ehre verträglich sei, wenn er wünsche, das Gefecht zu verschieben.

Er wendete sich daher dem Werke dieser Stunde zu. Beide Parteien waren von ihren Häuptlingen in drei Linien, jede zu zehn Mann, getheilt. Sie waren neben einander gestellt, daß zwischen den Einzelnen immer Raum genug blieb, um ein Schwert zu schwingen, dessen Klinge, ohne den Griff, fünf Fuß lang war. Die zweite und dritte Reihe diente als Rückhalt, wenn die erste unglücklich war. Rechts in der Schlachtordnung des Clans Quhele stand der Häuptling Eachin Mac Jan, in der zweiten Reihe zwischen zweien seiner Pflegebrüder. Vier von ihnen nahmen die rechte Seite der ersten Linie ein, indeß der Vater und zwei andere Brüder den Rücken des geliebten Häuptlings deckten. Torquil besonders hielt sich ganz nahe an Eachin, um ihn zu schirmen. So stand dieser mitten unter den neun stärksten Männern seiner Schaar, indem er vier treffliche Vertheidiger vor sich, einen auf jeder Seite und drei hinter sich hatte.

Die Linien des Clans Chattan waren genau auf die nämliche Weise geordnet, nur daß der Häuptling das Centrum der mittelsten Reihe einnahm, statt zur äußersten Rechten zu stehen. Dies bewog Harry Schmied, der unter den beiden Schaaren nur einen Feind sah, und zwar den unglücklichen Eachin, vorzuschlagen, daß er in die erste Reihe des linken Flügels des Clan Chattan gestellt würde. Aber der Anführer mißbilligte dies, und nachdem er Harry erinnert hatte, daß er ihm Gehorsam schuldig sei, weil er Sold von ihm erhalte, befahl er ihm, den Platz in der dritten Linie gerade hinter ihm selbst einzunehmen, ein Ehrenplatz, den Harry nicht ablehnen konnte, obwohl er ihn mit Widerstreben einnahm.

Als die Clans so einander gegenüber aufgestellt waren, zeigten sie ihre Fehdelust und ihre Begier zum Kampfe durch ein wildes Geschrei an, welches, vom Clan Quhele ausgestoßen, der Clan Chattan zur Antwort wiederhallen ließ, indem Alle zu gleicher Zeit ihre Schwerter schüttelten und einander drohten, als wenn sie die Einbildungskraft ihrer Gegner besiegen wollten, bevor sie den Streit wirklich begönnen.

In diesem Augenblicke der Prüfung wurde Torquil, der nie für sich selbst gefürchtet hatte, von Unruhe ergriffen, hinsichtlich seines Pflegesohnes, tröstete sich jedoch, indem er bemerkte, daß er eine entschlossene Miene zeigte, und daß die wenigen Worte, die er zu seinem Clan sprach, kühn geäußert wurden und wohlberechnet waren, sie zum Kampfe zu ermuthigen, da sie seinen Entschluß ausdrückten, ihr Schicksal zu Tod oder Sieg zu theilen. Aber es war keine Zeit zu fernerer Beobachtung. Die Trompeten des Königs tönten zum Angriff, die Sackpfeifen ließen ihre schmetternden, betäubenden Töne hören, und die Streiter, in regelmäßiger Ordnung vorschreitend und ihren Schritt bis zum schnellen Laufe beschleunigend, trafen mitten im Kampfplatze zusammen, wie ein wüthender Landstrom der nahenden Meerfluth begegnet.

Einige Augenblicke schienen die vordersten Reihen, mit ihren langen Schwertern gegen einander hauend, in einer Folge einzelner Kämpfe begriffen; aber die zweite und dritte Reihe kamen von beiden Seiten, angetrieben durch die Gier des Hasses und den Durst nach Ehre, drängten sich durch die Zwischenräume und machten die Scene zu einem lärmenden Chaos, über dem die gewaltigen Schwerter stiegen und sanken, einige immer blinkend, andere von Blut überströmt; sie schienen bei der seltsamen Schnelle, mit der sie geschwungen wurden, eher durch verwickelte Maschinen in Bewegung gesetzt, als durch Menschenhände geführt zu werden. Einige der Streiter, die sich zu sehr zusammengedrängt hatten, um diese großen Waffen zu gebrauchen, hatten bereits zu ihren Dolchen ihre Zuflucht genommen, und sich bemüht, ihren Gegnern auf den Leib zu kommen. Indessen floß eine Menge Blut, und das Stöhnen der Fallenden begann sich mit dem Geschrei der Fechtenden zu mischen, das nach der bei den Hochländern zu allen Zeiten waltenden Sitte kaum ein Geschrei, sondern mehr ein gellendes Gekreisch genannt werden konnte. Die von den Zuschauern, deren Augen an solche Blutscenen am besten gewöhnt waren, konnten jedoch keinen Vortheil aus irgend einer Seite entdecken. Der Kampf schwankte in der That in verschiedenen Zwischenräumen vorwärts und zurück; aber es war nur augenblicklicher Sieg, den die Partei, die ihn gewann, fast augenblicklich durch eine ähnliche Anstrengung der andern wieder verlor. Die wilden Töne der Pfeifen wurden noch immer unter dem Tumulte gehört und reizten die Wuth der Kämpfer.

Auf einmal bliesen jedoch, wie auf gegenseitige Uebereinkunft, die Instrumente zum Rückzug; dieser ward durch klagende Töne ausgedrückt, welche eine Todtenweise für die Gefallenen zu sein schienen. Die Parteien trennten sich von einander, um einige Minuten Athem zu schöpfen. Die Augen der Zuschauer betrachteten mit Vergnügen die zerrissenen Rüstungen der Kämpfer, als sie sich aus dem Kampfe zurückzogen; aber es war ihnen immer noch unmöglich, zu entscheiden, wer den größten Verlust erlitten hatte. Es schien, als habe der Clan Chattan weniger Leute verloren, als sein Gegner; aber dagegen zeigten die blutigen Plaids und Waffenröcke seiner Schaar (denn von beiden Seiten hatten Mehrere die Mäntel weggeworfen) mehr Verwundete, als der Clan Quhele. Ungefähr zwanzig von beiden Seiten lagen todt oder sterbend auf dem Felde; abgehauene Arme und Beine, bis auf das Rückgrat gespaltene Köpfe, tiefe Hiebe durch die Schulter bis in die Brust zeigten auf einmal die Wuth des Kampfes, die Furchtbarkeit der gebrauchten Waffe, und die verhängnißvolle Stärke der Arme, die sie führten. Der Häuptling des Clans Chattan hatte den entschlossensten Muth gezeigt und war leicht verwundet. Auch Eachin hatte, von seiner Leibwache umringt, tapfer gefochten. Sein Schwert war blutig, sein Benehmen kühn und kriegerisch, und er lächelte, als der eine Torquil ihn in die Arme schloß, und mit Lob und Segnungen überhäufte.

