»Donner und Blitz!« war seine erste Begrüßung, in einer Art von deutsch-französischem Kauderwelsch, das sich nicht wohl nachahmen läßt, »warum habt Ihr mich diese drei Nächte vergebens warten lassen?« – »Ich konnte Euch nicht eher sehen, mein Herr,« antwortete Hayraddin sehr demütig; »da ist ein junger Schotte, der hat ein Auge auf mich, wie eine wilde Katze, und belauert meine kleinsten Bewegungen. Er hat bereits Verdacht, und sollte er diesen bestätigt finden, ich wäre auf der Stelle ein Mann des Todes, und er führte die Weiber wieder nach Frankreich zurück.« – »Was, Henker!« sagte der Lanzknecht, »wir sind unserer drei, – wir greifen sie morgen an und entführen die Weiber, ohne ihnen länger zu folgen. Ihr sagtet, die zwei Diener wären Memmen – die könnt Ihr und Euer Kamerad schon auf Euch nehmen, und der Teufel soll mich holen, wenn ich nicht mit Eurer schottischen Wildkatze fertig werde.« – »Da werdet Ihr ein hartes Stück Arbeit finden,« versetzte Hayraddin; »denn abgesehen davon, daß wir uns eben nicht zum besten aufs Fechten verstehen, hat dieser Fant sich mit dem besten Ritter Frankreichs gemessen und ist mit Ehren davon gekommen – ich habe Leute gesehen, die Augenzeugen waren, wie er dem Dunois hitzig zu Leibe ging.« – »Hagel und Wetter! Eure Feigheit spricht aus Euch,« versetzte der andere; »aber fechten ist einmal nicht meine Sache. – Wenn Ihr Euch da einstellt, wo es verabredet ist, so ist es gut; wo nicht, geleite ich sie sicher in den Palast des Bischofs, und wenn Wilhelm von der Mark nur halb so stark ist, als er vor einer Woche noch zu sein behauptete, so mag er sich ihrer dort mit Leichtigkeit bemächtigen.« – »Potz tausend!« sagte der Soldat, »wir sind so stark und noch stärker; aber wir hören von hundert Lanzen aus Burgund – das macht – seht Ihr – fünf Mann auf die Lanze, fünfhundert Mann, und dann, hol mich der Teufel, tun sie besser daran, uns aufzusuchen, als wir sie; denn der Bischof hat selbst eine hübsche Mannschaft auf den Beinen – – ja, wahrhaftig!« – »Es muß also beim Hinterhalte am Kreuze der drei Könige bleiben, oder Ihr müßt das Abenteuer ganz aufgeben,« sprach der Zigeuner. – »Aufgeben – das Abenteuer mit der reichen Braut für unseren edlen Hauptmann aufgeben – Teufel! ich wollte es eher mit der Hölle selbst aufnehmen! Meiner Seel! wir werden alle noch Prinzen und Herzöge, die man hier Ducs nennt! da gibt's genug Schnaps im Keller, und alte französische Kronentaler die schwere Menge und schmucke Dingerchen noch obendrein, wenn der mit dem Barte ihrer überdrüssig ist.« – »Es bleibt also beim Hinterhalt am Kreuze der drei Könige?« sagte der Zigeuner. – »Mein Gott, ja doch! Ihr schwört mir, sie dahin zu bringen; wenn sie dann auf den Knien vor dem Kreuze liegen, und von den Pferden runter sind, wie alle Leute tun, außer schwarzen Heiden, – dann über sie her, und sie sind unser.« – »Ja; aber ich versprach diesen Streich notwendiger Schurkerei bloß unter einer Bedingung,« sagte Hayraddin. »Dem jungen Manne darf kein Haar gekrümmt werden. Wenn Ihr mir dies bei Euern drei toten Männern zu Köln schwört, so schwör ich Euch bei den sieben nächtlichen Wanderern, daß ich Euch im übrigen treulich dienen will. Brecht Ihr diesen Eidschwur, so sollen die sieben nächtlichen Wanderer Euch sieben Nächte lang zwischen Nacht und Morgen aus dem Schlafe wecken, und in der achten erwürgen und verschlingen.« – »Aber Donner und Hagel, was liegt Dir denn soviel an dem Leben dieses Burschen, der doch weder Dein Verwandter noch von seinem Stamme ist?« fragte der Deutsche. – »Tut nichts, ehrlicher Heinrich; manche Leute finden Vergnügen daran, Hälse abzuschneiden und andern sie sitzen zu lassen. – So schwöre mir denn, ihm kein Leid zu tun, weder am Leben noch an Gliedern, oder – bei dem glänzenden Stern Aldeboran, es soll weiter nichts in dieser Sache geschehen. – Schwöre bei den drei Königen von Köln, wie Du sie nennst. – Ich weiß schon, aus einem andern Schwure machst Du Dir nichts.« – »Du bist ein komischer Kerl,« sagte der Lanzknecht, »so schwör ich denn.« – »So nicht,« fiel der Zigeuner ein – »den Kopf herum, braver Lanzknecht, und nach Osten geschaut! Sonst möchten Dich die Könige nicht hören.«

