33 Das Nest ist leer

Ein befremdlicher Umstand hatte die Polizei auf Troches Fährte gesetzt. Zwei, drei Jahre vor der Zeitspanne, die wir inzwischen behandeln, war es bei einer Landung zu einer Auseinandersetzung zwischen Zoll und Schmugglern gekommen; Schüsse waren gefallen, und an einem der halb verbrannten Stopfen, die auf dem Schlachtfeld liegen geblieben waren, konnte man die Aufschrift entziffern: An Citoyen Troche, Uhrmacher in …

Jedermann in Dieppe kannte den Citoyen Troche, und niemand bezweifelte, dass der Citoyen Troche sein Gewehr mit einem Stopfen geladen hatte, der aus einem an ihn adressierten Brief bestand; dieser Brief lenkte folglich die Aufmerksamkeit der Regierung auf Troche.


Wenige Tage vor Querelles Verurteilung hatte man den Citoyen Troche, einen gewieften Normannen von fünfundvierzig bis fünfzig Jahren, Querelle gegenübergestellt; da Troche sah, dass Querelle ihn nicht erkennen wollte, hatte auch er Querelle nicht erkannt, doch ungeachtet seiner Schweigsamkeit hatten die Behörden den Citoyen Troche in Haft behalten.

Nun wandte man sich an Troche junior, einen groß gewachsenen naiven Jüngling von neunzehn oder zwanzig Jahren, der seiner vorgeblichen Naivität zum Trotz als Schmuggler weitaus gewandter war denn als Uhrmacher. Nach Paris gebracht und Savary vorgeführt, der zur Wache beim Ersten Konsul eingeteilt war, tat Nicolas Troche so, als glaubte er, was man behauptete, dass nämlich sein Vater alles gestanden habe, und legte ein Geständnis ab.

Dieses Geständnis belastete ihn selbst nicht allzu schwer. Er gestand, dass er von Schmugglern, die an Land gehen wollten, benachrichtigt wurde und dass er ihnen ein verabredetes Signal zukommen ließ. Bei ruhigem Seegang half er ihnen, bei unruhiger See wartete er auf Windstille; er reichte ihnen die Hand, wenn sie den Gipfel der Klippe erreichten, und dann, so erklärte er, wies er sie an einen seiner Freunde weiter und hörte erst wieder von ihnen, wenn er die drei Francs pro Person für seine Hilfe erhielt.

So hatte man es seit Menschengedenken im Hause Troche gehalten; der älteste Sohn erbte dieses Gewerbe als Teil seines Geburtsrechts, und die ganze Sippschaft der Troches, die auf diese Weise an die tausend Francs im Jahr erwirtschaftete, tat so, als hätte sie bei diesem klandestinen Treiben noch nie mit anderen Kunden als Schmugglern zu tun gehabt.

Durch eine angelehnte Tür hatte General Bonaparte das ganze Verhör belauscht und erfahren, was man sich im Großen und Ganzen erwartet hatte. Savary fragte den jungen Troche, ob man bald mit einer neuen Landung von »Schmugglern« rechne. Der junge Troche erwiderte, zu dem Zeitpunkt, da Savary ihm die Ehre habe angedeihen lassen, ihn abzuholen, um sich mit ihm zu unterhalten, kreuze ein englischer Kutter vor der Klippe von Biville und warte auf ruhigeres Wetter, um anlegen zu können.

Der Erste Konsul hatte Savary haarklein vorgegeben, wie er zu verfahren habe. Sollte Nicolas Troche gestehen – was er nun getan hatte -, dann würde Savary mit ihm in den Wagen steigen, der ihn hergebracht hatte, und sich unverzüglich auf den Weg machen, um die Neuankömmlinge bei Biville in Empfang zu nehmen.

Der junge Troche wurde die ganze Fahrt über bewacht.

Savary konnte nicht vor sieben Uhr abends aufbrechen; ihm folgte ein Wagen, in dem sich ein Dutzend Elitegendarmen befand.

