52 Surcouf

René hatte erfahren, dass Surcouf vormittags von acht bis zehn Uhr seine Seeleute rekrutierte.

Folglich legte René um halb acht Uhr seine Kleidung vom Vortag, die über Nacht getrocknet war, wieder an; der Kleidung sah man den langen Weg an, den René gekommen war, und sie eignete sich besser für ein Vorsprechen bei Surcouf als ein ungetragenes Gewand frisch aus der Schneiderwerkstatt.

Um acht Uhr erreichte er die Rue Porcon de la Barbinais, gelangte dann über die Rue de la Boucherie zur Rue de Dinan, an deren Ende unterhalb der Befestigungen und gegenüber dem Stadttor Surcoufs Haus lag, ein großes Gebäude mit Hof und Garten.

Ein Dutzend Seeleute, die sich zeitiger eingefunden hatten als René, wartete im Vorraum; sie wurden einer nach dem anderen in den Nebenraum vorgelassen, und damit es keine Rangeleien gab, hatte ein Matrose neben der Tür des Vorraums Nummern ausgegeben, mit denen die Reihenfolge geregelt wurde.

René bekam eine Nummer und wartete zusammen mit sechs verbliebenen Seemännern; um sich die Zeit zu vertreiben, betrachtete er die Trophäen und Waffen aus aller Herren Länder an den Wänden.

In einem schwarzen Pantherfell aus Java steckten vergiftete malaiische Dolche, Kris geheißen, Pfeile, die in die tödlichsten Gifte getaucht worden waren, und Säbel, mit denen die Haut des Opfers nur geritzt werden muss, um eine tödliche Wunde zu erzielen.

Das Fell eines Löwen aus dem Atlasgebirge trug eine Reihe von Candjiar-Dolchen aus Tunis, von Flissah-Säbeln aus Algier, von Pistolen mit verzierten silbernen Griffen und von halbmondförmig gebogenen Damasszenerklingen.

Das Fell eines Präriebisons zeigte eine Sammlung von Bogen, von Tomahawks, von Skalpiermessern und Gewehren mit gezogenem Lauf.

Das Fell eines bengalischen Tigers präsentierte Dolche mit vergoldeten Klingen und Jadegriffen, damaszierte Dolche mit Elfenbein- und Karneolgriffen, Silberringe und silberne Armreifen.

Die vier Erdteile fanden sich solchermaßen an den vier Wänden dieses Wartezimmers durch ihre Waffen dargestellt.

Während René diese Trophäen mit Interesse musterte und den Blick zur Zimmerdecke hob, wo sich neben einem zwanzig Fuß langen Kaiman eine mindestens doppelt so lange Boa schlängelte, waren weitere Wartende vorgelassen worden, und zehn neue Kandidaten hatten den Vorraum betreten und ihre Nummer erhalten.

Ab und zu waren Schüsse zu hören, denn Surcouf saß an einem Fenster und hatte Pistolen vor sich liegen; einige seiner Offiziere vertrieben sich die Zeit damit, in dem großen Garten auf metallene Zielscheiben zu schießen, an denen die Kugeln ihre Spur hinterließen.

In einem zweiten Raum, der als Rüstkammer diente, erprobten drei oder vier junge Männer, die an Bord des Kaperschiffs vermutlich als Fähnriche zur See oder als Seekadetten dienten, ihre Gewandtheit mit Degen und Säbel.

Obwohl René als einfacher Matrose gekleidet war, erkannte Surcouf auf den ersten Blick, dass er es mit einem Mann aus einer ganz anderen gesellschaftlichen Sphäre zu tun hatte; der entschiedene Gesichtsausdruck des jungen Mannes beeindruckte ihn; mit Kennerblick registrierte er den wohlgestalten Körper und den gepflegten, sorgfältig gestutzten Bart, und gerne hätte er die Hände gesehen, um sein Urteil abzurunden, doch sie waren in Handschuhen verborgen, die zwar alt waren, aber frisch mit Gummi gereinigt, so dass man ihrem Träger zwar nicht unbedingt Luxus attestieren konnte, aber Streben nach Eleganz.

Und als René zwei Schritte vor Surcouf stehen blieb und salutierte, erwiderte dieser den Gruß, indem er seinen Hut lüpfte, was er einem gewöhnlichen Seemann gegenüber nicht getan hätte.