Die beiden Häuptlinge zogen, nachdem sie ihre Gefährten zehn Minuten lang hatten Athem schöpfen lassen, wieder in ihre Reihen auf, die fast um ein Drittel ihrer ursprünglichen Anzahl vermindert waren. Sie wählten nun ihre Stelle näher am Flusse, als wo sie zuvor einander begegnet waren, da der erste Kampfplatz mit Todten und Verwundeten bedeckt war. Einige der letzteren sah man von Zeit zu Zeit sich erheben, um dem Kampfe ein wenig zuzusehen, zurücksinken und meist an Blutverlust durch die fürchterlichen Wunden sterben, die ihnen der Claymore geschlagen hatte.

Harry Schmied zeichnete sich leicht aus durch seine Niederlandskleidung, sowie durch sein Zurückbleiben auf der Stelle, wo man zuerst gefochten hatte, und wo er, auf seinem Schwert lehnend, neben einem Leichnam stand, dessen mit der Mütze bedeckter Kopf durch die Gewalt des Hiebes, der ihn abgehauen, zehn Yards weit vom Rumpfe geschleudert war, und der das Eichenlaub, die eigenthümliche Auszeichnung der Leibwache Eachins, trug. Seit er diesen Mann erschlug, hatte Harry keinen Hieb mehr gethan, sondern sich begnügt, viele abzuwehren, die auf ihn geführt wurden, und einige, die auf den Häuptling gezielt waren. Mac Gillte Chattanach ward unruhig, als, nachdem er seinen Leuten das Zeichen sich zu ordnen gegeben hatte, dieser gewaltige Streiter fern von den Reihen blieb und wenig Neigung zeigte, sich zu ihm zu gesellen. »Was hast du, Mann?« sagte der Häuptling. »Kann ein so starker Leib einen gemeinen und feigen Geist haben? Komm und nimm am Kampfe Theil.«

»Ihr habt mich vorhin nur einen Miethling genannt,« erwiderte Harry – »bin ich ein solcher,« auf den kopflosen Leichnam deutend, »so hab' ich für meinen Tagelohn genug gethan.« »Wer mir dient, ohne die Stunden zu zählen,« erwiderte der Häuptling, »den belohn' ich, ohne die Arbeit nachzurechnen.« »Dann fecht' ich,« sagte der Schmied, »als ein Freiwilliger, und auf dem Posten, der mir am besten gefällt.«

»Das kommt Alles auf Euch an,« sagte Mac Gillie Chattanach, der es für gut hielt, einen so vielversprechenden Bundesgenossen bei Laune zu erhalten.

»Es ist genug,« sagte Harry, und seine schwere Waffe schulternd, gesellte er sich eilig zu den übrigen Streitern, und stellte sich dem Häuptling des Clans Quhele gegenüber.

Da geschah es zum ersten Male, daß Eachin einige Unsicherheit zeigte. Er hatte Harry längst als den besten Streiter betrachtet, den Perth und die Umgegend in die Schranken bringen könnte. Sein Haß gegen ihn als Gegner mischte sich mit der Erinnerung, wie leicht derselbe unlängst, obwohl unbewaffnet, seinen plötzlichen, verzweifelten Angriff vereitelt hatte, und als er ihn die Augen auf sich heften und das blutige Schwert in der Hand, offenbar auf einen Zweikampf mit ihm sinnen sah, da sank sein Muth und er zeigte ein Beben, welches seinem Pflegevater nicht entging.

Es war ein Glück für Eachin, daß Torquil in Folge seines eigenen Charakters und desjenigen der Personen, mit denen er gelebt hatte, nicht im Stande war, den Gedanken zu begreifen, daß Einer seines eigenen Stammes, und zumal sein Häuptling und Pflegesohn, Mangel an persönlichem Muthe haben könne. Hätte er dies gewußt, sein Schmerz und seine Wuth hätten ihn zum Aeußersten getrieben, Eachin das Leben zu nehmen, um ihn vor Befleckung seiner Ehre zu bewahren. Aber sein Geist verachtete den Gedanken, sein Pflegesohn könne ein Feigling sein, weil ihm dies unnatürlich und entsetzlich schien. Daß er unter dem Einfluß eines Zaubers stehe, war eine Lösung des Räthsels, die der Aberglaube eingab, und nun fragte er ängstlich und mit flüsternder Stimme Hektor: »Verdunkelt jetzt der Zauber deinen Geist, Eachin?«

»Ja; o, ich Elender!« antwortete der unglückliche Jüngling; »und dort steht der schändliche Zauberer!«

»Wie!« rief Torquil, »und du trägst einen von ihm gemachten Harnisch? – Norman, elender Bursche, warum brachtest du diesen verfluchten Panzer?«

»Wenn mein Pfeil fehlgegangen ist, so kann ich nur mein Leben hinterdrein schießen,« antwortete Norman nan Ord. »Steht fest, Ihr sollt mich den Zauber brechen sehen.«

»Ja, steh' fest,« sagte Torquil. »Er mag ein schnöder Zauberer sein; aber mein eigenes Ohr hörte und meine eigene Zunge hat es gesagt, daß Eachin die Schlacht gesund, frei und unverwundet verlassen solle – laßt uns den sächsischen Hexenmeister sehen, der das Lügen strafen kann. Er mag ein starker Mann sein, aber der schöne Stamm der Eiche soll fallen, Stock und Zweige, eh' er einen Finger an meinen Pflegesohn legt; umringt ihn, meine Söhne, – Bas air son Eachin!«

Die Söhne Torquils riefen jauchzend die Worte nach, die bedeuten: »Tod für Hektor!«

Ermuthigt durch ihre Ergebenheit, raffte sich Eachin wieder zusammen und rief kühn den Musikern seines Clans zu: »Seid suas!« d. h. spielt auf!