Kurzfristig hatte man mit dem Gedanken gespielt, Troche junior zu seinem Vater Jérôme ins Gefängnis zu stecken, doch der junge Mann, der die frische Luft auf den Klippen der Kerkerluft vorzog, hatte darauf hingewiesen, dass keine Landung stattfinden würde, wenn er nicht an Ort und Stelle wäre, um das verabredete Signal zu geben. Nicolas Troche war der geborene Jäger: Wenig kümmerte ihn, für wen er jagte, solange er nur jagte. Die Einsicht, dass der Weg, dem er folgte, ihn auf das Schafott führen konnte, machte, dass er mit ebenso großem Eifer denen eine Falle stellte, deren Landung er erwartete, wie er denen geholfen hatte, die zuvor gelandet waren.

Savary erreichte Dieppe vierundzwanzig Stunden nach seiner Abfahrt aus Paris bei stockfinsterer Nacht, vom Kriegsminister mit allen Vollmachten versehen.

Troche erkundete sogleich die Lage an der Küste. Die See war noch immer unruhig, der Kutter kreuzte noch immer in Sichtweite. Das schlechte Wetter hatte eine Landung bisher verhindert. Bei Tagesanbruch suchte Savary mit Troche das Ufer auf. Der Kutter war nach wie vor zu sehen.

Bei günstigen Windverhältnissen konnte er von seiner derzeitigen Position aus ohne zu kreuzen den Fuß der Klippe erreichen.

Savary wollte nicht in Dieppe bleiben. Er verkleidete sich als Bürgersmann, ließ zwölf seiner Gendarmen ebenfalls bürgerliche Kleidung anlegen und begab sich mit ihnen nach Biville. Die zwölf Gendarmen gehörten zu den tapfersten des ganzen Regiments.

Savary ließ seine Pferde vorausschicken; von Troche geführt, betrat er ein Haus, das für gewöhnlich von den Kundschaftern besucht wurde, welche die englischen Postschiffe an der Küste absetzten. Dieses abgelegene Haus befand sich außerhalb des Überwachungsbereichs der Polizeibehörde am äußersten Rand des Dorfs und bot denen, die seinen Schutz suchten, den Vorteil, unbemerkt kommen und gehen zu können.

Savary ließ seine Männer vor dem Garten, sprang über die Hecke und näherte sich dem kleinen Haus. Durch einen geöffneten Fensterladen sah er einen Tisch, gedeckt mit Wein, frisch geschnittenen Brotscheiben und Butterbroten.

Savary wandte sich zur Hecke um, rief Troche herbei und zeigte ihm die Mahlzeit. »Das«, sagte Troche, »ist die Verpflegung, die für all jene bereitsteht, die von der Küste kommen, und sie zeigt, dass für heute Nacht oder spätestens für morgen mit der Landung gerechnet wird. Bei Ebbe werden die Ankömmlinge entweder innerhalb der nächsten Viertelstunde eintreffen oder erst morgen.«

Savary wartete vergebens; weder an diesem Tag noch an den folgenden Tagen kam es zu einer Landung.

Diese Landung, die nicht erfolgte, wurde mit größter Ungeduld erwartet. Den Gerüchten zufolge befand sich der sagenumwobene Prinz, ohne den nicht gehandelt werden konnte oder ohne den zumindest Georges nicht handeln wollte, an Bord des Kutters.

Bei Tagesanbruch war Savary auf dem Gipfel der Klippe. Der Boden war schneebedeckt; unterwegs hatte Savary einen Augenblick lang geglaubt, gefunden zu haben, was er suchte.

Der Wind blies heftig vom Meer herein, Schneeflocken wirbelten in der Luft, und man sah keine zehn Schritte weit, doch man hörte sehr gut. Stimmen ertönten aus einem Hohlweg, der zur Klippe führte, Troche legte Savary die Hand auf den Arm und sagte: »Das sind unsere Leute; ich höre Pageot de Pauly.« Pageot de Pauly war ein junger Mann in Troches Alter, der in seiner Abwesenheit die Funktion des Führers innehatte. Savary ließ seine Gendarmen den Hohlweg am anderen Ende abriegeln und ging mit Troche und zwei Mann auf die Stimmen zu. Das plötzliche Erscheinen von vier Männern oben auf der Klippe und der laut geäußerte Ruf: »Halt!« erschreckten die nächtlichen Wanderer. Pageot aber erkannte Troche und rief: »Ihr habt nichts zu fürchten, es ist Troche!« Die zwei Gruppen näherten sich einander; Pageots Begleiter waren nur Dörfler, die in Erwartung einer Landung zur Klippe gegangen waren.

