»Mylords und Vettern,« sagte Robert, »Ihr habt gehört, wie dringend der Fall ist, und mögt wohl meine Meinung zu kennen wünschen, bevor Ihr berathet, was Eure eigene Klugheit andeuten wird. Und fürwahr, mir fällt kein besseres Mittel bei, als zwei Abgeordnete zu senden, mit Vollmacht von uns, ihre Streitigkeiten zu schlichten, und zu gleicher Zeit ihnen zu gebieten, im Namen des Gesetzes die Waffen niederzulegen und alle Gewaltstreiche gegen einander zu unterlassen.«

»Ich pflichte Eurer Majestät Vorschlag bei,« sagte Rothsay; »und ich hoffe, der gute Prior wird sich nicht weigern, bei diesem Friedenswerk das ehrwürdige Amt eines Gesandten zu übernehmen. Und sein würdiger Bruder, der Abt des Karthäuserklosters, wird sich um eine Ehre streiten, die gewiß der großen Armee der Märtyrer zwei vorzügliche Rekruten zuführen wird, da die Hochländer wenig den Unterschied zwischen Geistlichen und Laien bei den Abgesandten, die Ihr ihnen schickt, beachten werden.«

»Mein königlicher Herr von Rothsay,« sagte der Prior, »wenn mir die gepriesene Krone des Märtyrerthums bestimmt ist, so werd' ich ohne Zweifel den Weg geführt werden, auf dem ich sie erlangen soll. Inzwischen mag Euch, wenn Ihr im Scherz redet, der Himmel verzeihen und Euch erleuchten, um zu begreifen, daß es Euch besser anstehen würde, mit Euren Waffen die Besitzthümer der Kirche zu schützen, die in so großer Gefahr sind, als Euren Witz im Scherz gegen ihre Diener zu erproben.«

»Ich scherze gar nicht,« sagte der junge Mann gähnend; »auch hab' ich keine Abneigung, die Waffen zu ergreifen, nur daß sie eine etwas beschwerliche Tracht sind, und im Februar ein Pelzmantel besser gegen das Wetter schützt, als ein Stahlharnisch. Und es ist mir so unangenehm, in diesem rauhen Wetter eine kalte Rüstung anzulegen, daß ich wollte, die Kirche sendete eine Kompagnie ihrer Heiligen (auch gibt es ja einige Hochländische, die in jener Gegend wohl bekannt und sicher an's Klima gewöhnt sind), um ihre eigenen Schlachten zu kämpfen, gleich dem lustigen St. Georg von England. Aber ich weiß nicht, wie es zugeht, wir hören von ihren Wundern, wenn man sie anredet, von ihrer Rache, wenn man das Gebiet der Kirche verletzt, Alles nur, um uns zur Freigebigkeit anzureden, und gleichwohl, wenn nur eine Schaar von zwanzig Hochländern kommt, sind Glocken, Bücher und Kerzen zu nichts nutze, und der geharnischte Baron ist genöthigt, die Kirche im Besitz der Ländereien zu erhalten, die er ihr gegeben hat, gleich als ob er noch die Früchte von ihnen ärntete.«

»Sohn David,« sagte der König, »du gestattest deiner Zunge eine ungebührliche Freiheit.«

»Ei, Sir, ich bin stumm,« erwiderte der Prinz. »Ich wollte Eure Hoheit gar nicht stören, auch dem Vater Prior nichts Unangenehmes sagen, der, mit so viel Wundern zu seiner Verfügung, wie es scheint, einer Handvoll hochländischer Räuber nicht entgegentreten will.«

»Wir wissen,« sagte der Prior mit unterdrücktem Unwillen, »aus welcher Quelle diese schnöden Grundsätze geflossen find, die wir mit Entsetzen aus dem Munde hören, der sie jetzt ausspricht. Wenn Prinzen mit Ketzern verkehren, so wird ihr Gemüth wie ihre Sitten verdorben. Sie zeigen sich auf den Straßen als die Gefährten von Masken und schlechten Dirnen, und im Rathe als Spötter gegen die Kirche und heilige Gegenstände.«

»Ruhig, guter Vater!« sagte der König. »Rothsay soll Buße thun für seine eiteln Reden. Ach! laßt uns Rath pflegen auf freundliche Art, und nicht wie ein meuterischer Haufe Schiffsvolk in einem sinkenden Fahrzeuge, wenn Jeder mehr mit seinen Nachbarn zu hadern strebt, als den Bemühungen des verlassenen Schiffsherrn, der das Schiff erhalten will, beizustehen. – Mylord von Douglas, Euer Haus hat selten gefehlt, wenn die Krone von Schottland weisen Rath oder männliche Hilfe forderte; ich hoffe, Ihr werdet uns in dieser Verlegenheit Hilfe leihen?«

»Ich kann mich nur wundern, daß diese Verlegenheit vorhanden sein soll,« antwortete der stolze Douglas. »Als mir die Statthalterschaft des Königreichs anvertraut ward, kamen einige der wilden Clans von den Grampischen Bergen herab. Ich bemühte den Rath nicht wegen der Sache, sondern ließ den Sheriff, Lord Ruthven, mit der Macht der Ebene zu Pferde steigen – mit den Hay's, den Lindsay's, den Ogilvie's und andern Edelleuten. Beim heiligen Zaum! wenn die Stahlkleider dem Mantel begegneten, da wußten die Räuber, wozu Lanzen gut waren und ob Schwerter Schneiden hatten oder nicht. Dreihundert ihrer besten Köpfe blieben, außer dem ihres Häuptlings, Donald Cormac, auf dem Moor von Thorn und im Rochinroywalde; eine gleiche Anzahl ward aufgehängt am Galgen, der noch den Namen von dem Henker hat, der das Werk dort verrichtete. Auf solche Weise muß man in meiner Heimath mit Dieben umgehen; und wenn sanftere Mittel bei solchen Schurken bessern Erfolg haben, so tadelt Douglas nicht, daß er seine Meinung sagte. – Ihr lächelt, Mylord von Rothsay. Darf ich fragen, ob Ihr ein zweites Mal Euren Scherz mit mir treiben wollt, bevor ich Euch für das erste Mal geantwortet habe?«

»Ei, seid nicht böse, mein guter Lord von Douglas,« erwiderte der Prinz, »ich lächelte nur bei dem Gedanken, wie Euer fürstliches Gefolge zusammenschrumpfen würde, wenn es jedem Diebe ginge, wie den armen Hochländern.«

Der König mischte sich wieder ein, um eine zornige Antwort des Grafen zu verhüten. »Eure Herrlichkeit,« sagte er zu Douglas, »räth weise, daß wir den Waffen vertrauen sollen, wenn jene Leute gegen unsere Unterthanen auf die schöne glatte Ebene kommen; aber die Schwierigkeit ist, ihren Unordnungen Einhalt zu thun, so lange sie hinter ihren Bergen stecken. Ich brauche Euch nicht zu sagen, daß der Clan Chattan und Clan Quhele große Verbindungen sind, jeder aus mannigfachen Stämmen bestehend, die sich vereinigt haben, im allgemeinen Kriege zu den Waffen zu greifen; noch jüngst haben ihre Zwistigkeiten allenthalben Blut vergossen, wo sie einander einzeln oder in Masse trafen. Das ganze Land ist durch ihre rastlosen Fehden in Stücke gerissen.«

»Ich kann das Schlimme davon nicht sehen,« sagte Douglas; »die Schufte werden einander vernichten, und das Wild der Hochlande wird sich mehren, wie sich die Menschen vermindern. Wir werden als Jäger die Uebung gewinnen, die wir als Krieger verlieren.«

»Sagt vielmehr, die Wölfe werden sich mehren, wie sich die Menschen vermindern,« erwiderte der König.

»Nun meinetwegen,« sagte Douglas; »besser wilde Wölfe, als wilde Räuber. Unterhaltet starke Truppen längs der Earischen Grenze, um das ruhige von dem unruhigen Lande zu trennen. Beschränkt das Feuer des Bürgerkriegs auf die Hochlande; laßt seine unbezähmbare Wuth sich austoben und es wird bald aus Mangel an Material ausbrennen. Die Ueberlebenden werden gedemüthigt sein und einem Flüstern Eurer Majestät mehr gehorchen, als ihre Väter oder die jetzt lebenden Schurken Euren strengsten Befehlen.«

»Das ist ein weiser, aber kein frommer Rath,« sagte der Prior, sein Haupt schüttelnd; »ich kann's nicht auf mein Gewissen nehmen, ihn anzuempfehlen. Es ist Weisheit, aber es ist die Weisheit des Achitophel, schlau zugleich und grausam.«

»So sagt mir mein Herz,« – sagte der König, seine Hand auf die Brust legend; – »mein Herz sagt mir, daß an jenem furchtbaren Tage die Frage an mich gerichtet werden wird: ›Robert Stuart, wo sind die Unterthanen, die ich dir gab?‹ Es sagt mir, daß ich für Alle verantwortlich bin, Sachsen und Gälen, Niederland, Hochland und Grenzland; daß man mich nicht blos um die fragen wird, die Güter und Kenntnisse besitzen, sondern auch um die, welche stahlen, weil sie arm, und sich empörten, weil sie unwissend waren.«

»Eure Majestät spricht wie ein christlicher König,« sagte der Prior. »Aber Ihr führt das Schwert so gut wie das Scepter, und dies gegenwärtige Uebel ist von einer Art, daß es das Schwert heilen muß.«

»Hört, Mylords,« sagte der Prinz, aufblickend, als hätte er plötzlich einen glücklichen Gedanken, – »Gesetzt, wir gäben diesen wilden Bergbewohnern einen Unterricht in der Chevalerie? Es wäre nicht schwer, die beiden großen Führer, den des Clans Chattan und den Häuptling des nicht minder edeln Geschlechts Clan Quhele, dazu zu bringen, daß sie sich gegenseitig auf Leben und Tod herausforderten. Sie könnten sich hier in Perth schlagen; wir würden ihnen Waffen und Pferde leihen; so würde ihr Streit mit dem Tode des einen oder wahrscheinlich beider Schurken (denn beide, denk' ich, würden ihre Hälse beim ersten Angriff brechen,) erlöschen. Der fromme Wunsch meines Vaters, Blut zu schonen, wäre erfüllt und wir hätten das Vergnügen, dem Zweikampfe zweier wilden Ritter zuzusehen, die zum ersten Mal in ihrem Leben Hosen trügen und auf Rossen säßen, was seit König Arthurs Zeit nicht erhört ist.«

»Schämt Euch, David!« sagte der König. »Macht Ihr das Unglück Eurer Heimath und die Verlegenheit unsrer Räthe zum Gegenstande von Späßen?«

»Wenn Ihr verzeihen wollt, königlicher Bruder,« sagte Albany, »ich denke, obwohl mein Neffe diesen Gedanken in scherzhafter Weise ausgesprochen hat, so kann man doch daraus Etwas entnehmen, was bei dieser schlimmen Angelegenheit viel helfen würde.«

»Guter Bruder,« erwiderte der König, »es ist unfreundlich, Rothsay's Thorheit durch weitere Verfolgung seines unzeitigen Scherzes deutlicher darzustellen. Wir wissen, daß die Hochlandclans nicht unsere ritterlichen Bräuche haben, auch nicht die Kleidung oder Weise zu solchem Kampfe.«

»Wahr, Eure Majestät,« antwortete Albany; »aber ich rede nicht Spott, sondern vollen Ernst. Allerdings haben die Hochländer nicht unsere Form und Weise in den Schranken zu kämpfen, aber sie haben die, welche eben so wirksam zur Zerstörung menschlichen Lebens ist; und wird so das tödtliche Spiel gespielt und der Preis gewonnen und verloren, was liegt dann daran, ob diese Gälen mit Schwert und Lanze fechten, wie es Rittern ziemt, oder mit Sandsäcken, wie die englischen Bauern, oder ob sie sich mit Messern und Dolchen nach ihrer rohen Art die Gurgel abschneiden? Ihr Gebrauch, wie der unsere, vertraut jeden Streit und Rechtsfall der Entscheidung eines Kampfes. Sie sind so eitel als kühn, und der Gedanke, sich vor den Augen Eurer Majestät und des Hofes schlagen zu dürfen, wird sie gleich bestimmen, ihre Streitigkeit auf das Loos eines Kampfes auszusetzen, selbst wenn man ihnen, ihrer Sitte entgegen, die Gesetze auflegt oder die Zahl der Kämpfer bestimmt. Wir werden Sorge tragen, sie dem Hofe nicht anders als unbewaffnet und in zu kleiner Anzahl sich nähern zu lassen, als daß sie wagen könnten, uns zu beunruhigen. Und wenn wir auf unserer Hut sind, so wird, je größer die Anzahl der Kämpfer ist, um so bedeutender das Blutbad unter ihren tapfersten und wildesten Leuten wenden, und um so größer die Aussicht auf lange Ruhe der Hochlande.«

»Dies wär' eine blutige Politik, Bruder,« sagte der König; »und nochmals sag' ich, daß sich mein Gewissen nicht mit dem Blutbade jener rohen Leute befreunden kann, die wenig besser sind, als finstere Heiden.«

»Und ist ihr Leben kostbarer,« fragte Albany, »als das der Edeln und Ritter, die mit Eurer Majestät Zustimmung so häufig in den Schranken fechten dürfen, sei es, um Rechtsstreitigkeiten beizulegen, oder nur um Ruhm zu erwerben?«

Der so hart bedrängte König hatte wenig gegen eine Sitte zu sagen, so sehr geduldet nach den Gesetzen des Reichs und der Gewohnheit der Ritterschaft; und er erwiderte nur: Gott weiß, ich habe eine solche Erlaubniß, wie Ihr mir vorhaltet, immer nur mit größtem Widerstreben ertheilt; und nie sah ich Edelleute im Streite Blut vergießen, ohne daß ich wünschte, es mit meinem eignen zu sühnen.«

»Aber, mein gnädiger Herr,« sagte der Prior, »es scheint, wenn wir ein Verfahren, wie das des Lord Albany, nicht gutheißen, so müssen wir zu dem des Douglas unsere Zuflucht nehmen; wir müssen dann, auf Gefahr einer zweifelhaften Schlacht und mit der Gewißheit, viele treffliche Unterthanen zu verlieren, das mittelst der Niederlandsschwerter thun, was jene wilden Bergbewohner sonst mit ihrer eigenen Hand vollbringen. – Was sagt Mylord Douglas zu der Politik des Herzogs von Albany?«

»Douglas,« sagte der hochmüthige Lord, »rieth nie, daß Etwas durch Politik geschehe, was man mit offener Gewalt erlangen kann. Er bleibt bei seiner Meinung, und ist bereit, an der Spitze seiner eigenen Leute, nebst denen der Barone von Perthshire und von der Ebene in's Feld zu ziehen, um entweder diese Hochländer zur Vernunft oder Unterwerfung zu bringen, oder den Körper eines Douglas in ihren wilden Einöden zurückzulassen.«

»Es ist ritterlich gesprochen, Mylord von Douglas,« sagte Albany; »und wohl möchte sich der König auf Euer unerschrockenes Herz verlassen und auf den Muth Eurer entschlossenen Gefährten. Aber seht Ihr nicht, wie bald Ihr anderswohin gerufen werden könnt, wo Eure Dienste Eurem Könige und Schottland nützlicher sein werden? Habt Ihr nicht das finstere Gesicht gesehen, mit dem der ungestüme Graf March unsern Fürsten seiner Treue versicherte, so lange er Vasall der Krone Schottlands sei? und habt Ihr nicht selber gefürchtet, er möge beabsichtigen, sich England zu ergeben? Andere, minder mächtige und berühmte Herren können sich mit den Hochländern messen; aber wenn March die Percy's und ihre Engländer in's Reich führt, wer soll sie verjagen, wenn Douglas anderswo ist?«

»Mein Schwert,« antwortete Douglas, »ist stets zum Dienst Seiner Majestät, sei es an der Grenze oder in den tiefsten Schluchten der Hochlande. Ich habe die Rücken der stolzen Percy und Georgs von Dunbar schon gesehen und kann sie wohl wiedersehen. Und wenn es dem König gefällt, daß ich Maßregeln ergreife gegen den wahrscheinlichen Bund eines Fremden und eines Verräthers, so gesteh' ich, daß, eh' ich einer geringern oder schwächern Hand das wichtige Werk der Beruhigung der Hochlande anvertraue, ich mich lieber zu Gunsten der Politik des Herzogs von Albany ausspreche und zugebe, daß diese Wilden sich einander vernichten, ohne die Barone und Ritter mit der Mühe zu beladen, sie zu jagen.«

»Mylord von Douglas,« sagte der Prinz, der entschlossen schien, keine Gelegenheit vorbeizulassen, wo er seinen hochmüthigen Schwiegervater necken konnte, »will uns anderen armen Bewohnern der Ebene nicht einmal den Ruhm lassen, den wir auf Kosten der hochländischen Räuber erlangen könnten, während er schon in Gedanken eine Aernte von Siegen auf Kosten der Engländer sammelt; aber Percy hat den Rücken gewisser Leute so gut gesehen, als Douglas, und ich hörte sagen, daß oft die, welche nach Wolle ausgingen, selber geschoren zurückkämen.«

»Ein Sprichwort,« sagte Douglas, »welches wohl für einen Prinzen paßt, der mit dem Beutel einer wandernden Dirne an der Mütze, den er als Gunstzeichen erhalten, von Ehre spricht.«

»Entschuldigt, Mylord,« sagte Rothsay; «Leute, die unpassend heiratheten, werden gleichgiltig in der Wahl derjenigen, die sie par amours lieben. Der Hund an der Kette muß nach dem nächsten Knochen greifen.«

»Rothsay, mein unglücklicher Sohn!« rief der König. »Bist du rasend? oder willst du das volle Ungewitter des Mißfallens eines Königs und Vaters auf dich lenken?«

»Ich bin stumm,« erwiderte der Prinz, »auf Eurer Majestät Befehl.« »Nun wohl, Mylord von Albany,« sagte der König, »da Euer Rath so ist, und da schottisches Blut fließen muß, wie, ich bitt' Euch, sollen wir jene wilden Leute dahin bringen, daß sie ihren Zwist, wie Ihr vorschlagt, schlichten?«

»Das, mein König,« sagte Albany, »muß das Ergebniß reiferer Erwägung sein. Aber das Werk wird nicht schwierig sein. Gold wird nöthig sein, um einige der Barden, der vorzüglichen Räthe und Wortführer zu bestechen. Den Häuptlingen beider Bündnisse aber muß man andeuten, daß, wofern sie nicht auf diese freundliche Anordnung eingehen –«

»Freundliche, Bruder?« sagte der König mit Nachdruck.