Der wilde Pibroch tönte wieder zum Angriff, aber die beiden Parteien näherten sich einander langsamer, als das erste Mal, als Männer, die den gegenseitigen Muth kannten und achteten. Harry Wynd ging, in seiner Ungeduld, den Streit zu beginnen, vor den Clan Chattan voraus, und winkte Eachin, heranzukommen. Norman sprang aber vorwärts um seinen Pflegebruder zu bedecken, und es fand eine allgemeine, obwohl nur momentane Pause Statt, wie wenn beide Parteien den Ausgang dieses Zweikampfes als Vorbedeutung für das Schicksal des Tages erwarten wollten. Der Hochländer rückte vor, das Schwert hoch erhoben, als wolle er eben den Hieb führen; als er aber noch eine Schwertlänge von seinem Gegner entfernt war, warf er die lange schwere Waffe von sich, sprang leicht über des Waffenschmieds Schwert, als dieser nach ihm hieb, zog seinen Dolch und stieß, da er Harry so nahe kam, ihm diese Waffe (sein eigenes Geschenk) seitwärts nach dem Halse, indem er den Stoß abwärts nach der Brust lenkte und zu gleicher Zeit laut rief: »Ihr lehrtet mich den Stoß!«

Aber Harry Wynd trug seinen eigenen guten Harnisch, doppelt geschützt durch eine Lage harten Stahls. Wäre er minder sicher gerüstet gewesen, so waren seine Kämpfe auf ewig aus. Jetzt aber war er nur leicht verwundet.

»Narr!« erwiderte er, dem Norman mit dem Knopf seines langen Schwertes einen Hieb gebend, daß er zurücktaumelte, »ich lehrt' Euch den Stoß, aber nicht das Pariren;« und damit führte er einen Hieb auf den Gegner, der ihm durch den Helm den Schädel spaltete, und schritt über den Leichnam dem jungen Häuptling entgegen, der nun frei vor ihm stand.

Aber die kräftige Stimme Torquils donnerte: »Far eil son Eachin!« (ein Anderer für Hektor!) und die beiden Brüder, die ihres Häuptlings Seiten deckten, stürzten gegen Harry vor und zwangen ihn, indem Beide zugleich eindrangen, sich zu vertheidigen.

»Vorwärts, Stamm der Tigerkatze!« rief Mac Gillie Chattanach; »rettet den tapfern Sachsen; laßt diese Kerls eure Klauen fühlen!«

Bereits sehr verwundet schleppte sich der Häuptling hin zu des Schmieds Beistand, und hieb einen der Leibwache nieder, von dem er angegriffen ward. Harry's eigenes Schwert befreite ihn von dem andern.

»Reist air son Eachin!« (wieder für Hektor!) rief der treue Pflegevater.

»Bas air son Hektor!« (Tod für Hektor!) antworteten noch zwei seiner ergebenen Söhne, und stellten sich der Wehr des Schmiedes und derjenigen entgegen, die ihm zu Hilfe gekommen waren;

während Eachin, sich nach dem linken Flügel des Kampfes bewegend, minder furchtbare Gegner suchte, und indem er einige Tapferkeit zeigte, die sinkenden Hoffnungen seiner Gefährten wieder belebte. Die beiden Kinder der Eiche, die diese Bewegung deckten, theilten das Schicksal ihrer Brüder, denn das Geschrei des Häuptlings von Chattan hatte einige der Tapfersten auf diese Seite des Kampfes gezogen. Torquils Söhne fielen nicht ungerächt, sie hinterließen furchtbare Zeichen ihrer Schwerter an den Leibern der Lebenden und Todten. Aber die Nothwendigkeit, ihre ausgezeichnetsten Krieger um den Häuptling zu stellen, war dem allgemeinen Ausgange des Kampfes nachtheilig, und so klein war nun die Zahl, die noch focht, daß man leicht sah, der Clan Chattan habe noch fünfzehn Mann, obwohl meist verwundet, der Clan Quhele aber nur zehn, wovon vier, worunter auch Torquil, die Leibwache des Anführers bildeten.

Sie fochten und kämpften trotzdem, und so wie ihre Kraft abnahm, schien ihre Wuth zu steigen. Harry Wynd, an mehreren Stellen verwundet, war noch immer bemüht, die Schaar kühner Herzen zu durchbrechen oder zu vernichten, die um den Gegenstand seines Zornes focht. Aber immer wurde des Vaters Ruf: »ein Anderer für Hektor!« mit der verhängnißvollen Antwort freudig erwidert: »Tod für Hektor!« und obwohl der Clan Quhele nun so klein an Zahl war, schien der Kampf doch noch zweifelhaft. Es war nur körperliche Erschlaffung, die zu einer neuen Pause nöthigte.

Der Clan Chattan zählte nun noch zwölf Mann, aber zwei oder drei waren kaum fähig, zu stehen, ohne sich auf ihre Schwerter zu lehnen. Dem Clan Quhele waren fünf geblieben; Torquil und sein jüngster Sohn, Beide leicht verwundet, waren darunter. Eachin allein war bis jetzt, durch die Sorgfalt, womit alle gegen ihn gerichteten Hiebe aufgefangen wurden, noch unverletzt. Die Wuth beider Parteien war durch Erschöpfung in düstere Verzweiflung übergegangen. Sie wankten wie im Schlaf durch die Leichname der Erschlagenen, und starrten sie an, als wollten sie ihren Haß gegen die lebenden Feinde durch den Anblick der verlorenen Freunde beleben.

Bald nachher sah die Menge die Ueberlebenden des verzweifelten Kampfes sich zusammenziehen, um den Vernichtungskampf am Ufer des Flusses zu erneuen, da der Ort weniger schlüpfrig von Blut war, und minder bedeckt mit Körpern der Erschlagenen.

»Um Gottes willen – um der Gnade willen, die wir täglich erflehen,« sagte der sanftmüthige alte König zum Herzog von Albany, »laßt das enden! Warum soll man diese elenden Ueberreste der Menschheit ihre Schlächterei vollenden lassen? – Gewiß werden sie sich lenken lassen, und auf mäßige Bedingungen Frieden schließen.«

»Beruhigt Euch, mein König,« sagte sein Bruder. »Diese Leute sind die Pest des Niederlandes. Beide Häuptlinge leben noch – wenn sie unverletzt davon kommen, ist das ganze Tagewerk weggeworfen. Denkt an Euer dem Rathe gegebenes Versprechen, daß Ihr nicht Halt rufen wolltet.«

»Ihr zwingt mich zu einem großen Verbrechen, Albany, sowohl als König, der seine Unterthanen schützen sollte, wie als Christ, der seine Mitgläubigen achtet.«

»Ihr urtheilt falsch, Mylord,« sagte der Herzog; »diese sind keine liebenden Unterthanen, sondern ungehorsame Rebellen, wie Mylord von Crawford bezeugen kann; und sie sind noch weniger Christen, denn der Prior der Dominikaner wird Euch für mich versichern, daß sie mehr als halbe Heiden sind.«

Der König seufzte tief. »Ihr müßt Euren Willen haben, und seid zu weise für mich, um Euch zu bestreiten. Ich kann mich nur abwenden und meine Augen schließen vor dem Anblick und dem Getöse eines Blutbades, welches mich krank macht. Aber ich weiß wohl, daß Gott mich selbst dafür strafen wird, daß ich Zeuge dieser Verwüstung menschlichen Lebens bin.« »Tönt, Trompeten,« sagte Albany; »ihre Wunden erstarren, wenn sie länger zaudern.«

Während dies geschah, umarmte und ermuthigte Torquil seinen jungen Häuptling.

