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Es war Freitagabend, und das Airliner am North Broadway war fast bis auf den letzten Platz besetzt. Der große, exklusive Danceclub mit Lounge war – getreu seines Namens und nicht unbedingt einfallsreich – in einem Flugzeug-Dekor gehalten, allerdings erwartete die Gäste eine wesentlich gehobenere Auswahl alkoholischer Getränke als auf einem Flug der US Airways. Mit seinen zwei großen und gut bestückten Bars, einer Tanzfläche, auf der immer die Post abging, einem plüschigen Lounge-Bereich und einigen der heißesten DJs in ganz L. A. zählte das Airliner ohne Zweifel zu den besten Clubs der Stadt und zog eine bunte Mischung aus Einheimischen wie Touristen an. Genau das war der Grund, weshalb Eddie Mills an diesem Abend hier war.

Eddie war ein zwielichtiger Kleinganove, der in Redondo Beach mit anderthalb Kilo Kokain im Auto erwischt worden war. Im Gefängnis hatte er Guri Krasniqi, einen albanischen Gangsterboss, kennengelernt. Krasniqi saß lebenslänglich, regierte sein Imperium aber aus dem Knast heraus weiter und hatte Eddie, als dieser vor zwei Jahren aus dem kalifornischen Staatsgefängnis in Lancaster entlassen worden war, mit einigen seiner Leute in Kontakt gebracht.

Eddie stand an der Bar im Obergeschoss und schlürfte Champagner. Er war so sehr in den Anblick einer kurzhaarigen Brünetten vertieft, die gerade die Tanzfläche zum Beben brachte, dass er den kleinen untersetzten Mann, der sich neben ihn an die Theke gestellt hatte, zuerst gar nicht bemerkte.

»Meine Güte!« Eddie erschrak zu Tode, als plötzlich eine schwere Hand auf seiner Schulter landete.

»Eddie! Was geht?«

Eddie drehte sich um und musterte den Mann mit dem kahlrasierten Schädel. »Tito?« Er blinzelte, als könne er seinen Augen nicht trauen. »Verdammt, Alter, was machst du denn hier?« Eddies Lippen verzogen sich zu einem Lächeln voller blendend weißer Zähne. Er breitete die Arme aus.

Tito erwiderte das Lächeln, und sie umarmten sich wie Brüder, die sich eine Ewigkeit lang nicht gesehen hatten.

»Mann, wann bist du denn rausgekommen?«, wollte Eddie wissen.

»Vor sieben Monaten. Auf Bewährung.«

»Im Ernst?«

»Im Ernst, Alter.«

»Und wie geht’s dir so, du Hund?« Eddie machte einen Schritt zurück und musterte seinen Freund. »So wie du aussiehst, ganz gut. Wo wohnst du, in einer Konditorei?«

»Ein Mann muss essen.«

»Ja, das sehe ich. Und ein Mann muss vor allem aufhören zu essen, bevor er platzt.«

»Leck mich doch. Wenigstens muss ich nicht mehr den Fraß in mich reinschaufeln, den sie uns in Lanc vorgesetzt haben.«

»Darauf trinke ich.« Eddie hob sein Glas.

»Was ist denn das?« Tito machte ein beeindrucktes Gesicht. »Champagner? Im Ernst? Na, da lässt es aber jemand krachen.«

»Hey, Mann, nur das Beste. Hier, nimm auch was.« Eddie winkte dem Barkeeper und bat ihn um eine zweite Champagnerflöte.

»Du siehst top aus«, sagte Tito und erhob sein Glas für einen Toast. »Auf die Freiheit. Und darauf, dass wir nie wieder reinmüssen.«

Eddie nickte zustimmend. »Danke, Mann.« Er strich sich mit der Hand über die Krawatte. »Das ist Armani.« Er deutete auf seinen Anzug. »Kann ich gut tragen, oder?«

»Sieht geschmeidig aus«, pflichtete Tito ihm bei.