Der Soldat leistete den Eid auf die vorgeschriebene Weise und erklärte dann, daß er zur Hand sein wolle, wobei er bemerkte, der Ort sei gut gelegen, da er kaum fünf Meilen von ihrem jetzigen Lager entfernt sei. »Aber wäre es nicht sicherer, ein Fähnlein auf der andern Landstraße links vom Wirtshause aufzustellen, für den Fall, daß sie jenen Weg nehmen sollten?«

Der Zigeuner besann sich einen Augenblick und erwiderte dann: »Nein – die Erscheinung dieser Truppen könnte die Besatzung von Namur in Alarm bringen und dann würde es ein zweifelhaftes Gefecht statt eines sicheren Erfolges geben. Ueberdies sollen sie auf dem rechten Ufer der Maas hinziehen; und ich kann sie führen, welchen Weg ich will; so pfiffig auch sonst dieser Bergschotte ist, so hat er doch über den Weg noch niemand außer mir gefragt. Ohne Zweifel ward ich ihm von meinem zuverlässigen Freund empfohlen, dessen Worten niemand mißtraut, bis man ihn ein wenig näher kennen lernt.«

»Hört, Freund Hayraddin,« sagte der Soldat, »ich wollt Euch noch etwas fragen. Ihr und Euer Bruder gebt Euch für große Sterndeuter und Geisterseher aus. – Wie, zum Henker, kam es denn, daß Ihr nicht voraussähet, daß er gehangen werden würde?« – »Das will ich Euch gleich sagen, Heinrich,« versetzte Hayraddin; »wenn ich gewußt hätte, daß mein Bruder ein solcher Tor sein würde, Ludwigs Anschläge dem Herzoge von Burgund zu verraten, so hätte ich ihm seinen Tod ebenso gewiß vorhersagen können als schönes Wetter im Monat Juli. Ludwig hat Ohren und Hände am Hofe von Burgund, und Karls Räte lieben den Klang des französischen Goldes ebenso sehr, wie Du das Geklapper der Weinflaschen. – Nun aber lebe wohl, und sei pünktlich zur Stelle. – Ich muß meinen frühwachen Schotten einen Bogenschuß weit außerhalb des Eingangs zu der Höhle des faulen Schweins dort erwarten, sonst würde er mich im Verdacht haben, daß ich auf einer Streiferei begriffen sei, die dem Erfolge seiner Reife eben nicht besonderes Glück weissage.« – »Erst einen Trunk zur Herzensstärkung,« fügte der Lanzknecht, ihm eine Flasche hinhaltend, »doch ich vergesse, daß Du dumm genug bist, nichts als Wasser zu trinken, wie alle die elenden Sklaven von Mohammed und Termagaunt.« – »Du selbst bist ein Sklave der Weinkanne,« entgegnete der Zigeuner, »ich wundere mich nicht, daß man Dir das gewaltsame, blutige Geschäft der Ausführung dessen überträgt, was bessere Köpfe ausgedacht haben. Wer die Gedanken anderer erraten und die seinigen verbergen will, darf keinen Wein trinken. Doch warum predige ich Dir, der ja einen ewigen Durst hat, wie die Sandhügel Arabiens? – Leb denn wohl! – Nimm meinen Kameraden Tuisko mit Dir! seine Erscheinung in der Nähe des Klosters könnte Verdacht erregen.«

Die zwei Ehrenmänner trennten sich nun, nachdem sie sich gegenseitig nochmals angelobt hatten, bei dem Stelldichein am Kreuze der drei Könige sich pünktlich einzufinden.

Quentin wartete, bis sie ihm aus dem Gesichte waren, und stieg dann aus seinem Verstecke herab, indem ihm das Herz bei dem Gedanken schlug, daß er und seine schöne Schutzbefohlene mit genauer Not einem so tief angelegten Plane von Schurkerei entgangen wären, wenn dies ihnen andern noch gelingen sollte. Da er fürchtete, bei seiner Rückkehr nach dem Kloster auf Hayraddin zu stoßen, so machte er einen langen Umweg auf rauhen Pfaden und gelangte auf einer ganz andern Seite wieder an das Kloster. Unterwegs ging er ernstlich mit sich zu Rate, was nun für ihn am klügsten und sichersten wäre. Als er zuerst Hayraddin seine Verräterei gestehen hörte, hatte er den Entschluß gefaßt, ihn, sobald die Unterredung beendigt wäre und seine Gefährten sich entfernt hatten, zu töten; da der Zigeuner aber sich so sehr für die Rettung seines Lebens bemühte, fühlte er, daß es ihm schwer werden würde, die Strafe, die seine Verräterei verdient hatte, in ihrer ganzen Strenge an ihm zu vollziehen. Er beschloß deshalb, sein Leben zu schonen und sich, soviel wie möglich, noch seiner Dienste als Wegweiser zu bedienen, jedoch mit Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln, damit die Sicherheit seiner ihm so teuren Schützlinge, deren Erhaltung er sein ganzes Leben zu widmen bereit war, nicht gefährdet werde. Aber wohin sollten sie sich wenden? – Die Gräfinnen konnten weder Zuflucht hoffen in Burgund, aus dem sie geflohen, noch in Frankreich, aus dem sie gewissermaßen verstoßen waren. Die Heftigkeit des Herzogs Karl in dem einen Lande war kaum mehr zu fürchten als die kalte, tyrannische Politik König Ludwigs in dem andern. Nach reiflichem Hin- und Herdenken konnte Durward keinen besseren und sicherern Plan für ihre Rettung finden, als mit Umgehung des Hinterhalts den Weg nach Lüttich am linken Ufer der Maas einzuschlagen und sich, wie es die Damen anfänglich beabsichtigt hatten, unter den Schutz des Bischofs von Lüttich zu begeben.