René wiederum hatte Surcouf mit einem einzigen Blick eingeschätzt: Der berühmte Seefahrer war ein Mann von einunddreißig Jahren, mit kurz geschnittenen blonden Haaren, kurz getrimmtem Kinn- und Backenbart, kräftigem Hals und stämmigen Schultern, eher klein als groß und dennoch von wahrscheinlich herkulischer Körperkraft.

»Was wünschen Sie von mir, Monsieur?«, fragte Surcouf mit einer leichten Kopfbewegung.

»Ich weiß, dass Sie in See stechen wollen, und ich würde gerne bei Ihnen anheuern.«

»Doch nicht etwa als einfacher Matrose?«, fragte Surcouf.

»Als einfacher Matrose«, erwiderte René mit einer Verbeugung.

Surcouf betrachtete ihn erneut und noch verwunderter als zuvor. »Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen«, fuhr Surcouf fort, »dass Sie mir so wenig zum Matrosen geeignet erscheinen wie ein Chorknabe zum Schuhputzer.«

»Das mag sein, Monsieur, aber jedes Gewerbe lässt sich erlernen, sei es noch so hart, wenn man nur fest dazu entschlossen ist.«

»Körperkraft ist für dieses Gewerbe unerlässlich.«

»In Ermangelung der Kraft, Monsieur, kann man mit Geschicklichkeit manches ausrichten. Mir scheint, dass man nicht allzu viel Kraft benötigt, um das große oder kleine Toppsegel zu reffen oder um vom Mastkorb oder den Wanten aus Granaten auf das Deck eines gegnerischen Schiffs zu werfen.«

»In unserem Gewerbe«, sagte Surcouf, »gibt es Tätigkeiten, die ohne Körperkraft nicht zu bewältigen sind. Angenommen, Sie müssten eine Kanone bedienen, würden Sie sich dann zutrauen, eine achtundvierzigpfündige Kanonenkugel zur Kanone zu tragen?«

Und mit dem Fuß stieß er eine solche Kanonenkugel zu René hin.

»Ich glaube«, sagte dieser, »dass mir das ein Leichtes wäre.«

»Versuchen Sie es!«, sagte Surcouf.

René bückte sich, ergriff die Kugel mit einer Hand, als wäre er beim Kegelspiel, und warf sie über Surcoufs Kopf in den Garten.

Die Kugel rollte fast zwanzig Schritte weit, bevor sie liegen blieb.

Surcouf erhob sich, sah hinaus und setzte sich wieder.

»Vortrefflich Monsieur; an Bord der Revenant gibt es, mich eingeschlossen, höchstens fünf oder sechs Mann, die zu dem, was Sie eben taten, befähigt wären. Darf ich Ihre Hand sehen?«

René lächelte, zog seinen Handschuh aus und reichte Surcouf seine zarte und zierliche Hand, die dieser eingehend besah.

»Parbleu! Meine Herren«, rief Surcouf die Offiziere herbei, die sich am anderen Fenster aufhielten, »das müssen Sie sehen!«

Die Offiziere kamen herbei.

»Diese Mädchenhand«, fuhr Surcouf fort, »hat soeben jene Achtundvierzigerkugel über meinen Kopf hinweg nach dort draußen geschleudert.«

Renés Hand, die in Surcoufs kräftigen Händen wie eine Frauenhand gewirkt hatte, sah zwischen Kernochs riesigen Pranken wie eine Kinderhand aus.

»Kapitän«, sagte Kernoch, »Sie halten uns wohl zum Besten; soll das vielleicht eine Hand sein?« Und mit einer verächtlichen Geste brutaler Kraft gegenüber augenscheinlicher Schwäche stieß er Renés Hand von sich.

Surcouf streckte die Hand aus, um Kernoch Einhalt zu gebieten, doch René kam ihm zuvor und sagte: »Kapitän, gestatten Sie?«

»Nur zu, mein Junge, nur zu«, sagte Surcouf, der wie alle überlegenen Geister das Unerwartete begrüßte.

Und René sprang über die Querstange des Fensters hinweg in den Garten.

Nicht weit von der Kugel, die René geworfen hatte, lag eine zweite Kugel gleicher Größe, mit der Surcouf wohl Gewichtheben geübt hatte.