»Widersteh' der Hexerei nur noch einige Minuten! Sei guten Muthes – du wirst davonkommen ohne Wunde und Narbe, ohne Hieb oder Schaden. Sei guten Muthes!«

»Wie kann ich guten Muthes sein,« sagte Eachin, »während meine tapfern Verwandten nach einander vor meinen Füßen starben? – Alle starben für mich, der ich nimmer ihre Liebe im Geringsten verdienen konnte!«

»Und wozu sind sie geboren, außer für ihren Häuptling zu sterben?« sagte Torquil mit Fassung. »Warum klagen, daß der Pfeil nicht wieder in den Köcher zurückkehrt, wenn er nur das Ziel trifft? Sei fröhlich – hier ist Tormot und ich nur wenig verwundet, während die wilden Katzen sich durch die Ebene schleppen, als wären sie halb erwürgt von den Dachshunden – nur Einer steht noch muthig, und der Tag soll Euer sein, obwohl es sein kann, daß Ihr allein am Leben bleibt. – Spielleute, blas't zum Angriff!«

Die Pfeifer beider Parteien bliesen zum Angriff, und die Streiter mischten sich im Kampfe, zwar nicht mit derselben Kraft, aber mit ungeschwächter Hartnäckigkeit. Es gesellten sich auch die zu ihnen, deren Pflicht es war, neutral zu bleiben, die sich dazu aber nun unfähig fanden. Die beiden alten Kämpfer, welche die Fahnen trugen, waren allmälig von den äußersten Enden der Schranken vorgerückt und näherten sich jetzt dem Boden des Kampfes. Als sie das Blutbad näher sahen, wurden sie beiderseits von dem Wunsche angetrieben, ihre Brüder zu rächen oder sie nicht zu überleben. Wüthend griffen sie einander mit den Lanzen an, woran die Fahnen befestigt waren, kamen einander nach einigen tödtlichen Stößen auf den Leib, und wurden handgemein, immer ihre Fahnen tragend, bis sie in der Hitze des Streites endlich zusammen in den Tay stürzten, wo sie nach dem Gefecht, Jeder den Andern fest in die Arme drückend, gefunden wurden. Die Wuth des Kampfes, der Wahnsinn rasender Verzweiflung ergriff sofort die Spielleute. Die beiden Pfeifer, die während des Kampfes ihr Aeußerstes gethan hatten, den Muth ihrer Brüder aufrecht zu erhalten, sahen jetzt den Kampf wegen Mangels an Menschen fast geendigt. Sie warfen ihre Instrumente von sich, stürzten mit ihren Dolchen verzweifelt auf einander los, und da sich Jeder mehr bemühte, seinen Gegner niederzustoßen, als sich selber zu schützen, so wurde der Pfeifer des Clans Quhele sogleich getödtet und der des Clans Chattan tödtlich verwundet. Der Letztere ergriff trotzdem seine Pfeife, und die Weise des Clans ließ ihre schwindenden Töne über den Clan Chattan vernehmen, so lange der sterbende Pfeifer noch Athem hatte. Das Instrument, welches er gebrauchte, oder wenigstens den Theil desselben, den man den Sänger nannte, wird in der Familie eines hochländischen Häuptlings noch bis auf den heutigen Tag aufbewahrt, und wird sehr in Ehren gehalten unter dem Namen Federan Dhu oder der schwarze Sänger.

Unterdessen war im letzten Angriff der junge Tormot, geweiht, gleich seinen Brüdern, von seinem Vater Torquil dem Schutze des Häuptlings, durch das schonungslose Schwert des Schmieds tödtlich verwundet worden. Die zwei Andern, die vom Clan Quhele noch übrig, waren gleichfalls gefallen, und Torquil erzwang sich mit seinem Pflegesohn und dem verwundeten Tormot den Rückzug vor acht bis zehn vom Clan Chattan, machte am Ufer des Flusses Halt, während die Feinde sich anstrengten, sie zu überwältigen, soweit es ihre Wunden erlaubten. Torquil hatte eben die Stelle erreicht, wo er stehen wollte, als der Jüngling Tormot niederfiel und starb. Sein Tod entlockte dem Vater den ersten und einzigen Seufzer, den er an dem ganzen ereignißreichen Tage ausgestoßen hatte.

»Mein Sohn Tormot!« sagte er, »mein jüngster und liebster! Aber wenn ich Hektor rette, so rett' ich Alle. – Jetzt, mein theurer Pflegesohn, hab' ich für dich Alles gethan, was ein Mensch thun kann, außer das Letzte. Laß mich dir diese unheilvolle Rüstung abthun, und lege du die des Tormot an; sie ist leicht und wird dir wohl passen. Während du dies thust, will ich auf diese verstümmelten Menschen stürzen, und ihnen so viel als möglich zu schaffen machen. Ich glaube, ich werde nur wenig zu thun haben, denn sie folgen einander wie lahme Stiere. Wenigstens, Liebling meiner Seele, wenn ich dich nicht retten kann, zeig' ich dir doch, wie ein Mann sterben soll.«

Wahrend Torquil so sprach, löste er die Schnallen von des jungen Häuptlings Rüstung, in dem einfältigen Glauben, daß er so die Schlingen zerreißen könnte, womit Furcht und Zauberei sein Herz umfangen hatten.

