Er lenkte seinen langsamen und gedankenvollen Schritt nach der Kirche der Dominikaner; aber die schlimmen Neuigkeiten, die sprüchwörtlich schnell fliegen, hatten seines Vaters Ruhesitz erreicht, bevor er selbst erschien. Als der Herzog von Rothsay in den Palast trat und nach dem Könige fragte, wurde er durch die Botschaft überrascht, er sei in tiefer Berathung mit dem Herzog von Albany, der sogleich zu Pferde steigend, als der Prinz die Schranken verließ, das Kloster vor ihm erreicht hatte. Er wollte eben, das Vorrecht seines Ranges und seiner Geburt geltend machend, in das königliche Gemach treten, als Mac Louis, der Befehlshaber der Brandanenwache, ihm in den ehrerbietigsten Ausdrücken meldete, er habe besondern Befehl, ihm den Zutritt zu verbieten.

»Geh' wenigstens, Mac Louis, und laß sie wissen, daß ich ihren Willen erwarte,« sagte der Prinz. »Wenn mein Oheim die Macht wünscht, des Vaters Zimmer gegen den Sohn zu verschließen, so wird es ihm angenehm sein, zu wissen, daß ich wie ein Bedienter im Vorsaal warte.«

»Mit Eurer Erlaubniß,« sagte Mac Louis zögernd, »wenn Eure Hoheit sich nur gerade jetzt zurückziehen und eine Weile geduldig warten wollte, so will ich Euch Nachricht senden, wenn der Herzog von Albany geht; und ich zweifle nicht, daß dann Seine Majestät Euch vorlassen werde. Jetzt – Eure Hoheit muß mir verzeihen – ist es unmöglich, Euch Zutritt zu gestatten.«

»Ich verstehe Euch, Mac Louis; aber trotzdem geh' und gehorche meinem Befehl.«

Der Offizier ging also und kehrte mit der Nachricht zurück, der König sei unwohl und im Begriff, sich in sein Privatzimmer zurückzuziehen; aber der Herzog von Albany werde dem Prinzen von Schottland sogleich aufwarten.

Es verging indeß eine volle halbe Stunde, ehe der Herzog von Albany erschien, – ein Zeitraum, den Rothsay theils in müssigem Geschwätz mit Mac Louis und den Brandanen hinbrachte, je nachdem der Leichtsinn oder die Reizbarkeit seines Gemüthes die Oberhand behielt.

Endlich kam der Herzog und mit ihm der Lord Großconnetable, dessen Gesicht großen Kummer und Verlegenheit ausdrückte.

»Lieber Neffe,« sagte der Herzog von Albany, »es schmerzt mich, zu sagen, daß meines königlichen Bruders Meinung ist, es werde zur Ehre der königlichen Familie das Beste sein, daß Eure königliche Hoheit sich eine Zeitlang zu der Abgeschiedenheit der Wohnung des Großconnetabels entschlösse, und den edlen Grafen hier als Euern hauptsächlichsten, wo nicht einzigen Gesellschafter annähme, bis die ärgerlichsten Gerüchte, die heute verbreitet wurden, widerlegt oder vergessen sind.«

»Wie ist das, Mylord von Errol?« sagte der Prinz erstaunt. »Soll mir Euer Haus ein Gefängniß und Eure Herrlichkeit mein Kerkermeister sein?«

»Die Heiligen verhüten das, Mylord,« sagte der Graf von Errol; »aber es ist meine unglückliche Pflicht, den Befehlen Eures Vaters zu gehorchen, indem ich Eure königliche Hoheit eine Zeitlang als unter meiner Obhut stehend betrachte.«

»Der Prinz – der Erbe von Schottland unter der Obhut des Großconnetable's! – Was für ein Grund ist dazu vorhanden? Ist die schändliche Rede eines überführten Verbrechers von genügender Kraft, um mein königliches Wappen zu beflecken?«

»So lange solche Beschuldigungen nicht widerlegt und geläugnet sind, mein königlicher Neffe,« sagte der Herzog von Albany, »werden sie das eines Monarchen beflecken.«

»Geläugnet, Mylord?« rief der Prinz; »wer behauptet sie? nur ein Elender, der zu schmachvoll ist, selbst durch sein eigenes Geständniß, um nur einen Augenblick glaubwürdig zu sein, wär' auch nur eines Bettlers und nicht eines Prinzen Charakter verdächtigt. – Holt ihn hierher – laßt ihm die Folter zeigen; Ihr werdet ihn bald die Verläumdung widerrufen hören, die er zu äußern wagte.«

»Der Galgen hat sein Werk zu sicher gethan, als daß Bonthron noch Gefühl für die Folter hätte,« sagte der Herzog von Albany. »Er ist seit einer Stunde hingerichtet.«

»Und warum so eilig, Mylord?« sagte der Prinz; »wißt Ihr, daß das wie ein Kunstgriff aussieht, um meinen Namen zu beflecken?«

»Es ist allgemeiner Brauch – der im Kampfe des Gottesgerichts geschlagene Kämpfer wird sogleich aus den Schranken zum Galgen gebracht. – Und doch, lieber Neffe,« fuhr der Herzog von Albany fort, »wenn Ihr die Anschuldigung fest und keck geläugnet hättet, würde ich es für recht gehalten haben, den Elenden zu weiterer Untersuchung leben zu lassen, da aber Eure Hoheit schwieg, so hielt ich es für's Beste, das Aergerniß mit dem Athem dessen zu ersticken, der es ausgesprochen.«

»Heilige Maria, Mylord, dies ist aber zu beleidigend! Hieltet Ihr, mein Oheim, mich der Ausübung einer so unnützen und unwürdigen That für schuldig, als sie der Sklave bekannte?«

»Es kommt mir nicht zu, über die Sache mit Eurer Hoheit zu streiten; sonst würde ich fragen, ob Ihr auch den fast ebenso unwürdigen, obwohl minder blutigen Angriff auf das Haus in Curfewstreet läugnen wollt? – Seid nicht böse mit mir, Neffe; aber fürwahr, Eure zeitweilige Entfernung vom Hofe, wär' es auch nur, so lange sich der König in dieser Stadt aufhält, wo so großes Aergerniß gegeben worden, wird unumgänglich gefordert.«

Rothsay schwieg, als er diese Anrede vernahm, und den Herzog auf ganz eigentümliche Weise anblickend, erwiderte er:

»Oheim, Ihr seid ein guter Jäger. Ihr habt Eure Netze sehr geschickt aufgestellt; aber Ihr würdet Euch trotzdem getäuscht haben, wenn der Hirsch nicht freiwillig hineingestürzt wäre. Gott sei mit Euch, und mögt Ihr den Nutzen davon haben, den Eure Maßregeln verdienen! Sagt meinem Vater, ich gehorche ihm. – Mylord Großconnetable, ich erwarte Euern Befehl, um Euch in Eure Wohnung zu begleiten. Da ich einmal in Verwahrung sein muß, so hätte ich keinen freundlichern und artigern Hüter wünschen können.«

Nachdem sich so das Gespräch zwischen Oheim und Neffen geschlossen, zog sich der Prinz mit dem Grafen von Errol nach seinen Gemächern zurück; die Bürger, denen sie auf den Straßen begegneten, traten, wenn sie den Herzog von Rothsay erblickten, zur Seite, um der Nothwendigkeit zu entgehen, den zu grüßen, welchen sie jetzt auch als einen grausamen, nicht mehr blos leichtsinnigen Wüstling betrachten mußten. Des Connetables Wohnung nahm den Besitzer und seinen fürstlichen Gast auf, Beide froh, die Straßen zu verlassen, aber nicht zufrieden mit der Lage, die Beide im Hause sich gegenüber einnehmen mußten.

Wir müssen zu den Schranken zurückkehren nach beendigtem Kampfe, als sich die Edelleute zurückgezogen hatten. Die Menge trennte sich nun in zwei bestimmte Haufen. Der an Zahl kleinere, aber zu gleicher Zeit durch Achtbarkeit ausgezeichnetere bestand aus der besseren Klasse der Einwohner von Perth, die dem Sieger und sich unter einander zu dem rühmlichen Ziele Glück wünschten, zu dem ihr Streit mit dem Adel geführt worden sei. Die Obrigkeit war so stolz darauf, daß sie Sir Patrick Charteris bat, eine Mahlzeit im Rathssaale anzunehmen, wozu auch vorzüglich Harry, der Held des Tages, eingeladen wurde, oder vielmehr Befehl erhielt, dabei zu erscheinen. Er hörte mit großer Verlegenheit diese Aufforderung, denn sein Herz war, wie leicht zu glauben ist, bei Katharina Glover. Aber Simon Glovers Rath gab den Ausschlag. Dieser alte und ächte Bürger hatte eine natürliche und geziemende Ehrfurcht vor dem Magistrate der guten Stadt; er unterhielt eine hohe Achtung für alle Ehren, die aus dieser Quelle floßen, und glaubte, sein künftiger Schwiegersohn würde Unrecht thun, sie nicht dankbar anzunehmen.

»Denke nicht daran, dich einer solchen Feierlichkeit fern zu halten, Sohn Harry,« war sein Rath. »Sir Patrick Charteris wird selbst dort sein, und ich denke, es ist eine seltene Gelegenheit für dich, sein Wohlwollen zu erwerben. Vielleicht bestellt er bei dir eine neue Rüstung, und ich hörte selber den würdigen Bailie Craigdallie sagen, daß man davon rede, die Rüstkammer der Stadt neu auszustatten. Du mußt die guten Geschäfte nicht vernachlässigen, da du nun eine größere Familie unterhalten wirst.«

»Still, Vater Glover,« antwortete der niedergeschlagene Sieger. »Es fehlt mir nicht an Kunden – und du weißt, daß sich Katharina über meine Abwesenheit wundern und sich allerlei Klatschereien von Spieldirnen und dergleichen erzählen lassen wird.«

»Fürchte das nicht,« sagte der Handschuhmacher; »aber geh' als gehorsamer Bürger, wohin deine Vorgesetzten dich verlangen. Ich läugne nicht, daß dir's einige Mühe kosten wird, mit Katharina wegen dieses Zweikampfes Frieden zu schließen; denn sie hält sich in solchen Dingen für klüger, als König und Staatsrath, Kirche und Geistliche, Oberrichter und Bailies. Aber ich will den Streit selbst führen und so für dich arbeiten, daß, wenn sie dich auch morgen etwas mißgelaunt empfängt, dies in Thränen und Lächeln wegschmelzen soll, wie ein Aprilmorgen, der mit mildem Regen anfängt. Also fort mit dir, mein Sohn, und sei morgen früh nach der Messe bereit.«

Der Schmied sah sich, obwohl mit Widerstreben, genöthigt, den Gründen seines künftigen Schwiegervaters nachzugeben, und einmal entschlossen, die ihm von den Vätern der Stadt bestimmte Ehre anzunehmen, zog er sich aus der Menge zurück und eilte nach Hause, um seine besten Kleider anzulegen; in diesen begab er sich nachher sogleich auf's Rathhaus, wo die schwere Eichentafel unter den gewaltigen Schüsseln mit Thaysalmen und köstlichen Seefischen aus Dundee sich zu beugen schien, Leckerbissen, welche die Fastenzeit erlaubte, und wobei es weder an Wein und Bier noch Meth fehlte, um sie hinunterzuspülen. Die »Aufwartenden oder Stadtmusikanten« spielten während des Mahles, und während der Pausen ihrer Musik erzählte Einer von ihnen sehr ausdrucksvoll die lange poetische Geschichte von der Schlacht zu Blackearnside, gefochten von Sir William Wallace und seinem unerschrockenen Hauptmann und Freunde, Thomas von Longueville, gegen den englischen General Sewart – eine allen Gästen ganz bekannte Begebenheit, der sie aber doch, nachsichtiger als ihre Enkel, zuhörten, wie wenn sie allen Reiz der Neuheit gehabt hätte. Es lag ohne Zweifel ein Kompliment für die Ahnen des Ritters von Kinfauns und anderer Familien von Perth in den Stellen, bei denen sich ein lauter Beifallruf erhob, indeß man einander gewaltig zutrank auf das Gedächtniß der Helden, die dem Kämpfer von Schottland zur Seite gestanden hatten. Harry Wynds Gesundheit wurde mit wiederholtem Jubel ausgebracht, und der Oberrichter verkündigte öffentlich, der Magistrat würde darüber berathen, wie man ihm am besten ein ausgezeichnetes Vorrecht oder einen ehrenvollen Lohn geben könnte, um zu zeigen, wie hoch seine Mitbürger seine muthigen Thaten schätzten.

»Nein, mit Eurer Erlaubniß, nehmt es nicht so, würdige Herren,« sagte der Schmied in seiner gewohnten geraden Weise, »damit die Leute nicht sagen, der Muth müsse selten in Perth sein, wenn sie einen Mann belohnen, der für das Recht einer verlassenen Wittwe kämpft. Es sind gewiß viele Dutzend braver Bürger in Perth, die das Tagewerk so gut als ich, oder besser als ich gethan Hütten. Denn wahrlich, ich hätte jenen Helm zerschmettern sollen wie einen irdenen Topf, und es wäre auch geschehen, war' es nicht einer gewesen, den ich selbst für Sir John Namorny machte. Aber wenn der Stadt mein Dienst irgend eines Lohnes werth dünkt, so halte ich ihn für weit mehr als abgetragen durch jede Hülfe, die Ihr aus dem Gemeindegute zur Unterstützung der Wittwe Magdalena und ihrer armen Waisen geben wollt.«

»Das mag wohl geschehen,« sagte Sir Patrick Charteris, »und doch kann die schöne Stadt reich genug bleiben, um ihre Schuld dem Harry Wynd abzutragen, über den jeder von uns ein besserer Richter ist, als er selbst, den eine unnütze Zartheit verdiendet, die man Bescheidenheit nennt. – Und wenn die Stadt zu arm dazu ist, so wird der Oberrichter seinen Theil tragen. Des Räubers goldene Engel sind noch nicht alle davongeflogen.«

Die Becher kreisten nun unter dem Namen eines Trostbechers für die Wittwe, und schäumten dann noch einmal auf das glückliche Gedächtniß des ermordeten Oliver, der nun so tapfer gerächt war. Kurz, es war ein so fröhliches Mahl, daß Alle übereinstimmten, es habe nichts gefehlt, um es vollkommen zu machen, als die Gegenwart des Strumpfwirkers, dessen Unfall die Zusammenkunft veranlaßte, und der sonst immer für den Spaß bei solchen festlichen Versammlungen gesorgt hatte. Wäre seine Anwesenheit möglich gewesen, bemerkte der Bailie Craigdallie trocken, so würde er gewiß den Erfolg des Tages in Anspruch genommen und sich der Rache seines eigenen Mordes gerühmt haben.

Beim Schalle der Vesperglocke brach die Gesellschaft auf; einige der ernster Gestimmten gingen zum Abendgebet, wo sie, mit halb geschlossenen Augen und strahlenden Gesichtern, einen höchst rechtgläubigen und erbaulichen Theil einer Fastenpredigt bildeten; Andere gingen nach ihren Wohnungen, um dort im Familienkreise von dem Kampfe und Gastmahle zu erzählen; Einige aber ohne Zweifel zu der ungebundenen Freiheit einer Schenke, deren Thür die Fastenzeit nicht so fest schloß, als die Kirche verlangte. Harry kehrte, warm vom guten Wein und vom Beifall seiner Mitbürger, in den Wynd zurück und schlief ein, um von vollkommenem Glück und Katharina Glover zu träumen.

Wir haben gesagt, daß sich nach Entscheidung des Kampfes die Zuschauer in zwei Haufen theilten. Von diesen folgten der achtbarere Theil dem Sieger in fröhlichem Zuge, während die Mehrzahl, oder was man den Pöbel nennen konnte, den besiegten und verurtheilten Bonthron begleitete, der nach entgegengesetzter Richtung und in ganz anderer Absicht wegzog. Was man immer zwischen dem Anziehenden eines Trauerhauses und eines Gastmahles unter andern Umständen für einen Vergleich anstellen mag, ist es doch zu errathen, was mehr Zuschauer herbeilockt, wenn es sich fragt, ob wir Zeugen fremden Elends sein oder einem Mahle zusehen wollen, woran wir nicht Theil nehmen. Dieser Wahrheit gemäß begleitete der bei weitem größere Theil der Einwohner von Perth den Karren, woraus der Verbrecher zur Hinrichtung geführt wurde.

Ein Mönch saß auf demselben Karren neben dem Mörder, und letzterer ließ nicht ab, gegen jenen unter dem Siegel der Beichte dieselbe Behauptung zu wiederholen, die er aus dem Kampfplatze geäußert hatte, und die den Herzog von Rothsay beschuldigte, der Anstifter des Hinterhalts gewesen zu sein, wobei der unglückliche Strumpfwirker gefallen war. Dieselbe Lüge verbreitete er unter der Menge, indem er mit unverschämter Frechheit denen, die dem Karren am nächsten waren, versicherte, er verdanke seinen Tod der Bereitwilligkeit, womit er die Befehle des Herzogs von Rothsay erfüllt habe. Eine Zeitlang wiederholte er finster und tückisch diese Worte, wie Einer, der einen Auftrag ausrichtet, oder wie ein Bettler, der seinen Worten durch Wiederholung Glauben verschaffen will, während er überzeugt ist, daß sie ihn nicht verdienen. Aber als er die Augen erhob und in der Ferne die dunkle Gestalt des Galgens, wenigstens vierzig Fuß hoch, nebst der Leiter und dem unseligen Strick, senkrecht aufsteigen sah, wurde er plötzlich still, und der Mönch konnte bemerken, daß er sehr zitterte.

»Tröste dich, mein Sohn,« sagte der gute Priester, »Ihr habt die Wahrheit bekannt und erhaltet Absolution. Eure Reue wird nach ihrer Aufrichtigkeit angenommen werden; und obwohl Ihr ein Mann von blutigen Händen und grausamen Herzens gewesen, werdet Ihr doch durch die Bitten der Kirche in gehöriger Zeit aus den Flammen des Fegefeuers erlöst werden.«

Diese Zusicherungen waren mehr geeignet, den Schrecken des Schuldigen zu mehren, als zu mindern, da ihn Zweifel beunruhigten, ob die für seine Rettung vom Tode angegebene Weise gewiß

auch wirksam sein möchte, so wie die Besorgniß, ob man sie auch zu seinen Gunsten in Anwendung bringen möchte; denn er kannte seinen Herrn gut genug, um von der Gleichgültigkeit überzeugt zu sein, womit er Einen opfern würde, der bei künftiger Gelegenheit ein gefährliches Zeugniß gegen ihn ablegen könnte.

Sein Loos war indeß besiegelt und es galt kein Entkommen mehr. Sie näherten sich langsam dem verhängnißvollen Baume, der an einem Ufer des Flusses, etwa eine halbe (englische) Meile von den Mauern der Stadt errichtet war; eine Stätte, die gewählt war, damit der Leichnam des Elenden, der als Futter für die Raben hier bleiben mußte, aus der Ferne in jeder Richtung gesehen werden konnte. Hier übergab der Priester Bonthron dem Henker, der ihm auf die Leiter steigen half und allem Anschein nach den üblichen Formen des Gesetzes gemäß verfuhr. Er schien eine Minute mit dem Tode zu ringen, hing aber bald still und leblos. Der Henker, nachdem er länger als eine halbe Stunde auf dem Posten gewartet, wie wenn er den letzten Lebensfunken erlöschen lassen wollte, verkündete den Bewunderern solcher Schauspiele, daß die Eisen für das beständige Aufhängen des Leichnams nicht in Bereitschaft wären, und daß die Schlußceremonie, die Ausweidung und endliche Befestigung an den Galgen, erst am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang vorgenommen werden könne.

Trotz der frühen Stunde, die er nannte, hatte Meister Smotherwell doch eine ansehnliche Begleitung des Pöbels zum Richtplatze, um das Schlußverfahren der Gerechtigkeit mit ihrem Opfer anzusehen. Aber groß war das Staunen und der Unwille dieser Liebhaber, als sie sahen, daß der todte Körper vom Galgen entfernt war. Sie waren jedoch nicht lange ohne einen Einfall, um die Ursache des Verschwindens zu erklären. Bonthron war der Diener eines Barons gewesen, dessen Güter in Fife lagen, und war selbst ein Eingeborner dieser Provinz. Was war natürlicher, als daß einige Leute aus Fife, deren Boote häufig den Fluß befuhren, heimlich den Körper ihres Landsmannes von dem Orte der Schande entfernt hatten? Die Menge machte ihrer Wuth gegen Smotherwell Luft, daß er sein Werk nicht am vorigen Abend vollendet habe; und hätte er und sein Gehülfe sich nicht in ein Boot begeben und über den Tay geflüchtet, so wären sie Gefahr gelaufen, zu Tode gesteinigt zu werden. Das Ereigniß war indeß zu sehr im Geiste jener Zeit, um Verwunderung zu erregen. Die wirkliche Ursache desselben wollen wir im folgenden Kapitel erklären.

Vierundzwanzigstes Kapitel

»Für Hunde Galgen – frei laßt Menschen geh'n.«


Heinrich IV.

Die Umstände einer Erzählung dieser Art müssen zu einander passen, wie der Bart eines Schlüssels zu seinem Schlosse. Der Leser, wie gefällig er auch sei, wird sich nicht für verpflichtet halten, mit der bloßen Thatsache zufrieden zu sein, daß die und jene Ereignisse stattfanden, obwohl er meist im gewöhnlichen Leben nichts weiter von den Dingen erfährt, die um ihn her vorgehen; aber er wünscht, da er zur Unterhaltung liest, das innere Getriebe zu kennen, welches die Ereignisse veranlaßt. Dies ist eine rechtmäßige und vernünftige Neugier. Denn Jedermann hat das Recht, das Werk seiner eigenen Uhr zu öffnen und zu untersuchen, da es zu seinem besonderen Gebrauch zusammengesetzt ist, obwohl ihm nicht gestattet wird, in das Innere der Uhr zu dringen, die zum allgemeinen Nutzen auf dem Kirchthurm angebracht ist.

Es würde daher unhöflich sein, wenn ich meinen Lesern einen Zweifel ließe hinsichtlich der Hülfe, welche den Mörder Bonthron vom Galgen befreite: – ein Ereigniß, welches einige der Bürger von Perth dem bösen Feind zuschrieben, während Andere sich damit begnügten, es durch das natürliche Mißfallen der Landsleute Bonthrons zu erklären, die ihn nicht über dem Ufer des Flusses, als einen für ihre Provinz schmachvollen Anblick, hängen sehen wollten.

Um Mitternacht nach dem Tage, an welchem die Hinrichtung stattgefunden, und während die Bewohner Perths in tiefem Schlafe lagen, gingen drei Männer, in ihre Mäntel gehüllt und eine Blendlaterne tragend, die Gänge eines Gartens hinab, der von dem Hause Sir John Ramorny's nach dem Ufer des Tay führte, wo ein kleines Boot an einer Landungsstelle oder einem kleinen vorspringenden Pfeiler angelegt war. Der Wind seufzte tief und melancholisch durch die laublosen Büsche und Sträucher, und ein bleicher Mond watete, wie man es in Schottland nennt, durch Wolkenzüge, die Regen zu drohen schienen. Die drei Personen betraten das Boot mit großer Vorsicht, um der Beobachtung zu entgehen. Einer von ihnen war ein großer, starker Mann, ein anderer klein und gebeugt, der dritte von Mittelgröße und scheinbar jünger, als seine Gefährten, wohlgestaltet und gewandt. So viel ließ das unvollkommene Licht entdecken. Sie setzten sich in das Boot und lösten es vom Pfeiler.

»Wir müssen es mit dem Strome treiben lassen, bis wir die Brücke hinter uns haben, wo die Bürger noch Wache halten; und ihr kennt das Sprichwort: Ein Pfeil von Perth fliegt vollkommen,« sagte der Jüngste von der Gesellschaft, welcher das Amt des Steuermannes versah und das Boot vom Pfeiler stieß, während die Anderen die Ruder nahmen und mit aller Vorsicht ruderten, bis sie die Mitte des Stromes erreichten; dann strengten sie sich nicht weiter an, legten sich auf die Ruder und vertrauten dem Steuermann, daß er sie mitten im Strome hielte.

Auf diese Weise kamen sie unbemerkt und unbeachtet unter dem stattlichen gothischen Bogen der alten Brücke hindurch, erbaut durch Robert Bruce im Jahre 1329, und weggerissen durch eine Ueberschwemmung 1621. Obwohl sie die Stimmen einer Bürgerwache hörten, die, seit diese Unruhen begonnen, allnächtlich auf diesem wichtigen Punkte unterhalten ward, so wurden sie doch nicht angerufen; und als sie weit genug stromunter waren, um von diesen nächtlichen Wachen nicht mehr gehört zu werden, begannen sie zu rudern, aber immer mit Vorsicht, und zu reden, obwohl mit leisen Stimmen.

»Ihr habt ein neues Gewerbe gefunden, Kamerad, seit ich Euch verließ,« sagte einer der Ruderer zum andern. »Ich verließ Euch, mit der Pflege eines kranken Ritters beschäftigt, und finde Euch, um einen todten Körper vom Galgen zu holen.«

»Einen lebenden Körper, mit Eurer Erlaubniß, Sir Buncle; sonst verfehlt mein Geschäft seinen Zweck.«

»So hör' ich, Meister Apotheker; aber bei all' Eurer Gelehrsamkeit, wenn Ihr mir Euren Kunstgriff nicht sagt, so erlaub' ich mir, am Erfolge zu zweifeln.«

»Ein einfaches Kunststück, Sir Buncle, welches wahrscheinlich einem so scharfsinnigen Genie, wie dem Euren, nicht gefallen wird. Die schwebende Lage des menschlichen Körpers, die der gemeine Mann Aufhängen nennt, bewirkt den Tod durch Schlagfluß, – das heißt, da das Blut durch die zusammengepreßten Adern nicht zum Herzen zurückkehren kann, stürzt es nach dem Gehirn und der Mensch stirbt. Desgleichen, und dies trägt zur Auflösung bei, erhalten die Lungen nicht mehr den nöthigen Zufluß von Lebensluft, wegen des Stricks, der um den Körper gebunden ist; und daher stirbt der Leidende.«

»Ich verstehe das recht gut – aber wie will man eine solche Blutströmung nach dem Gehirn hindern, Sir Apotheker?« sagte die dritte Person, die kein Anderer war, als Ramorny's Page, Eviot.