René legte die eine Kugel auf seine Handfläche, legte dann die zweite Kugel im Gleichgewicht auf die erste und trug beide zum Fenster; dort angekommen, nahm er in jede Hand eine Kugel, sprang unter der Querstange hindurch in das Zimmer und trat zu Kernoch, dem er eine Kugel reichte. »Ein Fass Apfelwein für die Mannschaft«, sagte er, »zu Ehren desjenigen, der die Kugel am weitesten wirft.«

René hatte sich seiner selbstgestellten Aufgabe mit so viel Anmut und Leichtigkeit unterzogen, dass mehrere der Offiziere die Kugeln betasteten, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich aus Eisen waren.

»Ha! Kernoch, alter Freund, das ist ein Vorschlag, den du kaum zurückweisen wirst.«

»Ganz gewiss nicht«, sagte Kernoch, »und vorausgesetzt, mein Schutzpatron, der heilige Jakob, lässt mich nicht im Stich...«

»Bitte sehr«, sagte René zu dem bretonischen Hünen.

Kernoch richtete sich auf, sammelte alle Körperkraft in seinem rechten Bein und rechten Arm, dann schnellten beide wie Federn zurück, die Kugel sauste durch das Fenster, fiel draußen in einer Entfernung von zehn Schritten zu Boden und rollte noch ein paar Schritte weiter.

»So viel vermag ein Mensch«, sagte Kernoch, »mehr kann nur der Teufel.«

»Ich bin nicht der Teufel, Monsieur Kernoch«, sagte René, »aber ich glaube Grund zu der Annahme zu haben, dass Sie es sein werden, der das Fass für die Mannschaft ausgibt.«

René begnügte sich damit, mehrmals mit dem Arm auszuholen, bevor er beim dritten Mal die Kugel warf, die ein paar Schritte hinter Kernochs Kugel zu Boden fiel und noch etwa zehn Schritte weit rollte.

Surcouf stieß einen Freudenruf aus, Kernoch einen Laut des Zorns. Alle anderen waren sprachlos vor Staunen; allerdings erbleichte René nach diesem Wurf erschreckend und musste am Kaminsims Halt suchen.

Surcouf sah ihn besorgt an, sprang zu einem Schränkchen, holte die umflochtene Flasche mit Branntwein heraus, die er bei Gefechten quer über Brust und Schulter umgehängt trug, und bot sie René an.

»Danke«, sagte dieser, »ich trinke nie geistige Getränke.«

Daraufhin trat er zu einer Wasserkaraffe, die mit einem Glas und etwas Zucker auf einem Tablett stand, goss ein wenig Wasser in das Glas und trank es. Sogleich kehrte das Lächeln auf seine Lippen und das Rot in seine Wangen zurück.

»Willst du deine Revanche, Kernoch?«, fragte ein junger Leutnant zur See.

»Meiner Treu, nein!«, erwiderte Kernoch.

»Kann ich Ihnen einen anderen Gefallen tun?«, fragte René.

»Jawohl!«, sagte Kernoch. »Machen Sie das Kreuzeszeichen.«

René musste lächeln; er bekreuzigte sich und sagte dazu die Worte: »Ich glaube an Gott den Herrn, den Allmächtigen, Schöpfer von Himmel und Erde.«

»Meine Herren«, sagte Surcouf, »lassen Sie mich jetzt bitte mit diesem jungen Mann allein.«

Alle zogen sich zurück, Kernoch brummend, die anderen lachend.

René, der mit Surcouf allein zurückblieb, war wieder so ruhig und bescheiden wie vorher. Ein anderer hätte vielleicht auf den Sieg angespielt, den er soeben errungen hatte, er jedoch wartete ruhig darauf, dass Surcouf das Wort an ihn richtete.

»Monsieur«, sagte dieser lachend, »ich weiß nicht, ob Sie noch andere Fertigkeiten besitzen als die, welche Sie mir vorgeführt haben, aber ein Mann, der so springen kann wie Sie und mit einer Hand eine Achtundvierzigerkugel wirft, wird auf einem Schiff wie dem meinen immer gebraucht. Was sind Ihre Bedingungen?«

»Eine Hängematte an Bord, Verpflegung wie an Bord üblich und das Recht, mich für Frankreich töten zu lassen, das ist alles, was ich verlange, Monsieur.«

»Mein lieber Freund«, sagte Surcouf, »ich bin es gewohnt, die Dienste, die man mir leistet, zu bezahlen.«