»Ja, freundliche, mein König,« erwiderte sein Bruder, »da es besser wäre, das Land erlangte Frieden auf Kosten etlicher zwanzig Hochländer, als daß der Krieg fortdauerte, bis eben so viele Tausend Menschen durch Schwert, Feuer, Hunger und alle Uebel des Bürgerkrieges umgekommen sind. Um auf unsern Plan zurückzukommen, so denk' ich, die erste Partei, welcher der Vorschlag gemacht wird, nimmt ihn mit Freuden an, und die andere schämt sich dann der Weigerung, ihre Sache der Tapferkeit der muthigsten Krieger anzuvertrauen. Haß und Eitelkeit werden sie hindern, unsere Beweggründe zu errathen, und sie werden hitziger sein, sich in Stücke zu hauen, als wir, sie aufzumuntern. Bis ich jedoch meinen Zweck so weit erreicht habe, daß mein Rath von Nutzen sein kann, will ich mich zurückziehen.«

»Wartet noch einen Augenblick,« sagte der Prior, »denn ich habe Euch etwas Schlimmes mitzutheilen, von so düsterer und schrecklicher Art, daß Euer Gnaden frommes Herz seine Möglichkeit kaum begreifen wird; und ich entdecke es mit Schmerz, weil es so gewiß, als ich ein unwürdiger Diener des heiligen Dominikus bin, die Ursache von dem Zorn des Himmels gegen das unglückliche Land ist, einem Zorne, durch den unsere Siege in Niederlagen, unsere Freude in Trauer verwandelt, unser Rath durch Uneinigkeit gestört und unser Land vom Bürgerkrieg verzehrt wird.«

»Sprecht, ehrwürdiger Prior,« sagte der König; »sicherlich, wenn die Ursache solcher Uebel in mir oder in meinem Hause liegt, so will ich sogleich Sorge tragen, daß sie entfernt werde.«

Er sprach diese Worte mit schwankender Stimme und erwartete ängstlich des Priors Antwort, ohne Zweifel aus Furcht, daß er Rothsay einer neuen Thorheit oder eines neuen Fehlers beschuldigen werde. Seine Besorgnisse täuschten ihn vielleicht, wenn er glaubte, er sähe des Geistlichen Blick einen Augenblick auf dem Prinzen ruhen, bevor er mit feierlicher Stimme sagte: – »Ketzerei, mein edler und gnädiger König, Ketzerei ist unter uns. Sie reißt Seele um Seele von der Heerde, wie Wölfe aus den Hürden Lämmer stehlen.«

»Es sind genug Hirten, um die Heerde zu bewachen,« antwortete der Herzog von Rothsay. »Hier sind allein vier Klöster von Ordensgeistlichen bei der armen Heerde von Perth, ungerechnet die Weltgeistlichen. Mich dünkt, eine so wohl besetzte Stadt kann es mit einem Feinde aufnehmen.«

»Ein Verräther in einer Besatzung, Mylord,« antwortete der Prior, »kann viel thun, die Sicherheit einer Stadt zu vernichten, die von Legionen bewacht ist; und wenn der eine Verräther entweder aus Leichtsinn, oder Liebe zum Neuen, oder sonst einem Grunde von denen geschützt und gehegt wird, die ihn am eifrigsten aus der Festung jagen sollten, so wird seine Gelegenheit, Unheil zu stiften, unberechenbar vermehrt.«

»Eure Worte scheinen auf einen hier Anwesenden zu zielen, Vater Prior,« sagte Douglas; »wenn auf mich, so thun sie mir schnödes Unrecht. Ich weiß wohl, daß der Abt von Aberbrothock einige übelgemeinte Beschwerden geführt hat, weil ich sein Vieh nicht zu zahlreich für seine Heerden werden ließ, und nicht duldete, daß die Getreidehaufen die Klosterscheuern zerdrückten, während unsere Leute an Fleisch und ihre Pferde an Hafer Mangel hatten. Aber mich dünkt, diese fruchtbaren Weiden und Felder seien von meinen Vorfahren dem Kloster Aberbrothock nicht in der Absicht geschenkt worden, daß ihre Nachkommen mitten in diesem Ueberfluß Hungers sterben sollten. Das soll nicht geschehen, bei der heiligen Jungfrau! Aber was Ketzerei und falsche Lehre betrifft,« fügte er, mit der breiten Hand heftig auf die Tafel schlagend, hinzu, »wo ist der, welcher Douglas anzuklagen wagt? Es mißfällt mir, wenn man arme Leute wegen leichtsinniger Gedanken verbrennt; aber mein Arm und Schwert werden immer bereit sein, den christlichen Glauben zu schützen.«

»Mylord, ich zweifle nicht,« sagte der Prior; »das ist stets bei Eurem edlen Hause der Fall gewesen. Was des Abts Beschwerden betrifft, so verschieben wir die auf einen andern Tag. Was wir aber jetzt wünschen, ist, daß einem der ersten Großen des Staates eine Vollmacht gegeben werde, sich mit den Gliedern der heiligen Kirche zu dem Zwecke zu vereinigen, mit Gewalt, wenn es nöthig wäre, die Untersuchungen zu unterstützen, welche der ehrwürdige Offizial der Grenzen und andere Prälaten, unter denen auch ich Unwürdiger sein werde, über die neuen Lehren anzustellen beabsichtigen, welche die Reinheit des Glaubens verderben und die Einfältigen irre leiten, dem heiligen Vater und seinen ehrwürdigen Vorgängern zum Trotze.«

»Laßt den Grafen von Douglas königliche Vollmacht hierzu erhalten,« sagte Albany; »und laßt keine Ausnahme von seiner Gerichtsbarkeit stattfinden, außer was die königliche Person betrifft. Was mich selbst anlangt, obwohl ich gewiß bin, nie, weder in That, noch Gedanken, eine Lehre, welche die heilige Kirche nicht billigt, angenommen oder begünstigt zu haben, würde ich doch erröthen, eine Freiheit aus dem königlichen Blute von Schottland herzuleiten und in Anspruch zu nehmen, aus Furcht, den Schein auf mich zu werfen, als suchte ich Zuflucht wegen eines so schrecklichen Verbrechens.«

»Ich will damit nichts zu thun haben,« sagte Douglas; »gegen die Engländer und den Verräther March zu ziehen ist Beschäftigung genug für mich. Ueberdies bin ich ein ächter Schotte und will nicht, daß die schottische Kirche sich noch mehr unter Roms Joch beuge, und die Krone eines Barons sich vor der Bischofsmütze und Kapuze demüthige. Also, edler Herzog von Albany, setzt nur Euren Namen in die Vollmacht, und ich bitte Euer Gnaden, den Eifer der mit Euch verbundenen Glieder der heiligen Kirche zu mäßigen, daß man die Grenze nicht überschreitet; denn der Geruch eines Scheiterhaufens am Tay würde Douglas zurückführen von den Mauern von York.«

Der Herzog beeilte sich, den Grafen zu versichern, daß die Vollmacht mit Milde und Mäßigung vollzogen werden sollte.

»Ohne Frage,« sagte König Robert, »muß die Vollmacht umfassend sein; und vertrüge es sich mit der Würde der Krone, so wollten wir selbst uns ihrer Gerichtsbarkeit nicht entziehen. Wir hoffen jedoch, daß, während die Blitze der Kirche gegen die schnöden Urheber dieser abscheulichen Ketzereien gerichtet werden, Maßregeln der Milde und des Mitleidens hinsichtlich der unglücklichen Opfer ihrer Vorspiegelungen getroffen werden.«

»So hält es die heilige Kirche stets, Mylord,« sagte der Prior der Dominikaner.

»Nun, dann fertige man die Vollmacht mit gehöriger Sorgfalt aus im Namen unseres Bruders Albany und Anderer, die dazu passend sein werden,« sagte der König. – »Und nun laßt uns unsern Rath aufheben; Rothsay, komm' du mit mir und leih' mir deinen Arm, – ich habe mit dir allein zu sprechen.«

»Holla!« – rief hier der Prinz in dem Tone, in welchem er ein dressirtes Pferd angeredet haben würde.

»Was bedeutet diese Rohheit, junger Mensch?« sagte der König. »Wirst du nie Vernunft und Anstand lernen?«

»Glaubt nicht, daß ich Anstoß geben wollte, mein König,« sagte der Prinz; »aber wir gehen auseinander, ohne zu erfahren, was hinsichtlich des seltsamen Abenteuers mit der todten Hand geschehen soll, welche der Douglas so artig aufgehoben hat. Wir werden hier in Perth unbehaglich sitzen, wenn wir in Zwist mit den Bürgern leben.«

»Ueberlaßt das mir,« sagte Albany. »Mit einigen Geschenken an Land und Geld und viel schönen Worten mögen sich die Bürger für diesmal begnügen; aber es wäre gut, den Baronen und ihren Leuten, welche am Hofe sein müssen, zu empfehlen, daß sie den Frieden in der Stadt achteten.«

»Gewiß, so wollen wir's haben,« sagte der König; »man ertheile sogleich deshalb strenge Befehle.«

»Das heißt den Burschen zu viel Gnade erweisen,« sagte Douglas; »aber es ist Eurer Majestät Wille. Ich erlaube mir, mich zurückzuziehen.«

»Doch nicht, bevor Ihr eine Flasche Gascognerwein gekostet habt, Mylord?« sagte der König.

»Verzeiht,« erwiderte der Graf; »ich bin nicht durstig und ich trinke nicht aus Mode, sondern entweder aus Bedürfniß oder Freundschaft.« So sprechend, ging er fort.

Der König, als ob erleichtert durch seine Entfernung, wandte sich an Albany und sagte: »Und nun, Mylord, sollten wir unsern jungen Rothsay hier ausschelten; er hat uns aber so gut im Rathe gedient, daß wir seine Verdienste als Sühne seiner Thorheiten nehmen können.«

»Mich freut, das zu hören,« antwortete Albany mit einer Miene voll Mitleid und Ungläubigkeit, als wüßte er nichts von den vermeinten Diensten.

»Ei, Bruder, Ihr seid befangen,« sagte der König; »denn ich will nicht glauben, daß Ihr eifersüchtig seid. Bemerktet Ihr nicht, daß Rothsay der Erste war, der die Art, wie die Hochlande zu beruhigen, angab; was Eure Erfahrung allerdings in eine bessere Form brachte und was allgemein gebilligt ward? – und selbst jetzt hätten wir uns getrennt, einen Hauptgegenstand unerwogen lassend, hätte er uns nicht an den Streit mit den Bürgern erinnert.«

»Ich zweifle nicht, mein König,« sagte der Herzog von Albany mit beipflichtendem Tone, der, wie er sah, erwartet wurde, »daß mein königlicher Neffe bald mit seines Vaters Weisheit wetteifern wird.«

»Oder,« sagte der Herzog von Rothsay, »ich kann es vielmehr leichter finden, von einem andern Gliede meiner Familie den glücklichen und bequemen Mantel der Heuchelei zu leihen, der alle Laster deckt; und dann kommt es wenig darauf an, ob sie vorhanden sind oder nicht.«

»Mylord Prior,« sagte der Herzog, den Dominikaner anredend, »wir bitten Ew. Ehrwürden, uns einen Augenblick allein zu lassen. Der König und ich haben dem Prinzen Etwas zu sagen, was keinen andern Zuhörer, selbst Euch nicht, zuläßt.«

Der Dominikaner verbeugte sich und ging.

Als die beiden königlichen Brüder und der Prinz allein waren, schien der König im höchsten Grade verlegen und betrübt; Albany düster und gedankenvoll; Rothsay bemühte sich indeß, einige Besorgniß unter dem gewöhnlichen Anschein von Leichtsinn zu bergen. Es herrschte ein minutenlanges Schweigen. Endlich sprach Albany:

»Königlicher Bruder,« sagte er, »mein fürstlicher Neffe nimmt jede Ermahnung, die aus meinem Munde kommt, mit so viel Mißtrauen auf, daß ich Eure Majestät selbst bitten muß, sich die Mühe zu nehmen und ihm zu sagen, was er jedenfalls wissen muß.«

»Es muß wohl eine unerfreuliche Mittheilung sein, die Mylord von Albany nicht in verzuckerte Worte hüllen kann,« sagte der Prinz.«

»Still mit deiner Frechheit, junger Mann,« antwortete der König erzürnt. »Ihr fragtet soeben nach dem Streite mit den Bürgern. – Wer veranlaßte diesen Zwist, David? – Welche Leute waren es, die das Fenster eines friedlichen Bürgers und Unterthans erstiegen, die Nacht mit Fackeln und Geschrei störten und unsre Unterthanen in Gefahr und Schrecken setzten?«

»Mehr in Furcht als Gefahr, denk' ich,« antwortete der Prinz; »aber wie kann ich vor allen Andern sagen, wer die nächtliche Störung machte?«

»Einer von deinem Gefolge war dabei,« fuhr der König fort; »ein Mann des Belial, den ich zu gebührender Strafe ziehen lassen werde.«

»Ich habe meines Wissens keinen Diener, der fähig wäre, Eurer Majestät Mißfallen zu verdienen,« entgegnete der Prinz.

»Ich will keine Ausflüchte hören, junger Mensch. – Wo warst du am St. Valentinsabend?«

»Es steht zu hoffen, daß ich dem guten Heiligen diente? wie ein frommer Mann es soll,« antwortete der junge Mann mit gleichgiltigem Tone.

»Will mein königlicher Neffe uns sagen, wie sein Stallmeister am heiligen Abend beschäftigt war?« sagte der Herzog von Albany.

»Sprich, David, – ich befehle dir zu sprechen« – sagte der König.

»Ramorny war in meinem Dienst beschäftigt – ich denke, diese Antwort wird meinem Oheim genügen.«

»Aber sie will mir nicht genügen,« sagte der unwillige Vater. »Gott weiß, ich liebte nie Menschenblut zu vergießen, aber dieses Ramorny Kopf will ich haben, wenn das Gesetz ihn geben kann. Er ist der Aufmunterer und Theilnehmer all' deiner zahllosen Laster und Thorheiten gewesen. Ich will dafür sorgen, daß das nicht mehr der Fall sei. – Ruft Mac Louis, mit einer Wache!«

»Thut einem unschuldigen Manne kein Unrecht,« fiel der Prinz ein, gern zu jedem Opfer bereit, um seinen Liebling vor der gedrohten Gefahr zu schützen, – »ich verpfände mein Wort, daß Ramorny Geschäfte für mich hatte, also bei diesem Streite nicht betheiligt sein konnte.«

»Falscher, zweideutiger Mensch!« sagte der König, dem Prinzen einen Ring zeigend, »sieh' da Ramorny's Siegelring, den er in dem schmählichen Streite verlor! Er fiel in die Hände eines von Douglas Leuten und ward durch den Grafen meinem Bruder übergeben. Sprich nicht für Ramorny, denn er stirbt; und geh du aus meinen Augen und bereue die verbrecherischen Gedanken, die dich vor mir mit einer Unwahrheit im Munde stehen ließen. – O, schäme dich, David! schäme dich! als ein Sohn hast du deinen Vater belogen, als ein Ritter das Haupt deines Ordens.«

Der Prinz stand schweigend, vom Gewissen getroffen und seines Unrechts bewußt. Dann ließ er den ehrenhaften Gefühlen, die ihm im Grunde wirklich eigen, ihren Lauf, und warf sich zu des Vaters Füßen.

»Der lügenhafte Ritter,« sagte er, »verdient Degradation, der treulose Unterthan den Tod; aber ach! laßt den Sohn vom Vater Verzeihung für den Diener erbitten, der ihn nicht zum Vergehen führte, sondern der sich widerstrebend auf des Herren Befehl selbst hinein stürzte! Laßt mich die Last meiner eigenen Thorheit tragen, aber schont diejenigen, die mehr meine Werkzeuge als meine Genossen waren. Erinnert Euch, Ramorny ward von meiner frommen Mutter in meinen Dienst gebracht.«

»Nenne sie nicht, David, ich verbiet' es dir!« sagte der König; »sie ist glücklich, daß sie das Kind ihrer Liebe nimmer doppelt entehrt, durch Verbrechen und Lüge, vor sich stehen sah.«

»Ich bin in der That unwürdig, sie zu nennen,« sagte der Prinz; »und doch, mein theurer Vater, muß ich in ihrem Namen um Ramorny's Leben bitten.«

»Wenn ich meinen Rath bieten dürfte,« sagte der Herzog von Albany, welcher sah, daß bald eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn stattfinden würde, »so möcht' ich rathen, daß Ramorny aus des Prinzen Hofstaat und Dienst entlassen würde, und zwar mit einer solchen Strafe, als seine Unklugheit verdienen dürfte. Mit seiner Ungnade wird das Volk zufrieden sein und die Sache wird sich leicht beilegen oder unterdrücken lassen, wenn seine Hoheit nicht versucht, den Diener zu beschützen.«

»Willst du, mir zu Liebe, David,« sagte der König, mit zitternder Stimme und einer Thräne im Auge, »den gefährlichen Mann entlassen? Mir zu Liebe, der ich dir das Herz aus meinem Busen nicht verweigern könnte?«

»Es soll geschehen, mein Vater – sogleich geschehen,« erwiderte der Prinz; und die Feder ergreifend, schrieb er hastig die Entlassung Ramorny's aus seinem Dienste und übergab sie Albany's Händen. »Ich wollte, ich könnte all' Eure Wünsche so leicht erfüllen, mein königlicher Vater,« fügte er hinzu, sich wieder zu des Königs Füßen werfend, der ihn aufhob und zärtlich in seine Arme schloß.

Albany sah mißmuthig drein, schwieg jedoch; und erst nach ein oder zwei Minuten sagte er: »Nachdem diese Sache so glücklich beigelegt ist, so erlaub' ich mir Eure Majestät zu fragen, ob es Euch gefällt, dem Vesperdienst in der Kapelle beizuwohnen?«

»Allerdings,« sagte der König. »Muß ich nicht dem Himmel meinen Dank sagen, der die Einigkeit in meiner Familie hergestellt hat? Ihr werdet mit uns gehen, Bruder?«

»Wenn es Euch gefällt, meine Abwesenheit zu gestatten, nein,« sagte der Herzog. »Ich muß mich mit Douglas und Anderen über die Art verständigen, wie wir jene Hochlandsgeier locken können.«

Albany zog sich zurück, um seinen ehrsüchtigen Plänen nachzusinnen, während Vater und Sohn dem Gottesdienste beiwohnten, um dem Himmel für ihre glückliche Versöhnung zu danken.

Vierzehntes Kapitel

Wollt Ihr geh'n in's Hochland,


Lizzy Lyndesay,


Geht Ihr mit mir in's Hochland fort?


Wollt Ihr geh'n in's Hochland,


Lizzy Lyndesay,


Meine liebe Braut zu sein dort?


Alte Ballade.

Ein früheres Kapitel begann mit der königlichen Beichte; wir wollen nun dem Leser eine ähnliche Situation vorführen, obwohl Schauplatz und Personen ganz anderer Art waren. Statt eines dunklen gothischen Klostergemachs liegt eine der schönsten Aussichten in Schottland am Fuße des Berges Kinoul vor uns gebreitet, und unter einem Felsen, der die Aussicht nach jeder Richtung beherrscht, saß das schöne Mädchen von Perth, mit der Miene andächtiger Aufmerksamkeit den Lehren eines Karthäusermönchs in seinem weißen Gewande und Scapulier lauschend, welcher seine Rede mit einem Gebet schloß, in welches seine Schülerin andächtig einstimmte.

Als sie ihre Andacht beendigt hatten, blieb der Priester eine Zeitlang sitzen, die Augen auf den herrlichen Anblick geheftet, dessen Schönheiten selbst die frühe und rauhe Jahreszeit nicht beeinträchtigte, und so währte es einige Zeit, eh' er seine aufmerksame Gefährtin anredete.