»Ei nun,« erwiderte Dwining, »dann hängt man den Menschen auf solche Weise auf, daß die Halsarterien nicht gedrückt werden, und das Blut wird nicht im Gehirn bleiben, und der Schlagfluß wird nicht eintreten; und ferner, wenn die Brust nicht eingebunden wird, so werden die Lungen mit Luft versorgt; mag der Mensch nun mitten im Himmel hängen, oder auf festem Boden stehen.«

»Alles dies begreif' ich,« sagte Eviot; »wie aber diese Vorsichtsmaßregeln im Einklang stehen mit der Vollziehung des Urtheils zum Hängen, das ist es, was mein dummes Gehirn nicht fassen kann.«

»Ach! guter Jüngling, deine Pagenschaft hat einen tüchtigen Kopf verdorben. Hättest du mit mir studirt, du würdest noch weit schwierigere Dinge gelernt haben. Aber mein Kunstgriff ist dieser: Ich verschaffte mir gewisse Bänder, aus demselben Stoffe gemacht, wie Eure Pferdegurte, junger Page, und dabei sorgt' ich besonders dafür, daß sie von einer Art waren, die, wenn sie angespannt sind, nicht zusammenschrumpft; denn das würde mein Experiment verderben. Eine Schleife von solchem Band wird unter jeden Fuß gezogen und läuft an jeder Seite an dem Bein herauf, bis zu einem Gürtel, woran sie befestigt ist; mit diesem Gürtel sind verschiedene Schnüre, die Brust und den Rücken hinab, verbunden, um das Gewicht zu theilen, und so sind noch verschiedene Mittel vorhanden, den Leidenden leichter zu machen; doch das Hauptsächlichste ist dies: Die Stricke oder Bänder sind an ein stählernes Halsband befestigt, das nach Außen gekrümmt ist und etliche Haken hat, damit der Strick, den der freundliche Henker um diesen Theil der Vorrichtung, statt um den bloßen Hals des Verurtheilten legt, desto sicherer sei. Wird so der Dulder von der Leiter geworfen, so findet er sich nicht an seinem Halse, seht Ihr wohl, sondern an einem stählernen Ringe aufgehängt, der die Schlingen hält, in welchen seine Füße stehen, und auf welchen sein Gewicht eigentlich ruht, das jedoch durch ähnliche Unterstützungen unter jedem Arme vermindert wird. Da nun so weder Ader noch Luftröhre zusammengepreßt ist, so wird der Mensch eben so frei athmen, und sein Blut, die Furcht und Neuheit der Lage ausgenommen, eben so leicht fließen, als das Eure, Herr Page, wenn Ihr in Euren Steigbügeln aufrecht steht, um ein Schlachtfeld zu übersehen.«

»Meiner Treu, ein hübscher und seltener Einfall!« sagte Buncle.

»Nicht wahr?« fuhr der Arzt fort, »und wohl werth, solchen hochstrebenden Geistern, wie Euch, bekannt zu sein, da man nicht wissen kann, zu welcher Höhe Sir John Ramorny's Jünger es bringen; und wenn sie eine solche ist, daß man nothwendig an einem Strick herabsteigen muß, dann werdet Ihr meine Zurüstung passender finden, als das gewöhnliche Verfahren. Freilich müßt Ihr auch ein Wams mit hohem Kragen haben, um den Stahlring zu verbergen; und vor Allem so einen bonum socium wie Smotherwell, um die Schlinge anzulegen.«

»Niedriger Giftkrämer,« sagte Eviot, »Männer unseres Berufs sterben auf dem Schlachtfelde!«

»Ich will mir indeß die Lehre merken,« erwiderte Buncle, »für den Fall einer Verlegenheit. – Aber welch' eine Nacht muß der blutige Galgenstrick Bonthron gehabt haben, wenn er einen Tanz zu der Musik seiner eigenen Fesseln mitten in der Luft hält, während ihn der Nachtwind hin und her schaukelt!«

»Es wär' ein gutes Werk, ihn dort zu lassen,« sagte Eviot; »denn sein Absteigen vom Galgen wird ihn nur zu neuen Mordthaten ermuthigen. Er kennt nur zwei Elemente: Trunkenheit und Blutvergießen.«

»Vielleicht wäre Sir John Ramorny Eurer Meinung gewesen,« sagte Dwining; »aber zuvor hätte man dem Schuft die Zunge abschneiden müssen, sonst würde er wundervolle Geschichten aus seiner luftigen Höhe erzählen. Und es sind auch noch andere Gründe vorhanden, die Eure Tapferkeit nicht zu wissen braucht.

In Wahrheit, ich selber habe ihm großmüthig gedient, denn der Kerl ist so stark, wie das Edinburger Schloß, und seine Anatomie würde jeder andern im chirurgischen Saale zu Padua gleichgekommen sein. – Aber sagt mir, Mr. Buncle, welche Neuigkeiten habt Ihr von dem tapfern Douglas?«

»Mögen sie erzählen, die sie wissen,« sagte Buncle; »ich bin der dumme Esel, der die Botschaft hört und nichts von ihrem Inhalt weiß. Desto besser für mich vielleicht. Ich trug Briefe vom Herzog von Albany und von Sir John Ramorny zu Douglas, und er sah schwarz wie ein Nordsturm, als er sie öffnete. – Ich brachte ihnen Antwort vom Grafen, zu welcher sie lächelten, wie die Sonne, wenn ein Gewitter zu Ende geht. Wendet Euch an Eure Ephemeriden, Arzt, und beschwört Euch die Bedeutung.«

»Mich dünkt, ich kann das thun, ohne viel Verstand aufzuwenden,« sagte der Chirurg; »aber dort seh' ich im bleichen Mondlicht unsern Lebendigtodten. Sollte er einen zufällig Vorübergehenden angeschrieen haben, so wäre das eine seltsame Unterbrechung einer Nachtreise, von der Höhe solch' eines Galgens begrüßt zu werden. – Hört, mich dünkt, ich höre sein Stöhnen durch's Pfeifen des Windes und das Kettenrasseln. So – hübsch sacht – macht das Boot mit dem Haken fest – gebt den Korb mit meinen Sachen heraus – es wäre besser, wir hätten ein wenig Feuer, aber der Schein möchte uns Beobachtung zuziehen. Kommt, meine tapfern Männer, marschirt sacht, denn wir sind am Fuße des Galgens. – Folgt mit der Laterne – ich hoffe, die Leiter ist dageblieben.«

»Singt, drei lust'ge, drei lustige Männer,


Drei lustige Männer sind wir,


Du auf dem Land, und ich auf dem Sand,


Und Jack am Galgenholz hier.«

Und als sie dem Galgen naheten, konnten sie deutlich Seufzer hören, obwohl in sehr leisem Tone. Dwining wagte ein paar Mal leise zu husten, um ein Zeichen zu geben; aber er erhielt keine Antwort. »Wir sollten so schnell als möglich machen,« sagte er zu seinen Gefährten, »denn unser Freund muß in extremis sein, da er auf das Zeichen, das die Ankunft der Hülfe verkündet, nicht antwortet. – Kommt, gehen wir an's Werk. Ich will zuerst die Leiter hinauf und den Strick abschneiden. Folgt ihr nach einander und haltet den Leichnam fest, daß er nicht fällt, wenn die Schlinge los ist. Greift ihn fest, die Bänder werden Euch dabei dienen. Denkt, daß er, spielt' er auch heut' Nacht die Eule, doch keine Flügel hat; und vom Stricke fallen, könnte so gefährlich sein, als hineinfallen.«

Während er so mit höhnischem Scherz redete, stieg er die Leiter empor, und nachdem er sich überzeugt, daß die Kriegsleute, die ihm folgten, den Körper hielten, zerschnitt er den Strang und half dann die fast leblose Gestalt des Verbrechers unterstützen.

Durch eine geschickte und kräftige Bewegung ward der Körper Bonthrons sicher auf den Boden gebracht, und nachdem man sich überzeugt, daß, wenn auch nur schwach, Leben vorhanden sei, brachte man ihn an den Rand des Flusses, wo, vom Ufer verdeckt, die Gesellschaft sich am besten der Beobachtung entzog, während der Arzt die nöthigen Mittel anwendete, womit er sich versehen hatte, um das Leben zurückzurufen.

Zu diesem Ende befreite er die gerettete Person zuerst von den Fesseln, die der Henker absichtlich nicht verschlossen hatte, und zugleich nahm er ihm die verwickelten Bänder und Stricke ab, an welchen er aufgehängt war. Es dauerte einige Zeit, bis Dwinings Bemühungen Erfolg hatten; denn trotz der Kunst, mit der seine Maschine zusammengefügt war, hatten die Stricke, die den Körper tragen sollten, sich so beträchtlich zusammengezogen, daß die Empfindung des Erstickens sehr bedeutend wurde. Aber die Geschicklichkeit des Arztes siegte über alle Hindernisse, und Bonthron gab, nachdem er genießt und mit einigen kurzen Zuckungen sich ausgestreckt hatte, entschiedene Lebenszeichen von sich; denn er ergriff die Hand des Arztes, der ihm eben starke Wasser auf Brust und Hals träufelte, und nahm, die Flasche an die Lippen haltend, fast mit Gewalt einen beträchtlichen Schluck von ihrem Inhalt.

»Es ist Spiritus, doppelt abgezogen,« sagte der erstaunte Operateur, »und würde einem Andern die Kehle aufschwellen und den Magen verbrennen. Aber dieses außerordentliche Vieh gleicht allen andern menschlichen Geschöpfen so wenig, daß es mich nicht wundern soll, wenn es ihn zum vollen Besitz seines Verstandes bringt.«

Bonthron schien dieß zu bestätigen; er fuhr mit einem seltsamen Krampfe empor, setzte sich aufrecht, starrte umher und zeigte einiges Bewußtsein des Lebens.

»Wein – Wein,« waren die ersten Worte, die er hervorbrachte.

Der Arzt gab ihm einen Schluck Arzneiwein mit Wasser gemischt. Er wies ihn zurück mit dem schmählichen Beiworte, »Gossenjauche,« und äußerte wieder die Worte: »Wein – Wein!«

»Nun, so nimm ihn zu dir, in's Teufels Namen,« sagte der Arzt, »denn Niemand als er kann deine Natur beurtheilen.«

Ein Zug, lang und tief genug, um den Verstand anderer Leute zu verwirren, erwies sich wirksam, den des Bonthron vollkommener zurückzurufen, obwohl er keine Erinnerung dessen zeigte, was mit ihm geschehen oder wo er war, und in seiner kurzen und düsteren Weise fragte, warum er so in der Nacht an den Fluß geschafft worden sei.

»Wieder ein Spaß des wilden Prinzen, um mich zu ertränken, wie er vorher that – Nägel und Blut, aber ich wollte – «

»Halt Ruhe,« unterbrach ihn Eviot, »und sei dankbar, ich bitte dich, wenn du Dankbarkeit fühlen kannst, daß dein Leib nicht ein Schmaus der Raben ist, und deine Seele an einem Orte, wo Wasser zu selten ist, um dich hineinzutauchen.«

»Ich fange an, mich zu besinnen,« sagte der Schurke, die Flasche zum Munde führend, die er mit einem langen und herzlichen Kusse begrüßte und leer zu Boden setzte; dann ließ er den Kopf auf die Brust hängen und schien nachzusinnen, um seine verworrenen Erinnerungen zu sammeln.

»Wir können den Erfolg seiner Betrachtungen nicht abwarten,« sagte Dwining, »er wird besser, wenn er geschlafen hat. – Auf, Freund! Ihr habt einige Stunden in der Luft geritten – versucht, ob das Wasser nicht ein leichteres Fortkommen bietet. – Ihr tapferen Leute müßt mir an die Hand gehen. Ich kann diese Masse so wenig erheben, als ich einen geschlachteten Ochsen in den Armen tragen könnte.«

»Steh' aufrecht auf deinen eigenen Füßen, Bonthron, da wir dich auf selbige gestellt haben,« sagte Eviot.

»Ich kann nicht,« antwortete der Patient. »Jeder Tropfen Blut kribbelt in meinen Adern wie mit Nadelspitzen, und meine Kniee weigern sich, ihre Bürde zu tragen. Was soll das Alles bedeuten? Das ist eine deiner Finten, du hündischer Arzt!«

»Ja, ja, so ist es, wackerer Bonthron,« sagte Dwining, »ein Kunstgriff, den du mir danken wirst, wenn du ihn erst erkennst. Inzwischen strecke dich in dem Boote dort nieder und laß mich diesen Mantel um dich wickeln.«

Man half Bonthron darauf in's Boot und legte ihn dort so bequem hin, als die Umstände es erlaubten. Er erwiderte ihre Aufmerksamkeiten mit einigen Aeußerungen, die dem Gebrumme eines Bären glichen, der ein Lieblingsfutter bekommen hat.

»Und nun, Buncle,« sagte der Chirurg, »kennt Eure Tapferkeit ihren Auftrag. Ihr sollt diese lebendige Ladung auf dem Flusse nach Newburgh führen, wo Ihr mit ihm verfahrt, wie Ihr wißt; inzwischen sind hier seine Fesseln und Bänder, die Zeichen seiner Haft und Befreiung. Bindet sie zusammen und werft sie in den tiefsten Strudel, den Ihr findet; denn fände man sie bei Euch, so würden sie Geschichten gegen uns erzählen. Dieser leichte, leise Windhauch aus Westen wird Euch gestatten, ein Segel zu gebrauchen, sobald es Tag wird und Ihr müde seid, zu rudern. – Eure andere Tapferkeit, Master Page Eviot, muß sich begnügen, mit mir zu Fuße nach Perth zurückzukehren, denn hier trennt sich unsere schöne Gesellschaft. – Nimm die Laterne mit dir, Buncle, denn du wirst sie besser brauchen, als wir, und sieh', daß du mir meine Flasche zurücksendest.«

Während die Fußgänger nach Perth zurückkehrten, drückte Eviot seinen Glauben aus, daß sich Bonthrons Verstand nie von der Erschütterung, die ihm der Schrecken eingeflößt, erholen würde, welcher bei ihm alle Fähigkeiten des Geistes, und besonders das Gedächtniß gestört zu haben schien.

»Es ist dem nicht so, mit Eurer Erlaubniß, Herr Page,« sagte der Arzt. »Bonthrons Verstand, wie er nun ist, hat einen soliden Charakter – er wird nur hin und her schwanken, wie ein Pendel, welches in Bewegung gesetzt worden ist, um dann in seinem gewöhnlichen Schwerpunkt zu ruhen. Das Gedächtniß ist von allen unsern Geisteskräften diejenige, die am leichtesten aufgehoben wird. Ein schwerer Rausch oder tiefer Schlaf zerstört es gleich, und doch kehrt es zurück, wenn der Trunkene nüchtern wird, oder der Schläfer erwacht. Der Schrecken bringt bisweilen ähnliche Wirkungen hervor. Ich kannte einen Verbrecher zu Paris, der zum Tode durch den Strang verurtheilt war, und demnach sich dem Urtheil unterzog; er zeigte keine besondere Furcht auf dem Schafott, sondern sprach und betrug sich, wie andere Leute in ähnlichem Zustand pflegen. Der Zufall that für ihn, was ein kleiner pfiffiger Streich für unsern liebenswürdigen Freund, von dem wir uns eben trennten, gethan hat. Er wurde von der Leiter geworfen und seinen Freunden übergeben, ehe sein Leben erloschen war, und ich hatte das Glück, ihn wieder herzustellen. Aber obgleich er im Uebrigen wieder gesund wurde, erinnerte er sich doch seines Leidens und Todesurteils nur wenig. Von seiner Beichte am Morgen der Hinrichtung – hi, hi, hi! – (seine gewöhnliche Weise, zu lachen) wußte er kein Wort mehr. Er wußte nicht mehr, wie er das Gefängniß verließ – nichts mehr von dem Greveplatz, wo er hingerichtet wurde – nichts mehr von den frommen Reden, womit er – hi, hi, hi! – so viele gute Christen – hi, hi, hi! – erbaute. Nichts von dem Hinaufsteigen auf den unseligen Baum, noch wie er den unseligen Strick nahm; von Allem hatte mein Auferstandener nicht die geringste Erinnerung. – Aber hier sind wir an dem Punkte, wo wir uns trennen müssen, denn es wäre nicht gut, wenn wir, einer Wache begegnend, beisammen gesehen würden; auch wäre es klug, wenn wir durch verschiedene Thore in die Stadt gingen. Mein Beruf entschuldigt mein Kommen und Gehen zu jeder Zeit. Ihr, tapferer Page, werdet eine solche Erklärung abgeben, als genügend scheinen mag.«

»Meinen Willen werd' ich eine genügende Entschuldigung sein lassen, wenn man mich fragt,« sagte der hochmüthige, junge Mann. »Doch wo möglich will ich Aufenthalt vermeiden. Der Mond ist ganz verdunkelt und die Straße so schwarz wie ein Wolfsrachen.«

»Fort,« sagte der Arzt, »darum kümmere sich Euer Muth nicht; wir werden gar bald dunklere Pfade betreten.«

Ohne nach der Bedeutung dieses Unglück weissagenden Spruches zu fragen und überhaupt im Stolze und Leichtsinne seines Charakters kaum darauf hörend, schied Ramorny's Page von seinem scharfsinnigen und gefährlichen Begleiter, und Jeder schlug seinen eigenen Weg ein.

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Der echten Liebe Pfad ist selten sanft.


Shakespeare.

Die ahnungsvolle Besorgniß unseres Waffenschmieds hatte ihn nicht getäuscht. Als der gute Handschuhmacher von seinem künftigen Schwiegersohne schied, fand er, was er allerdings erwartet hatte, daß seine schöne Tochter nicht günstig für ihren Liebhaber gestimmt war. Aber obwohl er einsah, daß Katharina kalt, zurückhaltend, gesammelt war, den Anschein irdischer Leidenschaft abgelegt hatte, und mit einer, wenn auch nicht offen gezeigten Verachtung der glänzendsten Beschreibung lauschte, die er ihr von dem Kampfe auf dem Kürschnerhofe machte, so war er doch entschlossen, ihrem veränderten Benehmen nicht die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, sondern von ihrer Verbindung mit Harry als von einer Sache zu sprechen, die natürlich stattfinden würde. Endlich, als sie, wie bei einer früheren Gelegenheit, zu bemerken begann, daß ihre Neigung zu dem Waffenschmied nicht über die Grenzen der Freundschaft gehe, – daß sie entschlossen sei, nie zu heirathen, – daß das angebliche Gottesgericht eine Verspottung des göttlichen Willens und menschlicher Gesetze sei, wurde der Handschuhmacher natürlicher Weise zornig.

»Ich kann deine Gedanken nicht lesen, Mädchen; auch glaub' ich nicht, errathen zu können, durch welche schnöde Bethörung es kam, daß du einen erklärten Liebhaber küssest, – dich von ihm küssen lässest, – zu seinem Hause rennst, wenn ein Gerücht seinen Tod ansagt, und in seine Arme fliegst, da du ihn allein findest. Alles dieß steht einem Mädchen sehr wohl an, die bereit ist, ihren Eltern in einer von ihrem Vater gebilligten Partie zu gehorchen; aber solche Zeichen der Vertraulichkeit einem Manne gespendet, den ein junges Mädchen nicht achten kann, und entschlossen ist, nicht zu heirathen, sind unschicklich und unweiblich. Du bist bereits mit deinen Gunstbezeugungen gegen Harry Schmied verschwenderischer gewesen, als deine Mutter, Gott segne sie, gegen mich war, eh' ich sie heirathete. Ich sage dir, Katharina, dieses Spiel mit der Liebe eines ehrlichen Mannes ist Etwas, das ich weder dulden kann, noch will, noch darf. Ich habe meine Zustimmung zu der Heirath gegeben, und ich bestehe darauf, daß sie sofort stattfinde, und daß du morgen Harry Wynd als einen Mann empfängst, dessen Gattin du nächstens sein sollst.«

»Eine Macht, höher als die Eurige, Vater, wird nein sagen,« erwiderte Katharina. »Ich will es d'rauf wagen; meine Macht ist eine gesetzliche, die eines Vaters über ein Kind, und ein irrendes Kind,« antwortete ihr Vater. »Gott und Menschen erkennen meine Macht an.«

»Dann mög' uns der Himmel helfen!« sagte Katharina; »denn wenn Ihr hartnäckig auf Eurer Absicht beharrt, sind wir Alle verloren.«

»Wir können keine Hülfe vom Himmel erwarten,« sagte der Handschuhmacher, »wenn wir mit Unklugheit handeln. Ich bin selbst Gottesgelehrter genug, um das zu wissen; und daß dein grundloser Widerstand gegen meinen Willen sündlich ist, wird dir jeder Priester sagen. Ja, und noch mehr als das, du hast wegwerfend von der gepriesenen Berufung auf Gott im Gottesgerichtskampfe gesprochen. Hüte dich! denn die heilige Kirche ist erwacht, ihre Heerde zu wahren und Ketzerei durch Feuer und Schwert auszurotten. Darin warn' ich dich!«

Katharina ließ eine unterdrückte Aeußerung hören, und indem sie sich mit Mühe zwang, ruhig zu erscheinen, versprach sie ihrem Vater, daß, wenn er sie mit einer weiteren Erörterung des Gegenstandes bis zum nächsten Morgen verschonen wollte, sie dann mit ihm sprechen werde, entschlossen, ihre Gedanken völlig auszusprechen.

Mit diesem Versprechen mußte sich Simon Glover zufrieden geben, obwohl äußerst besorgt wegen der verschobenen Erklärung. Es konnte nicht Leichtsinn oder Wankelmuth des Charakters sein, was seine Tochter bewog, so anscheinend unbeständig gegen den Mann seiner Wahl zu verfahren, den sie noch kürzlich so unzweideutig auch für den Mann der ihrigen erklärt hatte. Welch' äußere Macht stark genug sein konnte, ihre so bestimmt ausgesprochenen Entschlüsse binnen vierundzwanzig Stunden zu verändern, war ihm ein vollkommenes Räthsel.

»Aber ich will so hartnäckig sein, als sie sein kann,« dachte der Handschuhmacher, »und sie soll entweder Harry Schmied ohne weiteren Verzug heirathen, oder der alte Simon Glover will einen genügenden Grund für das Gegentheil hören.«

Der Gegenstand ward im Laufe des Abends nicht mehr berührt; aber in der Frühe des nächsten Morgens, gleich mit Sonnenaufgang, kniete Katharina vor dem Bette, in welchem ihr Vater noch schlummerte. Ihr Herz schlug, als ob es springen wollte, und ihre Thränen rollten zahlreich auf ihres Vaters Gesicht. Der gute, alte Mann erwachte, blickte empor, bekreuzte seines Kindes Stirn und küßte sie zärtlich.

»Ich verstehe dich, Katie,« sagte er; »du bist gekommen, um zu beichten, und ich hoffe, du wirst einer schweren Buße durch Aufrichtigkeit entgehen wollen.«

Katharina schwieg einen Augenblick.

»Ich brauche nicht zu fragen, mein Vater, ob Ihr Euch des Karthäusermönchs Clemens und seiner Lehren und Predigten erinnert; Ihr standet ihm in der That so oft darin bei, daß Ihr wohl wissen müßt, daß Euch die Leute einen seiner Bekehrten, und mit größerem Rechte auch mich also nannten.«

»Ich weiß Beides,« sagte der alte Mann, sich auf den Ellbogen stützend; »aber ich fordere das schnöde Gerücht heraus, zu beweisen, daß es je seine ketzerischen Ansichten annahm, obwohl ich gern seine Reden hörte über das Verderbniß der Kirche, der übeln Herrschaft der Edelleute, die schmachvolle Unwissenheit der Armen, wenn er, wie es mir schien, bewies, daß die ganze Tugend unseres Staates, seine Kraft und Ehre, unter der Bürgerschaft der besseren Klasse sei, was ich als eine gute, der Stadt vortheilhafte Lehre annahm. Und wenn er nicht die rechte Lehre predigte, warum ließen es ihm seine Obern im Karthäuserkloster zu? Wenn die Hirten den Wolf im Schafskleide unter die Heerde werfen, so können sie die Schafe nicht tadeln, wenn sie zerrissen werden.«

»Sie duldeten sein Predigen, ja, sie munterten es auf,« sagte Katharina, »so lange die Laster der Laien, die Anmaßungen der Edeln und die Unterdrückung der Armen der Gegenstand seines Tadels waren, und sie freuten sich über das Volk, das, zu der Karthäuserkirche sich drängend, alle andern Klöster verließ. Aber die Heuchler – denn das sind sie – verbanden sich mit den anderen Brüderschaften zur Anklage ihres Predigers Clemens, als er von der Schilderung der Verbrechen des Staates auf die Darstellung des Stolzes, der Unwissenheit und der Schwelgerei der Geistlichen selbst überging, und von ihrem Durst nach Gewalt, ihrer angemaßten Macht über das Gewissen der Menschen und ihrem Verlangen nach Vermehrung des weltlichen Reichthums sprach.«

»Um Gottes Willen, Katharina,« sagte ihr Vater, »sprich heimlich; deine Stimme erhebt sich und du redest bitter; – deine Augen leuchten. Diesem Eifer für das, was dich nicht mehr als Andere angeht, verdankst du es, daß böswillige Personen dir den gehässigen und gefährlichen Namen einer Ketzerin geben.«

»Ihr wißt, ich sage weiter nichts, als die Wahrheit,« sagte Katharina, »und was Ihr selbst oft zugestanden habt.«

»Bei Nadel und Bockfell! nein,« antwortete der Handschuhmacher hastig; »willst du, daß ich zugestehe, was mich Leib und Leben, Hab und Gut kosten kann? denn es ist Vollmacht ertheilt worden, Ketzer einzuziehen und zu untersuchen, denen man alle neuerliche Tumulte und Zwistigkeiten zur Last legt; daher sind wenig Worte die besten, Mädchen. Ich stimme stets dem alten Dichter bei:

»Das Wort ist Knecht, frei sind Gedanken,


D'rum rath' ich, halt' die Zung' in Schranken.«

»Der Rath kommt zu spät, Vater,« antwortete Katharina, auf einen Stuhl neben des Vaters Bett niedersinkend. »Die Worte sind gesprochen und gehört worden; und es wird geklagt gegen Simon Glover, Bürger in Perth, daß er unehrerbietige Reden über die Lehre der heiligen Kirche geführt – «

»So wahr ich von Messer und Nadel lebe,« fiel Simon ein, »es ist eine Lüge! Ich war nie so thöricht, zu sprechen von dem, was ich nicht verstand.«

»Und die Gesalbten der Kirche lästerte, beide, Ordens- wie Weltgeistliche,« fuhr Katharina fort.

»Ei, die Wahrheit will ich nie läugnen,« sagte der Handschuhmacher; »ein müßiges Wort kann ich auf der Bierbank gesprochen haben, oder bei einem Schoppen Wein, oder in sicherer Gesellschaft; aber sonst ist meine Zunge nicht von der Art, um meinen Kopf in Gefahr zu stürzen.«

»So glaubt Ihr, mein theuerster Vater; aber Eure geringste Rede ist erspäht worden, Eure bestgemeinten Worte hat man verdreht, und Ihr seid im Verruf als grober Spötter gegen Kirche und Geistliche, der gegen dieselben Gespräche mit lockern und liederlichen Leuten gehalten, wie z. B. der verstorbene Oliver Proudfute war, der Schmied Harry vom Wynd und Andere; ein Mann, der die Lehren des Pater Clemens empfiehlt, den sie auf sieben Hauptketzereien anklagen und mit Stab und Speer suchen, um ihn zum Tode zu bringen. – Aber dieß,« sagte Katharina knieend und aufwärtsblickend mit der Miene einer jener schönen Heiligen, welche die Katholiken durch die schönen Künste darstellten, – »dieß werden sie nimmer thun. Er ist aus dem Netze des Jägers entkommen; und, ich danke dem Himmel, es geschah durch meine Hülfe.«

»Durch deine Hülfe, Mädchen – bist du wahnsinnig?« sagte der erstaunte Handschuhmacher.

»Ich will nicht läugnen, worauf ich stolz bin,« antwortete Katharina; »es geschah durch mich, daß Conachar veranlaßt ward, mit einer Anzahl Leute hierher zu kommen und den alten Mann, der nun weit jenseit der hochländischen Grenze ist, wegzuführen.

