101 Archäologische Unterhaltung zwischen einem Marineleutnant und einem Husarenhauptmann

Die zwei jungen Männer schwiegen eine Zeit lang; der Jüngere der beiden, der den Wagen als Erster erworben hatte, betrachtete die riesengroßen Schriftzeichen der Antike voller Interesse; der Ältere betrachtete die historischen Ruinen, die sein Reisegefährte wie ein offenes Buch zu lesen schien, unbeteiligt und ohne sie mit einer Geschichte oder einer Stimme zu versehen.

»Wenn man bedenkt«, sagte der Husarenhauptmann obenhin und beinahe verächtlich, »wenn man bedenkt, dass es Leute gibt, die den Namen und die Geschichte jedes einzelnen Steins hier auswendig wissen!«

»Das stimmt, die gibt es«, sagte sein Begleiter lächelnd.

»Stellen Sie sich vor, gestern speiste ich bei unserem Botschafter Monsieur Alquier zu Abend, dem ich ein Schreiben des Großherzogs von Berg zu überbringen hatte; während der Abendgesellschaft kam ein Wissenschaftler, ein Architekt, mit einer weiß Gott überaus bezaubernden Ehefrau.«

»Visconti?«

»Sie kennen ihn?«

»Nun, wer würde ihn nicht erkennen, wenn Sie ihn so treffend beschreiben?«

»Sie wohnen in Rom?«

»Nein, ich habe die Stadt gestern zum ersten Mal betreten und heute Morgen zusammen mit Ihnen verlassen, aber das ändert nichts daran, dass ich Rom wie meine Westentasche kenne.«

»Sie haben ein berufliches Interesse, die Ewige Stadt, wie man sie nennt, zu studieren?«

»Mein Interesse ist der Wunsch nach Zerstreuung; ich liebe die Vergangenheit leidenschaftlich, die Menschen, die seinerzeit Riesen waren, und Vergil sagt zu Recht in einem großartigen Gedicht, dass wir über die Größe ihrer Knochen staunen, wenn der Karren über ihre Gräber fährt.«

»O ja, ich erinnere mich in der Tat«, sagte der junge Hauptmann und unterdrückte bei der Erinnerung an die Oberschule ein Gähnen, »mirabitur ossa sepulcris; aber«, fuhr er in muntererem Ton fort, »ist es wirklich gesagt, dass sie größer waren als wir?«

»Wir kommen gerade an einer Stelle vorbei, wo dieser Beweis erbracht wurde.«

»Und wo wäre das?«

»Wir befinden uns vor dem Zirkus des Maxentius; wenn Sie sich im Wagen aufrichten, können Sie eine Art Tumulus sehen.«

»Ist das denn kein Grabmal?«

»Doch, und im 15. Jahrhundert wurde es geöffnet: Es enthielt einen enthaupteten Toten, doch selbst ohne Kopf war er fast sechs Fuß groß. Sein Vater stammte von den Goten ab, seine Mutter von den Alanen; zuerst war er Hirte in den Bergen seiner Heimat, dann nacheinander Soldat unter Septimus Severus, Zenturion unter Caracalla, Tribun unter Heliogabal und zuletzt Kaiser als Nachfolger Alexanders. Am Daumen trug er die Armreife seiner Frau als Ringe; mit einer Hand konnte er ein beladenes Fuhrwerk ziehen; wenn er den erstbesten Stein in die Hand nahm, konnte er ihn mit seinen Fingern zu Staub zermalmen; er konnte dreißig Ringkämpfer nacheinander besiegen, ohne Luft holen zu müssen; zu Fuß war er so schnell wie ein Pferd im Galopp; er umrundete den Circus Maximus dreimal hintereinander in fünfzehn Minuten und füllte nach jeder Umrundung einen Kelch mit seinem Schweiß; und er verzehrte täglich vierzig Pfund Fleisch und leerte auf einen Zug eine ganze Amphore. Sein Name war Maximianus; er wurde bei Aquileia von seinen eigenen Soldaten erschlagen, die seinen Kopf dem Senat schickten, woraufhin dieser ihn in aller Öffentlichkeit auf dem Marsfeld verbrennen ließ. Sechzig Jahre später ließ ein anderer Kaiser, der von ihm abzustammen behauptete, in Aquileia nach seinem Leichnam suchen; und da er gerade diesen Zirkus errichtete, ließ er darin den Leichnam in einem Sarkophag bestatten; da die Lieblingswaffen des Verstorbenen Pfeil und Bogen gewesen waren, legte der Kaiser ihm als Grabbeigaben sechs Pfeile aus Schilfrohr vom Euphrat und einen Bogen aus germanischem Eichenholz in den Sarg; der Bogen war acht Fuß lang, die Pfeile waren fünf Fuß lang; wie gesagt hieß dieser Riese Maximianus und war römischer Kaiser gewesen. Derjenige, der ihm dieses Grabmal errichtete und es zu der Stelle erklärte, an der Pferde und Wagen bei den Rennen wendeten, hieß Maxentius und ertrank, als er Rom gegen Konstantin verteidigte.«