Das Ergebnis aller dieser Betrachtungen Quentins, die, wie gewöhnlich, nicht ohne einige Beziehung auf selbstsüchtige Zwecke blieben, war, daß er, den Ludwig kaltblütig dem Tode oder der Gefangenschaft preisgegeben hatte, dadurch aller Verbindlichkeiten gegen die Krone von Frankreich enthoben sei, weswegen er sich auch gänzlich von demselben lossagen wolle. Der Bischof von Lüttich, so beschloß er, brauche doch auch Soldaten, und durch die Verwendung seiner schönen Freundinnen, die ihn, besonders die ältere Gräfin, mit vieler Vertraulichkeit behandelten, könne er vielleicht eine Befehlshaberstelle oder wohl gar den Auftrag erhalten, die Gräfinnen von Croye an irgend einen sichereren Ort zu bringen, als es die Nachbarschaft von Lüttich war. Endlich hatten die Damen, wenngleich fast nur im Scherz, davon gesprochen, der Gräfin Vasallen aufzubieten und, wie andere in jenen stürmischen Zeiten taten, ihr Schloß dergestalt in Verteidigungszustand zu setzen, daß er jedem Angriffe trotzen konnte; sie hatten im Scherz Quentin gefragt, ob er das gefährliche Amt ihres Seneschalls übernehmen wolle, und als er es mit Freudigkeit und Eifer zusagte, in derselben Stimmung ihm erlaubt, ihnen für die Ernennung zu dieser, großes Vertrauen voraussetzenden, ehrenvollen Anstellung die Hand zu küssen. Ja er glaubte sogar bemerkt zu haben, daß die Hand der Gräfin Isabelle, eine der wohlgebildetsten und schönsten, die je von einem Vasallen geküßt ward, ein wenig zitterte, als seine Lippen einen Augenblick länger auf ihr verweilten, als die Zeremonie es sonst zu erfordern schien, und daß, als sie solche zurückzog, auf ihren Wangen und in ihren Augen einige Verwirrung sichtbar ward. Etwas konnte aus dem allen doch hervorgehen; und welcher brave Mann in Quentins Alter hätte nicht gerne bei den Gedanken, die dadurch erweckt wurden, verweilen und dadurch zu Betrachtungen veranlaßt werden sollen, die auf seine Handlungen einen bestimmten Einfluß äußern mußten?

Nachdem er über diesen Punkt ins reine gekommen war, hatte er zu überlegen, inwieweit er von der ferneren Führung des treulosen Zigeuners Gebrauch machen sollte. Er war von seinem ersten Gedanken, ihn in dem Walde zu töten, zurückgekommen; nahm er aber einen andern Führer, und ließ er diesen leben, so würde er dadurch den Verräter in Wilhelm von der Marks Lager gesandt und diesen von allen ihren Bewegungen in Kenntnis gesetzt haben. Er dachte auch daran, den Prior in sein Geheimnis zu ziehen und ihn zu ersuchen, den Zigeuner mit Gewalt solange festzuhalten, bis sie Zeit gewonnen hätten, das Schloß des Bischofs zu erreichen. Allein bei reiflichem Nachdenken wagte er es nicht, ihm einen solchen Vorschlag zu machen; denn er war ein furchtsamer alter Mann und ein Mönch dazu, für den die Erhaltung und Sicherheit seines Klosters die wichtigste Pflicht sein mußte, und der schon bei dem bloßen Namen des Ebers der Ardennen zitterte. Endlich entwarf Durward einen Operationsplan, auf dessen Gelingen er besser rechnen durfte, da die Ausführung einzig nur von ihm selbst abhing; und im gegenwärtigen Falle fühlte er sich zu allem fähig; und gerade als er mit diesem Manne im reinen war, erreichte er das Kloster.