»O, mein vorschnelles – mein unglückliches Kind!« sagte der Handschuhmacher; »wagtest du, die Flucht eines der Ketzerei Angeklagten zu unterstützen und bewaffnete Hochländer aufzufordern, sich in die Verwaltung der Gerechtigkeit in der Stadt zu mischen? Ach, du hast dich gegen beide, die Gesetze der Kirche und des Reiches, vergangen. Was – was würde aus uns werden, wenn dies bekannt würde?«

»Es ist bekannt, mein theurer Vater,« sagte das Mädchen mit Festigkeit; »bekannt sogar denen, die die bereitwilligsten Rächer der That sein werden.«

»Das muß eine leere Einbildung sein, Katharina, oder ein Streich jener heuchlerischen Priester und Nonnen; es stimmt nicht mit deiner neulichen frohen Bereitwilligkeit, Harry Schmied zu heirathen.«

»Ach, theuerster Vater, gedenkt der schrecklichen Ueberraschung, welche das Gerücht seines Todes veranlaßte, und des freudigen Staunens, ihn lebend zu finden; und laßt es Euch nicht wunderbar scheinen, wenn ich unter Eurem Schutze mir mehr zu sagen erlaubte, als meine Ueberlegung rechtfertigte. Aber damals wußte ich noch nicht das Schlimmste und hielt die Gefahr für übertrieben. Ach! ich wurde gestern schrecklich enttäuscht, als die Aebtissin selbst hierher kam und mit ihr der Dominikaner. Sie zeigten mir den schriftlichen Auftrag, mit dem großen Siegel von Schottland, Ketzerei auszuforschen und zu bestrafen; sie zeigten mir Euren und meinen Namen in der Liste verdächtiger Personen; und unter Thränen, fürwahr unter Thränen beschwor mich die Aebtissin, ein furchtbares Schicksal abzuwenden, indem ich mich eilig in das Kloster flüchtete; und der Mönch gab sein Wort, daß Ihr nicht belästigt werden solltet, wenn ich nachgäbe.

»Der böse Feind hole sie Beide als weinende Krokodille!« sagte der Handschuhmacher.

»Ach,« erwiderte Katharina, »Beklagen oder Zürnen wird uns wenig helfen; aber Ihr seht, ich hatte wirklichen Grund für meine gegenwärtige Unruhe.«

»Unruhe! nenn' es äußerstes Verderben. – Ach, mein leichtsinniges Kind, wo war deine Klugheit, als du blindlings in eine solche Schlinge fielst?«

»Hört mich, Vater,« sagte Katharina; »noch eine Art der Rettung ist möglich; es ist eine, die ich oft vorgeschlagen, und für die ich immer umsonst um Eure Erlaubniß bat.«

»Ich verstehe dich – das Kloster,« sagte ihr Vater. »Aber Katharina, welche Aebtissin oder Priorin würde wagen –«

»Ich will Euch das erklären, Vater, und will Euch auch die Umstände zeigen, welche mich unentschlossen und wankelmüthig in einem Grade erscheinen ließen, der mir von Euch und Andern Tadel zuzog. Unser Beichtvater, der alte Pater Francis, den ich aus dem Dominikanerkloster auf Euren Befehl wählte –«

»Ja, allerdings,« unterbrach sie der Handschuhmacher; »und ich rieth und befahl dir so, um das Gerücht zu beseitigen, daß dein Gewissen ganz unter der Leitung des Pater Clemens stehe.«

»Gut, dieser Pater Francis hat mich mehrmals gedrängt und aufgefordert, über Dinge mit ihm zu sprechen, mittelst deren er von mir Etwas über den Karthäuserprediger zu erfahren gedachte. Der Himmel vergebe mir meine Blindheit! Ich fiel in die Schlinge, sprach offen, und da er sanft in mich drang, wie Einer, der gern überzeugt sein wollte, sprach ich sogar warm zur Vertheidigung dessen, was ich andächtig glaubte. Der Beichtvater zeigte nicht sein wahres Gesicht und verrieth nicht seine geheime Absicht, bis er Alles wußte, was ich ihm sagen konnte. Dann aber drohte er mir mit weltlicher Strafe und ewiger Verdammniß. Hätten seine Drohungen mich allein betroffen, so hätte ich standhaft bleiben können; denn ihre Grausamkeit auf Erden könnte ich erdulden, und an ihre Macht jenseit dieses Lebens glaube ich nicht.«

»Um des Himmels willen,« sagte der Handschuhmacher, der nun im Stillen bei jedem neuen Worte die wachsende, äußerste Gefahr seiner Tochter erkannte, »hüte dich, die heilige Kirche zu lästern – deren Waffen so schnell treffen, als ihre Ohren scharf hören.«

»Für mich,« sagte das Mädchen von Perth, wieder emporblickend, »würden die Schrecken der gedrohten Anzeige nicht erheblich sein; aber als sie davon sprachen, dich, mein Vater, in meine Anklage zu verwickeln, so gesteh' ich, daß ich zitterte und zu unterhandeln wünschte. Der Aebtissin Martha, vom Nonnenkloster zu Elcho, die eine Base von meiner Mutter war, erzählte ich mein Unglück, und sie gab mir das Versprechen, daß sie mich aufnehmen wollte, wenn ich weltlicher Liebe und Heirathsgedanken entsagen, und den Schleier in ihrer Schwesterschaft nehmen würde. Sie sprach ohne Zweifel über den Gegenstand mit dem Dominikaner Francis, und Beide sangen dasselbe Lied. »Bleib' in der Welt,« sagten sie, »und dein Vater und du werden als Ketzer in Untersuchung kommen – nimm den Schleier, und die Irrthümer Beider sollen vergeben und vergessen sein.« Sie sprachen nicht einmal von einem Widerruf der Irrlehren; Alles sollte still sein, wenn ich nur in das Kloster träte.«

»Ich zweifle nicht – ich zweifle nicht,« sagte Simon; »man hält den alten Handschuhmacher für reich, und sein Reichthum würde seiner Tochter in's Kloster von Elcho folgen, bis auf das, was die Dominikaner für sich in Anspruch nähmen. Dieß also ist dein Beruf zum Schleier – dieß sind deine Einwendungen gegen Harry Wynd?«

»In der That, Vater, von allen Seiten drängte man, und mein eignes Herz war ziemlich einverstanden. Sir John Ramorny bedrohte mich mit der mächtigen Rache des jungen Prinzen, wenn ich fortführe, seine schnöde Bewerbung zurückzuweisen – und was den armen Harry betrifft, so hab' ich erst ganz kürzlich zu meinem eignen Staunen bemerkt, – daß, – daß ich seine Tugenden mehr liebe, als mir seine Fehler mißfallen. Ach, diese Entdeckung hat mir meinen Abschied von der Welt nur schwerer gemacht, als wenn ich geglaubt hätte, blos dich zu beklagen.«

Sie stützte das Haupt mit der Hand und weinte bitterlich.

»Dieß ist Alles Thorheit,« sagte der Handschuhmacher. »Nie war eine Noth so groß, daß ein weiser Mann nicht Rath finden könnte, wenn er kühn genug ist, darnach zu handeln. Dieß war nie das Land oder Volk, über welches die Priester im Namen Roms herrschen konnten, ohne ihre Anmaßung eingeschränkt zu sehen. Wenn sie jeden ehrlichen Bürger strafen dürften, welcher sagt, daß die Mönche Geld lieben und daß das Leben etlicher von ihnen den Lehren, die sie predigen, Schande mache, so würde es wahrlich Stephen Smotherwell nicht an Geschäften fehlen, – und wenn alle thörichten Mädchen von der Welt sich absondern wollten, weil sie den Irrlehren eines beliebten Predigermönchs folgen, so müßten sie die Nonnenklöster erweitern, und die Schwestern auf leichtere Bedingungen aufnehmen. Unsere Rechte sind von unserm guten alten Fürsten oft gegen den Papst selbst vertheidigt worden; und wenn er sich anmaßte, sich in die weltliche Regierung zu mischen, so fehlte es nicht an einem schottischen Parlament, das ihm seine Pflicht in einem Briefe vorhielt, den man in Lettern von Gold hätte schreiben dürfen. Ich habe den Brief selbst gesehen, und ob ich ihn gleich nicht lesen konnte, so machte mir doch der Anblick der Siegel der hochwürdigen Prälaten, der edlen und treuen Barone, die daran hingen, das Herz vor Freude hüpfend. Du hättest mir dieß Geheimniß nicht vorenthalten sollen, mein Kind; doch es ist nicht Zeit, dir deinen Fehler vorzurücken. Geh' hinunter, hole mir Etwas zu essen. Ich will mich sogleich zu Pferde setzen und zu unserm Lord Oberrichter reiten, und seinen Rath suchen, und wie ich glaube seinen Schutz, nebst dem anderer treuherziger schottischer Edeln, die einen ehrlichen Mann eines leeren Wortes wegen nicht niedertreten lassen.«

»Ach, mein Vater,« sagte Katharina, »es war gerade diese Heftigkeit, die ich fürchtete. Ich wußte, daß, wenn ich mich bei Euch beklagte, bald Feuer und Flamme sein würde, wie wenn die Religion, obwohl vom Vater des Friedens uns gesendet, nur die Mutter der Zwietracht sein sollte – und daher könnte ich jetzt – selbst jetzt – die Welt aufgeben und mich mit meinem Schmerze unter die Schwestern von Elcho zurückziehen, wollet Ihr mich nur das Opfer sein lassen. Tröstet nur, Vater, den armen Harry, wenn wir auf ewig geschieden sein werden – und laßt ihn – laßt ihn nicht zu hart von mir denken – sagt, Katharina werde ihn nie mehr mit ihren Ermahnungen plagen, aber sie wolle ihn nie in ihren Gebeten vergessen.«

»Das Mädchen hat eine Zunge, die einen Türken zum Weinen brächte,« sagte ihr Vater, indem seine eignen Augen denen seiner Tochter nachahmten. »Aber ich will jenem Einverständniß zwischen der Nonne und dem Mönch nicht nachgeben, die mir mein einzig Kind rauben wollen. – Geh', Mädchen, und laß mich ankleiden; sei bereit, mir in Allem zu gehorchen, was ich zu deiner Sicherheit zu empfehlen habe. Packe einige Kleider zusammen und was du von Werth hast – auch nimm den Schlüssel zu meinem eisernen Kasten, den mir Harry Schmied gab, und theile das Gold, was du darin findest, in zwei Portionen, – stecke die eine in eine Börse für dich und die andere in den ausgenähten Gürtel, den ich zum Reisen machte. Damit sind wir versorgt, wenn das Schicksal uns trennen sollte; dann möge der Himmel geben, daß der Wirbelwind das welke Laub nehme und das grüne schone! Laß sogleich mein Pferd satteln und den weißen Zelter, den ich gestern für dich kaufte, in der Hoffnung, dich nach der St. Johnskirche mit Mädchen und Frauen als eine so fröhliche Braut reiten zu sehen, wie noch keine über die heilige Schwelle ging. Aber das Geplauder hilft nichts. – Geh' und gedenke, daß die Heiligen denen helfen, die sich selbst helfen wollen. Kein Wort mehr – fort, sag' ich, – nur jetzt keinen Eigensinn. Der Steuermann läßt nur bei ruhigem Wetter den Schiffsjungen mit dem Ruder spielen; aber bei meiner Seele, wenn der Wind heult und die Wellen steigen, steht er selber am Steuer. Fort; kein Widerspruch.«

Während die schöne Katharina damit beschäftigt war, ihres Vaters Aufträge zu besorgen, und der gute alte Handschuhmacher sich hastig ankleidete, wie ein Mensch, der im Begriff ist, eine Reise anzutreten, hörte man den Hufschlag eines Rosses in der engen Straße. Der Reiter war in seinen Reitermantel gehüllt, den Kragen aufgeschlagen, als wollte er den untern Theil des Gesichts verbergen, und die Mütze über die Stirn gezogen, indeß eine große Feder das Gesicht von oben verdeckte. Er sprang vom Pferde, und Dorothee hatte kaum Zeit, seine Frage zu beantworten, ob der Handschuhmacher in seinem Zimmer sei, als der Fremde schon die Treppe bestiegen hatte, und in das Schlafgemach getreten war. Simon, erstaunt und erschreckt und in der Stimmung, in diesem frühen Besuch einen Gerichtsdiener oder Forderer zu sehen, der ihn und seine Tochter festnehmen wollte, war sehr erfreut, in dem Fremden, als er die Mütze abnahm und den Mantelkragen vom Gesicht zurückschlug, den ritterlichen Oberrichter der guten Stadt zu erkennen, dessen Besuch zu jeder Zeit eine ungewöhnliche Gunst war, aber zu solcher Stunde etwas Wunderbares, und, hinsichtlich der Zeitumstände, selbst etwas Schreckendes hatte.

»Sir Patrick Charteris!« – sagte der Handschuhmacher – »diese hohe Ehre für Euern armen Diener –«

»Still,« sagte der Ritter, »es ist keine Zeit zu leeren Höflichkeiten. Ich kam hierher, weil ein Mann in gefährlichen Umständen sein eigener sicherster Page ist, und ich kann mich nicht länger aufhalten, als dich fliehen zu heißen, guter Glover, da heut' im Rathe Vollmacht ertheilt werden wird, dich und deine Tochter unter Anklage der Ketzerei zu verhaften; Verzug wird euch Beiden gewiß eure Freiheit, vielleicht euer Leben kosten.«

»Ich habe so etwas vernommen,« sagte der Handschuhmacher, »und wollte diesen Augenblick nach Kinfauns, um meine Unschuld bei dieser schmählichen Anklage darzulegen, Eurer Herrlichkeit Rath zu erbitten und Euren Schutz zu erflehen.«

»Deine Unschuld, Freund Simon, wird dir bei vorurtheilsvollen Richtern nur wenig helfen; mein Rath ist, mit einem Worte, zu fliehen und bessere Zeiten abzuwarten. Was meinen Schutz betrifft, so müssen wir warten, bis die Flut abnimmt, eh' er dir von Nutzen sein kann. Aber wenn du einige Tage oder Wochen verborgen bleiben kannst, so zweifle ich kaum daran, daß die Pfaffen, welche, in einer Hofintrigue mit dem Herzog von Albany vereint, und den Verfall der reinen katholischen Lehre als einzigen Grund des gegenwärtigen Staatsunglückes angebend, für jetzt wenigstens unwiderstehliche Gewalt über den König haben, werden nachgeben müssen. Indessen wisse, daß König Robert nicht nur diesen allgemeinen Befehl zur Untersuchung der Ketzerei bekräftigt, sondern auch die päpstliche Ernennung Henry Wardlaws zum Erzbischof von St. Andrews und Primas von Schottland bestätigt hat, und somit Rom die Freiheiten und Vorrechte der schottischen Kirche überläßt, die seine Vorfahren seit Malcolm Canmore's Zeiten so kühn vertheidigt haben. Seine tapferen Väter würden eher einen Bund mit dem Teufel unterschrieben, als in einer solchen Sache den Ansprüchen nachgegeben haben.«

»Ach, und welche Hilfe?«

»Keine, alter Mann, außer in einer plötzlichen Hofveränderung,« sagte Sir Patrick. »Der König ist nur wie ein Spiegel, der, selbst kein Licht habend, mit immer gleicher Bereitwilligkeit zurückstrahlt, was ihm gerade nahe kommt. Jetzt, obgleich der Douglas mit Albany sich verbunden hat, ist doch der Graf den hohen Ansprüchen dieser herrschsüchtigen Priester ungünstig, und liegt mit ihnen wegen der Erpressungen im Streit, die sein Gefolge an dem Abt von Aberbrothock verübt hat. Er wird mit zahlreicher Heeresmacht zurückkommen, denn das Gerücht sagt, der Graf von March sei vor ihm geflohen. Kehrt er zurück, so ist die Welt verändert, denn seine Gegenwart wird Albany im Zaume halten; besonders sind viele Edle und ich selbst, wie ich Euch im Vertrauen sage, entschlossen, sich mit ihm zur Vertheidigung des allgemeinen Rechts zu verbinden. Deine Verbannung wird daher mit seiner Rückkehr an den Hof enden; du mußt dir aber einen einstweiligen Schlupfwinkel suchen.«

»Was das betrifft, Mylord,« sagte der Handschuhmacher, »so kann mir's nicht fehlen, da ich gerechten Anspruch auf den Schutz des großen Hochländerhäuptlings Gilchrist Mac Jan, Häuptling des Clans Quhele, habe.«

»Nun, wenn du seinen Mantel fassen kannst, so brauchst du keine weitere Hilfe – weder niederländische Geistliche noch Laien finden einen freien Lauf der Gerechtigkeit jenseit der hochländischen Grenze.«

»Aber mein Kind, edler Sir – meine Katharina?« sagte der Handschuhmacher.

»Laßt sie mit Euch gehen, Mann. Der Graddankuchen wird ihre weißen Zähne erhalten, die Ziegenmilch wird ihr das Blut wieder in die Wange treiben, welches diese Unruhe verbannt hat; und selbst das schöne Mädchen von Perth kann sanft genug auf einem Bett von hochländischen Kräutern schlafen.«

»Nicht aus so eitlen Rücksichten, Mylord, trag' ich Bedenken,« sagte der Handschuhmacher. »Katharina ist die Tochter eines schlichten Bürgers und ist nicht eigensinnig, was Nahrung und Wohnung anlangt. Aber der Sohn Mac Jans ist mehrere Jahre Gast in meinem Hause gewesen, und ich muß gestehen, daß ich ihn meine Tochter (die so gut wie verlobte Braut ist) auf eine Weise betrachten sah, die, obwohl ich es nicht fürchtete in diesem Hause in Curfewstreet, mich für die Folgen in einem hochländischen Thale besorgt macht, wo ich keinen Freund habe, Conachar aber viele.«

Der ritterliche Oberrichter antwortete mit einem langen pfeifenden Tone. – »Ja, in dem Falle rath' ich dir, sie in's Nonnenkloster zu Elcho zu senden, wo die Aebtissin, wenn ich mich nicht irre, Eure Verwandte ist. Ja, sie hat es selber gesagt und fügte hinzu, sie liebte ihre Muhme nebst Allem, was zu dir gehört, Simon.«

»Allerdings, Mylord, glaub' ich, daß die Aebtissin so viel Achtung für mich hegt, daß sie gern den Schutz meiner Tochter übernehmen würde, und dazu mein ganzes Hab und Gut in ihre Schwesterschaft. – Wahrlich, ihre Zuneigung ist etwas anhänglicher Art, und würde ungern das Anvertraute, weder die Tochter noch die Aussteuer, fahren lassen.«

Der Ritter pfiff wieder bedenklich: »Bei dem Thane's-Kreuz. Mann, das ist ein schwer zu windender Knäul. Aber nie soll man sagen, das schönste Mädchen von Perth sei in ein Kloster gesperrt worden, wie eine Henne in einen Käfig, während sie im Begriff ist, den kühnen Bürger Harry Wynd zu heirathen. Das soll man nicht erzählen, so lang' ich Gürtel und Sporen trage und Oberrichter von Perth heiße.«

»Aber wie helfen, Mylord?« fragte der Handschuhmacher.

»Wir müssen Alle unser Theil an der Sache nehmen. Wohlan, setzt Euch sammt Eurer Tochter sogleich zu Pferde. Ihr sollt mit mir reiten, und wir wollen sehen, wer Euch finster anzublicken wagt. Die Forderung ist noch nicht gegen dich erlassen, und wenn sie einen Gerichtsboten nach Kinfauns schicken, ohne Vollmacht von des Königs eigener Hand, so schwör' ich bei des rothen Räubers Seele! daß er seine Schrift fressen soll, Wachs und Pergament mit einander. Zu Pferde! zu Pferde! und (sich an Katharina wendend, die so eben eintrat) auch Ihr, mein artiges Kind,

»Zu Pferd und fürchtet Niemand's Droh'n,


Wer Chartres traut, ist sicher schon!« –

Binnen zwei Minuten saßen Vater und Tochter zu Pferde, Beide auf des Oberrichters Weisung einen Pfeilschuß weit vor ihm reitend, damit es nicht schiene, sie gehörten zu seiner Gesellschaft. Mit einiger Eile zogen sie durch das östliche Thor und ritten rasch vorwärts, bis man sie nicht mehr sehen konnte. Sir Patrick folgte gemächlich; als er aber der Wache aus dem Gesicht war, spornte er sein Roß und holte bald den Handschuhmacher und Katharina ein, wo denn ein Gespräch erfolgte, welches Licht auf einige frühere Vorgänge dieser Geschichte wirft.

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Heil, Land der Bogenschützen! Söhne Jener,


Die es verschmäht, den Nacken Rom zu beugen –


O schönster Theil des meerumwallten Albion!


Albania (1737).

»Ich habe eine Weise entdeckt,« sagte der wohlmeinende Oberrichter, »auf welche ich euch Beide ein paar Wochen gegen die Bosheit eurer Feinde sichern will, da ich wenig zweifle, die Hofwelt bald verändert zu sehen. Aber damit ich um so eher entscheiden kann, was zu thun sei, so sagt mir offen, Simon, von welcher Art Eure Verbindung mit Mac Jan ist, die Euch veranlaßt, so unbeschränktes Vertrauen auf ihn zu setzen. Ihr seid ein genauer Beobachter der Stadtgesetze und kennt die strengen Strafen, die sie solchen Bürgern verkündigen, die mit den Hochländerclans Verkehr und Verbindung haben.«

»Allerdings, Mylord; aber es ist Euch auch bekannt, daß unsere Zunft, die in Schaf-, Hirsch- und anderem Leder arbeitet, ein Privilegium und Erlaubniß hat, mit den Hochländern zu verkehren, da wir durch jene Leute uns am raschesten mit den Mitteln versorgen können, unser Geschäft zum großen Vortheil der Stadt zu betreiben. So habe ich viele Geschäfte mit jenen Leuten gehabt, und ich kann es bei meiner Seligkeit versichern, daß Ihr nirgends billigere und ehrlichere Handelsleute findet, bei denen ein Mann leichter einen guten Pfennig erschwingen könnte. Ich habe zu meiner Zeit verschiedene weite Reisen in's Hochland gemacht, nur auf das Wort ihrer Häuptlinge, und nie traf ich ein seinem Worte treueres Volk, wenn man es einmal dahin bringen kann, es für Einen zu verpfänden, und was den hochländischen Häuptling Gilchrist Mac Jan betrifft, obwohl er rasch zum Todtschlag und feuersprühend gegen die ist, mit denen er in Todfehde begriffen ist, Keinen, der einen ehrlichern und geradern Pfad ginge.«

»Das ist mehr, als ich jemals hörte,« sagte Sir Patrick Charteris. »Doch ich habe auch Etwas von den hochländischen Brauseköpfen vernommen.«

»Sie zeigen eine andere und eine sehr verschiedene Gunst ihren Freunden, als ihren Feinden, wie Eure Herrlichkeit sehen wird,« sagte der Handschuhmacher. »Indeß, sei dem wie ihm wolle, es gelang mir, Gilchrist Mac Jan in einer wichtigen Sache zu dienen. Es ist etwa achtzehn Jahre her, daß der Clan Quhele und der Clan Chattan in Fehde begriffen waren, wie sie überhaupt selten Frieden haben, und der erstere eine Niederlage erlitt, die beinahe die Familie seines Häuptlings Mac Jan ausrottete. Sieben seiner Söhne fielen in und nach der Schlacht, er selbst mußte fliehen und sein Schloß wurde eingenommen und den Flammen übergeben. Seine Gattin, die gerade der Niederkunft nahe war, floh in den Wald, von einem treuen Diener und seiner Tochter begleitet. Hier gebar sie in Kummer und Elend einen Knaben, und da der elende Zustand der Mutter sie unfähig machte, das Kind zu säugen, so wurde es mit der Milch eines Rehes ernährt, das der Jäger, der sie begleitete, in einem Garn lebendig gefangen hatte. Nicht lange nachher schlug Mac Jan in einer zweiten Schlacht dieser Clans seine Feinde und nahm das verlorene Land wieder in Besitz. Mit unerwartetem Entzücken fand er Gattin und Kind noch am Leben, von denen er nichts mehr als die gebleichten Beine zu sehen gehofft hatte, von denen die Wölfe und wilden Katzen das Fleisch gefressen hätten.

»Aber ein starkes und gebieterisches Vorurtheil, wie es oft von jenen wilden Leuten unterhalten wird, hinderte den Häuptling, sich des vollen Glückes zu erfreuen, welches die Rettung seines einzigen Sohnes begründete. Es existirte eine alte Prophezeiung unter ihnen, daß die Macht des Stammes durch einen unter einem Hollunderbusch gebornen Knaben fallen werde, den ein weißes Reh säugte. Der Umstand traf zum Unglück für den Häuptling genau mit der Geburt des einzigen Kindes zusammen, das ihm übrig blieb, und die Aeltesten des Clans forderten von ihm, daß der Knabe entweder sogleich ermordet, oder wenigstens aus dem Gebiete des Stammes entfernt und in Dunkelheit auferzogen werde. Gilchrist Mac Jan mußte nachgeben, und da er den letztern Vorschlag wählte, wurde das Kind unter dem Namen Conachar in mein Haus gebracht, in der Absicht, wie man anfangs wollte, ihm alle Kunde zu verbergen, wer und woher er sei, oder welche Ansprüche auf Macht er über ein zahlreiches und kriegerisches Volk habe. Aber wie die Jahre dahinrollten, wurden die Aeltesten des Stammes, die so viel Ansehen besessen hatten, durch den Tod weggerafft oder durch Alter unfähig gemacht, sich in die öffentlichen Angelegenheiten zu mischen. Auf der anderen Seite wuchs der Einfluß Gilchrist Mac Jans durch seine glücklichen Kämpfe gegen den Clan Chattan, in welchem er die Gleichheit zwischen den beiden streitenden Bündnissen, wie sie vor der unglücklichen Niederlage bestand, von der ich Eurer Herrlichkeit erzählt, wiederherstellte. Als er so fest saß, wünschte er natürlich, seinen einzigen Sohn an seine Brust und in sein Haus zurückzubringen; deswegen ließ er mich den jungen Conachar, wie man ihn nannte, mehr als ein Mal in's Hochland schicken. Er war ein Jüngling, ganz dazu gemacht, durch Gestalt und edles Benehmen das Herz seines Vaters zu gewinnen. Endlich errieth, wie ich glaube, der junge Mann das Geheimniß seiner Geburt, oder es wurde ihm sonst mitgetheilt; und der Widerwille, den der stolze hochländische Bursche immer vor meinem ehrlichen Gewerbe gezeigt hatte, wurde sichtbarer, so daß ich nicht einmal wagte, meinen Stab über seinen Rücken zu legen, aus Furcht, er möchte mich mit einem Dolchstoß, als gälische Antwort auf eine sächsische Anrede, empfangen. Dann wünschte ich ihn los zu sein, um so mehr, da er so viel Ergebung gegen Katharina zeigte, die sich in der That vorsetzte, den Aethiopier zu waschen und einem wilden Hochländer Milde und Sitte zu lehren. Sie weiß selber, wie es endete.«

»Ei, mein Vater,« sagte Katharina, »es war gewiß nur eine Handlung des Erbarmens, den Brand aus dem Feuer zu reißen.«

»Aber keine besondere Handlung der Weisheit,« sagte ihr Vater, »da du die eigenen Finger dabei dem Brande aussetztest. – Was sagt Mylord zu der Sache?«

»Mylord möchte das schöne Mädchen von Perth nicht beleidigen,« sagte Sir Patrick; »und er kennt wohl die Reinheit und Wahrheit ihres Gemüths. Und doch muß ich nothwendig sagen, wäre dieser Pflegesohn des Rehes runzelig, hager, plump und rothhaarig gewesen, wie einige Hochländer, die ich kannte, so wär' es die Frage, ob das schöne Mädchen von Perth so vielen Eifer auf seine Bekehrung verwendet hätte; und wäre Katharina so alt, runzelig und von Jahren gebeugt gewesen, wie das alte Weib, das mir die Thür diesen Morgen öffnete, so möcht' ich meine goldenen Sporen gegen ein paar hochländischer Holzschuhe wetten, daß der wilde Rehbock nie mehr ihren Lectionen gelauscht haben würde. – Ihr lacht, Glover, und Katharina erröthet vor Unwillen. Laßt das sein, es ist der Lauf der Welt.«

»Die Art, Mylord, auf welche die Weltmenschen ihre Nachbarn beurtheilen,« sagte Katharina etwas geärgert.