»Wenn ich,« sagte er endlich, »das reiche und mannigfache Land betrachte, mit seinen Schlössern, Klöstern, Kirchen, stattlichen Palästen, fruchtbaren Feldern, ausgedehnten Wäldern, und dem herrlichen Strome, so weiß ich nicht, meine Tochter, ob ich mehr die Güte Gottes, oder die Undankbarkeit der Menschen bewundern soll. Er hat uns die Schönheit und Fruchtbarkeit der Erde gegeben, und wir haben den Schauplatz seiner Güte zu einem Beinhaus und Schlachtfeld gemacht. Er hat uns Macht über die Elemente gegeben und Geschick, Häuser zur Bequemlichkeit und zum Schutz zu errichten, und wir haben sie in Höhlen für Räuber und Mörder verwandelt.«

»Aber sicherlich, Vater, ist auch Raum für die Ruhe,« erwiderte Katharina, »selbst in der herrlichen Gegend, die wir vor uns sehen. Jene vier schönen Klöster, mit ihren Kirchen und ihren Thürmen, welche die Bürger mit eherner Stimme rufen, daß sie ihrer religiösen Pflicht gedenken; – ihre Bewohner, die sich von der Welt abschieden, von weltlichen Bestrebungen und Freuden, um sich dem Dienste des Himmels zu weihen, – Alles bezeugt, daß, wenn Schottland ein blutiges und sündiges Land ist, es doch eingedenk der Pflichten ist, welche die Religion von dem Menschen erfüllt sehen will.«

»Freilich, Tochter,« antwortete der Priester, »was du sagst, scheint Wahrheit; und doch wird, in der Nähe betrachtet, auch viel der von dir beschriebenen Ruhe als trügerisch erfunden werden. Es ist wahr, es gab eine Zeit in der christlichen Welt, wo gute Menschen, die sich selbst durch das Werk ihrer Hände erhielten, sich versammelten, nicht um gemächlich zu leben oder sanft zu schlafen, sondern um einander im christlichen Glauben zu stärken und sich zu Lehrern des Wortes für das Volk zu bilden. Ohne Zweifel finden sich immer noch solche in den heiligen Gebäuden, die wir jetzt sehen. Aber es ist zu fürchten, daß die Liebe Vieler erkaltet ist. Unsere Geistlichen sind reich geworden, sowohl durch Geschenke frommer Personen, als durch Bestechungen, welche schlechte Menschen in ihrer Unwissenheit gaben, in dem Wahne, sie könnten die Verzeihung durch Schenkungen an die Kirche erkaufen, während sie doch der Himmel nur wahren Reuigen bietet. Und so, wie die Kirche reich ward, wurden zum Unglück ihre Lehren dunkel und unklar, wie man ein Licht minder sieht, wenn es auf einer goldumflochtenen Leuchte steckt, als wenn man es durch ein einfaches Glas schimmern sieht. Gott weiß es, wenn ich diese Dinge betrachte und tadle, so ist es nicht Folge des Verlangens nach Absonderung oder weil ich gern ein Lehrer in Israel werden möchte; sondern weil die Gluth in meinem Busen brennt, und nicht dulden will, daß ich schweige. Ich gehorche den Regeln meines Ordens und entziehe mich selbst seinen strengen Vorschriften nicht. Mögen sie wesentlich zu unserm Heil oder bloße Formeln sein, angenommen, um den Mangel wahrer Buße und aufrichtiger Andacht zu ersetzen, ich habe doch versprochen, ja gelobt, sie zu beobachten; und sie werden von mir um so mehr geachtet werden, weil ich sonst der Rücksicht auf mein irdisches Behagen beschuldigt werden könnte, da doch der Himmel mein Zeuge ist, wie gering ich achte, was ich zu thun oder zu dulden berufen werde, wenn die Reinheit der Kirche nur hergestellt oder die Zucht der Priesterschaft wieder in ursprünglicher Einfachheit eingeführt würde.«

»Aber, mein Vater,« sagte Katharina, eben dieser Meinungen wegen nennen Euch die Menschen einen Lollhard und Wicklesiten und sagen, es sei Euer Wunsch, Kirchen und Klöster zu zerstören und die Religion des Heidenthums herzustellen.«

»Eben darum, meine Tochter, bin ich genöthigt, Zuflucht in Bergen und Felsen zu suchen, und muß mich gegenwärtig begnügen, unter den rauhen Hochländern zu leben, die in dem Grade dem Stande der Gnade näher sind, denn Jene, die ich verließ, als ihre Verbrechen der Unwissenheit und nicht der Ueberhebung entspringen. Ich werde nicht unterlassen, die Mittel zu suchen, ihrer Grausamkeit zu entgehen, die mir der Himmel bieten wird; denn so lange dieselben sich finden, werd' ich es für ein Zeichen nehmen, daß ich noch eine Pflicht zu erfüllen habe. Aber wenn es meines Herrn Wille ist, so weiß Er, wie gern Clemens Blair ein elendes Leben auf Erden niederlegen wird, in demüthiger Hoffnung auf einen glücklichen Wechsel im Jenseits. – Aber warum blickst du so ängstlich nach Norden, mein Kind? – deine jungen Augen sind schärfer als die meinen – siehst du Jemand kommen?«

»Ich sehe, Vater, nach dem hochländischen Jünglinge Conachar, der dein Führer nach den Bergen sein wird, wo sein Vater dir einen sichern, wenn auch rauhen Aufenthalt gewähren kann. Dies hat er oft versprochen, wenn wir von Euch und Euren Lehren sprachen – ich fürchte, er ist jetzt in Gesellschaft, wo er sie bald vergessen wird.«

»Der Jüngling hat Funken der Gnade in sich,« sagte Vater Clemens; »obwohl die Leute seines Stammes meist zu sehr ihren wilden und trotzigen Sitten ergeben sind, um mit Geduld die Beschränkungen der Religion oder gesellschaftlicher Gesetze zu ertragen. – Du hast mir nie erzählt, Tochter, wie dieser Jüngling, allen Gewohnheiten der Stadt wie der Berge entgegen, in deines Vaters Hause einen Aufenthalt fand?«

»Alles, was ich über diese Angelegenheit weiß,« sagte Katharina, »ist, daß sein Vater ein Mann von Ansehen unter jenen Bergbewohnern ist, und daß er als eine Gunst von meinem Vater, der in seinem Geschäft mit ihnen zu thun hatte, verlangte, diesen Jüngling eine Zeitlang bei sich zu behalten, und es sind nur zwei Tage vergangen, seit sie sich trennten, als Conachar nach seinen Bergen heimkehrte.«

»Und warum hat meine Tochter,« forschte der Priester, »solch' eine Verbindung mit diesem Hochlandsjüngling unterhalten, daß sie zu ihm zu schicken wußte, wenn sie seinen Dienst für mich wünschte? Gewiß, es ist viel Einfluß für ein Mädchen über einen solchen wilden Bergbewohner.«

Katharina erröthete und antwortete zögernd: »Wenn ich irgend Einfluß auf Conachar hatte, so ist der Himmel mein Zeuge, daß ich ihn blos nützte, um sein trotziges Gemüth mit den Regeln bürgerlichen Lebens zu befreunden. Es ist wahr, ich habe lange erwartet, daß Ihr, mein Vater, zur Flucht genöthigt sein würdet, und daher hatt' ich mit ihm verabredet, daß er mich an dieser Stelle treffen sollte, sobald er einen Boten mit einem Zeichen von mir erhielte, den ich gestern abgefertigt habe. Der Bote war ein behender Jüngling seines Clans, den er bisweilen brauchte, um Aufträge nach den Hochlanden zu senden.«

»Und soll ich demnach glauben, meine Tochter, daß dieser Jüngling, der so schön von Gestalt, dir nur insofern werth war, als du wünschtest, sein Gemüth zu erleuchten und seine Sitten zu bilden?«

»So ist es, mein Vater, und nicht anders,« antwortete Katharina; »und vielleicht war es nicht gut, so vertraulich mit ihm zu sein, selbst zu seinem Unterricht und zu seiner Besserung. Aber weiter erstreckte sich unser Umgang nie.«

»Dann hab' ich mich geirrt, meine Tochter, denn ich glaubte neuerdings an dir einen Wechsel deines Vorsatzes und einige verlangende Blicke auf diese Welt bemerkt zu haben, die du einst zu verlassen entschlossen warst.«

Katharina senkte das Haupt und erröthete tiefer denn je, während sie sagte: »Ihr selbst, Vater, pflegtet mir die Annahme des Schleiers zu widerrathen.«

»Auch billige ich sie jetzt noch nicht, mein Kind,« sagte der Priester. »Die Ehe ist ein ehrbarer Stand, bestimmt vom Himmel als geziemendes Mittel zur Fortpflanzung des Menschengeschlechts; und ich las nie in der heiligen Schrift, was Menschensatzungen seitdem geltend machten in Betreff der höhern Würde des ehelosen Standes. Aber ich bin eifersüchtig auf dich, mein Kind, wie ein Vater auf seine einzige Tochter, damit du dich nicht einem deiner Unwürdigen hingibst. Ich weiß, daß dein Vater, minder schwierig, als ich es deinetwegen sein würde, die Bewerbungen des tapfern und muthigen Tollkopfs, den sie Harry vom Wynd nennen, billigt. Er ist reich, das mag sein, aber er liebt eitle und wüste Gesellschaft – ist ein gemeiner Klopffechter, der Menschenblut wie Wasser vergossen hat. Kann ein solcher ein passender Gefährte für Katharina Glover sein? – und doch sagt das Gerücht, daß sie bald verbunden werden würden.«

Das Gesicht des schönen Mädchens von Perth ward bald blaß, bald roth, während sie hastig erwiderte: »Ich denke nicht an ihn; zwar ist es wahr, daß jüngst einige Artigkeiten unter uns stattgefunden haben, theils, weil er meines Vaters Freund und dann, weil er, der Sitte der Zeit gemäß, mein Valentin ist.«

»Dein Valentin, mein Kind?« sagte Vater Clemens. »Und kann deine Sittlichkeit und Klugheit so sehr mit dem Zartgefühl deines Geschlechts Scherz treiben, daß du dich in eine solche Beziehung mit einem solchen Manne, wie dieser Handwerker, stelltest? – Meinst du, daß dieser Valentin, ein frommer Heiliger und christlicher Bischof, der er gewesen sein soll, je eine thörichte und unziemliche Sitte erfand, die ihren Ursprung wahrscheinlich in der heidnischen Verehrung der Flora und Venus hat, als die Sterblichen ihren Leidenschaften göttliche Namen gaben und sie zu üben statt zu bezwingen strebten?«

»Vater,« sagte Katharina in einem unzufriedenern Tone, als sie je gegen den Karthäuser angenommen, »ich weiß nicht, warum Ihr mich so hart wegen Beobachtung eines allgemeinen Brauchs tadelt, den die Sitte gestattet und meines Vaters Erlaubniß billigt? Es scheint mir nicht freundlich, daß Ihr mich so herabsetzt.«

»Vergib mir, Tochter,« antwortete der Priester sanft, »wenn ich dich beleidigte. Aber dieser Harry Gow oder Schmied ist ein wilder, zügelloser Mann, dem Ihr keinen außergewöhnlichen Grad von Vertrauen und Aufmunterung gewähren könnt, ohne Euch noch schlimmerer Verurtheilung auszusetzen, – es müßte denn allerdings Eure Absicht sein, ihn zu heirathen, und zwar recht bald.«

»Sprecht nicht mehr davon, mein Vater,« sagte Katharina. »Ihr martert mich mehr, als Ihr es wünschen könnt; und ich könnte gereizt werden, anders zu antworten, als mir ziemt. Vielleicht hab' ich bereits Grund genug gehabt, zu bereuen, daß ich eine eitle Sitte beobachtete. Jedenfalls glaubt, daß mir Harry Schmied nichts gilt; und daß selbst der unbedeutende Umgang, der vom Valentinstag herrührte, völlig abgebrochen ist.«

»Es freut mich, das zu hören, meine Tochter,« erwiderte der Karthäuser; »ich muß nun über etwas Anderes mit dir sprechen, was mich noch besorgter deinetwegen macht. Du kannst nicht unbekannt damit sein, obwohl ich wünschte, es wäre unnöthig, von einer so gefährlichen Sache zu reden, selbst unter diesen Felsen, Klippen und Steinen. Aber es muß gesagt sein. – Katharina, du hast einen Liebhaber unter Schottlands vornehmsten Söhnen?«

»Ich weiß es, Vater,« antwortete Katharina ruhig. »Ich wollte, es wäre nicht so.«

»Das wollt' auch ich,« sagte der Priester, »wenn ich in meiner Tochter nur das Kind der Thorheit sähe, wie die meisten Mädchen ihres Alters sind, zumal wenn sie das schlimme Geschenk der Schönheit besitzen. Da aber deine Reize, um mich des Ausdrucks einer eiteln Welt zu bedienen, einen Liebhaber so hohen Ranges an dich fesselten, so weiß ich, daß deine Tugend und Klugheit den Einfluß über des Prinzen Gemüth, den deine Schönheit gewann, behaupten werden.«

»Vater,« erwiderte Katharina, »der Prinz ist ein zügelloser Liebhaber, dessen Liebe nur meine Schmach und mein Verderben beabsichtigt. Könnt Ihr, der Ihr so erschrocken schient über die Unvorsichtigkeit, womit ich die Bewerbungen eines Mannes annahm, dessen Rang dem meinigen gleich ist, jetzt mit Billigung von der anstößigen Leidenschaft sprechen, die der Thronerbe Schottlands für mich zu erklären wagt, da Ihr doch wißt, daß er vor zwei Nächten in Begleitung der Genossen seiner Ausschweifung mich aus dem Hause meines Vaters entführt hätte, wäre ich nicht durch den kühnen Harry Schmied gerettet worden, der, wenn auch allzu gereizt, der Gefahr bei der leichtesten Gelegenheit zu trotzen, doch auch immer bereit ist, sein Leben zum Schutze der Unschuld oder zum Widerstand gegen Unterdrückung zu wagen! Es ist meine Pflicht, ihm diese Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.«

»Ich muß wohl Etwas von der Sache wissen,« sagte der Mönch, »da meine Stimme es war, die ihn Euch zu Hilfe sandte. Ich hatte die Gesellschaft gesehen, als ich an Eurer Thür vorüber ging, und eilte, die bürgerliche Macht zum Beistand zu rufen, als ich eine Gestalt langsam mir entgegenkommen sah. Aus Furcht, es möchte dies ein Hinterhalt sein, verbarg ich mich hinter einem der Kirchenpfeiler von St. Johann und erkannte, als ich aufmerksamer hinsah, Harry Schmied. Es war mir leicht zu errathen, wohin er ging, und ich sagte ihm, was ich gesehen hatte, auf eine Art, die seine Eile verdoppelte.«

»Ich bin Euch verpflichtet, Vater,« sagte Katharina; »aber Alles dies und des Herzogs von Rothsay eigene Sprache gegen mich zeigt nur, daß der Prinz ein liederlicher junger Mann ist, der das Aeußerste nicht scheuen wird, was eine müßige Leidenschaft zu befriedigen verspricht, sei es auch auf Kosten des unglücklichen Gegenstandes. Sein Abgesandter Ramorny hatte sogar die Unverschämtheit, mir zu sagen, mein Vater würde zuerst dabei leiden, wenn ich lieber die Gattin eines ehrlichen Mannes, als die unwürdige Buhlerin eines vermählten Fürsten würde. Ich sehe kein anderes Mittel, als den Schleier zu nehmen, oder meinen und meines Vaters Untergang zu wagen. Selbst wenn keine andern Gründe vorhanden wären, würde der Schrecken, den mir die Drohungen eines unglücklicherweise zum Halten seines Wortes so fähigen Menschen einflößen, hinreichend sein, um zu hindern, daß ich die Gattin eines ehrlichen Mannes werde; denn damit würd' ich nur seinem Mörder die Thür öffnen. O, guter Vater, welch' ein Loos! und welches Unglück werd' ich wahrscheinlich meinem liebreichen Vater bereiten, wie Jedem, mit dem ich mein unglückliches Schicksal theilen könnte!«

»Sei guten Muthes, meine Tochter,« sagte der Mönch; »es gibt Trost für dich auch auf dem äußersten Gipfel dieses anscheinenden Unglücks. Ramorny ist ein Schurke und mißbraucht das Ohr seines Herrn; der Prinz ist zwar zerstreut und leichtsinnig, aber wenn mein graues Haar nicht getäuscht wird, so wird sich sein Charakter bald ändern. Man hat ihm die Niederträchtigkeit seines Günstlings gezeigt, und er bereut sehr, dessen schlechten Rathschlägen gefolgt zu sein. Ich glaube, oder ich bin vielmehr überzeugt, daß seine Leidenschaft für Euch reiner und edler werden wird, und daß die Lehre, die er von mir über die Verderbniß der Kirche und der Zeit erhalten hat, in sein Herz dringen und Früchte darin erzeugen soll, worüber die Welt staunen und sich freuen wird; wofern nur dein Mund ihm die nämlichen Lehren wiederholt. Alte Prophezeihungen sagen, daß Rom durch die Rede eines Weibes fallen soll.«

»Das sind Träume, Vater,« sagte Katharina; »die Traumgebilde eines Mannes, dessen Gedanken zu viel bei bessern Gegenständen weilen, als daß er über die gemeinen Angelegenheiten der Erde richtig urtheilen könnte. Wenn wir lange in die Sonne gesehen haben, so kann uns alles Andere nur undeutlich erscheinen.« »Du bist zu vorschnell, meine Tochter,« sagte Clemens, »und ich will dich davon überzeugen. Die Aussichten, die ich dir eröffnen will, würden sich nicht für ein Gemüth ziemen, welches geringern Sinn für Tugend oder mehr Ehrgeiz besäße. Vielleicht ist es selbst unpassend, sie vor dir zu entfalten; aber mein Vertrauen auf deine Klugheit und deine Grundsätze ist stark. Wisse denn, daß es sehr wahrscheinlich ist, die Kirche von Rom werde das Bündniß lösen, das sie selbst schuf, und die Ehe des Herzogs von Rothsay mit Marjory Douglas aufheben.«

Hier hielt er inne.

»Und wenn die Kirche Macht und Willen hat, dies zu thun,« erwiderte das Mädchen, »welchen Einfluß kann die Scheidung des Herzogs von seinem Weibe auf das Geschick der Katharina Glover haben?«

Sie blickte den Priester bei diesen Worten ängstlich an und es machte ihm, wie es schien, einige Mühe, seine Antwort zu finden, denn er blickte zu Boden, während er ihr erwiderte:

»Was that Schönheit für Katharina Logie? wenn uns unsere Väter nicht falsch berichtet haben, so ließ sie sie den Thron David Bruce's theilen.«

»Lebte sie glücklich, oder starb sie betrauert, guter Vater?« fragte Katharina in demselben ruhigen und festen Tone.

»Sie brachte ihr Bündniß aus weltlichem und vielleicht sündlichem Ehrgeiz zu Stande,« erwiderte Vater Clemens; »und sie fand ihren Lohn in Eitelkeit und Unruhe des Geistes. Hätte sie aber in der Absicht geheirathet, daß das gläubige Weib den ungläubigen Gemahl bekehren oder den Zweifelnden stärken solle, was wäre dann ihr Lohn gewesen? Liebe und Ehre auf Erden und ein Erbtheil im Himmel bei Königin Margaretha und den Heldinnen, welche die Pflegemütter der Kirche waren.«

Bisher hatte Katharina auf einem Steine zu den Füßen des Priesters gesessen, und sie blickte dabei zu ihm empor, wenn sie hörte oder redete; jetzt aber, als wäre sie durch das Gefühl einer zwar ruhigen aber bestimmten Mißbilligung begeistert, stand sie auf, und die Hand gegen den Mönch ausstreckend, während sie sprach, redete sie ihn mit einer Miene und einem Tone an, die einem Cherub hätten gehören können, der so schonend als möglich die Gefühle des Sterblichen beklagt, dessen Irrthümer er tadeln soll:

»Und ist es wirklich so?« sagte sie, »und kann so viel von den Wünschen, Hoffnungen und Vorurtheilen der elenden Welt ihn beschäftigen, der vielleicht morgen berufen wird, sein Leben zu beschließen dafür, daß er sich der Verderbniß einer entarteten Zeit und gesunkenen Priesterschaft widersetzte? Ist es der tugendhafte, der strenge Vater Clemens, der seinem Kinde räth, nach einem Throne und einem Bette zu streben, die nur durch eine niedrige Ungerechtigkeit gegen die frei werden können, die sie bereits besitzt? Ist es der weise Reformator der Kirche, der seine Plane auf so vergängliche Grundlagen stützt? Seit wann, guter Vater, hat der leichtsinnige Prinz sein Betragen geändert und den Wunsch ausgesprochen, um die Tochter eines Handwerkers von Perth ehrlich zu werben? Zwei Tage müssen diese Veränderung hervorgebracht haben; denn kaum ist dieser kurze Zeitraum verflossen, seit er meines Vaters Haus mitten in der Nacht, und in ärgerer Absicht als ein elender Räuber, angriff. Und glaubt Ihr, wenn auch Rothsay's Herz ihn an eine seiner Geburt so wenig würdige Heirath denken ließe, glaubt Ihr, er könnte sie durchsetzen, ohne zugleich seinen Thron und sein Leben zu wagen, wenn er damit zugleich das Haus des Grafen von March und das von Douglas beleidigte? O, Vater Clemens, wo waren Eure Grundsätze, wo Eure Klugheit, als sie duldeten, daß Ihr Euch zu so seltsamem Traume verirrtet, und dem geringsten Eurer Schüler das Recht gabt, Euch so zu tadeln?«

Des alten Mannes Augen füllten sich mit Thränen, als Katharina, sichtbar schmerzlich bewegt durch das, was sie gesagt, endlich schwieg.