Die Landung war versucht worden, doch die Schaluppe hatte nicht landen können, weil der Seegang zu heftig war. Eine laute Stimme hatte aber gerufen: »Bis morgen!«, und diese Worte hatte der Wind bis zu den Dörflern hinaufgetragen. Es war das dritte Mal, dass der Kutter seine Schaluppe zu Wasser gelassen hatte, ohne dass ihr die Landung geglückt war.

Bei Tagesanbruch fuhr der Kutter auf das offene Meer hinaus, und dort kreuzte er den ganzen Tag. Am Abend näherte er sich wieder der Küste und versuchte eine Landung seiner Schaluppe. Savary blieb die ganze Nacht auf der Lauer, doch nichts geschah, und am nächsten Morgen entfernte sich der Kutter von der Küste und fuhr nach England zurück.

Savary blieb einen Tag länger, um zu sehen, ob der Kutter wiederkehren würde. Während dieses Tages untersuchte er aufmerksam das Kabel, mit dessen Hilfe die Gelandeten die Klippe überwanden, und obwohl er kein Hasenfuß war, bekannte er, dass er lieber zehn Schlachten auf sich nähme, als an diesem dünnen Seil die Klippe zu erklimmen, vom Sturm umtost, vor sich die Finsternis, unter sich das Meer.

Jeden Tag korrespondierte er über einen Boten mit Bonaparte. Am achtundzwanzigsten Tag wurde er telegraphisch nach Paris zurückbeordert.

Savary war zurückbeordert worden, weil gewisse Dinge sich erhellt und andere sich verdunkelt hatten.

Bonaparte war inzwischen überzeugt, dass auf dem Kutter, dessen Anwesenheit ihm Savary zehn oder zwölf Tage lang gemeldet hatte, nicht der sagenumwobene Prinz weilte, ohne den Georges nicht losschlagen wollte. Wenn Georges allein handelte, war er nur ein gewöhnlicher Verschwörer; wenn Georges mit dem Herzog von Berry oder dem Grafen von Artois zusammen handelte, war er Verbündeter eines Prinzen.

Bonaparte hatte Carnot und Fouché kommen lassen. Lesen wir, was er selbst über diese Unterredung in dem Manuskript sagt, welches das Schiff Le Héron von Sankt Helena mitbrachte:


Je weiter ich voranschritt, desto gefährlicher wurden die Jakobiner, die mir den Hinrichtungstod ihrer Freunde nicht verzeihen konnten. In dieser äußersten Gefahr ließ ich Carnot und Fouché holen.

»Meine Herren«, sagte ich zu ihnen, »nach langen Stürmen schmeichle ich mir mit dem Gedanken, dass Sie wie ich erkannt haben, dass die Interessen Frankreichs bislang keineswegs im Einklang mit den verschiedenen Regierungen waren, die das Land sich im Lauf der Revolution verliehen hat; keine dieser Regierungen war der geographischen Lage Frankreichs, Anzahl und Befähigung seiner Bewohner umsichtig angepasst. Der Staat mag Ihnen heute friedlich erscheinen, doch er gründet noch immer auf einem Vulkan, dessen Lava brodelt und dessen Ausbruch es um jeden Preis zu verhindern gilt. Ich glaube, wie im Übrigen sehr viele ehrbare Leute, dass es nur einen einzigen Weg gibt, Frankreich zu retten und ihm für alle Zeiten die Vorteile der Freiheit zu sichern, die es errungen hat, indem es unter den Schutz einer konstitutionellen Monarchie mit erblicher Thronfolge gestellt wird.«

Carnot und Fouché zeigten sich über meinen Vorschlag nicht erstaunt; sie hatten damit gerechnet. Carnot sagte unumwunden, er bezweifle nicht, dass ich es auf den Thron abgesehen hätte.