Sie unterhielten sich etwa eine Stunde lang über ihre Zeit im Knast. Eddie erzählte Tito, dass er für eine ausländische Firma arbeite, blieb allerdings in seinen Aussagen ziemlich vage. Tito hatte sowieso nicht die Absicht, weiter nachzubohren. Um den wahren Grund seines Hierseins zu verschleiern, ließ er immer wieder Namen bestimmter Mithäftlinge fallen und erkundigte sich bei Eddie, was aus ihnen geworden war – Kennst du noch den Sowieso? Was ist mit dem und dem? Und so weiter. Tito wusste, dass Eddie im Knast mit Ken Sands befreundet gewesen war. Langsam näherte er sich seinem eigentlichen Anliegen.

»Sag mal, Eddie, und was ist eigentlich aus Ken geworden?«

Er hätte schwören können, dass sich Eddie einen Moment lang versteifte.

Eddie leerte den Rest seines Champagners und fixierte Tito. »Ken? Den haben sie entlassen, soweit ich weiß. Keine Bewährung, hat seine Strafe abgesessen.«

»Hat er?« Tito spielte den Dummen.

»Ja, ist vor ungefähr sechs Monaten rausgekommen.«

»Der Typ war das klassische Beispiel einer gemeingefährlichen Sau.« Tito lachte nervös. »Hast du noch Kontakt zu ihm?«

»Nee, Mann, hab nur gehört, dass er entlassen wurde. Der hat seine eigenen Sachen am Laufen. Zeug, das er noch erledigen wollte, nachdem er draußen war, wenn du kapierst, was ich meine?«

»Was denn?«

»Woher soll ich das wissen? Vielleicht wollte er sich an den Leuten rächen, die ihn in den Bau gebracht haben. Wie auch immer, mein Beileid für jeden, mit dem er ein Hühnchen zu rupfen hat.«

»Das kannst du laut sagen. War der nicht mit diesem albanischen Gangster auf der Zelle? Diesem Guri? Den kennst du doch noch, oder? Hab ein paarmal gesehen, wie du mit ihm gequatscht hast.«

»Ich hab mit vielen gequatscht, als ich im Bau war, genau wie du. Dann geht die Zeit schneller rum.« Eddie spielte die Sache herunter.

Tito nickte. »Glaubst du, Ken dealt wieder? Das hat er doch gemacht, bevor er eingebuchtet wurde, oder? Vielleicht hat er sich mit den Albanern zusammengetan. Hab gehört, die ziehen das richtig professionell auf.«

Eddie musterte Tito mit argwöhnischem Blick. »Was ist los, Alter, bist du auf der Suche nach einem Job? Oder willst du Dope abgreifen?«

»Nee, Mann, ich hab, was ich brauche.« Tito fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel.

Eddie nickte. »Okay. Und warum interessierst du dich dann so für Ken? Schuldet der dir noch Geld oder so? Falls ja, dann würde ich es an deiner Stelle einfach vergessen. Das ist den Ärger nicht wert, verstehst du?«

»Ach was, ich frag doch bloß.«

»Ja, das sehe ich. Aber wenn man zu viel fragt, kann das unangenehme Folgen haben, und das weißt du auch.«

Tito hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. »Wir quatschen doch nur, Alter, mehr nicht. Ist mir doch scheißegal, was der treibt.«

Eddie schwieg, aber sein Unbehagen war ihm deutlich anzusehen. Tito war sich sicher, dass sein alter Mithäftling mehr wusste, als er preisgab, und das reichte ihm. Er würde die Info an die zwei Bullenschweine weitergeben, die bei ihm zu Hause aufgetaucht waren. Sollten die Eddie doch selber grillen. Er hatte getan, was er konnte.

»Komm, wir nehmen noch eine Flasche«, schlug Eddie vor und winkte dem Barkeeper.

»Zu Champagner sag ich nie nein. Lass mich nur kurz pissen gehen.«

Während Tito in Richtung Toilette davonging, steuerte Eddie die Raucherlounge im Erdgeschoss an. Das war der ruhigste Ort für ein Telefonat.

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