95 Die Flucht

Am nächsten Tag wurde man sich dessen gewahr, dass man die französischen Gefangenen nicht auf dem Schiff lassen konnte, obwohl es so entmastet war wie eine Hulk.

Es wäre allzu leicht gewesen, ins Wasser zu springen und an Land zu schwimmen. Und waren die Gefangenen erst an Land, konnten sie auf die Zuneigung der Iren oder auf deren Abneigung gegen England vertrauen. Es war nicht damit zu rechnen, dass ein Ire jemals einen entflohenen Gefangenen französischer Nationalität verraten würde.

Schon immer hatte es dieses unausgesprochene Einverständnis zwischen den zwei Nationen gegeben. Deshalb beschloss man, die Gefangenen im Gefängnis der Stadt unterzubringen.

Als sie das Schiff verließen, trat einer der Gefangenen zu René und sagte mit einem Akzent, der keinen Zweifel an seiner irischen Herkunft ließ: »Nehmen Sie mich zum Zellengenossen, Sie werden es nicht bereuen.«

René sah den Mann an; er hatte ein offenes und ehrliches Gesicht; und als René gefragt wurde, wen er mit sich nehmen wolle, deutete er auf ihn und ließ die Übrigen sich selbst melden. Jede Zelle wurde mit acht Männern belegt.

René hütete sich, um irgendeinen Gefallen zu bitten, denn damit hätte er sich seinen Kameraden gegenüber hochnäsig gezeigt und ihnen unnötiges und unverdientes Misstrauen eingeflößt. Der Ire, der ihn gebeten hatte, in seine Zelle aufgenommen zu werden, hatte diese Bitte allem Anschein nach nur ausgesprochen, um sich ihm nützlich zu zeigen.

René wusste sehr wohl, dass ihr Weg sie von Cork unfehlbar auf die Hulken von Portsmouth führen würde, und er wusste auch, welche Schreckensorte diese abscheulichen Gefängnisschiffe waren. Doch er suchte nicht verzweifelt nach Lösungen, sondern dachte sich, dass sie sich von allein anbieten würden, und darin täuschte er sich nicht.

Kaum hatte man sie in das Gefängnis gesperrt, das in Renés Fall ein Zimmer im Erdgeschoss war, aus dem man durch ein vergittertes Fenster in einen Hof blickte, den sechzehn Fuß hohe Mauern umschlossen und in dem Tag und Nacht zwei Wachen postiert waren, trat der Ire zu René, nachdem er den Hof vom Fenster aus begutachtet hatte, und sagte zu ihm leise auf Englisch: »Wir müssen also von hier fliehen, wenn wir nicht auf die englischen Hulken verbracht werden wollen?«

»Ja«, erwiderte René, »und wir müssen es schnellstens bewerkstelligen; Geld habe ich, und wenn Geld von irgendeinem Nutzen ist, stelle ich es für meine wackeren Kameraden zur Verfügung.«

»Geld ist eine gute Sache«, sagte der Ire, »aber es gibt noch etwas Besseres.« Und er zeigte René acht Segelmacherahlen, die in acht Stuhlbeinen versteckt waren.

»Als ich sah«, sagte der Ire, »dass man uns gefangen nehmen würde, dachte ich an die Zukunft und sagte mir: ›Kein Gefängnis kann einen zurückhalten, wenn man Mut und Kraft genug hat‹, und da habe ich eine Schachtel Ahlen entwendet, acht Stuhlbeine ausgehöhlt, mir beim Schlosser eine Feile ausgeliehen, und das ist das Ergebnis.«

»Sehr gut«, sagte René, »ich sehe acht Dolche, ich sehe eine Feile, um unsere Gitterstäbe zu bezwingen, aber was ich nicht sehe, ist eine Strickleiter, um die Mauer zu überwinden.«