Auf ein leises Klopfen am Tore wurde ihm durch einen Bruder, den der Prior ausdrücklich dahin gestellt hatte, das Tor geöffnet und zugleich gemeldet, daß sich die Brüder sämtlich bis zu Tagesanbruch im Chore befänden, um den Himmel anzuflehen, daß er der Brüderschaft die mancherlei Aergernisse vergeben möchte, die an diesem Abend in ihrer Mitte stattgefunden hätten. Der ehrwürdige Bruder erteilte Quentin die Erlaubnis, an ihrer Andacht teilzunehmen; aber seine Kleider waren so durchnäßt, daß er diese Einladung ablehnen und um die Erlaubnis bitten mußte, sich an das Küchenfeuer niederzusetzen. Es war ihm besonders daran gelegen, daß der Zigeuner, wenn sie wieder mit ihm zusammenträfen, keine Spuren von seiner nächtlichen Streiferei an ihm entdeckte. Der Klosterbruder gestattete ihm nicht nur sein Gesuch, sondern leistete ihm sogar Gesellschaft, was denn auch Quentin sehr erwünscht war, da er über die zwei Straßen, deren der Zigeuner in seinem Gespräch mit dem Lanzknechte erwähnt hatte, gern genauere Auskunft erhalten hätte. Der Mönch, dem oft Geschäfte außerhalb des Klosters aufgetragen wurden, konnte ihm die gewünschte Auskunft geben; doch machte er ihm bemerklich, daß die Damen, die Durward geleitete, als echte Pilgrime verpflichtet wären, ihren Weg nach dem rechten Ufer der Maas, bei dem Kreuze der drei Könige vorbei, zu nehmen, wo die gebenedeiten Reliquien Kaspars, Melchiors und Balthasars (wie die katholische Kirche die drei Weisen nennt, die mit ihren Gaben aus dem Morgenlande nach Bethlehem kamen) viele Wunder getan hätten.

Quentin erwiderte, die Damen wären entschlossen, alle diese heiligen Andachtsorte mit der größten Pünktlichkeit zu besuchen, und würden unfehlbar entweder auf ihrer Hinreise nach Köln oder, von da zurückkehrend, an dem Kreuze ihre Andacht verrichten, allein sie hätten in Erfahrung gebracht, daß die Straße auf dem rechten Ufer des Flusses gegenwärtig durch die Soldaten des wilden Wilhelm von der Mark unsicher gemacht würde.

»Möge der Himmel verhüten,« sprach Vater Franziskus, »daß der wilde Eber der Ardennen wieder so nahe bei uns sein Lager nimmt! – Indessen wird die breite Maas in diesem Falle zwischen ihm und uns eine gute Scheidewand bilden.«

»Aber zwischen meinen Damen und diesem Räuber bildet sie keine Scheidewand, wenn wir über den Fluß gehen und auf dem rechten Ufer desselben unsere Reise fortsetzen,« sagte der Schotte.

»Der Himmel wird die Seinen schützen, junger Mann,« versetzte der Bruder; »denn es ist kaum zu glauben, daß die Könige dort in der gebenedeiten Stadt Köln, die nicht einmal gestatten, daß ein Jude oder Ungläubiger die Ringmauern ihrer Stadt betritt, es zulassen sollten, daß ihre Verbrecher, die als treue Pilger zu ihrem Schreine kommen, von einem solchen ungläubigen Hunde, wie diesem Eber der Ardennen, geplündert und mißhandelt werden.«

So sehr auch Quentin, als guter Katholik, auf den besonderen Schutz Melchiors, Kaspars und Balthasars vertrauen mochte, so hielt er es doch für klüger, die Damen so schnell als möglich aus jeder Gefahr zu bringen. In der Einfalt seines Glaubens gelobte er selbst eine Pilgerschaft zu den drei Königen von Köln, wenn diese vernünftigen, königlichen und heiligen Personen seine Schützlinge das ersehnte Ziel sicher erreichen ließen. Um jedoch diese Verpflichtung mit aller Feierlichkeit zu übernehmen, ersuchte er den Klosterbruder, ihn in eine der verschiedenen Kapellen zu weisen, in welche man von dem Hauptgebäude der Klosterkirche trat, und wo er auf seinen Knien mit inbrünstiger Andacht das Gelübde bekräftigte, das er in seinem Innern getan hatte. Daß der Gegenstand der Andacht Quentins nicht der rechte war, war nicht seine Schuld; und da ihr Zweck rein und lauter gewesen, so läßt sich wohl annehmen, daß sie der Gottheit wohlgefällig war, der die aufrichtige Andacht eines Heiden lieber ist, als die scheinheilige Heuchelei des Pharisäers.

Nachdem Quentin sich und seine hülflosen Gefährtinnen dem Schutze der Heiligen und dem Beistande der Vorsehung anbefohlen hatte, begab er sich endlich zur Ruhe und verließ den Klosterbruder, sehr erbaut durch die Inbrunst und Aufrichtigkeit seiner Andacht.

Achtzehntes Kapitel

Schon bei Tagesanbruch hatte Quentin Durward seine kleine Zelle verlassen, die schläfrigen Reitknechte geweckt und Sorge getragen, daß alles zur bevorstehenden Reise sich imstande befände. Er untersuchte Gurte, Zäume, das ganze Pferdegeschirr, selbst die Hufeisen mit eigenen Augen, um soviel wie möglich allen den Unfällen vorzubeugen, die, so unbedeutend sie auch scheinen, nicht selten eine Reise unterbrechen oder unmöglich machen. Die Pferde wurden unter seiner Aufsicht gehörig gefüttert, um eine so lange Tagereise aushalten zu können oder im Falle der Not auch zu einer schnellen Flucht geeignet zu sein.