»Und verhielte es sich so«, erwiderte ich, »was würden Sie dann darauf erwidern, wenn es Ruhm und Frieden Frankreichs diente?«

»Dass Sie an einem Tag das Werk eines ganzen Volkes vernichten würden, welches Sie dafür eines Tages büßen lassen könnte.«

Ich erkannte wohl, dass bei Carnot nichts auszurichten war, und beendete das Gespräch, das ich ein andermal mit Fouché weiterführen wollte, den ich wenige Tage darauf rufen ließ.

Carnot hatte mein Geheimnis verraten, das in der Tat allmählich keines mehr war. Da ich ihn nicht um Stillschweigen gebeten hatte, verübelte ich ihm seine Indiskretion nicht. Schließlich mussten meine Vorhaben wohl oder übel bekannt werden, damit ich erfuhr, wie sie sich auf die öffentliche Meinung auswirkten.

Hatte mein Handeln, seit ich die Geschicke des Landes leitete, die Franzosen darauf vorbereitet, mich eines Tages nach dem Szepter greifen zu sehen, sahen sie mein Handeln gar als Garanten ihres Friedens und ihres Glücks? Ich weiß es nicht; gewiss aber ist, dass die Sache sich ohne großes Aufsehen hätte abwickeln lassen, wäre nicht ein wahrer Teufel auf den Plan getreten, nämlich Fouché. Sollte er allen Ernstes an das Gerücht geglaubt haben, das er ausstreuen ließ, wäre er weniger schuldig, doch sollte er es allein zu dem Zweck haben ausstreuen lassen, mir Ungelegenheiten zu bereiten, wäre er ein wahres Ungeheuer.

Kaum hatte Fouché durch seine Polizeispitzel von meinen Absichten auf den Thron erfahren, ließ er unter den Hauptjakobinern, ohne dass man ahnte, dass er die Quelle war, das Gerücht verbreiten, ich wolle die Monarchie wiedereinführen, und zwar in der alleinigen Absicht, die Krone dem legitimen Erben zurückzugeben. Weiter hieß es, in einem Geheimabkommen sei festgehalten, dass alle ausländischen Mächte mich in diesem Unternehmen unterstützen würden.

Es war dies diabolisch ersonnen, denn es machte mir all jene zum Feind, deren Wohlergehen oder gar Existenz durch eine Rückkehr der Bourbonen Gefahr drohen konnte.

Hinzu kam, dass ich zu jener Zeit Fouché weder gut genug kannte, noch ihm ein so finsteres Vorhaben zu unterstellen vermochte. Die Wahrheit dieser Worte mag belegen, dass ich ihn damit beauftragte, die öffentliche Meinung zu sondieren. Es fiel ihm nicht schwer, mir die Gerüchte zu melden, die in Umlauf waren, da er sie selbst ausgestreut hatte.

»Die Jakobiner«, sagte er, »werden eher ihren letzten Tropfen Blut vergießen, als Sie den Thron besteigen zu lassen. Nicht einen Herrscher fürchten sie – denn ich neige mittlerweile zu der Ansicht, sie würden sich früher oder später gerne davon überzeugen lassen, dass dies das beste Mittel wäre, gesicherte Verhältnisse zu etablieren -, sondern die Bourbonen, die sie nicht zurückkehren lassen wollen, weil sie auf deren Rachsucht rechnen.«

Diese Worte zeigten mir zwar Hindernisse auf, waren jedoch nicht dazu angetan, mich zu entmutigen, denn die Bourbonen hatte ich nicht im Entferntesten im Sinn. Dies bemerkte ich zu Fouché, und ich fragte ihn, wie man es anstellen solle, die falschen Gerüchte zu dementieren und die Jakobiner davon zu überzeugen, dass ich nicht zum Liebediener der Bourbonen geworden war.

Er verlangte zwei Tage Bedenkzeit.