»Ach, schöne Heilige, vergebt einen Scherz,« sagte der Ritter; »und du, Simon, sag' uns, wie die Geschichte endete – mit Conachars Flucht nach den Hochlanden, vermuthlich?«

»Mit seiner Rückkehr dahin,« sagte der Handschuhmacher. »Es war vor einigen Jahren ein Kerl in Perth, eine Art Bote, der kam und ging unter mancherlei Vorwand, war aber in der That das Mittel der Mittheilung zwischen Gilchrist Mac Jan und seinem Sohne, dem jungen Conachar, oder, wie er nun heißt, Hektor. Von diesem Burschen erfuhr ich im Allgemeinen, daß die Verbannung des Dault an Neigh Dheil, oder des Pflegesohnes des weißen Rehes, vom Stamme wieder in Erwägung gezogen sei. Sein Pflegevater, Torquil von der Eiche, der alte Jäger, erschien mit acht Söhnen, den schönsten Männern des Clans, und forderte die Aufhebung des Verbannungsurtheils. Er sprach mit um so größerem Ansehen, da er selbst ein Taitschatar oder Seher war und im Rufe stand, mit der unsichtbaren Welt Verkehr zu haben. Er versicherte, eine Zauberformel vollbracht zu haben, genannt Tin-Egan, durch welche er einen Teufel beschwor, von dem er ein Geständniß erpreßte, daß Conachar, nun Eachin oder Hektor Mac Jan genannt, der einzige Mann in dem bevorstehenden Kampfe zwischen den feindlichen Clans sei, der ohne Blut und Flecken wegkommen würde. Daher bewies Torquil von der Eiche, daß die Gegenwart des vom Schicksal bestimmten Mannes nothwendig sei, um den Sieg zu sichern. ›So gewiß weiß ich dies,‹ sagte der Jäger, ›daß, wo nicht Eachin an seiner Stelle in den Reihen des Clans Quhele kämpft, weder ich, sein Pflegevater, noch einer meiner acht Söhne eine Waffe in dem Streite erheben wird.‹

»Diese Rede ward mit großer Unruhe aufgenommen, denn der Abgang von neun Männern, den muthigsten ihres Stammes, war ein ernstlicher Unfall, zumal wenn der Kampf, wie das Gerücht bereits geht, durch eine kleine Anzahl von jeder Seite entschieden werden sollte. Der alte Aberglaube hinsichtlich des Pflegesohns des weißen Rehes wurde von einem neuen Vorurtheil überwogen, und der Vater ergriff die Gelegenheit, dem Clan seinen langverborgenen Sohn vorzustellen; das jugendliche, aber schöne und lebendige Gesicht desselben, sein stolzes Benehmen und seine gewandten Glieder erregten die Aufmerksamkeit der Männer des Clans, die ihn als den Erben und Abkömmling ihres Häuptlings, trotz des unglücklichen Vorzeichens, das seine Geburt und Säugung begleitete, empfingen.

»Aus dieser Erzählung, Mylord,« fuhr Simon Glover fort, »kann Eure Herrlichkeit leicht ersehen, warum ich selbst einer guten Aufnahme unter dem Clan Quhele sicher sein konnte; und ebenso seid Ihr im Stande zu beurtheilen, daß es sehr unbedacht von mir sein würde, Katharina dorthin zu führen. Und dies, Mylord, ist die schwerste meiner Sorgen.«

»So wollen wir dir die Last erleichtern,« sagte Sir Patrick; »und, guter Glover, ich will für dich und dieses Mädchen Etwas wagen. Meine Verbindung mit Douglas gibt mir einigen Einfluß bei Majory, der Herzogin Rothsay, seiner Tochter, der vernachlässigten Gemahlin unseres leichtsinnigen Prinzen. Verlasse dich darauf, guter Glover, daß unter ihrem Schutze deine Tochter so sicher sein wird, als in einem verschanzten Schlosse. Die Herzogin lebt gegenwärtig zu Falkland, einem Schlosse, das ihr der Herzog von Albany, dem es gehört, zu ihrer Bequemlichkeit geliehen hat. Ich kann kein Vergnügen versprechen, schönes Mädchen; denn die Herzogin Majory von Rothsay ist eine unglückliche und daher mürrische, stolze und übermüthige Frau, die des Mangels an anziehenden Eigenschaften sich bewußt und daher eifersüchtig auf alle Mädchen ist, die diese besitzen. Aber sie ist ihrem Worte treu, hat einen edlen Muth, und würde den Papst oder Prälaten in den Schloßgraben werfen lassen, wenn er eine Person unter ihrem Schutze verhaften wollte. Ihr werdet daher ganz sicher sein, obwohl Euch Behaglichkeit fehlen mag.«

»Ich habe keinen weitern Anspruch,« sagte Katharina; »und tief fühle ich die Güte, die mir so ehrenvollen Schutz zu gewähren bereit ist. Ist sie hochmüthig, so will ich mich erinnern, daß sie eine Douglas ist und das Recht hat, so stolz als irgend eine Sterbliche zu sein – ist sie mürrisch, so will ich bedenken, daß sie unglücklich ist – und ist sie über Gebühr launenhaft, so will ich nicht vergessen, daß sie mich schützt. Bekümmert Euch nicht länger um mich, Mylord, wenn Ihr mich unter den Schutz der edlen Lady gebracht habt. – Aber daß mein armer Vater dem wilden und gefährlichen Volke ausgesetzt sein soll!«

»Denke nicht daran, Katharina,« sagte der Handschuhmacher; »ich bin so vertraut mit Holzschuhen und Farrenkraut, als hätte ich sie selber getragen. Ich fürchte nur, die entscheidende Schlacht möchte vorfallen, bevor ich dieses Land verlassen kann; und wenn der Clan Quhele die Schlacht verliert, so kann ich durch das Unglück meiner Beschützer leiden.«

»Wir müssen dafür sorgen,« sagte Sir Patrick; »verlaßt Euch auf mich, ich werde für Eure Sicherheit denken. – Aber welche Partei, glaubt Ihr, wird siegen?«

»Offen zu reden, Mylord Oberrichter, ich glaube, der Clan Chattan wird den Kürzern ziehen; jene neun Söhne des Waldes bilden fast ein Drittel der Schaar, die den Häuptling vom Clan Quhele umgibt, und es sind unerschrockene Streiter.«

»Und Euer Lehrling, meint Ihr, er werde stehen?«

»Er ist heiß wie Feuer, Sir Patrick,« antwortete der Handschuhmacher, »ist aber eben so beweglich, wie Wasser. Trotzdem scheint er, wenn er leben bleibt, dereinst ein tüchtiger Mann werden zu wollen.«

»Aber für jetzt hat er immer noch Etwas von der Milch des weißen Rehes, nicht wahr, Simon?«

»Er hat wenig Erfahrung, Mylord,« sagte der Handschuhmacher, »und ich brauche einem gerühmten Krieger, wie Ihr, nicht zu sagen, daß wir mit der Gefahr vertraut sein müssen, eh' wir mit ihr, wie mit einer Geliebten, scherzen können.«

Diese Unterhaltung brachte sie eilig nach Schloß Kinfauns, wo es, nach eingenommener Erfrischung, nöthig ward, daß Vater und Tochter schieden, um ihre besonderen Zufluchtsorte zu suchen. Dann erst war es, daß Katharina, als sie sah, wie ihres Vaters Besorgnis um sie alle Gedanken an seinen Freund zusammengedrückt hatte, wie im Traume den Namen »Harry Gow« fallen ließ.

»Freilich, ja freilich!« fuhr der Vater fort; »er muß unsere Absichten kennen.«

»Ueberlaßt das mir,« sagte Sir Patrick. »Ich will keinem Boten vertrauen, will auch keinen Brief senden, weil, wenn ich einen schreiben, er ihn vermuthlich nicht lesen könnte. Er wird unterdessen besorgt sein, aber ich will morgen bei Zeiten nach Perth reiten und ihn mit Eurem Vorhaben bekannt machen.«

Die Zeit der Trennung nahete nun. Es war ein bitterer Augenblick; aber der männliche Charakter des alten Bürgers und die fromme Ergebung Katharinens in den Willen der Vorsehung machten ihn leichter, als sich erwarten ließ. Der gute Ritter drang, wiewohl auf die freundlichste Weise, auf die Abreise, und ging selbst so weit, dem Bürger ein Darlehen von einigen Goldstücken zu bieten, was zu einer Zeit, wo das Geld so selten war, als das non plus ultra der Achtung angesehen werden mußte. Der Handschuhmacher versicherte ihn jedoch, daß er reichlich versehen sei, und reiste in nordwestlicher Richtung ab. Der gastliche Schutz Sir Patrick Charteris' wurde seinem schönen Gaste nicht minder bewiesen. Sie wurde der Fürsorge einer Hausmeisterin, die das Hauswesen des guten Ritters besorgte, übergeben, und war genöthigt, mehrere Tage in Kinfauns zu bleiben, weil der Fährmann vom Tay, Kitt Stenshaw, der sie überfahren sollte, und auf den der Ritter viel Vertrauen setzte, Hindernisse und Zögerung verursachte.

So wurden Vater und Kind getrennt in einem Augenblicke großer Gefahr und Bedrängniß, noch gesteigert durch Umstände, von denen sie nichts zu wissen schienen, und die gleichwohl die Möglichkeit der Rettung, die ihnen blieb, sehr beeinträchtigen konnten.

Siebenundzwanzigstes Kapitel

»Also that Augustin« – »So?« sagt' er, – »Nun, Mag's Augustin für mich denn wieder thun.«


Pope's Prolog in den »Canterbury Tales« von Chaucer.

Der Lauf unserer Geschichte wird sich am besten verfolgen lassen, wenn wir Simon Glover begleiten. Es ist nicht unsere Absicht, genau die örtlichen Grenzen der beiden streitenden Clans anzugeben, zumal da sie von den Geschichtschreibern nicht genau bezeichnet werden, welche die Schilderungen dieser merkwürdigen Fehde lieferten. Es genügt, zu sagen, daß das Gebiet des Clans Chattan sich weit und breit ausdehnte, indem es Caithneß und Sutherland umfaßte und als unumschränkten Häuptling den mächtigen Grafen der letztern Grafschaft hatte, genannt Mohr ar chat (die große Katze). So gehörten im Allgemeinen die Keths, die Sinclairs, die Guns und andere Familien und Clans von bedeutender Macht zu diesem Bündnisse. Diese waren jedoch nicht in den gegenwärtigen Streit verwickelt, der sich auf den Theil des Clans Chattan beschränkte, der die ausgedehnten Bergdistrikte von Perthshire und Inverneßshire inne hatte, die einen großen Theil dessen bilden, was man die nördlichen Hochlande nennt. Es ist wohl bekannt, daß zwei große Clans, von denen man ohne Zweifel weiß, daß sie zu dem Clan Chattan gehörten, die Mac Phersons und die Mac Intosches, bis auf diesen Tag streiten, welcher ihrer Häuptlinge an der Spitze dieses Badenochzweiges des großen Bündnisses stand, und Beide nahmen in spätern Zeiten den Titel eines Häuptlings (captain) von Clan Chattan an. Non nostrum est. – Jedenfalls aber muß in Badenoch das Bündniß gewesen sein, so weit es in die von uns behandelte Fehde verwickelt war.

Von dem feindlichen Bunde von Clan Quhele haben wir noch minder genaue Nachricht, aus Gründen, die sich in der Fehde herausstellen werden. Einige Schriftsteller haben ihn mit dem zahlreichen und mächtigen Stamme des Mac Kay für ein und dasselbe gehalten. Beruht dies auf gutem Grunde, was zu bezweifeln ist, so müssen die Mac Kays ihre Wohnsitze seit der Regierung Roberts II. verändert haben, da man sie nun (als Clan) in den äußerst nördlichen Theilen Schottlands, in den Gegenden von Roß und Sutherland findet. Wir können daher in der Geographie unserer Geschichte nicht so klar sein, als wir wünschten. Es genüge, zu bemerken, daß der Handschuhmacher, eine nordwestliche Richtung einschlagend, eine Tagreise gegen das Land Breadalbane zog, von wo er das Schloß zu erreichen hoffte, wo Gilchrist Mac Jan, Häuptling des Clans Quhele und Vater seines Zöglings Conachar, sich gewöhnlich aufhielt, umgeben von barbarischem Pomp und einem Ceremoniell, welches zu seinen stolzen Ansprüchen paßte.

Wir brauchen uns nicht bei einer Schilderung der Mühen und Schrecknisse einer solchen Reise aufzuhalten, wo man den Weg durch Einöden und Gebirge suchen mußte, bald an steilen Abhängen emporsteigend, bald in unzugängliche Moräste hinabstürzend, und oft unterbrochen durch große Bäche, ja selbst Flüsse. Aber all' diese Gefahren hatte Simon Glover, um ehrlichen Gewinn zu suchen, schon vorher bestanden, und es ließ sich nicht annehmen, daß er sie scheute oder fürchtete, wo Freiheit, ja selbst das Leben der Preis war.

Die Gefahr von Seiten der kriegerischen und uncivilisirten Bewohner dieser Einöden würde einem Andern mindestens eben so furchtbar erschienen sein, als die Gefahren der Reise. Aber Simons Kenntniß der Sitten und Sprachen des Volkes machte ihn auch in diesem Punkte sicher. Ein Anspruch auf die Gastfreundschaft der wildesten Gälen war nie erfolglos, und der Kerl, der unter andern Umständen einen Menschen um die silberne Schnalle seines Mantels ermordet hätte, würde sich selbst einer Mahlzeit beraubt haben, um den Reisenden, der an der Thür seiner Hütte um Gastfreundschaft bat, zu erquicken. Die Reisekunst war, so vertrauensvoll und unvertheidigt als möglich zu erscheinen; deswegen trug der Handschuhmacher durchaus keine Waffen, reiste ohne den mindesten Anschein von Vorsicht, und hatte sich nur zu hüten, nichts, was die Begierde aufregen konnte, zu zeigen. Eine andere Regel, deren Beobachtung er für klug hielt, war, mit jedem Wanderer, dem er begegnete, Gemeinschaft zu vermeiden, außer so weit es den Wechsel der gegenseitigen Höflichkeit im Grüßen betraf, welche die Hochländer selten unterlassen. Aber auch für diese vorübergehenden Grüße boten sich nur wenig Gelegenheiten dar. Das immer einsame Land schien jetzt ganz verlassen, und selbst in den kleinen Straths oder Thälern, welche er zu durchwandern Gelegenheit hatte, waren die Dörfer leer und die Einwohner hatten sich in Wälder und Höhlen zurückgezogen. Dies war leicht zu erklären, wenn man die bevorstehenden Gefahren einer Fehde erwog, die nach der Erwartung Aller das allgemeinste Signal zu Plünderung und Raub, wodurch je das unglückliche Land verwüstet wurde, werden mußte.

Simon begann, über diesen Zustand der Verwüstung beunruhigt zu werden. Er hatte ein Mal Halt gemacht, seit er Kinfauns verließ, um seinen Klepper ruhen zu lassen; und nun begann er besorgt zu werden, wie er die Nacht zubringen solle. Er hatte deswegen auf die Hütte eines alten Bekannten gezählt, den man Niel Booshalloch (oder den Kuhhirten) nannte, weil er zahlreiche Viehheerden, die dem Häuptlinge des Clan Quhele gehörten, hütete, wozu er ein Gut an den Ufern des Tay, nicht weit von der Stelle, wo der Fluß den See desselben Namens verläßt, inne hatte. Von diesem alten Wirthe und Freunde, mit welchem er manchen Handel um Felle und Pelzwerk geschlossen hatte, hoffte der Handschuhmacher den gegenwärtigen Zustand des Landes, die Erwartung über Krieg und Frieden und die besten Maßregeln zu seiner Sicherheit zu erfahren. Man muß sich erinnern, daß die Nachricht des zur Verminderung der Ausdehnung der Fehde eingegangenen Kampfvertrags Königs Robert erst den Tag vorher, ehe der Handschuhmacher Perth verließ, mitgetheilt worden war, und erst einige Zeit nachher bekannt gemacht wurde.

»Wenn Niel Booshalloch seine Wohnung gleich den Uebrigen verlassen hat, so bin ich am Ende schön angekommen,« dachte Simon, »da ich nicht nur den Vortheil seines guten Rathes entbehre, sondern auch seinen Einfluß bei Gilchrist Jan; überdies auch ein Nachtquartier und Abendessen.«

So denkend, erreichte er den Gipfel eines schwellenden grünen Hügels und sah den prächtigen Anblick des Taysees unter sich, eine unermeßliche Platte polirten Silbers, seine dunklen Haideberge und laublosen Eichenwälder, die dem mit Arabesken gezierten Rahmen eines prächtigen Spiegels glichen.

Gegen Naturschönheiten stets gleichgültig, war es Simon Glover besonders jetzt, und der einzige Theil der herrlichen Landschaft, worauf er den Blick heftete, war der Winkel oder Vorsprung eines Wiesenlandes, wo der Fluß Tay, in stolzer Fülle aus seinem väterlichen See hervorrauschend und um ein etwa eine Meile breites Thal sich im Bogen wälzend, seinen großen Lauf südostwärts beginnt, wie ein Eroberer und Gesetzgeber, um ferne Lande zu unterjochen und zu bereichern. Auf der einsamen Stelle, welche reizend zwischen See, Berg und Strom liegt, erhob sich später das lehensherrliche Schloß, der Ballongh, welches in unserer Zeit dem prächtigen Palaste des Grafen von Breadalbane Platz gemacht hat.

Aber die Campbells, obwohl sie bereits eine bedeutende Macht in Argyleshire erlangt hatten, hatten sich doch nicht so weit ostwärts bis zum Taysee ausgedehnt, dessen Ufer, sei es durch Recht oder durch bloße Besitzergreifung, damals der Clan Quhele besaß, der seine auserlesensten Heerden darauf werden ließ. In diesem Thale also, zwischen dem Fluß und dem See, zwischen ausgedehnten Wäldern von Eichen, Haselbüschen, Eschen und Lerchenbäumen, erhob sich die niedrige Hülle Niel Booshallochs, eines ländlichen Eumäus, dessen gastlicher Schornstein reichlichen Rauch aufsteigen ließ, zur großen Beruhigung Simon Glovers, indem er sonst genöthigt gewesen wäre, nicht zu seinem besonderen Vergnügen die Nacht unter freiem Himmel zuzubringen.

Er erreichte die Thür der Hütte, pfiff, schrie und machte seine Ankunft bekannt. Es erhob sich ein Gebell von Hunden, und alsbald trat der Herr der Hütte hervor. Es lag viel Sorge auf seiner Stirn, und er schien beim Anblick Simon Glovers zu erschrecken, obgleich der Hirt Beides, so gut er konnte, verbarg; denn nichts galt in diesem Lande für unhöflicher, als wenn der Wirth in Blick oder Miene Etwas zeigte, was den Besuch zu dem Gedanken verleiten konnte, daß seine Ankunft unangenehm oder auch nur unerwartet sei. Das Pferd des Reisenden wurde in einen Stall gebracht, der beinahe zu niedrig war, um es aufzunehmen, und der Handschuhmacher selbst wurde in das Haus Booshallochs geführt, wo ihm nach der Sitte des Landes Brod und Käse vorgesetzt wurde, während man nahrhaftere Speisen bereitete. Simon, der all' ihre Gewohnheiten verstand, wollte die offenbaren Zeichen von Traurigkeit auf der Stirne seines Wirthes und der Familie desselben nicht bemerken, bis er der Form wegen Etwas gegessen hatte, worauf er die allgemeine Frage that, was es Neues im Lande gäbe?

»So schlechte Neuigkeiten, als je genannt wurden.« sagte der Hirte; »unser Vater ist nicht mehr.«

»Wie?« sagte Simon, höchlich beunruhigt, »ist der Häuptling des Clans Quhele todt?«

»Der Häuptling des Clans Quhele stirbt nie,« antwortete der Booshalloch; »aber Gilchrist Mac Jan starb vor zwanzig Stunden, und sein Sohn Eachin Mac Jan ist nun Häuptling.«

»Was, Eachin – das ist Conachar – mein Lehrling.«

»So wenig als möglich von diesem Gegenstande, Bruder Simon,« sagte der Hirte. »Ihr müßt Euch erinnern, Freund, daß Euer Gewerbe, das wohl gut ist, um in der hübschen Stadt Perth zu leben, etwas zu handwerksmäßig ist, um am Fuße des Ben Lawers oder an den Ufern des Taysees sehr geachtet zu sein. Wir haben nicht einmal ein gälisches Wort, um einen Handschuhmacher damit zu bezeichnen.«

»Es wäre auch seltsam, wenn Ihr's hättet, Freund Niel,« sagte Simon trocken, »da Ihr so wenig Handschuhe zu tragen habt. Ich glaube, es gibt keine im ganzen Clan Quhele, außer die, welche ich selbst Gilchrist Mac Jan schenkte, dem Gott gnädig sei, der sie als etwas Vorzügliches schätzte. Sehr tief bedaure ich seinen Tod, denn ich kam in wichtigen Geschäften zu ihm.«

»Ihr thätet besser, Eures Pferdes Kopf morgen früh südwärts zu wenden,« sagte der Hirte. »Das Leichenbegängniß wird gleich stattfinden, und es muß ohne viel Ceremonie geschehen; denn es soll eine Schlacht zwischen dem Clan Quhele und dem Clan Chattan gefochten werden, dreißig Kämpfer von jeder Seite, und zwar am nächsten Palmsonntag; und wir haben wenig Zeit übrig, um die Todten zu beklagen oder die Lebenden zu ehren.«

»Aber meine Angelegenheiten sind so wichtig, daß ich den jungen Häuptling nothwendig sehen muß, wär' es auch nur auf eine Viertelstunde,« sagte der Handschuhmacher.

»Höre, Freund,« erwiderte sein Wirth. »ich denke, dein Geschäft ist, entweder Geld einzusammeln oder Handel zu treiben. Nun, wenn der Häuptling dir etwas für Erziehung oder dergleichen schuldig ist, so verlang' es nicht von ihm zu einer Zeit, wo er alle Schätze des Stammes zu prächtigen Waffenrüstungen und Kleidern für seine Mitkämpfer bedarf; denn wir müssen jenen stolzen Bergkatzen so begegnen, daß sie sehen, wie hoch wir über ihnen stehen. Aber wenn du kommst, um Handel mit uns zu schließen, so ist deine Zeit noch schlimmer gewählt. Du weißt, daß du bereits von Vielen unseres Stammes beneidest wirst, wie du den jungen Häuptling erzogen hast, ein Geschäft, welches den Besten des Clans übertragen zu werden pflegt.«

»Aber, bei St. Maria, Mann!« rief der Handschuhmacher, »die Leute sollen sich erinnern, daß mir das Geschäft nicht als eine Gunst übertragen wurde, um die ich warb, sondern daß es von mir nur ungern und nur auf Bitten, zu meiner nicht geringen Verlegenheit, angenommen ward. Dieser euer Conachar, oder Hektor, oder wie ihr ihn nennt, hat mir Rehhäute im Betrage vieler schottischen Pfunde verdorben.«

»Da hast du nun wieder,« sagte der Booshalloch, »ein Wort gesprochen, was dir das Leben kosten kann; – jede Anspielung auf Felle oder Häute, zumal auf Rehhäute, kann dich in höchste Gefahr bringen. Der Häuptling ist jung und eifersüchtig auf seinen Rang – Niemand kennt den Grund besser, als du, Freund Handschuhmacher. Er wünschte natürlich, daß Alles, was sich auf den Widerspruch gegen seine Erbfolge und auf seine Verbannung bezieht, gänzlich vergessen werde; und er wird den nicht lieben, der das Gedächtniß seiner Leute zu Etwas zurückruft, oder sein eigenes zurückzwingt, dessen Beide mit Widerwillen gedenken. Denke, wie sie in solcher Zeit auf den alten Glover von Perth sehen werden, bei welchem der Häuptling so lange Lehrling war! – Nun, nun, alter Freund, Ihr habt Euch darin geirrt. Ihr seid zu eilig, die aufgehende Sonne anzubeten, während ihre Strahlen noch am Rande des Horizonts stehen. Komm, wenn sie höher am Himmel emporgestiegen ist, und du sollst an der Wärme ihrer Mittagshöhe Theil haben.«

»Niel Booshalloch,« sagte der Handschuhmacher, »wir sind alte Freunde gewesen, wie du sagst; und da ich dich für einen Treuen halte, will ich offen zu dir sprechen, obwohl, was ich sage, gefährlich sein könnte, wenn ich es Andern deines Clans mittheilte. Du glaubst, ich komme hieher, um Vortheil von deinem jungen Häuptling zu ziehen, und es ist natürlich, daß du das glaubst. Aber in meinen alten Tagen verlasse ich nicht meine Kaminecke in Curfewstreet, um mich an den Strahlen der glänzendsten Sonne zu wärmen, die je über hochländisches Heidekraut schien. Die Sache ist aber, ich komme in Noth hieher – meine Feinde haben sich über mich gesetzt und mich solcher Verbrechen angeklagt, deren ich selbst in Gedanken nicht schuldig bin. Trotzdem ist wahrscheinlich das Urtheil über mich gefällt, und ich habe nur die Wahl, zu fliehen oder zu bleiben, um zu sterben. Ich komme nun zu Eurem Häuptling, der bei mir in seiner Noth Zuflucht fand, von meinem Brode aß und aus meinem Becher trank. Ich verlange Zuflucht bei ihm, die ich, wie ich hoffe, nur kurze Zeit brauchen werde.«

»Das macht die Sache anders,« erwiderte der Hirte. »So anders, daß, wenn Ihr um Mitternacht an Mac Jans Thür kämt mit dem Kopfe des Königs von Schottland in Eurer Hand und tausend Mann hinter Euch, um sein Blut zu rächen, daß ich nicht glaube, es würde seiner Ehre zuträglich sein, Euch Schutz zu versagen. Und was Eure Schuld oder Unschuld betrifft, so thut die nichts zur Sache – oder vielmehr, er sollte Euch um so eher schützen, wenn ihr schuldig, denn Eure Noth und seine Gefahr wären in diesem Falle um so größer. Ich muß gleich zu ihm, damit ihm keine vorschnelle Zunge Eure Ankunft hier ohne den Grund derselben meldet.«

»Schade, daß ich dich bemühe,« sagte der Handschuhmacher: »aber wo liegt der Häuptling?«

»Er hat sein Quartier etwa zehn Meilen von hier, und ist beschäftigt mit Angelegenheiten des Leichenbegängnisses und mit Vorbereitungen zum Kampfe – die Todten zum Grabe, die Lebenden zur Schlacht zu führen.«

»Es ist ein weiter Weg, und wird Euch, um zurückzukehren, die ganze Nacht kosten,« sagte der Handschuhmacher; »und ich bin überzeugt, daß Conachar, wenn er weiß, ich sei es, der –«

»Vergiß Conachar,« sagte der Hirte, den Finger auf die Lippen legend. »Und was die zehn Meilen betrifft, so sind die nur ein Hochländersprung, wenn Einer eine Botschaft zwischen seinem Freunde und seinem Häuptling trägt.«

So sprechend und den Reisenden der Obhut seines ältesten Sohnes und seiner Tochter überlassend, verließ der behende Hirte sein Haus zwei Stunden vor Mitternacht, und kehrte lange vor Sonnenaufgang dahin zurück. Er störte seinen ermüdeten Gast nicht; als aber der alte Mann am Morgen aufstand, machte er ihm bekannt, daß das Begräbniß des verstorbenen Häuptlings am nächsten Tage stattfinden werde, und daß, obwohl Eachin Mac Jan einen Sachsen nicht zu dem Leichenbegängniß einladen könne, er sich doch freuen würde, denselben beim darauf folgenden Gastmahl zu empfangen.

