»Du spaßest wohl, mein kleiner Freund,« sagte Tressilian, »hier ist ja nichts als ein nacktes Moor und ein Ring von Steinen mit einem großen in der Mitte.«

»Ja, und der große, flache Stein in der Mitte,« sagte der Junge, »ist Wielands Zahltisch, da müßt Ihr Euer Geld abgezählt darauflegen.«

»Was soll diese Dummheit?« fragte, Tressilian und sing an, sich über die Range zu erbosen.

»Ja doch,« sagte Dickie mit einem Grinsen, »Ihr müßt Euer Pferd an den aufrecht stehenden Stein dort anbinden, an dem der Ring dran ist, und dann müßt Ihr dreimal pfeifen, und Euer Geld auf den flachen Stein dort legen und aus dem Kreise herausgehen und Euch an der Westseite des Gebüsches hier niedersetzen, und wohl acht geben, daß Ihr zehn Minuten lang nicht rechts noch links seht oder wenigstens solange, wie der Hammer klingt, und wenn die Hammerschläge aufhören, dann sprecht ein Gebet, und dann tretet wieder in den Kreis, und Ihr werdet Euer Geld nicht mehr finden, aber Euer Pferd beschlagen.«

»Mein Geld wird weg sein, ja das glaub ich wohl!« rief Tressilian. »Hör, Du Range, ich bin freilich nicht Dein Schulmeister, aber wenn Du mich zum Narren halten willst, so will ich Dir die Jacke nicht weniger derb ausklopfen.«

»Ja, wenn Ihr mich kriegt!« rief der Junge, und sogleich war er über die Heide geflüchtet mit einer solchen Geschwindigkeit, daß Tressilian in seinen schweren Stiefeln ihn nicht einholen konnte. Dabei rannte der Bengel – was Tressilian nur noch mehr reizte, – nicht einmal so schnell, als er hätte rennen können, wenn er sich in Gefahr gewußt oder sich gefürchtet hätte, sondern er richtete seine Eile immer danach ein, daß Tressilian ihm nahe genug blieb, um noch weiter Lust zur Verfolgung zu behalten – und wenn er ihm dann zu nahe gekommen war, dann stob er hinweg mit der Geschwindigkeit des Windes. Das ging so eine Weile fort, bis Tressilian vor Erschöpfung stillstand und eben die Verfolgung mit einem herzhaften Fluch auf den widerwärtigen Bengel, der ihn zu einer so lächerlichen Anstrengung verleitet hatte, aufgeben wollte. Aber der Junge, der sich jetzt auf einem kleinen, gerade vor Tressilian liegenden Hügel aufgepflanzt hatte, begann in die langen, dünnen Hände zu klatschen, mit seinen knochigen Fingern nach ihm zu deuten und seine wilden, häßlichen Züge zu einem so absurden Ausdruck des Gelächters und der Verhöhnung zu verzerren, daß Tressilian fast glauben mochte, er habe einen leibhaftigen Kobold vor sich.

Aufs äußerste gereizt und doch gleichzeitig unwiderstehlich zum Lachen gekitzelt, wollte Tressilian sein Pferd besteigen, um dem Jungen mit mehr Aussicht auf Erfolg zu Pferde nachzusetzen, aber er dachte an das verlorene Hufeisen, und hielt es für das beste, mit einem so flinkfüßigen und durchtriebnen Feinde seinen Frieden zu schließen.

»Komm herunter,« sagte er, »Du Teufelsrange! Laß Dein Foppen und Fratzenschneiden und komm her, ich will Dir nichts zu leide tun, so wahr ich ein Edelmann bin.«

Der Knabe folgte dem Rufe mit dem größten Vertrauen und tanzte mit ausgelassenen Sprüngen von dem Hügel herab, wobei er das Auge fest auf Tressilian geheftet hielt, der sein Pferd am Zügel hielt und ganz außer Atem und in Schweiß gebadet war, während auf der mit Sommersprossen bedeckten Stirn des Bengels, deren Haut wie ein Stück vergilbtes Pergament aussah und straff über den fleischlosen Schädel gespannt war, nicht ein Tröpflein Schweiß zu sehen war.

»Und nun sage mir,« sagte Tressilian, »warum treibst Du ein solches Spiel mit mir oder was bezweckst Du damit, daß Du mir ein solches albernes Ammenmärchen aufbindest? Zeige mir lieber ordentlich, wo der Schmied wohnt, und ich will Dir soviel Geld geben, daß Du Dir den ganzen Winter über Aepfel kaufen kannst.«

»Und wenn Ihr mir einen ganzen Obstgarten geben wolltet,« sagte Dickie Schlamm, »so kann ich Euch doch nicht besser führen, als ich getan habe. Legt Euer Geld dort auf den flachen Stein – pfeift dreimal – und setzt Euch dann an der Westseite des Gestrüpps dort nieder. Ich will bei Euch sitzen, und es soll Euch freistehen, mir den Hals umzudrehen, wenn Ihr nicht den Schmied gleich darauf werdet arbeiten hören.«

»Ich sehe mich vielleicht versucht. Dich beim Wort zu halten, wenn Du mich zum besten hast« sagte Tressilian, »aber ich will Deinen Spuk probieren, Ich binde also mein Pferd hier an den aufrecht stehenden Stein an – hierher muß ich mein Geld legen, sagst Du? – und nun muß ich dreimal pfeifen?«,

»Ja, aber Ihr müßt lauter pfeifen,« sagte die Range, als Tressilian, halb beschämt über die Dummheit des ganzen Treibens, nur leise pfiff. – »Ich sehe, ich muß den Schmied für Euch herbeirufen.«

Und Dickie pfiff so scharf und schrill, daß es Tressilian durch Mark und Bein ging.

»Das nenne ich pfeifen,« sagte der Junge, »und nun ins Versteck, ins Versteck!«

Tressilian fragte sich, was wohl dieses ganze Possenspiel zu bedeuten habe, war aber doch überzeugt, daß irgend etwas dabei herausschauen müsse, und ließ sich von dem Jungen, der sich so vertrauensvoll in seine Gewalt gegeben hatte, nach dem Dickicht führen und setzte sich hier nieder, und da es ihm als das Wahrscheinlichste erschien, daß der ganze Humbug nur darauf angelegt war, ihm sein Pferd zu stehlen, so hielt er den Buben beim Kragen, fest entschlossen, ihn zur Geißel für sein Pferd zu machen.

»Nun lauscht scharf auf,« sagte Dickie,, »bald werdet Ihr den Schlag eines Hammers hören, der nicht aus irdischem Eisen geschweißt, denn der Stein, auf dem er gemacht ist, ist vom Monde herniedergefallen.«

Und in der Tat hörte gleich darauf Tressilian den leisen Schlag eines Hammers, wie wenn ein Nagelschmied bei der Arbeit wäre. Der Ton klang an diesem einsamen Platze so sonderbar, daß er unwillkürlich zusammenfuhr. Aber er blickte auf den Jungen und erkannte an dem boshaften Ausdruck seines Gesichts, daß der Bengel sein vorübergehendes Entsetzen bemerkte und sich daran ergötzte, und er nahm sich fest vor, zu ergründen, von wem oder in welcher Absicht dieses Possenspiel getrieben wurde.

Die ganze Zeitlang, während der Hammer klang, blieb er daher ganz ruhig sitzen, aber kaum verstummte das Klappern, so wartete Tressilian nicht die Zeit ab, die sein Führer ihm angeraten hatte, sondern sprang mit gezogenem Schwert auf, rannte um das Dickicht herum und stand nun einem Manne gegenüber, der die Lederschürze eines Schmieds trug, sonst aber phantastisch mit einer zottigen Bärenhaut bekleidet war.

»Zurück, zurück!« schrie der Junge Tressilian zu. »Ihr werdet in Stücke gerissen – es hat ihn noch kein Lebender gesehen!«

In der Tat hob der unsichtbare, jetzt ganz sichtbare Schmied den Hammer und schien bereit, dreinzuschlagen.

Aber als der Junge sah, daß weder seine Warnungen, noch die drohende Haltung des Schmieds Tressilian von seinem Vorhaben abzubringen vermochten, sondern daß dieser im Gegenteil dem Hammer mit dem blanken Degen entgegentrat, da rief er nun dem Schmied zu:

»Wieland, tu ihm nichts, sonst wird es Dir schlecht gehen! Der Herr ist ein echter Edelmann und ein tapfrer obendrein!«

»So hast Du mich doch verraten, Du Popanz?« sagte der Schmied. »Das sollst Du mir büßen!«

»Sei, wer Du willst,« sagte Tressilian, »Du hast von mir nichts zu fürchten, wenn Du mir sagst, was diese Gaukelei zu bedeuten hat und warum Du Dein Handwerk in so geheimnisvoller Weise treibst.«

Der Schmied wandte sich zu Tressilian und rief in drohendem Tone:

»Wer fragt den Insassen des kristallenen Schlosses des Lichts? Den Beherrscher des großen Löwen, den Reiter des roten Drachen? – Von hinnen! Hebe Dich weg, ehe ich Talpack mit der feurigen Lanze rufe, daß er Dich zermalme, zerschmettere, vernichte.«

Diese Worte begleitete er mit ungestümen Gebärden, das Maul aufreißend und den Hammer schwingend.

»Ruhe, Du alberner Gaukler, laß Dein Zigeunergewäsch!« versetzte Tressilian verächtlich, »komm mit mir zur nächsten Obrigkeit oder ich schlage Dir den Schädel entzwei.«

»Sei still, guter Wieland, ich bitte Dich,« sagte der Knabe. »Hier kommst Du mit Deiner Großmäuligkeit nicht durch, Du mußt schon klein beigeben.«

»Ich denke, ehrenwerter Herr,« sagte der Schmied und ließ den Hammer sinken, indem er einen sanftern und unterwürfigern Ton anschlug, »wenn ein armer Mann sein Tagewerk tut, dann kann es ihm auch vergönnt sein, es nach seinem eignen Geschmack zu verrichten. Euer Pferd ist beschlagen – das Geld habt Ihr bezahlt – was habt Ihr Euch nun noch zu kümmern? Steigt auf und reitet weiter.«

»Nein, Freund, Ihr irrt Euch,« antwortete Tressilian, »jedermann hat das Recht, einen Betrüger und Gaukler zu entlarven, und Eure Lebensweise erregt den Verdacht, daß Ihr beides seid.«

»Wenn Ihr dazu entschlossen seid, Herr,« sagte der Schmied, »so kann ich mir nur durch rohe Gewalt helfen, und das tät ich nicht gern Euch gegenüber, Herr Tressilian. Ich fürchte mich zwar nicht vor Eurer Waffe, aber ich weiß, daß Ihr ein würdiger, gütiger, hochbefähigter Edelmann seid, der lieber einem armen Kerl, der in der Klemme sitzt, hilft als ihm noch schadet.«

»Gut gesprochen, Wieland,« sagte der Junge, der den Ausgang des Gesprächs begierig erwartet hatte, »aber laß uns in Deine Höhle, Mann, denn es ist nicht gut für Deine Gesundheit, hier in der Abendluft zu stehen und zu schwatzen.«

»Da hast Du recht, Popanz,« erwiderte der Schmied, und er ging zu dem kleinen Ginstergestrüpp, das an der Seite zunächst dem Steinkreise gelegen war, gegenüber von dem, an welchem Tressilian gesessen hatte, und es zeigte sich hier eine sorgfältig mit Buschwerk bedeckte Falltür. Durch die stieg er in die Erde hinunter und verschwand vor ihren Augen. Trotz seiner Neugier zauderte Tressilian doch, dem Mann zu folgen, da das Loch leicht eine Räuberhöhle sein konnte, zumal als er die Stimme des Schmieds rufen hörte:

»Popanz, komm Du zuletzt und mach die Falltür fest hinter Dir zu!«

»Habt Ihr nun genug von Wieland, dem Schmied, gesehen?« flüsterte die Range Tressilian zu mit einem pfiffigen Grinsen, als durchschaue er die Unschlüssigkeit des Herrn.

»Noch nicht,« sagte Tressilian fest, und er schüttelte die zaghafte Anwandlung von sich und stieg die enge Treppe hinab. Dickie Schlamm folgte ihm und machte die Tür hinter sich zu, so daß nun auch nicht der leiseste Schimmer von Tageslicht mehr hereinfiel. Es ging jedoch nur ein paar Stufen hinunter, dann ging es durch einen ebenfalls nur wenige Schritte langen Gang, an dessen Ende der Schein eines grellroten Lichts erschien. An diesem Punkte, mit dem Schwerte in der Hand, angelangt, stand Tressilian nach einem Schritt nach links in einem kleinen, viereckigen Gewölbe, das als Schmiedewerkstatt eingerichtet war, ein mächtiges Kohlenfeuer brannte, dessen Dunst den Raum mit erdrückendem Qualm gefüllt hätte, wenn nicht durch ein verborgnes Luftloch die unterirdische Schmiede mit der Außenluft in Verbindung gestanden hätte. Bei dem Licht, das das Feuer und eine an einer Eisenkette hängende Lampe verbreiteten, sah man einen Ambos, Blasebälge, Zangen, Hammer, eine Menge fertiger Hufeisen und andre zum Handwerk eines Schmieds gehörige Gegenstände, außerdem aber auch Schmelztiegel, Destillierkolben, Retorten und andre Instrumente der Alchimie. Die groteske Gestalt des Schmieds und die häßlichen, bizarren Gesichtszüge des Knaben stimmten in der Beleuchtung des zuckenden, unvollkommenen Schmiedefeuers und der heruntergebrannten Lampe wunderbar zu all diesem mystischen Kram und hätten in diesem Zeitalter des Aberglaubens wohl manchen Mann mit Furcht und Grausen erfüllt. Aber Tressilian hatte von Natur eiserne Nerven, und seine an sich sorgfältige Erziehung und vorzügliche Bildung hatte er später durch anhaltendes Studium zu sehr vervollkommnet, als daß ihm irgend welcher Aberglaube etwas hätte anhaben können. Er warf einen Blick um sich her und fragte dann den Schwarzkünstler nochmals, wer er wäre und durch welchen Zufall er seinen Namen erfahren hätte, mit dem er ihn vorhin angeredet habe.

»Euer Gnaden werden sich noch erinnern,« sagte der Schmied, »daß vor drei Jahren am Tage der heiligen Lucie ein wandernder Zauberer in ein Herrenhaus in Devonshire kam und vor einem würdigen Ritter und einer vornehmen Gesellschaft seine Künste zeigte – ich sehe an dem Gesicht Eurer Gnaden, daß, so unangenehm diese Erinnerung sein mag, mein Gedächtnis mich doch nicht getäuscht hat.«

»Du hast genug gesagt,« erwiderte Tressilian und wandte sich ab, als wollte er vor dem Mann den Schmerz verbergen, den diese Erinnerung plötzlich in ihm erweckte.

»Der Gaukler,« fuhr der Schmied fort, »spielte seine Rolle so gut, daß die Strohköpfe von Landadligen, die zugegen waren, wirklich glaubten, die Sache ginge nicht mit rechten Dingen zu, aber es war ein junges Mädchen von etwa fünfzehn Jahren dabei, mit dem hübschesten Gesicht, das ich je gesehen, deren rosige Wange wurde bleich und ihr helles Auge wurde trübe, als sie die vorgeführten Wunder sah.«

»Schweig, ich befehl es Dir, schweig!« unterbrach ihn Tressilian.

»Ich will Euer Gnaden nicht kränken,« sagte der Mann, »aber ich habe alle Ursache, noch daran zu denken, wie Ihr das junge Mädchen von der Furcht befreitet und Ihr genau die Art und Weise erklärtet, wie das Gaukelspiel bewerkstelligt wurde, und Ihr brachtet den armen Gaukler ganz aus seinem Konzept, indem Ihr seine Geheimnisse so klarlegtet, als wäret Ihr selber ein Bruder von der Zunft gewesen.«

»Kein Wort mehr davon!« versetzte Tressilian. »Mich dünkt,« fuhr er nach kurzem Schweigen fort, »Du warst in jenen Tagen ein fideler Bursche, der eine ganze Gesellschaft mit Gesängen und Anekdoten und Geigenspiel so gut wie mit Deinen Gaukeleien zu erheitern wußte. Wie kommt es, daß ich Dich jetzt als einen Handwerksmann wiederfinde, der sein Gewerbe an einem so traurigen Orte und unter so seltsamen Umständen betreibt?«

»Meine Geschichte ist nicht lang,« sagte der Gaukler, »aber Euer Ehren setzte sich lieber wohl beim Zuhören.«

Mit diesen Worten rückte er einen dreibeinigen Schemel ans Feuer und nahm sich selber einen zweiten, während Dickie Schlamm sich zu Füßen des Schmieds niederhockte und mit einem von gespannter Neugierde wunderlich verzogenen Gesicht zu dem Schmied emporsah.

»Beginnt Eure Erzählung,« sagte Tressilian, »denn meine Zeit ist kostbar.«

»Es soll Euch nicht gereuen, sie mir gewidmet zu haben,« sagte der Schmied, »denn Euer Pferd soll inzwischen ein bessres Futter erhalten als heute morgen, daß es neue Kräfte zur Weiterreise erhält.«

Mit diesen Worten ging er hinaus und kehrte nach einigen Minuten zurück.

Elftes Kapitel

»Ich wurde zum Grobschmied erzogen,« begann der Schwarzkünstler seine Erzählung, »und ich verstand meine Kunst so gut wie nur je ein rußiger Jünger dieser edeln Zunft. Aber ich wurde des ewigen Gehämmers überdrüssig und zog hinaus in die Welt, wo ich mit einem berühmten Schwarzkünstler bekannt wurde, dessen Finger aber mit der Zeit zu steif wurden zu seinem Hokuspokus und der gern einen Gehilfen in seiner edeln Kunst haben wollte. Ich diente ihm sechs Jahre, bis ich selber Meister in meinem Fache war. Nicht lange nachdem ich bei Sir Hugh Robsart im Beisein Eurer Gnaden eine Vorstellung gegeben hatte, ging ich zur Bühne und habe mit den besten Schauspielern um die Wette agiert – aber ich weiß nicht, es gab in diesem Jahre sehr viel Aepfel, und die Rangen auf der Galerie bissen immer nur ein Stückchen ab und warfen dann den Rest dem Schauspieler, der gerade auf der Bühne war, an den Kopf. So kriegte ich denn auch das satt – verzichtete auf meinen Gewinnanteil – gab meinen ganzen Kram an Kostümen meinen Kameraden – und schüttelte den Staub des Theaters von meinen Füßen. Darauf wurde ich halb Assistent, halb Diener eines sehr kundigen, aber nicht eben vermögenden Mannes, der dem ärztlichen Berufe oblag. Wir trieben unsere Praxis in etwas abenteuerlicher Weise, und die Medikamente, die ich in meinen ersten Studien in der Pferdeheilkunde erlernt hatte, wurden oft genug für menschliche Patienten verschrieben. Aber der Same, aus dem alle Krankheit erwächst, ist immer der gleiche, und wenn Terpentin, Teer, Pech und Rindertalg, vermischt mit Gelbwurz, Mastix und einer Knoblauchknolle das Pferd heilen kann, das sich an einem Nagel verwundet hat, so sehe ich nicht ein, warum dasselbe nicht auch einem Menschen gut tun sollte, der mit einem Schwerte gekitzelt worden ist. Aber meines Meisters Praxis wie auch seine Kenntnisse waren den meinen weit überlegen, und er ließ sich auch in gefährlichere Dinge ein. Er machte nicht nur physikalische Experimente der kühnsten und gewagtesten Art, sondern er war auch, wenns gerade mal so sein sollte, auch ein Schwarzkünstler, der in den Sternen las und nach dem Horoskop das Schicksal der Menschen erkundete. Er kannte alle Geheimnisse der Kräutermischung und der Chemie – stellte allerlei Versuche an, Quecksilber zu fixieren und hatte seiner Ueberzeugung nach um ein Haar sogar den Stein der Weisen gefunden. Ich habe selber noch eine schematische Ausstellung von ihm über die diesbezüglichen Experimente.«

Er reichte Tressilian eine Pergamentrolle, auf der am Kopfe, am Fuße und an der Seite die Zeichen der sieben Planeten standen, seltsam vermischt mit kabbalistischen Zeichen und griechischen und hebräischen Brocken. In der Mitte standen ein paar lateinische Verse, die so deutlich geschrieben waren, daß Tressilian sie sogar in der undeutlichen Helle des Gewölbes entziffern konnte.

»Ich muß gestehen,« sagte Tressilian, »ich kann von dem Kauderwelsch nichts weiter verstehen, als daß die letzten Worte ungefähr bedeuten: »Nimm, was Du kriegen kannst.«

»Dies,« sagte der Schmied, »war auch der Grundsatz dieses würdigen Freundes und Meisters Doktor Doboobie, und ihm ist er immer treu geblieben, bis er an seinen eignen Phantastereien zum Narren wurde und im Dünkel auf seine Kunst in der Chemie Verschwender wurde und sich selber um das Geld betrog, das er andern abgaunerte. Auch mich versuchte er zu betrügen, aber obgleich ich ihm nie Unannehmlichkeiten machte und mich nie mit ihm entzweite, so sah er doch, daß ich zu viel von seinen Geheimnissen wußte, um noch länger ein harmloser und ungefährlicher Genosse zu sein. Inzwischen wurde er immer berühmter oder richtiger berüchtigter, und seine vermeintliche Kenntnis aller okkulten Wissenschaften zog ihm die geheime Kundschaft von Männern ein, die zu mächtig sind, als daß ich sie nennen dürfte, und die ihn zu Zwecken brauchten, die zu unheimlich sind, als daß ich sie verraten dürfte. Die Menschen verfluchten und bedrohten ihn und gaben mir, dem unschuldigen Gehilfen seiner Studien, den Beinamen Teufelsfaktotum, und ein Steinhagel empfing mich, sobald ich mich auf der Straße sehen ließ. Endlich verschwand mein Herr plötzlich – er wollte mir weis machen, er ginge auf sein Laboratorium in Farringdon, und verbot mir, ihn zu stören, ehe noch zwei Tage herum wären. Als nun diese verstrichen waren, wurde mir bange, und ich ging nach Farringdon ins Laboratorium und fand die Feuer ausgelöscht und alles Gerät in wirrer Unordnung, und ein Schreiben war da von Doktor Doboobie, denn so unterschrieb er sich, in welchem er mir mitteilte, daß wir uns nie wiedersehen würden. Er gebe seine ganzen chemischen Apparate in meine Hände, wie auch das Pergament, das ich eben Euch habe lesen lassen, und legte mirs dringend ans Herz, seinem Geheimnis fleißig weiter nachzuspüren – ich würde dann unfehlbar zur endlichen Entdeckung des großen Magisteriums gelangen.«

»Und hast Du diesen weisen Rat befolgt?« fragte Tressilian.

»Verehrter Herr, nein,« antwortete der Schmied. »Ich bin von Natur vorsichtig und mißtrauisch, ich war es um so mehr, da ich ja wußte, mit wem ich es zu tun hatte – so habe ich alles so genau und so oft durchsucht, ehe ich auch nur ein Feuer anzuzünden wagte, daß ich endlich ein Fäßchen Schießpulver entdeckte, das sorgfältig unter dem Herde versteckt war, gewiß zu keinem andern Zwecke, als daß mit dem Augenblick, wo ich das große Werk der Verwandlung von Metallen in Angriff nehmen würde, die Explosion das Gewölbe und alles in einen Haufen von Trümmern verwandeln sollte, der mich unter sich hätte begraben müssen. Das hat mich von der Alchimie kuriert, und gern wäre ich zu meinem ehrlichen Hammer und Ambos zurückgekehrt, aber wer hätte wohl ein Pferd zum Beschlagen zu mir, dem Teufelsfaktotum, gebracht? Inzwischen hatte ich aber schon die Gunst dieses meines ehrlichen Popanzes hier erworben, denn er war damals in Farringdon mit seinem Magister, dem weisen Erasmus Feiertag. Ich hatte ihm ein paar Geheimnisse mitgeteilt, wie sie Jungen seines Alters Spaß machen; und nachdem wir viel mit einander beraten hatten, kamen wir zu dem Entschlusse, da ich auf ehrliche Weise keine Arbeit finden würde, es zu versuchen, ob ich unter den unwissenden Menschen Beschäftigung finden könnte, indem ich auf ihren albernen Aberglauben spekulierte. Und dank meinem guten Popanz, der wacker dafür sorgte, daß mein Ruf sich im Lande verbreitete, hat es mir auch an Kundschaft nicht gefehlt. Aber ich habe diese Kundschaft unter zu großen Gefahren erworben, und ich fürchte, sie werden mich endlich als einen Hexenmeister aufgreifen, und ich warte nur auf eine günstige Gelegenheit, diese Höhle zu verlassen, sobald ich auf den Schutz eines ehrenwerten und angesehenen Mannes gegen die Wut der Bevölkerung, falls sie mich erkennen sollten, rechnen darf.«

»Und bist Du,« fragte Tressilian, »vollkommen bekannt mit den Wegen in diesem Landstrich?«

»Ich würde mich um Mitternacht zu Pferde zurecht finden,« antwortete Wieland, der Schmied.

»Du hast aber kein Pferd,« sagte Tressilian.