»Durch den Mund der Kinder und Säuglinge,« sagte er, »hat der Herr die getadelt, die für Weise zu ihrer Zeit galten. Ich danke dem Himmel, daß er mich bessere Gedanken gelehrt hat, als mir meine Eitelkeit eingab, und zwar durch die Stimme einer freundlichen Ermahnerin. – Ja, Katharina, ich darf mich künftig nicht wundern, wenn ich die, die ich schon so streng richtete, um weltliche Macht kämpfen und zugleich die Sprache eines geistlichen Eifers führen sehe. Ich danke dir, Tochter, für deine heilsame Mahnung, und dem Himmel, daß er sie durch deine Lippen, und nicht durch die eines strengeren Richters sendete.«

Katharina hatte ihr Haupt erhoben, um zu antworten, und bat den alten Mann, dessen Demüthigung sie schmerzte, sich zu trösten, als ihre Augen auf einem Gegenstand in ihrer Nähe haften blieben. Unter den Felsstücken, die den einsamen Ort umgaben, lagen zwei einander so nahe, daß sie einst ein einziger Stein gewesen und durch heftigen Sturm oder Erdbeben getrennt worden zu sein schienen. Zwischen ihnen sah man eine etwa vier Fuß breite Oeffnung unter Steinmassen. Eine Eiche wuchs aus dieser hervor und zeigte so phantastische Gestalten, als die Pflanzenwelt nur hervorzubringen vermag. Die Wurzeln hatten sich in tausend verschiedenen Richtungen hervorgedrängt und suchten in den Felsenspalten die nöthige Nahrung; ihre ungleichen Windungen boten denselben Anblick dar, wie die ungeheuren Schlangen des indischen Inselmeeres. In dem Augenblick, als Katharinens Blicke auf dieses seltsame Gewirr von Zweigen und Wurzeln fielen, bemerkte sie plötzlich zwei Augen, so funkelnd, wie die eines wilden Thieres. Sie schauderte zusammen und zeigte den Gegenstand mit dem Finger ihrem Gefährten, ohne zu sprechen. Als sie aufmerksam hinsah, entdeckte sie einen buschigen Bart und rothes Haar, die vorher hinter dem Gestrüpp versteckt gewesen.

Als er sich beobachtet sah, trat der Hochländer, denn ein solcher war es, aus seinem Schlupfwinkel hervor. Es war ein Mann von riesigem Wuchs, gehüllt in einen roth, grün und violett gewürfelten Plaid, worunter er eine Jacke von Büffelhaut trug. Bogen und Pfeile hingen über die Schultern, sein Haupt war unbedeckt, welchem ein buschiges Haar, dessen verworrene Locken den Flechten der Irländer glichen, statt der Mütze diente. Am Gürtel hing Schwert und Dolch, und in der Hand trug er eine dänische Streitaxt, die in neuerer Zeit Lochaberaxt genannt ward. Ihm folgten aus dem natürlichen Thore nach einander noch vier Männer, von ähnlicher Gestalt und auf gleiche Weise gekleidet und bewaffnet.

Katharina war zu sehr an den Anblick der Bergbewohner in solcher Nähe von Perth gewöhnt, als daß sie Unruhe hätte empfinden können, wie es bei einem andern Mädchen der Ebene bei solcher Gelegenheit hätte der Fall sein müssen. Sie sah mit ziemlicher Ruhe diese riesigen Gestalten einen Halbkreis um sie und den Mönch schließen; sie hefteten ihre großen Augen auf sie, welche, wie sie vermuthete, eine wilde Bewunderung ihrer Schönheit ausdrückten. Sie begrüßte die Männer mit leichtem Kopfnicken und sprach unvollkommen die gewöhnlichen Begrüßungsworte der Hochländer aus. Der Aelteste, der die Schaar führte, beantwortete den Gruß und wurde darauf still und unbeweglich. Der Mönch nahm seinen Rosenkranz und auch Katharina fühlte einen eigenen Schauder um ihrer persönlichen Sicherheit willen, und trat, um sogleich zu wissen, ob sie und der Mönch den Ort frei verlassen dürften, vor, als wollte sie den Berg hinabsteigen. Als sie aber durch die Linie gehen wollte, die die Bergbewohner gezogen hatten, streckte jeder seine Streitaxt aus und füllte den Raum, durch den sie gehen konnte.

Ein wenig betroffen, aber nicht erschreckt, denn sie konnte nicht denken, daß etwas Schlimmes beabsichtigt werde, setzte sie sich auf eines der zerstreuten Felsstücke, und bat den neben ihr stehenden Mönch, guten Muthes zu sein.

»Wenn ich fürchte,« sagte der Vater Clemens, »ist es nicht für mich selbst; denn ob ich von den Aexten dieser wilden Menschen erschlagen werde, wie ein Stier, der, zur Arbeit nicht mehr tüchtig, zum Schlachten verurtheilt wird, oder ob sie mich mit ihren Bogensehnen binden und denen überliefern, die mir das Leben mit umständlicherer Grausamkeit nehmen, kann mich wenig kümmern, wenn sie nur dich, theuerstes Kind, unverletzt entkommen lassen.«

»Wir haben,« erwiderte das Mädchen von Perth, »durchaus nichts Uebels für uns zu fürchten, und hier kommt Conachar, uns dessen zu versichern.«

Doch während sie dies sagte, traute sie fast ihren Augen nicht, so verändert war Benehmen und Aufzug des hübschen, stattlichen und fast prächtig gekleideten Jünglings, der, gleich einem Rehbock, von einer beträchtlichen Felshöhe niederspringend, so eben vor Katharinen erschien. Seine Kleidung war von demselben Stoffe, wie die der andern Hochländer, von denen wir soeben sprachen, aber am Hals und den Ellbogen durch ein Halsband und Armringe von Gold befestigt. Sein Harnisch war glänzend wie Silber polirt, die Arme mit Schmuck beladen, die Mütze, außer der Adlerfeder, die den Häuptling bezeichnete, mit einer goldenen Kette geschmückt, die mehrmals um sie herumlief und an einer mit Perlen besetzten Agraffe befestigt war. Die Schnalle, die den Tartanmantel oder Plaid, wie man es jetzt nennt, über der Schulter festhielt, war aus Gold künstlich gearbeitet. Er hatte keine andern Waffen, als einen kleinen, tannenen Stab mit zurückgebogener Spitze in der Hand. Sein Gang und Benehmen, sonst Mißmuth und Kummer ausdrückend, den ihm seine Erniedrigung machte, zeigte jetzt seine Kühnheit, seine Anmaßung und seinen Stolz. Er blieb mit einem selbstgenügsamen Lächeln vor Katharinen stehen, als wär' er sich seines verbesserten Aeußern wohlbewußt, und wartete, bis sie ihn erkennen würde.

»Conachar,« sagte Katharina, die diesen Zustand zu unterbrechen wünschte, »sind das deines Vaters Leute?«

»Nein,« schöne Katharina,« erwiderte der junge Mann; »Conachar ist nicht mehr, außer in Hinsicht des Unrechts, das er erfuhr, und der Rache, die es erheischt. Ich bin Jan Eachin Mac Jan, Sohn des Häuptlings des Clans Quhele. Ich habe meine Federn, wie Ihr seht, mit meinem Namen getauscht. Und diese Leute sind nicht meines Vaters Gefolge, sondern das meine. Ihr seht sie nur zur Hälfte versammelt; es ist eine Schaar, die aus meinem Pflegevater und acht Söhnen besteht; meine Leibwache und die Kinder meines Gürtels, die nur athmen, um meinen Willen zu vollziehen. Aber Conachar,« fügte er mit milderer Stimme hinzu, »lebt wieder, sobald Katharina ihn zu sehen wünscht; er ist in den Augen aller Andern der junge Häuptling des Clans Quhele, aber bei ihr so demüthig und unterwürfig, als da er Simon Glovers Lehrling war. Seht, dies ist der Stab, den ich von Euch an dem Tage erhielt, als wir zusammen an den sonnigen Abhängen von Lednoch Haselnüsse suchen gingen, als der Herbst jung war in dem verflossenen Jahre. Ich würde ihn, Katharina, nicht für den Befehlshaberstab meines Stammes hingeben.«

Während Eachin so sprach, überlegte Katharina im Stillen, ob sie nicht unvorsichtig gehandelt habe, den Beistand eines kühnen jungen Mannes zu suchen, der ohne Zweifel stolz war, durch seine plötzliche Erhebung aus einem knechtischen Zustande zu einem solchen, der, wie sie überzeugt war, ihm einen ausgedehnten Einfluß über die gesetzlose Menge seiner Anhänger gab.

»Ihr fürchtet Euch doch nicht vor mir, schöne Katharina?« sagte der junge Häuptling, ihre Hand ergreifend. »Ich ließ meine Leute hier einige Minuten vor mir erscheinen, um zu sehen, wie Ihr deren Anwesenheit ertragen könntet; und mich dünkt, Ihr betrachtet sie, als wäret Ihr zu eines Häuptlings Gemahlin geboren.«

»Ich habe keinen Grund, Beleidigungen von Hochländern zu fürchten,« sagte Katharina fest; »besonders weil ich dachte, Conachar sei bei ihnen. Conachar hat aus unserm Becher getrunken und von unserm Brod gegessen; und mein Vater hat oft mit den Hochländern gehandelt, und nie fand Beleidigung und Zwist zwischen ihm und ihnen statt.«

»Nicht?« erwiderte Hektor, denn so lautet Eachin in unserer Sprache, »wie! niemals, als er die Partei des Gow Chrom (krummbeinigen Schmieds) nahm gegen Eachin Mac Jan? – Sagt nichts, dies zu entschuldigen, und glaubt, es wird Eure eigene Schuld sein, wenn ich je wieder darauf anspiele. Aber Ihr wollt mir einen Befehl geben – sprecht, und es soll Euch gehorcht werden.«

Katharina beeilte sich zu antworten; denn es war Etwas in des jungen Mannes Benehmen und Sprache, was sie eine Abkürzung der Unterredung wünschen ließ.

»Eachin,« sagte sie, »da Conachar nicht mehr Euer Name ist, Ihr solltet merken, daß ich, als ich einen Dienst erbat, mich an meines Gleichen zu wenden glaubte, und nicht ahnte, daß ich eine Person von höherer Gewalt und Bedeutung ansprach. Ihr, so gut wie ich, seid diesem guten Manne für religiösen Unterricht verpflichtet. Er ist jetzt in großer Gefahr; schlechte Menschen haben ihm falsche Beschuldigungen aufgebürdet, und er wünscht in Sicherheit und Verborgenheit zu bleiben, bis der Sturm vorüber sein wird.«

»Ha! der gute Vater Clemens? Ja, der würdige Geistliche that viel für mich, und mehr, als mein rauhes Gemüth zu nützen verstand. Es soll mich freuen, Jemand aus der guten Stadt Perth zu sehen, der einen Mann verfolgt, welcher Mac Jan's Mantel berührt hat!«

»Es dürfte nicht gut sein, sich so sehr darauf zu verlassen,« sagte Katharina. »Ich zweifle nicht an der Macht Eures Stammes, aber wenn der schwarze Douglas sich in eine Fehde einläßt, so läßt er sich nicht durch einen hochländischen Plaid abschrecken.«

Der Hochländer verbarg sein Mißvergnügen über diese Rede mit einem erzwungenen Lachen.

»Der Sperling,« sagte er, »der dem Auge nah' ist, scheint größer als ein Adler, der über'm Bengoil schwebt. Ihr fürchtet die Douglas sehr, weil sie Euch zunächst sitzen. Aber sei das, wie es wolle – Ihr glaubt nicht, wie weit sich unsere Thäler und Wälder jenseits der dunklen Berge erstrecken, die Ihr dort in der Ferne seht. Ihr meint die ganze Welt sei an den Ufern des Tay. Dieser gute Mönch wird Felsen sehen, die ihn gegen ein ganzes Heer dieses Douglas schützen können; er wird Männer gewahr werden, die im Stande sind, ihn noch ein Mal vom Süden der Grampischen Berge zurückzuwerfen. – Aber warum sollen wir nicht Alle beisammen sein? Ich kann eine Schaar nach Perth schicken, die Euern Vater sicher hierher bringt. Er kann jenseit Loch Tay den alten Handel fortsetzen. – Ich werde nur keine Handschuhe machen, sondern ich werde Eurem Vater Häute geben, aber keine mehr schneiden, außer so lange sie auf des Geschöpfes Rücken sind.«

»Mein Vater wird einmal kommen und Euern Haushalt sehen, Conachar – Hektor wollt' ich sagen. – Aber die Zeiten müssen ruhiger sein, denn es ist Fehde zwischen den Bürgern und den Edelleuten, und man spricht von Krieg, der in den Hochlanden ausbrechen werde.«

»Ja, bei unsrer lieben Frau! Katharina; und wär' es nicht eben wegen des Hochlandskrieges, Ihr dürftet Euern Besuch in den Hochlanden nicht so aussetzen, meine schöne Gebieterin. Aber das Volk der Hügel soll sich nicht länger in zwei Nationen spalten. Sie werden als Männer fechten um die Oberherrschaft, und wer sie erlangt, wird mit dem König von Schottland als Standesgenosse, nicht wie mit einem Höhern sprechen. Bete, daß der Sieg Mac Jon zufällt, meine fromme Katharina, denn du wirst für Einen beten, der dich innig liebt.«

»Ich will für das Recht beten,« sagte Katharina; »oder vielmehr, ich will bitten, daß überall Friede sei. – Lebt wohl, guter und trefflicher Vater Clemens; glaub', ich werde nie deine Lehren vergessen – gedenke meiner in deinen Gebeten. – Aber wie wirst du eine so mühsame Reise aushalten können?

»Sie sollen ihn tragen, wenn es nöthig wird,« sagte Hektor, »wofern wir weit gehen müssen, ohne ein Pferd für ihn zu finden. Aber Ihr – Katharina – es ist weit von hier nach Perth. Laßt mich Euch bis dorthin begleiten, wie ich gewohnt war.«

»Wenn Ihr so wäret, als Ihr gewohnt wäret, so würde ich Eure Begleitung annehmen. Aber goldene Schnallen und Armbänder sind gefährliche Gesellschaft, wenn die Lanzen von Liddesdale und Annandale so dicht auf der Straße reiten, wie die Blätter am Allerheiligenfest; und zwischen Hochlandtartans und Stahlharnischen findet keine friedliche Begegnung statt.«

Sie wagte diese Bemerkung, da sie glaubte, daß der junge Eachin die Gewohnheiten noch nicht ganz hinter sich hatte, die er in seinem niedern Stande angenommen, und daß, obwohl er kühne Worte brauchte, er doch nicht tollkühn genug sein würde, der Ueberzahl Trotz zu bieten, die ihm begegnet wäre, wenn er sich der Stadt genähert hätte. Sie schien richtig geurtheilt zu haben, denn nach einem Abschied, wobei sie es dahin brachte, daß statt ihres Mundes ihre Hand geküßt wurde, nahm sie allein ihren Weg nach Perth und sah die Hochländer, als sie hinter sich schaute, einen beschwerlichen, steilen Weg einschlagen und sich nach Norden wenden.

Sie fühlte sich zum Theil befreit von ihrer Unruhe, so wie die Entfernung zwischen ihr und jenen Männern wuchs, deren Handlungen sich allein nach dem Willen ihres Häuptlings richteten, welcher ein wilder, ungestümer Jüngling war. Sie fürchtete auf ihrem Rückwege nach Perth keine Beleidigung von den Kriegsleuten beider Parteien, die ihr begegnen konnten: denn die Gesetze des Ritterthums waren damals ein mehr zuverlässiger Schutz für ein Mädchen von ehrbarem Betragen, als eine Begleitung von Bewaffneten; aber entferntere Gefahren beunruhigten ihr Herz. Die Bewerbungen des Prinzen hatten einen furchtbaren Charakter angenommen, seit sein unwürdiger Günstling ihr, wenn sie bei ihrer Ziererei, wie er's nannte, beharren würde, zu drohen gewagt hatte. Solche Drohungen in diesem Jahrhundert und aus solchem Munde waren ein ernstlicher Gegenstand des Schreckens; – Conachars Ansprüche an ihre Liebe, die er in seinem dienstbaren Zustande kaum unterdrückt hatte, jetzt aber laut aussprach, wurden ein neuer Zuwachs zu ihrer Unruhe. Die Hochländer hatten bereits mehr als einen Einfall in Perth unternommen; mehrere Bürger, aus ihren eigenen Häusern weggeführt, waren gefangen worden, oder in den Straßen der Stadt unter dem Claymore gefallen. Außerdem fürchtete sie die Zudringlichkeit ihres Vaters zu Gunsten des Schmieds, dessen unwürdiges Betragen am Valentinstag ihr hinterbracht worden war. Wäre er auch nicht schuldig gewesen, sie hätte doch nicht gewagt, ihm Gehör zu geben, denn immer klangen ihr Ramorny's schreckliche Drohungen in den Ohren. Diese Gefahren, diese Furcht flößten ihr mehr als je den Wunsch ein, den Schleier zu nehmen; aber sie sah keine Möglichkeit, ihres Vaters Einwilligung zu dem einzigen Schritte zu erlangen, von welchem sie Frieden und Schutz erwartete.

Der Gang dieser Verhandlungen läßt uns nicht erkennen, ob sie sehr bedauerte, daß sie Gefahren begleiteten, weil sie das schöne Mädchen von Perth war; dies war ein Punkt, der anzeigte, daß sie noch nicht ganz ein Engel war; und vielleicht war ein zweiter der Umstand, daß, trotz Harry's wirklichen oder angeblichen Vergehungen, sich ein Seufzer aus ihrem Busen stahl, wenn sie an den St. Valentinsabend dachte.

Fünfzehntes Kapitel

O, einen Trank, der vermöchte


Ein banges Herz in Schlaf zu senken!


Bertha.

Wir haben die Geheimnisse der Beichte gezeigt; die des Krankenzimmers sind uns nicht verborgen. In einem dunklen Gemach, wo Salben und Arzneiflaschen kund thaten, daß der Arzt in seinem Berufe thätig gewesen, lag eine große, hagere Gestalt auf einem Bette, mit einem Nachtgewand umgürtet, Schmerz auf dem Antlitz, während tausend stürmische Leidenschaften im Busen wühlten. Alles im Gemach zeigte einen reichen, verschwenderischen Mann an. Henbane Dwining, der Apotheker, der die Pflege des Kranken zu haben schien, schlich mit schlauem, katzenartigem Schritt aus einem Winkel des Zimmers in den andern, indem er geschäftig Arzneien mischte und Verbände bereitete. Der kranke Mann stöhnte ein paar Mal, worauf der Apotheker sich dem Bette näherte und fragte, ob diese Töne ein Zeichen körperlichen Schmerzes oder der Gemüthsbewegung wären.