»Mein Vater, mein Vater, o, mehr als mein Vater!« sagte der unglückliche Eachin. – »Bleib' bei mir! – Mit dir an meiner Seite kann ich bis auf's Aeußerste fechten.«

»Es ist unmöglich,« sagte Torquil. »Ich will die Herankommenden aufhalten, während du den Harnisch anlegst. Gott segne dich ewig, Geliebter meiner Seele!«

Darauf stürzte, sein Schwert schwingend, Torquil von der Eiche vorwärts mit demselben furchtbaren Kriegsruf, der so oft über das blutige Feld getönt hatte: » Bas air son Eachin!« – Die Worte erschallten drei Mal mit Donnerstimme, und jedesmal, wenn er seinen Kriegsruf schrie, schlug er einen vom Clan Chattan nieder, so wie er sie nach einander auf ihn zuwankend traf. – »Wackrer Kampf, Habicht! – gut geflogen, Falke!« rief die Menge, als sie die Anstrengungen sah, die noch in der letzten Stunde das Schicksal des Tages zu verändern drohten. Plötzlich schwieg das Geschrei, und es folgte darauf ein so furchtbares Schwerterklirren, als hätte der ganze Kampf sich in der Person Harry Wynds und Torquils von der Eiche erneuert. Sie hieben und stießen, als hätten sie heut' zum ersten Mal ihre Klingen gezogen, und ihre Hartnäckigkeit war gegenseitig, denn Torquil erkannte den bösen Zauberer, der seinen lieben Sohn behext hatte, und Harry sah den Riesen vor sich, der während des ganzen Kampfes die Absicht vereitelt hatte, um deren willen allein er bei der Schaar der Streitenden stand. Sie fochten mit einer Gleichheit, die vielleicht nicht stattgefunden hätte, wäre nicht Harry, etwas stärker verwundet, als sein Gegner, seiner gewohnten Behendigkeit einigermaßen beraubt gewesen.

Inzwischen ward Eachin, als er sich allein fand, und einen unordentlichen und Vergeblichen Versuch machte, seines Pflegebruders Rüstung anzulegen, durch eine Regung von Schaam und Verzweiflung ermuthigt, und eilte vorwärts, um seinem Pflegevater in dem schrecklichen Kampfe beizustehen, bevor ein Anderer vom Clan Chattan herankommen konnte. Als er noch fünf Yards entfernt und fest entschlossen war, an dem tödtlichen Gefechte Theil zu nehmen, fiel sein Pflegevater, vom Halsbein bis fast in die Brust gespalten, und murmelte mit dem letzten Athemzug: Bas airson Eachin! – Der unglückliche Jüngling sah den Fall seines letzten Freundes, und in demselben Augenblicke den Todfeind, der ihn durch den ganzen Kampf gejagt hatte, eine Schwertlänge von sich, die ungeheure Waffe schwingend, mit welcher er sich durch so viele Hindernisse den Weg zu seinem Leben gehauen hatte. Vielleicht war dies genug, um seine körperliche Sicherheit auf den höchsten Grad zu steigern, oder vielleicht erinnerte er sich in demselben Augenblicke, daß er ohne Schutzwaffen war, und daß eine feindliche Linie, zwar verwundet und langsam, aber rache- und blutgierig, heranrückte. Es genügt zu sagen, daß sein Herz ermattete, seine Augen dunkelten, seine Ohren klangen, sein Hirn schwindelte – alle anderen Gedanken gingen unter in der Furcht vor augenblicklichem Tode; und einen unwirksamen Hieb gegen den Schmied führend, vermied er den, welcher auf ihn gerichtet war, indem er rückwärts sprang, und ehe Jener seine Waffe wieder erheben konnte, hatte sich Eachin in den Taystrom gestürzt. Ein schmähendes Geschrei folgte ihm, als er über den Fluß schwamm, obwohl vielleicht nicht ein Dutzend von denen, die darein stimmten, in gleichen Umständen sich anders benommen hätten. Harry sah dem Flüchtling schweigend und staunend nach, konnte aber die Folgen seiner Flucht nicht sehen, wegen der Ohnmacht, die ihn zu überwältigen schien, sobald die Aufregung des Streites vorüber war. Er setzte sich auf das Rasenufer und bemühte sich, diejenigen seiner Wunden zu stillen, die am stärksten bluteten.

Die Sieger wurden allgemein beglückwünscht. Der Herzog von Albany und Andere gingen hinab, den Kampfplatz zu besehen, und Harry Wynd wurde mit besonderer Achtung geehrt.

»Wenn du mir folgen willst, guter Bursch',« sagte der schwarze Douglas, »so will ich deinen Ledergurt mit einem Rittergürtel vertauschen, und dein bürgerliches Besitzthum mit einem Land von hundert Pfund, um deinen Rang zu behaupten.«

»Ich danke Euch bescheidentlich, Mylord,« sagte der Schmied abweisend; »aber ich habe schon Blut genug vergossen, und der Himmel hat mich gestraft, indem ich den einzigen Zweck verfehlte, um deßwillen ich an dem Kampfe Theil nahm.«

»Wie, Freund?« sagte Douglas. »Fochtest du nicht für den Clan Chattan, und hat dieser nicht einen ruhmvollen Sieg errungen?«

» Ich focht auf meine eigene Hand,« sagte der Schmied gleichgiltig; und die Redensart ist noch sprichwörtlich in Schottland.

Der gute König Robert kam nun auf einem ruhigen Zelter heran, denn er hatte die Schranken in der Absicht betreten, um nach den Verwundeten sehen zu lassen.

»Mylord von Douglas,« sagte er, »Ihr plagt den armen Mann mit zeitlichen Dingen, da er doch nur kurze Zeit zu haben scheint, um sich mit geistlichen zu beschäftigen. Hat er keine Freunde hier, die ihn hinbringen können, wo für seine körperlichen Wunden, so wie für das Heil seiner Seele gesorgt werden kann?«

»Er hat so viel gute Freunde, als gute Menschen in Perth sind,« sagte Sir Patrick Charteris; »und ich halte mich selbst für einen seiner genauesten Freunde.«

»Ein Bauer wittert immer den Bauer heraus,« sagte der stolze Douglas, sein Pferd seitwärts lenkend; »das Anerbieten des Ritterschlags vom Schwert des Douglas hätte ihn von den Pforten des Todes zurückgerufen, wenn ein Tropfen edlen Bluts in seinem Leibe flöße.«

Ohne den Spott des mächtigen Grafen zu beachten, stieg der Ritter von Kinfauns ab, um Harry in seine Arme zu nehmen, da er nun in wirklicher Ohnmacht zurücksank. Aber daran hinderte ihn Simon Glover, der mit andern angesehenen Bürgern jetzt in die Schranken trat.

»Harry, mein geliebter Sohn Harry!« sagte der alte Mann, »o, was verführte dein Herz zu diesem unseligen Streite! – Sterbend – sprachlos?«

»Nein – nicht sprachlos,« antwortete Harry. – »Katharina –«.

Er konnte nichts weiter hervorbringen.

