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Alice Beaumont druckte die nächste Seite aus und legte sie zu den Dutzenden von anderen Seiten auf den Boden. Für die Dauer von Hunters und Garcias Abwesenheit hatte sie das Büro in ihren privaten kleinen Recherche-Himmel verwandelt.

Sie hatte einen flüchtigen Versuch unternommen, herauszufinden, was die Schattenbilder der zweiten Skulptur bedeuteten, aber eine dreiviertelstündige Suche im Internet hatte nichts zutage gefördert, was auch nur im Entferntesten ihr Interesse erregt hätte. Anders als bei den ersten Schattenbildern gab es diesmal keine mythologische Interpretation, die auf das gesamte Ensemble gepasst hätte. Wenn sie das Bild in seine Bestandteile zerlegte, ließ sich der gehörnte Kopf mit beliebigen Teufelsdarstellungen in Verbindung bringen, allerdings war damit immer noch nicht die Bedeutung der vier kleineren Figuren geklärt, die der Täter aus Dupeks abgetrennten Fingern angefertigt hatte.

Alice wollte weitermachen, wusste aber, dass die Priorität im Moment woanders lag: Sie musste die Liste der Straftäter durcharbeiten, denen Derek Nicholson im Laufe seiner Karriere den Prozess gemacht hatte. Wenn es ihr gelänge, irgendeine Verbindung zu einem Fall zu finden, in dem Dupek ermittelt hatte, entweder als Detective oder später im South Bureau, dann würde ihnen das den Ansatzpunkt liefern, nach dem sie so händeringend suchten.

Alice ließ sich zwischen ihren Ausdrucken auf dem Fußboden nieder. Dann begann sie zu lesen und das Material in Gruppen zu je zwei, drei, vier, manchmal auch fünf Seiten neu zu ordnen.

An diesem Morgen war sie mit ihrem eigenen Laptop ins Büro gekommen. Sie hatte so eine Ahnung gehabt, dass sie einige der leistungsstarken Programme auf ihrer Festplatte brauchen würde, und sie hatte sich nicht getäuscht. Hunter hatte ihr aufgetragen, bei ihrer Suche nach entlassenen, geflohenen oder auf Bewährung freigekommenen Straftätern fünf, notfalls auch zehn Jahre zurückzugehen. Das waren viel zu viele Namen und Akten, um sie alle einzeln zu lesen. Wenn sie dann noch Andrew Dupeks Fälle hinzunahm und die Liste der Opfer, die Nicholson möglicherweise für verlorene Prozesse verantwortlich machten, würde sie mindestens eine Woche brauchen, um die Unterlagen durchzuarbeiten. Aber genau hier kamen ihre Computerkenntnisse ins Spiel.

Das Erste, was Alice tat, nachdem Hunter und Garcia sich verabschiedet hatten, war, eine kleine Anwendung zu schreiben, die die Textdateien nach bestimmten Namen, Schlagwörtern und Phrasen durchsuchen konnte. Die Anwendung war sogar in der Lage, einzelne Akten gemäß einer ganzen Reihe verschiedener Kriterien miteinander zu verknüpfen. Das Problem war nur, dass bei weitem nicht alle Akten digital vorlagen. Etwa die Hälfte existierte nur in Papierform. Einfach eine Liste der alten Fälle zusammenzustellen war nicht weiter schwierig, selbst wenn diese Liste sechsundzwanzig Jahre in die Vergangenheit reichte. Die eigentlichen Fallakten jedoch wurden erst seit etwa fünfzehn Jahren systematisch digitalisiert. Zwar bemühte man sich bei der Bezirksstaatsanwaltschaft von Los Angeles, ältere Fälle so schnell wie möglich in die Datenbank einzupflegen, aber die schiere Flut an Material sowie der chronische Personalmangel hatten zur Folge, dass der Prozess nur äußerst schleppend voranging. Dasselbe galt für das LAPD und Dupeks Akten.

Doch bislang machte Alice mit dem, was sie hatte, sehr gute Fortschritte. Ihr selbstgeschriebenes Programm hatte bereits sechsundvierzig Dokumente markiert. Allerdings hatte sie immer noch Dupeks Fälle vor sich.

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