»Beides, du Giftmischer,« sagte Sir John Ramorny; »und weil ich mit deiner verfluchten Gesellschaft belästigt bin.«

»Wenn das Alles ist, so kann ich Euer Gnaden von einem dieser Uebel durch sofortige Entfernung meiner Person befreien. Dank den Fehden dieser wilden Zeit, hätt' ich zwanzig Hände, statt dieser zwei armen Diener meiner Kunst (dabei zeigte er seine dürren Hände), so wäre Beschäftigung genug für sie vorhanden; gutbezahlte Beschäftigung überdies, wo sich Dankesworte und Geldstücke streiten, wer von beiden meine Dienste am besten lohnt; während Ihr, Sir John, an Eurem Wundarzte den Zorn auslaßt, den ihr allein gegen den Urheber Eurer Wunde richten solltet.«

»Schuft, es ist unter meiner Würde, dir zu antworten,« sagte der Kranke; »aber jedes Wort deiner boshaften Zunge ist ein Dolch, der Wunden beibringt, die aller Arznei Arabiens Trotz bieten.«

»Sir John, ich verstehe Euch nicht; aber wenn Ihr diesen heftigen Ausbrüchen der Wuth Raum gestattet, so kann nur Fieber und Entzündung die Folge sein.«

»Warum sprichst du denn auf eine Weise, die mein Blut erhitzt? Warum sprichst du den Gedanken aus, deine werthlose Kunst könne mehr Hände brauchen, als die Natur dir gab, während ich, ein Ritter und Edelmann, verstümmelt bin, wie ein Krüppel?«

»Sir John,« erwiderte der Wundarzt, »ich bin kein Gottesgelehrter und auch kein sehr hartnäckiger Anhänger an manche Dinge, welche die Theologen uns sagen. Doch kann ich Euch erinnern, daß es Euch ziemlich gut gegangen ist; denn wenn der Hieb, der Euch diesen Schaden gebracht hat, Euern Hals getroffen hätte, wie er doch beabsichtigte, so hätt' er Euer Haupt von den Schultern getrennt, statt ein minder bedeutendes Glied zu amputiren.«

»Ich wollte, so wär's geschehen, Dwining – ich wollte, der Hieb hätte getroffen, wie es beabsichtigt war. Dann hätte ich nicht gesehen, wie ein Plan, so fein gesponnen, wie der meine, durch die rohe Gewalt eines betrunkenen Kerls zerrissen ward. Dann wär' ich nicht mehr da, um Rosse zu sehen, die ich nicht besteigen kann – Schranken, die ich nicht mehr beschreiten kann – Glanz, den zu theilen ich nicht hoffen kann, oder Schlachten, worin ich nicht mitkämpfen kann. Ich würde nicht, mit eines Mannes Leidenschaft für Macht und Streit, unter den Weibern Platz nehmen müssen, verachtet von ihnen noch dazu als ein ohnmächtiger Krüppel, unfähig zu werben und zu erlangen die Gunst ihres Geschlechts.«

»Gesetzt, dies wäre Alles so, so will ich doch Eure Herrlichkeit zu bemerken bitten,« erwiderte Dwining, sich noch immer mit Anordnung der Verbände beschäftigend, »daß Eure Augen, die Ihr mit Eurem Kopfe verloren haben müßtet, Euch, da sie erhalten sind, noch eine ebenso große Aussicht auf Vergnügen bieten, als Euch das des Ehrgeizes, des Sieges in den Schranken oder in der Schlacht, oder selbst die Liebe der Weiber gewähren könnte.«

»Mein Verstand ist zu umdüstert, um dich verstehen zu können, Arzt,« erwiderte Ramorny. »Welches ist das köstliche Schauspiel, das mir in meinem Schiffbruch aufbewahrt bleibt?«

»Das werthvollste, was die Menschheit kennt,« erwiderte Dwining; und dann fügte er im Tone eines Liebenden, der den Namen seiner Geliebten ausspricht und seine Leidenschaft zu ihr durch die Stimme ausdrückt, hinzu: » Rache

Der Kranke hatte sich auf seinem Kissen erhoben, etwas begierig nach der Lösung des Räthsels seines Arztes. Er legte sich wieder nieder, als er die Erklärung vernommen, und nach einer kurzen Pause fragte er: »In welchem christlichen Collegium lerntet Ihr diese Moral, guter Meister Dwining?«

»In keinem christlichen Collegium,« antwortete der Arzt; »denn obwohl sie in den meisten heimlich angenommen ist, wird sie doch in keinem offen und männlich anerkannt. Aber ich habe unter den Weisen Granada's studirt, wo der Maure mit seiner Feuerseele seinen tödtlichen Dolch hoch emporhebt, wenn er von seines Feindes Blute träuft und die Lehre preist, die der bleiche Christ übt, obwohl er sie feigherzig nicht zu nennen wagt.«

»Du bist also ein Schurke von größerer Seele, als ich dir zutraute,« sagte Ramorny.

»Laßt das sein,« antwortete Dwining. »Die stillen Wasser sind die tiefsten, und der Feind ist am meisten zu fürchten, der nie droht, als bis er schlägt. Ihr Ritter und Waffenleute geht mit dem Schwerte in der Hand gerad' auf Euer Ziel los. Wir, die wir Gelehrte sind, gewinnen unser Ziel mit geräuschlosem Schritt und auf Umwegen, kommen aber deshalb ebenso sicher dazu.«

»Und ich,« sagte der Ritter, »der ich zur Rache schritt mit stahlgeharnischtem Fuß, der alles Echo ringsum weckte, soll mich nun eines solchen Pantoffels bedienen, wie der deine? Ha!«

»Wer die Kraft nicht hat,« sagte der schlaue Apotheker, »muß durch Geschick seinen Zweck erreichen.«

»Und sage mir aufrichtig, Apotheker, warum du mir diese Teufelslectionen halten willst? Warum willst du mich schneller und eifriger zu meiner Rache drängen, als ich dir aus eignen Antrieb dazu bereit scheine? Ich bin alt in der Weltkenntnis Freund; und ich weiß, daß ein Mensch wie du nicht umsonst Worte fallen läßt oder sich in das gefährliche Vertrauen von Männern wie ich drängt, es sei denn, daß er selber einen Vortheil dabei im Auge hat. Was liegt dir an dem Wege, sei er blutig oder friedlich, den ich unter diesen Umständen verfolgen mag?«

»Um offen zu reden, edler Ritter, obwohl ich das selten zu thun pflege,« antwortete der Arzt, »mein Weg der Rache ist mit dem Eurigen ein und derselbe.«

»Mit dem meinigen, Mensch?« sagte Ramorny mit dem Ausdrucke verächtlichen Staunens. »Ich dächte, der läge hoch über deine Region. Du suchst dieselbe Rache mit Ramorny?«

»Ja, allerdings,« erwiderte Dwining; »denn der grobe Schmied, unter dessen Hiebe Ihr gelitten habt, hat mir oft mit Trotz und Beleidigung begegnet. Er hat mich im Rathe gehindert und bei der Ausführung verachtet. Seine rohe und vorschnelle Einfalt ist ein lebendiger Vorwurf für die Feinheit meiner natürlichen Sinnesart. Ich fürchte ihn und ich hasse ihn.«

»Und Ihr hofft einen thätigen Helfer an mir zu finden?« sagte Ramorny in demselben Tone der Geringschätzung wie vorher; »aber wißt, der Handwerker steht viel zu tief, um der Gegenstand meines Hasses oder meiner Furcht zu sein. Er wird jedoch nicht frei ausgehen. Wir hassen den Wurm nicht, der uns gestochen hat, wenn wir ihn gleich abschütteln und zertreten könnten. Ich kenne den Schuft längst; er versteht die Waffen zu führen und ist einer der Freier dieser verächtlichen Puppe, wie ich hörte, deren Reize uns zu der weisen und hoffnungsvollen Unternehmung verlockten. Teufel, die ihr diese Unterwelt regiert, aus welch übertriebener Bosheit habt ihr beschlossen, daß die Hand, die die Lanze gegen das Herz eines Prinzen gerichtet hat, wie ein junger Baum durch den Arm eines Elenden und während einer nächtlichen Ausschweifung abgehauen wurde! Wohl, Arzt, so weit ist unser Weg derselbe, und du magst glauben, daß ich diese Natter zertreten werde, wenn es dir gefällt. Aber glaube nicht, mir zu entkommen, wenn dieser Theil meiner Rache vollbracht ist, was sehr leicht und schnell geschehen sein wird.«

»Vielleicht wird es gar nicht so schnell geschehen sein,« sagte der Apotheker; »denn wenn Euer Gnaden mir glauben, so wird sich wenig Leichtigkeit und Gefahrlosigkeit dabei finden, wenn man sich mit ihm einläßt. Er ist der stärkste, kühnste und geschickteste Fechter in Perth und in der ganzen Umgegend.«

»Fürchte nichts; ihm wird begegnet werden und hätte er die Kraft Simsons. Aber dann merke dir! Hoffe nicht meiner Rache zu entgehen, wenn du nicht mein fügsamer Gehilfe in der Scene sein wirst, die darauf folgt. Höre wohl, ich wiederhole dir's, ich habe nicht auf einer maurischen Schule studiert, ich habe vielleicht eine weniger unbegrenzte Rachgier als du, aber ich will auch mein Theil haben. Aufgemerkt, Arzt, so lang' ich mich dir entdecke! Aber hüte dich vor Verrath, denn so mächtig deine Teufelskunst ist, du bist doch von einem geringern Teufel unterrichtet als ich. Höre, – der Herr, dem ich durch Tugend und Laster, vielleicht für meinen guten Namen mit zu viel Eifer, aber doch mit unerschütterlicher Treue gedient, – derselbe Mann, dessen rasender Thorheit zu schmeicheln ich diesen unersetzlichen Verlust erlitt, ist, um den Bitten eines fast kindischen Vaters zu gehorchen, im Begriff, mich aufzuopfern, mir seine Gunst zu entziehen, und mich der Gnade eines heuchlerischen Verwandten zu überlassen, mit dem er sich auf meine Kosten versöhnen will; wenn er bei diesem undankbaren Plane beharrt, so werden deine Mauren, deren Farbe schwärzer ist, als der Rauch der Hölle, erröthen, ihre Rache übertroffen zu sehen; aber ich will ihm noch Raum zu Ehre und Rettung geben, eh' ich meiner ganzen, erbarmungslosen Wuth mich überlasse. – Nun, so weit hast du mein Vertrauen. – Hier die Hand auf den Handel – meine Hand, sag' ich? Wo ist die Hand, die für Ramorny's Wort bürgen sollte? Sie ist an den Schandpfahl genagelt, oder mit Verachtung den Straßenhunden vorgeworfen, die sie vielleicht eben verzehren! – Lege also nur deine Finger auf diesen verstümmelten Stumpf und schwöre, mir in meiner Rache zu dienen, wie ich dir in der deinigen. – Nun, Herr Arzt, Ihr werdet blaß! – Kann der, der dem Tode zuruft: »Halt ein!« oder »rücke vor!« kann der zittern an ihn zu denken oder ihn nennen zu hören? Ich habe Euern Lohn nicht erwähnt, denn Einer, der die Rache an sich selbst liebt, braucht keine weitere Bestechung – doch, wenn weite Ländereien und große Geldsummen deinen Eifer in einer tüchtigen Sache steigern können, so glaube mir, sie sollen nicht mangeln.«

»Das stimmt etwas mit meinen bescheidenen Wünschen überein,« sagte Dwining; »der arme Mensch ist in dieser geschäftigen Welt niedergedrängt wie ein Zwerg im Getümmel und so unter die Füße getreten – die Reichen und Mächtigen erheben sich wie Riesen über dem Druck und sind behaglich, während Alles ringsum durcheinander geht.«

»Dann sollst du dich erheben, Arzt, so hoch dich Gold nur heben kann. Diese Börse ist gewichtig, aber sie ist nur eine Abschlagszahlung deines Lohnes.«

»Und jener Schmied? mein edler Wohlthäter« – sagte der Arzt, während er das Geschenk einsteckte – »der Harry vom Wynd oder wie er heißen mag – würde nicht die Nachricht, daß er für seine That gebüßt, besser den Schmerz von Euer Gnaden Wunde lindern, als der Balsam von Mekka, womit ich sie salbte?«

»Er ist unter Ramorny's Gedanken; und ich fühle nicht mehr Unwillen gegen ihn, als ich gegen die willenlose Waffe zürne, die er schwang. Aber dein Haß eben ist es, der sich an ihm befriedigen soll. Wo trifft man ihn gewöhnlich?«

»Das habe ich auch überlegt,« sagte Dwining. »Den Versuch bei Tage und in seinem eigenen Hause zu machen, wäre zu offen und gefahrvoll, denn er hat fünf Leute, die mit ihm in der Schmiede arbeiten, vier davon sind starke Kerle, und alle lieben ihren Herrn. Bei Nacht wär' es kaum minder verzweifelt, denn seine Thüren sind gut verwahrt mit Eichenbalken und eisernen Riegeln, und ehe die Befestigungsmittel dieses Hauses bewältigt werden könnten, würde sich die Nachbarschaft zu seiner Rettung erheben, vorzüglich, weil sie sehr beunruhigt sind seit dem Vorfall in der Valentinsnacht.«

»O ja, freilich, Apotheker,« sagte Namorny, »denn auch du spielst ja Betrug mit mir – du kanntest meine Hand und Siegelring, wie du sagtest, als man diese Hand auf die Straße geworfen fand, gleich den ekelhaften Ueberresten einer Fleischbank, – warum, wenn du das wußtest, gingst du mit diesen narrenköpfigen Bürgern, um beim Patrick Charteris Rath zu holen, dem man die Sporen von den Fersen hauen sollte, weil er Gemeinschaft mit schmutzigen Bürgern hält, und den du hierher brachtest mit den Narren, um die leblose Hand zu entehren, die, wäre sie an ihrer gewohnten Stelle gewesen, er nicht werth wäre im Frieden zu berühren oder im Kriege zu fühlen?«

»Mein edler Gönner, sobald ich Grund hatte, zu glauben, daß Ihr der Dulder wäret, so wandte ich all' meine Ueberredungskunst an, um sie von Verfolgung der Fehde zurückzuhalten; aber der prahlerische Schmied und einige andere Hitzköpfe schrieen nach Rache. Euer Gnaden weiß vielleicht, daß der Bursche sich zum Ritter des schönen Mädchens von Perth aufwirft und glaubt, es gehöre zu seiner Ehre, alle Streitigkeiten ihres Vaters auszufechten: aber ich habe ihm seinen Markt in diesem Viertel verleidet und das ist schon ein Vorspiel der Rache.«

»Wie meint Ihr das, Wundarzt?« sagte der Kranke.

»Euer Gnaden werden wissen,« sagte der Apotheker, »daß der Schmied nicht eingezogen lebt, sondern ein verliebter, lustiger Bursch' ist. Ich begegnete ihm am Valentinstag einige Zeit nach dem Kampfe zwischen den Bürgern und dem Gefolge des Douglas; ja ich begegnete ihm, wie er mit einer Sängerin durch Straßen und Gäßchen schlich, und Gepäck und Laute der Dirne auf dem einen Arme trug, während sie selber an dem andern hing. Was denken Euer Gnaden davon? Ist das nicht ein schmucker Knappe, eines Prinzen Liebe zum schönsten Mädchen in Perth hinderlich zu sein, die Hand eines Ritters und Barons abzuhauen und den Kammerdiener einer wandernden Sängerin zu machen, Alles im Laufe von vierundzwanzig Stunden?«

»Wahrlich, ich denke besser von ihm, da er so viel ritterlichen Humor zeigt, obwohl er ein Bauer ist,« sagte Ramorny. »Ich wollte, er wäre ein gewissenhafter Mensch statt eines lustigen Burschen, dann hält' ich mehr Neigung, deine Rache zu unterstützen; – und solch' eine Rache! Rache an einem Schmied – im Streite eines erbärmlichen Arbeiters in altem Leder! Pfui! – und doch soll die Rache vollkommen genommen werden, du hast sie, denk' ich, durch deine eignen Manöver schon begonnen.«

»Nur in geringem Grade,« sagte der Apotheker; – »ich sorgte dafür, daß zwei oder drei der berüchtigtsten Klatschgevatterinnen in der Curfewstreet, denen es nicht gefällt, daß Katharina das schöne Mädchen von Perth heißt, die Geschichte ihres treuen Valentins erfuhren. Sie fielen so hitzig über die Lockspeise her, daß sie, statt die Sache zu bezweifeln, sogar darauf schwuren, als wären sie Augenzeugen gewesen. Der Liebhaber kam eine Stunde nachher zum Vater, und Ihr könnt Euch denken, wie ihn Glover empfing, denn das Mädchen selber wollt' ihn gar nicht ansehen. Und so seht Ihr, daß ich einen Vorschmack der Rache hatte. Ich hoffe, den vollen Dank ans den Händen Euer Gnaden zu erhalten, wenn wir ein brüderliches Bündniß schließen, welches –«

»Brüderlich!« sagte der Ritter verächtlich. »Aber sei es so; die Priester sagen, wir wären Alle von gemeiner Erde. Ich weiß es nicht – mir scheint da einiger Unterschied zu sein; aber die bessere Form wird der schlechteren Wort halten und du sollst deine Rache haben. Rufe meinen Pagen hierher.«

Ein junger Mann erschien auf den Ruf des Arztes aus dem Vorzimmer.

»Eviot,« sagte der Ritter, »ist Bonthron da? und ist er nüchtern?«

»So nüchtern, als Schlaf ihn nach einem gehörigen Trinken machen kann,« antwortete der Page.

»Dann hol' ihn hierher und verschließ' die Thür.«

Ein schwerfälliger Tritt näherte sich alsbald dem Gemach und ein Mann trat ein, dessen Mangel an Höhe durch Breite der Schultern und Stärke des Armes ausgeglichen schien.

»Es ist ein Mann vorhanden, mit dem du dich messen mußt, Bonthron,« sagte der Ritter.

Des Mannes grobe Züge glätteten sich und er zeigte ein zufriedenes Grinsen.

»Dieser Arzt wird dir den Mann zeigen. Nimm den Vortheil der Zeit, des Ortes und der Umstände wahr, um den Erfolg zu sichern; und denke nicht, daß du an den schlechtesten kommst, denn der Mann ist der kampffertige Schmied vom Wynd.«

»Das wird eine böse Geschichte,« murmelte der Mörder; »denn wenn mein Hieb fehlt, so kann ich mich selber als einen todten Mann ansehen. Ganz Perth spricht von des Schmieds Gewandtheit und Stärke.«

»Nimm zwei Gehilfen mit dir,« sagte der Ritter.

»Nein,« sagte Bonthron. »Wollt Ihr Etwas verdoppeln, so mag es der Lohn sein.«

»Rechne auf doppelten,« sagte sein Herr; »aber sieh' zu, daß dein Werk gehörig vollzogen wird.«

»Verlaßt Euch auf mich, Ritter – ich habe selten gefehlt.«

»Benutze dieses weisen Mannes Rath,« sagte der verwundete Ritter, auf den Arzt zeigend. »Und merke wohl! erwarte, bis er zum Vorschein kommt – und trinke nicht, bevor das Geschäft abgemacht ist.«

»So soll's geschehen,« sagte der finstere Trabant; »mein eigen Leben hängt davon ab, daß mein Hieb fest und sicher ist. Ich weiß, mit wem ich's zu thun habe.«

»So geh, bis er dich ruft, und halte Axt und Dolch in Bereitschaft.«

Bonthron nickte und zog sich zurück.

»Will Euer Gnaden wagen, solch ein Werk einer einzigen Hand anzuvertrauen?« sagte der Mediciner, als der Mörder das Gemach verlassen hatte. »Darf ich Euch bitten, daran zu denken, daß Jener vor zwei Nächten sechs gerüstete Männer niederwarf?«

»Fragt mich nicht, Sir Apotheker; ein Mann wie Bonthron, der Zeit und Ort kennt, ist zwei Dutzend wüster Schwärmer werth. – Ruft Eviot. – Zuerst sollst du deine Heilkräfte üben, und zweifle nicht, daß du beim ferneren Werk von Einem unterstützt werden wirst, der dir in der Kunst plötzlicher und unerwarteter Zerstörung gleichkommt.«

Der Page Eviot erschien auf des Apothekers Ruf wieder und half auf ein Zeichen seines Herrn dem Wundarzt Sir John Ramorny's verwundeten Arm neu verbinden. Dwining betrachtete den nackten Stumpf mit einer Art berufsmäßigem Behagen, ohne Zweifel auf dem boshaften Vergnügen beruhend, welches sein schlechtes Gemüth an Schmerz und Unglück seiner Mitmenschen fand. Der Ritter heftete eine Weile seine Augen auf den furchtbaren Anblick und ließ, dem Gewichte seines körperlichen oder geistigen Schmerzes erliegend, trotz aller Mühe, es zu unterdrücken, ein Stöhnen vernehmen.