»Verzeiht,« versetzte Wieland, »ich habe einen ganz guten Gaul – ich vergaß zu sagen, daß dieses Pferd das beste war an dem ganzen Vermächtnis des Arztes.«

»Dann wasche Dich und kämme Dich,« sagte Tressilian, »kleide Dich ordentlich an, so gut es geht, lege diese grotesken Lumpen ab, und wenn Du verschwiegen und treu sein willst, so sollst Du auf kurze Zeit bei mir bleiben, bis Dein Hokuspokus hier vergessen ist. Ich habe etwas vor, was Geschicklichkeit und Mut erheischt, und ich glaube, Dir fehlt es an beidem nicht.«

Wieland, der Schmied, nahm begierig den Vorschlag an und gelobte seinem neuen Herrn Treue und Ergebenheit. In ein paar Minuten hatte er seine frühere Erscheinung so wesentlich umgeändert, indem er die Kleidung wechselte und sich Haar und Bart schor und kämmte, daß Tressilian selber zugeben mußte, er bedürfe eigentlich kaum eines Beschützers, da seine alten Bekannten ihn in dem neuen Aufzuge nicht erkennen würden.

Wieland schritt voran aus der Höhle. Dann rief er Popanz, der nach kurzem Zögern mit dem Sattelzeug des Pferdes erschien. Wieland machte die Falltür zu und breitete sorgfältig das Gestrüpp darüber hin, um sie unsichtbar zu machen. Er würde die Höhle vielleicht im Notfalle noch einmal brauchen können, bemerkte er, auch sei das Werkzeug nicht ohne Wert. Auf einen Pfiff kam ein Gaul heran, der gemächlich auf der Gemeindewiese weidete und an das Zeichen gewöhnt war. In wenigen Minuten waren Tressilian und Wieland zur Reise fertig.

Da kam Schlamm herbei, um ihnen Lebewohl zu sagen.

»Also wollt Ihr mich verlassen, mein alter Spielkamerad,« sagte der Junge, »und so ist unser Possenspiel und all unser Jux mit den feigen, furchtsamen Dummerianen, die ich hierher an Eure Teufelsschmiede brachte, ein- für allemal zu Ende?«

»So ist es,« sagte Wieland, der Schmied, »die besten Freunde müssen sich trennen, Popanzchen, Du aber, mein Junge, bist das einzige, was ich in diesem Tale von Whitehorse eigentlich mit Bedauern zurücklasse.«

»Nun, ich sage Dir auch gar nicht Lebewohl,« sagte Dickie Schlamm, »denn Du wirst doch an dem Feste teilnehmen, denk ich, und wenn mich Magister Feiertag nicht mitnimmt, dann beim Lichte des Tages, das wir dort in der dunklen Höhle nicht sehen konnten, dann gehe ich allein hin.«

»Kommt Zeit, kommt Rat,« sagte Wieland, »ich bitte Dich nur, handle nie vorschnell und unbedacht.«

»Ei, wollt Ihr denn jetzt auf einmal ein Kind aus mir machen – ein ganz gewöhnliches, alltägliches Kind, daß Ihr mir vorhaltet, wie gefährlich es sei, ohne Gängelband zu gehen? Aber ehe Ihr eine Meile weg seid, sollt Ihr an einem sichern Zeichen erkennen, daß ich mehr vom Popanz an mir habe, als Ihr glauben mögt.«

Die Reiter saßen auf und entfernten sich in flottem Trabe, nachdem Tressilian seinem Führer die Richtung angegeben hatte. Als sie fast eine Meile geritten waren, äußerte Tressilian zu seinem Gefährten, es falle ihm auf, daß sein Pferd weit leichter gehe als am Morgen.

»Verspürt Ihr das?« sagte Wieland lächelnd. »Das macht mein kleines Geheimnis. In eine Handvoll Hafer habe ich Eurem Pferde etwas beigemischt, daß Euer Gnaden sechs Stunden lang mindestens ihm keine Sporen zu geben brauchen. Medizin und Arzneikunde habe ich nicht umsonst studiert.«

»Wird Eure Mixtur auch meinem Pferde nichts schaden?«

»Nicht mehr als ihm die Milch der Stute geschadet hat, die es geworfen hat,« antwortete der Tausendkünstler.

Er wollte noch weiter über die Vorzüglichkeit seines Rezeptes sprechen, aber ein lauter und furchtbarer Knall, wie der einer Mine, die die Wälle der umlagerten Stadt sprengt, unterbrach ihn. Die Pferde scheuten, und die Reiter waren gleichfalls überrascht. Sie wandten sich um, nach der Richtung zu schauen, in der der Donnerkrach erschollen war, und sahen genau auf dem Flecke, den sie vor kurzem erst verlassen hatten, eine große, dunkle Rauchsäule hoch in die klare, blaue Atmosphäre des Himmels emporsteigen.

»Meine Behausung ist vernichtet,« sagte Wieland, dem die Sache sofort klar war, »ich war ein Narr, daß ich erzählt habe, was der Doktor mit mir in seinem Laboratorium geplant hatte – wenigstens hätte ich es nicht vor diesem Taugenichts, diesem Popanz, sagen sollen. Ich hätte mir gleich denken können, daß es ihn an allen Fingern jucken würde, einen solchen Streich zur Ausführung zu bringen. Aber laßt uns rasch unsers Weges eilen, sonst treibt der Knall die ganze Bevölkerung an den Fleck.«

Mit diesem Worte gab er seinem Pferde die Sporen, und Tressilian hielt Schritt mit ihm. Die Nacht verbrachten sie in einem kleinen Gasthofe. Früh am nächsten Morgen brachen sie auf und gelangten nun ohne weitere Zwischenfälle nach Wiltshire und Somerset, und am Abend des dritten Tages, nachdem Tressilian Cumnorplace verlassen hatte, langten sie in dem an der Grenze von Devonshire gelegenen Landsitze Lidcote-Hall des Ritters Hugh Robsart an.

Zwölftes Kapitel

Der alte Landsitz Lidcotehall lag nahe bei dem gleichnamigen Dorfe und grenzte an den wilden, ausgedehnten Wald von Exmoor, in welchem ein reicher Wildstand vorhanden war; mancherlei alte, der Familie Robsart gehörige Rechte gaben Sir Hugh die Befugnis, seinem Lieblingsvergnügen, der Jagd, hier nachzugehen. Das alte Herrenhaus war ein niedriges, ehrwürdiges Gebäude, das einen beträchtlichen Bodenraum, von Morast umgeben, einnahm. Der Zugang und die Zugbrücke wurden von einem achteckigen Turm aus altem Ziegelwerk verteidigt, der aber mit Efeu und andern Kletterpflanzen so überwachsen war, daß man nur schwer erkennen konnte, aus was für Material er gebaut war. Die Winkel des Gebäudes waren mit Türmchen geschmückt, die in Gestalt und Größe eine wunderliche Verschiedenheit aufwiesen, und zufolgedessen mit jenen eintönigen Pfefferbüchsen aus Stein nicht die geringste Ähnlichkeit hatten, die zu dem gleichen Zwecke in moderner Gotik Verwendung finden. Einer dieser Türme war viereckig und diente als Glockenturm. Aber die Uhr an seinem Frontispiz stand jetzt still; ein Umstand, der besonders Tressilian höchst unangenehm berührte, weil der brave, alte Ritter, neben andern unschuldigen Eigentümlichkeiten, es nie unterlassen konnte, sich ganz genau um die Zeit zu kümmern, eine Mode, die man so häufig bei Leuten antrifft, die mit ihrer Zeit sonst nichts anzufangen wissen und sich von Langeweile schwer bedrückt fühlen. Bei Kaufleuten, wenn sie nichts zu tun haben, kann man ja auch die Beobachtung machen, daß sie dann von ihren Waren ein haarkleines Verzeichnis aufnehmen.

Der Zugang zu dem Hofe des alten Herrensitzes führte durch einen von dem vorerwähnten Turme überragten Torweg, und ein Flügel des mit Eisen beschlagenen Tors stand offen, ohne daß sich jemand darum zu kümmern schien. Tressilian ritt eilig über die Zugbrücke und in den Hof, wo er mit lauter Stimme die Dienstboten bei ihren Namen rief. Eine Zeitlang gab ihm bloß das Echo Antwort und das Geheul der Hunde, deren Pferch nicht weit von dem Herrensitze lag und von demselben Graben umgeben war. Endlich kam Will Badger, der alte und bevorzugte Diener des Ritters, der bei ihm den Kammerdienst versah und auch seinen Leibesübungen vorstand, zum Vorschein. Der rüstige, wetterharte Weidmann bezeigte große Freude, als er Tressilian erkannte.

»Gott Lob und Dank,« sagte er, »Junker Edmund, bist Du es denn in Fleisch und Bein? ... Dann kann es wohl sein, daß Du Sir Hugh gelegen und zu nutze kommst, denn mit ihm auszukommen, geht über Menschenwitz, das heißt über meinen und über den des Pfarrers und über den Meister Mumblazens.«

»Geht es denn schlechter mit Sir Hugh, seit ich weg bin, Will?« fragte Tressilian.

»Was das körperliche Befinden angeht, nein, da gehts im Gegenteil besser,« versetzte der Diener, »aber er ist wohl oben nicht mehr so, wie er war, er ißt und trinkt aber so, wie immer, dagegen schläft er nicht, oder vielmehr wacht nicht auf, denn er ist immer in einer Art von Dämmerstimmung, die weder Schlafen noch Wachen ist. Frau Swineford hat gedacht, es sei so was wie Schlagfluß. Aber nein, nein, Frau, hab ich gesagt, das Herz ists, das Herz!«

»Läßt sich denn sein Geist nicht aufheitern durch Zeitvertreib dieser Art oder jener?« fragte Tressilian.

»Er mag von allem Vergnügen nichts mehr sehen und hören,« versetzte Will Badger, »hat weder Domino noch Häufelspiel angerührt, noch mit Meister Mumblazen einen Blick getan in das große Traumbuch. Ich habe die Uhr ablaufen lassen in der Meinung, es möchte ihn ein bißchen aufrütteln, wenn er die Uhr einmal nicht schlagen hört; denn Ihr wißt doch, Junker Edmund, hinsichtlich der Zeit nahm er es immer sehr genau; aber er hat nie ein Wort darüber geäußert, und so darf man wohl die alte Klingel wieder in Gang setzen. Ich hab sogar die Courage gehabt, dem Bungay auf den Schwanz zu treten, und Ihr wißt recht gut, welchen Tanz zu andrer Zeit das für mich abgesetzt hätte – aber das Gewinsel des armen Kerls hat ihn diesmal so wenig gekümmert, wie das Geschrei einer Waldeule, die sich in unsern Schornstein verflogen hat. Wie gesagt, mir ist das ein Rätsel.«

»Du kannst mir ja das andre drin erzählen, Will. ... Inzwischen laß den Mann da in die Speisekammer führen und mit Achtung behandeln. Er ist nämlich einer von der Kunst.«

»Von was wohl für einer? Von der weißen oder schwarzen?« erwiderte Will Badger, »ich möchts wissen, um zu wissen, ob er mit seiner Kunst uns helfen kann oder nicht. Hier, Kellnerbub, guck Dir den Mann von der Kunst an und sieh zu, daß er Dir keinen von Deinen Löffeln maust,« setzte er im Flüsterton, zu dem Kellnerbuben gewandt, hinzu, »ich habs erlebt, daß mancher mit grundehrlichem Gesicht pfiffig genug war, so was zu machen.«

Darauf schob er Tressilian in ein niedriges Zimmer, sah jedoch auf seinen Wunsch erst nach, in welchem Zustande sich sein Herr befand, damit nicht die plötzliche Wiederkehr seines lieben Mündels und vermutlichen Schwiegersohns ihm allzu nahe gehen möge. Er kam alsbald zurück und sagte, Sir Hugh schlummere in seinem Lehnstuhl, aber Meister Mumblazen wolle Junker Tressilian auf der Stelle melden, wenn er aufwache.

»Aber es fragt sich, ob er Euch kennt,« sagte der Weidmann, »denn er weiß ja von keinem Hunde in der Koppel den Namen mehr. Es mögen wohl acht Tage her sein, seit es mir vorkam, als sei es ein wenig besser geworden. Da sagte er nämlich: ›Sattle mir die alte Sorrel‹, und zwar ganz plötzlich, nachdem er aus dem großen silbernen Ehrenbecher seinen üblichen Nachttrunk genommen hatte, ›und schaff morgen die Hunde auf den Haselhorstberg‹. Jesus, waren wir da alle vergnügt, und draußen hatten wir ihn in aller Frühe, und er ritt munter und flott wie sonst; doch was er sagte, war weiter nichts, als daß der Wind aus Süden komme und daß die Witterung trügen werde. Und ehe wir die Hunde von der Koppel hatten, fing er an, um sich herum zu stieren, wie jemand, der plötzlich aus einem Traume aufwacht ... reißt sein Tier herum und rast zur Halle zurück und überläßts uns, ob wir weiter jagen wollen oder nicht.«

»Ihr erzählt uns eine gar trübe Geschichte, Will,« versetzte Tressilian, »aber Gott helfe uns weiter, von Menschen ist hier nichts mehr zu hoffen.«

»Dann bringt Ihr uns wohl keine Kunde vom jungen Fräulein Amy? Aber wozu brauche ich da zu fragen? Erzählt doch Eure Stirn, wie die Dinge stehen. Immer habe ich gehofft, daß, wenn sie jemand bringen könnte oder brächte, Ihr dieser jemand sein müßtet. Ach, jetzt ist alles vorbei und verloren. Treff ich aber diesen Varney mal in Pfeilschußweite, dann will ich ihm einen sein gespitzten Bolzen in den Leib jagen; das schwör ich bei Salz und Brot.«

Dieweil er so sprach, ging die Tür auf und Meister Mumblazen erschien, ein vertrockneter, dürrer, ältlicher Mann, dessen Wangen aussahen, wie ein Winterapfel, dessen graues Haar von einem kleinen Hütchen verdeckt wurde, das wie ein Kegel geformt war oder vielmehr wie ein Stachelbeerkorb, wie ihn die Obsthöker in London vor ihre Fenster hängen. Er war eine zu gesetzte Person, um auf eine bloße Begrüßung Worte zu verschwenden; darum lud er Tressilian, nachdem er ihn mit einem Nicken und einem Händedruck bewillkommnet hatte, ein, ihm in Sir Hughs großes Zimmer zu folgen, das der brave Ritter in der Regel bewohnte. Will Badger folgte ihnen, wenn man ihn auch nicht dazu aufgefordert hatte, weil er zu ängstlich besorgt war um seinen Herrn, und auf alle Fälle sehen wollte, ob ihn Tressilians Ankunft aus seinem apathischen Zustande reißen werde oder nicht.

In einem langen,, niedrigen, mit Jagdgerät und Jagdbeute reich verzierten Gemache, neben einem ganz aus Steinen gebauten Kamin, über dem ein Schwert und eine Rüstung hingen, beide verstaubt und lange Zeit nicht geputzt, saß Sir Hugh Robsart von Lidcote, ein Mann von stattlicher Größe, den bloß fleißige Motion vor Korpulenz bewahrt haben mochte. Es kam Tressilian so vor, als ob die Lethargie, unter der sein alter Freund zu leiden schien, schon in den wenigen Wochen seiner Abwesenheit dessen Umfang vermehrt habe, zum wenigsten hatte sie die Lebendigkeit seines Gesichtsausdrucks erheblich beeinträchtigt. Langsam folgten seine Augen, als er mit Meister Mumblazen in das Gemach trat, erst diesem bis zu einem großen Eichenpult, auf dem ein wuchtiger Band aufgeschlagen lag, dann heftete es sich, wie voll Ungewißheit, auf den Fremden, der mit Meister Mumblazen eingetreten war. Der Pfarrer, ein grauhaariger Herr, der in den Tagen der Königin Maria Beichtvater bei Hofe gewesen war, saß in einem andern Winkel des Gemachs, mit einem Buch in der Hand. Auch er nickte Tressilian trübe zu und legte sein Buch beiseite, um zu beobachten, welche Wirkung das Erscheinen desselben auf den mit Kummer beladenen alten Mann machen würde.

Als Tressilian, dem gleichfalls Tränen in den Augen ständen, sich dem Vater seiner angelobten Braut mehr und mehr näherte, schien Sir Hughs Verstand sich wieder zu beleben. Er tat einen schweren Seufzer, wie jemand, der aus einem Zustande von Starrsucht aufwacht, dann glitt ein leichter Krampf über seine Züge; ohne ein Wort zu sprechen, breitete er die Arme aus und schloß Tressilian, als dieser sich in seine Arme warf, an seinen Busen.

»So ist mir doch etwas noch geblieben,« waren die ersten Worte, die er hervorstieß, und während sie den Weg über seine Lippen nahmen, machte er seinen Empfindungen Luft in einem Weinkrampf, und die Tränen schossen ihm über seine sonnverbrannten Wangen und seinen langen, weißen Bart.

»Ich habe nie im Leben gedacht, daß ich Gott für Tränen danken würde, die mein Herr vergießt,« sagte Will Badger, »aber jetzt tue ich es, ob ich gleich mit ihm um die Wette weinen möchte.«

»Ich will Dir keine Fragen stellen,« sagte der alte Ritter, »keine Fragen – keine, Edmund – Du hast sie nicht gefunden, oder so Du sie gefunden, so wäre es besser, sie wäre verloren.«

Tressilian war nicht imstande zu erwidern, außer daß er die Hände vor das Gesicht legte.

»Es ist genug ... es ist genug. Aber weine nicht um sie, Edmund. Ich habe Ursache zu weinen, denn sie ist meine Tochter ... Du hast Ursache, Dich zu freuen, daß sie Dein Weib nicht geworden ist. ... Du droben im Himmel, großer Gott! Du weißt am besten, was für uns gut ist ... es war mein Gebet zu Dir in der Nacht, daß ich Amy und Edmund als Paar sehe ... wäre meine Bitte erfüllt worden, so hätten sich zu meiner Bitternis jetzt noch Gewissensbisse gesellt.«

»Tröste Dich, Freund!« sprach der Pfarrer, sich zu Sir Hugh wendend, »es ist ja gar nicht möglich, daß die Tochter all unsrer Hoffnung, all unsrer Liebe das schlechte Geschöpf sein sollte, als das Du sie Dir denkst.«

»O, nein, nein,« erwiderte Sir Hugh mit Ungeduld, »ich täte unrecht, wenn ich sie rund heraus mit dem gemeinen Wort benennen wollte, das sie sich verdient hat ... nein! Es gibt sicher irgendeinen neuen hofmäßigen Ausdruck dafür, ganz gewiß, ganz gewiß! Ehre genug für die Tochter eines alten Devonshireedelmanns, daß sie die Liebste eines lustigen Hofmannes geworden ist ... noch dazu eines Varney ... eines Varney, dessen Großvater von meinem Vater ausgelöst wurde, als sein Vermögen zertrümmert wurde in der Schlacht von ... der Schlacht von ... wo Richard erschlagen wurde ... verschwunden ists aus meinem Gedächtnis! ... Und ich wette drauf, es kann mir keiner von Euch drauf helfen. ...«

»In der Schlacht von Bosworth,« sagte Meister Mumblazen, »die zwischen Richard Crookback und Henry Tudor, dem Großvater der Königin, die jetzt auf dem Throne sitzt, primo Henrici Septimi, und im Jahre eintausend vierhundert und achtundfünfzig post Christum natum geschlagen wurde.«

»Richtig ... genau so ...« sprach der alte Ritter, »ein jedes Kind weiß es.. Aber mein armes Gedächtnis hat es vergessen, mein armes Gedächtnis vergißt alles, wessen es sich erinnern sollte, und behält bloß, was es vergessen, ach, am ehesten vergessen sollte! Mein Hirn, Tressilian, mein Hirn hat mich im Stiche gelassen fast die ganze Zeit über, die Du weg warst, und auch jetzt rennt es schon wieder auf und davon!«

»Euer Ehren,« sagte der wackre Geistliche, »zöge sich besser in Euer Wohngemach zurück und versuchte eine kurze Zeit zu schlafen ... der Arzt hat einen beruhigenden Trank dagelassen ... und unser großer Arzt dort droben hat uns befohlen, Mittel, die die Erde spendet, zu brauchen, damit wir gekräftiget werden, die Prüfungen zu tragen, die er über uns verhängt.«

»Richtig, richtig, alter Freund,« sprach Sir Hugh, »und wir werden unsre Prüfungen männlich tragen ... wir haben ja doch bloß ein Frauenzimmer verloren. – Sieh, Tressilian,« ... bei diesem Worte zog er eine lange Locke blonden Haares aus seinem Busen – »sieh hier diese Locke! ... Ich sage Dir, Edmund, in jener selben Nacht, als sie verschwand, als sie mir guten Abend wünschte, wie es ihre Gewohnheit war, da hing sie an meinem Halse und herzte mich inniger als sonst; und ich, wie ein alter Narr, ich hielt sie an dieser Locke, hielt sie fest, bis sie die Schere nahm und die Locke abschnitt und sie in meiner Hand ließ ... als das ... als das ... das einzige, was ich je noch von ihr sehen sollte!«

Tressilian war außer stande zu sprechen, denn er empfand nur zu gut, welch ein Wirrwarr von Empfindungen den Busen des unglücklichen Flüchtlings in diesem grausamen Augenblick zerreißen mußte. Der Geistliche war im Begriff, das Wort zu nehmen, aber Sir Hugh kam ihm zuvor.

»Ich weiß, was Ihr sagen wollt, Herr Pfarrer! ... Schließlich ist es doch bloß eine Locke aus eines Weibes Haar ... und durch das Weib kam Schmach und Sünde und Tod in die Welt, in eine unschuldige Welt ... o, und unser gelahrter Herr Mumblazen kann von philosophischen Dingen auch genug sagen über des Weibes untergeordnete Bedeutung im All.«

»C'est l'homme,« sagte Meister Mumblazen, »qui se bast et qui conseille

»Richtig,« sagte Sir Hugh, »und wir wollen uns darum betragen wie Männer, die beides, Mut und Weisheit, in sich tragen. – Tressilian, Du bist genau so willkommen, wie wenn Du frohere Kunde brächtest. Aber wir haben zu lange gesprochen, ohne die Lippen zu feuchten ... . Amy, füll Edmund einen Becher Wein und einen andern mir!« ... Dann besann er sich im Augenblick, daß er jemand rief, der ihn nicht hören konnte, er schüttelte das Haupt und sagte zu dem Geistlichen:

»Dieses Herzeleid ist für ein verstörtes Gemüt, was die Lidcoter Kirche für unsern Park ist: wir können uns wohl eine Weile zwischen den Büschen und Sträuchern verlaufen, aber wir sehen doch immer den alten, grauen Turm und das Grab meiner Ahnen. Ach, trügen sie mich doch morgen schon diesen Weg!«

Tressilian und der Geistliche drangen zusammen in den erschöpften, alten Mann, sich zur Ruhe zu begeben, und erreichten es auch endlich, daß er sich ihren Bitten fügte. Tressilian blieb so lange an seinem Bette sitzen, bis er sah, daß sich der Schlummer auf seine Lider gesenkt hatte. Dann kehrte er zurück, um mit dem Prediger zu beraten, welche Schritte unter solchen unseligen Umständen zu tun seien.

Meister Michael Mumblazen konnten sie von diesen Betrachtungen nicht ausschließen, und sie zogen ihn um so lieber dabei zu Rate, als sie nicht bloß alles von seinem Scharfsinn hoffen durften, als auch ihn als einen so großen Freund von Schweigsamkeit hielten, daß sie in seine Eignung zum Berater keinen Zweifel setzen konnten. Er war ein alter Junggeselle aus guter Familie, aber ohne Vermögen und mit dem Hause Robsart weitläufig verwandt. Zufolge dieser Beziehung war Lidcotehall wahrend der letztverflossenen zwei Jahrzehnte durch seinen Aufenthalt ausgezeichnet worden. Seine Gesellschaft war Sir Hugh angenehm, hauptsächlich seines großen Wissens wegen, das, wenn es sich auch in der Hauptsache auf Wappenkunde und Genealogie beschränkte, wie auf denjenigen Teil von Geschichte, der zu diesen Wissenschaften in Beziehung stand, doch dem wackern, alten Ritter so imponierte, daß er den alten Junggesellen nur ungern vermißt hätte. Außerdem war es ihm sehr recht, immer einen Freund in dem alten Junggesellen zur Hand zu haben, an den er sich wenden konnte, wenn sich sein eigenes Gedächtnis, wie es leider recht oft geschah, als schwach erwies und ihn betreffs Namen und Jahreszahlen irreführte, in welchen Fällen dann Meister Michael Mumblazen mit pflichtschuldiger Kürze und Diskretion einsprang und nachhalf. Dieser Herr gab auch wirklich oft in Fragen, die die moderne Welt angingen, in seiner prägnanten und heraldischen Redeweise guten Rat, der immer der Berücksichtigung wert war, oder, um sich in Will Badgers Sprache auszudrücken, er schoß das Wild, dieweil andere den Busch abklepperten.

»Wir haben eine schlimme Zeit mit dem wackern Ritter durchgemacht, Junker Edmund,« sagte der Geistliche. »Soviel habe ich nicht gelitten, seit ich von meiner geliebten Herde gerissen und gezwungen wurde, sie den römischen Wölfen Zu überlassen.«

»Das war in Tertio Mariae,« sagte Meister Mumblazen.