Quentin begab sich hierauf auf sein Zimmer, waffnete sich mit ungewöhnlicher Sorgfalt und gürtete sein Schwert um, in der Ahnung nahender Gefahr und mit dem festen Entschlusse, ihr bis aufs äußerste Trotz zu bieten. Diese hochherzigen Gefühle gaben seinem Gange etwas Stolzes und seinem Benehmen eine Würde, welche die Gräfinnen von Croye noch nicht an ihm bemerkt hatten. Er gab ihnen zu verstehen, es möchte nötig sein, daß sie sich diesen Morgen etwas früher als gewöhnlich zur Reise anschickten; sie verließen daher sogleich nach dem Morgenimbiß das Kloster, wofür, sowie für die übrigen Beweise von Gastfreiheit, die Damen ihre Erkenntlichkeit durch eine Gabe auf den Altar bezeigten, die mehr ihrem Range, als ihrem äußeren Ansehen entsprach. Doch erregte dies keinen Verdacht, da man sie für Engländerinnen hielt und jene Inselbewohner damals schon in dem Rufe großen Reichtums standen. Der Prior gab ihnen, als sie zu Pferde stiegen, den Segen und wünschte Quentin zur Entfernung seines heidnischen Führers Glück; »denn,« sagte der ehrwürdige Manne, »es ist besser, auf seinem Pfade zu straucheln, als sich an dem Arme eines Diebes oder Räubers aufrecht zu halten.«

Quentin war nicht ganz seiner Meinung, denn so gefährlich auch der Zigeuner war, so glaubte er doch seiner Dienste sich bedienen und zu gleicher Zeit seine verräterischen Absichten, da er nun deutlich ihre Zwecke kannte, vereiteln zu können. Allein seine Besorgnis in dieser Hinsicht war bald gehoben; denn der kleine Zug war noch keine hundert Schritte vom Kloster und dem Dorfe entfernt, als Maugrabin wieder auf seinem kleinen muntern und wilden Klepper sich ihm anschloß. Ihr Weg führte sie den nämlichen Bach entlang, wo Quentin die geheimnisvolle Beratung des vorigen Abends angehört hatte, und Hayraddin war noch nicht lange bei ihnen, so ritten sie unter derselben Weide hin, die Durward zum Versteck gedient hatte, als er unbemerkt belauschte, was zwischen dem treulosen Wegweiser und dem Lanzknechte verhandelt wurde. Die Erinnerungen, welche der Ort in sein Gedächtnis zurückrief, veranlaßten Quentin auf einmal, ein Gespräch mit seinem Führer zu beginnen, mit dem er bis dahin kein Wort gesprochen hatte.

»Wo hast Du ein Nachtlager gefunden, gottloser Bube?« fragte der Schotte.

»Eure Weisheit mag es erraten, wenn Ihr meine Schabracke anseht,« versetzte der Zigeuner, auf seine Kleidung deutend, die mit Heu bedeckt war.

»Ein guter Heuschober,« sagte Quentin, »ist ein passendes Bett für einen Sterndeuter, und besser noch, als ein heidnischer Verräter unserer heiligen Religion und ihrer Diener verdient.«

»Mein Klepper war besser daran, als ich,« sagte Hayraddin, indem er sein Pferd auf den Hals klopfte; »denn er hatte Futter und Obdach zugleich. Die alten kahlköpfigen Narren hatten ihn hinausgejagt, als ob eines klugen Mannes Pferd ein ganzes Kloster voll Esel mit Witz und Scharfsinn hätte anstecken können. Zum Glücke kennt der Klepper meinen Pfiff und folgt mir so treu wie ein Hund, sonst hätten wir uns wohl nicht wieder zusammengefunden, und Ihr hättet Eurerseits vergebens nach einem Wegweiser pfeifen mögen.«

»Ich habe Dir mehr denn einmal gesagt,« erwiderte Durward ernst, »Du solltest Deine böse Zunge im Zaume halten, wenn Du in Gesellschaft rechtlicher Leute bist, was Dir wohl früher selten geschehen sein mag; und ich sage Dir, wenn ich Dich für einen ebenso treulosen Führer hielte, als Du ein elender ungläubiger Schurke bist, mein schottisches Schwert und Dein Heidenherz hätten schon längst nähere Bekanntschaft gemacht, obgleich eine solche Handlung ebenso unwürdig wäre, als wenn ich ein Schwein abschlachtete.«

»Ein wilder Eber ist doch ein naher Verwandter des Schweins,« versetzte der Zigeuner, ohne vor dem scharfen Blicke, den Quentin auf ihn heftete, die Augen niederzuschlagen, oder die schneidende Gleichgültigkeit, die er in seiner Sprache anzunehmen pflegte, im mindesten zu verändern, »und viele Leute,« fügte er hinzu, »setzen einen Stolz darein, und finden Vergnügen und Vorteil dabei, sie zu erstechen.«

Erstaunt über des Mannes Dreistigkeit, und ungewiß, ob er nicht mehr von seiner eignen Geschichte und seinem Gemütszustande wisse, als ihm angenehm sein durfte, brach Quentin sein Gespräch ab, in dem er keinen Vorteil über Maugrabin gewonnen hatte, und zog sich auf seinen gewohnten Posten zur Seite der Damen zurück.