»Ihr seufzt, Sir,« sagte der Wundarzt, in einem sanft einschmeichelnden Tone, während er jedoch die Lippen zu einem vergnügten, mit Hohn gemischten Lächeln verzog, welches seine gewohnte Verstellung nicht ganz bergen konnte, – »Ihr seufzt – aber tröstet Euch. Dieser Harry Schmied versteht sein Geschäft – sein Schwert erreicht so gut das Ziel, wie sein Hammer den Ambos. Hätte ein minder geschickter Mann den unseligen Streich geführt, so hätt' er nur den Knochen beschädigt und die Muskeln zerrissen; meine ganze Kunst wäre nutzlos gewesen; aber Harry Schmied macht saubere Wunden, seine Amputationen sind so leicht zu heilen, als wenn mein eigenes Messer sie gemacht hätte. In einigen Tagen seid Ihr, wenn Ihr die Verordnungen Eures Arztes sorgfältig befolgt, im Stande, auszugehen.«

»Aber meine Hand – der Verlust meiner Hand –« »Der kann eine Zeit lang verborgen bleiben,« sagte der Mediciner; »ich habe einige geschwätzige Narren gewonnen, denen ich im Vertrauen sagte, die gefundene Hand sei die Eures Stallknechts, des schwarzen Quentin, und Eure Gnaden wissen, daß er nach Fife gereist ist, und zwar auf eine Weise, die die Sache glaublich macht.«

»Freilich wohl,« sagte Ramorny, »kann dies Gerücht die Wahrheit eine kurze Zeit verbergen. Aber was hilft der kurze Verzug?«

»Es kann verborgen bleiben, wenn Ihr Euch eine Zeitlang vom Hofe zurückzieht, und dann, wenn neue Ereignisse die Erinnerung an gegenwärtigen Streit verdunkelt haben, kann man vielleicht sagen, die Wunde käme von einem Lanzenstich oder von einem Armbrustbolzen. Euer Knecht wird einen geeigneten Vorwand finden und für die Wahrheit der Sache stehen.«

»Der Gedanke macht mich rasend,« sagte Ramorny, wieder seufzend vor innerem und äußerem Schmerze. »Aber ich sehe kein anderes Mittel.«

»Es gibt kein anderes,« sagte der Wundarzt, dessen schlechtem Gemüthe seines Herrn Trauer köstliche Nahrung war. »Inzwischen wird man glauben, Ihr seid in Folge einiger Quetschungen und aus Kummer über den Entschluß des Prinzen, Euch nach Herzog Albany's Rath seine Gunst zu entziehen und aus seinem Dienste zu verabschieden, auf das Zimmer beschränkt; und das ist ja öffentlich bekannt.«

»Schurke, du folterst mich!« rief der Kranke.

»Im Ganzen,« sagte Dwining, »seid Ihr dennoch gut weggekommen, und, außer was den Verlust Eurer Hand betrifft, wofür es kein Mittel gibt, solltet Ihr Euch eher freuen, als beklagen; denn kein Chirurg in Frankreich oder England könnte die Operation besser vollbracht haben, als dieser Kerl mit seinem scharfen Hiebe.«

»Ich weiß vollkommen, was ich ihm zu danken habe,« sagte Ramorny, seinen Zorn bekämpfend und Ruhe affectirend; »und wenn Bonthron ihn nicht mit einem eben so scharfen Hiebe bezahlt und die Hilfe des Wundarztes unnöthig macht, so sagt, daß John von Ramorny keine Verbindlichkeit lösen kann.«

»Da sprecht Ihr, wie es Euch ziemt, edler Ritter!« antwortete der Apotheker. »Und ferner laßt mich sagen, daß die Geschicklichkeit des Operateurs umsonst gewesen wäre und der Blutverlust Eure Adern erschöpft hätte, wäre nicht der Verband und die blutstillenden Mittel der guten Mönche gewesen, so wie die armen Dienste Eures demüthigen Unterthanen Henbane Dwinings.«

»Still!« rief der Kranke, »mit deiner unglückweissagenden Stimme und deinem noch schlimmer klingenden Namen! – Mir ist, während du von den Qualen sprichst, die ich erlitten, wie wenn sich meine zerschnittenen Nerven streckten und zusammenzögen, als regierten sie noch die Finger, die einst einen Dolch führen konnten.«

»Dies,« erklärte der Arzt, »ist, mit Euer Gnaden Erlaubniß, eine Erscheinung, die uns Aerzten wohlbekannt ist. Es gab unter den alten Weisen einige, welche glaubten, es bestehe zwischen den Nerven eines abgenommenen Gliedes und dem Theile, von dem es getrennt wurde, noch eine Sympathie, und in einem Falle, wie z. B. der Eurige ist, können die Finger, die Ihr nicht mehr habt, beben und sich zusammenziehen, gleichsam um dem Antriebe zu entsprechen, der aus ihrer Sympathie mit der Lebenskraft des Gliedes hervorgeht, dem sie angehört haben. Könnten wir die Hand wieder bekommen, die gegenwärtig an das Stadtkreuz genagelt oder unter des schwarzen Douglas Obhut ist, so möchte ich die merkwürdige Erscheinung beobachten; aber ich glaube, man würde eben so sicher das Glied den Klauen eines hungrigen Adlers entreißen.«

»Und du könntest eben so sicher deine boshaften Scherze an einem verwundeten Löwen üben, als an John von Ramorny!« sagte der Ritter, sich in unbezähmbarem Zorn aufrichtend. »Schurke! thu' deine Pflicht; und bedenke, daß ich, wenn meine Hand keinen Dolch mehr fassen kann, über hundert andere gebieten kann.«

»Der Anblick einer einzigen zornig erhobenen wäre genügend,« sagte Dwining, »die Lebenskraft Eures Chirurgen zu vernichten. Aber wer,« fügte er dann in einem halb einschmeichelnden, halb höhnischen Tone hinzu, »wer würde dann die heiße und brennende Qual lindern, die mein Gönner jetzt leidet, und die ihn selbst gegen seinen armen Diener aufbringt, weil er die Regeln der Heilkunst erwähnt, die ohne Zweifel gegen die Kunst, Wunden zu schlagen, so verächtlich ist?«

Dann, als wage er nicht länger mit der Laune des gefährlichen Kranken zu spielen, machte sich der Arzt ernstlich daran, die Wunde zu salben und legte einen wohlriechenden Balsam darauf, dessen Duft das Zimmer durchströmte und statt der brennenden Hitze eine erquickende Kühlung ertheilte; dieser Wechsel war dem fieberglühenden Kranken so angenehm, daß, wie er vorher vor Schmerz gestöhnt, er nun nicht umhin konnte, vor Vergnügen zu seufzen, während er auf seine Kissen zurücksank, um der Ruhe zu genießen, welche der Verband bewirkte.

»Eure ritterliche Herrlichkeit weiß nun, wer Euer Freund ist,« sagte Dwining; »hättet Ihr einem raschen Antriebe nachgegeben und gesagt: ›schlagt mir den werthlosen Quacksalber todt,‹ wo würdet Ihr dann in den vier Meilen Britanniens den Mann gefunden haben, der Euch solche Linderung brachte?«

»Vergeßt meine Drohungen, guter Arzt,« sagte Ramorny, »und hütet Euch, mich in Versuchung zu führen. Ein Mann wie ich will keinen Scherz über seine Qualen. Behalte deine Spöttereien für die Elenden im Spital.«

Dwining wagte nichts mehr zu sagen, sondern goß einige Tropfen aus einer Phiole, die er aus der Tasche nahm, in einen kleinen Becher voll Wein mit Wasser gemischt.

»Dieser Trank,« sagte der kunstreiche Mann, »soll Euch einen Schlaf schenken, der nicht unterbrochen werden darf.

»Der Zeitraum der Wirkung ist ungewiß – vielleicht bis morgen.«

»Vielleicht für immer,« sagte der Kranke. »Sir Apotheker, kostet mir sogleich diesen Trank, sonst geht er nicht über meine Lippen.«

Der Arzt gehorchte ihm mit verächtlichem Lächeln. »Ich würde gern das Ganze austrinken; aber der Saft dieses indischen Gummi's bringt eben so gut dem gesunden, wie dem kranken Menschen Schlaf, und der Beruf des Arztes will, daß ich munter sei.«

»Ich bitt' Euch um Verzeihung, Herr Arzt,« sagte Ramorny, die Augen niederschlagend, als schäme er sich, Argwohn gezeigt zu haben.

»Es ist keine Verzeihung nöthig, wo man sich nicht beleidigt fühlen kann,« antwortete der Arzt. »Ein Insekt muß einem Riesen danken, daß er nicht darauf tritt. Doch, edler Ritter, Insekten wissen so gut zu schaden, als Aerzte. Was würde es mir, außer einem unruhigen Augenblicke, gekostet haben, den Balsam zu vergiften, den ich auf Eure Wunde legte, und dadurch Euern Arm bis zur Schulter brandig und Euer Blut zu einer verdorbenen Gallerte zu machen? Wer hätte mich gehindert, noch feinere Mittel anzuwenden, und Euer Gemach mit Essenzen zu vergiften, vor denen das Lebenslicht immer dunkler und dunkler flackert, und zuletzt wie eine Kerze im trüben Dunst einer unterirdischen Höhle erlischt? Ihr achtet meine Macht zu gering, wenn Ihr nicht wißt, daß meine Kunst mir noch mächtigere Zerstörungskreise leiht; aber der Arzt tödtet den Kranken nicht, von dessen Großmuth er lebt; und zumal den, dessen Nase die Hoffnung der Rache athmet, den geschworenen Verbündeten, der seinen eigenen Plan begünstigt, wird er noch weniger vernichten. – Doch, noch ein Wort; – sollte es nöthig werden, Euch zu wecken – denn welcher Mann in Schottland kann sich acht Stunden ununterbrochener Ruhe versprechen? – dann riecht an die starke Essenz, welche diese Büchse enthält. – Und nun lebt wohl, Herr Ritter; und könnt Ihr Euch mich nicht als einen Mann von strengem Gewissen denken, so erkennt zum Mindesten meine Vernunft und meinen Scharfsinn an.«

Mit diesen Worten verließ der Apotheker das Gemach, indem seine gewöhnliche, niedrige und kriechende Miene etwas veredelt erschien, wie im Bewußtsein eines Sieges über seinen gebieterischen Kranken.

Sir John Ramorny blieb zurück, in unangenehme Betrachtungen versunken, bis er die unmerklichen Wirkungen des einschläfernden Trankes zu empfinden begann. Er raffte sich für einen Augenblick empor und rief seinen Pagen.

»Eviot! holla! Eviot! – ich habe unrecht gethan, mich diesem giftigen Quacksalber so weit zu entdecken – Eviot!«

Der Page trat ein.

»Ist der Apotheker fort?«

»Ja, Euer Gnaden.«

»Allein oder in Begleitung?«

»Bonthron sprach leise mit ihm und folgte ihm fast auf dem Fuße – auf Euer Gnaden Befehl', denk' ich.«

»Leider, ja – er geht, um einige Heilmittel zu holen – er wird bald zurückkehren. Wenn er betrunken ist, so laß ihn nicht in mein Gemach, und dulde nicht, daß er mit Jemand spricht. Er schwatzt, wenn sein Hirn vom Trinken umnebelt ist. Er war ein seltener Bursche, bis ihm eines Engländers Axt die Hirnschale traf; aber seit der Zeit schwatzt er närrisch, sobald ein Becher über seine Lippen gelaufen. – Sagte der Arzt dir etwas, Eviot?«

»Nichts; er wiederholte nur seinen Befehl, Euer Gnaden nicht zu stören.«

»Dem mußt du sicher gehorchen,« sagte der Ritter. »Ich fühle Schlaf kommen, den ich seit der unseligen Verwundung nicht genoß. – Wenigstens war's nur ein Augenblick, wenn ich schlief. Hilf mir das Kleid ablegen, Eviot.«

»Möge Gott und die Heiligen Euch gute Ruhe senden, Mylord,« sagte der Page, der sich zurückzog, nachdem er seinem verwundeten Herrn den verlangten Beistand geleistet.

Als Eviot das Zimmer verließ, murmelte der Ritter, dessen Hirn sich mehr und mehr verwirrte, des Pagen Abschiedsgruß vor sich hin.

»Gott – Heilige – ich habe unter solchem Segen gesund geschlafen. Aber nun – ich denke, wenn ich nicht zur Erfüllung meiner stolzen Hoffnungen auf Macht und Rache aufwache, so ist der beste Wunsch für mich, daß der Schlummer, der nun auf mein Haupt fällt, der Vorläufer des Schlafes wäre, der meine geliehenen Kräfte wieder zum ursprünglichen Nichtsein zurückbringt – ich kann nicht weiter darüber denken.«

So sprechend, fiel er in einen tiefen Schlaf.

Sechzehntes Kapitel

Zu Fastnacht, als wir lustig waren.


Schottisches Lied.

Die Nacht, welche auf Ramorny's Krankenbett sank, sollte keine ruhige sein. Zwei Stunden waren seit dem Abendgeläute vergangen, welches damals um sieben Uhr stattfand, und Alle hatten sich in jener alten Zeit zur Ruhe begeben, außer solche, die Andacht, oder Beruf, oder Ausschweifung munter erhielt; da es nun der Abend vor Fastnacht war, so waren die Orte der Fröhlichkeit von jenen dreien bei weitem am meisten bevölkert.

Das Volk hatte sich den ganzen Tag über beim Ballspiel ergötzt und ermüdet; die Ritter und Edeln hatten Hahnenkämpfe gehalten oder der üppigen Musik der Minstrels gelauscht, während die Bürger sich an Speckkuchen und fetter Brodsuppe gelabt hatten, – es war dies nämlich die Brühe, in welcher man gesalzenes Rindfleisch abgekocht, und worein man gerösteten Gries streute, ein Gericht, welches auch noch jetzt dem einfachen, altschottischer Sitte getreuen Gaumen nicht unangenehm ist. Diese Uebungen und Speisen waren dem Festtag eigenthümlich, auch war es strenge Regel, daß jeder gute Katholik am Abend so viel Bier und Wein trank, als er sich verschaffen konnte, und, wenn er jung und gewandt war, auf dem Ball tanzte oder unter den maurischen Tänzern eine Figur abgab, deren Kleidung in Perth, wie an anderen Orten, höchst seltsam war, und die sich durch Gewandtheit und Behendigkeit auszeichneten. Dieser Lustigkeit ließ man unter dem Vorwande freien Lauf, daß das große Fasten mit all' seinen Beschwerden und Entbehrungen nahe, und daß es daher klug sei, so viel Lust als möglich zu genießen und sich alle erdenklichen Thorheiten zu verzeihen, als man in dem kurzen Zeitraume vor dem Beginn jenes begehen konnte.

Die üblichen Vergnügungen hatten stattgefunden, und in den meisten Theilen der Stadt war die gewöhnliche Ruhe eingetreten. Besonders angelegen hatte es sich der Adel sein lassen, eine Erneuerung des Zwistes zwischen seinem Gefolge und den Bürgern der Stadt zu verhüten; so waren die Lustbarkeiten mit weniger Unfällen als sonst vorübergegangen, indem man nur drei Todte und einige gebrochene Glieder zählte, was aber so unbedeutende Leute betraf, daß man es nicht näherer Nachfrage werth hielt. Der Karneval schloß im Allgemeinen ruhig, aber an einigen Orten hatte man die Lust noch nicht eingestellt.

Eine Gesellschaft Schwärmer, die man besonders bemerkt und mit Beifallruf begleitet hatte, schienen ihre Lustbarkeit ungern zu schließen. Die Entry (Liste der Tänzer), wie man es nannte, bestand aus dreizehn Personen, gleichmäßig gekleidet, in dicht anschließenden Wämsern von Gemsleder, seltsam gezeichnet und gestickt. Sie trugen grüne Mützen mit silbernen Troddeln, rothe Bänder, weiße Schuhe, an Knieen und Knöcheln kleine Schellen und ein bloßes Schwert in der Hand. Diese geschmückte Schaar hatte vor dem König den Schwerttanz aufgeführt, der im Zusammenschlagen der Waffe und einem Wechsel seltsamer Stellungen bestand. Sie waren eben im Begriff, ihre Geschicklichkeit zum zweiten Male vor Simon Glovers Thür zu zeigen, ließen für sich und die Zuschauer Wein bringen und tranken laut jubelnd auf das Wohl des schönen Mädchens von Perth. Der alte Simon erschien an der Thür seiner Wohnung, um die Artigkeit seiner Mitbürger anzuerkennen, und dagegen den Wein zu Ehren der lustigen Mohrentänzer von Perth umgehen zu lassen.

»Wir danken dir, Vater Simon,« sagte eine Stimme, die in einem künstlichen Gequik den Ton des Oliver Proudfute schlecht zu verbergen strebte. »Aber ein Anblick deiner lieblichen Tochter wäre unserem jungen Blut süßer gewesen, als ein ganzes Faß voll Malvasier.«

»Ich dank' euch, Nachbarn, für euer Wohlwollen,« erwiderte der Handschuhmacher. »Meine Tochter ist nicht wohl und kann nicht in die kalte Nachtluft kommen – aber wenn dieser fröhliche Herr, dessen Stimme ich kennen sollte, in mein armes Haus kommen will, so wird sie ihm den Dank für die Uebrigen übertragen.«

»Bringt ihn uns in Greif's Schenke,« riefen die übrigen Tänzer ihrem begünstigten Gefährten zu; »denn dort wollen wir Kehraus machen und die Gesundheit der schönen Katharina noch einmal trinken.«

»Ich bin in einer halben Stunde bei euch,« sagte Oliver, »und will sehen, wer die größte Flasche leert oder das lauteste Lied singt. Ja, ich will so lustig sein zum Schluß des Karnevals, als sollte sich mit den Fasten mein Mund für immer schließen.«

»So lebt wohl,« riefen seine Genossen im Mohrentanz; »lebt wohl, lustiger Strumpfwirker, bis wir uns wiedersehen.«

Die Mohrentänzer setzten also ihren Zug fort, tanzend und singend, während sie, von vier Musikanten geführt, hingingen, und Simon Glover ihren Koryphäen in sein Haus zog und ihm einen Stuhl an das Feuer rückte.

»Aber wo ist Eure Tochter?« sagte Oliver. »Sie ist der Magnet für uns tapfere Degen.«

»Ei, sie hütet wirklich ihr Zimmer, Nachbar Oliver; »und, um offen zu sprechen, sie hütet ihr Bett.«

»Ei, dann will ich hinauf und sie in ihrem Kummer sehen – Ihr habt meinen Zug gestört, Gevatter Glover, und Ihr seid mir Ersatz schuldig; ein lustiger Degen, wie ich, will nicht Beides, das Mädchen und das Glas, verlieren. – Sie hütet das Bett wirklich?

Mein Hund und ich besuchen dir


Zu gern nur kranke Mädchen hier;


Wenn krank sie und am Sterben sind,


Dann kommt mein Hund und ich geschwind.

Und sterb' ich, wie es doch muß sein,


So scharrt mich unter'm Bierfaß ein;


Verschlung'nen Arm's ruht sicherlich


Und traulich dann mein Hund und ich.«

»Kannst du nicht einen Augenblick ernst sein, Nachbar Proudfute?« sagte der Handschuhmacher; »ich habe ein Wort mit dir zu reden.«

»Ernst?« antwortete der Gast; »ei, ich bin den ganzen Tag ernst gewesen – ich kann kaum den Mund aufthun, ohne daß etwas von Tod, Begräbniß und dergleichen herauskommt – das sind die ernstesten Gegenstände, die ich kenne.«

»Bei St. John, Mensch!« sagte der Handschuhmacher, »bist du dem Tode geweiht?«

»Nein, ganz und gar nicht – 's ist nicht mein eigener Tod, den diese düsteren Gedanken anzeigen – ich habe ein gutes Horoscop und werde noch fünfzig Jahre leben. Aber es ist das Geschick des armen Schelms – des Douglassöldners, den ich im Gefecht am Valentinstag niederschlug – er starb letzte Nacht – das ist's, was mir auf der Seele lastet und düstere Gedanken weckt. Ach, Vater Simon, wir Kriegsleute, die wir Blut in unserem Zorn vergießen, haben manchmal finstere Gedanken – ich wünsche bisweilen, daß mein Messer nichts als verworrene Fäden zerschnitten hätte.«

»Und ich wünsche,« sagte Simon, »das meine hätte nichts als Bockleder zerschnitten, denn es schnitt bisweilen in meinen eigenen Finger. Aber du kannst deine Gewissensbisse jetzt sparen; in dem Gefechte ward nur ein Mann gefährlich verwundet, der, welchem Harry Schmied die Hand abhieb, und er hat sich wieder erholt. Sein Name ist der schwarze Quentin, einer aus Sir John Ramorny's Gefolge. Man hat ihn insgeheim nach seiner Heimath Fife geschickt.