»Ja«, sagte der junge Husarenoffizier, »ich erinnere mich sehr gut an das Bild von Le Brun, auf dem Maxentius sich schwimmend zu retten versucht. Und dieser zinnengekrönte Turm, auf dem Granatapfelbäume wachsen wie in den hängenden Gärten der Semiramis, ist das sein Grabmal?«

»Nein, das ist das Grab einer bezaubernden Frau, deren Namen Sie auf der Marmorverkleidung lesen können. Dieses Grabmal diente im 13. Jahrhundert dem Neffen von Papst Bonifaz VIII. als Festung, und es wurde für Caecilia Metella errichtet, die Gattin des Crassus und die Tochter des Caecilius M. Creticus.«

»Ha«, sagte der Offizier, »sie war die Ehefrau des Geizhalses, der dem griechischen Philosophen, den er als Sklaven gekauft hatte, einen alten Strohhut zum Schutz gegen die Sonne lieh, wenn sie ausgingen, ihn aber bei der Rückkehr jedes Mal zurückforderte.«

»Was ihn nicht daran hinderte, Cäsar dreißig Millionen zu leihen, als dessen Gläubiger ihn seine Prätur in Spanien nicht antreten lassen wollten, aus der er vierzig Millionen Gewinn erzielte, nachdem alle Schulden beglichen waren. Die dreißig Millionen für Cäsar und dieses Grabmal zu Ehren seiner Ehefrau sind die einzigen uncharakteristischen Handlungen im Leben des Crassus.«

»Und war sie ein so aufwendiges Grabmal wert?«, fragte der Offizier.

»O ja; sie war eine edle Dame, geistreich, künstlerisch, dichterisch, die in ihrem Haus Catilina, Cäsar, Pompejus, Cicero, Lucullus und Terentius Varro empfing – kurzum alles, was in Rom den Ton angab; können Sie sich ausmalen, wie eine solche Abendgesellschaft verlief?«

»Sicher kurzweiliger als die unseres Botschafters Monsieur Alquier. Aber das Grab wurde offenbar ausgeraubt.«

»Es wurde auf Befehl von Papst Paul III. geöffnet; er entdeckte die Urne mit der Asche und ließ sie in eine Ecke des Eingangsraums des Farnese-Palasts bringen, wo sie sich heute noch befinden dürfte.«

Unterdessen fuhr ihr Wagen weiter; das Grabmal der Caecilia Metella lag hinter ihnen, und sie näherten sich einer rätselhafteren, denn weitaus verfalleneren Ruine.