»Katharina ist wohl, hoff' ich, und sie wird die Deinige – das heißt, wenn –«

»Wenn sie am Leben ist, willst du sagen, alter Mann,« sagte Douglas, der, obwohl etwas beleidigt durch Harry's Abweisen seines Anerbietens, doch zu großmüthig war, um nicht an dem Vorgehenden Antheil zu nehmen. – »Sie ist wohl, wenn Douglas' Banner sie schützen kann – wohl, und soll reich werden. Douglas kann denen Reichthum geben, die ihn mehr schätzen als Ehre.«

»Für ihre Sicherheit, Mylord, laßt den herzlichen Dank und die Segnungen eines Vaters den edlen Douglas begleiten; was Reichthum betrifft, so sind wir reich genug – Gold kann meinen geliebten Sohn nicht ersetzen.« –

»Wunderlich!« sagte der Graf – »ein gemeiner Bursch' weist den Adel von sich – ein Bürger verachtet Gold!«

»Mit Eurer Herrlichkeit Gunst,« sagte Sir Patrick, »ich, der ich Ritter und Edelmann bin, erlaube mir zu sagen, daß ein so wackerer Mann, wie Harry Wynd, Ehrentitel verachten kann – und ein so ehrenwerther Mann, wie dieser würdige Bürger, kann das Gold missen.«

»Ihr thut wohl, Sir Patrick, für Eure eigne Stadt zu sprechen, und das deut' ich nicht übel,« sagte Douglas. »Ich zwinge meine Güte Niemand auf. – Aber,« fügte er, zu Albany flüsternd, hinzu, »Eure Hoheit muß dem König diesen blutigen Anblick entziehen, denn er muß heut' Abend das wissen, was mit dem Morgengrauen über ganz Schottland schallen wird. Dieser Kampf ist beendigt. Aber selbst ich beklage, daß so viele brave Schotten erschlagen liegen, deren Schwerter in der Schlacht für ihres Vaterlandes Sache hätten entscheidend werden können.«

Mit Mühe führte man König Robert vom Kampfplatze; Thränen rannen ihm über die gefurchten Wangen und den weißen Bart, als er Alle ringsum, Edle und Priester, beschwor, daß man für die Leiber und Seelen der wenigen überlebenden Verwundeten sorgen und den Erschlagenen ein ehrenvolles Begräbniß geben möchte. Die Anwesenden versprachen mit Eifer Beides, und erfüllten ihr Wort treulich und fromm.

So endete dieser berühmte Streit auf dem nördlichen Anger von Perth. Von vierundsechzig tapfern Männern (mit Einschluß der Spielleute und Fahnenträger), die mannhaft auf das unselige Schlachtfeld geschritten waren, blieben nur sieben lebendig, die man in Sänften, in einem von den um sie her Sterbenden und Todten wenig verschiedenen Zustande, und gemischt mit ihnen in dem traurigen Zuge, welcher sie von der Scene des Kampfes führte, hinwegbrachte. Eachin allein war ohne Wunden und ohne Ehre geblieben.

Es bleibt nur übrig, zu sagen, daß kein Mann vom Clan Quhele den blutigen Kampf überlebte, außer der flüchtige Häuptling, und die Folge der Niederlage war die Auflösung ihres Bundes. Die Clans, aus denen er bestand, sind jetzt nur Gegenstand der Vermuthungen des Alterthumsforschers, denn nach diesem verhängnißvollen Streite sammelten sie sich nie wieder unter derselben Fahne. Der Clan Chattan hingegen fuhr fort zu wachsen und zu blühen, und die besten Familien der nördlichen Hochlande rühmen sich ihrer Herkunft vom Geschlecht der Bergkatze.

Fünfunddreißigstes Kapitel

Während der König langsam nach dem Kloster zurückritt, welches er damals inne hatte, fragte Albany mit beunruhigter Miene und zitternder Stimme den Grafen von Douglas: »Wird Eure Herrlichkeit nicht, da Ihr jenes traurige Schauspiel in Falkland saht, die Nachricht meinem unglücklichen Bruder mittheilen?« »Nicht um das weite Schottland,« sagte Douglas. »Lieber wollt' ich aus Schußweite vor hundert Tynedaler Bogenschützen meine Brust entblößen. Nein, bei der Heiligen von Douglas! ich könnte nur sagen, daß ich den unglücklichen Todten sah. Wie er seinen Tod fand, kann Eure Hoheit vielleicht besser erklären. Wär' es nicht um March's Aufruhr und den englischen Krieg, so würd' ich meine Meinung vielleicht aussprechen.« So sagend und sich vor dem König verbeugend, ritt der Graf fort nach seiner eigenen Wohnung und überließ es Albany, die Geschichte zu erzählen, so gut er könnte.

»Der Aufruhr und der englische Krieg!« sagte der Herzog zu sich selbst, – »ja, und dein eigenes Interesse, stolzer Graf, herrschsüchtig wie du bist, wagst du nicht von dem meinigen dich zu trennen. Nun, da das Geschäft mir zufällt, muß und will ich es vollenden.«

Er folgte dem Könige nach seinem Gemache. Der König sah ihn mit Staunen an, nachdem er seinen gewöhnlichen Sitz eingenommen.

»Dein Gesicht ist schrecklich, Robin,« sagte der König. »Ich wünschte, du überlegtest reiflicher, wenn Blut vergossen werden soll, da die Folgen dich so gewaltig angreifen. Und dennoch, Robin, liebe ich dich um so mehr, weil dein freundlicher Charakter sich bisweilen selbst durch deine überlegte Politik zeigt.«

»Ich wollte zu Gott, mein königlicher Bruder,« sagte Albany mit halberstickter Stimme, »daß das blutige Feld, welches wir sahen, das Schlimmste wäre, was wir heut' zu sehen oder zu hören hätten. Ich wollte mich wenig bekümmern wegen des wilden Volks, das dort wie Aas aufgehäuft liegt. Aber« – er hielt inne. –

»Wie!« rief der König erschreckt. – »Welch' neues Unglück? – Rothsay? – Es muß sein – ist es Rothsay? – Sprich es aus! – Welch' neue Thorheit hat er begangen? – Welches frische Unheil?«

»Mylord – mein König – Thorheit und Unheil sind nun vorbei mit meinem unglücklichen Neffen.«

»Er ist todt! – er ist todt!« rief der angsterfüllte Vater. »Albany, als dein Bruder beschwör' ich dich – aber nein, ich bin dein Bruder nicht mehr! Als dein König, finsterer, verschlagener Mann, fordre ich dich auf, das Aergste zu sagen!«

Albany stotterte: – »Die einzelnen Umstände sind mir nur unvollkommen bekannt – gewiß aber ist, daß mein unglücklicher Neffe letzte Nacht in seinem Zimmer von plötzlicher Krankheit getödtet gefunden ward – wie ich hörte.«

»O, Rothsay! – O, mein geliebter David! – Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben – mein Sohn – mein Sohn –«

So sprach, in den begeisterten Worten der Schrift, der hilflose und beraubte Vater, seinen grauen Bart und das weiße Haar zerraufend, während Albany, sprachlos und vom Gewissen getroffen, den Sturm seines Schmerzes nicht zu unterbrechen wagte. Aber der Schmerzenskampf des Königs ging fast sogleich in Wuth über – eine Stimmung, so entgegengesetzt der Sanftheit und Schüchternheit seiner Natur, daß Albany's Gewissensbisse durch seine Furcht betäubt wurden.