»Was, der schwarze Quentin? – ei, das ist derselbe Mann, den Harry und ich, als wir dicht beisammen standen, im nämlichen Augenblicke trafen, nur daß mein Hieb etwas früher fiel. – Ich fürchte, es wird weitere Fehde nach sich ziehen, und der Oberrichter theilt meine Meinung. – Und er hat sich erholt? Ei, dann will ich fröhlich sein, und da du mich nicht sehen lassen willst, wie Katharina ihr Nachtkleid steht, so will ich nach dem Greif zu meinen Mohrentänzern.«

»Nein, wartet einen Augenblick. Du bist ein Kamerad Harry Wynds, und hast ihm den Dienst erwiesen, ein paar Thaten für ihn zu verrichten, wie unter anderen diese letzte. Ich wollte, du könntest ihn von anderen Beschuldigungen reinigen, womit ihn das Gerücht beladen hat.«

»Nun, ich will beim Griff meines Schwertes schwören, daß sie falsch sind, wie die Hölle, Vater Simon. – Wie! Degen und Schilder! Sollen Männer des Schwertes einander im Stich lassen?«

»Ei, Nachbar Strumpfwirker, sei geduldig; du möchtest dem Schmied einen Dienst thun, und du bist so auf dem rechten Wege. Ich suche deinen Rath hinsichtlich dieser Angelegenheit – nicht als hielte ich dich für den weisesten Kopf in Perth, denn wenn ich das sagte, so würd' ich lügen.«

»Ja, ja,« antwortete der selbstzufriedene Strumpfwirker; – »ich weiß, was Ihr mir zur Last legt – Ihr kalten Köpfe denkt, wir Hitzköpfe sind Narren. – Ich habe die Leute den Harry Wynd wohl zwanzig Mal so nennen hören.«

»Narr genug und kalt genug reimt sich fast zusammen,« sagte der Handschuhmacher; »du bist gutmüthig und liebst deinen Kameraden. Es steht mit uns und ihm jetzt übel,« fuhr Simon fort. »Du weißt, daß von einer Heirath zwischen meiner Tochter und Harry Gow die Rede gewesen ist?«

»Ich habe so ein Lied gehört seit dem St. Valentinsmorgen – Ach! der das schöne Mädchen von Perth gewinnt, muß ein glücklicher Mann sein – und doch verdirbt die Ehe manchen hübschen Burschen – ich selber bedaure fast – «

»Bitte, laß dein Bedauern für diesmal sein, Freund,« unterbrach ihn der Handschuhmacher etwas kurz. »Ihr müßt wissen, Oliver, daß einige der schwatzhaften Weiber, die alle Angelegenheiten in der Stadt zu ihren eigenen machen, Harry beschuldigt haben, er gebe sich mit Sängerinnen und dergleichen ab. Katharina nahm es sich zu Herzen, und ich hielt mein Kind für beleidigt, weil sich Harry gar nicht betrug, wie es einem Valentin ziemte, sondern am nämlichen Tag, wo er der alten Sitte gemäß die beste Gelegenheit hatte, mit meiner Tochter von seiner Liebe zu reden, eine unanständige Gesellschaft vorzog. Auch versagte ich ihm, da er Abends sehr spät zu mir kam, die Thür, und wie ein alter Narr bat ich ihn, in sein Haus zu der Gesellschaft zurückzugehen, aus der er herkomme. Ich habe ihn seitdem nicht gesehen und fange an, meine Hitze für vorschnell zu halten. Katharina ist meine einzige Tochter, aber lieber wollt' ich sie im Grabe sehen, als einem Liederlichen geben. Indes kenne ich Harry Gow wie meinen eigenen Sohn, ich kann nicht glauben, daß er uns beleidigen wollte, und ohne Zweifel läßt sich der ihm aufgebürdete Fehler zu seinem Vortheil erklären. Man rieth mir, mich an Dwining zu wenden, der dem Schmied auf dem Spaziergang mit seiner Genossin begegnete. Wenn ich dem Apotheker glaube, so war es Harry's Muhme, Joan Letham. Aber du weißt, daß der Quacksalber immer mit seinem Gesicht diese Sprache redet und mit seiner Zunge eine andere. – Nun, du Oliver, hast, wie ich denke, zu wenig Witz – ich meine zu viel Ehrbarkeit – um die Wahrheit zu belügen, und da Dwining mich merken ließ, daß auch du sie gesehen hast –«

»Ich sie gesehen, Simon Glover? Wird Dwining sagen, daß ich sie sah?«

»Nein, nicht so ganz bestimmt – aber er sagt, Ihr erzähltet ihm, daß Ihr den Schmied in solcher Gesellschaft getroffen.«

»Er lügt, und ich will ihn in einem Mörser zerstampfen!« sagte Oliver Proudfute.

»Wie? Erzähltet Ihr ihm nichts von einer solchen Begegnung?«

»Und wenn ich es nun that?« sagte der Strumpfwirker. »Schwur er nicht, daß er keinem Sterblichen je wieder sagen wolle, was ich ihm mittheilte? Und daher macht' er sich, indem er Euch die Sache erzählte, zum Lügner.«

»Also trafst du den Schmied,« sagte Simon, »nicht mit einem so lockern Gepäck, wie das Gerücht sagt?«

»Ei, zum Henker, nein – vielleicht war's so, vielleicht nicht. Denkt, Vater Simon, ich bin seit vier Jahren ein Ehemann, und könnt Ihr von mir denken, ich könne mich an die Knöchel einer Sängerin, an ihren Fuß, an die Stickerei ihres Rockes und solches Zeug erinnern? Nein, ich überlasse das unverheiratheten jungen Burschen, wie mein Gevatter Harry.«

»Der Schluß ist also,« sagte der Handschuhmacher sehr mißmuthig, »Ihr begegnetet ihm doch am St. Valentinstag auf offener Straße spazierend –«

»Nicht doch, Nachbar; ich traf ihn in dem entferntesten und dunkelsten Gäßchen von Perth, eilig seinem Hause zusteuernd mit Sack und Pack, welches er, als galanter Bursch, aus dem Arme trug, den kleinen Hund auf dem einen, während ihm die Donna – mir kam sie recht hübsch vor – am andern hing.«

»Nun, bei St. John!« sagte der Handschuhmacher, »diese Schmach könnte einen Christenmenschen seinen Glauben verläugnen und Mahomed in seinem Zorn anbeten lassen! Aber er hat meine Tochter zum letzten Mal gesehen. Ich sähe lieber, sie ginge mit einem barfüßigen Räuber nach den Hochlanden, als daß sie Einen heirathete, der auf solche Weise Ehre und Anstand vergessen kann. – Es ist aus mit ihm!«

»Ei, ei, Vater Simon,« sagte der freisinnige Strumpfwirker; »Ihr betrachtet die Welt nicht aus dem Standpunkte jungen Blutes. Sie waren nicht lange beisammen, denn – die Wahrheit zu sagen, ich gab ein Bischen auf ihn Achtung – ich traf ihn vor Sonnenaufgang, seine irrende Dirne nach unserer Frauen Treppe führend, damit sich die Dirne auf dem Tay einschiffen sollte; und ich weiß gewiß – denn ich erkundigte mich – daß sie nach Dundee absegelte. So seht Ihr also, es war nur eine kleine Jugendverirrung.«

»Und er kam hierher,« sagte Simon bitter, »und bat um Zutritt bei meiner Tochter, während ihn daheim seine Buhlerin erwartete! Lieber wollt' ich, er hätt' ein Dutzend Menschen erschlagen! – Das wäre nicht der Rede werth, am wenigsten bei dir, Oliver Proudfute, der, wenn du nicht so Einer bist, wie er, doch dafür gehalten sein möchte. Aber –«

»Ei, nehmt die Sache nicht so ernstlich,« sagte Oliver, der zu erwägen begann, welches Unheil sein Geschwätz wahrscheinlich für seinen Freund anstiften mußte, und welche Folgen Harry Gows Mißfallen haben werde, wenn er hinter die Eröffnung käme, die er mehr aus Herzensalbernheit als in böser Absicht gemacht hatte. »Bedenkt,« fuhr er fort, »daß solche Thorheiten der Jugend zuzuschreiben sind. Gelegenheit reizt die Menschen zu solchen Vergehungen und das Geständniß wird sie auslöschen. Ich scheue mich nicht, dir zu sagen, daß, obwohl mein Weib eine so hübsche Frau ist, als die Stadt nur eine hat, ich doch selber –«

»Still, thörichter Prahler!« sagte der Handschuhmacher hoch erzürnt; »Deine Liebschaften und deine Schlachten sind beide gleich apokryphisch. Wenn du einmal lügen mußt, was, wie mich dünkt, in deiner Natur liegt, kannst du nicht wenigstens eine Lüge erfinden, die dir Ehre macht? Glaubst du nicht, daß ich in dein Herz sehe, wie ich das Licht durch das Horn einer schlechten Laterne sehe? Glaubst du nicht, daß ich weiß, du elender Weber schmutzigen Garns, wie du nicht mehr wagtest, durch deine eigene Thür zu gehen, wenn dein Weib gehört hätte, wessen du dich rühmst? Daß du nicht den Muth hättest, dein Schwert mit einem zwölfjährigen Knaben zu kreuzen, der das seine zum ersten Mal in seinem Leben zöge? Bei St. John, es hieße Euch für die Mühe Eurer Klatschereien zahlen, deinem Weibe die Kunde deiner lustigen Streiche zuzuschicken.«

Der Strumpfwirker fuhr bei dieser Drohung zusammen, wie wenn ein Armbrustbolzen, da er's am wenigsten erwartete, an seinem Kopf vorbeigepfiffen wäre. Mit zitternder Stimme erwiderte er: »Ei, guter Vater Glover, du nimmst dir zu viel heraus auf Kosten deines grauen Haares. Erwäge, guter Nachbar, du bist zu alt, um dich mit einem jungen Kriegsmann zu messen. Und was meine Magda betrifft, so kann ich dir trauen, denn ich weiß, daß sich Keiner weniger scheut, als du, den Frieden einer Familie zu stören.«

»Deine Dummheit vertraue nicht länger auf mich,« sagte der erzürnte Handschuhmacher; »aber schaffe dich selbst und das Ding, welches du einen Kopf nennst, aus meinem Bereich, oder ich borge fünf Minuten meiner Jugend zurück und breche dir den Schädel!«

»Ihr habt einen lustigen Fastnachtabend gehalten, Nachbar,« sagte der Strumpfwirker, »und ich wünsche Euch einen ruhigen Schlaf; wir werden morgen bessere Freunde sein.«

»Aus meinem Hause heut' Nacht!« sagte der Handschuhmacher. »Ich schäme mich, daß eine so thörichte Zunge, wie die deine, mich so aufzubringen vermochte. – Narr – Thier – klatschzüngiger Thor!« sprach er für sich weiter, sich selber in einen Stuhl werfend, als der Strumpfwirker verschwand; »daß ein Kerl, der aus Lügen besteht, keine finden kann, wenn es gilt, die Schmach eines Freundes zu verbergen? Und ich, wer bin ich, daß ich wünschte, die ungeheure Schmach, die mich und meine Tochter traf, entschuldigt zu sehen? Und doch, ich dachte so gut von Harry, daß ich alle Lügen zu glauben bereit war, die der prahlerische Esel hätte erfinden können. Nun wohlan! Es ist nicht der Mühe werth, daran zu denken. Unser ehrlicher Name muß bleiben und sollte auch Alles sonst zu Grunde gehen.«

Während der Handschuhmacher sich über die unwillkommene Bestätigung des Gerüchtes moralisirte, das er gern für unwahr gehalten hätte, hatte der verwiesene Mohrentänzer Muße, in der beruhigenden Luft einer kalten und finstern Februarnacht über die Folgen von des Handschuhmachers ungezähmtem Zorne nachzudenken.

»Aber er ist nichts,« dachte er bei sich, »gegen den Zorn Harry Wynds, der einen Menschen um weit Geringeres getödtet hat, als die Erregung von Zwiespalt zwischen ihm und Katharina, so wie dem hitzigen alten Vater. Gewiß, ich hätte lieber Alles läugnen sollen. Aber die Lust, als ein gewandter Galan zu scheinen, – der ich in der That bin – überwältigte mich. Thu' ich gut, im Greif das Fest zu beschließen? Magda wird lärmen, wenn ich nach Hause komme. Doch, heut' ist ja Fastnacht, da darf ich mir schon was erlauben. Da fällt mir ein guter Gedanke bei: ich gehe nicht zum Greif, ich will mich zum Schmied begeben; er muß daheim sein, da ihn heut' noch Niemand gesehen hat. Ich will Frieden mit ihm zu machen suchen und ihm meine Vermittelung beim Handschuhmacher antragen. Harry ist ein ehrlicher, gerader Bursch, und obwohl ich gestehen muß, daß er bei einem Tumult tüchtiger ist, als ich, so kann ich doch im Wortstreit machen, was ich will. – Die Straßen sind jetzt ruhig, die Nacht ist finster, und ich verberge mich leicht, wenn mir Jemand begegnet. Ja, ich will zum Schmied gehen – und, wenn ich mir seine Freundschaft erhalte, den alten Simon auslachen. St. Ringan bringe mich sicher durch diese Nacht, und ich will mir die Zunge lieber ausreißen, eh' sie meinen Kopf wieder in solche Gefahr bringen soll! Jener alte Bursche glich, als sein Blut wallte, eher einem Menschen, der Büffelkoller durchhaut, als einem Gemsfellschneider.«

Mit diesen Betrachtungen wandelte der gewaltige Oliver eilig, doch so geräuschlos wie möglich, nach dem Wynd, wo, wie unsere Leser wissen, der Schmied seine Wohnung hatte. Aber das böse Geschick ließ nicht ab, ihn zu verfolgen. Als er sich nach der hohen oder Hauptstraße wandte, hörte er einen musikalischen Akkord, begleitet von einem lauten Jubel, in der Nähe.

»Meine lustigen Genossen, die Mohrentänzer,« dachte er; »ich kenne des alten Jeremias Geige unter hundert andern. Ich will mich über die Straße wagen, eh' sie herankommen – wenn man mich erspäht, werden sie denken, ich habe ein besonderes Abenteuer, und das wird meine Ehre als wackerer Raufbold erhöhen.«

Mit diesem Verlangen nach Auszeichnung unter den Fröhlichen und Tapfern, welches jedoch im Innern klügere Betrachtungen bekämpften, machte der Strumpfwirker einen Versuch, über die Straße zu gehen. Aber die Nachtschwärmer, wer sie auch sein mochten, waren von Fackeln begleitet, deren Licht auf Oliver fiel, dessen hellfarbiges Kleid ihn um so leichter sichtbar machte. Der allgemeine Ruf; »Ein Fang! ein Fang!« übertäubte den Gesang des Minstrels, und bevor der Strumpfwirker entscheiden konnte, ob es besser sei, zu stehen oder zu fliehen, ergriffen ihn zwei gewandte junge Männer, gehüllt in phantastische Maskengewänder, wilde Menschen vorstellend und große Keulen tragend, die in tragischem Tone sagten: »Ergib dich, Mann der Schellen und des Bombasts; ergib dich auf Gnad' und Ungnade, oder du bist nur ein todter Mohrentänzer.«

»Wem soll ich mich ergeben?« sagte der Strumpfwirker mit bebender Stimme; denn obwohl er sah, daß er's mit einer Gesellschaft Masken zu thun hatte, welche nur Vergnügen suchten, so bemerkte er doch zu gleicher Zeit, daß sie weit über seinem Stande waren, und er verlor die Kühnheit, die nöthig war, seine Rolle in einem Spiele zu unterstützen, wobei der Schwächere wahrscheinlich am schlechtesten wegkommen mußte.

»Du raisonnirest, Sclave?« antwortete eine der Masken; »soll ich dir zeigen, daß du ein Gefangener bist, indem ich dir zugleich die Bastonade gebe?«

»Ganz und gar nicht, Gewaltiger aus Indien,« sagte der Strumpfwirker; »wahrlich, ich stehe Euch durchaus zu Befehl.«

»So komm,« sagten Jene, die ihn gefangen hatten, »komm, und huldige dem Kaiser der Gaukler, dem König der Springer und dem Großherzog der finstern Stunden, und erkläre, mit welchem Rechte du so anmaßend warst, zu singen und zu tanzen und Schuhleder in seinen Bereich zu tragen, ohne ihm Tribut zu geben. Weißt du nicht, daß du die Strafe des Hochverraths verwirkt hast?«

»Das wäre hart, dünkt mich,« sagte der arme Oliver, »da ich nicht wußte, daß Se. Majestät diesen Abend die Herrschaft übte. Aber ich will gern das Vergnügen büßen, wenn die Börse eines armen Strumpfwirkers es vermag, einige Kannen Wein oder so etwas als Strafe zu entrichten.«

»Bringt ihn vor den Kaiser!« schrie man allgemein; und der Mohrentänzer ward vor die schmächtige, aber hübsche und leichte Gestalt eines jungen Mannes gestellt, welcher prächtige Kleider, Gürtel und eine Tiara von Pfauenfedern trug, die man damals als große Seltenheit aus Indien brachte. Eine kurze Jacke schloß sich unter der Brust über einem Leopardenfell; im Uebrigen war er mit fleischfarbener Seide bedeckt und sah einem indischen Fürsten ganz ähnlich; er trug Sandalen, die mit scharlachrothen Seidenbändern befestigt waren, und eine Art Fächer, wie die Damen damals brauchten, ebenfalls aus Pfauenfedern bestehend, die in einem Büschel zusammenstanden.

»Was für einen Patron haben wir da,« fragte der indische Häuptling, »der es wagt, die Mohrenglocken an die Knöchel eines dummen Esels zu binden? – Hört Ihr, Freund, Euer Kleid macht Euch zu unserem Unterthan, da unser Reich sich über's ganze Narrenland erstreckt, umfassend Gaukler und Minstrels jeder Gattung. – Wie, ist die Zunge gefesselt? Er braucht Wein – gebt ihm eine Nußschale voll Sect!«

Eine gewaltige Kürbisflasche voll Sect ward den Lippen des Flehenden geboten, während dieser Fürst der Schwärmer ihn ermahnte: –

»Knack' mir diese Nuß und mach' es hübsch und ohne Grimassen.«

Aber wie gern auch Oliver einen guten Schluck dieses trefflichen Weines genossen hätte, so erschreckte ihn doch die Menge, die er bewältigen sollte. Er that einen Zug und bat dann um Gnade.

»Mit Eurer fürstlichen Erlaubniß, ich habe noch weit zu gehen, und wenn ich Eurer Majestät Huld völlig genießen wollte, wofür Ihr meinen schuldigen Dank annehmen mögt, so würd' ich nicht im Stande sein, über den nächsten Graben zu schreiten.«

»Bist du im Stande, dich als lustiger Bruder zu betragen? Nun, thu' einen Sprung – ha! eins – zwei – drei – vortrefflich! – noch einmal – gebt ihm den Sporn – (hier gab ein Trabant des Indiers Oliver einen leichten Schwertstreich) – nein, das war das Beste von Allem – er sprang wie eine Katze in der Dachrinne! Gebt ihm die Nuß noch einmal – nun, keinen Zwang, er hat seine Buße gezahlt, und verdient nicht nur freie Entlassung, sondern Belohnung. Knie nieder, knie, und steh' auf Sir Ritter von der Kürbißflasche! Wie heißt du? Leih' mir Einer von Euch ein Rapier.«

»Oliver, wenn's Euer Gnaden gefällt – Eurer Majestät, wollt' ich sagen.«

»Oliver, Mann? na, dann bist du schon einer der zwölf Pairs, und das Schicksal ist unserer beabsichtigten Beförderung zuvorgekommen. Aber steh' auf, werther Sir Oliver Strohkopf, Ritter des ehrenwerthen Ordens vom Tanzschuh. – Steh' auf im Namen des Unsinns, und geh' deinen eignen Schlichen nach und der Teufel geh' mit dir.«

Mit diesen Worten gab der Fürst der Schwärmer mit flacher Klinge des Strumpfwirkers Schultern einen Schlag, und Oliver sprang mit mehr Behendigkeit, als er bisher gezeigt hatte, auf seine Füße und tanzte, angetrieben durch das Lachen und Halloh, das sich hinter ihm erhob, an des Schmieds Hause an, so eilend, wie ein gejagter Fuchs bei seiner Höhle.