Der Husarenoffizier hatte den ersten Erläuterungen seines Reisegefährten nur zerstreut gelauscht, doch je länger dieser sprach, desto aufmerksamer hörte er ihm zu. »Was ich nicht verstehe«, sagte er zuletzt, »das ist, warum die Geschichtsschreibung so langweilig sein muss, obwohl die erzählte Geschichte so unterhaltsam ist; Ruinen habe ich mein Lebtag gescheut wie ein Vipernnest, aber wenn Sie es jetzt von mir verlangten, würde ich jeden einzelnen Stein dieser Ruine umdrehen, um seine Geschichte zu erfahren.«

»Umso mehr«, sagte der junge Cicerone, »als die Geschichte ihrer Steine zu den merkwürdigsten gehört.«

»Fahren Sie fort, ich bin so neugierig wie der Sultan in Tausendundeine Nacht, dem die schöne Scheherazade jeden Abend eine Geschichte erzählt.«

»Es ist die Villa der Quintilier, zweier Brüder, die den Kaiser Commodus ermorden wollten.«

»Ho, ho! War das nicht der Enkel Trajans?«

»Und der Sohn Mark Aurels; aber die Kaiser folgen aufeinander, ohne einander zu ähneln. Als dem zwölfjährigen Commodus das Badewasser zu heiß war, befahl er, den Sklaven, der ihm das Bad bereitet hatte, in den Backofen zu stecken, und obwohl das Badewasser inzwischen auf die gewünschte Temperatur abgekühlt war, nahm er sein Bad erst, als der Sklave durchgebraten war. Die Grillen und Hirngespinste des jungen Kaisers waren allesamt grausamer und gewalttätiger Natur; dies führte zu zahlreichen Verschwörungen gegen ihn, darunter jener der Besitzer der Ruine, die wir gerade vor Augen haben. Es handelte sich darum, Commodus zu ermorden, doch das war leichter gesagt als getan bei einem Mann seiner Körpergröße und Kraft, der verlangte, dass man ihn nicht Commodus, Sohn des Mark Aurel, nannte, sondern Herkules, Sohn des Jupiter. Er verbrachte seine Tage im Zirkus, und er war kampfgewandter als jeder Gladiator; von einem Parther hatte er das Bogenschießen gelernt und von einem Mauren das Speerwerfen.

Eines Tages hatte ein Pantherweibchen im Zirkus gegenüber der Loge des Kaisers einen Mann gerissen, den es zu zerfleischen begann. Commodus, der nie ohne Bogen und Pfeile ausging, schoss einen Pfeil ab, der das Raubtier tötete, ohne dem Menschen ein Haar zu krümmen. Ein andermal ließ er in ganz Rom verkünden, er werde mit hundert Speeren hundert Löwen erlegen; das war, als er merkte, dass die Liebe des Volks zu ihm zu erkalten begann. Im Zirkus drängten sich die Neugierigen, wie man sich wohl denken kann; man brachte dem Kaiser hundert Speere mit vergoldeter Spitze und ließ hundert Löwen in den Zirkus; Commodus warf die hundert Speere und tötete mit ihnen die hundert Löwen.«

»Ho, ho!«, rief der junge Offizier.

»Das behaupte nicht ich«, sagte sein Begleiter, »sondern Herodianus, der alles mit eigenen Augen gesehen hat.«

»Das ist etwas anderes«, sagte der Husar und lüpfte seinen Kalpak, »dann will ich nichts dagegen sagen.«

»Außerdem«, fuhr der Erzähler fort, »war der Kaiser sechs Fuß groß und wie gesagt sehr stark; mit einem Stockschlag konnte er einem Pferd das Bein brechen, und mit einem Faustschlag tötete er einen Ochsen.

Eines Tages begegnete er einem ausgemacht korpulenten Mann, den er herbeirief und mit einem Schwerthieb in zwei Hälften zerteilte. Sie sehen, dass es keine leichte Sache sein konnte, gegen jemanden wie ihn zu konspirieren. Die Brüder Quintilii entschlossen sich dennoch dazu und trafen ihre Vorbereitungen: Sie vergruben all ihr Gold und Geld, allen Schmuck und alle Edelsteine; dann bereiteten sie Pferde für ihre Flucht vor, falls ihr Anschlag misslingen sollte, und verschanzten sich in einem Torweg, einer engen Durchfahrt zwischen Palast und Amphitheater.