»Um Himmelswillen sagt uns bloß,« fuhr der Geistliche fort, »habt Ihr Eure Zeit besser angewandt, als wir die unsre, oder bringt Ihr irgendwelche Kunde von jenem unglücklichen Mädchen, das während so mancher Jahre die große Freude dieses niedergeschmetterten Hauses war, und nun sich als sein größtes Unglück erweist? Habt Ihr nicht wenigstens ihren Aufenthaltsort ausgekundschaftet?«

»Das ja,« erwiderte Tressilian. »Ist Euch Cumnorplace bekannt in der Nähe von Oxford?«

»Allerdings,« versetzte der Geistliche, »es war ein Zufluchtsort für die Mönche von Abingdon.«

»Die Wappen der Mönche habe ich,« bemerkte Meister Michael, »über einem steinernen Kamin in der Halle gesehen ... ein gezacktes Kreuz zwischen vier Hämmerchen.«

»Dort hat,« sagte Tressilian, »dieses unglückliche Mädchen seinen Aufenthalt genommen, und zwar in Gemeinschaft mit dem schurkischen Varney. Aber hatte nicht ein seltsames Mißgeschick obgewaltet, so hätte mein Schwert all unsre Schmach, wie auch die ihrige, an seinem unwürdigen Haupte gerächt.«

»Sei Deinem Gott im Himmel dankbar, daß er Deine Hand von Blut reingehalten, Du unbesonnener, junger Mann,« antwortete der Pfarrer. »Die Rache ist mein, spricht der Herr, ich will vergelten. Besser, wir sinnen, wie sie aus den schimpflichen Netzen dieses Schufts befreit werden könne.«

»In der Heraldik heißen diese Netze Laquai Amoris oder Lacs d'amour!« sagte Mumblazen.

»Hierbei, Freunde, rechne ich auf Eure Hilfe, auf Euren Beistand,« erklärte Tressilian. »Ich bin entschlossen, diesen Bösewicht direkt am Fuße des königlichen Thrones der Falschheit, und Hinterlist, der Verführung und des Bruchs der Gastfreundschaft anzuklagen. Die Königin wird mich hören, wenn auch der Earl von Leicester, der Gönner dieses Schurken, ihre rechte Hand ist.«

»Ihre Majestät hat ihren Untertanen ein erhabenes Beispiel von Enthaltsamkeit gegeben und wird ganz ohne Zweifel an diesem Verbrecher gegen das heilige Recht der Gastfreundschaft ein Exempel statuieren. Möchte es nicht aber besser sein, Du wendetest Dich zuerst an den Earl of Leicester, damit er selbst seinen Untertan in Strafe nehme? Gewährt der Earl of Leicester Dir recht, so ersparst Du Dir die Gefahr, Dir einen machtvollen Feind zu schaffen, was gar wohl der Fall sein könnte, wenn Du so ohne weiteres seinen Stallmeister und Günstling bei der Königin verklagst.«

»Mein Gemüt empört sich gegen Euren Rat,« erwiderte Tressilian, »ich kann es nicht über mich bringen, die Sache meines edlen Beschützers, die Sache der unglücklichen Amy, vor einer andern Instanz als meiner Königin anhängig zu machen. Leicester ist edel, das willst Nu sagen, nun, magst Du recht haben . , . aber er ist ein Untertan wie wir selbst, und ich mag nicht vor ihn die Klage bringen, da ich Besseres zu tun imstande bin. Dennoch will ich dessen, was Du mir gesagt, eingedenk bleiben. Vorderhand muß ich Euch bitten, daß Ihr mir beisteht, den lieben Sir Hugh zu überreden, mich zu seinem Beauftragten und Vertrauten in dieser Sache zu machen, denn nicht in meinem Namen, sondern in dem seinigen muß ich das Wort führen. Seitdem sie soweit gesunken ist, daß sie ihre Liebe diesem hohlen, lüderlichen Höfling schenkt, soll er ihr wenigstens diejenigen Rechte zuteil werden lassen, die in seinem Vermögen stehen.«

»Besser, sie stürbe coelebs und sine prole,« sagte Mumblazen, mit höherm Feuer, als sonst in seiner Rede zu finden war, »als daß das edle Wappenschild der Robsart mit demjenigen eines solchen Bösewichts per pale sich einte!«

»Falls es, wie mir nicht fraglich sein kann, Eure Absicht ist,« sagte der Geistliche, »den Ruf dieses unseligen, jungen Weibes wieder zu reinigen, so muß ich Euch von neuem ermahnen, Euch zu allererst an den Earl of Leicester zu wenden. Er ist in seinem Hause ganz ebenso unbeschränkter Gebieter und Herr, wie die Königin in ihrem Königreich, und wenn er dem Varney bedeutet, daß das und das zu geschehen habe, so wird doch die Ehre des Mädchens nicht so öffentlich breitgetreten.«

»Ihr habt recht, Ihr habt recht,« erwiderte Tressilian hastig, »und ich bin Euch dankbar, daß Ihr mich aufmerksam macht auf etwas, was ich in meiner Hast übersehen habe. Hätte ich doch nie im Leben gedacht, Leicester um eine Gunst angehen zu müssen; aber knien könnte ich vor diesem stolzen Dudley, wenn dadurch die Ehre dieses unglücklichen Mädchens um einen Schatten heller würde. Ihr wollt mir also beistehen, die nötigen Vollmachten von Sir Hugh Robsart zu erlangen?«

Der Geistliche versicherte ihn seines Beistandes, und der Heraldiker nickte.

»Ihr müßt Euch auch bereit halten, falls Ihr darum angegangen werdet, die offenherzige Gastfreundschaft, die unser lieber Gönner diesem verräterischen Bösewicht erwiesen hat, und die schurkische List, die derselbe aufgewendet hat, seine unglückliche Tochter zu verführen, zu bezeugen.«

»Zuerst, so hat es mir scheinen wollen,« äußerte der Geistliche, »hat sie sich aus seiner Gesellschaft nicht sonderlich viel gemacht, dagegen habe ich sie später öfter zusammen gesehen.«

»Siant im Wohnzimmer, und passant im Garten,« bemerkte Meister Mumblazen.

»Ich habe sie einmal zufällig getroffen,« sagte der Priester, »an einem Frühlingsabend im Südwalde – Varney war eingemummt in einen dunklen Mantel, so daß ich sein Gesicht nicht gesehen habe... sie gingen schnell auseinander, als sie es rascheln hörten, und ich sah noch, wie sie den Kopf wandte und ihm lange nachblickte.«

»Regardant mit den Augen,« sagte der Heraldiker, »und am Tage ihrer Flucht, was ja am Sankt Augustinstage war, da habe ich Varneys Diener in seiner Livree hinter der Kirchhofsmauer halten sehen, an der Hand das Roß seines Herrn und den Zelter von Madam Amy, proper gezäumt und gesattelt.«

»Und nun ist sie ausfindig gemacht in ihrem geheimen Zufluchtsorte,« sagte Tressilian, »der Schurke ist in flagranti ertappt, und ich wünschte nur, er möchte sein Verbrechen leugnen, daß ich ihm den Beweis auf dem Wege durch seine falsche Kehle erbringen könnte! Aber ich muß mich rüsten zu meiner Reise. Suchet Ihr, meine Herren, meinen Gönner dahin zu beeinflussen, daß er mir alle nötige Vollmacht gebe, um in seinem Namen auftreten und handeln zu können.«

Mit diesen Worten schritt Tressilian aus dem Zimmer.

»Er ist zu hitzig,« sprach der Pfarrer, »und ich bitte unsern lieben Gott im Himmels, daß er ihm Geduld leihe, mit Varney zu handeln, wie es sich schickt.«

»Geduld und Varney,« sagte Mumblazen, »ist schlimmere Heraldik als Metall auf Metall. Denn er ist falscher als eine Sirene, räuberischer als ein Vogel Greif, giftiger als eine Viper und grausamer als ein kriechender Leu.«

»Und doch bezweifle ich sehr,« bemerkte der Pfarrer, »daß Sir Hugh Robsart in seinem dermaligen Zustande sein Vaterrecht über Madam Amy auf einen andern, sei es, wer es wolle, übertragen kann.«

»Euer Ehrwürden brauchen nicht daran zu zweifeln,« sagte Will Badger, der während dieser Worte eingetreten war, »denn mein Leben will ich einsetzen, daß er als ein andrer Mann erwachen wird, als er während dieser letzten dreißig Tage gewesen ist.«

»Ei, ei, Will,« meinte der Pfarrer, »hast Du denn solch festes Vertrauen zu, Doktor Diddleums Arznei?«

»Nicht im geringsten,« sagte Will, »denn der gnädige Herr hat niemals einen Tropfen davon eingenommen, hat doch die Hausmagd das Zeug ausgeschüttet. Aber ein Herr ist da, der mit Herrn Tressilian gekommen ist, der hat Sir Hugh eine Medizin gegeben, die ist zwanzigmal besser als jene. Ich habe mit ihm so unter der Hand geredet und muß sagen, ein besserer Viehdoktor oder einer, der von Pferds- und Hundskuren mehr versteht, als der, ist mir in meinem Leben noch nicht vorgekommen, und so einer tut auch niemals einem Christenmenschen Schaden ... nein, sicher nicht!«

»Ein Viehdoktor! Ihr frecher Kujon ... und mit wessen Ermächtigung, bitte?« sagte der Geistliche, erstaunt und entrüstet aufstehend; »oder wer will sich verbürgen für diesen neuen Doktor?«

»Was die Ermächtigung anbetrifft, wie Eure Ehrwürden wohl zu bemerken gestatten, so stammt sie her von mir; und was die Bürgschaft anbetrifft, so bin ich wohl nicht ein Vierteljahrhundert in diesem Hause gewesen, ohne mir ein Anrecht darauf erworben zu haben, beurteilen zu können, was einem Menschen oder einem Stück Vieh heilsam und von Nutzen sein kann ... kann ich doch auch selbst ein Rezept verschreiben und ein Klystier geben, zur Ader lassen und Schröpfköpfe setzen, auch, wenns gerade sein muß, ein Bein abschneiden, ohne studierte Hilfe.«

Die Räte des Hauses Robsart erachteten es für geboten, Tressilian auf der Stelle hiervon Kenntnis zu geben; und Tressilian ließ sogleich Wieland, den Schmied, rufen und stellte, ihm die Frage ... unter vier Augen jedoch ... mit welcher Befugnis er sich herausgenommen habe, Sir Hugh Robsart eine Arznei zu reichen?

»Jenun,« versetzte der Schmied, »Euer Gnaden müssen sich doch darauf besinnen, daß ich Euch erzählt habe, ich hätte in die Kunst oder Mysterien meines Meisters ... ich meine den gelahrten Herrn Doktor Doboobie ... tiefern Einblick gewonnen als ihm recht gewesen. Und fürwahr, sein Gezanke und sein Grimm gegen mich rührten bloß daher, weil ich ihm so viel abgeguckt hatte ... gar manche Leute, ganz besonders eine schmucke, junge Witib aus Abingdon, wollten von seinen Rezepten nichts mehr wissen, sondern kamen zu mir und ließen sich von mir Arznei verschreiben.«

»Laß jetzt Deinen Firlefanz, Mensch,« rief Tressilian ernst und streng. »Hast Du uns genarrt oder gar etwas angestellt, was der Gesundheit Sir Hugh Robsarts schaden kann, so verlaß Dich drauf, daß Du Dein Grab in einer Zinngrube findest.«

»Ich habe zu geringe Kenntnis von dem großen Arcanum, Erz in Gold zu wandeln,« sagte Wieland festen Tones. »Aber weist Euren Befürchtungen die Wege, Junker Tressilian ... ich weiß genau, wie es um den Fall des guten Ritters steht, aus den Mitteilungen, die mir der Meister William Badger gemacht hat; und bin hoffentlich sattsam imstande, ihm eine lumpige Dosis Mandragora zu verabfolgen, die zusammen mit dem Schlafe, der drauf folgen muß, das einzige ist, was Sir Hugh Robsart braucht, damit sein aus dem Geschick geratenes Gehirn wieder instand kommt.«

»Ich verlasse mich drauf, Wieland, daß Du ehrliches Spiel mit mir treibst,« sagte Tressilian.

»Ehrlich, rechtlich und treu, wie der Erfolg es ausweisen wird,« erwiderte der Schmied; »was würde es mir wohl nützen, dem armen, alten Mann ein Leid anzutun, an dem Ihr ein so großes Interesse nehmt? Ihr, dem ich es verdanke, daß der Henkersknecht mit seinen sakrischen Zangen mir nicht jetzt Fleisch und Sehnen zerreißt? Mir mit seiner scharfen Pfrieme nicht jetzt Löcher in den Leib bohrt? ... Hol die Hände, die sein Henkerswerkzeug schmiedeten, der Satan! ... Ihr habt mich vor ihm bewahrt, und ich habe mich, meiner Treu! anheischig gemacht, Euch in Eurem Gefolge als getreuer Diener zu dienen, und verlange weiter nichts von Euch, als durch das Ergebnis aus des guten Ritters Schlummer einen Beweis meiner Ehrlichkeit zu liefern.«

Wieland, der Schmied, hatte richtig prophezeit. Der beruhigende Trank, den seine Kunst bereitet hatte, und der dem Ritter durch den vertrauensvollen Diener Will Badger gereicht war, übte die allergünstigsten Wirkungen. Der Patient, tat einen langen, gesunden Schlaf und erwachte, zwar seelisch niedergedrückt und sehr schwach bei Kräften, jedoch weit frischeren Geistes, als er die letzte Zeit über gewesen war. Er verstand sich nicht gleich dazu, dem Vorschlag seiner Freunde zuzustimmen, der dahin ging, Tressilian an den Hof zu schicken, um auf diesem Wege die Rückgabe der Tochter und die Wiederherstellung ihrer Ehre zu erreichen, soweit das letztere noch möglich war. »Laßt sie gehen,« sagte er, »sie ist bloß ein Falke, der nach dem Winde fliegt; mir wäre jeder Pfiff zu schade, sie wieder herzurufen.« Aber trotzdem er eine ganze Zeit diesen Grund aufrecht hielt, gelang es den Freunden zuletzt doch, ihn dahin zu überzeugen, daß es seine Pflicht sei, den Entschluß zu fassen, zu welchem ihn natürliche Zuneigung triebe, und darein zu willigen, daß alles zugunsten seiner Tochter von Tressilian versucht werde, was sich irgend tun lasse. Er unterschrieb also eine gerichtliche Vollmacht, die ihm der Pfarrer aufsetzte, denn in jenen schlichten Tagen war die Geistlichkeit häufig Beraterin ihrer Gemeinde in Gerichts- wie in Kirchen- oder Glaubenssachen.

Alles, was zu seiner zweiten Reise notwendig war, wurde vierundzwanzig Stunden nach seiner Rückkehr nach Lidcotehall hergerichtet; bloß einen wesentlichen Umstand hatte man außer acht gelassen, an den Tressilian erst durch Meister Mumblazen erinnert wurde. »Ihr begebt Euch zu Hofe, Junker Tressilian,« sagte er: »Ihr werdet doch wohl nicht außer acht lassen, daß Euer Wappenschild argent und or sein muß, denn andere Felder gelten dort nicht.«

Die Bemerkung war ebenso richtig wie beunruhigend. Um eine Sache bei Hofe zu führen, war auch in den goldnen Tagen der Königin Elisabeth Bargeld ebenso unentbehrlich, wie zu allen spätern Zeiten, und gerade das war bei den Bewohnern von Lidcotehall recht knapp vertreten. Tressilian selbst war arm, die Einkünfte des guten Sir Hugh Robsart gingen, und zwar immer schon im voraus, durch seine gastfreundliche Lebensweise drauf, und schließlich stellte sich die Notwendigkeit heraus, daß der Heraldiker, der den Zweifel wachgerufen hatte, ihn selbst heben mußte. Meister Michael Mumblazen brachte nämlich einen Beutel mit Geld zum Vorschein, der annähernd dreihundert Pfund in Gold und Silber in Münzen verschiedener Prägung enthielt. Es waren die Ersparnisse von etwa zwanzig Jahren, die er jetzt, ohne eine Silbe darüber zu verlieren, dem Dienste des Gönners weihte, dessen Freundschaft ihm Dach und Fach gegeben und dem er es zu danken hatte, daß er sich diese Summe hatte sparen können. Tressilian nahm das Geld in Empfang, ohne sich eine Sekunde zu besinnen, und ein gegenseitiger Händedruck war alles, wodurch der eine seiner Freude, seine ganze Habe solchem Zwecke zu weihen, der andre dem Troste, auf solch unerwartete Weise das Haupthindernis für den Erfolg beseitigt zu sehen, Ausdruck gab.

Als sich Tressilian am andern Morgen zur Abreise rüstete, erbat sich Wieland, der Schmied, kurzes Gehör. Er gab der Hoffnung Ausdruck, Tressilian sei mit der Medizin zufrieden gewesen, die er Sir Hugh Robsart eingegeben, und knüpfte hieran die Bitte, ihn mit nach Hofe begleiten zu dürfen. Daran hatte nun Tressilian selbst schon wiederholt gedacht, denn die Klugheit, Beschlagenheit in allen möglichen Dingen und Willigkeit zu allen Dingen, die der Bursche auf der ersten Reise bewiesen hatte, die sie zusammen gemacht hatten, legte Tressilian den Wunsch nahe, ihn mitzunehmen. Aber Wieland stand in Gefahr, von den Häschern der Justiz aufgegriffen zu werden, und hieran erinnerte ihn Tressilian, indem er gleichzeitig der Zangen des Henkers und des Haftbefehls Erwähnung tat, den der Richter in Händen hatte. Wieland, der Schmied, jedoch lachte dazu.

»Ei, Sir,« sagte er, »sehet doch! Ich habe ja meinen Arbeitskittel, schon vertauscht gegen die Livree eines Gefolgsmannes, aber abgesehen hiervon guckt Euch doch meinen Schnurrbart an, jetzt hängt er herunter und jetzt zwirble ich ihn in die Höhe und färbe ihn mit einer Tinktur, die ich zu mischen verstehe; und nun will ich den Teufelskerl sehen, der mich wiedererkennt.«

Diese Worte begleitete er mit der dazu gehörigen Gebärde, und in knapp einer Minute stand er, zufolge dieser an sich vorgenommenen Wandlungen, als ein ganz andrer da. Nichtsdestoweniger nahm Tressilian noch immer Anstand, sich seiner Dienste zu versichern. Um so dringender aber wurden die Bitten des Schmieds.

»Ich schulde Euch Leib und Leben,« rief er, »und möchte gern einen Teil der Schuld abtragen, zumal ich von Herrn Will Badger erfahren habe, welch gefährliches Unternehmen Ihr vorhabt. Ich bin zwar kein Hitzkopf, kein Raufbold, der seines Herrn Sache mit Schwert und Schild zu führen liebt. Weit eher gehöre ich' zu jenen andern, die das Ende einer Mahlzeit dem Anfang eines Handgemenges vorziehen. Immerhin weiß ich, daß ich recht wohl imstande bin, in, einer Sache Euch, gestrenger Herr, bessere Dienste zu leisten, als jeder, der das Schwert und den Dolch zu führen versteht. Und diese Sache ist eben die, um derentwillen Ihr jetzt ausziehen wollt. Mein Kopf ist so viel wert, wie hundert Fäuste.«

Aber, noch immer besann sich Tressilian, kannte er doch diesen sonderbaren Patron erst so kurze Zeit; auch war er noch im Zweifel, ob er und wie weit er auf ihn bauen dürfe, sich aus ihm einen Begleiter zu machen, der ihm wirklich von Nutzen sein könne. Ehe er in dieser Sache zu einem bestimmten Entschlüsse gelangte, wurde im Schloßhofe Pferdegetrappel laut, und Meister Mumblazen trat mit Will Badger eilig in Tressilians Zimmer. Beide sprachen laut und erregt miteinander.

»Ein Reiter ist in den Hof geritten auf dem flinksten Grauschimmel, der mir je vor Augen gekommen ist,« sagte Will Badger, seinem Gefährten das Wort abgewinnend. »Er trägt am Arm ein silbernes Schild und drauf erblickt man einen feurigen Drachen, der im Munde einen Ziegelstein halt.«

»Drunter ist eine Grafenkrone,« sprach Meister Mumblazen, »er bringt einen Brief an Euch, mit demselben Wappen gesiegelt.«

Tressilian nahm den Brief, dessen Aufschrift lautete:

»An den gestrengen Herrn Tressilian, unsern geliebten Vetter.«

Und darunter stand:

-»Reite! Reite!« nach damaligem Brauche als Weisung für den Boten, »so flink Du kannst!«

Tressilian brach den Brief auf und fand den folgenden Inhalt: »An Junker Tressilian, unsern geliebten Freund und Vetter.

Wir befinden uns zurzeit so schlecht und auch sonst in so unglücklichen Umständen, daß wir von unsern Freunden diejenigen um uns zu sehen wünschen, denen wir unser besonderes Vertrauen schenken dürfen. Zu diesen zählen wir an erster Stelle unsern lieben Herrn Tressilian als einen der uns am nächsten stehenden, und zwar dem Herzen wie der Verwandtschaft nach, dem guten Willen und der raschen Fertigkeit nach. Weshalb bitten wir Euch, Ihr möget so gütig sein, Euch nach unsrer geringen Wohnung zu begeben, nach Say's Hof bei Deptford, wo wir weiter mit Euch sprechen wollen über Dinge, die wir dem Papier nicht anvertrauen mögen. Und so entbieten wir Euch unsern Gruß und begrüßen Euch als unsern herzlieben Vetter

Ratcliffe, Earl of Sussex.«

»Schick auf der Stelle den Boten herauf, Will Badger,« sagte Tressilian, und als der Mann eintrat, rief er ihm entgegen: »Ah, Steffen, Du bists! Nun, sprich, wie geht es meinem lieben Herrn?«

»Sehr schlecht, Junker Tressilian,« versetzte der Bote, »und darum wünscht er eben, der guten Freunde mehr um sich zu haben.«

»Aber was fehlt denn dem guten Herrn eigentlich?« fragte Tressilian, nicht ohne lebhafte Unruhe, »ich habe ja gar nichts davon gehört, daß er krank sei.«

»Das weiß ich nicht, Junker,« entgegnete der Mann; »er ist krank, recht krank. Die Doktors stehen da, wie die Kühe vorm Scheunentor, und in seinem Hause gibt es manch einen, der was von Hexerei vermutet, wenn nicht gar noch etwas Schlimmeres dahinter steckt.«

»Wie tritt denn das Leiden auf?« fragte Wieland, der Schmied, indem er hastig vortrat.

»Wie denn? Was denn?« sagte der Bote, der den Sinn der Worte des Schmieds nicht recht verstand.

»Ich meine, was ihm fehlt? Wo das Uebel sitzt? Wie sich die Krankheit zeigt?« sagte der Schmied.

Der Diener sah Tressilian an, wie wenn er sich erst vergewissern wollte, ob er auf solche von einem Fremden gestellte Fragen auch antworten dürfe, und als er eine bejahende Gebärde wahrnahm, zählte er nun eiligst den Verfall auf, der an den Kräften des Ritters eingetreten sei, die nächtlichen Schweiße, den Appetitmangel, das Erscheinen von Ohnmächten und so weiter.

»Dazu hat sich wohl auch,« fragte der Schmied, »ein quälender Schmerz im Magen gesellt und ein schleichendes Fieber?«

»Ganz genau,« bestätigte der Bursche, ziemlich verwundert.

»Ich weiß, woher das Leiden stammt,« erklärte der Schmied, »und weiß auch, wie es entstanden ist. Euer Herr hat vom Manna des heiligen Sankt Nikolaus gegessen. Ich weiß auch« die Kur ... mein Herr soll nicht sagen können, daß ich mich in seinem Laboratorium herumgedrückt hatte, ohne was zu lernen.«

»Was ist der Sinn solcher Worte?« fragte Tressilian, die Stirn in Falten legend. »Wir sprechen von einem der vornehmsten Männer Englands. Bedenke das! Witze und Späße anzubringen ist das kein Fall.«

»Da sei Gott vor,« sagte der Schmied. »Ich sage ja nur, und das halte ich aufrecht, daß ich die Krankheit des hohen Herrn kenne und heilen kann. Erinnert Euch doch dessen, was ich für Sir Hugh Robsart getan.«

»Wir wollen auf der Stelle aufbrechen,« sagte Tressilian. »Gott ruft uns.«

Demzufolge machte er schnell Sir Hugh Robsart und dessen Hausgenossen Mitteilung von diesem neuen Grunde zur Beschleunigung der Abreise, ohne jedoch weder der argwöhnischen Befürchtungen des Sendboten, noch der Zusicherungen Wielands, des Schmieds, Erwähnung zu tun. Sir Hugh Robsart begleitete ihn mit seinen Segenswünschen und seinem Gebet, und in Begleitung des Schmieds und des Sussexschen Sendboten machte sich Junker Tressilian auf den Ritt nach London.

Dreizehntes Kapitel

Tressilian ritt mit seinen beiden Begleitern, so rasch die Rosse laufen konnten. Den Schmied hatte er zuvor gefragt, ob er nicht lieber Berkshire, wo er doch so gut bekannt sei, links liegen lassen wolle. Wieland antwortete indessen, seiner Sache ganz sicher zu sein. Er hatte die kurze Frist, die ihm noch geblieben war, bevor sie von Lidcotehall wegritten, benützt zu einer ganz erstaunlichen Umwandlung seines Aussehens. Der struppige lange Bart war jetzt auf ein schmales Schnurrbärtchen zusammengeschrumpft, das militärisch aufgezwirbelt war. Ein Lidcoter Dorfschneider hatte für Geld und gute Worte unter Aufsicht des Bestellers all seine Kunstfertigkeit aufgeboten, um aus dem Schmied einen Menschen zu machen, der um zwanzig Jahre jünger erschien. Vordem sah er in seinem schmierigen Arbeitskittel, mit dem Haarbusch auf dem Kopf und um das Gesicht, in der gebückten Haltung, die er sich durch sein Handwerk angewöhnt hatte, und in dem Ruß und Schmutz, der sich auf seiner Haut festgesetzt hatte, fast wie ein Mann von fünfzig Jahren aus, und jetzt, in der schmucken, kleidsamen Livree eines Gefolgmanns von Tressilian, mit dem Schwert an der Seite und dem Schild auf der Schulter, sah er aus wie höchstens ein Mann von dreißig bis fünfunddreißig Jahren, also in der Blüte des Mannesalters. Das ihm früher eigne derbe, ungeschlachte Wesen schien sich gleichfalls ganz umgewandelt zu haben, und zwar in ein entgegenkommendes, schneidiges und keckes, in Blick und Handlung zum Vorschein tretendes Wesen.