»Sein Wille muß befolgt werden,« sagte der Handschuhmacher, halb lächelnd über den Wechsel des Verhältnisses zwischen ihm und seinem Lehrling. »Der Mann ist jetzt der Gebieter, und ich hoffe, er wird sich erinnern, daß, als die Sachen anders zwischen uns standen, ich mein Ansehen nicht unfreundlich übte.«

»Fürwahr, Freund!« rief der Booshalloch, »je weniger du davon sprichst, um so besser. Du wirst finden, daß du Eachin ein recht willkommener Gast bist, und der Teufel auf den, der dich in seinen Grenzen zu stören wagt. Aber leb' wohl; denn ich muß, wie es sich ziemt, zum Begräbniß des besten Häuptlings gehen, den der Clan je besaß, und des weisesten Führers, der je den süßen Zweig (Myrte) auf seine Mütze steckte. Leb' wohl auf kurze Zeit, und wenn du auf den Gipfel des Tom-an-Lonach hinter dem Hause gehen willst, so wirst du einen prächtigen Anblick haben und einen Coronach hören, der bis zur Spitze des Ben Lawers schallt. In drei Stunden wird ein Boot in einem kleinen Kanal etwa eine halbe Meile westwärts vom Ausfluß des Tay dich erwarten.«

Mit diesen Worten nahm er Abschied, begleitet von seinen drei Söhnen, um das Boot zu bemannen, in welchem er sich zu den andern Leidtragenden gesellen wollte, und zwei Töchtern, deren Stimmen nöthig waren, um in die Klage einzustimmen, die gesungen oder vielmehr geschrieen wurde bei solchen Anlässen allgemeiner Trauer.

Als sich Simon Glover allein befand, ging er zum Stall, um nach seinem Pferde zu sehen, welches er wohl versorgt fand mit Graddan oder Brod aus geschrotener Gerste. Diese Güte würdigte er vollkommen, denn er wußte, daß die Familie wahrscheinlich wenig von diesem Leckerbissen für sich übrig hatte, bis die nächste Ernte dürftigen Vorrath einbrächte. Mit Viehfutter waren sie wohl versehen, und der See gab ihnen Ueberfluß an Fischen für ihre Fastenspeise, welche sie nicht streng hielten; aber Brod war ein seltener Artikel im Hochland. Die Moore lieferten weiches Heu, obwohl nicht von der besten Art, aber die schottischen Pferde waren, wie ihre Reiter, an harte Kost gewöhnt. Handschuh, denn dies war der Name des Pferdes, hatte den Stall voll getrocknetes Farrenkraut als Streu und war außerdem so wohl versorgt, als es hochländische Gastfreundschaft vermochte.

Simon Glover, der so seinen eigenen schmerzlichen Gedanken überlassen war, blieb, nachdem er die Bequemlichkeit seines stummen Reisegefährten gesehen, nichts übrig, als des Hirten Rath zu befolgen; und indem er gegen den Gipfel einer Anhöhe, genannt Tom-an-Lonach oder Berg der Eibenbäume, emporstieg, erreichte er nach halbstündiger Wanderung den Gipfel, und konnte den weitausgedehnten See, den die Anhöhe mit der trefflichsten Aussicht beherrschte, überschauen. Einige bejahrte und zerstreute Eichenbäume rechtfertigten noch immer den Namen des schönen grünen Hügels. Aber eine weit größere Anzahl war in der kriegerischen Zeit dem allgemeinen Verlangen nach Bogenstäben als Opfer gefallen; denn der Bogen war die gewöhnliche Waffe der Bergbewohner, obgleich ihre Bogen wie ihre Pfeile an Gestalt und Form, besonders an Wirksamkeit denen des lustigen England weit nachstanden. Die noch übrigen schwarzen und zerstreuten Eiben glichen den Resten eines gesprengten Heeres, die in Unordnung einen günstigen Posten einnehmen, mit dem festen Vorsatz, bis auf den letzten Blutstropfen auszuhalten. Hinter dieser Anhöhe, aber losgerissen von ihr, erhob sich ein höherer Hügel, zum Theil mit Gestrüpp bedeckt, zum Theil in Weidetriften sich öffnend, wo das umherirrende Vieh zwischen den Quellen und Sümpfen, von denen jetzt frisches Gras aufkeimte, dürftige Nahrung fand. Die entgegengesetzte oder nördliche Küste des Sees bot eine Aussicht dar, die weit mehr jener von den Alpen aus glich, als die, auf welcher der Handschuhmacher stand. Wälder und Gesträuche stiegen an den Seiten der Berge empor und verschwanden unter den Windungen, die die Schluchten bildeten, welche sie von einander trennten; aber weit über diese Proben eines erträglichen natürlichen Bodens erhoben sich die dunkeln und nackten Gebirge selbst in der schwarzgrauen Oede der Jahreszeit.

Einige waren spitz, andere breitgipfelig, einige felsig und steil, andere von sanfteren Umrissen; und der Clan der Titanen schien von ihren eigenen Häuptlingen beherrscht zu sein – dem finstern Berge Ben Lawers und der noch erhabeneren Höhe des Ben Mohr, hoch über die andern emporragend, und deren Gipfel einen blendenden Schneehelm weit in den Sommer hinein und bisweilen das ganze Jahr hindurch tragen. Doch zeigten die Grenzen dieser wilden Waldungen, wo die Berge zu dem See sich hinabsenkten, selbst in jener frühen Zeit viele Spuren menschlicher Wohnungen. Dörfer zeigten sich, besonders an dem nördlichen Seeufer, halb in den kleinen Schluchten verborgen, aus denen Nebenflüßchen in den Taysee strömten, die, wie so Manches auf Erden, von weitem einen schönen Anblick darboten, in der Nähe aber, wegen des Mangels an Bequemlichkeiten, wie sie selbst indianische Wigwams bieten, ekelhaft und abschreckend waren. Sie waren von einem Geschlecht bewohnt, das weder den Boden anbaute, noch um die Genüsse, die der Gewerbfleiß verschafft, sich bekümmerte. Die Weiber, die sonst mit Liebe und selbst zarter Achtung behandelt wurden, verrichteten alle durchaus nöthigen häuslichen Arbeiten. Die Männer übten, außer dem verhaßten Gebrauch eines schlechtgeformten Pflugs, oder noch gewöhnlicher eines Spatens, mit dem sie murrend und wie mit einer Sache umgingen, die weit unter ihnen stände, kein anderes Geschäft, als das Hüten ihrer schwarzen Rinderheerden, worin ihr Reichthum bestand. Außerdem jagten, fischten oder streiften sie immer, während der kurzen Friedenszeit, zum Zeitvertreib; plünderten mit frecher Zügellosigkeit und fochten mit stolzer Erbitterung zur Zeit des Krieges, der, mocht' er nun öffentlich oder Privatfehde, von größerer oder geringerer Ausdehnung sein, das eigentliche Geschäft ihres Lebens bildete, und das einzige, welches sie ihrer würdig achteten.

Der prächtige Busen des Sees selbst gewährte einen entzückenden Anblick. Seine stattliche Breite, nebst seinem Ausgang in einen vollen und schönen Strom, ward noch malerischer durch eine jener Inseln, die oft so glücklich in den schottischen Seen gelegen sind. Die Ruinen dieser Inseln, jetzt fast formlos und mit Holz überwachsen, erhoben sich in der Zeit, von welcher wir sprechen, zu den Thürmen und Zinnen einer Abtei, wo die Reste Sibilla's, Tochter Heinrichs I. von England und Gemahlin Alexanders I. von Schottland, ruhten. Diese heilige Stätte wurde genug in Ehren gehalten, um der Ruheplatz der Reste des Häuptlings vom Clan Quhele zu sein, wenigstens bis die Entfernung der Gefahr, die jetzt so nahe drohte, es erlauben würde, seinen Leichnam in ein ausgezeichnetes Kloster im Norden zu bringen, wo er schließlich bei all' seinen Ahnen ruhen sollte.

Eine Anzahl Boote stieß von verschiedenen Punkten des nahen und ferneren Gestades ab, viele Trauerfahnen entfaltend, und andere mit ihren verschiedenen Pfeifern, die von Zeit zu Zeit einige Töne schrillen, traurigen und beklagenden Charakters hören ließen, und dem Handschuhmacher somit anzeigten, daß die Ceremonie vor sich gehen sollte. Diese Klagetöne waren nur das Vorspiel der Instrumente in Vergleich mit der allgemeinen Klage, die sogleich erhoben werden sollte.

Weit vom See herauf hörte man einen feinen Ton, der aus den entfernten und abgelegenen Thälern zu kommen schien, aus denen der Dochart und der Lochy ihre Fluthen in den Taysee ergießen. Es war an einem wilden, unzugänglichen Orte, – wo die Campells in einer spätern Zeit ihre starke Veste Finlayrigg gründeten, – daß der muthige Gebieter des Clans Quhele seinen letzten Athemzug that; und um seinem Leichenbegängniß die gebührende Feierlichkeit zu geben, ward sein Körper nun den See herab nach der Insel geführt, die seine einstweilige Ruhestätte sein sollte. Die Leichenflotte, von des Häuptlings Boote, aus welchem eine ungeheure schwarze Fahne wallte, geführt, hatte mehr als zwei Drittel des Weges zurückgelegt, ehe man von der Anhöhe, wo Simon Glover stand, die Feierlichkeit übersehen konnte. Sobald der entfernte Klageton des Coronach, der von den Leuten auf der Leichenbarke ausging, gehört wurde, schwiegen auf einmal alle geringern Wehklagen, wie der Rabe zu krächzen und der Habicht zu pfeifen aufhört, wenn das Geschrei des Adlers gehört wird. Die Boote, welche auf dem See, wie eine Heerde Wasservögel, zerstreut umhergefahren waren, zogen sich nun mit einer Art von Ordnung zusammen, damit die Leichenflotte voran ginge und sie selbst an ihre gehörigen Plätze kämen. Indessen wurde der durchdringende Ton der Kriegspfeifen lauter und lauter, und das Geschrei von den zahllosen Booten, die demjenigen folgten, aus dem das schwarze Banner des Häuptlings wehete, erhob sich in wildem Einklang zu dem Tom-an-Lonach, auf dem Glover das Schauspiel betrachtete. Die Galeere, welche den Zug anführte, trug auf dem Hintertheil ein Gerüst, worauf in weiße Leinewand gewickelt, das Gesicht blos, der Leichnam des gestorbenen Häuptlings ausgestellt war. Sein Sohn und die nächsten Verwandten befanden sich auf dem Fahrzeuge, während eine große Menge Boote jeder Art, so viel ihrer auf dem Taysee selbst, oder auf Landwegen vom Earnsee oder sonst woher zusammengebracht werden konnten, zum Theil schwachgebaute Fahrzeuge, hinten nachfolgten. Es waren selbst Curraghs hier, aus Ochsenhäuten bestehend, die man nach der Art der alten Britten über Weidenstämme spannte; Einige vertrauten sich sogar Flößen, die man aus dem nächsten, dem besten Holze so leicht zusammengefügt hatte, daß es wahrscheinlich wurde, es dürften, ehe die Reise zu Ende sei, einige der Clansleute den verstorbenen Häuptling in die Geisterwelt begleiten.

Als die Hauptflottille der kleinern Gruppe von Booten, die sich am Ende des Sees sammelten und von der kleinen Insel abfuhren, zu Gesicht kam, begrüßten sie einander mit einem Geschrei, so laut und allgemein und in einem so seltsam verlängerten Tonfall endend, daß nicht allein das Wild meilenweit in der Runde aus seinen Klüften aufgeschreckt ward, sondern selbst das an die Stimme des Menschen gewöhnte Hausvieh all' den panischen Schrecken empfand, den das menschliche Geschrei auf wildere Stämme macht, und von seinen Weiden in Moräste und Gebüsche floh.

Durch diese Klänge aus ihrem Kloster gerufen, begannen die Mönche, welche die kleine Insel bewohnten, aus ihrem niedrigen Thore zu treten, mit Kreuz und Fahne und mit so viel kirchlicher Pracht, als sie zu entfalten vermochten; zu gleicher Zeit mischte sich der Klang ihrer Glocken, deren das Gebäude drei besaß, das Todtengeläute über den weiten See hallend, welches in's Ohr der nun schweigenden Menge tönte, mit dem feierlichen Gesange der katholischen Kirche, den die Mönche in ihrer Prozession anstimmten. Verschiedene Ceremonien fanden Statt, während die Verwandten des Verblichenen den Leichnam an's Land trugen, auf eine hierzu längst geweihte Bank legten und dem alten Brauche gemäß den Deafil um ihn machten. Als der Leichnam aufgehoben wurde, um in die Kirche getragen zu werden, brach ein neues Geschrei von der versammelten Menge aus, in welchem die tiefe Stimme der Krieger und das gellende Klagegeschrei der Weiber mit der zitternden Stimme der Greise und dem stammelnden Geschrei der Kinder sich verband. Der Coronach wurde wieder und zum letzten Male geschrieen, als der Leichnam in das Innere der Kirche gebracht wurde, wo nur die nächsten Verwandten des Verblichenen und die ausgezeichnetsten Führer des Clans eintreten durften. Das letzte Wehgeschrei war so schrecklich laut und von so viel hundert Echos beantwortet, daß der Bürger von Perth unwillkürlich seine Hände zu den Ohren erhob, um einen so durchdringenden Schall abzuhalten, oder wenigstens zu dämpfen. Er behielt diese Stellung, während Habichte, Eulen und andere Vögel, durch das wilde Geschrei gestört, anfingen sich in ihre Schlupfwinkel zu setzen, als beim Wegziehen seiner Hand eine Stimme dicht neben ihm sagte:

»Haltet Ihr dies, Simon Glover, für eine Hymne der Demuth und des Lobes, womit es ziemt, einen armen verlorenen Mann, ausgeworfen aus seiner irdischen Hülle, vor's Angesicht seines Schöpfers zu senden?«

Der Handschuhmacher drehte sich um, und es ward ihm nicht schwer, in dem alten Manne, der mit langem weißem Barte dicht neben ihm stand, an dem hellen sanften Auge und der wohlwollenden Miene, den Karthäusermönch Vater Clemens wiederzuerkennen, der nicht mehr seine klösterlichen Kleider trug, sondern in einen Friesmantel gehüllt war und eine Hochländermütze trug.

Man muß sich erinnern, daß der Handschuhmacher diesen Mann mit einem aus Achtung und Mißfallen gemischten Gefühle betrachtete, – mit Achtung, die sein Verstand der Person und dem Charakter des Mönchs nicht versagen konnte, und mit Mißfallen, welches aus Pater Clemens eigenthümlichen Lehren entstand, welche die Ursache der Verbannung seiner Tochter und seiner eigenen Bedrängniß waren. Es war daher nicht mit dem Gefühle reiner Zufriedenheit, daß er den Gruß des Paters erwiderte, und er sagte auf die wiederholte Frage, was er von dem Leichenbegängniß halte, das auf so wilde Art vollzogen werde: – »Ich weiß nicht, mein guter Vater; aber diese Leute thun ihre Pflicht gegen den verstorbenen Häuptling nach der Gewohnheit ihrer Vorfahren. Sie wollen den Schmerz über den Verlust ihres Freundes ausdrücken und ihr Gebet zum Himmel für ihn erheben, und was mit gutem Willen geschieht, muß, wie mich dünkt, günstig aufgenommen werden. Wäre es anders gewesen, so denk' ich, sie wären schon längst zu etwas Besserem erleuchtet worden.«

»Du täuschest dich,« antwortete der Mönch. »Gott hat sein Licht unter uns Alle gesendet, obwohl in verschiedenem Maße; aber der Mensch schließt absichtlich die Augen und zieht Finsterniß vor. Dies umnachtete Volk mischt mit dem Ritual der römischen Kirche die alten heidnischen Ceremonien seiner Väter, und vereinigt so mit den Abscheulichkeiten einer durch Reichthum und Macht verdorbenen Kirche die grausamen und blutigen Gebräuche des rohen Heidenthums.«

»Vater,« sagte Simon kurz, »mich dünkt, Eure Gegenwart wäre nützlicher in jener Kapelle, um Euren Brüdern bei Verrichtung ihres kirchlichen Amtes zu helfen, als um den Glauben eines demüthigen, obwohl unwissenden Christen, wie ich bin, zu stören und wankend zu machen.«

»Und warum, guter Bruder, sollte ich deine Glaubensgrundsätze wankend machen wollen?« antwortete Clemens. »So wahr mir der Himmel helfe, wäre mein Herzblut nöthig, um die Seele eines Menschen an die heilige Religion, die er bekennt, zu knüpfen, es sollte dafür frei verströmen.«

»Eure Rede ist schön, Vater, ich gesteh' es,« sagte der Handschuhmacher; »aber wenn ich die Lehre nach den Früchten beurtheile, so hat mich der Himmel durch die Hand der Kirche gestraft, indem ich darauf hörte. Eh' ich Euch hörte, war mein Beichtvater wenig bekümmert, obwohl ich gestehen möchte, daß ich etwa ein Wort auf der Bierbank habe fallen lassen, wenn auch ein Mönch oder eine Nonne der Gegenstand sein mochte. Als ich einmal den Pater Hubert einen bessern Hasen- als Seelenjäger genannt hatte, so beichtete ich es dem Pfarrer Weinsauf, welcher lachte und mich eine Rechnung zur Buße bezahlen ließ, – oder wenn ich sagte, der Pfarrer Weinsauf sei seinem Becher treuer, als seinem Brevier, so beichtete ich es beim Vater Hubert, und ein neuer Falkenhandschuh machte Alles wieder gut; so lebte ich, mein Gewissen und Mutter Kirche in Friede, Freundschaft und gegenseitiger Verträglichkeit miteinander. Aber seit ich Euch gehört habe, Vater Clemens, ist diese angenehme Verbindung in Stücke gebrochen, und nichts donnert in mein Ohr, als Fegfeuer in jener und Scheiterhaufen in dieser Welt. Darum geht weg von mir, Vater Clemens, oder sprecht mit Solchen, die Eure Lehre verstehen können. Ich habe nicht das Herz, ein Märtyrer zu werden, und habe nie in meinem Leben Muth genug gehabt, ein Licht mit den Fingern zu putzen; und, die Wahrheit zu gestehen, ich bin gesonnen, nach Perth zurückzugehen, beim geistlichen Gerichtshof mir Verzeihung auszuwirken, meinen Scheiterhaufen zum Zeichen des Widerrufs an den Fuß des Galgens zu tragen und mir den Namen eines guten Katholiken wieder zu erkaufen, wäre es auch um den Preis alles weltlichen Reichthums, der mir übrig ist.«

»Ihr seid unwillig, mein theuerster Bruder,« sagte Clemens; »und einer geringen irdischen Gefahr und eines geringen irdischen Verlustes wegen gereuen Euch die guten Gedanken, die Ihr einst unterhieltet.«

»Ihr könnt leicht so sprechen, Vater Clemens, da Ihr, wie ich denke, schon längst dem Reichthum und den Gütern der Welt entsagt habt und vorbereitet seid, das Leben, wenn es verlangt wird, für die Lehre, die ihr predigt und glaubt, hinzugeben. Ihr seid so bereit, das Pechhemd und die Schwefelmütze anzulegen, als ein nackter Mann, in sein Bett zu gehen, und es könnte scheinen, Ihr hättet nicht viel mehr Widerwillen gegen die Ceremonie. Aber ich habe noch immer Etwas, was mir anhängt. Mein Reichthum ist noch mein eigen, und ich danke dem Himmel, daß er ein anständiges Auskommen gewährt – mein Leben ist überdies das eines gesunden alten Mannes von sechzig, der nicht eilen will, es zu Ende zu bringen. – Und wär' ich auch so arm, wie Hiob, und am Rande des Grabes, müßt' ich nicht immer an meiner Tochter hängen, der Eure Lehren schon so theuer zu stehen gekommen sind?«

»Deine Tochter, Freund Simon,« sagte der Karmeliter, »kann wirklich ein Engel auf Erden genannt werden.«

»Ja; und weil sie auf Eure Lehren hörte, Vater, wird sie nun wahrscheinlich bald ein Engel im Himmel heißen, und aus einem feurigen Wagen dorthin geschickt werden.«

»Ach, mein guter Bruder,« sagte Clemens, »ich bitte dich, laß ab von dem zu sprechen, wovon du wenig verstehst. Da es Zeitverschwendung wäre, dir das Licht zu zeigen, gegen welches du sprichst, so höre nur, was ich in Betreff deiner Tochter zu sagen habe, deren zeitliches Glück, obwohl ich es durchaus nicht gegen das geistige abwägen möchte, trotzdem dem Clemens Blair so theuer ist, als ihrem eigenen Vater.«

Thränen standen dem alten Manne im Auge, während er sprach, und Simon Glover war etwas erweicht, als er ihn wieder anredete.

»Man könnte dich, Vater Clemens, für den freundlichsten und liebenswürdigsten Mann halten; wie kommt es denn, daß deinen Schritten allgemeines Mißfallen folgt, wohin du sie auch wenden magst? Ich wollte mein Leben wetten, du hast bereits jenes Dutzend armer Mönche in ihrem wasserumgürteten Käfig zu beleidigen versucht, und sie haben dir deshalb die Theilnahme am Leichenbegängniß verboten!«

»Allerdings, mein Sohn,« sagte der Karthäuser, »und ich zweifle, daß ihre Bosheit mich länger in diesem Lande dulden wird. Ich sagte nur einige Worte über den Aberglauben und die Thorheit, St. Fillians Kirche zu besuchen, um mittelst ihrer Glocke Diebstahl zu entdecken – wahnsinnige Kranke in seinem Teiche zu baden, um ihre Geistesschwachheit zu heilen – und siehe, die Verfolger haben mich aus ihrer Gemeinschaft gestoßen, wie sie mich bald aus diesem Leben stoßen werden.«

»Da habt Ihr's nun,« sagte der Handschuhmacher; »seht, wie es mit einem Manne geht, der keine Warnung hören kann. Nun, Vater Clemens, die Leute werden mich nicht ausstoßen, so lang' ich nicht Euer Gefährte bin; ich bitte Euch daher, sagt mir, was Ihr von meiner Tochter zu sagen habt, und laßt uns weniger Nachbarn sein, als wir's gewesen sind.«

»Nun, Bruder Simon, so hab' ich dir dies bekannt zu machen. Dieser junge Häuptling, der von Stolz auf seine eigene Macht und Ehre aufgeblasen ist, liebt einen Gegenstand mehr denn Alles, und das ist Eure Tochter.«

»Ha, Conachar!« rief Simon. »Mein entlaufener Lehrling wagt, zu meiner Tochter emporzusehen!«

»Ach,« sagte Clemens, »wie fest sitzt Euer weltlicher Stolz, ganz wie Epheu, der sich an die Mauer klammert und nicht abgelöst werden kann! – Emporsehen zu deiner Tochter, guter Simon? Ach nein! der Häuptling des Clans Quhele, groß, wie er ist, und größer, als er bald zu sein erwartet, blickt nieder zur Tochter des Bürgers von Perth und glaubt sich dadurch erniedrigt. Aber, um seinen eigenen profanen Ausdruck zu brauchen, Katharina ist ihm theurer, als das Leben hier und der Himmel jenseits – er kann nicht ohne sie leben.«

»So mag er sterben, wenn er will,« sagte Simon Glover, »denn sie ist einem ehrsamen Bürger von Perth verlobt; und mein Wort möcht' ich nicht brechen, um meine Tochter zur Braut des Prinzen von Schottland zu machen.«

»Ich dachte, daß Ihr so antworten würdet,« erwiderte der Mönch; »ich wollte, werther Freund, du könntest in deinen geistlichen Angelegenheiten nur einen Theil des kühnen und entschlossenen Muthes anwenden, womit du deine weltlichen Geschäfte leitest.«

»Still – still, Vater Clemens!« antwortete der Handschuhmacher; »wenn du in dies Kapitel geräthst, so riechen deine Worte nach brennendem Pech, und diesen Duft lieb' ich nicht. Was Katharina betrifft, so muß ich mich benehmen, so gut ich kann, um den jungen Würdenträger nicht zu beleidigen; aber es ist gut für mich, daß sie weit außer seinem Bereich ist.«

»Dann muß sie in der That fern sein,« sagte der Karmeliter. »Und nun, Bruder Simon, da du es für gefährlich hältst, mich und meine Meinungen anzuerkennen, so muß ich allein mit meinen Lehren und den Gefahren gehen, die sie auf mich ziehen. Aber sollte Euer Auge, minder verblendet, als es jetzt durch weltliche Hoffnung und Furcht ist, je einen Blick auf ihn wenden, der bald von Euch gerissen sein kann, so erinnert Euch, daß Clemens Blair durch nichts als sein tiefes Gefühl der Wahrheit und Wichtigkeit der Lehre, die er vortrug, dazu gebracht werden konnte, dem Stolze der Mächtigen und Verhärteten entgegenzutreten, ja ihn herauszufordern, die Furcht des Argwöhnischen und Schüchternen aufzuschrecken, in der Welt umher zu gehen, an der er keinen Theil hatte, und für wahnsinnig gehalten zu werden, weil er, wo möglich, Gott Seelen gewinnen wollte. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich Alles, was recht ist, thun will, um die Liebe und das Gefühl meiner Mitmenschen zu gewinnen! Es ist keine leichte Sache, von dem Würdigen als ein Angesteckter vermieden, von den Pharisäern des Tages als ein Ungläubiger verfolgt, mit Abscheu und Verachtung von dem Pöbel, der mich für einen Wahnsinnigen hält, dessen unglückliches Ende er erwartet, angesehen zu werden. Aber mögen auch alle diese Uebel hundertfach vermehrt werden, das Feuer in mir darf nicht verlöschen, und die innere Stimme, die mich sprechen heißt, muß Gehorsam finden. Wehe mir, wenn ich nicht das Evangelium predige, selbst wenn ich es am Ende mitten unter des Scheiterhaufens Flammen predigen sollte!«

So sprach dieser kühne Zeuge; einer von denen, die der Himmel von Zeit zu Zeit aufstehen ließ, eine Darlegung des unverfälschten Christenthums, von der Zeit der Apostel bis zu den Tagen, wo, durch die Erfindung der Buchdruckerkunst begünstigt, die Reformation in vollem Glanze ausbrach, in den unwissendsten Zeitaltern zu bewahren, und den darauffolgenden zu überliefern. Die selbstsüchtige Klugheit des Handschuhmachers wurde seinen eigenen Augen enthüllt, und er kam sich selbst verächtlich vor, als er den Karmeliter in aller Heiligkeit der Entsagung sich von ihm wenden sah. Er empfand sogar eine momentane Neigung, dem Beispiele des Predigers der Menschenliebe und des uneigennützigen Eifers zu folgen; aber der Gedanke fuhr nur wie ein Blitzstrahl durch ein finsteres Gewölbe, wo nichts liegt, um den Strahl aufzufangen; und langsam stieg er den Hügel hinab in einer andern Richtung, als der des Karthäusers, indem er ihn und seine Lehren vergaß, und sich in sorgenvolle Gedanken über seines Kindes Schicksal und sein eigenes versenkte.

Achtundzwanzigstes Kapitel

Braucht der Eroberer mehr, als daß ihn groß


Der feile Griffel der Geschichte heißt,


Und auf dem Grab' ein stattlich Denkmal bloß?


Nicht minder warm hofft' er,


Gut barg wie Muth ein Geist.


Byron.

Nachdem das Leichenbegängniß vorüber war, bereitete sich dieselbe Flottille, die in feierlicher und düsterer Pracht den See herabgefahren war, mit wehenden Fahnen und jeder Aeußerung von Lust und Freude zurückzukehren; denn es war nur kurze Zeit vorhanden, um Festlichkeiten zu feiern, da der furchtbare Kampf zwischen dem Clan Quhele und dessen gefürchtetsten Nebenbuhlern so nahe bevorstand. Man hatte daher beschlossen, daß das Leichenfest mit dem der Einführung des jungen Häuptlings verbunden werden sollte.