Wir haben schon früher bemerkt, daß ein hoher Grad von Vertraulichkeit zwischen ihnen eingetreten war. Die ältere Gräfin behandelte ihn, als sie gewiß war, daß er von Adel sei, als einen Begünstigten ihresgleichen; und wenn auch ihre Nichte ihr Interesse für ihren Beschützer weniger unverhohlen an den Tag legte, so glaubte doch Quentin bei aller ihrer Verschämtheit und Scheu vollkommen versichert zu sein, daß seine Gesellschaft und Unterhaltung ihr keineswegs gleichgültig seien.

Quentin hatte bisher auf der ganzen Reise seine schönen Schutzbefohlenen gar sehr vergnügt durch lebhafte Unterhaltung und durch Gesänge und Sagen seines Heimatlandes. An diesem bedenklichen Morgen aber ritt er stumm den Gräfinnen von Croye zur Seite, und sie konnten nicht umhin, in seinem Stillschweigen etwas Ungewöhnliches zu finden.

»Unser junger Kämpe hat einen Wolf gesehen,« sagte Gräfin Hameline, auf einen alten Aberglauben anspielend, »und hat seine Sprache darüber verloren.«

»Richtiger wäre es, daß ich einem Fuchse auf die Spur gekommen sei,« dachte Quentin, ohne jedoch diese Bemerkung laut werden zu lassen.

»Ist Euch wohl, Herr Quentin?« fragte Gräfin Isabelle in einem so teilnehmenden Tone, daß sie selbst darüber errötete, indem sie fühlte, dieser Ton verriete etwas mehr Interesse, als der Anstand zwischen ihnen erlaubte.

»Er hat gewiß mit den lustigen Brüdern gezecht,« meinte Gräfin Hameline; »den Schotten geht's doch wie den Deutschen, die ihre ganze Lustigkeit bei dem Rheinweine verschwenden, mit schwankenden Schritten zum Abendtanze kommen und ihr Kopfweh des Morgens in das Zimmer der Frauen mitbringen.«

»Nein, edle Damen,« entgegnete Quentin, »ich verdiene Eure Vorwürfe nicht. Die guten Brüder brachten fast die ganze Nacht im Gebete zu; und was mich betrifft, so habe ich nichts als einen Becher ihres schwächsten Weines getrunken.«

»Dann hat ihn vielleicht seine schlechte Bewirtung übler Laune gemacht,« meinte Gräfin Isabelle. »Laßt Euch das nicht verdrießen, Herr Quentin; kommen wir je zusammen nach meinem alten Schlosse Bracquemont, dann sollt Ihr einen Becher trefflichen Weines haben, desgleichen nie auf Hochheims oder Johannisbergs Weinbergen wuchs, und ich selbst will Euer Mundschenk sein.«

»Ein Glas Wasser von Eurer Hand, edle Gräfin,« – weiter konnte Quentin nichts sagen, seine Stimme bebte; und Isabelle fuhr fort, als ob sie die zärtliche Betonung der Anrede gar nicht bemerkt hätte: »Den Wein hat schon mein Großvater, der Rheingraf Gottfried, in den tiefen Gewölben von Bracquemont einlegen lassen,«

»Der die Hand ihrer Großmutter,« fiel Gräfin Hameline ein, »dadurch gewann, daß er auf dem Turnier zu Straßburg sich als den Sohn des Rittertums bewies; zehn Ritter wurden in den Schranken erschlagen. Aber diese Zeiten sind vorüber, und niemand denkt mehr daran, einer Gefahr Ehren halber, oder zur Rettung bedrängter Schönheit, die Stirn zu bieten.«

»Noch ist jene Ritterlichkeit nicht erstorben,« entgegnete Quentin, »und sollte sie auch überall schlummern, so wacht sie noch in dem Busen schottischer Edelleute, und binnen kurzem muß es sich ausweisen, inwieweit Ihr Euch darauf verlassen könnt, so unbedeutend auch derjenige ist, der Euch nichts weiter als Bürgschaft für Eure Sicherheit anbieten kann.«

»Ihr sprecht in Rätseln – Ihr wißt wohl von einer nahen und dringenden Gefahr?« fragte Gräfin Hameline.