»Aber ein Seemann, der noch nie auf dem Meer war, ein Seemann, der sich auf sein Gewerbe nicht versteht, kann Ihnen keinerlei Dienst leisten, sondern im Gegenteil leisten Sie ihm einen Dienst, indem Sie ihm sein Gewerbe beibringen.«

»Meine Mannschaft erhält ein Drittel meiner Prisen; wären Sie einverstanden, in meinen Dienst zu treten zu den Bedingungen, die für meine besten und für meine schlechtesten Matrosen gelten?«

»Nein, Kapitän, denn Ihre Matrosen müssten mir zu Recht vorwerfen, dass ich Geld einstecke, das mir nicht zusteht, da ich nichts kann und alles lernen muss. In sechs Monaten können wir dieses Gespräch führen, wenn es Ihnen recht ist; bis dahin sollten wir es auf sich beruhen lassen.«

»Aber mein Lieber«, sagte Surcouf, »Sie werden doch nicht einzig und allein ein Athlet wie Milon von Kroton sein? Sind Sie vielleicht Jäger?«

»Die Jagd zählte zu den Vergnügungen meiner Jugend«, erwiderte René.

»Wenn Sie jagen, verstehen Sie sich auch auf Pistolen?«

»Wie jedermann.«

»Sie fechten?«

»Gut genug, um mich erstechen zu lassen.«

»Nun gut! An Bord haben wir drei ausgezeichnete Schützen und eine Rüstkammer, in der jedes Mitglied unserer Mannschaft zu den Zeiten, da es nicht auf Wache ist, nach Herzenslust mit Degen oder Säbel üben kann. Sie werden es halten wie die anderen und ihnen innerhalb von drei Monaten in nichts nachstehen.«

»Ich hoffe es«, sagte René.

»Dann bleibt nur noch die Frage Ihres Solds, und die werden wir nicht in sechs Monaten klären, sondern über dem Abendessen, denn ich hoffe, Sie werden mir nicht abschlagen, heute Abend mit mir zu speisen.«

»Oh, Kapitän, ich danke Ihnen für die Ehre.«

»Wollen Sie unterdessen unseren Pistolenschützen zusehen? Kernoch und Bléas sind gegeneinander angetreten, und da sie gleichwertige Kombattanten sind, wird die Sache so bald nicht entschieden sein.«

Surcouf führte Roland zu dem zweiten Fenster. Von dort aus sah man im Garten eine gusseiserne Schießscheibe in einer Entfernung von fünfundzwanzig Schritt, mit einem senkrechten Kreidestrich in der Mitte markiert.

Die zwei Seemänner setzten ihren Wettkampf fort, ohne sich um die Neuankömmlinge zu scheren; bei jedem Treffer applaudierten die Zuschauer.

Kernoch und Bleás waren gute, wenn auch nicht herausragende Schützen.

René applaudierte mit den anderen.

Kernoch traf den Kreidestrich, und René rief: »Bravo!«

Kernoch, der René noch immer verübelte, dass dieser ihn besiegt hatte, nahm Bléas wortlos die Pistole aus der Hand und reichte sie René.

»Was soll ich damit anstellen, Monsieur?«, fragte René.

»Vorhin haben Sie uns Ihre Körperkraft bewiesen«, sagte Kernoch, »und ich hoffe, Sie werden sich jetzt nicht zieren, Ihre Geschicklichkeit zu beweisen.«

»Oh, Monsieur, mit Vergnügen. Sie lassen mir wenig Chancen, da Sie die Linie getroffen haben, doch ich sehe, dass Ihre Kugel rechts ein wenig mehr übersteht als links.«

»Und?«, fragte Kernoch.

»Und«, sagte René, »ich will versuchen, den Kreidestrich genau in der Mitte zu treffen!«

Und er schoss so schnell, dass man fast hätte meinen können, er hätte gar nicht gezielt.

Die Kugel traf den Strich genau in der Mitte, und die Stelle sah aus, als wäre sie sorgsam ausgemessen worden.

Die Matrosen wechselten verblüffte Blicke. Surcouf brach in Gelächter aus.