»Und dies,« sagte der König, »dies ist das Ende deiner sittlichen Sprüche und religiösen Maßregeln! – Aber der bethörte Vater, der den Sohn in deine Hände gab, der das unschuldige Lamm dem Schlächter übergab, ist ein König! Und du sollst es auf deine Kosten erfahren. Soll der Mörder in Gegenwart seines Bruders stehen – befleckt mit dem Blute seines Brudersohnes? Nein! – Wer ist draußen? – Mac Louis! – Brandanen! Verrätherei! – Mord! – Zu den Waffen, wenn ihr den Stuart liebt!«

Mac Louis stürzte mit Mehreren von der Leibwache in's Gemach.

»Mord und Verrath!« rief der arme König. »Brandanen, euer edler Prinz –« hier unterbrachen Schmerz und Zorn auf einen Augenblick die schreckliche Kunde, die er machen wollte. Endlich fand er die gehemmte Sprache wieder – »sogleich eine Axt und einen Block in den Hof! – Verhaftet« – das Wort erstarb ihm, während er sprechen wollte.

»Wen verhaften, mein edler König?« – sagte Mac Louis, der, bemerkend, daß der König von einer heftigen Leidenschaft ergriffen war, wie sie der Sanftmuth seines gewöhnlichen Benehmens fremd war, fast vermuthete, sein Hirn sei durch die ungewöhnlichen Schrecken des gesehenen Kampfes verwirrt worden, – »wen soll ich verhaften, mein König?« sagte er. »Hier ist Niemand, außer Eurer Majestät königlicher Bruder von Albany.«

»Ja wohl,« sagte der König, dessen kurzer Anfall rachgierigen Zornes bald schwand. »Ja wohl, Niemand als Albany – Niemand, außer meiner Eltern Kind – Niemand, als mein Bruder. – O Gott! mache mich fähig, die sündige Leidenschaft zu ersticken, die in diesem Busen glüht – Sancta Maria! ora pro nobis!«

Mac Louis warf einen Blick der Verwunderung auf den Herzog von Albany, der sich bemühte, seine Verwirrung unter dem Scheine tiefen Mitleids zu verbergen und dem Offizier zuflüsterte:

»Das große Unglück war zu gewaltig für seinen Verstand.«

»Welches Unglück, ich bitt' Eure Hoheit?« erwiderte Mac Louis. »Ich habe von keinem gehört.«

»Wie? – nichts gehört vom Tode meines Neffen Rothsay?«

»Der Herzog von Rothsay todt, Mylord von Albany?« rief der treue Brandane mit dem höchsten Schrecken und Entsetzen. – »Wann, wie und wo?«

»Vor zwei Tagen – das Wie ist unbekannt – zu Falkland.«

Mac Louis starrte den Herzog einen Augenblick an; dann sagte er mit glühendem Auge und entschlossener Miene zum König, der tief in Andacht versunken schien: – »Mein König, vor wenig Minuten ließt Ihr ein Wort – ein einzig Wort – unausgesprochen. Laßt es über Eure Lippen gehen, und Euer Wille ist Gesetz für Eure Brandanen!«

»Ich betete gegen Versuchung, Mac Louis,« sagte der König gebrochenen Herzens, »und Ihr bringt sie mir wieder. Wollt Ihr einen Wahnsinnigen mit einem bloßen Schwert bewaffnen? Aber o! Albany! mein Freund, mein Bruder, mein Herzensberather! – wie, wie konntest du das über's Herz bringen?«

Albany, welcher sah, daß des Königs Stimmung milder war, erwiderte mit mehr Festigkeit als vorher: – »Mein Schloß hat keine Wehr gegen die Macht des Todes – ich habe nicht den schnöden Verdacht verdient, den Eurer Majestät Worte enthalten. Ich verzeihe ihn dem Schmerz eines verwaisten Vaters. Aber ich bin bereit, bei Kreuz und Altar zu schwören – bei meinem Theil an der Erlösung, bei den Seelen unsrer königlichen Eltern –«

»Sei still, Robert,« sagte der König; »füge nicht Meineid zum Mord. – Und geschah dies Alles, um der Krone und dem Scepter einen Schritt näher zu kommen? Nimm sie sogleich, Mensch; und magst du fühlen, wie ich es fühlte, daß sie von glühendem Eisen sind! – O! Rothsay, Rothsay! Du entgingst zum wenigsten dem Loose, ein König zu sein!«

»Mein König!« sagte Mac Louis, »laßt mich Euch erinnern, daß Krone und Scepter Schottlands, sobald Eure Majestät aufhört sie zu tragen, dem Rechte Prinz Jakobs gebühren, welcher seines Bruders Rechte erbt.«

»Ja, Mac Louis,« sagte der König hastig, »und auch seines Bruders Gefahren wird das arme Kind erben! Dank, Mac Louis, Dank – Ihr habt mich erinnert, daß ich noch auf Erden zu thun habe. Laß deine Brandanen unter die Waffen treten, so schnell du kannst. Laß keinen Menschen zu uns, dessen Treue dir nicht bekannt ist. Keinen besonders, der mit dem Herzog von Albany verkehrt hat – diesen Mann mein' ich, der sich meinen Bruder nennt! Laß sogleich meine Sänfte bereit halten. Wir wollen nach Dunbarton, Mac Louis, oder nach Bute. Abhänge, Wogen und meine Brandanenherzen sollen das Kind vertheidigen, bis wir Meere zwischen dasselbe und seines grausamen Oheims Ehrgeiz bringen können. – Lebe wohl, Robert von Albany – lebe wohl für immer, du hartherziger, blutiger Mann. Genieße den Theil der Gewalt, den dir Douglas gestatten mag. – Aber suche nicht mein Angesicht wiederzusehen, noch weniger, dich meinem noch übrigen Kinde zu nähern! Denn zur Stunde, wo du das thust, haben meine Wachen Befehl, dich mit ihren Partisanen niederzuschlagen! – Mac Louis, sorge, daß diese Weisung gegeben wird.«

Der Herzog von Albany verließ das Gemach, ohne weitere Entschuldigung und Antwort zu versuchen.