Auf Tressilians Frage, wie er mit dem allen so schnell zu stande gekommen sei, gab Wieland bloß Antwort durch einen Vers aus einer Komödie, die damals neu war und nach Meinung mancher Kritiker bei dem Verfasser ein nicht geringes Talent vermuten ließ. Es freut uns, daß wir in der Lage sind, diesen Vers hersetzen zu können, der genau gelautet hat wie folgt:

»Pah pah ça ça Caliban,


Kriegst 'n neuen Meister,


Nu werd ein neuer Mann!«

Obgleich sich Tressilian nicht darauf besann, diese Verse gehört zu haben, besann er sich doch, daß Wieland, der Schmied, früher einmal Komödiant gewesen sei, woraus sich auch die Geschwindigkeit erklärte, mit der er die Umwandlung seiner äußern Person vollzogen hatte. Der Schmied selbst setzte ein so festes Vertrauen in diese Wandlung und in die Unkenntlichkeit, die er sich dadurch verschafft, daß es ihm fast leid getan hätte, wenn er an seinem früheren Wohnorte nicht vorbeigekommen wäre.

»Ich kann es riskieren,« sagte er, »in der Kleidung, die mich jetzt deckt, und bei dem Rückhalt, den mir Euer Ehren leihen, dem Richter Blindas direkt vor die Augen zu treten, sogar in öffentlicher Gerichtssitzung, und möchte wirklich mal noch zu erfahren suchen, was aus dem Musje Kobold geworden ist, der ganz gewiß am liebsten die Welt auf den Kopf stellte, wenn er mal die Fesseln los werden und seiner Großmutter und seinem Dominus ausreißen könnte. ...Ei, und das vertrackte, alte Gewölbe!« rief er, »was aus dem geworden, wie das Pulver dort unter den Retorten und Phiolen des Doktors Demetrius Doboobie gehaust haben mag, das hätte ich gar zu gern mal gesehen! Ich weiß ganz sicher, daß von mir noch erzählt werden wird im Tale von Whitehorse, wenn auch meine Knochen längst verfault sein werden, und daß noch mancher Tropf sein Pferd anbinden und seinen Silberling niederlegen und pfeifen wird, wie ein Seemann bei Windstille, daß Wieland, der Schmied, komme und sein Roß beschlage! Aber das Roß wird eher die Rotzkrankheit kriegen, als daß sich Wieland, der Schmied, wieder sehen lassen wird.«

In dieser Hinsicht erwies sich Wieland als der richtige Prophet. Fabeln entstehen tatsächlich so leicht und so geschwind, daß man bis heutigen Tags zu erzählen weiß dort und in der Umgegend von einem Hufschmied, der ein richtiger Teufelskerl gewesen sei und in allen Künsten Gewandtheit besessen habe; ja selbst die Sage von dem großen Siege des Königs Alfred oder die andre von dem berühmten Wunderhorn haben sich in Berkshire nicht so kräftig erhalten, wie die Sage von Wieland, dem Schmied.

Die Eile, mit der die Reiter ihrem Ziele zustrebten, gestattete ihnen keinen längeren Aufenthalt, als zum Füttern ihrer Tiere notwendig war, und da manche von den Ortschaften, durch die sie ihr Weg führte, unter dem Einflüsse des Grafen von Leicester stand, erachteten sie es für klug, ihre Namen für sich zu behalten, wie auch den Zweck ihrer Reise. Bei solchen Anlässen war nun die Fertigkeit und Gewandtheit Wieland Schmieds, wie wir den Mann hinfort nennen wollen, ob er gleich mit seinem richtigen Namen Lancelot Wieland hieß, von außerordentlicher Verwendbarkeit. Er schien wirklich Freude daran zu haben, wenn er bei Wirten und Hausknechten durch sein geschicktes Verhalten recht große Neugierde wachgerufen und sie gehörig an der Nase herumführen konnte. Dreierlei verschiedene Gerüchte kamen in Umlauf während der Dauer ihrer Reise: erstens daß Tressilian der Lorddeputierte von Irland sei und in Verkleidung käme, um den Willen der Königin in Sachen des großen Rebellen Rory Oge Mac-Carthy Mac-Mahon zu vernehmen; zweitens daß Tressilian ein Geschäftsträger sei von »Monsieur«, der für Seine königliche Hoheit um die Hand der Königin Elisabeth anhalten soll; drittens, daß er der Herzog von Medina sei, der inkognito nach England gekommen, um den Streitfall zwischen Philipp dem Zweiten von Spanien und der Herrscherin von England beizulegen.

Tressilian wurde hierüber sehr ärgerlich und legte Wieland Schmied die mancherlei Scherereien und vor allem den unnötigen Grad von Aufsehen, den sie um solcher Märchen willen machten, zur Last. Aber er ließ sich beruhigen ... und wer hätte solchem Grunde sein Ohr verschließen können? ... durch die Versicherung des Schmieds, die Schuld läge einzig und allein an ihm selber und an seinem vornehmen, ritterlichen Aussehen, so daß es gar nicht zu umgehen gewesen sei, einen auffälligen Grund für die Eile und die Heimlichkeit des Rittes anzugeben.

Endlich kamen sie der Hauptstadt näher, und je mehr sie sich ihr näherten, desto geringer wurde infolge des Fremdenschwalls, der dieselbe umlagerte, das Interesse für die beiden Reiter.

Tressilians Absicht war, direkt, nach Deptford sich zu begeben, wo Lord Sussex residierte, um dem Hofe, der zurzeit in Greenwich gehalten wurde, dem Lieblingswohnsitze der Königin Elisabeth und besonders geschätzt von ihr als Stätte ihrer Geburt, so nahe wie möglich zu sein. Indessen war ein kurzer Aufenthalt in London nicht zu umgehen, und durch die ernstlichen Bitten Wieland Schmieds, der sich in der Stadt umsehen wollte, zog sich dieser Aufenthalt sogar noch etwas in die Länge.

»Nimm Dein Schwert,« sagte Tressilian, »und Deinen Schild und folge mir! Ich muß gleichfalls ausgehen, wir können uns also zusammen auf den Weg machen.«

Er sagte das um deswillen, weil er sich noch immer nicht recht auf die Treue seines neuen Gefolgmanns verlassen zu dürfen meinte; wenigstens erschien es ihm nicht für geraten, ihn in diesem wichtigen Augenblick, da sich die Parteien am Hofe der Königin in solch regem Wettkampfe um die Herrschaft befanden, aus dem Gesicht zu lassen. Wieland Schmied ließ sich diese Vorsichtsmaßregel willig gefallen, deren Grund er wahrscheinlich vermutete, aber er bedang sich bloß aus, daß sein Herr in die Läden derjenigen Doktoren der Chemie und der Apotheker mitgehe, die er namhaft machen werde, wenn sie ihren Weg durch die Fleet Street nähmen, und ihm ein paar Einkäufe dort erlaubte von Dingen, deren er dringend benötige. Tressilian erklärte sich damit einverstanden und ging mit in die Läden, die der Schmied bezeichnete; es waren ihrer vier bis fünf, und in jedem kaufte Wieland Schmied, wie Tressilian zu seiner Verwunderung wahrnahm, immer bloß ein, aber immer ein andres Arzneimittel. Was er davon zuerst einkaufte, war immer gleich bei der Hand; was er später verlangte, brauchte immer einige Zeit, bis er es erhalten konnte... ebenso machte Tressilian die Wahrnehmung, daß Wieland mehr als einmal, zum lebhaften Erstaunen der Ladeninhaber, die ihm verabfolgte Droge oder Pflanze zurückgab und sich die richtige dafür ausbat, oder den Laden verließ, um sie anderswo einzukaufen. Ein Ingrediens aber schien sich gar nicht auftreiben zu lassen. Einige Drogisten gaben ohne Zaudern zu, dasselbe noch nie im Leben gesehen zu haben. Andre stellten in Abrede, daß es eine solche Arznei überhaupt gäbe, außer in der Einbildung ganz verschrobener Alchimisten, Die meisten versuchten, dem Schmied eine andre Arznei dafür zu verkaufen, ohne daß es ihnen aber gelingen wollte, denn dieser wies all die untergeschobene Ware als nicht das, wonach er frage, zurück, so viel auch die Verkäufer ihm einreden wollten, daß sie ihm doch gäben, was er verlange, und nichts anders, oder daß das, was sie ihm gäben, die gleichen Eigenschaften besitze, wie das von ihm Verlangte. Durchschnittlich waren sie aber alle erpicht darauf, zu erfahren, wozu der Schmied diese Arznei haben wolle. Ein alter, dürrer Drogist, an den der Schmied das gleiche Ansuchen richtete, aber in Ausdrücken, für die es Tressilian an Verständnis gebrach, und die er sich nie im Leben erinnerte gehört zu haben, antwortete frei und offen, die Arznei dürfe sich in ganz London wohl kaum ausfindig machen lassen, wenn sie nicht etwa Yoglan, der Jud', führte.

»Hab ich es mir doch gedacht!« sagte Wieland. Und sobald sie aus dem Laden getreten waren, sagte er zu Tressilian: »Ich muß Euch, gestrenger Herr, um Verzeihung bitten, aber es ist kein Arbeiter im stande, etwas zu machen, wenn es ihm an dem Werkzeug dazu gebricht. Ich muß deshalb noch zu diesem Yoglan gehen, und gelobe Euch, daß der Gebrauch, den ich von dieser seltnen Arznei machen will, Euch reichliche Entschädigungen bringen wird für den Aufenthalt, den ich Euch jetzt verursache. Erlaubt mir also, jetzt vorauszugehen,« setzte er hinzu, »denn wir müssen jetzt die breite Hauptstraße verlassen und kommen, wenn ich den Führer mache, noch einmal so geschwind vom Flecke.«

Tressilian erklärte sich einverstanden, der Schmied bog in eine Seitengasse ein, die linker Hand zum Flusse hinunterging. Es kam ihm vor, als ob sein Führer mit besonderer Geschwindigkeit seinen Weg verfolge und als ob er sehr bekannt in der großen Stadt sein müsse, denn er wußte den Weg ganz genau durch alle Seiten- und Nebengäßchen. Endlich blieb Wieland stehen, mitten in einem besonders engen Winkelgäßchen, das seinen Ausgang nach der Themse hinunter hatte, die hier recht düster und schmutzig aussah. Dieser Hintergrund wurde, wie Meister Mumblazen gesagt hätte, »quer geteilt« durch die Masten von zwei Leichterschiffen, die dort vor Anker lagen und auf die Flut warteten.

Der Laden, vor dem der Schmied stehen blieb, besaß, wie es zurzeit Mode ist, kein Schaufenster, sondern war nichts weiter als eine mit Glanzleinwand gedeckte Bude, wie sie jetzt zumeist Schuhflicker halten. An der Vorderseite war sie offen, und erinnerte hierin an die Fischbuden unsrer Tage.

Ein altes, kleines Männchen mit schmutzfarbenem Gesicht, sonst aber von keiner Ähnlichkeit mit einem Juden, denn er war ganz blond und hatte gar keinen Bart, zeigte sich und er fragte Wieland unter allerhand Höflichkeitsbezeugungen, was ihm die Ehre seines Besuches verschaffe. Kaum hatte er die Arznei genannt, die er suchte, als der Jude zusammenfuhr und sehr verwundert dreinschaute.

»Und wozu will Euer Gnaden wohl haben diese Arznei? Ich habe nun meinen Laden an die vierzig Jahr, aber, mein Gott, es ist in dieser ganzen Zeit gewesen nicht ein einziges Mal Nachfrage bei mir danach.«

»Diese Frage Euch zu beantworten, dazu habe ich von meinem Besteller keinen Auftrag,« entgegnete Wieland; »ich will bloß von Euch hören, ob Ihr führt, was ich will haben, und ob Ihr, wenn dies der Fall ist, mir von der Arznei was käuflich wollt ablassen.«

»Ei, Du mein Gott, freilich führe ich die Arznei und führe sie nicht zum Vergnügen, sondern zum Verkaufe; also könnt Ihr auch haben, soviel Ihr wollt, wie ich verkaufe als Drogist alles, was ich führe in meinem Laden.«

Also sprechend, schüttete er ein Pulver auf den Ladentisch und fuhr dann fort:

»Aber die Arznei wird kosten viel Geld, denn was sie mich kostet, das geht nicht bloß ins Geld, das geht ins Gold ... ja, sie muß gewogen werden mit Gold, muß gewogen werden sechsfach mit Gold ... denn sie kommt vom Berge Sinai, wo gegeben worden ist uns das heilige Gesetz. Und die Pflanze blüht nur einmal im Jahrhundert.«

»Ich weiß nicht, wie oft sie gesammelt wird auf dem Berge Sinai,« erwiderte Wieland, nachdem er die ihm gezeigte Droge mit tiefer Verachtung betrachtet hatte; »aber ich will mein Schwert und meinen Schild gegen Euren Mantel setzen, daß das Zeug, das Ihr mir da gebt, statt dessen, was ich fordere, in Aleppu im Schloßgraben umsonst gepflückt werden kann.«

»Ihr seid ein rauher Mann,« sagte der Jude, »und zudem habe ich nichts, was besser wäre als das, in meinem ganzen Laden ... oder wenn ich noch hätte, was besser wäre, so würde ich es Euch nicht ablassen wollen ohne eine ärztliche Verordnung, Ihr müßtet mir denn sagen, was Ihr wollt machen für einen Gebrauch davon.«

Wieland gab ihm nun Bescheid in einer Sprache, von der Tressilian nichts verstand und die den Juden mit dem größten Erstaunen erfüllte. Er starrte den Schmied an, wie jemand, der plötzlich irgend einen gewaltigen Helden oder gefürchteten Gewalthaber in der Person eines unbekannten und bislang für nichts gehaltenen Fremden erkannt hat.

»Heiliger Elias!« rief er aus, als er sich von den ersten Wirkungen seines Staunens erholt hatte, und dann ging er mit einem Male aus seiner bisherigen argwöhnischen und bedächtigen Weise zu der äußersten Höflichkeit und zu dem verbindlichsten Wesen über, machte einen Bückling über den andern vor dem Schmied und ersuchte ihn, in seine arme Behausung einzutreten, um seiner elenden Schwelle nicht den Segen zu rauben.

»Ihr wollt keinen Becher leeren mit dem armen Juden Zacharias Yoglan? ... Kann ich dienen mit einem Glas Tokayer? ... Wollt Ihr kosten von meinem Lachrymae Christi? ... Wie?«

»Ihr beleidiget mich mit Euren Angeboten,« versetzte Wieland, »gebt mir, was ich begehre und erspart Euch alles weitere Reden.«

Also in seine Schranken verwiesen, griff der Jude nach seinem Schlüsselbund und schloß behutsam ein Schränkchen auf, das fester verschlossen zu sein schien als die andern Schubladen und Kästen, in denen er seine Drogen und, Arzneien verwahrt hielt und zwischen denen es stand; dann zog er ein geheimes Fach auf, das mit einer Glastafel bedeckt war, und das eine geringe Portion eines schwarzen Pulvers enthielt.

Dieses Pulver reichte er dem Schmied, und sein Wesen bezeugte dabei die tiefste Ehrerbietung, wenn er auch mit einem geizigen, eifersüchtigen Ausdruck im Gesicht und mit ängstlicher Behutsamkeit, als wenn es ihm leid sei um jedes Gran, das er seinem Kunden zuviel abgeben könne, die Menge in der Hand wog: ein seltsamer Gegensatz zu der Unterwürfigkeit, deren er sich sonst dem Schmied gegenüber beflissen zeigte, und durch den diese an Wert erheblich verlor.

»Habt Ihr eine Wage?« fragte Wieland.

Der Jude zeigte auf die Wage, die er sonst in seinem Laden zu benutzen pflegte, aber mit einem so deutlichen Zeichen von Zweifel und Furcht, daß es dem Schmied nicht entgehen konnte.

»Es muß eine andre Wage sein als diese,« sagte Wieland in strengem Tone; »wisset Ihr nicht, daß heilige Dinge ihre Kraft einbüßen, wenn sie gewogen werden auf ungerechter Wage?«

Der Jude ließ den Kopf hängen, nahm aus einem mit Stahl plattierten Kästchen eine andre, elegant verzierte Wage und sagte, indem er sie für den Gebrauch zurecht machte und dem Schmied gab:

»Diese Wage dient mir zu meinen eignen Experimenten ... ein Haar von des Hohenpriesters Bart würde ins Schwanken bringen ihr Zünglein.«

»Die genügt,« erwiderte der Schmied und wog zwei Drachmen von dem schwarzen Pulver für sich ab, die er hierauf auf das sorgsamste zusammendrückte, in ein festes Blatt Papier wickelte und zu den übrigen Medikamenten in die Tasche schob. Dann fragte er den Juden, was die beiden Drachmen kosteten; der Jude aber schüttelte den Kopf und verneigte sich tief zur Erde. ...

»Keinen Preis, nein, keinen ... nichts, nichts von solchen wie Ihr seid ... aber Ihr werdet Wohl wieder besuchen den armen Juden und werdet Euch ansehen sein Laboratorium, wo er, Gott helfe ihm, zusammen ist geschrumpft zu dem Stoffe, aus welchem bestanden hat der verdorrte Kürbis des Propheten Jonas, des heiligen ... ja, Ihr werdet haben Mitleid mit ihm und ihm helfen einen Schritt weiter auf der großen Straße.«

»Pst!« machte Wieland und legte geheimnisvoll den Finger an den Mund, »es kann sein, daß wir uns wieder begegnen ... Du hast beinahe den Schamajm, wie Deine eignen Rabbis es nennen ... die große Schöpfung ... wache also und bete, denn Du mußt die Weisheit des Alkahest erlangen und des Elixiers und des Samech ... ehe ich mich weiter einlasse mit Dir.«

Dann erwiderte er die tiefe Verbeugung des Juden mit einem Nicken und schritt hoheitsvoll durch das Gäßchen von bannen, hinter ihm sein Herr, dessen erste Bemerkung über den Auftritt, dessen Zeuge er gewesen war, lautete: daß Wieland dem Juden für das Pulver etwas hatte bezahlen müssen, sei es noch so wenig gewesen.

»Ich ihn bezahlen?« versetzte dieser; »soll mich der böse Feind und sich holen, wenn ich es tue! ... Hätte ich, nicht befürchtet, Euer Gnaden Unwillen wachzurufen, so hätte ich ihm noch ein paar Unzen Goldstaub für das gleiche Gewicht Ziegelstaub abgenommen!«

»Ich rate Dir, solche Streiche zu unterlassen, so lange Du bei mir in Diensten stehst!« sprach Tressilian.

»Ich sage ja doch, daß ich es bloß unterlassen habe um Euretwillen,« antwortete Wieland Schmied, »Streiche saget Ihr? ... ei, ei! Das alte, dürre Skelett ist reich genug, die enge Gasse, in der es wohnt, mit Talern zu pflastern. Aber er läßt sie nicht aus seinem eisernen Kasten heraus, und doch wird er närrisch wegen des Steins der Weisen! Außerdem wollte er mich zuerst betrügen, da er mich für einen armen Gefolgsmann ansah, mit einem Quark, der keinen Heller wert war. Wurst wider Wurst! sagte der Teufel zum Kohlenmann. Wenn seine schlechte Droge meine echten Kronen wert sein sollte, so galt das gleiche von meinem Ziegelstaub und seinem Gold.«

»Du magst recht haben, wenn Du einen Juden so traktierst und mit den Drogisten feilschest,« erwiderte Tressilian, »aber merke Dir, dergleichen Manöver, von einem meiner Leute ausgeübt, beeinträchtigen meine Ehre, und darum kann ich sie nicht erlauben. Nun bist Du hoffentlich fertig mit Deinen Einkäufen?«

»Das bin ich, gestrenger Herr,« erwiderte Wieland; »und mit diesen Drogen gedenke ich noch heute das wahre Gegengift, jene edle Arznei zu bereiten, die man in so seltenen Fällen nur als wirksam und echt findet in den Ländern des europäischen. Kontinents, wo jenes so äußerst seltne und kostbare Arzneimittel nicht zur Verfügung steht, das ich eben von dem Juden Yoglan gekauft habe. [Orvietan oder venetianisches Tränkchen, wie es bisweilen auch genannt wird, stand im Rufe eines vornehmen Heilmittels gegen Gift; und der Leser muß sich für die Lektüre dieses Buches darein finden, diese Meinung zu teilen, die ehedem verbreitet war sowohl in der gelehrten Welt wie beim großen Volk.]

»Warum hast Du denn Deine Einkäufe nicht sämtlich im gleichen Laden gemacht?« fragte Tressilian; »wir haben dadurch beinahe eine Stunde eingebüßt, daß wir von einem Drogisten zum andern haben laufen müssen.«

»Lasset das gut sein, Herr,« versetzte Wieland, »es soll mir niemand mein Geheimnis ablernen; ich würde es aber bald los sein, wollte ich alle Medikamente, die dazu gehören, zusammen in einem und demselben Laden kaufen.«

Nun begaben sie sich zurück nach ihrem Gasthofe, dem beliebten »Zum wilden Mann«; und während dort der Diener des Lord Sussex die Pferde anschirrte, ließ sich Wieland Schmied vom Koch einen Mörser geben, schloß sich in ein besonderes Stübchen ein und zerstieß und mischte und wog und brachte die Drogen, die er eingekauft hatte, in das richtige Verhältnis zu einander, mit einer Fertigkeit und Schnelligkeit, daß niemand, der ihn dabei beobachtet hätte, im Zweifel gewesen wäre über seine Eigenschaft als Apotheker oder Pharmazeut.

In der Zeit, die Wieland zur Bereitung seines Heilmittels brauchte, war der Diener auch mit dem Anschirren der Pferde fertig. Ein Ritt von knapp einer Stunde brachte sie zum gegenwärtigen Wohnsitz des Earl of Sussex, einem alten Schlosse in der Nähe von Deptford, Say's-Hof mit Namen, das lange der Familie dieses Namens gehört hatte, aber seit etwa einem Jahrhundert der alten und ehrlichen Familie Evelyn gehörte.

Das dermalige Oberhaupt dieser Familie nahm lebhaften Anteil an dem Schicksal des Earl of Sussex und hatte ihm und seinem zahlreichen Gefolge diese gastliche Stätte geöffnet.

Vierzehntes Kapitel

Say's-Hof wurde bewacht, wie eine belagerte Festung; und Argwohn beherrschte zu damaliger Zeit die Gemüter in so hohem Maße, daß Tressilian und seine Begleiter, als sie in die Nähe des kranken Grafen gelangten, wiederholt von Schildwachen angehalten und ausgefragt wurden, von berittnen sowohl wie von solchen zu Fuß. Wirklich machte auch der hohe Rang, den Sussex in der Gunst der Königin einnahm, wie auch seine Rivalität gegen den Earl of Leicester, die in ganz England bekannt und von der Königin gelitten war, sein Wohlbefinden zu einer Sache von höchster Wichtigkeit, denn zu der Zeit, da unsere Erzählung spielt, herrschte in allen Gemütern noch Zweifel darüber, ob er oder der Earl of Leicester den höhern Rang in ihrer Gunst besitzen würde.

Königin Elisabeth liebte es, wie manch andre ihres Geschlechts, die Parteien gegen einander auszuspielen und, je nachdem es das Staatsinteresse erheischte, manchmal wohl auch, wie es ihrer weiblichen Eitelkeit gefiel, denn sie war von dieser Schwäche durchaus nicht frei, bald diese, bald jene ans Ruder kommen zu lassen. Klug zu erwägen, die Karten nicht aus der Hand zu geben, das eine Interesse gegen das andre zu setzen, den Höfling, der in ihrer Wertschätzung sich der höchsten Stelle sicher wähnte, durch die Furcht im Schach zu halten, es könne ein andrer, wenn auch nicht in ihrer Gunst, so doch in ihrem Vertrauen, ihm an die Seite treten, waren Künste, die sie während ihrer Regierung zu üben verstand und die ihr, so oft sie in die Schwäche der Günstlingswirtschaft sank, die Möglichkeit und die Fähigkeit ließen, die schlimmen Einwirkungen derselben auf ihr Königreich und ihre Regierung zum größten Teile zu verhindern.