»Nun, Kernoch«, fragte er seinen Bootsmann, »was sagst du dazu?«

»Ich sage, dass so etwas durch Zufall glücken kann, aber ein andermal …«

»Ein andermal wird es nicht geben«, sagte René, »denn schließlich ist das ein Kinderspiel, und ich mache Ihnen lieber einen anderen Vorschlag.«

Er sah sich um und bemerkte auf dem Schreibtisch rote Siegellackstückchen; er nahm fünf davon, sprang in den Garten, wobei er sich mit der Hand an der Querstange abstützte, und klebte die fünf Siegellackstücke auf die Schießscheibe, so dass sie eine Karo-Fünf bildeten; dann kehrte er zum Fenster zurück und sprang wieder hinein, ergriff die Pistolen und schoss fünf Kugeln ab, unter denen die fünf Siegellackstücke verschwanden.

Dann reichte er Kernoch die Pistole. »Jetzt sind Sie an der Reihe«, sagte er.

Kernoch schüttelte den Kopf. »Danke«, erwiderte der, »ich bin ein guter Bretone und ein guter Christ, aber das hier ist Teufelswerk, und damit will ich nichts zu tun haben.«

»Du hast recht, Kernoch«, sagte Surcouf, »und damit der Teufel uns keinen Streich spielt, werden wir ihn an Bord der Revenant mitnehmen.«

Und er öffnete die Tür zum Nebenraum, in dem sich der Fechtmeister des Schiffs aufhielt, denn Surcouf, der selbst jede Art körperlicher Ertüchtigung beherrschte, wünschte sich das Gleiche für seine Matrosen, und deshalb hatte er einen Fechtmeister angestellt, der diese im Schwertkampf und im Florettfechten unterrichtete.

Man war gerade beim Assaut.

Surcouf und René sahen eine Weile zu.

Surcouf konsultierte René zu einem Stoß, der ihm schlecht pariert erschien.

»Ich«, sagte der junge Mann, »hätte mit einer Quart pariert und als Riposte einen Ausfall geführt.«

»Monsieur«, sagte der Fechtmeister und strich sich über seinen Schnurrbart, »das wäre der sicherste Weg gewesen, sich wie ein Vogel zum Braten aufspießen zu lassen.«

»Das mag sein, Monsieur«, sagte René, »dann hätte ich meine Parade und meine Riposte zu langsam ausgeführt.«

»Ist Monsieur hier, um eine Stunde zu nehmen?«, fragte der Fechtmeister lachend Surcouf.

»Sehen Sie sich vor, mein lieber Bras-d’Acier«, erwiderte Surcouf, »dass Monsieur nicht am Ende Ihnen eine Stunde gibt. Zwei Lektionen hat er schon erteilt, seit er hier ist, und ich bin stark geneigt zu glauben, dass er sich nicht bitten ließe, Ihnen die dritte zu erteilen, wenn Ihr Schüler ihm sein Florett leihen wollte.«

»Chasse-Bœuf«, sagte der Fechtmeister, »geben Sie Monsieur Ihr Florett, damit er den Ratschlag, den er Ihnen vorhin gab, in die Tat umsetzen kann.«

»Das werden Sie nicht erleben, Monsieur Chasse-Bœuf«, sagte René, »denn es wäre ungehörig, einen Fechtmeister zu touchieren, und deshalb will ich mich damit begnügen zu parieren.«

Und mit unnachahmlicher Anmut salutierte René mit dem Florett, das der Schüler ihm gereicht hatte, und ging in Fechterstellung.

Daraufhin begann ein merkwürdiger Zweikampf mit Meister Brasd’Acier, der seine ganze Kunst aufbot, doch vergebens. René wehrte seine Klinge mit leichter Hand und den vier Grundparaden ab, ohne sich die Mühe zu machen, Kontrariposten zu führen. Bras-d’Acier führte seinen Spitznamen zu Recht, denn eine Viertelstunde lang erschöpfte er das ganze Repertoire an Fechthieben, als da sind Finte, Ausfall, Bindung; er machte die kompliziertesten Hiebe noch komplizierter, doch alles vergebens: Der Knopf an seinem Rapier fuhr immer wieder links und rechts an seinem Gegner vorbei.

Als René erkannte, dass Meister Bras-d’Acier nicht bereit war, sich geschlagen zu geben, salutierte er mit ebenso formvollendeter Höflichkeit wie zur Eröffnung des Zweikampfes und versprach Surcouf, der ihn zur Tür begleitete, sich pünktlich zum Essen einzufinden, das heißt um fünf Uhr.


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