Man hatte einige Einwendungen gegen diese Anordnung, die eine üble Vorbedeutung enthalten sollte, gemacht. Auf der andern Seite aber hatte sie etwas Empfehlendes für sich, gemäß den Sitten und der Gefühlsweise der Hochländer, die bis auf diesen Tag gewohnt sind, in gewissem Grade feierliche Freude mit ihrer Trauer und etwas Melancholisches mit ihrer Freude zu verbinden. Die gewöhnliche Abneigung, an die Geliebten zu denken oder von ihnen zu sprechen, die man verlor, ist diesem ernsten und enthusiastischen Volke minder bekannt, als andern. Man hört nicht nur die Jüngeren (wie es überall gewöhnlich ist) die Verdienste und den Charakter der Aelteren erwähnen, die, dem Laufe der Natur nach, vor ihnen abgeschieden sind; sondern der verwaiste Theil redet auch im gewöhnlichen Gespräch von dem verlorenen Gatten, und, was noch befremdender ist, die Eltern spielten oft auf die Stärke und Schönheit des Kindes an, welches sie begraben haben. Die schottischen Hochländer scheinen die Trennung der Freunde durch den Tod als etwas minder Unbedingtes und Vollständiges zu betrachten, als wofür man in andern Gegenden sie hält, und sie sprechen von den theuren Verwandten, die vor ihnen in's Grab gesenkt wurden, als hätten sie eine lange Reise angetreten, in der sie ihnen bald selbst folgen müßten. Das Leichenfest, welches eine allgemeine Sitte durch ganz Schottland war, wurde daher nach der Meinung derer, die daran Theil hatten, bei der gegenwärtigen Gelegenheit nicht unschicklich mit den Festlichkeiten verbunden, welche die Erbfolge der Häuptlingschaft feierten.

Die Barke, die den Todten nur erst zu Grabe getragen, führte nun den jungen Mac Jan zu seinem neuen Herrschersitz, und die Minstrels ließen ihre fröhlichsten Weisen ertönen, da sie kaum noch die schmerzlichsten Todtenlieder, als sie Gilchrist zu Grabe begleiteten, gesungen hatten. Von der begleitenden Flottille erschollen Töne des Triumphs und Jubels, statt der Klagetöne, welche eben noch den Wiederhall des Tay-Sees aufgestört hatten; und tausend Stimmen begrüßten den jugendlichen Häuptling, der auf dem Hintertheile des Schiffes stand, vollständig bewaffnet, in der Blüthe der Jugend, Schönheit und Kraft, an der nämlichen Stelle, wo kaum vorher seines Vaters Leichnam ausgestreckt lag, und umgeben von triumphirenden Freunden, wie jener von verzweifelnden Leidtragenden. Ein Boot hielt ganz nahe bei dem Ehrenschiff der Flottille. Torquil von der Eiche, ein grauer Riese, war Steuermann, und seine acht Söhne, die alle größer als ein gewöhnlicher Mann waren, führten die Ruder. Wie ein gewaltiger und werthgehaltener Wolfshund, von der Kuppel gelöst und um seinen gütigen Herrn herumspringend, fuhr das Boot der Pflegebrüder bald auf der einen, bald auf der andern Seite der Häuptlingsbarke vorbei, und ruderte auch um sie herum, im Uebermaß der Freude; wodurch zugleich die Brüder, mit der eifersüchtigen Wachsamkeit des genannten Thieres für jedes andere Boot der Flottille es gefährlich machten, so nahe an sie zu kommen, weil es sonst befürchten mußte, durch ihre heftigen und rastlosen Manövers in Grund gebohrt zu werden. Zu einem hohen Range im Clan durch die Erbfolge ihres Pflegebruders im Oberbefehl des Clans Quhele erhoben, bezeugten sie durch jene lärmende und beinahe schreckliche Weise ihren besondern Antheil an ihres Häuptlings Triumph.

Weit hinten und mit ganz andern Gefühlen, wenigstens auf Seiten Eines in der Gesellschaft, kam das kleine Boot, worin, bemannt vom Booshalloch und einem seiner Söhne, Simon Glover ein Reisender war.

»Wenn wir bis an's Ende des See's sollen,« sagte Simon zu seinem Freunde, »so werden wir kaum in mehreren Stunden dort sein.«

Aber als er so sprach, ließ die Mannschaft des Bootes der Pflegebrüder auf ein Zeichen von des Häuptlings Galeere die Ruder ruhen, bis des Booshallochs Boot heran kam, und indem sie ein Seil von Leder an Bord warfen, welches Niel an der Spitze seines Fahrzeugs befestigte, setzten sie ihre Ruder wieder in Bewegung; und trotzdem, daß sie das kleine Boot im Schlepptau hatten, flogen sie doch über den See fast mit derselben Schnelligkeit wie zuvor. Das Fahrzeug wurde mit einer Geschwindigkeit fortgezogen, die es in Gefahr zu setzen schien, unter das Wasser gerissen zu werden oder das Vordertheil von den übrigen Balken zu trennen.

Simon Glover sah mit Besorgniß die rücksichtslose Heftigkeit ihres Laufes, und daß der Rand des Bootes bisweilen nur ein oder zwei Zoll über dem Wasser war; und obwohl sein Freund Niel Booshalloch ihn versicherte, daß Alles zu seiner besondern Ehre geschehe, so wünschte er doch herzlich das sichere Ende der Reise. Dies ward erreicht, und zwar viel eher, als er ahnte; denn der Ort der Festlichkeiten war nicht vier Meilen von der Begräbnißinsel entfernt, und so gewählt, daß er zu der Reise des Häuptlings paßte, die dieser südwärts antreten wollte, sobald das Bankett vorüber sein würde.

Eine Bucht auf der Südseite des Taysees bot eine schöne Bank funkelnden Sandes dar, wo die Boote leicht landen konnten, und eine trockene, mit Rasen bedeckte Weide, die für die Jahreszeit ziemlich grün war, rings um welche sich hohe Ufer, mit Gebüschen bedeckt, erhoben, woselbst die verschwenderischen Zurüstungen, die zum Mahle gemacht worden, sichtbar waren.

Die Hochländer, wohlbekannt als geübte Zimmerleute, hatten eine lange Halle oder ländlichen Speisesaal errichtet, fähig, zweihundert Menschen zu fassen, nebst einer Anzahl kleinerer Hütten ringsum, die zu Schlafgemächern bestimmt schienen. Die Pfeiler, Kuppeln und Sparren des einstweiligen Saales waren aus Bergfichten, die ihre Rinde noch trugen. Das Getäfel der Seiten war von Brettern oder Balken desselben Materials, von laubigen Zweigen der Tannen und anderer immergrüner Bäume, die der benachbarte Forst bot, durchzogen, während die Hügel eine Menge Haidekraut hergegeben hatten, um das Dach zu bilden. In diesen Waldpalast waren die bedeutendsten Personen eingeladen, um das hohe Fest zu feiern. Andere, minder bedeutende, sollten in langen Schuppen speisen, die mit weniger Sorgfalt gebaut waren; und Tafeln von Rasen oder rauhen Brettern, die in der freien Luft standen, wurden der zahllosen Menge angewiesen. In einiger Entfernung sah man Haufen von glühenden Kohlen oder brennendem Holz, um welche zahllose Köche arbeiteten, lärmten und sich tummelten, wie ebenso viele Teufel, die in ihrem natürlichen Elemente sind. Gruben, die in den Hügel eingegraben und von heißen Steinen umgeben waren, dienten dazu, eine ungeheure Anzahl von Rindfleisch, Hammeln und Wildpret zu braten – hölzerne Spieße trugen Schafe und Gemsen, welche ganz geröstet wurden. Andere wurden in Stücke geschnitten und in Kessel geworfen, die aus des Thieres eigenen Häuten gemacht, schnell zusammengenäht und mit Wasser gefüllt waren; während eine große Anzahl Hechte, Forellen, Lachse und Schare mit mehr Umständlichkeit in glühender Asche geröstet wurden. Der Handschuhmacher hatte viele hochländische Gastmähler gesehen, aber nie eins, dessen Zubereitungen eine so barbarische Verschwendung zeigten.

Er hatte indeß wenig Zeit, die Scene ringsum zu bewundern, denn sobald sie auf der Bank landeten, bemerkte der Booshalloch mit einiger Verlegenheit, daß, da sie nicht zur Tafel des Gebieters gebeten waren, zu welcher er eine Einladung erwartet zu haben schien, sie am besten thun würden, sich einen Platz in den niedern Hütten oder Buden zu sichern; er trat mit seinem Gaste den Weg dorthin an, als ihn einer von den Leibwachen anhielt, der das Amt eines Ceremonienmeisters zu versehen schien, und ihm Etwas in's Ohr flüsterte.

»So dacht' ich,« sagte der Hirt, sehr getröstet, »ich dachte, daß weder der Fremde noch der Mann von meinem Amte von der Haupttafel ausgeschlossen sein könnte.

Sie wurden daher in die große Halle geführt, in welcher lange Reihen von Tischen meist schon von Gästen eingenommen waren, während diejenigen, welche den Dienst versahen, ihnen reichlichen aber rohen Vorrath des Mahles vorsetzten. Der junge Häuptling, obwohl er gewiß den Hirten und den Handschuhmacher eintreten sah, grüßte doch Keinen von Beiden besonders, und ihre Plätze wurden ihnen in einer entfernten Ecke angewiesen, weit unter dem Salzfaß (einer großen alterthümlichen Silberschüssel), dem einzigen Gegenstande von Werth, den die Tafel zeigte, und der von dem Clan wie eine Art Palladium betrachtet wurde, gezeigt und gebraucht nur bei den feierlichsten Gelegenheiten, wie bei der gegenwärtigen.

Der Booshalloch, etwas unzufrieden, flüsterte, als er seinen Platz einnahm, Simon zu: »Die Zeiten haben sich geändert, Freund. Sein Vater, dessen Seele ruhen möge, würde uns Beide angesprochen haben; aber das sind schlechte Sitten, die er im Niederlande unter Euch Sachsen gelernt hat.«

Auf diese Bemerkung hielt der Handschuhmacher eine Erwiderung nicht für nöthig; statt derselben betrachtete er das Immergrün und besonders die Felle und andern Zierrathen, womit das Innere der Halle geschmückt war. Der merkwürdigste Theil dieser Zierrathen war eine Anzahl hochländischer Panzerhemden, nebst Stahlhauben, Streitäxten und zweihändigen Schwertern, die rings um den obern Theil des Gemachs hingen, zugleich neben reichverzierten Schildern. Jedes Panzerhemd hing über einer wohlgeputzten Hirschhaut, welche die Rüstung vortheilhaft zeigte und sie zugleich vor dem Rauche schützte.

»Dies,« flüsterte der Booshalloch, »sind die Waffen der erwählten Streiter des Clans Quhele. Es sind, wie du siehst, neunundzwanzig, und Eachin selbst ist der dreißigste, der seine Rüstung heut' trägt, sonst würden dreißig dahängen. Und er hat überhaupt keinen so guten Harnisch bekommen, als er am Palmsonntag tragen sollte. Jene neun Harnische von so bedeutender Größe sind für die Leichtach oder Leibwache, von der man so viel erwartet.«

»Und jene hübschen Hirschhäute,« sagte Simon, in welchem der Geist seines Berufes beim Anblick der Güter seines Gewerbes erwachte, – »glaubt Ihr, der Häuptling werde geneigt sein, sie zu verkaufen? Man sucht sie zu den Wämsern, welche die Ritter unter der Rüstung tragen.«

»Bat ich Euch nicht,« sagte der Booshalloch, »nichts von dem Gegenstande zu erwähnen?«

»Ich sprach von den Panzerhemden,« sagte Simon, – »darf ich fragen, ob eines davon von unserm berühmten Perther Waffenschmied, genannt Harry vom Wynd, gefertigt ist?«

»Du fragst unglücklicher, als vorher,« sagte Niel; »jenes Mannes Name ist für Eachins Gemüth wie ein Wirbelwind auf dem See; doch weiß Niemand, aus welchem Grunde.«

»Ich kann mir's denken,« dachte unser Handschuhmacher, sprach aber den Gedanken nicht aus; und nachdem er zwei Mal unerfreuliche Gegenstände der Unterhaltung berührt hatte, schickte er sich, gleich den Uebrigen um ihn her, an, das Mahl zu genießen, ohne einen neuen Gegenstand anzuregen.

Wir haben so viel von den Zurüstungen gesagt, daß der Leser daraus schließen kann, daß das Fest hinsichtlich der Beschaffenheit der Speisen von der rohesten Art war, indem es hauptsächlich aus großen Fleischstücken bestand, die mit wenig Rücksicht auf die Fastenzeit verzehrt wurden, obwohl mehrere der Mönche des Inselklosters die Tafel durch ihre Gegenwart ehrten und weiheten. Die Schüsseln waren von Holz, ebenso die mit Reifen umgebenen Kelche oder Becher, aus welchen die Gäste ihr Getränk und die Fleischbrühe, die man für etwas Leckerhaftes hielt, tranken. Es waren auch verschiedene Milchspeisen da, die man hochschätzte und aus ähnlichen Gefäßen genoß. Brod war der seltenste Artikel bei der Mahlzeit; aber der Handschuhmacher und sein Wirth wurden mit einigen dünnen Stückchen, die besonders zu ihrem Gebrauch gereicht wurden, versehen. Beim Essen, wie es durch ganz Britannien der Fall war, gebrauchten die Gäste ihre Messer, genannt Skenes, oder die großen Dolche, welche Dirks hießen, ohne sich durch den Gedanken stören zu lassen, daß sie vielleicht ganz anderen oder verderblichen Zwecken dienen könnten.

Am obern Ende der Tafel stand ein leerer Sessel, ein oder zwei Stufen über dem Boden erhaben. Er war mit einem Baldachin von Hollunder- und Epheuzweigen überdeckt, und dabei lehnte ein Schwert in der Scheide und ein zusammengefaltetes Banner. Dies war der Sitz des verstorbenen Häuptlings gewesen, der ihm zu Ehren leer blieb. Eachin nahm einen niedrigen Stuhl zur Rechten des Ehrenplatzes ein.

Der Leser würde sich sehr irren, wenn er aus dieser Schilderung die Vermuthung herleiten wollte, als hätten sich die Gäste wie eine Heerde hungriger Wölfe betragen, die auf ein ihnen seltenes Mahl losstürzten. Im Gegentheil, der Clan Quhele betrug sich mit der Art höflicher Zurückhaltung und Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse Anderer, welche oft bei Urvölkern, besonders solchen, die stets unter Waffen sind, gefunden wird, weil eine allgemeine Beobachtung der Regeln der Höflichkeit nothwendig ist, um Streit, Blutvergießen und Mord zu verhüten. Die Gäste nahmen die Plätze ein, die von Torquil von der Eiche, der als Marschall Taeh, d.h. Tafelmeister, auftrat, durch die Berührung mit einem weißen Stabe, ohne ein Wort zu sprechen, ihnen angewiesen wurden. Als so die Gesellschaft in Ordnung saß, wartete man geduldig aus die angewiesene Portion, die von dem Leichtach unter sie vertheilt wurde; die tapfersten Männer oder ausgezeichnetsten Krieger des Stammes wurden doppelt versehen, was man bezeichnend Bieyfir oder Antheil eines Mannes nannte. Als die Tafelmeister Jedermann bedient sahen, nahmen sie selbst ihre Plätze beim Gastmahl ein, und wurden mit einer dieser größeren Portionen versehen. In die Nähe jedes Mannes wurde Wasser gestellt, und eine Handvoll weiches Moos diente als Tafeltuch, so daß die Hände, wie bei einem morgenländischen Mahl, so oft gewaschen wurden, als die Gerichte wechselten. Zur Unterhaltung recitirte der Barde das Lob des verstorbenen Häuptlings und drückte das Vertrauen des Clans auf die aufblühenden Tugenden des Nachfolgers aus. Der Seanachin recitirte die Genealogie des Stammes, die sie bis zum Geschlecht der Dalriads zurückführten; die Harfner spielten im Saale, während die Kriegspfeifen draußen die Menge ergötzten. Die Unterhaltung unter den Gästen war ernst, würdevoll und höflich – kein Scherz überschritt die Grenzen eines freundlichen Spaßes, nur berechnet, ein flüchtiges Lächeln zu erregen. Man erhob die Stimmen nicht und kein Streit fand statt; und Simon Glover hatte hundert Mal mehr Lärm bei einem Innungsmahl in Perth gehört, als bei dieser Gelegenheit zweihundert wilde Hochländer erregten.

Selbst das Getränk schien die Gesellschaft nicht über den Ton anständigen Ernstes aufzuregen. Es war von verschiedener Art – Wein erschien in sehr geringer Menge und ward nur den vorzüglichsten Gästen gereicht, unter deren geehrte Zahl wieder Simon Glover gehörte. Der Wein und die beiden Weizenbrote waren in der That die einzigen Zeichen von Beachtung, die er während des Mahles erfuhr; aber Niel Booshalloch, eifersüchtig für seines Herrn Ruf der Gastfreundschaft, verfehlte nicht, sie als Beweise hoher Auszeichnung zu rühmen. Gebrannte Wasser, die man später so allgemein im Hochland gebrauchte, waren vergleichungsweise damals unbekannt. Der Usquebaugh ging in geringer Menge herum und wurde durch eine Abkochung von Safran und andern Kräutern noch reizender gemacht, so daß er mehr einem medicinischen Trank, als einem Getränk für die Mahlzeit glich. Cider und Meth sah man ebenfalls, aber Bier, welches in großer Menge dazu gebraut war und ohne alle Einschränkung floß, war das allgemeine Getränk, und ward mit einer Mäßigung getrunken, die unter den neuern Hochländern weit minder bekannt ist. Ein Becher auf das Andenken des verstorbenen Häuptlings war der erste Toast, der feierlich nach vollendeter Mahlzeit ausgebracht wurde; und ein tiefes Gemurmel von Segenswünschen wurde von der Gesellschaft gehört, während die Mönche allein, ihre vereinigten Stimmen erhebend, Requiem aeternam dona, sangen. Eine ungewöhnliche Stille folgte, wie wenn etwas Außerordentliches erwartet würde, als Eachin mit kühnem und männlichem, doch bescheidenem Anstand sich erhob und, indem er den leeren Thronsessel einnahm, mit Würde und Festigkeit sagte:

»Diesen Sitz und meines Vaters Erbtheil nehme ich als mein Recht in Anspruch – so helfe mir Gott und St. Barr!«

»Wie willst du deines Vaters Kinder beherrschen?« sagte ein alter Mann, der Oheim des Verstorbenen.

»Ich will sie mit meines Vaters Schwert vertheidigen und Gerechtigkeit unter meines Vaters Banner für sie üben.«

Der alte Mann zog mit zitternder Hand das gewichtige Schwert aus der Scheide, und indem er es bei der Klinge hielt, bot er der Hand des jungen Häuptlings den Griff; zu gleicher Zeit entfaltete Torquil von der Eiche das Banner des Stammes und schwenkte es wiederholt über Eachins Haupt, der mit seltenem Anstand und Gewandtheit, als vertheidigte er die Fahne, den großen Claymore schwang. Die Gäste erhoben ein gellendes Geschrei, um ihre Beistimmung zur Wahl des patriarchalischen Häuptlings, der ihre Huldigung in Anspruch nahm, zu bezeugen, und kein Anwesender war geneigt, vor dem schönen und gewandten Jüngling an die traurigen Weissagungen zu erinnern. Als er in flammender Rüstung, auf das lange Schwert gestützt, und durch würdevolle Bewegungen den Zuruf, der die Luft innen, außen und ringsumher durchbrach, anerkennend dastand, war Simon Glover versucht zu zweifeln, ob diese männliche Gestalt derselbe Jüngling sei, den er oft mit wenig Umständen behandelt hatte, und begann, die Folgen davon einigermaßen zu fürchten. Ein allgemeiner Gesang der Minstrels folgte dem Zuruf, und Fels und Wald erklangen von Harfen und Pfeifen, wie kurz vorher von Wehklagen und Jammer.

Es würde ermüdend sein, wenn wir den Fortgang des Einweihungsfestes verfolgen oder die Trinksprüche einzeln anführen wollten, die den ehemaligen Helden des Clans und besonders den neunundzwanzig tapfern Streitern gebracht wurden, welche in dem bevorstehenden Kampfe unter den Augen und der Führung ihres jungen Häuptlings fechten sollten. Die Sänger nahmen in den alten Zeiten mit ihrer Kunst verbundenen prophetischen Charakter an, und wagten den ausgezeichnetsten Sieg zuzusichern und die Wuth vorauszusagen, mit welcher der blaue Falke, das Zeichen des Clans Quhele, die Bergkatze, das wohlbekannte Zeichen des Clans Chattan, in Stücke reißen würde.

Sonnenuntergang war nahe, als eine Bowle, genannt der Gnadenbecher, aus Eichenholz und mit Silber eingefaßt, zum Zeichen der Trennung um die Tafel ging, obwohl es Jedem freistand, noch länger zu zechen oder sich sogleich in eine der äußern Hütten zu begeben. Was Simon Glover betraf, so führte ihn der Booshalloch in eine der kleinen Hütten, die für einen Einzelnen eingerichtet zu sein schien, und ein Bett von Haidekraut und Moos enthielt, so gut es die Jahreszeit gestaltete, und ein reicher Vorrath solcher Leckerbissen, als das gehaltene Gastmahl gewährte, zeigte, daß alle Sorgfalt für des Bewohners Bequemlichkeit beobachtet worden.

»Verlaß diese Hütte nicht,« sagte der Booshalloch zu seinem Freunde und Schutzbefohlenen, indem er Abschied nahm; »dies ist dein Ruheplatz; aber in einer solchen geräuschvollen Nacht gehen die Gemächer verloren, und wenn der Dachs sein Loch verläßt, kriecht der Fuchs hinein.«

Simon Glover war diese Einrichtung keineswegs unangenehm. Er war vom Geräusche des Tages ermüdet und sehnte sich nach Ruhe. Nachdem er daher einen Bissen gegessen, was sein Appetit kaum nöthig machte, und einen Becher Wein getrunken, um sich zu erwärmen, murmelte er sein Abendgebet, hüllte sich in seinen Mantel und legte sich auf ein Lager, welches durch alte Bekanntschaft ihm bequem und vertraut war. Das Summen und Murmeln, ja selbst das gelegentliche Geschrei von einigen der Gäste, welche draußen fortfuhren zu schwärmen, unterbrach seine Ruhe nicht lange; und nach etwa zehn Minuten war er eingeschlafen, als wenn er in seinem eigenen Bette in Curfewstreet gelegen hätte.

Neunundzwanzigstes Kapitel

Stets weilt er bei meiner Tochter.


Hamlet

Zwei Stunden vor dem Hahnschrei ward Simon Glover durch eine wohlbekannte Stimme geweckt, die ihn beim Namen rief.

»Wie, Conachar!« rief er, indem er aus dem Schlaf emporfuhr; »ist der Morgen schon so weit vorgerückt?« und als er die Augen erhob, stand die Person, von der er träumte, vor ihm; und im nämlichen Augenblicke, während er sich rasch der Vorgänge des gestrigen Tages erinnerte, sah er mit Staunen, daß die Erscheinung die Gestalt behielt, die der Schlaf ihr gegeben, denn es war nicht der in Stahl gehüllte Hochländerhäuptling mit dem Claymore in der Hand, wie er ihn am vorigen Abend gesehen, sondern Conachar aus der Curfewstreet in seinem bescheidenen Lehrlingskleide, eine Eichengerte in der Hand haltend. Ein Gespenst würde unsern Perther Bürger nicht mehr überrascht haben. Als er so verwundert hinstarrte, kehrte der Jüngling ein Stück angezündetes Kienholz, welches er in einer Laterne hatte, gegen ihn und erwiderte auf seinen Ausruf:

»Freilich, Vater Simon; es ist Conachar, gekommen, um unsere alte Bekanntschaft zu erneuern, jetzt, wo unser Gespräch am wenigsten Aufmerksamkeit erregen wird.«

So sprechend setzte er sich auf einen Holzblock, der die Stelle eines Stuhles versah, und indem er die Laterne daneben stellte, fuhr er im freundlichsten Tone fort:

»Ich habe deine Speise manchen Tag genossen, Vater Simon – ich hoffe, es hat dir in meinem Hause nichts gemangelt?«

»Ganz und gar nicht, Eachin Mac Jan« – antwortete der Handschuhmacher, – denn die Einfachheit der celtischen Sprache und Sitten verwirft alle Ehrentitel; »es war sogar zu gut für diese Fastenzeit und viel zu gut für mich, da ich mich bei dem Gedanken schämen muß, wie hart es Euch in Curfewstreet ergangen ist.«

»Nur zu gut, um Euer eignes Wort zu brauchen,« sagte Conachar, »für die Wünsche eines unnützen Lehrlings und für die Bedürfnisse eines jungen Hochländers. Wenn aber gestern, wie ich hoffe, vollauf Speise vorhanden war, fandet Ihr nicht, guter Glover, einigen Mangel an höflichem Willkommen? Entschuldigt es nicht, – ich weiß, es war der Fall. Aber ich bin jung an Ansehen bei meinen Leuten und ich darf nicht zu früh ihre Aufmerksamkeit auf die Zeit meines Aufenthalts im Niederland ziehen, die ich indeß nimmer vergessen kann.« »Ich verstehe den Grund recht wohl,« sagte Simon; »und daher geschah es ungern und nur gezwungen, daß ich so zeitig einen Besuch hier machte.«

»Still, Vater, still! Es ist gut, daß Ihr kamt, Etwas von meinem hochländischen Glanze zu sehen, während er noch schimmert; kommt nach Palmsonntag wieder, und wer weiß, wen oder was Ihr in dem Gebiete finden mögt, welches wir jetzt noch besitzen! Die wilde Katze kann ihre Wohnung gemacht haben, wo jetzt der Festsaal Mac Jans steht.«

Der junge Häuptling schwieg und drückte das Ende der Gerte an seine Lippen, als wollte er sich verbieten, mehr zu sagen.

»Das steht nicht zu fürchten, Eachin,« sagte Simon auf die unbestimmte Weise, in welcher laue Tröster sich bemühen, die Aufmerksamkeit ihrer Freunde von der Betrachtung einer unvermeidlichen Gefahr abzulenken.