»Als Ire kenne ich mein Land und meine Landsleute. Unser Schiff liegt für mindestens sechs Wochen fest, bevor es wieder seetüchtig sein wird; das irische Klima wird uns früher oder später eine Nacht bescheren, in der keine englische Schildwache freiwillig draußen zum Eisblock gefriert, wenn sie nur die Tür zur warmen Stube zu öffnen braucht, wo sie die Nacht am Ofen verbringen kann. Was meine Landsleute betrifft, so bedeutet das Wort Franzose in ihren Ohren Befreier, Freund, Bruder, Verbündeter; seitens meiner Landsleute haben Sie nicht nur nichts zu befürchten, sondern sogar alles zu hoffen; Sie sagen, dass Sie Geld besitzen; das ist nicht unbedingt erforderlich, kann aber niemals schaden; wir werden einen braven Burschen finden, vielleicht sogar den Gefängniswärter höchstpersönlich, der uns von der anderen Seite der Mauer aus eine Strickleiter zuwerfen wird; Sie müssen nichts weiter tun als abwarten und bereit sein. Überlassen Sie mir den Gefängniswärter, und ich kann Ihnen versichern, es wird keine acht Tage dauern, bis wir uns in Freiheit befinden, was nicht heißen soll: in Sicherheit, aber von der Freiheit bis zur Sicherheit wird es nicht mehr weit sein. Da man uns miteinander konspirieren gesehen hat, könnten Einzelne meiner Kameraden Verdacht schöpfen; sagen Sie ihnen, ohne auf Einzelheiten einzugehen, worum es sich handelt, aber auch, dass sie den Mund halten und die Hoffnung nicht aufgeben sollen.«

In wenigen Worten erfüllte René die Bitte des Iren.

Daraufhin wurde die Tür geöffnet, und der Gefängniswärter erschien.

»So, so«, sagte er, »sehen wir einmal, wie viele ihr seid.«

Und er begann zu zählen. »Acht, das heißt, ich werde acht Matratzen brauchen, denn ich will euch schließlich nicht auf dem nackten Stroh schlafen lassen; wärt ihr Engländer oder Schotten, dann wäre es etwas anderes...«

»Gut gesprochen, Vater Donald!«, sagte der Ire.

Der Gefängniswärter zuckte zusammen; sein Name war in unverfälschtem Irisch ausgesprochen worden.

»Er hat nicht vergessen«, sagte der Ire, »dass er im fünfundvierzigsten Grad mit dem tapferen General MacDonald verwandt ist, unter dessen Befehl ich in Neapel und in Kalabrien gedient habe.«

»So, so«, sagte der Gefängniswärter, »bist du etwa auch Ire?«

»Das will ich wohl meinen, und zwar aus Youghal, keine zehn Meilen entfernt. Unser Vater Donald hat wohl vergessen, dass ich als Kind, was allerdings lange her ist, mehr als zwanzig Jahre, mit seinen zwei Söhnen James und Tom gespielt habe, zwei wackeren kleinen Kerlen. Was ist aus ihnen geworden, Vater Donald?«

Der Gefängniswärter fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und sagte: »Sie wurden von den Engländern zwangsverpflichtet; James ist desertiert und wurde füsiliert; Tom fiel bei der Schlacht von Abukir, der arme Junge.«

Der Ire sah René an und bedeutete ihm mit seinem Blick, dass die Sache weniger schwierig sein würde, als sie gedacht hatten.

»Verwünschte Engländer!«, sagte er laut. »Wann werden wir uns ihrer endlich entledigen?«

»Wenn es so weit wäre«, sagte Donald mit gereckter Faust, »müsste man nicht lange nach mir rufen.«

»Sie sind katholisch?«, fragte René.

Als Antwort bekreuzigte sich der Gefängniswärter.