Anfangs schien das Glück den Verschwörern hold zu sein: Commodus hatte nur wenige Begleiter bei sich. Die Quintilier stürzten sich auf ihn, von ihren Komplizen begleitet.

›Da‹, rief einer der Brüder, als er mit seinem Dolch zustach, ›da, Cäsar, nimm, was ich dir im Namen des Senats bringe!‹

Und in dem Halbdunkel der engen Durchfahrt begann ein fürchterliches Gemetzel. Commodus war nur leicht verwundet; die Stöße, die man gegen ihn führte, brachten ihn nicht einmal aus dem Gleichgewicht, während er mit jedem Schlag einen Gegner niederstreckte; zuletzt packte er den Quintilier, der ihn attackiert hatte, an der Kehle und erdrosselte ihn mit seinen eisengleichen Fingern. Im Sterben rief dieser Bruder, der Ältere, dem Jüngeren zu: ›Rette dich, Quadratus, wir haben verloren!‹

Der jüngere Bruder entfloh, sprang auf ein Pferd und raste im Galopp davon.

Die Soldaten machten sich sogleich an seine Verfolgung; für den Fliehenden ging es um Leben und Tod, für die Verfolger um eine ansehnliche Belohnung. Die Soldaten begannen, den Quintilier einzuholen, doch glücklicherweise hatten die Attentäter dies vorausgesehen und sich einen Ausweg einfallen lassen, der sonderbar genug anmuten mag, aber sollten Sie mir nicht glauben wollen, ist Cassius Dio mein Gewährsmann. Der Flüchtende führte einen Schlauch mit Hasenblut mit sich, und der Hase ist bekanntermaßen das einzige Tier, dessen Blut nicht gerinnt; der Flüchtende trank so viel von dem Blut, wie er konnte, und ließ sich vom Pferd fallen wie verwundet. Man fand ihn auf der Straße liegend und Sturzbäche von Blut speiend; und die Verfolger, die ihn für tot, ja mausetot hielten, plünderten ihn aus und entkleideten ihn, ließen den Leichnam liegen und berichteten Commodus, dass und wie sein Feind zu Tode gekommen war. Unterdessen hatte der Quintilier sich erhoben, war nach Hause gegangen, hatte sich angekleidet, alle Wertgegenstände, die er tragen konnte, mitgenommen und war entflohen.«

»Und Commodus«, fragte der Husarenoffizier, »wie ist er gestorben? Dieser Schlächter, der an einem Tag hundert Löwen töten konnte, hat mein Interesse geweckt.«

»Commodus wurde von seiner Favoritin Marcia vergiftet und von seinem Lieblingsathleten Narcissus erwürgt. Pertinax riss die Macht über das römische Reich an sich und bezahlte dafür sechs Monate später mit seinem Leben. Daraufhin kaufte Didius Julianus Rom und die Welt als Zugabe, doch Rom war es noch nicht gewohnt, verkauft zu werden.«

»Daran hat es sich seitdem gewöhnt«, warf der Offizier ein.

»Ja, aber diesmal lehnte es sich auf, auch wenn wir nicht vergessen dürfen, dass der Verkäufer zu bezahlen vergessen hatte. Septimus Severus nutzte den Aufstand, um Didius Julianus ermorden zu lassen, bestieg den Thron, und die Welt atmete auf.«

Da die nächste Poststation Velletri war und es von Rom bis Velletri fünf Meilen sind, bat der Postillion, seine Pferde verschnaufen zu lassen.

Diese Erlaubnis erteilten ihm die zwei Reisenden umso bereitwilliger, als sie eine der fesselndsten Stellen der römischen Campagna erreicht hatten.


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