»Es ist zu fürchten und es ist Gefahr des äußersten Verderbens,« antwortete Eachin; »und es ist bestimmte Gewißheit großen Verlustes vorhanden. Mich wundert, daß sich mein Vater diesem schlauen Vorschlage Albany's gefügt hat. Ich wollte, Mac Gillie Ehattahan stimmte mit mir überein: dann, statt unser bestes Blut gegenseitig zu verschwenden, gingen wir zusammen hinunter nach Strathmore, und würden tödten und Besitz nehmen. Ich würde zu Perth herrschen und er zu Dundee, und das ganze weite Land sollte unser sein, bis zu den Ufern des Busens vom Tay. Das ist die Politik, die ich von Eurem alten grauen Kopfe lernte, Vater Simon, wenn ich hinter deinem Rücken den Teller hielt und deinem Abendgespräch mit Bailie Craigdallie zuhörte.«

»Die Zunge wird mit Recht ein unbändiges Glied genannt,« dachte der Handschuhmacher. »Da hab' ich dem Teufel ein Licht hingehalten, um ihm den Weg zum Unheil zu zeigen.« »Aber laut sagte er blos: »Diese Pläne kommen zu spät.«

»Zu spät allerdings!« antwortete Eachin. »Die Verträge zum Kampfe sind mit unsern Unterschriften und Siegeln gezeichnet; der glühende Haß des Clans Quhele und des Clans Chattan ist durch wechselseitige Verhöhnungen und Prahlereien zur unlöschbaren Flamme angefacht. Doch, die Zeit ist vorüber. – Nun zu deinen eigenen Angelegenheiten, Vater Glover. Es ist die Religion, die dich hieher brachte, wie ich von Niel Booshalloch höre. Wahrlich, so weit ich deine Vorsicht kannte, konnte ich nicht ahnen, daß du in Streit mit der Mutter Kirche geriethest. Was meinen alten Bekannten, Vater Clemens, betrifft, so ist der Einer von denen, die nach der Krone des Martyrthums jagen und glauben, ein Pfahl, mit lodernden Flammen umgeben, sei der Umarmung würdiger, als eine liebende Braut. Er ist ganz ein irrender Ritter, der seine religiösen Ansichten vertheidigt und kämpft, wohin er nur kommt. Er hat schon einen Streit mit den Mönchen der Sybilleninsel drüben über einen Lehrpunkt – hast du ihn gesehen?«

»Ja,« antwortete Simon; »aber wir sprachen wenig mit einander, weil die Zeit drängte.«

»Er hat vielleicht gesagt, daß es eine dritte Person gibt (wie mich dünkt, wahrscheinlich ein wahrhafterer Flüchtling der Religion wegen, als du, ein kluger Bürger, oder er, ein zänkischer Prediger), die recht herzlich willkommen sein würde, unsern Schutz zu theilen? Du schweigst, Mann, und willst mich nicht verstehen – deine Tochter Katharina?«

Die letzten Worte des jungen Häuptlings wurden englisch gesprochen; auch setzte er das Gespräch in dieser Sprache fort, als fürchtete er belauscht zu werden, – und in der That auch wie unter dem Einflusse eines unfreiwilligen Schwankens.

Meine Tochter Katharina,« sagte der Handschuhmacher, indem er daran dachte, was ihm der Karthäuser gesagt, »befindet sich wohl und sicher.«

»Aber wo und bei wem?« sagte der junge Häuptling. »Und warum kam sie nicht mit Euch? Meint Ihr, der Clan Quhele habe nicht Matronen, so thätig wie die alte Dorothee, deren Hand einst meine Ohren bediente, um die Tochter von ihres Häuptlings Meister zu pflegen?«

»Ich danke Euch nochmals,« sagte der Handschuhmacher, »und zweifle weder an Eurer Macht, noch an Eurem Willen, meine Tochter zu schützen, so wie mich selbst. Aber eine edle Lady, die Freundin des Sir Patrick Charteris, hat ihr einen sichern Zufluchtsort geboten, ohne daß sie sich der Gefahr einer mühsamen Reise durch ein ödes und unruhiges Land aussetzte.«

»O, hm! – Sir Patrick Charteris,« sagte Eachin in zurückhaltenderem und gemessenerem Tone – »er muß allen andern Männern vorgezogen werden, ohne Zweifel; er ist Euer Freund, nicht wahr?«

Simon Glover hatte Lust, diese Anmaßung eines Jünglings zu bestrafen, der vier Mal des Tages gescholten worden war, weil er auf die Straße lief, um Sir Patrick Charteris vorbeireiten zu sehen; aber er unterdrückte eine heftige Antwort und sagte einfach:

»Sir Patrick Charteris ist seit sieben Jahren Oberrichter von Perth; und wahrscheinlich ist er es noch, da die Magistratspersonen nicht in den Fasten, sondern zu Martini erwählt werden.«

»Ach, Vater Glover,« sagte der Jüngling in einem freundlicheren und vertrauteren Tone, »Ihr seid die prächtigen Schauspiele und Aufzüge in Perth so gewohnt, daß Euch im Vergleich damit unser barbarisches Fest nur wenig freuen wird. Was hieltest du von unsrer gestrigen Feierlichkeit?«

»Sie war edel und ergreifend,« sagte der Handschuhmacher, »und vorzüglich für mich, der ich Euren Vater kannte. Als Ihr auf dem Schwerte ruhtet und um Euch schautet, war mir, als säh' ich meinen alten Freund Gilchrist Mac Jan, an Jahren und Kraft verjüngt, von den Todten erstanden.«

»Ich spielte meine Rolle dabei kühn, denk' ich; und ließ wenig von dem elenden Lehrling blicken, den Ihr behandeltet wie – gerade wie er's verdiente.«

»Eachin gleicht Conachar,« sagte der Handschuhmacher, »nicht mehr, als ein Salm einem Lachs, obwohl die Leute sagen, beide wären derselbe Fisch in verschiedenem Zustande; oder als ein Schmetterling einer Raupe gleicht.«

»Glaubst du, daß ich, als ich die Macht übernahm, die alle Weiber lieben, selbst ein Gegenstand war, auf dem eines Mädchens Auge ruhen möchte? – Um offen zu sprechen, was würde Katharina von mir bei dem Feste gedacht haben?«

»Jetzt kommen wir zu den Untiefen,« dachte Simon Glover, »und ohne recht vorsichtige Lenkung werden wir auf den Sand gerathen.«

»Die meisten Weiber lieben Pracht, Eachin; aber ich denke, meine Tochter Katharina macht eine Ausnahme. Sie würde sich freuen über das Glück ihres Hausfreundes und Spielgenossen; aber sie würde den prächtigen Mac Jan, Häuptling des Clans Quhele, nicht höher schätzen als den verwaisten Conachar.«

»Sie ist stets großmüthig und uneigennützig,« erwiderte der junge Häuptling. »Ihr aber, Vater, habt die Welt viele Jahre länger gesehen, als sie, und könnt besser beurtheilen, was Macht und Reichthum denen nützen, die sie besitzen. Ueberlegt und sprecht aufrichtig, was würden Eure eigenen Gedanken sein, wenn Ihr Eure Katharina unter jenem Baldachin stehen sähet, mit der Macht über hundert Berge und dem ergebenen Gehorsam von zehntausend Vasallen; und als Preis dieser Vorzüge ihre Hand in der des Mannes, welcher sie über Alles in der Welt liebt?«

»Das heißt in Eurer eigenen, Conachar?« sagte Simon.

»Ja, nennt mich Conachar – ich liebe den Namen, da er es war, unter dem mich Katharina kannte.«

»Nun also aufrichtig,« sagte der Handschuhmacher, indem er sich bemühte, seine Antwort so wenig als möglich verletzend zu geben, »mein innerster Gedanke würde der ernste Wunsch sein, daß ich mich mit Katharina in unserm bescheidenen Hause in Curfewstreet befände, wo Dorothee unser einziger Vasall wäre.«

»Und zugleich der arme Conachar, hoff' ich? Ihr würdet ihn nicht in einsamer Größe wollen vertrauern lassen.«

»Ich würde,« antwortete der Handschuhmacher, »dem Clan Quhele, meinen ältesten Freunden, nicht so Uebles wünschen, daß sie im Augenblicke der Gefahr eines tapfern, jungen Häuptlings beraubt würden, und dieser Häuptling um den Ruhm käme, den er an ihrer Spitze im bevorstehenden Kampfe erlangen soll.«

Eachin biß sich auf die Lippe, um seine gereizten Gefühle zu verbergen, während er erwiderte: – »Worte, Worte – leere Worte, Vater Simon. Ihr fürchtet den Clan Quhele mehr, als Ihr ihn liebt, und Ihr glaubt, ihr Unwille würde fürchterlich sein, wenn ihr Häuptling die Tochter eines Bürgers von Perth heirathen würde.«

»Und wenn ich einen solchen Ausgang fürchte, Hektor Mac Jan, habe ich nicht Grund dazu? Welchen Ausgang haben ungleiche Heirathen gehabt im Hause Mac Callanmore's, in dem der mächtigen Mac Leans, ja, in dem der Lords der Inseln selbst? Was ist je daraus entstanden, außer Trennung und Enterbung – bisweilen noch ein schlimmeres Geschick für den ehrgeizigen Eindringling? Ihr könntet mein Kind nicht vor einem Priester heirathen und könntet sie Euch nur an die linke Hand trauen lassen; und ich« – er unterdrückte den heftigen Ton, den der Gegenstand forderte, und schloß: – »und ich selbst bin ein ehrlicher, obwohl niedriger Bürger von Perth, der eher wünschte, sein Kind wäre die rechtmäßige und unzweideutige Gattin eines Bürgers von meinem Range, als das geduldete Kebsweib eines Fürsten.«

»Ich will Katharina vor dem Priester und vor der Welt heirathen, – vor dem Altar und vor den schwarzen Steinen von Jona,« sagte der ungestüme, junge Mann. »Sie ist die Geliebte meiner Jugend, und es gibt kein Band der Religion und Ehre, womit ich mich nicht binden will! Ich habe mein Volk geprüft. Wenn wir diese Schlacht gewinnen – und mit der Hoffnung, Katharina zu gewinnen, werden wir sie gewinnen – so sagt mir mein Herz – werde ich so sehr Herr ihrer Neigungen sein, daß, wenn mir's gefiele, eine Braut aus dem Armenhause zu nehmen, sie diese begrüßen würden, als wäre sie eine Tochter Mac Callanmore's. – Aber Ihr verwerft mein Gesuch?« sagte Eachin ernst.

»Ihr legt mir beleidigende Worte in den Mund,« sagte der alte Mann, »und könnt mich sofort dafür bestrafen, weil ich ganz in Eurer Macht bin. Aber mit meiner Zustimmung soll meine Tochter nie heirathen, außer in ihrem eigenen Stande. Ihr Herz würde brechen unter den beständigen Kriegen und blutigen Scenen, welche mit Eurem Schicksal verknüpft sind. Wenn Ihr sie wirklich liebt und Euch ihrer Furcht vor Streit und Kampf erinnert, so werdet Ihr nicht wünschen, sie dem Gewühl kriegerischer Schrecknisse auszusetzen, in die Ihr, gleich Eurem Vater, unvermeidlich und fortwährend verwickelt sein werdet. Wählt eine Gattin unter den Töchtern der Hochländerhäuptlinge, mein Sohn, oder der stolzen Edeln des Niederlands. Ihr seid schön, jung, reich, hochgeboren und mächtig, und werdet nicht vergebens werben. Ihr werdet Eine bereitwillig finden, die sich Eurer Siege freuen und Euch selbst im Unterliegen freundlich sein wird. Für Katharina würde das Eine so schrecklich wie das Andere sein. Ein Krieger muß einen Stahlhandschuh tragen – ein Handschuh von Bockleder würde binnen einer Stunde zerreißen.

Eine dunkle Wolke zog über das Gesicht des jungen Häuptlings, das kurz zuvor noch so feurig war.

»Lebe wohl,« sagte er, einzige Hoffnung, die mir zu Ruhm oder Sieg geleuchtet haben könnte!« – Er blieb eine Zeitlang still, tief nachdenkend, mit niedergeschlagenen Angen, gesenkter Stirn und verschlungenen Armen. Endlich erhob er seine Hände und sagte: »Vater – denn ein solcher seid Ihr mir gewesen, – ich bin im Begriff, Euch ein Geheimniß mitzutheilen. Vernunft und Stolz rathen beide mir Schweigen an, aber das Schicksal zwingt mich, und ihm muß ich gehorchen. Ich bin im Begriff, Euch in das tiefste und theuerste Geheimniß einzuweihen, welches ein Mann dem Manne anvertrauen kann. Aber hütet Euch – ende dieses Gespräch auch wie es wolle – hütet Euch, je eine Silbe von dem zu verrathen, was ich Euch nun anvertrauen will; denn wißt, thätet Ihr dieß auch im entferntesten Winkel Schottlands, so hab' ich Ohren, es selbst dort zu hören, und eine Hand und einen Dolch, um des Verräthers Busen zu erreichen. – Ich bin – aber das Wort will nicht heraus.«

»So sprecht es nicht,« sagte der vorsichtige Handschuhmacher: »ein Geheimniß ist nicht mehr sicher, sobald es über die Lippen des Eigentümers gegangen ist; und ich wünsche nicht ein so gefährliches Vertrauen, womit Ihr mich bedroht.«

»Ja, aber ich muß sprechen und Ihr müßt hören,« sagte der Jüngling. »Seid Ihr, Vater, in diesem Zeitalter des Kampfes selbst ein Streiter gewesen?«

»Ein einzig Mal,« erwiderte Simon, »als die Südländer die gute Stadt angriffen. Ich ward aufgerufen, meinen Theil an der Vertheidigung zu nehmen, wie meine Bürgerpflicht gebot, gleich der anderer Zunftgenossen, die verpflichtet sind, Wache zu halten.«

»Und wie fühltet Ihr Euch bei der Sache?« fragte der junge Häuptling.

»Was thut das bei der gegenwärtigen Angelegenheit?« sagte Simon etwas erstaunt.

»Viel, sonst hätte ich die Frage nicht gethan,« antwortete Eachin im Tone des Hochmuthes, den er bisweilen annahm.

»Ein alter Mann wird leicht dazu gebracht, von alten Zeiten zu reden,« sagte Simon, der, nach kurzer Ueberlegung, das Gespräch nicht ungern von seiner Tochter ablenkte; »und ich muß daher gestehen, daß meine Gefühle sehr verschieden von dem hohen, freudigen Vertrauen, ja dem Vergnügen waren, womit ich andere Männer zur Schlacht gehen sah. Mein Leben und Beruf waren friedlich, und wiewohl ich den Muth eines Mannes nicht entbehrte, wenn die Zeit es verlangte, so hab' ich doch selten schlechter geschlafen, als die Nacht vor jenem Treffen. Meine Gedanken waren gequält von den Geschichten, die uns (mit ziemlicher Wahrheit) von den sächsischen Bogenschützen erzählt wurden; wie sie ellenlange Pfeile abgeschossen und Bogen gebrauchten, ein Drittel länger als die unsern. Als ich in einen unruhigen Schlaf gesunken war, so fuhr ich empor und erwachte, wenn nur ein Strohhalm des Lagers meine Seite berührte, weil ich glaubte, es führe mir ein englischer Pfeil in den Leib. Am Morgen, als ich vor großer Müdigkeit wirklich einzuschlafen begann, ward ich durch den Schall der Gemeindeglocke erweckt, welche die Bürger zu den Mauern rief: – nie vorher oder nachher schien mir ihr Klang einer Todtenglocke so ähnlich.«

»Fahrt fort, was geschah weiter?« fragte Eachin.

»Ich legte meinen Harnisch an,« sagte Simon, »da es so sein mußte – empfing den Segen meiner Mutter, einer hochherzigen Frau, die von der guten Stadt sprach. Dieß ermuthigte mich und ich fühlte mich noch kühner, als ich mich unter den Reihen der anderen Gewerbe befand, lauter Bogenschützen, denn du weißt, die Bürger von Perth sind geschickt in dieser Waffe. Wir wurden auf den Mauern vertheilt, mehrere Ritter und Knappen in guter Rüstung waren unter uns gemischt, die ein kühnes Ansehen zeigten, vielleicht auf ihre Harnische vertrauend, und uns zu unserer Ermutigung sagten, sie würden mit ihren Schwertern und Äxten jeden niederhauen, der seinen Posten zu verlassen suchte. Mir selbst versicherte dies freundlich der alte Kämpe von Kinfauns, wie man ihn nannte, unsers guten Sir Patricks Vater, damals unser Oberrichter. Er war ein Enkel des roten Räubers, Toms von Longueville, und ein Mann, der sein Wort hielt, welches er an mich besonders richtete, weil mich eine so unbehagliche Nacht blässer als gewöhnlich gemacht haben mochte; überdies war ich nur ein junger Bursche.«

»Und steigerte seine Bemerkung Eure Furcht oder Eure Entschlossenheit?« sagte Eachin, der sehr aufmerksam schien.

»Meine Entschlossenheit,« antwortete Simon; »denn ich glaube, nichts ist im Stande, einen Mann so kühn zu machen, daß er einer nahe vor ihm liegenden Gefahr trotzt, als die Kenntnis einer andern dicht hinter ihm, die ihn vorwärts stößt. Nun, ich erstieg die Mauern mit erträglichem Mute und ward mit Andern auf den Späh-Turm gestellt, weil man mich als guten Schützen kannte. Aber es überlief mich kalt, als ich die Engländer in größter Ordnung, die Bogenschützen voraus und die Schwerbewaffneten dahinter, in drei starken Kolonnen zum Angriff vorwärts marschieren sah. Sie kamen mit festem Schritt, und Einige von uns hätten gern auf sie geschossen, aber es war streng verboten, und wir waren genötigt, bewegungslos zu bleiben und uns hinter der Brustwehr, so gut wir konnten, zu schützen. Als die Engländer ihre langen Reihen in Linien aufstellten, und jeder seinen Platz wie durch Zauberei einnahm, und sich durch große Schilder, Pavessen genannt, die sie vor sich pflanzten, deckte, fühlte ich einen seltsamen kurzen Atem, und wünschte nach Hause zu gehen, um ein Glas Branntwein zu trinken. Aber als ich zur Seite sah, erblickte ich den tapfern Kämpen von Kinfauns, wie er einen großen Bogen spannte, und ich dachte, es sei schade, den Bolzen gegen einen treuherzigen Schotten zu verlieren, wenn so viele Engländer da wären; so blieb ich, wo ich war, da ich mich in einem bequemen Winkel, von zwei Brustwehren gebildet, befand. Die Engländer rückten dann vor und zogen ihre Sehnen an, – nicht an der Brust, wie Eure hochländischen Bursche, sondern am Ohr, und sandten eine Ladung Schwalbenschwänze ab, bevor wir St. Andreas rufen konnten. Ich zuckte, als ich sie ihre Geschosse spannen sah, und ich glaube, ich fuhr zusammen, als die Pfeile anfingen, gegen die Brustwehr zu rasseln. Aber als ich umher sah und Keinen außer John Squallit, den Stadtausrufer, verwundet erblickte, dessen Backen von einem ellenlangen Pfeile durchbohrt waren, faßte ich mir ein Herz, und schoß mit bestem Willen und wohlgezielt. Ich schoß auf einen kleinen Mann, der gerade von hinten neben seinem Schild hervorguckte, und durchbohrte mit einem Pfeil seine Schulter. Der Oberrichter rief: ›Gut getroffen, Simon Glover!‹ – ›St. John für seine eigene Stadt, meine Zunftgenossen!‹ rief ich, obwohl ich damals nur ein Lehrling war. Und, wenn Ihr mir's glauben wollt, im Verfolg des Treffens, welches mit dem Abzuge der Feinde endete, zog ich so ruhig die Sehne und schoß die Pfeile ab, als hätt' ich auf Scheiben, statt auf Menschenbusen geschossen. Ich gewann einigen Ruhm, und habe nachher stets gedacht, daß ich ihn im Falle der Nothwendigkeit (denn bei mir war dieß nie Sache freier Wahl) nicht wieder verlieren würde. – Und dieß ist Alles, was ich von kriegerischer Erfahrung sagen kann. Andere Gefahren hab' ich erlebt, die ich als kluger Mann zu vermeiden strebte, oder denen ich, wenn sie unvermeidlich waren, als ein beherzter begegnete. Anders kann ein Mann in Schottland nicht leben oder sein Haupt emporheben.«

»Ich verstehe Eure Erzählung,« sagte Eachin; »aber ich finde es schwer, Euch die meinige glaublich zu machen, da ihr das Geschlecht, dem ich entsprossen bin, als ein tapferes kennt, und besonders da ich der Sohn dessen bin, den wir heute in das Grab legten – wohl ihm, daß er nun dort liegt, wo er nimmer hören wird, was Ihr jetzt hören sollt! Seht, mein Vater, das Licht, welches ich trage, wird niedrig und dunkel, und in wenigen Minuten wird es erlöschen – aber bevor es stirbt, wird die häßliche Geschichte erzählt sein. – Vater, ich bin ein Feiger! Endlich ist es ausgesprochen, und das Geheimniß meiner Schmach besitzt ein Anderer!«

Der junge Mann sank in eine Art Ohnmacht zurück, die seine Herzensangst bei der traurigen Mittheilung hervorbrachte. Der Handschuhmacher, gerührt sowohl durch Furcht als Mitleid, bemühte sich, ihn in's Leben zurückzurufen, und zwar gelang ihm dieß, doch konnte er ihn nicht beruhigen; er bedeckte sein Gesicht mit den Händen und seine Thränen flossen reichlich und bitterlich.

»Um unserer Frau willen, faßt Euch,« sagte der alte Mann, »und widerruft das schnöde Wort! Ich kenn' Euch besser, als Ihr selbst – Ihr seid kein Feiger, sondern nur zu jung, unerfahren, ja, und etwas zu schnell in der Einbildungskraft, um die feste Tapferkeit eines bärtigen Mannes zu besitzen. Ich wollte das keinen andern Mann von Euch sagen hören, Conachar, ohne ihn der Lüge zu zeihen – Ihr seid kein Feiger – ich habe Funken hohen Muthes bei Euch sprühen sehen, selbst bei geringfügigem Anlaß.«

»Hohe Funken von Stolz und Leidenschaft!« sagte der unglückliche Jüngling; »aber wann saht Ihr sie unterstützt durch die Entschlossenheit, die sie halten sollte? Die Funken, von denen Ihr sprecht, fielen auf mein feiges Herz, wie auf ein Stück Eis, welches kein Feuer fangen kann – wenn mich beleidigter Stolz zum Streite trieb, so bestimmte mich meine Geistesschwäche im nächsten Augenblicke zur Flucht.«

»Mangel an Gewohnheit,« sagte Simon; »durch das Ueberklettern von Mauern lernen junge Leute Abhänge ersteigen. Beginnt mit geringen Fehden – übt täglich die Waffen Eurer Heimath im Turnier mit Euren Leuten.«

»Und welche Muße hab' ich dazu?« rief der junge Häuptling, emporfahrend, als wäre seiner Einbildungskraft etwas Schreckliches begegnet. »Wie viel Tage liegen zwischen dieser Stunde und Palmsonntag, und was soll da geschehen? – Eingeschlossene Schranken, von denen sich niemand entfernen kann, schlimmer daran als der arme Bär, der an seine Stange gefesselt ist. Sechzig Männer, die besten und mutigsten (einen ausgenommen!), welche Albyn von seinen Bergen herniedersenden kann, alle dürsten nach der Andern Blut, während ein König und Tausende umher, wie bei einem Schauspiel, mit Jubel zusehen, um ihre teuflische Wut aufzuregen. Hiebe fallen dicht und Blut strömt dicker, schneller, röter, – sie stürzen auf einander wie Wahnsinnige – sie zerreißen einander wie wilde Bestien. – Die Verwundeten werden unter den Füßen ihrer Gefährten zu Tode getreten! Blut strömt, die Arme werden schwach – aber da gilt kein Vertrag, kein Waffenstillstand, keine Unterbrechung, während die verstümmelten Elenden noch am Leben sind! Da verkriecht man sich nicht hinter Brustwehren, streitet nicht mit Geschossen, – Mann steht gegen Mann, bis die Hände sich nicht mehr erheben können, um den gräßlichen Kampf fortzusetzen! – Wenn solch ein Schlachtfeld in der Einbildung so schrecklich ist, was meint Ihr, soll es in der Wirklichkeit sein?«

Der Handschuhmacher blieb schweigend.

»Ich wiederhole, was meint Ihr?«

»Ich kann Euch nur bedauern, Conachar,« sagte Simon. »Es ist hart, der Abkömmling eines großen Geschlechtes zu sein – der Sohn eines edlen Vaters – der geborene Führer einer tapfern Schaar – und doch die Eigenschaft zu entbehren oder sich ihren Mangel einzubilden (denn noch immer glaub' ich, der Fehler liegt mehr an einer lebhaften Phantasie, welche die Gefahr überschätzt), die jeder Streithahn besitzt, der eine Handvoll Korn wert ist, jeder Hund, der einen Knochen verdient. Aber wie kommt es, daß Ihr mit einem solchen Bewußtsein der Schwäche im Kampfe eben jetzt Euch erbietet, Eure Herrschaft mit meiner Tochter zu teilen? Eure Macht hängt von Eurer Tapferkeit in diesem Kampfe ab, und dabei kann Euch Katharina nicht helfen.«

»Ihr irrt Euch, alter Mann,« erwiderte Eachin; nähme Katharina die aufrichtige Liebe, die ich für sie hege, freundlich auf, so würd' es mich mit dem Feuer eines Streitrosses gegen die Reihe der Feinde treiben. So überwältigend auch mein Bewußtsein der Schwäche ist, der Gedanke, daß Katharina mich sähe, würde mir Kraft geben. Sagt doch, – o sagt doch, sie solle mein sein, wenn der Kampf gewonnen ist, und selbst Gow Chrom, dessen Herz ein Stück mit seinem Ambos ist, würde nimmer so leicht zur Schlacht gehen, wie ich alsdann! Eine starke Leidenschaft wird durch eine andere besiegt.«

»Das ist Thorheit, Conachar. Vermag nicht die Erinnerung an Euren Vortheil, Eure Ehre, Eure Verwandten so viel, um Euren Muth aufzustacheln, als die Gedanken an ein schwarzäugig Mädchen? Pfui über dich, Mann!«

»Ihr sagt mir nur, was ich mir selbst gesagt habe – aber es ist umsonst,« erwiderte Eachin mit einem Seufzer. »Nur während sich der schüchterne Hirsch mit der Hündin paart, ist er verzweifelt und gefährlich. Sei es die Körperbeschaffenheit – komme es, wie unsere hochländischen Cailliachs sagen werden, von der Milch des weißen Rehes – komme es von meiner friedlichen Erziehung und Eurer strengen Zucht – komme es, wie Ihr glaubt, von einer überspannten Phantasie, welche die Gefahr noch gefährlicher malt und gräßlicher macht, als sie wirklich ist. ich weiß das nicht zu entscheiden. Aber ich kenne meine Schwäche, und – ja, ich muß es aussprechen! – ich fürchte so sehr, sie nicht besiegen zu können, daß, fänden meine Wünsche Eure Billigung unter solcher Bedingung, ich selbst hier stillstehen, dem angenommenen Range entsagen und mich zu einem niedern Leben zurückziehen würde.«

»Wie, am Ende Handschuhmacher werden, Conachar?« sagte Simon; »dieß übertrifft die Legende von St. Crispin. Nein, nein, Eure Hand ist dazu nicht geschaffen; Ihr sollt mir keine Rehhäute mehr verderben.«

»Scherzt nicht,« sagte Eachin, »ich bin ernst. Wenn ich nicht arbeiten kann, will ich Reichthum genug bringen, um ohne sie zu leben. Sie werden mich bei Horn und Kriegspfeife als einen Elenden ausrufen – mögen sie dieß thun – Katharina wird mich um so mehr lieben, wenn ich die Pfade des Friedens denen des Blutvergießens vorzog, und Vater Clemens wird uns lehren, der Welt Bedauern und Verzeihung zu schenken, die uns mit Vorwürfen beladen wird, die nicht verwunden. Ich werde der glücklichste aller Menschen sein – Katharina wird alles genießen, was unbegrenzte Liebe ihr bieten kann, und wird befreit sein von der Besorgniß vor Schauspielen und Tönen des Schreckens, die Euer schlechtgewählter Gatte ihr bereiten würde; und Ihr, Vater Glover, solltet Eure Kaminecke einnehmen, als der glücklichste und geehrteste Mann, der je – «

»Haltet ein, Eachin – ich bitte Euch, haltet ein,« sagte der Handschuhmacher; »der Kienspan, mit welchem dieß Gespräch endigen muß, brennt sehr schwach, und ich möchte ein Wort zur Erwiderung sprechen, schlicht und ehrlich, wie es am besten ist. Wenn es Euch auch quälen oder in Wuth setzen mag, laßt mich diese Träume enden, indem ich Euch mit einem Worte sage – Katharina kann nie die Eure werden. Ein Handschuh ist das Zeichen der Treue, und ein Mann von unserer Zunft darf daher noch weniger als ein anderer die seinige brechen. Katharina's Hand ist versprochen – einem Manne versprochen, den Ihr hassen mögt, aber auch ehren müßt – Harry dem Waffenschmied. Die Heirath ist ihrem Stande gemäß, ihren gegenseitigen Wünschen angemessen, und ich habe mein Wort gegeben. Es ist am besten, gerade herauszusprechen, rächt meine Weigerung, wie Ihr wollt – ich bin ganz in Eurer Gewalt. – Aber Nichts soll mich wortbrüchig machen.«

Der Handschuhmacher sprach so entschieden, weil er aus Erfahrung wußte, daß das sehr reizbare Gemüth seines früheren Lehrlinges in den meisten Fällen einer ernsten und entschiedenen Entschlossenheit nachgab. Aber gedenkend, wo er war, sah er mit einem Gefühle der Furcht die erlöschende Flamme ausfahren und einen starken Blitz auf Eachins Gesicht werfen, der blaß wie der Tod war, während sein Auge rollte, gleich dem eines Rasenden in seiner Fieberwuth. Das Licht sank plötzlich nieder und erlosch, und Simon fühlte einen augenblicklichen Schrecken, er möchte mit dem Jüngling um sein Leben zu kämpfen haben, den er gewaltthätiger Handlungen fähig kannte, wenn er heftig erregt war, obwohl seine Natur nur kurze Zeit die Maßregeln unterstützen konnte, die seine Leidenschaft ergriff. Er wurde durch die Stimme Eachins beruhigt, der in rauhem und verändertem Tone murmelte:

»Bedenkt, was wir diese Nacht gesprochen, mit ewigem Schweigen – brächtest du's an den Tag, so wäre dir besser, du grübest dein eigen Grab.«

So sagend, öffnete er die Thür der Hütte, durch welche ein Strahl des Mondes eindrang. Die Gestalt des fortgehenden Häuptlings zeigte sich einen Augenblick darunter, dann schloß sich die Thür, und die Hütte blieb in Finsterniß.