Erst als der in Furcht gejagte Strumpfwirker einen Schlag an die Thür gethan hatte, besann er sich, daß er vorher hätte überlegen sollen, auf welche Art er sich bei Harry einführen und wie er dessen Vergebung für die unbedachten Mittheilungen bei Simon Glover erlangen könnte. Man antwortete nicht auf sein erstes Klopfen, und vielleicht hätte in dem Augenblick, da all' diese Betrachtungen in seinem erschreckten Gemüthe sich erhoben, der Strumpfwirker seinen Plan aufgegeben, aber ein ferner Schall von Gesang weckte seine Besorgnisse, wieder in die Hände der lustigen Masken zu fallen, denen er entgangen war, und er erneuerte sein Klopfen am Thor der Schmiedswohnung mit hastiger, obwohl zitternder Hand. Dann vernahm er die tiefe, aber wohlklingende Stimme Harry Gow's, der von innen rief: – »Wer klopft zu dieser Stunde? – und was ist Euer Begehr?«

»Ich bin's – Oliver Proudfute,« erwiderte der Strumpfwirker; »ich hab' Euch einen lustigen Spaß zu erzählen, Gevatter Harry.«

»Bring' deine Narrheit auf einen andern Markt. Ich bin in keiner scherzhaften Laune,« sagte Harry; »geh' fort. – Ich will heut' Nacht Niemand sehen.«

»Aber, Gevatter – guter Gevatter,« antwortete der Kriegsheld außen, »ich bin von Schurken bedrängt und bitte um den Schutz deines Hauses.«

»Narr, der du bist!« erwiderte Harry; »kein Hahn vom Düngerhof, der schlechteste, der an diesem Fastnachtabend gekämpft hat, würde seine Federn gegen einen solchen feigen Vogel, wie du bist, sträuben!«

In diesem Augenblick ertönte wieder Gesang, und zwar, wie der Strumpfwirker merkte, viel näher, wodurch seine Besorgniß auf's Höchste stieg; mit einer Stimme, welche unverkennbar die größte Furcht ausdrückte, rief er: –

»Um unserer guten Gevatterschaft und der Liebe unserer lieben Frau willen, laßt mich ein, Harry, wenn Ihr mich nicht als blutigen Leichnam an Eurer Thür finden wollt, erschlagen von dem blutgierigen Douglas!«

»Das würde eine Schande für mich sein,« dachte der gutmüthige Schmied; »und er kann allerdings in wirklicher Gefahr sein. Es streifen Falken umher, die auf einen Sperling so gut wie auf einen Reiher stoßen.«

Mit diesen Gedanken, halb gemurmelt, halb gesprochen, that Harry seine wohlbefestigte Thür auf, um die Wahrheit der Gefahr zu untersuchen, bevor er seinen unwillkommenen Gast in sein Haus treten ließ. Aber während er sich in der Straße umsah, um zu erkennen, wie die Sachen ständen, schlüpfte Oliver in das Haus wie ein gehetztes Reh in ein Dickicht, und ließ sich bei des Schmieds Küchenfeuer nieder, bevor Harry die Straße auf- und absehen und sich überzeugen konnte, daß den besorgten Flüchtling keine Feinde verfolgten. Er schloß daher seine Thür und kehrte in die Küche zurück, unzufrieden, daß er seine melancholische Einsamkeit hatte stören lassen, indem er Befürchtungen theilte, die doch, wie er denken konnte, bei seinem furchtsamen Mitbürger so leicht zu erregen waren.

»Wie nun?« sagte er kalt genug, als er den Strumpfwirker ruhig an seinem Herde sitzen sah. »Was sind das für thörichte Possen, Meister Oliver? – ich sehe Niemand in der Nähe, der Euch Etwas zu Leide thun will.«

»Gib mir was zu trinken, guter Gevatter,« sagte Oliver, »ich bin von der Eile erschöpft, mit der ich hierher zu kommen suchte.«

»Ich habe geschworen,« sagte Harry, »daß dieß keine lustige Nacht in diesem Hause sein soll – ich bin in meinen Werkeltagskleidern, wie Ihr seht, und halte Fasten, wozu ich guten Grund habe, statt des Festes. Ihr habt genug getrunken für den Festabend, denn die Zunge ist Euch bereits schwer. Wenn Ihr noch mehr Bier oder Wein wollt, müßt Ihr anderswohin gehen.«

»Ich habe schon mehr als genug gehabt,« sagte der arme Oliver, »und wäre fast darin ersäuft worden. – Die verfluchte Kürbißflasche! – einen Trunk Wasser, guter Gevatter! – Darum laßt Ihr mich doch nicht umsonst bitten? oder, wenn Ihr wollt, einen Becher Dünnbier.«

»Nun, wenn das Alles ist,« sagte Harry, »das soll nicht fehlen. Aber es muß viel gewesen sein, was dich dahin brachte, um solchen Trank zu bitten.«

So sprechend füllte er eine Quartflasche aus einem Fasse, das in der Nähe stand, und setzte sie seinem Gaste vor. Oliver nahm sie sogleich, führte sie mit zitternder Hand zum Munde, und schlürfte den Inhalt mit Lippen, die vor Aufregung bebten, und obwohl das Getränk so dünn war, als er verlangt hatte, so war er doch so erschöpft von der Furcht wegen Angriffen und von früheren Gelagen, daß, als er die Flasche auf den Eichentisch setzte, er einen tiefen Seufzer der Beruhigung hören ließ und schwieg.

»Nun, jetzt habt Ihr Euern Trunk gehabt, Gevatter,« sagte der Schmied, »was bedürft Ihr sonst? Wo sind die, die Euch bedrohten? Ich konnte Niemand sehen.«

»Nein – aber es waren zwanzig, die mich nach dem Wynd verfolgten,« sagte Oliver. »Als sie uns aber beisammen sahen, so verloren sie freilich den Muth, der Alle gegen Einen von uns gebracht hätte.«

»Ei, treib' keinen Scherz, Freund Oliver,« erwiderte sein Wirth. »Dazu bin ich nicht aufgelegt.«

»Ich scherze nicht, bei St. John von Perth. Ich bin angehalten und schnöde behandelt worden (dabei fuhr seine Hand über den angegriffenen Theil), und zwar durch den tollen David von Rothsay, den tobenden Ramorny und die Anderen. Sie ließen mich eine Viertelstonne Malvasier trinken.«

»Du redest thöricht, Mensch, – Ramorny ist krank und dem Tode nah', wie der Apotheker überall erzählt; sie, und zumal Ramorny, können gewiß um Mitternacht nicht aufstehen, um solche Possen zu treiben.«

»Ich kann's zwar nicht behaupten,« erwiderte Oliver; »aber ich sah die Gesellschaft bei Fackellicht, und ich kann einen körperlichen Eid schwören, daß ich sie an den Mützen erkannte, die ich seit dem Unschuldigen-Kindeltag für sie gemacht habe. Sie sind wunderlich geformt und ich muß doch mein eigenes Gewebe kennen.«

»Nun, es kann dir ein Leid zugefügt worden sein,« antwortete Harry. »Wenn du in wirklicher Gefahr bist, so will ich dir hier ein Bett machen lassen. Aber Ihr müßt Euch sogleich hineinlegen, denn ich bin nicht aufgelegt zum Plaudern.«

»Ach, ich würde dir für ein Nachtquartier sehr danken, aber meine Magda wird böse – das heißt, nicht böse, denn darnach frag' ich nichts – aber, die Wahrheit zu sagen, sie ist gar zu besorgt in einer lustigen Nacht wie diese, da sie weiß, mein Sinn gleicht dem deinigen – ein Wort und ein Hieb.« »Nun, dann geh' heim,« sagte der Schmied, »und zeig' ihr, daß ihr Schatz in Sicherheit ist, Meister Oliver – die Straßen sind ruhig – und um offen zu reden: ich möchte allein sein.«

»Ach, ich hab' aber noch über wichtige Dinge mit dir zu reden,« erwiderte Oliver, der sich scheute zu bleiben, und doch auch nicht gern gehen wollte. »Es hat Lärm gegeben in unserm Stadtrath wegen der Geschichte vom Valentinsabend. Der Oberrichter sagte mir vor kaum vier Stunden, der Douglas und er wären übereingekommen, die Fehde durch einen Kämpfer von jeder Partei zu entscheiden, und es werde unser Bekannter, der Teufels-Dick, seinen Adel bei Seite setzen und die Sache des Douglas und der Edelleute verfechten. Obwohl ich nun der ältere Bürger bin, so will ich doch gern um unsrer alten Liebe und Freundschaft willen dir den Vorrang lassen, und mich mit dem bescheidenen Amte des Sekundanten begnügen.«

Harry Schmied, obwohl ungehalten, konnte doch kaum ein Lächeln unterdrücken.

»Wenn es das ist, was deine Ruhe stört und dich um Mitternacht von deinem Bette fern hält, so will ich die Sache abmachen. Du sollst den dir angebotenen Vorzug nicht einbüßen. Ich habe einige Dutzend Zweikämpfe durchgefochten – nur allzuviel. Du bist, denk' ich, blos deinem hölzernen Sultan begegnet – es wäre unbillig – ungerecht – unfreundlich – wenn ich dein freundliches Anerbieten mißbrauchte. So geh' heim, guter Freund, und laß nicht die Furcht, Ruhm einzubüßen, deinen Schlummer stören. Ruhe in der Ueberzeugung, daß du der Anforderung antworten wirst, wozu du das Recht hast, da dich der grobe Reiter beleidigte.«

»Sehr dankbar, herzlichen Dank,« sagte Oliver, sehr verlegen durch seines Freundes unerwartete Nachgiebigkeit. »Du bist der gute Freund, wie ich dich immer kannte. Aber ich hege zu viel Freundschaft für Harry Schmied, als er für Oliver Proudfute. Ich schwöre bei St. John, ich will nicht zu deinem Nachtheil in diesem Streite fechten. Das ist nun ausgesprochen und die Versuchung kann mir nichts mehr anhaben, da du mich nicht meineidig sehen sollst und gäb' es zwanzig Duelle zu bestehen.«

»Hör',« sagte der Schmied, »bekenne, daß du Furcht hast, Oliver. Sage gleich die ehrliche Wahrheit, oder ich lasse dich das Duell ausfechten, so gut du kannst.«

»Ei, guter Gevatter,« erwiderte der Strumpfwirker, »du weißt, ich fürchte mich nie. Aber, in Wahrheit, Jener ist ein verzweifelter Schurke; und da ich ein Weib habe – die arme Magda, du weißt ja – und kleine Familie, und du –«

»Und ich,« antwortete Harry heftig, »habe keine, und nie werd' ich eine haben.«

»Ei, wirklich – so ist es allerdings – und daher wollt' ich, du föchtest lieber diesen Kampf als ich.«

»Nun, bei unserer lieben Frau, Gevatter!« antwortete der Schmied, »du bist leicht fertig! Wisse, du thörichter Bursche, daß Sir Patrick Charteris, der immer ein lustiger Mann ist, nur mit dir gespaßt hat. Meinst du, er würde die Ehre der Stadt auf deinen Kopf wagen? oder daß ich dir den Vorrang lassen würde, wo es eine solche Sache gilt? Nun gut, geh' heim, laß dir von Magda eine warme Nachtmütze um den Kopf binden; nimm ein gutes Frühstück und ein Glas Branntwein, und du wirst im Stande sein, morgen deinen hölzernen Dromond oder Sultan, wie du ihn nennst, zu bekämpfen, das einzige Wesen, welches je deine Hiebe treffen werden.«

»Ach, wie du sprichst, Kamerad!« antwortete Proudfute, sehr erleichtert, aber doch für nöthig erachtend, den Beleidigten zu spielen. »Ich kümmere mich nicht um deine schlechte Laune; es ist gut für dich, daß du meine Geduld nicht so weit erschöpfen kannst, um mit dir zu streiten. Genug – wir sind Gevattern und das ist dein Haus. Warum sollten die beiden besten Klingen in Perth einander bekämpfen? Ei, ich kenne deine üble Laune und kann sie verzeihen. – Aber ist die Fehde wirklich aufgehoben?«

»So vollkommen, als je ein Hammer einen Nagel befestigte,« sagte der Schmied. »Die Stadt hat dem Johnston eine Börse Gold gegeben, daß er sie nicht eines Ruhestörers, genannt Oliver Proudfute, beraubte, als er ihn in seiner Gewalt hatte; und dieses Gold kauft für den Oberrichter die Insel Steepleß, die ihm der König schenkt, denn der König zahlt Alles in der Länge. Und so bekommt Sir Patrick den hübschen Inch, der seiner Wohnung gegenüberliegt, und alle Ehre auf beiden Seiten ist gerettet, denn was dem Oberrichter gegeben wird, wird, versteht sich, der Stadt gegeben. Ueberdieß hat Douglas die Stadt verlassen, um gegen die Engländer zu marschiren, die, wie man sagt, von dem treulosen Grafen von March über die Grenze gerufen sind. So ist die gute Stadt ihn und sein Gefolge los.«

»Aber, in St. Johns Namen, wie ist das Alles zugegangen?« sagte Oliver; »und kein Mensch hat davon gesprochen?«

»Nun sieh', Freund Oliver, dieß, denk' ich, ist der Fall gewesen. Der Kerl, dem ich eine Hand abhieb, soll nur ein Diener Sir John Ramorny's gewesen sein, der nach seiner Heimath Fife geflohen ist, wohin auch Sir John selber verbannt worden mit voller Zustimmung jedes ehrlichen Mannes. Nun, Alles, was Sir John Ramorny betrifft, geht auch einen viel größern Mann an – ich glaube, so etwas sagte Simon Glover dem Sir Patrick Charteris. Wenn es sich verhält, wie ich vermuthe, so darf ich nur dem Himmel und allen Heiligen danken, daß ich den auf der Leiter nicht prügelte, als ich ihn gefangen nahm.«

»Und auch ich danke dem Himmel und allen Heiligen auf's Beste,« sagte Oliver. »Ich stand hinter dir, wie du weißt, und –«

»Nichts mehr davon, wenn du klug bist – es gibt Gesetze gegen die, welche Fürsten schlagen,« sagte der Schmied; am besten ist's, man rührt das Hufeisen nicht eher an, als bis es kalt geworden. Alles ist nun beigelegt.«

»Wenn das ist,« sagte Oliver, zum Theil verlegen, noch mehr aber ermuthigt durch die Kunde, die er vom besser unterrichteten Freunde erhielt, »so hab' ich Grund, mich über Sir Patrick Charteris zu beklagen, daß er mit der Ehre eines ehrlichen Bürgers Scherz treibt, während er selber Oberrichter unserer Stadt ist.«

»Thu' es, Oliver; fordere ihn heraus, und er wird seinem Diener befehlen, die Hunde auf dich zu hetzen. – Aber wohlan, die Nacht rückt vor, seid Ihr zu Ende?«

»Nun, ich hätte dir noch ein Wort zu sagen, guter Gevatter. Aber zuerst noch einen Becher Eures kalten Bieres.«

»Die Pest auf dich, du Narr! Du machst, daß ich dich hinwünsche, wo kalte Getränke selten sind. – Da, leere das Faß aus, wenn du Lust hast.«

Oliver nahm die zweite Flasche, trank aber, oder schien vielmehr sehr langsam zu trinken, um Zeit zu gewinnen zur Ueberlegung, wie er den zweiten Gegenstand der Unterhaltung einleiten könne, der bei des Schmiedes gegenwärtigem reizbarem Zustande sehr kitzlich schien. Endlich fand er nichts Besseres, als gleich auf die Sache los zu gehen mit den Worten: »Ich habe heute Simon Glover gesehen, Gevatter.«

»Gut,« sagte der Schmied in einem leisen, tiefen und ernsten Tone. »Und wenn du ihn sahst, was geht es mich an?«

»Nichts, nichts,« antwortete der eingeschüchterte Strumpfwirker. »Ich dachte nur, Ihr möchtet gern wissen wollen, daß er mich genau fragte, ob ich Euch am Valentinstage, nach dem Lärm bei den Dominikanern, gesehen habe und in welcher Gesellschaft.« »Und ich wette, du sagtest ihm, daß du mich mit einer Sängerin in jenem dunkeln Gäßchen gesehen?«

»Du weißt, Harry, ich habe keine Gabe, zu lügen; aber ich brachte Alles bei ihm in's Gleiche.«

»Wie, ich bitt' Euch!« sagte der Schmied.

»Ei nun, so! – Vater Simon, sagt' ich, Ihr seid ein alter Mann und kennt unsere Beschaffenheit nicht, in deren Adern die Jugend wie Quecksilber fließt. Ihr meint nun, es lieg' dem Harry an jenem Mädchen, sagt' ich, und daß er sie in irgend einem Winkel hier in Perth habe? Keineswegs; ich weiß, sagt' ich, und will einen Eid drauf schwören, daß sie am nächsten Morgen in aller Frühe aus seinem Hause nach Dundee abreiste. Ha! Hab' ich dir in der Noth geholfen?«

»Wahrlich, das scheint mir so, und wenn in diesem Augenblick noch Etwas meine Unruhe und meinen Kummer mehren könnte, so ist es, daß, während ich so tief im Sumpfe stecke, ein Esel wie du seinen plumpen Fuß auf meinen Kopf stellt, um mich gänzlich versinken zu lassen. Nun mach', daß du fort kommst, und mögest du solches Glück haben, als deine klatschhafte Laune verdient; dann denk' ich, wird man dich mit gebrochenem Halse in der nächsten Gasse finden. – Mach', daß du fortkommst, oder ich werfe dich mit dem Kopfe voran aus der Thür.«

»Ha, ha!« lachte Oliver sehr gezwungen, »wie kannst du so unzart sein! Aber, Gevatter Harry, willst du mich in deinem Trübsinn nicht nach meinem Hause in Meal Vennal begleiten?«

»Zum Teufel, nein!« antwortete der Schmied.

»Ich will dir Wein vorsetzen, wenn du mitgehst,« sagte Oliver.

»Ich will dir Prügelsuppe vorsetzen, wenn du bleibst,« sagte Harry.

»Nun, dann will ich dein Büffelwams anziehen und die Stahlhaube aufsetzen und deinen starken Schritt annehmen, und deinen Pibroch; ›Gebrochene Beine zu Loncarty,‹ pfeifen; und wenn sie mich für dich nehmen, so werden vier auf einmal sich nicht an mich wagen.«

»Nimm Alles oder was du willst in des Satans Namen! aber geh' nur.«

»Gut, gut, Harry, wir sehen uns, wenn du besser aufgelegt bist,« sagte Oliver, der die Kleidung angelegt hatte.

»Geh' – und mög' ich dein narrenhaftes Gesicht nie wiedersehen!«

Oliver befreite endlich seinen Wirth, indem er fortging, so gut er konnte, den festen Schritt und die kühne Haltung seines unerschrockenen Gefährten nachahmend, und einen Pibroch pfeifend, der die Niederlage der Dänen zu Loncarty enthielt und welchen er aufgeschnappt hatte, weil er eine Lieblingsweise des Schmieds war, den er, so gut er konnte, zu seinem Vorbilde nahm. Aber, als der unschuldige, obwohl eingebildete Bursch' den Wynd an der Stelle verließ, wo er sich mit der Highstreet verbindet, empfing er von hinten einen Hieb, gegen den seine Blechhaube keinen Schutz lieh, und er todt auf den Platz fiel; ein Versuch, Harry's Namen zu murmeln, von welchem er stets Schutz erwartete, bewegte noch seine sterbende Zunge.

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