Die beiden Edelleute, die sich zurzeit in ihrer Gunst als Nebenbuhler gegenüberstanden, besaßen äußerst verschiedene Ansprüche auf diesen Besitz; es möge indessen hier die allgemeine Bemerkung genügen, daß der Graf von Sussex Elisabeth als Königin die größten Dienste geleistet hatte, während Leicester ihr als Mensch näher stand. Sussex war, wie damals im britischen Königreiche gesagt wurde, ein »Martialist«, ein Mann des Krieges. Er hatte Hervorragendes geleistet in Irland sowohl als in Schottland, vor allem aber in dem großen Aufstand im Norden des Landes, der im Jahre 1569 ausgebrochen und zumeist durch seine soldatische Tüchtigkeit unterdrückt worden war. Infolgedessen scharten sich um ihn all jene Elemente, die durch das Waffenhandwerk sich zu Macht und Ansehen bringen wollten. Dazu kam, daß der Graf von Sussex aus älterm und edlerm Geschlechte stammte als sein Nebenbuhler, denn er vereinigte in seiner Person sowohl das Geschlecht der Fitz-Walters, wie das der Ratcliffes, während das Wappenschild Leicesters befleckt war durch die Degradation seines Großvaters, des herrschsüchtigen Ministers Heinrich des Siebenten, und wohl kaum wieder gereinigt durch jene andre seines Vaters, des unglücklichen, am 22. August 1553 im Tower hingerichteten Dudley, Herzogs von Northumberland. Aber in seiner Person, seiner Wohlgestalt, seinem Angesicht, seiner Haltung und Führung – Waffen, die am Hofe einer Herrscherin von so ausschlaggebender Bedeutung find – besaß Leicester Vorzüge, die mehr als ausreichend waren, die soldatischen Dienste, das edlere Blut und das freie und offne, vielleicht manchmal derbe Wesen des Grafen von Sussex in Schatten zu stellen oder doch auszugleichen. Leicester besaß auch in Hofkreisen, zum Teil sogar im Königreiche, das Ansehen, daß ihm die Gunst der Königin in höherem Maße gehöre als Sussex, wenngleich die Königin auch in diesem Falle Klugheit genug besaß, ihre Gesinnung nicht vollständig an den Tag zu legen, um den Grafen immer in der Meinung zu halten, daß zuletzt doch vielleicht der andre an die erste Stelle gelangen könne. Die Erkrankung des Grafen von Sussex kam Leicester deshalb um so gelegner, als sich in der Bevölkerung die sonderbarsten Kombinationen daran knüpften, wahrend die, Parteigänger des einen Grafen von den tiefsten Befürchtungen, diejenigen des andern von den stärksten Hoffnungen wegen des wahrscheinlichen Ausgangs der Krankheit erfüllt wurden. Inzwischen – denn zu damaliger Zeit rechnete man immer mit der Wahrscheinlichkeit, daß solcher Zwist mit dem Schwerte beigelegt werden würde – scharten sich die Parteigänger der beiden Männer um deren Fahnen, erschienen wohlbewaffnet selbst in der Nahe des Hofes und verwirrten das Ohr der Herrscherin durch ihre häufigen und beunruhigenden Auseinandersetzungen und Streitereien, die von ihnen sogar in den engern Räumen des königlichen Palastes geführt wurden. Diese Verhältnisse zu schildern, war notwendig, um die nun folgenden Vorgänge dem Leser verständlich zu machen:

Tressilian fand bei seiner Ankunft in Say's-Hof Parteigänger des Grafen von Sussex und Edelleute, die gekommen waren, sich nach dem Befinden ihres Gönners zu erkundigen, in Scharen, so daß das Haus sie kaum zu fassen vermochte. Aller Hände waren bewaffnet, und aller Gesichter zeigten düstern Ernst, gleich als ob auf allen die Furcht vor einem sofortigen heftigen Angriffe lastete. In der Halle dagegen, wohin Tressilian von einem Diener des Grafen geführt wurde, während ein andrer sich zu dem Grafen begab, um die Ankunft Tressilians zu melden, warteten nur zwei Edelleute. In der Kleidung, Erscheinung und im Wesen derselben bestand ein auffälliger Gegensatz. Die Haltung des ältern, augenscheinlich eines hohen Standesherrn, der in, der Vollkraft des Mannesalters stand, war schlicht und soldatisch; er war von untersetzter Gestalt, von kräftigem Gliederbau; sein Wesen ermangelte jeglicher Milde, und sein Gesichtsausdruck war von jener Art, die einen kerngesunden Menschenverstand ausdrückt, ohne ein Korn von Lebhaftigkeit oder Einbildungskraft. Der jüngere, der anfangs oder Mitte der Zwanziger zu stehen schien, war in die munterste Tracht gekleidet, die zu damaliger Zeit von Standespersonen getragen wurde: hervorstechend durch ein Mäntelchen aus karmesinrotem Sammet, das reich besetzt war mit Spitzen und Stickereien, eine Kappe aus dem gleichen Stoffe, umschnürt mit einer dreifach gewundenen, durch eine Medaille befestigten, güldnen Kette. Sein Haar war frisiert, wie man es in unsrer Zeit bei manchen vornehmen Edelleuten trifft, nämlich kurz geschnitten und energisch in die Höhe gekämmt; in den Ohren trug er silberne Ringe, und in jedem der Ringe prangte eine Perle von erheblicher Größe. Das Gesicht dieses Jünglings, das übrigens von regelmäßiger Schönheit war und dessen Ausdruck durch eine elegante Erscheinung erhöht wurde, war lebhaft und munter und von einer Offenheit, daß man die Festigkeit eines entschlossenen und das Feuer eines unternehmenden Charakters zugleich mit Ueberlegungskraft und Raschheit des Entschlusses davon hätte ablesen können.

Die beiden Edelleute lehnten ziemlich in der gleichen Stellung unfern von einander auf Bänken, aber jeder schien in seine besondern Betrachtungen vertieft zu sein, jeder blickte starr auf die Wand, die ihnen gegenüber sich erhob, und keiner sprach zum andern ein Wort. Die Blicke des ältern der beiden ließen keinen Zweifel, daß er, wenn er sich die Wand ansah, nichts weiter darin sah, als den mit Waffenröcken, Geweihen, Schilden, alten Rüstungen, Partisanen und dergleichen Dingen, die gewöhnlich den Schmuck solcher Stätte bilden, behangenen Teil eines Gemachs. Die Miene des jüngern Stutzers verriet eine gewisse Phantasie: er war versunken in träumendes Sinnen, und es sah ganz so aus, als ob der leere Bodenraum zwischen ihm und der Wand die Bühne eines Theaters sei, auf der sein Geist seine eignen dramatischen Personen auftreten ließe, und ihm Szenen vorführte von ganz andrer Art und ganz anderm Charakter, als jene, die ihm sein leibliches Auge und irdisches Leben hätten zeigen können.

Bei Tressilians Eintritt fuhren beide Edelleute aus ihrem Sinnen auf und entboten ihm ihren Gruß; der jüngere vornehmlich mit großem Aufwand von Munterkeit und Herzlichkeit.

»Willkommen, willkommen, Tressilian,« sagte der Jüngling, »Deine Philosophie raubte Dich uns, als diese Stätte dem Ehrgeiz Ziele zu eröffnen schien ... aber sie ist manierlich und läßt sich ertragen, da sie Dich uns wieder zuführt zu einer Zeit, da hier bloß Gefahren zu teilen sind.«

»Ist denn mein lieber Herr so gefährlich erkrankt?« fragte der Junker.

»Wir befürchten das Schlimmste,« antwortete der ältere Edelmann, »und zwar darum, weil hier die schlimmsten Praktiken gelten.«

»Pfui,« rief da Tressilian, »der Graf von Leicester ist doch ein Ehrenmann.«

»Was will er dann mit all den Mannen, die er um sich schart?« sagte der jüngere. »Wer den Teufel weckt, mag ja ein Ehrenmann sein, aber er ist verantwortlich für das Unheil, das er stiftet, trotz allem.«

»Versteht Ihr unter diesem »trotz allem« Euch selbst, meine Herren?« fragte Tressilian, »seid Ihr es allein, die meinem lieben Herrn beistehen in seiner äußersten Not?«

»Nein, nein,« versetzte der ältere Edelmann, »Tracy, Markham und manch andre mehr sind da, aber wir halten hier paarweise Wacht, und manche sind müde und schlafen oben in der Galerie.«

»Und manche,« setzte der Jüngling hinzu, »sind unterwegs nach Deptford zum Dock hinüber, um nach einem Schiff Ausschau zu halten, zu dessen Ankauf die Trümmer ihres Vermögens noch ausreichen; und sobald hier alles vorbei ist, wollen wir unsern edlen Herrn in ein edles, grünes Grab betten, dann bei schicklichem Anlaß über die herfahren, die ihn in solchen Zustand gejagt haben, und dann mit schwerem Herzen und leichtem Beutel nach Indien segeln.«

»Meinetwegen,« versetzte Tressilian, »und sobald ich mein Geschäft am Hofe erledigt habe, will ich mich Eurem Vorhaben gern anschließen.«

»Du hast Geschäfte bei Hofe?« riefen beide, wie aus einem Munde, »und machst die Reise mit nach Indien?«

»Ey ei, Tressilian,« rief der jüngere Mann, »bist Nu nicht versprochen, verlobt? Und hinweg über jene Glücksfahrten, die andres junges Volk hinaus auf hohe See treiben, wenn ihre Barke bloß ein paar Ruderschläge noch bis zum Hafen hatte? ... Was ist aus der holden Indamira geworden, die meinem Amoret in Treue und Schönheit sollte vereinet sein?«

»Sprich von ihr nicht!« sagte, sich abwendend, Tressilian.

»Ei, ei, steht es so mit Euch beiden?« rief der Jüngling, indem er mit aller Herzlichkeit und Liebe des andern Hand ergriff; »dann fürchte nicht, daß ich den Finger wieder auf die frische Wunde lege! Aber das ist eine seltsame Kunde! Seltsam und traurig! Kann denn keiner von uns muntern, fröhlichen Gesellen in diesem jähen Gewittersturm glücklich im Hafen landen, sondern müssen alle von uns schmählichen Schiffbruch leiden? Von Dir wenigstens, mein lieber Edmund, hatte ich gehofft, Du würdest glücklich landen; aber sagt nicht ein andrer lieber Freund Deines Namens:

»Wer sieht Fortunens Rad zerstören, Ein Glück, das er für sicher hält; Der fühlt es, daß wir angehören Dem Wankelmut in dieser Welt, Der im Zertrümmern sich gefällt!«

Der ältere Edelmann war von seiner Bank aufgestanden und schritt mit merklicher Ungeduld durch die Halle, während der Jüngling mit hohem Ernst und tiefer Empfindung diese Strophen zitierte. Als er damit fertig war, hüllte der andre sich in seinen Mantel ein und streckte sich wieder hin mit den Worten:

»Mich wundert es, Tressilian, daß Ihr den albernen Kram mit anhören könnt. Was soll wohl ein vernünftiger Mensch denken von einem so tugendsamen und ehrbaren Hause, wie dem meines Herrn, wenn er hier solch weinerliches, läppisches, kindisches Gereimsel hört? Solches Gefasel, das mit Junker Walter Klingelbeutel den Weg gefunden hat in unser ehrenfestes, kernfestes Englisch? Das uns Gott geschenkt hat, damit wir uns schlicht und verständlich ausdrücken? Und das sollen wir uns verdrehen und verschnörkeln lassen in solch unreifes, unfaßliches Geplapper?«.

»Blount meint,« sagte sein Kamerad lachend, »der Teufel habe um Eva in Versen gefreit,, und die mystische Bedeutung vom Baume der Erkenntnis beziehe sich einzig und allein auf die Fertigkeit, Reime zu drechseln und Hexameter zu bilden.«

In diesem Augenblick trat der Kammerherr des Grafen in die Halle und benachrichtigte Tressilian, daß der Graf ihn zu sich entbieten lasse.

Tressilian fand Lord Sussex angekleidet, aber frei von Arm- und Beinschienen auf seinem Ruhebett. Ueber die Veränderung, die durch die Krankheit mit ihm vorgegangen war, fühlte er sich tief betroffen. Der Graf begrüßte ihn aufs herzlichste und erkundigte sich sogleich, wie es um seine Herzenssachen stände. Tressilian ging der Antwort einen Augenblick aus dem Wege und lenkte die Rede auf den Gesundheitszustand des Grafen. Zu seinem nicht geringen Erstaunen machte er die Beobachtung, daß die Symptome seiner Krankheit sich genau mit der Schilderung deckten, die der Schmied von ihr gegeben hatte. Darum zauderte er nicht, dem Grafen genau zu erzählen, wie es sich um seinen neuen Gefolgsmann verhielt, und daß sich derselbe anheischig gemacht hätte, die Krankheit zu heilen, an der der Graf litte.

Dieser hörte aufmerksam, aber ungläubig zu, bis der Name Demetrius vorkam. Da rief er plötzlich seinem Sekretär zu, ihm ein Kästchen zu bringen, worin sich Papiere von Wichtigkeit befanden.

»Nimm die Aussage heraus,« sagte er zu dem Sekretär, »die der Schurke von Koch, den wir im Verhör hatten, abgegeben hat, und sieh sorgfältig zu, ob darin nicht der Name Demetrius vorkommt.«

Der Sekretär hatte die Stelle im Nu gefunden und las:

»Und der Inkulpat, als er befragt wird, sagt aus: daß er sich erinnre, die Sauce zu dem erwähnten Stör bereitet zu haben, nach dessen Genuß der besagte edle Lord von Uebelkeit befallen wurde; und er tat die üblichen Ingredienzien und Gewürze hinzu und zwar ...«

»Uebergehe diese nebensächlichen Dinge,« sagte der Graf, »und sieh zu, ob er nicht durch einen gewissen Demetrius, seines Zeichens Kräuterhändler, mit den betreffenden Materialien versorgt worden ist.«

»Das ist durchaus richtig,« antwortete der Sekretär, »und er fügt bei, daß er seitdem besagten Demetrius nicht gesehen habe.«

»Dies stimmt überein mit der Geschichte Deines Burschen,« erwiderte der Graf, »laß ihn herholen, Tressilian!«

Vor den Grafen geführt, erzählte Wieland, der Schmied, sein Vorleben mit Festigkeit und Ruhe.

»Es kann ja sein,« sprach der Earl, »daß Du abgesandt worden bist von denen, die dies Werk begonnen haben, zu dem Zwecke, es zu vollenden. Aber bedenke, daß es Dir hart ergehen wird, wenn ich an Deiner Arznei zugrunde gehe.«

»Das wäre gestrenges Maß,« erwiderte der Schmied, »da doch die Wirkung von Arzneien und das Ende des menschlichen Lebens in Gottes Hand ruht. Aber ich will die Gefahr laufen. Ich habe nicht so lange unter der Erde gelebt, um Bange vor dem Grabe zu haben.«

»Nun denn, da Du so zuversichtlich bist, will ich die Gefahr desgleichen auf mich nehmen,« sprach der Graf, »denn die studierten Aerzte sind mit ihrem Latein bei mir zu Ende. Sage mir, wie die Arznei eingenommen werden muß.«

»Das soll sogleich geschehen,« antwortete Wieland, »erlaubt mir jedoch noch eine Bedingung, daß es, weil ich alle Gefahr der Kur auf mich nehme, keinem Arzt erlaubt sein solle, sich einzumischen.«

»Das ist nur recht und in Ordnung,« entgegnete der Graf, »und nun bereite Deine Arznei.«

Während Wieland die Befehle des Grafen zur Ausführung brachte, entkleideten die Diener auf Weisung des Schmieds den Grafen und brachten ihn zu Bett.

»Ich sage Euch im voraus,« bemerkte der Schmied, »daß die erste Wirkung dieser Arznei sich durch einen tiefen Schlaf äußern wird, und während dieser Zeit darf die Ruhe im Zimmer durch nichts gestört werden, weil sich sonst verhängnisvolle Folgen einstellen werden. Ich werde selbst bei dem Herrn Grafen, wachen mit einem der Kammerherren vom Dienste.«

»Es sollen alle das Zimmer verlassen mit einziger Ausnahme von Stanley und diesem braven Manne,« sprach der Earl.

»Und mit Ausnahme von mir,« sagte Tressilian, »denn ich nehme das lebhafteste Interesse an den Wirkungen dieses Trankes.«

»Einverstanden, mein lieber Freund,« sagte der Earl; »und nun zu unsrer Kur; aber zuvor ruft mir meinen Sekretär und meinen Kammerherrn.«

»Ihr seid Zeugen dafür,« sprach er, als diese Herren eintraten, »Ihr seid mir Zeugen dafür, daß unser ehrenwerter Freund Tressilian in keiner Weise verantwortlich ist für die Wirkungen, die diese Arznei auf mich äußern wird, denn ich nehme sie aus meinem eignen freien Willen und zufolge meiner eignen freien Wahl, aus dem Grunde, weil ich sie für eine Arznei halte, die mir mein gnädiger Gott sendet auf einem weder von mir noch von andern vermuteten Wege, zu dem Zwecke, mich von meiner Krankheit genesen zu machen. Meldet meiner edlen, fürstlichen Gebieterin meine untertänigen Empfehlungen, und beteuert ihr, daß ich lebe und sterbe als ihr getreuer Diener, und daß ich allen, die um ihren Thron sich scharen, die gleiche Herzensaufrichtigkeit, den gleich guten Willen, ihr dienstbar zu sein, wünsche im Verein mit größerer Fähigkeit und Geschicklichkeit, als verliehen war dem armen Thomas Ratcliffe.«

Er faltete, nun die Hände und schien auf die Zeit von einigen Sekunden in stilles Gebet zu versinken, dann nahm er die Medizin in die Hand, verhielt sich ein paar weitere Sekunden lang still und betrachtete Wieland mit einem Blicke, der ihm durch die Seele dringen sollte, aber in dem Benehmen des Schmieds und in seiner Handlungsweise weder Unruhe noch Zaudern bewirkte.

»Hier ist keine Ursache vorhanden zu Furcht oder Besorgnis,« sprach der Graf zu Tressilian und schluckte die Medizin ohne weitres Besinnen hinunter.

»Und nun bitte ich Eure Herrlichkeit,« sagte Wieland, »sich so bequem wie nur möglich zur Ruhe hinzustrecken; und Euch, meine edlen Herren, ersuche ich, sich so still wie möglich zu verhalten, und ganz so stumm, wie wenn Ihr am Sterbebette Euerer leiblichen Mutter verweiltet.«

Der Kammerherr und der Sekretär verließen nun das Gemach und erteilten draußen Befehl, daß alle Türen geschlossen bleiben und aller Lärm im Hause auf das strengste vermieden werden solle. Verschiedne Edelleute blieben, weil es ihr Wille war, in der Halle als Wache, aber das Gemach, in welchem der kranke Graf lag, wurde von niemand betreten, ausgenommen von seinem Leibdiener Stanley, von Wieland und von Tressilian. Die Anordnungen Wielands wurden flugs erfüllt, und ein tiefer Schlaf senkte sich auf den Grafen, ein Schlaf, so tief und fest, daß die beiden, die abwechselnd an seinem Bette wachten, Tressilian und Stanley, ernstlich zu fürchten anfingen, er möchte bei dem geschwächten Zustande, in dem er sich befand, in die Ewigkeit hinübergehen, ohne aus seiner Lethargie zu erwachen. Wieland, der Schmied, schien selbst Unruhe zu fühlen, betastete von Zeit zu Zeit mit leichtem Druck die Schläfen des Grafen – und verfolgte mit besondrer Aufmerksamkeit die Atemzüge des Patienten, die tief aus der Brust heraufkamen, aber leicht und regelmäßig waren.

Fünfzehntes Kapitel

Es gibt keine Zeit, wo die Menschen einander häßlicher vorkommen, als wenn das erste Tagesgrauen sie noch wach und schlaflos findet. Selbst eine Schönheit erster Klasse, nach durchtanzter Nacht vom Morgengrauen überrascht, würde besser daran tun, sich vor dem Blick selbst ihres ergebensten und blindesten Verehrers zu verbergen. So wirkte auch das bleiche, unheimliche und unangenehme Licht, als es Tag zu werden anfing um die Männer her, die die ganze Nacht hindurch Wache gehabt hatten in der Halle von Says-Hof. Der kalte, blasse Schimmer vermischte sich mit dem roten, gelben und qualmigen Schein verlöschender Lampen und Fackeln. Der junge Edelmann, der in unserm letzten Kapitel aufgetreten ist, war auf ein paar Minuten hinausgegangen, um nachzusehen, weshalb an der Außentür geklopft wurde, und als er wieder hereinkam, erschrak er fast über das trostlose, gespenstische Aussehen seiner Wachtkameraden und rief aus:

»Herr, Du meine Güte! Ihr Herren, Ihr seht aus wie die Eulen! Mich dünkt, wenn die Sonne aufgeht, sehe ich Euch mit verschleierten Augen aufflackern und Euch im nächsten Efeugestrüpp oder einem verfallnen Gemäuer verstecken.«

»Halt den Schnabel, Du Hansnarr,« sagte Blount, »halt den Schnabel. Ist jetzt eine Zeit zum Witzereißen, wo das Mannestum von England eine Mauer breit von uns am Ende verstirbt?«

»Da lügst Du,« erwiderte der junge Mann. »Was, lügen?« rief Blount und fuhr auf. »Lügen! Mir das!«

»Ja, das hast Du getan, Du zänkischer Narr,« antwortete der Jüngling, »liegst Du nicht noch auf der Bank dort? Aber bist Du nicht ein Brausekopf, daß Du gleich bei einem schlecht angebrachten Worte auffährst in Zorn und Grimm? Aber so sehr ich auch Mylord liebe, und gewiß ebenso aufrichtig wie Ihr, so sage ich doch, wenn der Himmel ihn von uns nimmt, so stirbt doch nicht Englands ganzes Mannestum mit ihm.«

»Gewiß,« versetzte Blount, »ein gutes Teilchen bleibt mit Dir am Leben.«

»Und ein gutes Teil mit Dir selber, Blount, und mit dem stämmigen Markham hier und mit Tracy und mit uns allen. Aber ich will sicherlich die Talente, die der Himmel uns allen gegeben hat, am vorteilhaftesten verwerten.«

»Wie denn, bitte?« sagte Blount. »Teil uns doch Dein Geheimnis der Multiplikation mit.«

»Nun Ihr Herren,« antwortete der Jüngling, »Ihr seid wie gutes Land, das noch kein Korn trägt, weil es nicht durch Dünger gehoben worden ist. Ich aber habe diesen anspornenden Geist in mir, der meine bescheidnen Fähigkeiten schon mit sich fortreißen wird. Mein Ehrgeiz wird mein Hirn in steter Tätigkeit halten, darauf könnt Ihr Euch verlassen.«

»Ich bitte Gott, daß Dich der Ehrgeiz nicht um den Verstand bringen möge,« sagte Blount, »ich meinesteils – wenn wir unsern edeln Lord verlieren – ich sage dem Hof und dem Lager Valet. Ich habe fünfhundert Aecker in Norfolk, und dorthin gehe ich dann und tausche den Höflingspantoffel gegen ein Paar derbe Ackerbauerstiefel um.«

»Eine klägliche Veränderung!« rief der andre. »Du hast auch schon so recht den Schlendrian eines Ackerbauers an Dir – die Schultern hängen Dir herab, als wenn Deine Hände auf dem Pfluge lägen, und Du hast eine Art Erdgeruch an Dir, statt nach Parfüm zu duften, wie ein galanter Stutzer und Höfling. Deine einzige Entschuldigung wäre, daß Du bei diesem Schwerte schwörtest, Dein Pächter habe eine hübsche Tochter.«

»Ich bitte Dich, Walter,« sagte ein andrer aus der Gesellschaft, »laß Dein Gespött – es ist dazu jetzt weder die Zeit noch der Ort. Sag uns lieber, wer jetzt am Tor war.«

»Doktor Masters, Leibarzt Ihrer Majestät, von ihr selber mit dem ausdrücklichen Befehl gesandt, sich nach dem Befinden des Earls zu erkundigen,« antwortete Walter.

»Was!« rief Tracy. »Das wäre kein geringes Zeichen ihrer Huld. – Wenn der Graf mit dem Leben davonkommt, so wird er noch immer Leicester den Rang ablaufen. Ist Masters jetzt bei Mylord?«

»Nein,« erwiderte Walter, »er ist schon wieder halbwegs nach Greenwich und außer sich vor Wut.«

»Du hast ihm doch nicht etwa den Zutritt verweigert?« rief Tracy.

»So wahnsinnig bist Du doch nicht gewesen?« setzte Blount hinzu.

»Ich habe ihm den Zutritt verweigert, so rundweg, Blount, wie Ihr einem blinden Bettler einen Penny abschlagen würdet, so hartnäckig, Tracy, als Du je einem Gläubiger die Wege gewiesen hast.«

»Warum in des Teufels Namen hast Du ihn auch nach dem Tor gehen heißen?« sagte Blount zu Tracy.

»Er paßte dem Alter nach besser dazu als ich,« antwortete Tracy, »aber nun hat er uns alle ins Verderben gebracht. Ob nun Mylord am Leben bleibt oder stirbt, er wird nie wieder einen huldvollen Blick von Ihrer Majestät erhalten,«

»Und auch seine Anhänger werden nicht mehr ihr Glück in seinem Gefolge machen können,« sagte der junge Edelmann, verächtlich, lächelnd. »Da liegt der Hase im Pfeffer – das ist nicht wieder gut zu machen. Meine Herren, ich habe nicht so laute Klagelieder über Mylords Krankheit angestimmt, wie einige unter Euch, aber wo es gilt, ihm einen Dienst zu erweisen, da nehme ich es mit jedem unter Euch auf. Hätte dieser gelahrte Arzt hereingedurft, meint Ihr nicht, es wäre zwischen ihm und dem Doktor Tressilians zu einem solchen Krakehl gekommen, daß selbst ein Toter, geschweige denn ein Schläfer, hätte erwachen müssen! Ich weiß, wenn sich Doktoren in die Haare kriegen, da gehts toll her.«

»Und wer nimmt nun die Folgen auf sich, daß wir uns den Befehlen der Königin widersetzt haben?« fragte Tracy. »Denn ohne Zweifel kam Doktor Masters mit dem ausdrücklichen Befehl der Königin, den Grafen zu kurieren.«

»Ich, der ich das Unrecht begangen habe, werde auch die Folgen tragen,« fügte Walter.

»Na, dann schlag nur in den Wind, was Du von Hofgunst geträumt hast,« sagte Blount.

»Mit nichten,« sagte der junge Mann errötend, »mit nichten, so lange Irland und die Niederlande Krieg führen, so lange die See pfadlose Wege hat. Der reiche Westen hat noch ungeahnte Länder, und England hat kühne Herzen, die es wagen, sie aufzusuchen. Adieu einstweilen, meine Herren. Ich will in den Hof und die Posten revidieren.«

»Der Bursche hat Quecksilber in den Adern,« sagte Blount und sah Markham an.