Was folgt, ist Gegenstand der Geschichte. Im nächsten Parlament bewog der Herzog von Albany diese Versammlung, ihn für unschuldig am Tode Rothsay's zu erklären, während er zu gleicher Zeit sein Schuldbewußtsein dadurch zeigte, daß er Ablaß oder Verzeihung für dieses Vergehen annahm. Der unglückliche und bejahrte König verschloß sich in sein Schloß Rothsay in Bute, um den verlorenen Sohn zu betrauern und mit fieberhafter Aengstlichkeit über das Leben des ihm gebliebenen zu wachen. Als die beste Maßregel für des jungen Jakobs Sicherheit schickte er ihn nach Frankreich, um ihn am dortigen Hofe erziehen zu lassen. Aber das Fahrzeug, auf dem der Prinz von Schottland absegelte, wurde von einem englischen Kreuzer genommen, und obgleich zwischen beiden Königreichen Friede war, hielt ihn doch Heinrich IV. unedler Weise gefangen. Dieser letzte Schlag brach dem unglücklichen König Robert III. gänzlich das Herz. Die Rache folgte, wenn gleich langsamen Schrittes, der Verrätherei und Grausamkeit seines Bruders. Robert von Albany's eignes graues Haar ging zwar in Frieden zu Grabe, und er übertrug seine schlecht erworbene Regentschaft seinem Sohne Murdoch; aber neunzehn Jahre nach dem Tode des alten Königs kehrte Jakob I. nach Schottland zurück, und Herzog Murdoch von Albany ward mit seinen Söhnen auf's Schaffot geführt, um seines Vaters Schuld und seine eigene zu sühnen.

Sechsunddreißigstes Kapitel

Ein ehrlich Herz, in welchem ruht


Betrug und Falschheit nimmer,


Hat, trotz des Glückes Wankelmut,


Doch Grund zu lächeln immer.


Burns.

Wir kehren nun zu dem schönen Mädchen von Perth zurück, die von der schrecklichen Scene in Falkland auf Douglas' Befehl fortgeschickt worden war, um unter den Schutz seiner Tochter, der nun verwittweten Herzogin von Rothsay, gestellt zu werden. Dieser Dame einstweilige Residenz war ein frommes Haus, genannt Campsie, dessen Ruinen noch eine malerische Lage am Tay einnehmen. Es erhob sich auf dem Gipfel eines steilen Felsens, der sich an dem fürstlichen Strome hinabsenkt, wo dieser besonders merkwürdig ist durch den Wasserfall, genannt Campsie Linn, dessen Fluthen hier stürmisch über eine Reihe Basaltfelsen stürzen, die den Strom hemmen, gleich einem von Menschenhänden errichteten Damm. Entzückt von einer so romantischen Stelle, führten die Mönche der Abtei Cupar hier ein Gebäude auf, einem unbekannten Heiligen, Namens Hunnand, geweiht, und sie pflegten sich zur Erholung oder Andacht hierher zurückzuziehen. Es hatte seine Pforten bereits geöffnet, um die edle Dame aufzunehmen, die jetzt seine Bewohnerin war, als sich das Land unter der Gewalt des mächtigen Lord Drummond, Douglas' Bundesgenossen, befand. Hier wurden des Grafen Briefe der Herzogin von dem Anführer der Schutzwache übergeben, die Katharinen und die Sängerin nach Campsie begleitet hatte. So viel sie auch Grund haben mochte, sich über Rothsay zu beklagen, sein furchtbares, unerwartetes Ende erschütterte die edle Lady tief und sie brachte die Nacht größtentheils damit zu, daß sie ihrem Schmerze nachhing und im Gebete lag. Am nächsten Morgen, dem des denkwürdigen Palmsonntags, ließ sie Katharina Glover und die Sängerin vor sich kommen. Der Muth der beiden jungen Mädchen war sehr gesunken und erschüttert durch die schrecklichen Auftritte, in welche sie jüngst verwickelt gewesen, und die äußere Erscheinung der Herzogin Marjory war, gleich der ihres Vaters, mehr geeignet, Furcht einzuflößen, als Vertrauen. Sie sprach trotz ihres Schmerzes freundlich, und erfuhr von Jenen Alles, was sie in Bezug auf das Schicksal ihres verirrten, unbesonnenen Gemahls zu erzählen hatten. Sie schien dankbar für Katharinens und der Sängerin gefahrvolle Bemühungen, Rothsay von seinem entsetzlichen Schicksal zu retten. Sie lud sie zur Theilnahme an ihrem Gebet ein, und um die Zeit des Mittagsmahles bot sie Beiden ihre Hand zum Kuß und überließ sie ihrer eigenen Erholung mit der Versicherung ihres wirksamen Schutzes, besonders für Katharinen, der, wie sie sagte, auch ihres Vaters Schutz mit einschlöße, und eine Mauer für Beide sein würde, so lange sie selbst lebte.

Sie verließen die verwittwete Prinzessin und nahmen ein Mahl mit ihren Fräulein und Lady's, die alle in ihrer tiefen Trauer einen gemessenen Ernst zeigten, der das leichte Herz der Französin erkältete und selbst dem ernsteren Charakter der Katharina Glover Zwang auflegte. Die Freundinnen, denn so dürfen wir sie nun nennen, sahen es daher gern, der Gesellschaft dieser Personen, die sämmtlich geborne Edeldamen, entgehen zu können, weil dieselben eine Bürgerstochter und eine wandernde Sängerin für schlechte Gesellschaft hielten, und sie gern weggehen sahen, um in der Nähe des Klosters zu spazieren. Ein kleiner Garten mit seinen Gebüschen und Fruchtbäumen erstreckte sich von einer Seite des Klosters bis an den Abhang, von dem er nur durch eine kleine Mauer getrennt war, die so niedrig auf dem Rande des Felsens stand, daß das Auge die Höhe der Klippen wohl messen und die kämpfenden Fluten betrachten konnte, welche über den Felsen unten kochten, sprudelten und schäumten.

Das schöne Mädchen von Perth und ihre Begleitung wandelten langsam auf einem Pfade, der an dieser Mauer hinlief, betrachteten die romantische Aussicht und gedachten, wie schön sie sein müsse, wenn der nahende Sommer den Hain mit Blättern kleiden würde. Einige Zeit beobachteten sie ein tiefes Schweigen. Endlich erhob sich der frohe und kühne Sinn der Sängerin über die Umstände, in denen sie gewesen war und in denen sie sich jetzt befand.

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