»Ich habe es schon seit einer Stunde in seinen Augen gelesen,« rief Gräfin Isabelle aus, ihre Hände faltend. »Heilige Jungfrau, was wird aus uns werden?«

»Nichts, hoff ich, als was Ihr wünscht,« antwortete Durward, »und nun sehe ich mich genötigt, Euch zu fragen – edle Damen, könnt Ihr mir vertrauen?«

»Ich meinesteils,« sagte Gräfin Isabelle, »vertraue Euch blindlings und unbedingt; und wenn Ihr uns täuschen könnt, so glaube ich, daß es keine Treue mehr unter der Sonne gibt.«

»Edle Jungfrau,« erwiderte Durward, höchlich erfreut, »Ihr laßt mir nur Gerechtigkeit widerfahren. Meine Absicht ist, unsern Weg zu verändern, indem wir auf dem linken Ufer der Maas auf Lüttich zugehen, statt Namur zu berühren. Dies läuft allerdings den Befehlen König Ludwigs und den unserem Führer gegebenen Anweisungen zuwider. Ich hörte aber in dem Kloster von Räubern, die sich auf dem rechten Ufer der Maas zeigen, sowie von burgundischen Soldaten, die gegen sie anrückten, um sie zu Paaren zu treiben. Beide Umstände machen mich für Eure Sicherheit besorgt. Habe ich Eure Erlaubnis, daß ich insoweit von der vorgeschriebenen Reiseroute abgehen darf?«

»Ihr habt meine volle und unbedingte Erlaubnis,« sagte die jüngere Dame.

»Nichte,« sagte Gräfin Hameline, »ich glaube mit Euch, daß es der junge Mann gut mit uns meint; – aber bedenkt, wir überschreiten die ausdrücklichen Verhaltungsbefehle König Ludwigs.«

»Und was haben wir auf seine Verhaltungsbefehle zu achten?« fragte Gräfin Isabelle. »Ich bin, dem Himmel sei Dank, nicht seine Untertanin, und da ich als eine Schutzbittende mich an ihn wandte, hat er das in ihn gesetzte Vertrauen gemißbraucht. Ich möchte den jungen Mann da nicht so entehren, daß ich gegen seinen Vorschlag die Vorschriften jenes hinterlistigen, selbstsüchtigen Despoten auch nur einen Augenblick in die Wagschale legte.«

»Nun denn,« sprach Quentin erfreut, »Gott lohne Euch diese Worte und wenn ich mich Eures Vertrauens unwürdig zeigen sollte, dann wäre es noch viel zu wenig für mein Vergehen, wenn ich lebendig von Pferden zerrissen oder ewigen Martern preisgegeben würde.«

Mit diesen Worten gab er seinem Pferde die Sporen und gesellte sich wieder dem Zigeuner zu. Dieser Ehrenmann schien ein sehr verträglicher Mensch zu sein. Beleidigungen oder Drohungen schienen nicht lange in seinem Gedächtnis zu haften; und er ging auf das Gespräch, das Durward mit ihm begann, so unbefangen ein, als ob diesen Morgen kein unfreundliches Wort zwischen ihnen gewechselt worden wäre.

»Der Hund,« dachte der Schotte, »zeigt mir jetzt die Zähne nicht, weil er seine Rechnung mit mir mit einemmal abzumachen gedenkt, wenn er mich an der Gurgel gefaßt hat; aber wir wollen sehen, ob wir ihn nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen. Hayraddin,« sagte er, »Du bist denn doch nun schon zehn Tage mit uns gereist und hast uns noch kein Pröbchen Deiner Geschicklichkeit im Wahrsagen gegeben. So gib mir denn jetzt einen Beweis Deiner Kunst.« Und Quentin zog den Handschuh aus und hielt seine Hand dem Zigeuner hin.

Sorgfältig betrachtete Hayraddin alle Linien, welche sich auf der flachen Hand des Schotten durchkreuzten, sowie auch die kleinen Erhöhungen und Vertiefungen an den Fingerwurzeln, von denen man damals glaubte, sie ständen in Verbindung mit der Stimmung, den Neigungen und dem Schicksale des Betreffenden.

»Das ist eine Hand,« sagte Hayraddin, »in der sich viel von überstandenen Mühseligkeiten und Gefahren kundgibt. Auch lese ich eine frühere Bekanntschaft mit dem Schwerte, und doch zeigt sie auch an, daß Euch das Gebetbuch nicht fremd geblieben ist.«

»Dies betrifft mein früheres Leben, das kannst Du anderswo erfahren haben,« versetzte Quentin. »Von der Zukunft sollst Du mir etwas sagen.«

»Diese Linie von dem Venusberge,« fuhr der Zigeuner fort, »die nicht so plötzlich abbricht, sondern der Lebenslinie zur Seite hinläuft, verkündet großes Glück durch Heirat. Der Glückliche wird dadurch unter die Zahl der Reichen und Edeln erhoben.«

»Solche Versprechungen machst Du wohl allen, die Dich zu Rate ziehen,« sagte Quentin; »sie gehören mit zu Deiner Kunst.«

»Was ich Euch sage, ist ebenso gewiß,« sagte Hayraddin, »als daß Ihr in kurzem von großer Gefahr werdet bedroht werden, was ich aus dieser glänzenden, blutroten Linie folgere, welche die Lebenslinie durchschneidet und auf Schwertstreiche und andere Gewalttaten hindeutet, denen Ihr einzig und allein durch die Anhänglichkeit eines treuen Freundes entgehen werdet.«

»Durch Dich selbst wohl? Ha!« fragte Quentin, unwillig, daß der Wahrsager seine Leichtgläubigkeit so dreist mißbrauchen wollte.