»Er hat etwas im Blut und im Schädel,« sagte Markham, »was ihn entweder zum großen Mann machen oder zugrunde richten wird. Aber indem er dem Masters die Tür gewiesen hat, hat er einen kühnen und liebevollen Dienst getan, denn Tressilians Mann hat immer gesagt, den Lord erwecken, hieße ihn töten!«

Der Morgen war schon weit vorgeschritten, als Tressilian erschöpft und übernächtigt mit der freudigen Kunde herunterkam, daß der Graf von selber aufgewacht sei. Die innerlichen Schmerzen hätten sehr nachgelassen, er spreche mit einer Munterkeit und schaue sich mit einer Lebhaftigkeit um, die allein schon ein Beweis seien, daß eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Tressilian befahl gleichzeitig, daß zwei Männer des Gefolges mitkommen sollten, um zu berichten, was in der Nacht vorgefallen sei, und ließ die Wache im Zimmer des Grafen ablösen.

Als die Nachricht von der Königin dem Earl of Sussex mitgeteilt wurde, lächelte er zuerst darüber, daß der Arzt von seinem übereifrigen Parteigänger abgewiesen worden sei, dann aber sammelte er sich sogleich und befahl, daß Blount sofort mit dem Boote nach dem Palast von Greenwich fahren und den jungen Walter und Tracy mitnehmen solle. Er solle der Landesherrin seinen untertänigen Tank abstatten und erklären, aus welchem Grunde er aus den Beistand des gelahrten Doktor Masters habe verzichten müssen.

»Hols der Henker!« brummte Blount. »Hätte er mich mit einer Herausforderung an Leicester geschickt, ich glaube, ich hatte seinen Auftrag mit Freuden ausgeführt. Aber zu unsrer allergnädigsten Landesherrin zu gehen, – vor der alle Worte mit Goldschaum oder mit Zucker lackiert werden müssen – potzblitz, das ist eine so kitzlige Sache, daß mein armes, altes Gehirn sich keinen Rat weiß. – Komm mit, Tracy, und Du auch, Meister Walter Naseweis, der an dem ganzen Rummel schuld ist. Laß doch sehen, ob Dein flinkes Köpfchen, das so manches puffende Feuerwerkchen schon angesteckt hat, einen geraden, schlichten Kerl durch irgend einen pfiffigen Kniff aus der Klemme ziehen kann.«

Sie glitten bald auf dem fürstlichen Busen der Themse dahin, die im Sonnenglanz in all ihrer Pracht dalag.

»Zwei Dinge gibt es, die auf der weiten Welt kaum ihresgleichen finden,« sagte Walter zu Blount, »die Sonne am Himmel und die Themse auf der Erde.«

»Die eine wird uns schon auf dem Wege nach Greenwich leuchten,« sagte Blount, »und die andre würde uns schneller hinbringen, wenn grade Ebbe wäre. Aber mich dünkt obendrein, unsre Botschaft ist vergebens, denn seht, die Barke der Königin liegt an den Stufen, als wollte Ihre Majestät eine Ausfahrt machen.«

So war es auch. Die königliche Barke, bemannt mit den Ruderern in den königlichen Livreen, das englische Banner am Steuer gehißt, lag in der Tat an der großen Schloßstiege, die vom Flusse emporführte, und neben ihr ein paar andre Boote, die für denjenigen Teil ihres Gefolges bestimmt waren, der nicht zum persönlichen Dienst der Majestät befohlen war. Die Yeomen von der Wache, die größten und hübschesten Männer, die England hervorbringen konnte, bewachten mit ihren Hellebarden den Durchgang vom Palast zum Fluß, und alles schien bereit zur Ausfahrt der Fürstin, obwohl es noch so sehr früh am Tage war.

»Meiner Treu, das verheißt uns nicht Gutes,« sagte Blount, »es muß eine gefährliche Sache vorliegen, daß Ihro Gnaden zu solcher Stunde schon auf den Beinen ist. Wenn ich uns einen Rat geben soll, so führen wir am besten wieder zurück und sagten dem Grafen, was wir gesehen haben.«

»Dem Grafen sagen, was wir gesehen haben!« rief Walter. »Ei, was haben wir denn weiter gesehen, als ein Boot und Leute in scharlachroten Kitteln mit Hellebarden in den Händen? Wir wollen unsern Auftrag ausrichten und ihm dann sagen, was die Königin uns antwortet.«

Mit diesen Worten ließ er das Boot anlegen an einem von der Hauptanlegestelle etwas entfernten Landungsplatze, sprang ans Ufer, und seine ängstlichen, zaghaften Gefährten folgten ihm mit Widerstreben. Als sie dem Tor des Palastes sich näherten, sagte ihnen einer der Türhüter, sie könnten jetzt nicht herein, da Ihre Majestät sogleich herauskommen werde. Der junge Edelmann nannte den Namen des Grafen von Sussex, aber auch damit erreichten sie nichts.

»Ich habe es Euch ja gesagt,« sprach Blount, »komm, mein lieber Walter, laß uns in unser Boot steigen und umkehren.«

»Nicht eher, als bis ich die Königin habe herauskommen sehen,« antwortete der junge Mann gelassen.

»Du bist von Sinnen, völlig von Sinnen,« versetzte Blount.

»Und Du bist zu einem Feigling verwandelt,« sagte Walter. »Ich habe Dich selber einem Dutzend krausköpfiger Iren, mit denen Du es aufgenommen hattest, keck ins Äuge schauen sehen – und jetzt willst Du Dich wieder wegstehlen und fürchtest Dich vor dem Blick einer schönen Dame!«

In diesem Augenblick öffneten sich die Tore, und Kammerherren kamen in voller Gala heraus, vor ihnen her und neben ihnen schritten die Herren von der königlichen Ehrenwache. Unter einer Menge von Herren und Damen, die aber so um ihre Person her geordnet waren, daß die Königin nach allen Seiten hin sehen und auch von allen Seiten her gesehen werden konnte, kam darauf Elisabeth selber, die damals in der Blüte der Weiblichkeit stand und für eine Königin sicher schön genannt werden konnte. Ihre Gestalt war edel und ihr Gesicht fesselnd und gebietend. Sie lehnte am Arme des Lord Hunsdon, der zufolge seiner Verwandtschaft mit ihr von mütterlicher Seite oft durch solche Zeichen der Vertraulichkeit von Elisabeth ausgezeichnet wurde.

Der junge Edelmann, den wir nun schon hinreichend kennen, war jedenfalls noch nie der Person der Königin so nahe gekommen, und er drängte sich so weit vor, wie es das Spalier der Wärter nur ermöglichte, um sich die Gelegenheit zu nutze zu machen. Sein Gefährte verwünschte dagegen seine Unklugheit und zog ihn zurück, bis Walter sich ungeduldig von ihm losriß, wobei ihm der prachtvolle Mantel von der Schulter fiel. Dieser Umstand diente dazu, seine wohlgebaute Gestalt in sehr vorteilhafter Weise zu enthüllen. Gleichzeitig nahm er die Mütze ab und heftete die Augen fest und gespannt auf die Königin, mit einer Mischung ehrfürchtiger Neugierde und bescheidner, doch glühender Bewunderung, die seinem seinen Gesicht so gut stand, daß die Wärter, von seiner reichen Kleidung und edeln Erscheinung bestochen, ihn näher heranließen, als sie Wohl sonst einen gewöhnlichen Zuschauer an den Platz herangelassen hätten, über den die Königin zu gehen hatte.

So stand der waghalsige Jüngling voll vor Elisabeths Auge – einem Auge, das nie für die ihr von ihren Untertanen verdientermaßen gezollte Bewunderung unempfindlich und auch für das Ebenmaß einer schönen Gestalt bei irgend einem ihrer Höflinge nie gleichgültig war. Sie heftete daher ihren scharfen Blick auf den Jüngling, als sie dem Platz, wo er stand, sich näherte, und in ihrem Blick lag Erstaunen über seine Kühnheit, doch ohne Verdruß, indessen ereignete sich ein Zufall, der ihre Aufmerksamkeit noch stärker auf ihn lenkte. Die Nacht war regnerisch gewesen, und grade, wo der junge Edelmann stand, sperrte eine kleine Pfütze der Herrscherin den Weg. Sie zauderte, sie zu überschreiten, und der junge Fant warf den Mantel von den Schultern und legte ihn über die schmutzige Stelle, so daß Elisabeth trocknen Fußes weiterschreiten konnte. Sie sah den jungen Mann an, der diese Handlung tief ergebner Höflichkeit mit einem Gebaren untertänigster Ehrfurcht verrichtete, während hohe Röte dabei sein Gesicht bedeckte. Die Königin war verwirrt, errötete selber, nickte mit dem Kopfe, schritt hastig weiter und bestieg ihre Barke, ohne weiter ein Wort zu sagen.

»Komm nur jetzt, Junker Hanswurst,« sagte Blount, »Dein fescher Mantel bedarf heute der Bürste, möcht ich wetten.«

»Dieser Mantel,« sagte der Jüngling, nahm ihn auf und faltete, ihn zusammen, »soll nie wieder ausgebürstet werden, so lange er mir gehört.«

»Und das wird er nicht mehr lange, sofern Du nicht« mehr Sparsamkeit lernst.«

Ihr Gespräch wurde unterbrochen durch einen Mann von der Ehrenwache.

»Ich bin geschickt worden,« sagte er, nachdem er sie aufmerksam betrachtet hatte, »zu einem Herrn, der keinen Mantel hat oder einen schmutzigen. Ihr, Herr,« – indem er sich an den Junker wendete – »seid der Mann; Ihr wollt mir gefälligst folgen.«

»Er gehört zu mir,« sagte Blount, »dem Stallmeister des edeln Grafen von Sussex.«

»Das geht mich nichts an,« antwortete der Bote, »mein Befehl ist direkt von Ihrer Majestät und betrifft allein diesen Herrn.«

Mit diesen Worten ging er fort, und Walter folgte ihm, während die andern ihm sprachlos nachgafften. Blount wollten die Augen vor Erstaunen fast aus den Höhlen treten, und endlich machte er seiner Verblüffung in dem Rufe Luft: »Wer zum Kuckuck hätte das gedacht!« Und geheimnisvoll den Kopf schüttelnd, ging er zu seinem eignen Boot, stieg ein und fuhr nach Deptford zurück.

Der junge Ritter wurde inzwischen von dem Mann der Ehrenwache nach dem Wasser geführt. Der Mann, der ihm.– was als ein sehr bedeutsames Zeichen angesehen werden durfte –, nicht geringe Ehrerbietung erwies, führte ihn in einen der Kähne, die bereit waren, der königlichen Gondel zu folgen, die schon auf dem Flusse schwamm. Die beiden Ruderer brauchten ihre Riemen mit solcher Emsigkeit, daß sie ihr kleines Boot rasch an die königliche Barke herangebracht hatten. Die Fürstin saß unter einem Baldachin, und um sie her einige Damen und die Edelherren ihres Gefolges. Sie sah oft nach dem Kahne, in dem der junge Edelmann saß, sprach dann zu ihrer Umgebung und schien zu lachen. Endlich gab einer aus dem Gefolge, augenscheinlich auf der Königin Befehl, dem Kahn ein Zeichen, an die Längsseite der Bark zu kommen, und der junge Mann wurde aufgefordert, aus dem Kahn in die Gondel zu treten, was er mit graziöser Gewandtheit tat. Er trat dann der Königin näher, wahrend der Kahn wieder hinter der Barke hersteuerte. Der junge Mann hielt den Blick der Majestät aus und erschien dabei um so anmutiger, als eine leichte Verlegenheit sich in sein Selbstbewußtsein mischte. Der beschmutzte Mantel hing noch über seinem Arm und bildete den natürlichen Gegenstand, über den die Königin zu sprechen begann.

»Ihr habt heute einen schmucken Mantel in unserm Dienste verdorben, junger Mann. Wir danken Euch für Euern guten Dienst, wenn auch die Art und Weise ein wenig ungewöhnlich, ja sogar kühn war.«

»Wenn es der Dienst einer Landesherrin erfordert,« antwortete der Jüngling, »ist Kühnheit jedes Untertanen Pflicht.«

»Bei Gott! Das war wohl gesprochen, Mylord!« sagte die Königin und wandte sich an einen ernsten Mann, der neben ihr saß und mit einer ernsten Neigung des Kopfes antwortete, ein paar Worte der Zustimmung murmelnd.

»Nun, junger Mann, Eure Galanterie soll nicht unbelohnt bleiben. Geht zu unserm Garderobier, er soll Anweisung erhalten, Euch das Kleidungsstück zu ersetzen, das Ihr in unserm Dienst weggeworfen habt. Ihr sollt einen Anzug nach dem neuesten Schnitt haben, darauf geben wir Euch unser fürstliches Wort.«

»So es Euer Majestät gefiele,« sagte Walter zögernd, »es geziemt freilich einem so niedrigen Diener Eurer Majestät nicht, ein Maß an Eure Güte zu legen; doch wenn es mir »erlaubt wäre, zu wählen ...«

»So würdest Du lieber Gold haben, wette ich,« sagte die Königin, ihn unterbrechend. »Pfui, junger Mann! Ich sage es mit Beschämung, in unsrer Hauptstadt sind die Gelegenheiten zu verschwenderischen Torheiten so zahlreich und mannigfach, daß einem jungen Mann Geld geben Kohlen ins Feuer tun heißt. Das heißt nur sie auf den Weg der Selbstverderbung führen. So lange ich am Leben und an der Regierung bin, sollen diese Gelegenheiten zu unchristlicher Ausschweifung eingeschränkt werden. Doch Du magst wohl arm sein,« setzte sie hinzu, »oder Deine Eltern sind arm. Du sollst Gold haben, wenn Du willst – aber Du sollst mir dafür stehen, daß es nicht vergeudet wird.«

Walter wartete geduldig, bis die Königin ausgeredet hatte, und versicherte ihr dann, daß ihm der Sinn ebenso wenig nach Geld stünde, wie nach dem Gewände, daß Ihre Majestät ihm vorher angeboten hätte.

»Wie, Knabe?« rief die Königin. »Weder Gold noch Kleidung? Was willst Du denn von mir?«

»Nur Erlaubnis, Majestät, – sofern es nicht eine zu hohe Ehre ist – den Mantel zu tragen, der Euch diesen geringfügigen Dienst erwiesen hat.«

»Erlaubnis, Deinen eignen Mantel zu tragen, Du törichter Knabe!« rief die Königin.

»Er ist nicht länger mein« sagte Walter, »seit Eurer Majestät Fuß ihn berührt hat, ist er eines Fürsten würdig und viel zu kostbar für seinen bisherigen Eigentümer.«

»Habt Ihr je dergleichen gehört, Mylords?« fragte die Königin, die abermals errötete und ihre angenehme Ueberraschung und leise Verwirrung unter einem Lachen zu verbergen suchte. »Der Jüngling hat sich durch Romanlektüre ein wenig den Kopf verdreht. Ich muß Näheres über ihn erfahren, damit ich ihn ein wenig ins Gebet nehmen kann. Wer bist Du?«

»Ein Edelmann vom Gefolge des Grafen Sussex – ich bin mit Verlaub Eurer Majestät zusammen mit seinem Stallmeister hergeschickt worden – wir haben einen Auftrag an Euer Majestät.«

Der huldvolle Ausdruck, den Elisabeths Gesicht bisher gezeigt hatte, wich im Augenblick einem Ausdruck des Hochmuts und der Strenge.

»Mylord von Sussex,« sagte sie, »hat uns gelehrt, wie wir seine Botschaften aufzunehmen haben, denn er selber legt den unsern keinen Wert bei. Wir sandten eben heute morgen erst unsern Leibarzt zu ihm, und das zu ganz ungewohnter Zeit, da wir hörten, daß seine Erkrankung gefährlicher sei, als wir zuerst gefürchtet hatten. An keinem Hofe in Europa gibt es einen in dieser heiligen und nützlichen Wissenschaft besser bewanderten Mann als Doktor Masters, und er war von Uns an Unsern Untertan gesandt. Und doch ist ihm der Eintritt verwehrt worden. Für diese abweisende Annahme einer Freundlichkeit, in der nur zu viel gütige Herablassung lag, wollen wir, wenigstens vorderhand, keine Entschuldigung annehmen, und eine solche auszurichten, ist doch wohl der Zweck von Lord Sussexs Sendung.«

Dies wurde in einem Tone und mit einer Gebärde gesprochen, daß die an Bord der Barke befindlichen Freunde des Grafen von Sussex zitterten. Er aber, an den diese Worte gerichtet waren, zitterte nicht, sondern antwortete, sobald der Zorn der Königin es ermöglichte, mit Unterwürfigkeit:

»Mit Verlaub Eurer Majestät, ich bin mit keiner Entschuldigung vom Grafen von Sussex hergesandt worden.«

»Nun, was ist Dir denn aufgetragen worden?« rief die Königin in jenem Ungestüm, das neben edeln Eigenschaften in ihrem Charakter besonders stark hervortrat. »Mit einer Rechtfertigung wohl gar – oder, Gottes Tod! Mit einer neuen Verhöhnung.«

»Allergnädigste Fürstin,« sagte der junge Mann, »Mylord von Sussex weiß, daß eine Kränkung an Hochverrat grenze, und er konnte keinen andern Gedanken hegen, als sich des Beleidigers zu versichern und ihn Eurer Majestät auf Gnade oder Ungnade auszuliefern. Der edle Graf lag in festem Schlafe, als Eure höchst huldvolle Botschaft ihn erreichte – ein Schlaftrunk war ihm von seinem Arzte eingegeben worden, und seine Lordschaft hat erst heute morgen nach seinem Erwachen davon gehört, daß Eurer Majestät höchst erfreuliche Sendung in so unschicklicher Weise abgewiesen worden ist.«

»Und welcher von seinen Dienern im Namen des Himmels hat die Dreistigkeit gehabt, meine Botschaft zurückzuweisen, ohne auch nur den Arzt, den ich zu seiner Pflege sandte, vor ihn zu lassen?« fragte die Königin, sehr überrascht.

»Der Beleidiger steht vor Euch, allergnädigste Königin,« erwiderte Walter mit einer tiefen Verbeugung. »Der Tadel trifft ganz allein mich, und Mylord hat nur gerecht gehandelt, indem er mich hergeschickt hat, daß ich die Folgen eines Vergehens, an dem er ganz unschuldig ist, auf mich nehme.«

»Was? Du warst es – Du selber hast meinen Boten und meinen Arzt von Says-Hofe abgewiesen?« sagte die Königin. »Was konnte einen Mann, der doch – dem Aeußern nach zum mindesten – seiner Landesherrin treu ergeben zu sein scheint, zu einer solchen Kühnheit veranlassen?«

»Allergnädigste,« sagte der Jüngling, der trotz des erkünstelten Zuges von Strenge im Antlitz der Königin einen Ausdruck zu sehen glaubte, der nichts weniger als unversöhnlichen Zorn verkündete, »wir sagen bei uns zu Lande, der Arzt sei der Lehnsherr des Patienten. Nun stand mein edler Herr unter der Hut eines Arztes, dessen Rat ihm bisher sehr gut getan hatte, und dieser Arzt hatte ausdrücklich befohlen, daß der Kranke in der Nacht nicht gestört werden solle – sofern man nicht sein Leben ernstlich gefährden wollte.«

»Dein Herr hat sich einem Charlatan anvertraut,« sagte die Königin.

»Das weiß ich nicht, Majestät, Tatsache ist aber, daß er heute morgen nur nach dem Schlaf von vielen Stunden sehr erfrischt und gestärkt erwacht ist.«

Die Edelleute sahen einander an, aber mehr, um zu erfahren, was jeder von dieser Neuigkeit dächte, als irgend eine Bemerkung darüber zu äußern. Die Königin antwortete schnell und ohne sich Mühe zu geben, ihre Genugtuung zu verhehlen:

»Bei meinem Worte, es freut mich, daß er sich wohler fühlt. Du aber warst mehr als kühn, meinem Doktor Masters den Zutritt zu verwehren. Wie heißt Du, junger Mann, und von welcher Herkunft bist Du?«

»Raleigh ist mein Name, allergnädigste Königin, ich bin der jüngste Sohn einer großen, doch ehrenwerten Familie in Devonshire.«

»Raleigh?« sagte Elisabeth, nachdem sie ein Weilchen nachgedacht hatte. »Haben wir nicht gehört, daß Du uns in Irland gute Dienste geleistet hast?«

»Ich bin allerdings so glücklich gewesen, dort Dienst tun zu können, Majestät,« erwiderte Raleigh, »indessen doch wohl in zu bescheidnem Maße, als daß es Eurer Majestät zu Ohren hätte kommen können.«

»Dies Ohr reicht weiter, als Du denken magst,« sagte die Königin huldvoll, »und es hat von einem jungen Burschen gehört, der in Shannon eine Furt gegen eine ganze Bande irischer Rebellen verteidigte, bis der Strom purpurn floß von ihrem Blute und dem seinen.«

»Ein bißchen Blut mag ich verloren haben,« sagte der Jüngling, den Blick niederschlagend, »aber es floß, als das Beste hergegeben werden mußte – im Dienste Eurer Majestät.«

Die Königin schwieg und sagte dann rasch:

»Ihr seid sehr jung, wenn man bedenkt, daß Ihr schon so gut gefochten habt und so trefflich zu sprechen wißt. Aber dafür, daß Ihr Masters abwieset, dürft Ihr der Strafe nicht entgehen – hört also, Junker Raleigh, tragt zum Zeichen der Buße Euern schmutzigen Mantel, bis wir kund tun werden, was uns weiterhin belieben wird. Und hier,« setzte sie hinzu und gab ihm einen goldnen Schmuck, »dies gebe ich Euch, tragt es am Halse.«

Raleigh, dem die Natur die höfischen Künste, die manche erst nach langer Erfahrung sich aneignen, mit auf den Weg gegeben hatte, kniete nieder, und indem er aus ihrer Hand das Juwel entgegennahm, küßte er die Finger, die es ihm gaben. Sein Herr und Gebieter, Graf von Sussex, genoß den vollen Vorteil dieser von Elisabeth dem Junker gewidmeten Gunst.

»Mylords und Ladys,« sagte die Königin und sah sich unter ihrem Gefolge um, »mich dünkt, da wir auf dem Flusse sind, wäre es angebracht, wir ließen unsre ursprüngliche Absicht, nach der Stadt zu fahren, fallen und überraschten diesen armen Earl of Sussex mit einem Besuch. Er ist krank und leidet ohne Zweifel unter der Furcht vor unsrer Ungnade, vor der er bewahrt worden ist durch das Geständnis dieses naseweisen Burschen. Was denkt Ihr?, Wäre es nicht ein Akt der Barmherzigkeit, ihm zum Trost den Dank seiner Königin zu überbringen, die ihm sehr verbunden ist für seine getreuen Dienste?«

Selbstverständlich wagte keiner von denen, an die diese Worte gerichtet waren, dem Vorschlag zu widersprechen. Die Barke erhielt daher Befehl, die königliche Bürde an dem nächsten passenden Orte abzusetzen, von dem aus Says-Hof bequem zu erreichen war, damit die Königin ihrer königlichen und landesmütterlichen Anteilnahme durch persönliche Nachfrage nach dem Befinden des Earl of Sussex Genüge tun könnte.

Raleigh, der bei seinem scharfen Verstände wichtige Folgen aus den nebensächlichsten Ereignissen vorhersah oder vorausahnte, bat rasch die Königin um Erlaubnis, den leichten Kahn zu besteigen und den königlichen Besuch seinem Herrn anzumelden, denn er vermutete in seiner Klugheit, daß die freudige Ueberraschung der Gesundheit seines Herrn nachteilig sein könne. Aber ob die Königin es für zu anmaßend von einem so jugendlichen Höfling hielt, daß er ungefragt seine Meinung äußre, oder ob in ihr der Argwohn wieder erwachte, der durch das Gerücht, daß der Graf von Sussex bewaffnete Männer um sich hielt, ihr eingeflößt worden war – jedenfalls äußerte sie in schroffem Tone den Wunsch, Raleigh möchte seinen Rat für sich behalten, bis er danach gefragt würde, und wiederholte ihren Befehl, in Deptford zu landen, indem sie hinzufügte:

»Wir wollen mit eignen Augen sehen, was für eine Art von Gefolge Mylord von Sussex um sich hat.«

Die königliche Barke machte in Deptford Halt, und unter dem lauten Jubel des Volkes, den ihr Erscheinen stets wachrief, ging die Königin unter einem ihr zu Häupten getragnen Baldachin nach Says-Hof, wo das ferne Geschrei zuerst von ihrer Ankunft Kunde gab. Sussex, der eben dabei war, mit Tressilian zu beraten, wie er den vermeintlichen Bruch mit der Königin wieder gut machen sollte, war unendlich überrascht, als er, von ihrer Herkunft unterrichtet wurde. Daß die Königin die hervorragenderen Vertreter des Adels oft zu besuchen pflegte, konnte ihm nicht unbekannt sein, aber die so plötzliche Mitteilung ließ ihm keine Zeit zu den Vorbereitungen, mit denen seiner Erfahrung gemäß Elisabeth sich gern empfangen sah, und bei der Roheit und Verwirrung seines militärischen Haushalts, die durch seine Krankheit nur noch vermehrt worden war, war es ihm ganz unmöglich, zu ihrem Empfang irgendwelche Zurüstungen zu treffen. Innerlich den Zufall verwünschend, der ihm unerwartet diesen huldvollen Besuch zuführte, eilte er mit Tressilian hinunter, dessen ereignisreiche und interessante Erzählung er eben mit großem Interesse angehört hatte.