Zwei Tage später kam Fouché wie angekündigt wieder. »Der Kutter, von dem Oberst Savary uns berichtet hat«, sagte er, »ist am elften Tag verschwunden. Dieser Kutter hatte nur zweitrangige Verschwörer an Bord, die an der bretonischen Küste abgesetzt werden sollten und die auf anderem Weg nach Frankreich gelangen werden. Die bourbonischen Prinzen, den Grafen von Artois und den Herzog von Berry, kennen Sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich niemals darauf einlassen würden, nach Paris zu kommen, um es dort mit Ihnen aufzunehmen; trotz aller Appelle waren sie nicht einmal bereit, sich in die Vendée zu begeben, um es dort mit den Republikanern aufzunehmen. Der Herr Graf von Artois, dieser eitle Hohlkopf, ist viel zu sehr damit beschäftigt, den englischen Misses und Ladys schöne Augen zu machen, und der Herzog von Berry hat es, wie Sie wissen, noch nie darauf ankommen lassen, in einem Duell oder in einem Gefecht den persönlichen Mut zu beweisen, den jeder Prinz unter Beweis stellen müsste. Doch am anderen Ende der Welt, auf dem jenseitigen Rheinufer, sechs bis acht Meilen von Frankreich entfernt, gibt es einen mutigen Mann, der wiederholt seine Tapferkeit bewiesen hat, als er gegen die republikanischen Truppen kämpfte: Ich spreche von dem Sohn des Prinzen von Condé, dem Herzog von Enghien.«

Bonaparte zuckte zusammen. »Nehmen Sie sich in Acht, Fouché«, sagte er. »Ich pflege meine Zukunftspläne nicht in allen Einzelheiten mit Ihnen zu erörtern, doch mir will scheinen, dass Ihnen von Zeit zu Zeit eine Befürchtung in den Sinn kommt: die Befürchtung, ich könnte mich eines Tages mit den Bourbonen arrangieren, was für Sie, den ausgemachten Königsmörder, die allerunerquicklichsten Folgen haben könnte. Wenn ein Bourbone gegen mich konspirieren sollte und mir das klipp und klar bewiesen würde, ließe ich mich weder von seinem königlichen Geblüt noch von irgendwelchen gesellschaftlichen Erwägungen von dem abhalten, was zu tun mir geboten erschiene. Ich will mein Geschick vollenden, wie es im Buch des Schicksals geschrieben steht, jedenfalls soweit ich es sehen kann. Jedes Hindernis auf diesem Weg werde ich beseitigen, doch dabei werde ich immer auf mein Recht und auf mein Gewissen vertrauen.«

»Citoyen«, sagte Fouché, »ich erwähne den Herzog von Enghien weder zufällig noch aus Eigennutz. Als nach der Unterredung, die Sie Cadoudal gewährten, Sol de Grisolles nicht etwa seinem General nach London folgte, sondern nach Deutschland aufbrach, war ich neugierig zu erfahren, was er am anderen Rheinufer zu suchen hatte. Ich setzte jenen Spitzel auf seine Fährte, der die Ehre hatte, Ihnen seinerzeit vorgestellt zu werden. Er ist überaus gewandt, wie Ihnen aufgefallen sein wird. Er verfolgte seinen Mann nach Straßburg, überschritt mit ihm den Rhein, machte sich unterwegs mit ihm bekannt und kam mit ihm zusammen in Ettenheim an. Die erste Sorge des Aide de Camp Cadoudals war, Seiner Durchlaucht dem Herzog von Enghien seine Aufwartung zu machen, und der Herzog von Enghien lud ihn zum Abendessen ein und behielt ihn bis um zehn Uhr nachts bei sich.«

»Schon recht«, sagte Bonaparte schroff, denn er hatte begriffen, wohin Fouché ihn führen wollte, »aber gespeist hat Ihr Spitzel nicht mit den beiden, oder? Er kann weder wissen, worüber sie gesprochen haben, noch, welche Pläne sie geschmiedet haben.«

»Worüber sie gesprochen haben, ist nicht schwer zu erraten. Die Pläne allerdings sind schwieriger zu erraten. Doch bleiben wir bei dem, was wir wissen, ohne uns in Spekulationen zu ergehen.