»Meine Kunst,« versetzte der Zigeuner, »lehrt mich nichts von dem, was mich selbst betrifft,«

»So übertreffen denn darin die Seher bei mir zu Lande Eure gerühmte Weisheit,« sagte Quentin; »denn ihre Kunst läßt sie auch die Gefahren voraussehen, von denen sie selbst bedroht sind. Ich habe meine Berge nicht verlassen, ohne meinen Anteil an der Gabe des doppelten Gesichts mit mir zu nehmen, und ich will Dir für diese Deine Handwahrsagerei da ein Pröbchen davon geben. Hayraddin, die Gefahr, die mich bedroht, liegt auf dem rechten Ufer des Flusses. Ich will ihr dadurch aus dem Wege gehen, daß ich auf dem linken Ufer meinen Weg nach Lüttich nehme.«

Der Führer hörte ihm mit einer Gleichgültigkeit zu, die dem Schotten, da er die Umstände kannte, ganz unverständlich blieb. »Wenn Ihr Euer Vorhaben ausführt,« sagte der Zigeuner, »so geht die Gefahr von Euch auf mich über.«

»Sagtest Du nicht eben, Du könntest Dein eigenes Schicksal nicht vorhersagen?« entgegnete Quentin.

»Nicht in der Art, wie ich Euch das Eurige vorhergesagt habe,« antwortete Hayraddin; »allein man darf Ludwig von Valois nur wenig kennen, um vorauszusagen, daß er Euern Führer hängen lassen wird, weil es Euch gefiel, von dem Wege, den er empfohlen, abzugehen.«

»Wenn wir das Ziel unserer Reise glücklich erreichen, so wird er uns auch eine kleine, den Zweck der Reise fördernde und sichernde Abweichung von der vorgeschriebenen Reiseroute nicht verübeln.«

»Ja,« antwortete der Zigeuner, »wenn Ihr der Absicht des Königs gewiß seid, daß die Pilgerfahrt so enden sollte, wie er Euch glauben ließ.«

»Und wie konnte er etwas anderes dabei gewollt haben, als er in seinen Instruktionen aussprach?« fragte Quentin.

»Ganz einfach deswegen,« versetzte der Zigeuner, »weil denen, welche den allerchristlichsten König nur etwas kennen, bekannt sein muß, daß er das, was ihm am Herzen liegt, am wenigsten laut werden läßt. Laßt unsern gnädigen König zwölf Gesandtschaften schicken, und ich verschreibe meinen Hals dem Galgen ein Jahr früher, als er ihm anheimfällt, wenn nicht elfe derselben anders instruiert sind, als ihr Beglaubigungsschreiben ausweist.«

»Was gehen mich Eure schändlichen Vermutungen an?« erwiderte Quentin; »mein Auftrag lautet klar und einfach dahin, die Damen sicher nach Lüttich zu geleiten, und ich nahm mir heraus, zu glauben, daß ich mich dessen am besten entledige, wenn ich von der vorgeschriebenen Reiseroute abgehe und den Weg auf dem linken Ufer der Maas einschlage. Es ist auch die gerade Straße nach Lüttich. Wenn wir über den Fluß gehen, verlieren wir unnützerweise Zeit und ermüden uns ohne Zweck – und wozu das?«

»Einzig deswegen, weil Pilgrime, die nach Köln wallfahrten, – und dafür wollen sie doch gelten,« entgegnete Hayraddin, »gewöhnlich nicht so weit an der Maas hinabgehen; und weil man so den Weg, den die Damen nehmen, mit ihrer angeblichen Bestimmung im Widerspruch finden wird.«

»Werden wir darüber zur Rede gestellt,« sagte Quentin, »so sagen wir, daß uns beunruhigende Gerüchte von dem gottlosen Herzog von Geldern oder von Wilhelm von der Mark oder von den Ecorcheurs und Landsknechten auf dem rechten Ufer des Flusses vermocht hätten, uns lieber auf dem linken zu halten.«

»Wie Ihr wollt, guter Herr,« antwortete der Zigeuner. – »Ich für mein Teil führe Euch ebenso gern an der linken, als an der rechten Seite der Maas hinab – bei Eurem Herrn mögt Ihr Euch dann selbst entschuldigen.«

Quentin, obgleich hierüber sehr erstaunt, freute sich indessen sehr über Hayraddins bereitwilliges Einverständnis; denn er bedurfte seiner als Führer und hatte gefürchtet, daß die Vereitelung seines beabsichtigten Verrats ihn aufs äußerste treiben würde. Ihn aus ihrer Gesellschaft zu entfernen, wäre der geradeste Weg gewesen, Wilhelm von der Mark, mit dem er in Verbindung stand, auf ihre Spur zu bringen; dahingegen Quentin, wenn er bei ihnen blieb, es wohl so einrichten zu können glaubte, daß Hayraddin mit niemand Gemeinschaft pflegen konnte.

Man gab daher jeden Gedanken an ihre ursprüngliche Reiseroute auf, und der kleine Zug verfolgte jetzt den Weg auf dem linken Ufer der Maas so eilig und so glücklich, daß sie schon am nächsten Morgen frühzeitig das Ziel ihrer Reise erreichten.

Schluß des ersten Bandes.

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