Simon Glover fühlte sich erleichtert, als eine Unterhaltung, die Verletzung und Gefahr mit sich brachte, so friedlich geendet war. Aber er blieb tief ergriffen von der Lage Hektor Mac Jans, den er selbst erzogen hatte.

»Das arme Kind,« sagte er, »zu einer erhabenen Stelle berufen zu werden, nur um mit Verachtung sie zu verlassen! Was er mir sagte, wußt' ich zum Theil, da ich oft bemerkte, daß Conachar aufgelegter war zu zanken, als zu fechten. Aber diese überwältigende Schwachherzigkeit, die weder Scham noch Nothwendigkeit bezwingen kann, kann ich, obwohl ich kein Sir William Wallace bin, nicht begreifen. Und sich zum Gemahl meiner Tochter anzubieten, als ob eine Braut Muth für sich und den Bräutigam gewährte! Nein, nein, – Katharina muß einen Mann heirathen, zu dem sie sagen kann: Gemahl, schone deinen Feind! – nicht einen solchen, zu dessen Trost sie schreien muß: Großmüthiger Feind, schone meines Gatten!«

Ermüdet von solchen Betrachtungen, entschlief der alte Mann endlich. Am Morgen ward er durch seinen Freund, den Booshalloch geweckt, der ihm, mit etwas langem Gesicht, vorschlug, zu seiner Wohnung auf der Wiese beim Ballough zurückzukehren. Er entschuldigte, daß der Häuptling Simon Glover diesen Morgen nicht sehen könne, weil er mit den Vorbereitungen zum Kampfe beschäftigt sei. Eachin Mac Jan halte den Aufenthalt am Ballough am sichersten für Simon Glovers Gesundheit, und habe Befehl gegeben, für seinen Schutz und seine Bequemlichkeit alle Sorge zu tragen.

Nie! Booshalloch verbreitete sich über diese Umstände, um die Vernachlässigung zu bemänteln, die darin lag, daß der Häuptling seinen Gast ohne besondere Audienz entließ.

»Sein Vater, sagte der Hirt, verstand es besser. Aber wo sollte er Sitten gelernt haben, der arme Mensch, da er unter Euch Perthern Bürgern aufwuchs, die, außer Euch, Nachbar Glover, der gälisch so gut spricht wie ich, ein Volk sind, welches keine Höflichkeit erlernen kann!«

Simon Glover empfand, wie man wohl glauben kann, den Mangel an Achtung nicht, den sein Freund hinsichtlich seiner andeutete. Im Gegentheil zog er den Aufenthalt des guten Hirten sehr gern der geräuschvollen Gastfreundschaft des täglichen Festes beim Häuptling vor, selbst wenn auch nicht soeben mit Eachin ein Gespräch über einen Gegenstand vorgekommen wäre, dessen Erneurung ihm höchst peinlich sein mußte.

Daher zog er sich ruhig zum Ballough zurück, wo, wenn er nur von Katharina's Sicherheit überzeugt gewesen wäre, seine Zeit angenehm genug hinzubringen war. Sein Vergnügen war, den See in einem kleinen Kahne zu befahren, den ein Hochländerknabe lenkte, während der alte Mann angelte. Er landete häufig auf der kleinen Insel, wo er auf dem Grabe seines alten Freundes, Gilchrist Mac Jan, seinen Gedanken nachhing, und die Mönche sich zu Freunden machte, indem er dem Prior Handschuhe von Marderfell und den niederen Dienern jedem dergleichen aus dem Felle einer wilden Katze schenkte. Das Schneiden und Nähen dieser kleinen Geschenke vertrieb ihm die Zeit nach Sonnenuntergang, während die Familie des Hirten sich um ihn versammelte, seine Geschicklichkeit bewundernd, und den Geschichten und Liedern lauschend, mit welchen der alte Mann einen langen Abend zu vertreiben wußte.

Man muß gestehen, daß der vorsichtige Glover den Umgang des Pater Clemens mied, den er irrig mehr als den Urheber seines Mißgeschickes, denn als den schuldlosen Theilnehmer betrachtete. »Ich will nicht,« dachte er, »seinen Grillen zu gefallen, die Freundschaft dieser guten Mönche verlieren, die mir einst nützlich sein kann. Ich habe, denk' ich, genug durch seine Predigten gelitten. Sie haben mich wenig weiser, aber viel ärmer gemacht. Nein, nein, Katharina und Clemens mögen denken, wie sie wollen; doch werd' ich die erste Gelegenheit ergreifen, mich einer gehörigen Buße im härenen Rock zu unterwerfen, und eine tüchtige Strafe zahlen, um wieder mit der ganzen Kirche einig zu werden.«

Mehr als vierzehn Tage waren vergangen, seit der Handschuhmacher zu Ballough angekommen war, und es begann ihn zu wundern, daß er nichts von Katharina und Harry Wynd gehört hatte, dem, wie er glaubte, der Oberrichter Grund und Ziel seiner Reise mitgetheilt hatte. Er wußte, daß sich der muthige Schmied nicht in das Land des Clans Quhele wagen durfte, wegen verschiedener Fehden mit den Einwohnern und mit Eachin selbst, so lange er den Namen Conachar trug; doch aber, dachte der Handschuhmacher, könne Harry Mittel finden, ihm eine Botschaft oder ein Zeichen durch einen der verschiedenen Boten zu schicken, die zwischen dem Hofe und dem Hauptquartier des Clan Quhele hin und her gingen, um über die Bedingungen des bevorstehenden Kampfes, den Marsch der Parteien nach Perth, und andere Umstände, die vorläufig geordnet werden mußten, zu unterhandeln. Man war nun in der Mitte des März und der verhängnißvolle Palmsonntag nahete schnell.

Während die Zeit so hinschlich, hatte der verbannte Handschuhmacher seinen ehemaligen Lehrling auch nicht ein einzig Mal zu Gesicht bekommen. Die Sorgfalt, die man anwendete, um seine Bedürfnisse und Bequemlichkeit in jeder Hinsicht zu befriedigen, zeigte, daß er nicht vergessen war; wenn er jedoch des Häuptlings Horn durch die Wälder schallen hörte, pflegte er gewöhnlich seinen Weg nach entgegengesetzter Richtung einzuschlagen. Eines Morgens fand er sich jedoch unerwartet in Eachins unmittelbarer Nähe, und hatte kaum Zeit, ihm auszuweichen; dieß ging so zu. Als Simon gedankenvoll durch eine kleine Waldlichtung schlenderte, die von allen Seiten von hohen Waldbäumen, gemischt mit Unterholz, umgeben war, brach ein weißes Reh aus dem Dickicht, verfolgt von zwei Jagdhunden, von denen einer es bei der Hüfte, der andere bei der Kehle packte, und es bis auf eine Ackerlänge von dem Handschuhmacher schleppte, der über das plötzliche Ereigniß etwas erschrak. Der nahe und gellende Schall eines Hornes und das Bellen eines Spürhundes ließen Simon merken, daß die Jäger nahe und dem Thiere auf der Spur waren. Ein Hallorufen und den Lärm von Männern, die durch das Gebüsch eilten, hörte er in der Nähe. Ein wenig Ueberlegung hätte Simon gelehrt, daß es das Beste sei, stehen zu bleiben oder langsam sich zurückzuziehen, und Eachin ihn erkennen zu lassen oder nicht, wie es ihm beliebte. Aber sein Wunsch, dem Jüngling aus dem Wege zu gehen, war ihm zu einer Art von Instinkt geworden, und in dem Schrecken, ihn so nahe zu finden, versteckte sich Simon unter einen Haselbusch, der mit Stechpalmen durchwachsen war und ihn ganz verbarg. Kaum war dieß geschehen, so sprang Eachin, roth vor Anstrengung, aus dem Dickicht in die Lichtung, begleitet von seinem Pflegevater Torquil von der Eiche. Letzterer warf mit gleicher Anstrengung das kämpfende Thier auf den Rücken, und indem er dessen Vorderfüße in der rechten Hand hielt, während er auf den Leib kniete, bot er sein Messer mit der linken dem jungen Häuptling, damit er des Thieres Kehle durchschneiden möchte.

»Es geht nicht, Torquil; verrichte dein Amt und versuch' es selber. Ich darf das Ebenbild meiner Pflegemutter nicht tödten.«

Dies ward mit einem melancholischen Lächeln gesprochen, während zu gleicher Zeit eine Thräne in des Sprechers Auge stand. Torquil starrte einen Augenblick seinen jungen Häuptling an, zog dann sein scharfes Waidmesser quer über des Thieres Kehle mit einem so heftigen und schnellen Schnitt, daß die Waffe bis auf den Kinnbacken ging. Dann stand er auf und sagte, nachdem er wieder einen langen Blick auf seinen Häuptling geheftet: »Was ich diesem Reh gethan habe, würde ich jedem lebendigen Wesen thun, dessen Ohr meinen Pflegesohn ein weißes Reh nennen und das Wort mit Hektors Namen paaren gehört hätte!«

Hatte Simon keinen Grund gehabt, sich vorher zu verbergen, so gab ihm einen sehr dringenden diese Rede Torquils.

»Es kann nicht verborgen sein, Vater Torquil,« sagte Eachin; »es wird Alles offen an den Tag kommen.«

»Was wird herauskommen? was will an den lichten Tag?« fragte Torquil erstaunt.

»Es ist das unselige Geheimniß,« dachte Simon, »und wenn jetzt dieser gewaltige Geheimerath nicht schweigen kann, wird man vermuthlich mich verantwortlich machen, daß Eachins Schmach bekannt geworden ist.«

Indem er so ängstlich dachte, bediente er sich zugleich seiner Stellung, um so viel als möglich zu sehen, was zwischen dem betrübten Häuptling und dessen Vertrauten vorging, indem ihn derselbe Geist der Neugier antrieb, der uns in den wichtigsten wie in den kleinsten Verhältnissen des Lebens lenkt, und der sich bisweilen in Gesellschaft großer persönlicher Furcht befindet.

Während Torquil dem lauschte, was Eachin ihm mittheilte, sank der junge Mann in seine Arme und schloß, sich auf seine Schulter stützend, seine Beichte, indem er Jenem in's Ohr flüsterte. Torquil schien mit solchem Staunen zuzuhören, daß er unfähig war, seinen Ohren zu trauen. Als wollte er sich überzeugen, daß es Eachin sei, der spreche, hob er allmälig den Jüngling aus seiner lehnenden Stellung auf, hielt ihn an der Schulter ein wenig von sich, indem er ein Auge auf ihn heftete, welches durch die Wunder, die er vernahm, zugleich erweitert und in Stein verwandelt zu sein schien. So wild wurde des Alten Gesicht, nachdem er die geflüsterte Mittheilung gehört hatte, daß Simon fürchtete, er werde den Jüngling als einen Entehrten von sich schleudern, in welchem Fall er aus dem Gebüsch, das ihn versteckte, sich erhoben und seine Entdeckung so peinlich als gefährlich gemacht hätte. Aber die Heftigkeit Torquils, der seinen Pflegesohn mit der doppelten leidenschaftlichen Zärtlichkeit liebte, die solche Verwandtschaft im Hochlande stets begleitet, nahm eine andere Wendung.

»Ich glaub' es nicht!« – rief er; »es ist falsch von deines Vaters Kind; – falsch von deiner Mutter Sohn; am falschesten von meinem Pflegesohn! ich verpfände mich dem Himmel und der Hölle, und will gegen Jedermann den Kampf bestehen, der es wahr nennen wird! Du bist durch einen bösen Blick bezaubert, mein Liebling, und die Schwäche, die du Feigheit nennst, ist das Werk der Zauberei. Ich erinnere mich der Keule, die in deiner Geburtsstunde, jener Stunde des Schmerzes und der Freude, die Fackel ausschlug. Aber sei fröhlich, mein Geliebter! Du sollst mit mir nach Jona, und der gute St. Columbus, mit der ganzen Schaar gesegneter Heiligen und Engel, die je dein Geschlecht begünstigten, wird dir das Herz des weißen Rehes nehmen und dir das zurückgeben, welches sie dir gestohlen haben.«

Eachin hörte zu, mit einem Blicke, als hätte er gern den Worten des Trösters glauben mögen.

»Aber, Torquil,« sagte er, »gesetzt auch, dies hälfe uns, so ist doch der verhängnißvolle Tag nahe, und wenn ich in die Schranken gehe, fürcht' ich, wir werden Schande haben.«

»Es kann nicht sein – es wird nicht!« sagte Torquil, – »die Hölle soll nicht so weit herrschen – wir wollen dein Schwert in geweihtes Wasser tauchen, Eisenkraut, St. Johnskraut und Eschenlaub in deinen Helm stecken. Wir wollen dich umringen, ich und deine acht Brüder – du sollst sicher sein, wie in einem Schloß.«

Der hilflose Jüngling murmelte wieder Etwas, was Simon wegen des leisen Tones, in dem es gesprochen ward, nicht verstehen konnte, während Torquils antwortende tiefe Stimme voll und deutlich in sein Ohr tönte.

»Ja, es kann eine Möglichkeit vorhanden sein, dich von dem Kampfe zurückzuziehen. Du bist der Jüngste, der das Schwert ziehen soll. Nun höre mich, und du wirst erfahren, was es heißt, die Liebe eines Pflegevaters zu besitzen, und wie weit sie selbst die Liebe der Blutsfreunde übertrifft. Der Jüngste auf der Liste des Clans Chattan ist Ferquhard Day. Sein Vater erschlug den meinigen und das rothe Blut siedet heiß zwischen uns – ich sah den Palmsonntag als das Ziel an, das es kühlen sollte. – Aber höre, – man hätte denken sollen, das Blut in den Adern dieses Ferquhard Day und in den meinigen würde, wenn man es in dasselbe Gefäß brächte, sich nicht vermischen; doch hat er seine Neigung auf meine einzige Tochter Eva geworfen – das schönste unserer Mädchen. Denke, mit welchen Gefühlen ich das hörte. Es war, als hätte ein Wolf aus den Wäldern von Ferragon gesagt: »Gib mir deine Tochter zum Weibe, Torquil!« – Meine Tochter denkt nicht so, sie liebt Ferquhard und weint aus Furcht vor dem nahen Kampfe ihre Farbe und Gesundheit weg. Laß sie ihm ein günstiges Zeichen geben und ich weiß, er wird Haus und Hof vergessen, dem Schlachtfeld entsagen und mit ihr zur Wüste fliehen.«

»Wenn er, der Jüngste der Kämpfer des Clans Chattan, abwesend ist, kann ich, der Jüngste des Clans Quhele, wegen der Nichttheilnahme entschuldigt werden?« sagte Eachin, über das gemeine ihm zur Rettung gebotene Mittel erröthend.

»Sieh nun zu, mein Häuptling,« sagte Torquil, »und beurtheile meine Gesinnungen gegen dich – Andere könnten dir ihr eigenes Leben und das ihrer Söhne geben – ich opfere dir die Ehre meines Hauses.«

»Mein Freund, mein Vater,« wiederholte der Häuptling, Torquil an seine Brust drückend, »welch' ein niedriger Elender bin ich, daß ich feigherzig genug bin, mich deines Opfers zu bedienen!«

»Sprich nicht davon – die Bäume haben Ohren. Laß uns zurück zum Lager und unsere Knaben nach dem Wilde schicken. – Fort, Hunde, und folgt uns auf der Ferse.«

Der Spürhund hatte, zum Glück für Simon, seine Nase in das Blut des Rehes getaucht, sonst könnte er des Handschuhmachers Spur im Dickicht gefunden haben; da aber sein schärferer Geruch verloren war, so folgte er ruhig mit den übrigen Hunden.

Als man die Jäger nicht mehr sah und hörte, stand der Handschuhmacher, sehr erleichtert durch ihren Abschied, auf, und begann sich in entgegengesetzter Richtung, so schnell es sein Alter erlaubte, davon zu machen. Sein erster Gedanke war die Treue des Pflegevaters.

»Das wilde Hochländerherz ist ächt und treu. Jener Mann gleicht eher den Riesen in den Romanzen, als einem Menschen unseres Schlages; und doch könnten sich Christen ein Beispiel an seiner Anhänglichkeit nehmen. Obwohl es ein einfältiger Versuch ist, einen Mann aus der Reihe der Feinde zu beseitigen, als ob nicht zwanzig der wilden Katzen bereit sein würden, seine Stelle zu füllen.«

So dachte der Handschuhmacher, der nicht wußte, daß die strengsten Befehle erlassen waren, welche jedem der streitenden Clans geboten, ihre Freunde, Verbündete und Untergebene eine Woche vor und eine Woche nach dem Kampfe nicht auf fünfzig Meilen von Perth kommen zu lassen; eine Verordnung, die durch bewaffnete Mannschaft unterstützt wurde.

Sobald unser Freund Simon bei der Wohnung des Hirten anlangte, fand er andere Neuigkeiten für sich. Vater Clemens hatte sie überbracht, der in einem Pilgergewand kam, bereit seine Rückkehr nach dem Süden anzutreten, und mit dem Wunsche, von seinem Gefährten in der Verbannung Abschied zu nehmen oder ihn zum Begleiter zu gewinnen.

»Aber was,« sagte der Bürger, »hat Euch so plötzlich verleitet, in das Reich der Gefahr zurückzukehren?«

»Habt Ihr nicht gehört,« sagte Vater Clemens, »daß, nachdem March und seine englischen Verbündeten sich vor dem Grafen Douglas nach England zurückgezogen haben, der gute Graf es übernommen hat, das Unglück des Staates zu beseitigen, und daß er an den Hof Briefe geschrieben hat, welche die Aufhebung des hohen Gerichtshofes gegen Ketzerei als eine Störung des menschlichen Gewissens verlangen – daß die Ernennung Henry's von Wardlaw zum Prälaten von St. Andrews dem Parlament übertragen werden solle, nebst verschiedenen anderen Dingen, die den Gemeinen erfreulich sind? Nun haben sich die meisten Edeln, die mit dem König zu Perth sind, und unter ihnen Sir Patrick Charteris, Euer würdiger Oberrichter, für die Vorschläge des Douglas erklärt. Der Herzog von Albany hat seine Beistimmung gegeben, ob aus gutem Willen oder aus Staatsklugheit, kann ich nicht sagen. Der gute König ist leicht zu milden und gütigen Maßregeln zu überreden. Und so sind die Zähne der Unterdrücker in ihren Höhlen in Stücke gebrochen und die Beute ist ihren räuberischen Klauen entrissen. Wollt Ihr mit mir nach dem Niederlande, oder noch eine Weile hier bleiben?«

Niel Booshalloch ersparte seinem Freunde die Mühe der Antwort.

»Er habe des Häuptlings Befehl,« sagte er, »zu sagen, daß Simon Glover bleiben solle, bis die Streiter zur Schlacht hinabgezogen wären.« In dieser Antwort sah der Bürger etwas mit seiner eigenen vollkommenen Freiheit nicht Uebereinstimmendes; aber er kümmerte sich jetzt wenig darum, da es eine gute Ausrede gab, nicht mit dem Geistlichen zu reisen.

»Ein vorzüglicher Mann,« sagte er zu seinem Freunde Niel Booshalloch, sobald Vater Clemens Abschied genommen hatte, »ein großer Gelehrter und großer Heiliger. Es ist schade, daß er nicht mehr in Gefahr ist, verbrannt zu werden, da seine Predigt am Pfahle Tausende bekehren würde. O, Niel Booshalloch! Vater Clemens' Scheiterhaufen würde ein süßduftendes Opfer sein und ein Leuchtthurm für alle gläubigen Christen. Aber wozu würde der Brand eines gemeinen unwissenden Bürgers, gleich mir, dienen? Man gibt nicht altes Handschuhleder für Weihrauch und unterhält auch nicht Leuchtthürme mit ungegerbten Fellen, denk' ich? Aufrichtig zu sprechen, hab' ich zu wenig Gelehrsamkeit und zu viel Furcht, um Ruhm bei der Affaire zu ärnten, und daher würde ich, wie man bei uns sagt, beides, den Schaden und den Spott, haben.«

»Da habt Ihr Recht,« sagte der Hirt.

Dreißigstes Kapitel

Wir müssen zu den Personen unserer dramatischen Erzählung zurückkehren, die wir in Perth ließen, als wir den Handschuhmacher und seine schöne Tochter nach Kinfauns begleiteten und von diesem gastfreundlichen Hause den Weg Simons nach dem Taysee verfolgten; der Prinz, als die Hauptperson, nimmt zunächst unsere Aufmerksamkeit in Anspruch.

Dieser rasche und unbedachte junge Mann ertrug mit einiger Ungeduld seinen abgeschiedenen Aufenthalt beim Lord Großconnetable, dessen sonst immer angenehme Gesellschaft ihm blos deswegen nicht zusagte, weil er einigermaßen seinen Hofmeister machte. Erzürnt gegen seinen Oheim, und unzufrieden mit seinem Vater, sehnte er sich natürlich nach der Gesellschaft Sir John Ramorny's, von dem er so lange gewohnt war Unterhaltung zu erlangen, und von dem er sich, so beleidigend er diesen Vorwurf auch finden mochte, hatte leiten und beherrschen lassen. Er sandte ihm daher eine Einladung, ihn zu besuchen, wenn seine Gesundheit es erlaubte; und deutete ihm an, er möge zu Wasser sich nach einem kleinen Pavillon in des Großconnetables Garten begeben, der, wie Sir Johns eigener, an den Tay stieß. Bei der Erneuerung einer so gefährlichen Verbindung bedachte Rothsay nur, daß er Sir John Ramorny's freigebiger Freund gewesen, während Sir John Ramorny, als er die Einladung erhielt, sich nur der launischen Beleidigungen seines ehemaligen Gebieters, des Verlustes seiner Hand, der Leichtigkeit, womit diesen der Prinz betrachtete, und der Bereitwilligkeit erinnerte, mit welcher Rothsay ihn hinsichtlich der Ermordung des Strumpfwirkers im Stich gelassen hatte. Er lachte bitter, als er des Prinzen Brief las.

»Eviot,« sagte er, »bemanne ein starkes Boot mit sechs zuverlässigen Leuten, – zuverlässige Leute, merke dir's – verliere keinen Augenblick; und heiße Dwining sogleich hieher kommen. – Der Himmel lächelt uns, mein wackerer Freund,« sagte er zum Arzt. »Ich zermarterte eben mein Gehirn, wie ich Zutritt zu dem wankelmüthigen Burschen erhalten könnte, und hier schickt er eine Einladung.«

»Hm! – ich sehe die Sache deutlich,« sagte Dwining. »Der Himmel lächelt zu manchen mißlichen Vorfällen – hi, hi,hi!«

»Thut nichts, die Schlinge ist bereit; und es ist auch Köder d'ran, mein Freund, womit man den Burschen aus einem Heiligthum locken würde, wenn ihn auch ein Trupp mit gezogenen Schwertern auf dem Kirchhof erwartete. Doch ist das kaum nöthig. Sein eigener Ueberdruß würde den Streich vollbracht haben. Halt deine Sachen bereit – du gehst mit uns. Schreib ihm, da ich es nicht kann, daß wir sogleich kommen, seine Befehle zu hören, und schreibe gut. Er liest gut und das verdankt er mir.«

»Er wird Euer Schuldner für fernere Kenntnisse sein, bevor er stirbt – hi, hi, hi! aber ist Euer Handel mit dem Herzog von Albany gewiß?«

»Genug, um meinen Ehrgeiz, deine Habsucht und unser Beider Rache zu befriedigen. In's Boot, in's Boot, schnell; Eviot soll einige Flaschen des auserlesensten Weines und etwas kalte Küche hineinschaffen.«

»Aber Euer Arm, Sir John? Schmerzt er Euch nicht?«

»Das Beben meines Herzens bringt den Schmerz meiner Wunde zum Schweigen. Es schlägt, als wollt' es mir die Brust sprengen.«

»Behüte der Himmel!« – sagte Dwininig, und leise fügte er hinzu: »Das würde einen seltsamen Anblick geben. Ich möchte es wohl gern seciren, aber sein steiniger Stoff würde meine besten Instrumente verderben.«

Nach wenigen Minuten waren sie im Boote, während ein rascher Bote dem Prinzen die Nachricht brachte.

Rothsay saß beim Connetable, nachdem sie ihr Mittagsmahl gehalten. Er war düster und schweigend, und der Graf hatte so eben gefragt, ob er wünsche, daß abgetragen werde, als ein dem Prinzen übergebener Brief sofort dessen Miene veränderte.

»Wie Euch beliebt,« sagte er. »Ich gehe zum Pavillon im Garten, – versteht sich mit Erlaubniß Mylord des Connetables, – um meinen ehemaligen Stallmeister zu empfangen.«

»Mylord?« sagte Lord Errol.

»Ja, Mylord; muß ich zwei Mal um Erlaubniß bitten?«

»Keineswegs, Mylord,« antwortete der Connetable. »Erinnert sich aber Eure königliche Hoheit, daß Sir John Ramorny – –«

»Doch nicht die Pest hat, hoff' ich?« erwiderte Rothsay. »Nun, Errol, Ihr möchtet gern den gewissenhaften Gefangenenwärter machen; aber das widersteht Eurer Natur – lebt wohl auf eine halbe Stunde.«

»Eine neue Thorheit!« sagte Errol, als der Prinz, einen Thürflügel des Saales im Erdgeschoß, wo sie saßen, öffnend, hinaus in den Garten ging. »Eine neue Thorheit, diesen Schurken zu seinem Rathe zurückzurufen. Aber er ist bethört.«

Der Prinz sah inzwischen zurück und sagte eilig:

»Euer Gnaden guter Haushalt wird ein paar Flaschen Wein und eine kleine Collation in dem Salon für uns haben? Ich liebe das al Fresko des Flusses.«

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