»Wein würdiger Freund,« sagte er, »soweit ich, Euch in Eurer Klage wider Varney unterstützen kann, soweit dürft Ihr meinen Beistand erwarten, um der Gerechtigkeit und der Dankbarkeit willen. Der Zufall wird uns sogleich zeigen, ob ich bei unsrer Königin etwas erreichen kann oder ob es Euch nicht vielmehr eher von Nachteil als von Nutzen sein wird, wenn ich mich in Eure Angelegenheit mische.«

So sprach Sussex, während er in aller Eile ein loses Pelzgewand um sich warf und sein Aeußeres, soweit es irgend anging, in Ordnung brachte, um dem Auge seiner Königin begegnen zu können. Aber er vermochte doch die bleichen Spuren einer langen Krankheit nicht von einem Gesicht zu verwischen, das von Natur wohl mit kraftvollen, aber doch nicht anmutigen Zügen begabt war. Obendrein war er klein von Gestalt und breitschultrig, athletisch und der geborne Kriegsmann – aber seine Erscheinung in einer Halle des Friedens war nicht derartig, daß die Damen sie mit Gefallen hätten betrachten können – ein persönlicher Nachteil, in dessen Folge Sussex wahrscheinlich, so hoch ihn die Königin auch schätzte und ehrte, doch sehr gegen Leicester zurückstand, welcher durch Grazie des Benehmens wie durch Schönheit der Person gleich ausgezeichnet war. Bei all seiner Eile war es dem Grafen doch erst möglich, der Königin entgegenzugehen, als sie schon die Halle betreten hatte, und er bemerkte auf den ersten Blick, daß eine Wolke auf ihrer Stirn lag. Ihr argwöhnisches Auge hatte die kriegerische Schar bewaffneter Edelherren und Vasallen gesehen, von der das Herrenhaus angefüllt war, und ihr erstes Wort sprach auch ihr Mißfallen aus.

»Ist dies eine königliche Garnison, Mylord von Sussex, daß hier so viele Piken und Gewehre sind? Oder haben wir zufällig Says-Hof verfehlt und sind an unserm Tower zu London ausgestiegen?«

Lord Sussex sprach rasch einige Worte der Entschuldigung.

»Nicht nötig,« unterbrach sie ihn. »Mylord, wir beabsichtigen, einen gewissen Zwist zwischen Euch und einem andern großen Lord unsers Gefolges zu schleunigem Ende zu bringen. Gleichzeitig wollen wir die unzivilisierte und gefährliche Maßregel aufheben, sich hier mit einem Gefolge von bewaffneten und sogar ziemlich hagebuchnen Gesellen zu umgeben, als wolltet Ihr in der Nähe unsrer Hauptstadt, ja an der Schwelle selber unsrer königlichen Residenz in Bürgerkrieg gegeneinander entbrennen. Es freut uns, daß Ihr Euch soweit erholt habt, Mylord, wenn auch ohne den Beistand des gelahrten Arztes, den wir Euch gesandt haben – bringt keine Entschuldigung vor – wir wissen bereits, wie das zugegangen ist, und haben dem Wildfang, dem jungen Raleigh, deshalb seine Lektion erteilt. – Nebenbei, Mylord, wir wollen eiligst Euer Haus von ihm befreien und ihn zu uns nach Hofe nehmen. Er hat etwas an sich, was einer bessern Ausbildung wert ist, als sie ihm unter Euerm militärischen Gefolge zuteil werden kann.«

Auf diesen Vorschlag konnte Sussex – obwohl er nicht wußte, wie die Königin dazu kam, ihn zu machen – nur mit einer Verneigung und dem Ausdruck seines Einverständnisses antworten. Er ersuchte sie dann zu verweilen, bis ihr Erfrischungen angeboten werden konnten, aber dies vermochte er nicht zu erreichen. Und nach ein paar Komplimenten weit kälterer und herkömmlicher Art, als sie anläßlich einer so ausgesprochenen Gunstbezeigung, wie es ein persönlicher Besuch war, eigentlich hätten erwartet werden sollen, verabschiedete sich die Königin von Says-Hof. Verwirrung hatte sie mit sich gebracht, Furcht und Zweifel ließ sie zurück.

Sechzehntes Kapitel

»Für morgen bin ich zu Hofe befohlen,« sagte Leicaster zu Varney, »ich soll dort vermutlich mit Mylord von Sussex zusammentreffen. Die Königin beabsichtigt, unsern Zwist beizulegen. Das kommt von ihrem Besuch zu Says-Hof, von dem Du noch dazu so obenhin sprichst.«

»Ich bleibe auch dabei, daß er nichts zu bedeuten hat,« sagte Varney. »Ich weiß von einem zuverlässigen Kundschafter, der vieles, was gesprochen worden ist, mit angehört hat, daß Sussex durch diesen Besuch eher verloren als gewonnen hat. Als die Königin in die Barke zurückkehrte, sagte sie, in Says-Hof sähe es aus, wie in einer Wachtstube, und es röche darin, wie in deinem Hospital.«

»Du hast vielerlei Nachrichten gesammelt,« sagte Leicester, »aber das Wichtigste hast Du vergessen oder ausgelassen. Sie hat zu den tändelnden Satelliten, die sie zu ihrem Gefallen die Kreise um ihre Sonne ziehen läßt, einen neuen hinzugefügt.«

»Euer Lordschaft meint jenen Raleigh, den Jüngling aus Devonshire,« sagte Varney, »den Ritter vom Mantel, wie sie ihn bei Hofe nennen.«

»Er wird vielleicht eines Tages noch Ritter vom Hosen-, bände,« sagte Leicester, »denn er macht schnell Fortschritte – sie hat Verse mit ihm gelesen und solche Torheiten. Ich möchte aus freiem Willen gern den Stein aufgeben, den ich im Brett ihrer wankelmütigen Gunst habe, aber ich möchte mich nicht so durch einen Rippenstoß hinausschieben lassen von diesem Hanswurst Sussex oder diesem neuen Emporkömmling. Ich höre, auch Tressilian ist bei Sussex und steht hoch in seiner Gunst. Ich würde ihn gern schonen – aus Rücksicht, aber er rennt allein in sein Schicksal – Sussex ist jetzt wieder so wohl auf wie nur je.«

»Mylord,« erwiderte Varney, »Unebenheiten gibt es auf dem glattesten Wege, zumal wenn er bergan führt. Sussex' Krankheit war für uns eine Sendung des Himmels, von der ich viel erhoffte, Er hat sich allerdings erholt, aber er ist jetzt nicht mehr zu fürchten, als vor seiner Erkrankung. Und damals schon ist er im Kampfe gegen Euer Lordschaft oft abgeführt worden. Nur den Mut darf Euer Lordschaft nicht sinken lassen, dann wird alles gut gehen.« »Mir ist der Mut noch nie gesunken. Mann,« sagte Leicester.

»Nein, Mylord,« sagte Varney, »doch hat Euer Herz Euch schon manchen Streich gespielt. Wer einen Baum erklimmen will, muß bei den Zweigen zupacken, nicht bei den Blüten.«

»Gut, gut, gut,« sagte Leicester ungeduldig, »ich verstehe, wie Du es meinst. – Sorge dafür, daß mein Gefolge in Ordnung ist – sieh zu, daß der Aufputz meiner Mannen prächtig genug ist, um nicht nur die vierschrötigen Gesellen von Ratcliffe auszustechen, sondern auch die Vasallen jedes andern Edelmanns und Höflings. Du selber bleib in meiner Nähe, es gibt vielleicht noch etwas für Dich zu tun.«

Sussex und seine Partei trafen nicht weniger emsige Vorbereitungen.

»Eure Bittschrift, die Varney der Verführung bezichtigt,« sagte der Earl zu Tressilian, »ist jetzt schon bei der Königin – ich habe sie durch sichre Vermittlung hingeschickt. Mich dünkt, Euer Gesuch müßte Erfolg haben, denn es fußt auf Gerechtigkeit und Ehre, und Elisabeth ist das wahre Muster von beiden. Aber ich weiß nicht, wie es kommt, der Zigeuner« – so nannte Sussex seinen Nebenbuhler wegen seiner dunkeln Hautfarbe – »hat jetzt viel bei ihr zu sagen in den faulen Friedenszeiten. Stünde der Krieg am Tore, dann wäre ich ihr Bester, aber in Friedenszeiten kommen Soldaten aus der Mode. Na, wir dürfens uns nicht verdrießen lassen – es ist nun einmal die Mode so. –Blount, hast Du dafür gesorgt, daß unser Gefolge die neuen Uniformen angelegt hat?«

»Es ist besorgt, und Eurer Lordschaft wackre Verwandten und Freunde kommen zu Dutzenden heran, um Euch zu Hofe zu begleiten, und wir werden in Reih und Glied ebenso stattlich erscheinen wie Leicesters Sippschaft, mag er sie noch so protzig herausstaffieren.«

Der Earl of Sussex gab seine Anweisungen in solcher Hast, daß Tressilian nur mit Mühe endlich Gelegenheit fand, sein Erstaunen auszusprechen, daß er in der Angelegenheit Sir Hugh Robsarts so weit gegangen sei, die Bittschrift gleich der Königin vorzulegen. Es sei die Meinung der Freunde der jungen Dame gewesen, sagte er, daß man sich zuerst an Leicesters Gerechtigkeitsgefühl wenden solle, da die Beleidigung durch einen seiner Offiziere begangen worden sei, und dies habe er ja auch Sussex ausdrücklich mitgeteilt.

»Dies hätte geschehen können, ohne sich an mich zu wenden,« sagte Sussex, ein wenig hochmütig. »Ich wenigstens hätte nicht zum Ratgeber genommen werden dürfen, wenn es sich um ein erniedrigendes Ansuchen bei Leicester handelte, und ich bin erstaunt, daß Ihr, Tressilian, ein Mann von Ehre und mein Freund, einen solchen niedrigen Weg einschlagen wolltet. Wenn Ihr mir das gesagt habt, so habe ich es gewiß nicht in einem Euch so unähnlichen Sinne verstanden.«

»Mylord,« sagte Tressilian, »der Weg, den ich einschlagen wollte, wenn es nur nach mir gegangen wäre, ist der, den Ihr gewählt habt, aber die Freunde dieser unglücklichen Dame ...«

»O, die Freunde, die Freunde,« unterbrach ihn Sussex, »müssen uns in dieser Sache den Weg einschlagen lassen, den wir für den besten halten. Dies ist die Zeit und die Stunde, alles, was gegen Leicester und sein Gefolge aufgebracht werden kann, aufzuhäufen, und Eure Beschwerde wird die Königin für eine sehr schwerwiegende halten. Aber auf jeden Fall liegt ihr jetzt die Klage vor.«

Während die staatsmännischen Nebenbuhler sich so geschäftig auf ihr bevorstehendes Zusammentreffen vor der Königin vorbereiteten, war Elisabeth selber nicht ohne Befürchtungen, was wohl aus dem Zusammenstoß zweier so feuriger Geister sich ergeben könne, von denen jeder eine so starke und zahlreiche Gefolgschaft hinter sich hatte und unter die, insgeheim oder offenkundig, die Hoffnungen und Wünsche der meisten Edelmänner ihres Hofes geteilt waren. Die Ehrenwache war ganz ins Gewehr getreten, und eine Abteilung Yeomen war aus London auf der Themse hergebracht worden. Ein königlicher Erlaß wurde ausgegeben, der streng allen Edelmännern, welches Ranges sie auch seien, untersagte, sich dem Palast mit Lehnsmännern oder Gefolge in kurzen oder langen Waffen zu nahen.

Die kritische Stunde, die auf allen Seiten mit so großer Spannung erwartet wurde, kam endlich heran, und begleitet von ihren langen, prunkenden Zügen von Freunden und Lehnsmännern, betraten die beiden gräflichen Rivalen pünktlich zur Mittagsstunde den Schloßhof zu Greenwich.

Wie nach vorheriger Vereinbarung, oder vielleicht, weil die Grafen vermuteten, daß dies der Königin angenehm sei, kam Sussex und sein Gefolge von Deptford zu Wasser nach dem Palast, wahrend Leicester zu Lande kam. So betraten sie den Schloßhof von verschiedenen Seiten. Die beiden Grafen tauschten keinen Gruß miteinander aus, doch sahen sie sich fest und scharf ins Gesicht, und beide erwarteten vielleicht einen Austausch von Höflichkeiten, mit denen keiner den Anfang machen wollte. Fast zur selben Minute, als sie eintrafen, läutete die Schloßglocke, die Tore öffneten sich, und die Grafen traten herein – mit einem zahlreichen Gefolge solcher Edelherren aus ihrer Sippschaft, die ihrem Range nach hierzu befugt waren. Die Yeomen und geringeren unter der Gefolgschaft blieben im Hofe, wo die feindlichen Parteien einander mit Blicken des Hasses und der Verachtung maßen, als warteten sie voller Ungeduld auf eine Gelegenheit zu offnem Tumult. Aber sie wurden durch die strengen Befehle ihrer Führer in Zaum gehalten, auch flößte eine bewaffnete Wache ihnen Respekt ein.

Inzwischen folgten die hervorragenderen eines jeden Zuges ihren Lehnsherren in die hohen Hallen und Vorzimmer des königlichen Palastes – sie rannen im selben Bette wie zwei Ströme, die in einen Kurs gezwungen werden und doch ihre Wässer nicht vermischen wollen.

Die Flügeltüren am obern Ende wurden gleich darauf geöffnet, und flüsternd wurde verkündet, die Königin sei im Audienzzimmer, zu dem diese Räume führten. Beide Grafen gingen langsam und feierlich auf den Eingang zu, Sussex war von Tressilian, Blount und Raleigh begleitet, hinter Leicester ging nur Varney her. Der Stolz Leicesters mußte sich vor den Hofformalitäten beugen, und er blieb stehen, bis sein Nebenbuhler, ein Graf von höherm Alter als er, vor ihm hereingetreten war. Tressilian und Blount wollten dem Grafen von Sussex folgen, aber es wurde ihnen nicht gestattet, der Kammerherr mit dem schwarzen Stabe ersuchte um Entschuldigung, aber er habe strengen Befehl, heute bei den Vorlassungen scharf auf alle Formalitäten zu achten. Zu Raleigh, der zurücktrat, als seine Gefährten abgewiesen wurden, sagte er: »Ihr, Junker, dürft herein,« und Raleigh trat daher herein.

»Folgt mir auf dem Fuße, Varney,« sagte der Earl of Leicester, der auf einen Augenblick vorsichtig zurückgetreten war, um zu sehen, wie Sussex empfangen würde; und eben wollte er hereintreten, als Varney, der in prunkvollste Galauniform gekleidet war, von dem Kammerherrn angehalten wurde, wie vor ihm Tressilian und Blount.

»Was bedeutet das, Herr Bowyer?« fragte Graf Leicester. »Wißt Ihr, wer ich bin, und daß dieser hier mein Freund und Vasall ist?«

»Euer Lordschaft wird mir verzeihen,« versetzte Bowyer mit Entschiedenheit, »ich habe strengen Befehl und halte mich nur an die gewissenhafte Erfüllung meiner Pflicht.«

»Schurke! Es ist ungerecht von Euch,« sagte Leicester, indem ihm das Blut ins Gesicht stieg, »mir diese Schmach anzutun, da Ihr soeben einen vom Gefolge des Grafen von Sussex hereingelassen habt.«

»Mylord,« sagte Bowyer, »Junker Raleigh ist seit kurzem als ergebner Diener Ihrer Majestät zugelassen worden, und auf ihn bezieht sich meine besondre Weisung nicht.«

»Du bist ein Schuft – ein undankbarer Schuft,« sagte Leicester, »aber der, der Dich in die Höhe gebracht hat, kann Dich auch wieder stürzen – Du sollst Dich nicht länger mit Deiner Würde brüsten.«

Diese Drohung sprach er laut aus, seine gewöhnliche Klugheit und Vorsicht außer acht lassend, und trat dann in das Audienzzimmer, sich vor der Königin verneigend. Die Majestät war sogar noch prächtiger gekleidet als sonst und war umgeben von jenen Edlen und Staatsmännern, deren Mut und Weisheit ihre Regierung unsterblich gemacht haben. Sie erwartete stehend die Huldigung ihrer Untertanen, erwiderte anmutig die Begrüßung des beliebten Grafen und blickte bald nach dem einen, bald nach dem andern. Eben schien sie ihre Rede beginnen zu wollen, da trat Bowyer – ein Mann von Mut, der die in Erfüllung seines Amtes ihm von Leicester offen angetane Schmach nicht auf sich sitzen lassen wollte, mit seinem schwarzen Stabe herein und kniete vor ihr nieder.

»Was gibt es, Bowyer?« fragte Elisabeth. »Ihr kommt ungelegen.«

»Meine allergnädigste Königin,« sagte er, während alle Höflinge um ihn her über seine Kühnheit zitterten, »ich komme nur zu fragen, ob in der Ausübung meines Amtes ich den Befehlen Eurer Hoheit oder denen des Grafen von Leicester zu gehorchen habe, der mir öffentlich mit seiner Ungnade gedroht und ehrenrührige Ausdrücke gegen mich gebraucht hat, weil ich einem aus seinem Gefolge den Zutritt verwehrt habe, gemäß den strengen Befehlen Eurer Majestät?«

Der Geist Heinrichs VIII. erwachte sofort im Busen seiner Tochter, und sie wandte sich an Leicester mit einer Strenge, die ihn und all sein Gefolge in Angst versetzte.

»Gottes Tod, Mylord!« das war immer ihr Ausruf, wenn sie erregt war, »was soll das heißen? Wir haben eine gute Meinung von Euch gehabt und Euch in die Nähe unsrer Person genommen, doch nicht zu dem Zweck, daß Ihr die Sonne unsern getreuen Untertanen verdunkeln solltet. Wer gab Euch Befugnis, unsern Befehlen zu widersprechen oder unsre Beamten zu kontrollieren? Ich will an diesem Hofe, ja in diesem Reiche, nur eine Herrin haben und keinen Herrn. Seht ja zu, daß Bowyer keinen Schaden erleidet, weil er seine Pflicht gegen uns getreu erfüllt hat. Denn so wahr ich ein christliches Weib und eine gekrönte Königin bin, Ihr sollt mir teuer dafür einstehen. – Geht, Bowyer, Ihr habt gehandelt wie ein ehrlicher Mann und ein treuer Untertan. Wir wollen hier nicht dulden, daß irgendwer sich zum Herrn des Palastes aufwirft.«

Bowyer küßte die Hand, die sie ihm reichte und kehrte zu seinem Posten zurück, erstaunt über den Erfolg seiner Kühnheit. Ein Lächeln des Triumphes ging durch die Partei des Grafen von Sussex, die Leicester-Partei schien in demselben Maße bestürzt, und der Günstling selber nahm eine Miene der tiefsten Demut an und hütete sich, ein Wort zu seiner Verteidigung vorzubringen.

Daran tat er weise, denn Elisabeth war es nur darum zu tun, ihn zu demütigen, nicht ihn in Ungnade fallen zu lassen. Die Würde der Königin war befriedigt, und das Weib in ihr begann bald selber den Verdruß zu bedauern, den sie ihrem Liebling bereitet hatte. Ihr scharfes Auge bemerkte auch, daß die Partei des Sussex heimlich Blicke der Beglückwünschung austauschte, und es entsprach durchaus ihrer Politik, keiner der beiden Parteien einen entscheidenden Triumph zu gewähren.

»Was ich zu Mylord von Leicester sagte,« sprach sie nach kurzer Pause, »das sage ich ebenso zu Euch, Mylord von Sussex. Auch Ihr dürft nicht am Hofe von England an der Spitze einer eignen, kampflustigen Partei erscheinen.«

»Meine Vasallen, gnädige Fürstin,« sagte Sussex, »sind in der Tat in Eurer Sache kampflustig gewesen in Irland, in Schottland und gegen jene rebellischen Grafen im Norden. Ich wüßte nicht, daß –«

»Wollt Ihr mit Blicken und Worten mit mir streiten, Mylord?« unterbrach ihn die Königin. »Ich dächte, Ihr hättet von Mylord von Leicester zum mindesten die Bescheidenheit lernen können, zu schweigen, wenn ich Euch einen Verweis erteile. Ich sage Euch, Mylord, mein Vater und schon mein Großvater sind so klug gewesen, den Edlen dieses zivilisierten Landes zu verbieten, daß sie mit solchen wüsten Gefolgen herumzögen; und meint Ihr wohl, weil ich eine Haube trage, würde ihr Szepter in eine Kunkel verwandelt werden? Ich sage Euch, kein König der Christenheit wird so streng darauf halten, daß an seinem Hofe und in seinem Reiche keine Streitigkeiten geschehen und daß der Friede seines Königtums nicht durch die Arroganz zu hoch aufgeschossener Macht zerstört werde – kein König strenger als die Frau, die jetzt mit Euch spricht. – Mylord von Leicester, und Ihr, Mylord von Sussex, ich befehle Euch beiden, Freundschaft unter einander zu halten, oder bei der Krone, die ich trage, Ihr sollt eine Feindin finden, die zu stark für Euch beide sein wird.«

»Gnädigste Frau,« sagte der Earl of Leicester, »Ihr, die selber der Urquell der Ehre seid, wißt am besten, was der meinen geziemt. Ich stelle sie Euch anheim und sage nur, daß die Spannung zwischen mir und Lord von Sussex nicht durch mich hervorgerufen worden ist, auch hatte er keine Veranlassung, mich für seinen Feind zu halten, als bis er mir schweres Unrecht angetan hatte.«

»Ich meinesteils,« sagte Graf von Sussex, »muß mich dem Belieben Eurer Majestät fügen, aber ich würde sehr zufrieden sein, wenn Mylord von Leicester sagen würde, worin ich – wie er es nennt – ihm unrecht getan habe, denn meine Zunge hat nie ein Wort gesprochen, für das ich nicht jederzeit eingetreten wäre, ob nun zu Pferde oder zu Fuß.«

, »Und was mich anbetrifft,« sagte Leicester, »immer mit Verlaub meiner allergnädigsten Königin, – meine Hand wird ebenso bereit sein, meine Worte zu verfechten, wie die irgend eines Mannes, der sich Ratcliffe geschrieben hat.«

»Mylords,« sagte die Königin, »in diesem Tone, können wir hier nicht verhandeln; und wenn Ihr Euer Ungestüm nicht zügeln könnt, so werden wir Mittel finden, Euch Brauseköpfe ein wenig abzukühlen. Ich will sehen, Mylords, daß Ihr Euch die Hände schüttelt und Eure eitle Feindseligkeit vergeßt.«

Die beiden Nebenbuhler sahen einander mißmutig an und keiner wollte den ersten Schritt tun, dem Befehl der Königin nachzukommen.

»Sussex, ich bitte – Leicester, ich befehle Euch ...«

Doch waren die Worte so betont, daß die Bitte wie Befehl und dar Befehl wie eine Bitte klang. Sie standen still und steif, bis sie ihre Stimme zu einer Höhe erhob, die zugleich Ungeduld und unbedingtes Gebot aussprach.

»Sir Henry Lee,« sagte sie zu einem Offizier in der Nähe, »haltet eine Wache sofort in Bereitschaft und bemannt auf der Stelle eine Barke. Mylords von Sussex und Leicester, ich gebiete Euch noch einmal, Euch die Hände zu reichen, – und, Gottes Tod! Wer sich weigert, soll die Luft in unserm Tower atmen und vorderhand unser Angesicht nicht wieder schauen. Ich will Eure stolzen Herzen gebeugt haben, ehe wir auseinander gehen, und das verspreche ich Euch, so wahr ich eine Königin bin.«

»Das Gefängnis,« sagte Leicester, »wäre zu ertragen, aber Euer Majestät nicht mehr zu schauen, das hieße Licht und Leben mit eins zu verlieren. Hier, Sussex, ist meine Hand.«

»Und, hier,« sagte Sussex, »ist meine in Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit.«

»So soll es sein,« sagte die Königin und sah sie huldvoller an. »Wenn die Hirten sich vereinigen zum Schütze der Herden, dann ist es um die Herden, die wir zu hüten haben, gut bestellt. Denn, Mylords, ich sage Euch rund heraus, Eure Torheiten und Streitereien führen zu arger Verwirrung unter Euern Dienern. Mylord von Leicester, Ihr habt einen Herrn in Euerm Gefolge namens Varney?«

»Ja, allergnädigste Fürstin,« erwiderte Leicester, »ich habe ihn vorgestellt, Eurer Majestät die Hand zu küssen, wie Ihr das letzte Mal in Nonsuch wart.«

»Nun, sein Aeußeres war nicht uneben,« sagte die Königin, »aber doch nicht so schön, sollte ich meinen, daß ein Mädchen von ehrbarer Geburt und guten Aussichten um seiner schönen Augen willen ihren guten Namen hingeben und seine Maitresse hätte werden können. Und doch ist es so. Dieser Bursche von Euch hat die Tochter eines guten, alten Ritters aus Devonshire, des Sir Hugh Robsart von Lidcote-Hall verführt, und sie ist mit ihm aus ihres Vaters Hause geflüchtet. – Mylord von Leicester, seid Ihr krank, daß Ihr so totenblaß ausseht?«

»Nein, gnädigste Frau,« sagte Leicester, und es erforderte alle Anstrengung, diese paar Worte vorzubringen.