Wie Sie sich denken können, war mein Mann nicht acht Stunden lang sich selbst überlassen, ohne auf Betätigung zu sinnen. Nun, er hat die Zeit darauf verwendet, Erkundigungen einzuholen. Auf diese Weise erfuhr er, dass der Herzog von Enghien von Zeit zu Zeit für sieben bis acht Tage aus Ettenheim verschwindet und bisweilen eine oder auch zwei Nächte in Straßburg zu verbringen pflegt.«

»Was soll daran erstaunlich sein?«, sagte Bonaparte. »Ich weiß es, denn auch ich habe mich über das Tun des Herzogs informiert.«

»Und was tut er zu diesen Zeiten?«, fragte Fouché.

»Er besucht seine Geliebte, die Fürstin Charlotte de Rohan.«

»Jetzt müssten wir nur noch in Erfahrung bringen«, sagte Fouché, »ob die Anwesenheit Madame Charlotte de Rohans in Straßburg, die im Übrigen nicht die Geliebte, sondern die heimlich angetraute Ehefrau des Herzogs von Enghien ist, die ohne Weiteres mit ihm in Ettenheim residieren könnte, ob also ihre Anwesenheit in Straßburg nicht ein Vorwand ist, damit der Fürst, der seine Frau besuchen kommt, bei diesem Anlass auch seine Komplizen sprechen kann, ganz zu schweigen davon, dass er von Straßburg aus innerhalb von zwanzig Stunden in Paris wäre.«

Bonaparte runzelte die Stirn. »Dann wäre wahr«, sagte er, »was behauptet wurde, als man mir erzählte, man habe ihn im Theater gesehen! Ich habe die Schultern gezuckt und es als Hirngespinst abgetan.«

»Ob er im Theater war oder nicht«, sagte Fouché, »ich würde dem Ersten Konsul raten, den Herzog von Enghien nicht aus den Augen zu verlieren.«

»Ich werde mehr tun als nur das«, sagte Bonaparte, »ich werde morgen noch einen Mann meines Vertrauens auf die andere Rheinseite schicken; er wird mir sofort berichten, und unmittelbar nach seiner Rückkehr werden wir über die Angelegenheit beraten.«

Indem er Fouché den Rücken zuwendete, gab er ihm zu verstehen, dass er allein sein wollte.

Fouché ging.

Eine Stunde später ließ der Erste Konsul den Gendarmerieinspektor kommen und fragte ihn, ob er in seinen Rängen einen intelligenten Mitarbeiter habe, den man in geheimer und höchst vertraulicher Mission nach Deutschland schicken und der außerdem die Auskünfte überprüfen könne, die Fouchés Spitzel schickte.

Der Inspektor erwiderte, er habe einen Mann zur Hand, der genau das sei, was der Erste Konsul suche, und fragte, ob der Erste Konsul den Mann persönlich instruieren wolle oder ob es ihm genüge, seine Anweisungen über ihn, den Inspektor, weiterzugeben.

Bonaparte antwortete, in einer so ernsthaften Angelegenheit könnten die Instruktionen gar nicht zu klar sein. Er werde sie deshalb noch am selben Abend aufsetzen und dem Inspektor übergeben lassen, damit dieser sie an den Beamten weitergeben könne, der abreisen solle, sobald er seine Instruktionen erhalten hätte.

Die Instruktionen lauteten: »Sich darüber informieren, ob der Herzog von Enghien tatsächlich regelmäßig auf geheimnisvolle Weise aus Ettenheim verschwindet; sich darüber informieren, mit welchen Personen aus dem Kreis der Emigranten er sich mit Vorliebe umgibt oder wen er häufiger als andere empfängt; sich schließlich darüber informieren, ob er politische Beziehungen zu den englischen Spitzeln an den kleinen deutschen Fürstenhöfen unterhält.«

Um acht Uhr morgens reiste der Gendarmeriebeamte nach Straßburg ab.


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