»Ihr seid sicherlich krank, Mylord!« sagte Elisabeth hastig und ging fast bestürzt auf ihn zu, und Sprache und Gang bekundeten die tiefste Sorge um ihn. »Ruft Masters – ruft unsern Leibarzt – wo sind diese saumseligen Narren – wir werden den Stolz unsers Hofes verlieren durch ihre Nachlässigkeit. Oder ist es möglich, Leicester,« fuhr sie fort, und sah ihn mit sehr sanftem Blick an, »kann Furcht vor unsrer Ungnade Dir so nahe gegangen sein? Glaub nicht, edler Dudley, daß wir Dich wegen der Torheit, Deines Lehnsmanns tadeln könnten – Dich, dessen Gedanken, wie Wir wissen, ganz wo anders weilen!«

»Merkt Ihr das?« sagte Sussex zu Raleigh. »Der Teufel steht ihm bei, das steht fest, denn was andre zehn Klafter tief stürzen würde, scheint ihm nur die Fahrt noch zu erleichtern. Hätte einer von meinem Anhang so gehandelt –«

»Gemach, Mylord,« sagte Raleigh, »gemach in Gottes Namen. Wartet ab, bis das Wetter anders wird, es scheint schon jetzt umschlagen zu wollen.«

Der Scharfblick Raleighs hatte recht gesehen, denn Leicesters Verwirrung war so groß, und in der Tat schien er für den Augenblick so völlig überwältigt, daß Elisabeth ihn verwundert ansah und, als sie auf die ungewöhnlichen Ausdrücke der Huld und Zuneigung keine verständliche Antwort erhalten hatte, ihren raschen Blick über den Kreis der Höflinge hinfliegen ließ. In den Gesichtern las sie vielleicht etwas, was mit ihrem erwachten Verdacht übereinstimmte, und sie fragte plötzlich:

»Oder steckt dahinter mehr, als wir jetzt sehen – vielleicht mehr, als Ihr, Mylord, wünscht, daß wir sehen sollen? Ruft mir sofort diesen Varney her und auch den in der Bittschrift genannten Tressilian – führt beide vor uns.«

Der Befehl wurde ausgeführt, und Tressilian und Varney kamen herein. Varneys erster Blick fiel auf Leicester, sein zweiter auf die Königin. In den Blicken der letztern las er bevorstehenden Sturm, und in der niedergeschlagnen Miene seines Gönners konnte er keine Weisungen entdecken, auf welche Weise er sein Schiff für dieses Zusammentreffen seefähig zu machen hätte – dann sah er Tressilian, und sofort erkannte er die Gefahr der Lage, in der er sich befand. Aber Varney hatte eine freche Stirn und einen schlagfertigen Witz und war, verschlagen und kannte keine Bedenken – ein gewandter Lotse in großer Gefahr, der sich voll bewußt war, wie große Vorteile er erringen konnte, wenn es ihm gelang, Leicester aus dieser Klemme herauszubringen, und wie unrettbar ihm selber das Verderben drohte, wenn es ihm nicht glückte.

»Ist es wahr, Herr,« sagte die Königin mit einem jener forschenden Blicke, denen stand zu halten nur wenige die Kühnheit hatten, »daß Ihr eine junge Dame von edler Herkunft und Erziehung, die Tochter des Sir Hugh Robsart von Lidcote-Hall, zur Schande verführt habt?«

Varney kniete nieder und erwiderte mit einer Miene tiefster Zerknirschung, es habe zwischen ihm und Amy Robsart ein Liebesverhältnis bestanden.

Leicesters Fleisch erzitterte vor Empörung, als er seinen Vasallen dieses Geständnis ablegen hörte, und für den Augenblick war es ihm, als sollte er sich ein Herz fassen und hervortreten, dem Hofe und der Hofgunst Lebewohl sagen und das ganze Geheimnis von der heimlichen Heirat preisgeben. Aber er sah auf Sussex, und der Gedanke an das triumphierende Lächeln, das bei diesem Bekenntnis auf dem Antlitz seines Nebenbuhlers liegen würde, versiegelte ihm die Lippen. Fest und gefaßt reckte er sich wieder empor und hörte aufmerksam auf jedes Wort, das Varney sprach, und war wieder entschlossen, bis zum letzten Augenblick das Geheimnis zu wahren, von dem sein Glück als Höfling abhing. Inzwischen fuhr die Königin in ihrem Verhör fort:

»Ein Liebesverhältnis!« sagte sie, die letzten Worte wiederholend. »Warum, Du Schuft, hast Du nicht bei dem Vater um die Hand der Dirne angehalten, wenn Du es mit Deiner Liebe ehrlich meintest?«

»Mit Verlaub, Eurer Majestät,« sagte Varney, noch immer knieend, »das wagte ich nicht, denn ihr Vater hatte ihre Hand einem Herrn von Geburt und Ehre versprochen – ich will ihm Gerechtigkeit erweisen, obgleich ich weiß, daß er mir feindlich gesinnt ist – einem gewissen Junker Edmund Tressilian, den ich jetzt unter den Anwesenden erblicke.«

»So!« erwiderte die Königin, »und inwiefern hattest Du ein Recht, die dumme Närrin durch Deine Liebelei, wie Du es heuchlerisch und dreist nennst, dahin zu bringen, daß sie ihres Vaters Absicht vereitelt hat?«

»Allergnädigste Frau« versetzte Varney, »es ist vergebens, der menschlichen Schwäche das Wort zu reden vor einer Richterin, die selber keine Schwäche kennt, oder die Sache der Liebe zu verfechten vor einer Frau, die gegen die Leidenschaft gefeit ist –« er hielt einen Augenblick inne und setzte dann ganz leise und schüchtern hinzu, »mit der sie andre entflammt.«

Elisabeth versuchte die Stirn zu runzeln, aber sie lächelte unwillkürlich und antwortete:

»Du bist ein wunderbar unverschämter Bube. Bist Du mit dem Mädchen verheiratet?«

Leicester hatte jetzt das Gefühl, als ob sein ganzes Innere fest in sich verkrampft wäre und als ob sein Leben abhinge von der Antwort, die Varney geben würde. Dieser erwiderte nach kurzem Zögern: »Ja.«

»Du falscher Schurke!« rief Leicester in einem Wutausbruch, aber er vermochte weiter kein Wort hinzuzufügen.

»Nein, Mylord,« sagte die Königin, »wir wollen, wenns erlaubt ist, zwischen diesen Burschen und Euern Zorn treten. Wir sind noch nicht fertig mit ihm. – Wußte Euer Herr, Mylord von Leicester, von dieser saubern Geschichte? Sprich, die Wahrheit, ich befehle es Dir.«

»Allergnädigste Frau,« sagte Varney, »die Wahrheit des Himmels zu gestehen, Mylord war selber schuld an der ganzen Sache.«

»Du Schurke, willst Du mich etwa verraten?« knirschte Leicester.

»Sprich weiter,« sagte die Königin, ihre Wange rötete sich und ihre Augen funkelten – »sprich weiter – höre jetzt auf keinen Befehl, als auf den unsern.«

»Euer Befehl ist allgewaltig, allergnädigste Herrin,« erwiderte Varney, »und vor Euch kann es kein Geheimnis geben. – Doch möchte ich nicht gern,« setzte er hinzu, »vor andrer Ohren von den Angelegenheiten meines Herrn sprechen.«

»Tretet zurück, Mylord,« sagte die Königin zu denen, die um sie herumstanden, »und Ihr sprecht weiter. – Was hat der Earl mit dieser strafbaren Intrigue von Dir zu tun? Sieh zu, Schurke, daß Du ihn mir nicht verleumdest.«

»Fern sei es von mir, meinen edeln Gönner in falschen Leumund zu bringen,« erwiderte Varney, »doch ich bin gezwungen, zu gestehen, daß seit einiger Zeit eine tiefe, überwältigende, doch geheime Leidenschaft im Herzen meines Herrn sitzt – sein Sinn ist nicht wie sonst bei den Angelegenheiten seines Haushalts, die er doch sonst mit religiöser Strenge zu regeln pflegte – und er hat uns Gelegenheiten finden lassen, Torheiten zu begehen, deren Schmach zum Teil, wie in diesem Falle, auf unsern Gebieter fällt. Ohnedem hätte ich weder die Gelegenheit noch die Muße gefunden, die Dummheit zu begehen, die mir seine Ungnade eingebracht hat – das schwerste Unglück für mich, immer abgesehen von dem noch mehr gefürchteten Zorn Eurer Majestät.«

»Und nur in diesem Sinne und keinem andern trägt er Mitschuld an Deinem Vergehen?« fragte Elisabeth.

»Gewiß, allergnädigste Frau, in keinem andern,« antwortete Varney, »aber da ihm etwas zugestoßen sein muß, so kann man ihn kaum zur Rechenschaft ziehen, denn er ist nicht mehr sein eigner Herr. Seht ihn an, Gnädigste, wie bleich und zitternd er dasteht – wie ganz unähnlich seiner sonstigen majestätischen Erscheinung – und doch was hat er zu fürchten von den Eröffnungen, die ich Eurer Hoheit machen könnte? Ach, allergnädigste Herrin, seit er jenes Päckchen erhalten hat ...!«

»Was für ein Päckchen und von wem?« rief die Königin begierig.

»Von wem, Gnädigste, das kann ich nicht erraten, aber ich stehe seiner Person so nahe, daß ich weiß, er hat seitdem stets am Halse und zunächst seinem Herzen jene Haarlocke getragen, die in einem kleinen, herzförmigen Goldschmuck ruht – er spricht zu ihm, wenn er allein ist – er trennt sich von ihm nicht im Schlafe – kein Heide hat je einen Fetisch mit solcher Hingebung angebetet.«

»Du bist ein fürwitziger Gesell, Deinem Herrn so scharf aufzupassen,« sagte Elisabeth und errötete, doch nicht vor Zorn, »und eine Plaudertasche obendrein, daß Du seine Torheiten ausschwätzest. Von welcher Farbe mag die Locke gewesen sein, von der Du da redest?«

Varney antwortete: »Ein Dichter könnte sie einen Faden von dem goldnen Gewebe, das Minerva gesponnen hat, nennen. Meines Dünkens aber war sie noch blasser als selbst das reinste Gold – mehr wie der letzte scheidende Sonnenstrahl des sanftesten Tages im Lenze.«

»Ei, Ihr seid selber ein Dichter, Junker Varney,« sagte die Königin lächelnd, »aber ich habe nicht Genie genug, Euern köstlichen Metaphern zu folgen. Seht Euch unter diesen Damen, um. Ist hier (sie stockte und zwang sich, eine Miene der größten Gleichgültigkeit anzunehmen), ist unter dieser Gesellschaft eine Dame, deren Haar die Farbe jener Locke hat? Ich möchte zwar nicht in die Liebesgeheimnisse des Lords von Leicester dringen, doch dünkt mich; ich erführe ganz gern, welche Art von Locken wie der Faden von Minervas Gewebe sind oder wie der – wie, war es doch? – wie der letzte Strahl der Sonne an einem Tage im Maien.«

Varney sah sich in dem Audienzsaale um, sein Auge wanderte von einer Dame zur andern, bis es mit einem Blicke tiefster Verehrung auf der Königin selber ruhte,

»Ich sehe keine Flechten, die solcher Gleichnisse würdig wären, in dieser Gesellschaft,« fügte er, »außer an einem Haupte, wo ich sie nicht anzuschauen wage.«

»Wie, Bursche,« sagte die Königin, »erdreistest Du Dich, anzudeuten ...«

»Nein, gnädigste Fürstin,« erwiderte Varney, die Augen mit der Hand beschattend, »die Strahlen der Maiensonne haben meine schwachen Augen geblendet.«

»Geh, geh, Du bist ein närrischer Bursch,« sagte die Königin, und sie wandte sich rasch von ihm ab und ging zu Leicester.

Gespannte Neugierde mit all den geteilten Hoffnungen, Befürchtungen und Leidenschaften, unter deren Einfluß alle Hofintriguen stehen, hatte das Audienzgemach beherrscht und im Banne gehalten, wie mit der Kraft eines morgenländischen Talismans, so lange dieses Zwiegespräch der Königin mit Varney währte. Die Männer unterließen jede, selbst die leiseste äußere Bewegung und hätten sogar das Atmen aufgeschoben, wenn die Natur eine solche Unterbrechung der Funktionen zuließe. Die Atmosphäre war ansteckend, und als Leicester alle um sich her von dem Wunsche, daß das Glück ihm lächeln möchte, oder von dem Wunsche, daß er stürzen möchte, beseelt sah, vergaß er alles, was ihm eben noch die Liebe eingegeben hatte, und sah nichts als Gnade oder Ungnade, die von dem Kopfnicken der Elisabeth und von Varneys Treue abhingen. Elisabeth ließ ihn nicht lange im Zweifel, denn die Herzlichkeit, die mehr war als bloße Gunst, mit der sie ihn jetzt anredete, entschied seinen Triumph in den Augen seines Nebenbuhlers und des versammelten Hofes von England.

»Ihr habt einen schwatzhaften Diener an diesem Varney, Mylord,« sagte sie; »es ist nur ein Glück, daß Ihr ihm nichts anvertraut, was Euch in unsrer Meinung herabsetzen könnte, denn, glaubt mir nur, er würde nicht reinen Mund halten.«

»Wenn er vor Eurer Hoheit etwas geheim halten wollte,« sagte Leicester und ließ sich anmutig auf ein Knie nieder, »das hieße Verrat begehen. Ich wollte, mein Herz selber läge offen vor Euch.«

»Wie, Mylord,« sagte Elisabeth und sah freundlich auf ihn nieder, »ist nicht ein einziger kleiner Winkel da, über den Ihr gern einen Schleier breiten möchtet? Ich sehe, die Frage verwirrt Euch, Und Eure Königin weiß, daß sie nicht zu tief auf den Grund der Treue ihrer Untertanen schauen sollte, damit sie nicht etwas erblicke, was ihr mißfallen könnte oder wenigstens sollte.«

Durch diese Worte von seiner Beklemmung befreit, brach Leicester in einen Strom von Beteuerungen tiefer und leidenschaftlicher Ergebenheit aus, die in diesem Augenblick vielleicht nicht ganz erheuchelt waren. Nie war er Elisabeth beredsamer, hübscher, interessanter erschienen, als jetzt, da er vor ihr kniete und sie beschwor, ihn all seiner Macht zu berauben und ihm nur den Namen ihres Dieners zu lassen.

»Nehmt dem armen Dudley,« rief er aus, »alles, wozu ihn Eure Güte gemacht hat, und heißt ihn wieder der arme Edelmann sein, der er war, als das Licht Eurer Gnade zum ersten Mal auf ihn fiel, laßt ihm nichts als diesen Mantel und sein Schwert, doch laßt ihn noch immer sich rühmen dürfen, daß er – was er in Wort und Tat noch nie verscherzt hat – die Wohlgeneigtheit seiner angebeteten Königin und Herrin besitzt!«

»Nein, Dudley,« sagte Elisabeth und richtete ihn mit der einen Hand auf, während sie die andre ihm zum Kusse hinreichte, »Elisabeth hat nicht vergessen, daß zur Zeit, da Ihr noch ein armer Edelmann und Eures erblichen Ranges beraubt waret, sie selber eine ebenso arme Prinzessin gewesen ist und daß Ihr in ihrer Sache alles gewagt habt, was die Unterdrückung Euch gelassen hatte – Leben und Ehre. – Steht auf, Mylord, und laßt meine Hand los! – Steht auf und seid, was Ihr stets gewesen seid, die Zierde unsers Hofes und die Stütze unsers Thrones. – Und so wahr mir Gott helfe,« setzte sie hinzu, sich an die Zuhörerschaft wendend, die mit verschiednen Gefühlen diese interessante Szene ansah, »so wahr mir Gott helfe, meine Herren, so denke ich, nie hat ein Landesfürst einen treuern Diener gehabt, als ich in diesem edeln Carl besitze.«

Ein Murmeln der Zustimmung ging durch die Leicester-Partei, dem die Anhänger des Grafen von Sussex nicht zu widersprechen wagten. Sie standen mit zu Boden gesenkten Blicken, bestürzt und erbittert zugleich über den öffentlichen und völligen Triumph ihrer Widersacher. Leicester benutzte die Vertraulichkeit, zu der die Königin ihn so offenkundig wieder erhoben hatte, um sich nach ihren Befehlen in der Angelegenheit seines Dieners Varney zu erkundigen.

»Dieser Bursche,« sagte er, »verdient freilich nur, Ungnade, aber wenn ich mirs anmaßen dürfte, ein Wort einzulegen ...«

»Wahrhaftig, wir hatten seine Sache ganz vergessen,« sagte die Königin. »Und das war nicht recht von uns, die wir unsern niedrigsten wie höchsten Untertanen Gerechtigkeit schuldig sind. Es gefällt uns sehr, Mylord, daß Ihr selber der erste seid, der uns an diesen Fall erinnert. – Wo ist Tressilian, der Ankläger? – Laßt ihn vor uns kommen.«

Tressilian erschien und machte eine tiefe Verbeugung. Sein Aeußeres hatte, wie schon früher bemerkt, einen Zug der Grazie und des Adels, der dem kritischen Blick der Königin Elisabeth nicht entging. Sie sah ihn aufmerksam an, als er unerschrocken und doch mit einer Miene tiefster Traurigkeit vor ihr stand.

»Dieser Herr tut mir wirklich leid,« sagte sie zu Leicester. »Ich habe Erkundigungen über ihn eingezogen, und sein Aeußeres bestätigt, was ich gehört habe, daß er nämlich ein Gelehrter und ein Soldat zugleich sei, in Künsten und in Waffen wohl bewandert. Wir Frauen, Mylord, sind launisch in unsrer Wahl – und ich hätte, wenn ich mein Auge urteilen ließe, jetzt gesagt, es könne eigentlich gar kein Vergleich zwischen Eurem Vasallen und diesem Herrn gezogen werden. Aber Varney versteht gut zu sprechen und die Wahrheit zu sagen, damit erreicht man viel bei uns vom schwächern Geschlecht. – Seht, Junker Tressilian, hat man einen Pfeil verschossen, so braucht noch nicht gleich der Bogen gebrochen zu sein. Eure treue Liebe – ich will Euer Gefühl gern dafür gelten lassen – scheint nur schlecht erwidert worden zu sein, aber Ihr habt Gelehrsamkeit und wißt, falsche Cressidas hat es schon gegeben von der Zeit der Trojaner an. Vergeßt, guter Herr, dieses Dämchen der leichten Liebe und lehrt Eure Neigung mit bessern Augen sehen. Dies sagen wir zu Euch und sprechen dabei mehr aus den Schriften gelehrter Männer, als aus eigner Erfahrung in solchem eiteln Spiel launischer Leidenschaft. Was den Vater dieser Dame anbetrifft, so können wir seinen Schmerz lindern, indem wir seinen Schwiegersohn zu einer solchen Stellung befördern, daß seine Gattin standesgemäß leben kann. Ihr selber sollt nicht vergessen werden, Tressilian – bleibt bei uns am Hofe, und Ihr sollt sehen, daß ein echter Troilus einigen Anspruch auf unsre Gnade hat. Denkt nur, daß dieser Schlaukopf, der Shakespeare sagt – doch potzblitz! Seine Scherze gehören jetzt nicht hierher, wir haben an andres zu denken.«

Und als Tressilian trotzdem stehen blieb in der Haltung eines Mannes, der gern sprechen würde, nur daß die tiefste Ehrfurcht ihm Schweigen gebiete, setzte die Königin ein wenig ungeduldig hinzu:

»Was will denn der Mann? Die Dirne kann doch nicht Euch beide heiraten. Sie hat ihre Wahl getroffen – vielleicht nicht eben eine kluge – aber sie ist Varneys angetraute Gattin.«

»Hier sollte mein Gesuch verstummen, allergnädigste Landesherrin,« sagte Tressilian, »und mit meinem Gesuche meine Rache. Aber ich halte das Wort dieses Varney nicht eben für eine gute Bürgschaft der Wahrheit.«

»Wäre dieser Zweifel anderswo ausgesprochen worden,« antwortete Varney, »so sollte mein Schwert –«

»Dein Schwert!« fiel ihm Tressilian verächtlich ins Wort; »– mit Eurer Majestät Erlaubnis soll jetzt mein Schwert –«

»Ruhig, Ihr Buben! Alle beide!« rief die Königin. »Wißt Ihr, wo Ihr seid? Das kommt von Euern Streitigkeiten, Mylords,« setzte sie hinzu, sich an Leicester und Sussex wendend. »Eure Vasallen treibens ganz so wie Ihr selber – wie die Herren singen, so zwitschern die Diener. Gebt acht, Ihr Herren, wer mir vom Schwerterziehen spricht in irgend einem andern Zwist als im Kampfe für mich und England, – bei meiner Ehre, ich will ihm Armbänder von Eisen an Händen und Füßen anlegen lassen!« Dann hielt sie ein Weilchen inne und fuhr in sanfterm Tone fort: »Ich muß trotzdem zwischen diesen dreisten, aufrührerischen Burschen Recht sprechen. – Mylord von Leicester, wollt Ihr mit Eurer Ehre verbürgen – daß Euer Diener die Wahrheit spricht, indem er sagt, er habe diese Amy Robsart geheiratet?«

Dies war eine neue Wendung, die Leicester fast von neuem ins Verderben gestürzt hätte. Aber er war jetzt zu weit gegangen, um wieder umzukehren, und antwortete nach kurzem Besinnen:

»Nach meinem besten Gewissen – ja, nach meinem besten Wissen – sie ist angetraute Gattin.«

»Allergnädigste Frau,« sagte Tressilian, »darf ich danach fragen, wann und unter welchen Umständen diese angebliche Heirat –«

»Was, Du Fant!« versetzte die Königin, »angebliche Heirat! – Habt Ihr nicht das Wort dieses ausgezeichneten Grafen zur Bürgschaft für die Wahrheit der Angaben seines Dieners? Aber Du bist der verlierende Teil – und wir wollen Nachsicht mit Dir haben, – wir wollen die Sache näher untersuchen, wenn wir mehr Zeit haben. – Mylord von Leicester, ich denke, Ihr werdet nicht vergessen haben, daß wir willens sind, das Fest auf Euerm Schlosse Kenilworth in der folgenden Woche mitzumachen – wir wollen Euch gebieten, unsern guten und hochgeschätzten Freund, den Grafen von Sussex, zu ersuchen, daß er uns dort Gesellschaft leisten möge.«

»Wenn der edle, Graf von Sussex,« sagte Leicester und verneigte sich ungezwungen und graziös vor seinem Nebenbuhler, »meinem schlichten Hause so viel Ehre antun will, so will ich darin einen weitern Beweis für die freundschaftlichen Beziehungen erblicken, die Eure Majestät zwischen uns gepflogen zu sehen wünscht.«

Sussex war unbeholfner.

»Ich würde, Majestät,« sagte er, »Euch nur im Frohsinn stören, da ich eben erst von schwerer Krankheit genesen bin.«

»Und seid Ihr denn wirklich so krank gewesen?« fragte Elisabeth und sah ihn mehr mit Aufmerksamkeit an als zuvor. »Ihr seid wahrlich sehr verändert, und tief schmerzt mich das. Aber seid gutes Mutes, – wir wollen selber uns die Gesundheit eines so hochgeschätzten Dieners angelegen sein lassen, dem wir so sehr viel verdanken. Masters soll Euch Diät anordnen, und damit wir selber sehen, daß Ihr Euch nach seinen Vorschriften richtet, müßt Ihr auf dem Feste in Kenilworth mit uns zusammen sein.«

Dies wurde in so entschiednem Tone und dabei doch mit so viel Freundlichkeit gesagt, daß Sussex nichts weiter tun konnte, als sich in Gehorsam gegen die Befehle der Königin tief zu verneigen, so sehr es ihm auch zuwider war, bei seinem Nebenbuhler zu Gaste zu sein. Er sagte Leicester mit linkischer Höflichkeit die Annahme seiner Einladung zu.

»Mylords von Sussex und Leicester,« sagte die Königin, »Tressilian und Varney sind in Euern Diensten – Ihr werdet dafür sorgen, daß sie Euch nach Kenilworth begleiten – und da wir dann Paris und Menelaus in unsrer Nähe haben, so wollen wir auch die schöne Helena sehen, deren Untreue diesen Tumult verursacht hat. Varney, Dein Weib soll mit in Kenilworth sein und auf unsern Befehl sich zeigen. – Mylord von Leicester, wir erwarten, daß Ihr dafür sorgen werdet.«

Der Graf und sein Vasall verneigten sich tief und hoben den Kopf wieder, ohne daß sie die Königin oder sich selber anzusehen gewagt hätten, denn beiden war in diesem Augenblick zu Mute, als wenn die Netze und Stricke, die ihre eigne Falschheit gewoben hatte, sich dicht um sie schlössen.

Die Königin aber sah ihre Verwirrung nicht.

»Mylords von Leicester und Sussex,« fuhr sie fort, »wir benötigen Eurer Anwesenheit in dem geheimen Rat, der alsogleich tagen soll. Dinge von großer Wichtigkeit stehen auf der Tagesordnung. Dann wollen wir zu unsrer Kurzweil eine Wasserfahrt machen, und Ihr, Mylords, werdet uns begleiten. – Und das erinnert uns an noch etwas – vergeßt Ihr nicht, Herr Ritter vom beschmutzten Mantel« (dabei zeichnete sie Raleigh durch ein Lächeln aus), »daß Ihr auch an der Fahrt teilzunehmen habt. Ihr sollt mit geeigneten Mitteln versehen werden, Eure Garderobe in stand zu bringen.«

Und so endete diese gerühmte Audienz, auf der, wie durch ihr ganzes Leben, Elisabeth die Launenhaftigkeit ihres Geschlechts mit jenem feinen Verstand und mit jener tiefen Staatsklugheit vereint hatte, in denen kein Mann und kein Weib sie je wieder übertroffen haben.

Ende des ersten Bandes

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