René trat zu ihm, nahm eine Handvoll Gold aus seiner Tasche, legte sie ihm in die Hand und sagte: »Nehmen Sie dies, mein Freund, um Messen für den Seelenfrieden Ihrer Kinder lesen zu lassen.«

»Sie sind Engländer«, sagte der Gefängniswärter, »und von Engländern nehme ich nichts.«

»Ich bin Franzose, mein wackerer Freund, ein guter Franzose, wie dein Landsmann dir bestätigen kann; und falls es auch im Jenseits Seelenmessen geben sollte, dann habe ich genug Engländer als Chorknaben für die Priester dieser Messen dorthin expediert.«

»Ist das wahr?«, fragte der Gefängniswärter seinen Landsmann.

»So wahr wie die Heilige Dreifaltigkeit«, erwiderte dieser.

Der Gefängniswärter drehte sich um und reichte René seine Hand; René drückte sie.

»Bist du jetzt einverstanden?«, fragte er.

»Alles, was Sie wünschen, mein Herr, solange Sie kein Engländer sind.«

»Das wäre also geregelt«, sagte der Ire. »Wir sind alle Freunde und sogar gute Freunde und werden einander als Kameraden nicht darben lassen. Brot und Bier nach Herzenslust und Feuer, damit wir nicht frieren müssen.«

»Und Fleisch zu allen Mahlzeiten«, fügte René hinzu, »so sieht unsere erste Woche aus.«

Und er gab dem Gefängniswächter fünf Louisdors.

»Oho«, sagte der Gefängniswächter, »ist das ein Admiral?«

»Nein«, sagte der Ire, »aber reich ist er, er hat in Indien ein Vermögen gemacht und hat sich uns kurz vor der Schlacht zugesellt.«

»Von welcher Schlacht sprichst du?«, fragte der Wärter.

»Von der Schlacht von Trafalgar, in der Nelson gefallen ist.«

»Wie!«, rief der Gefängniswärter. »Nelson ist gefallen?«

»Ja, und wenn du unbedingst willst, können wir dir die Hand zeigen, die ihn getötet hat.«

»Für heute habe ich genug, danke, lass uns morgen weiterreden.«

»Adieu, Vater Donald, auf Brot und Bier nach Herzenslust und frisches Fleisch.«

Die Gefangenen hatten an ihrem Wärter nichts auszusetzen. Schon am ersten Abend sahen sie, mit welcher Gewisssenhaftigkeit Donald erfüllte, was er ihnen versprochen hatte; am selben Abend begegneten ihnen jedoch zwei Schildwachen in dem kärglichen Hof, auf den man aus dem vergitterten Fenster ihrer Zelle sah.

Es vergingen acht Tage, in denen kein Wort zwischen den Franzosen und Meister Donald gewechselt wurde. Doch der Gefängniswärter betrat den Kerker nie, ohne sich im Flüsterton mit seinem Landsmann zu unterhalten.

»Alles steht zum besten«, sagte dieser nach jeder Unterredung.

Es wurde zunehmend kälter. Bisweilen brachen so heftige Stürme herein, dass die wachhabenden Engländer sich das ganze Unwetter über in der Wachstube verkrochen; dann bearbeitete der Ire mit seiner Feile die Gitterstäbe vor dem Fenster, und das mittlere Gitter war unten bereits durchtrennt.

Das Wetter wurde noch abscheulicher.

»Geben Sie mir hundert Francs«, sagte der Ire eines Abends zu René.

René holte fünf Louisdors aus seiner Hosentasche und gab sie dem Iren. Dieser verschwand mit dem Gefängniswärter und kam eine Stunde später zurück.

»Beten wir zu Gott, dass heute Nacht so scheußliches Wetter herrscht, dass man keinen Hund vor die Tür jagen würde«, sagte der Ire, »denn dann werden wir frei sein.«

Das Abendessen wurde gebracht, üppiger als gewohnt, und jeder konnte Fleisch und Brot als Mahlzeit für den nächsten Tag einstecken. Gegen neun Uhr abends begann es zu schneien, im Verein mit einem Nordwind, der so scharf blies, als wollte er allen Ochsen die Hörner abrasieren. Um zehn Uhr konnten die Gefangenen die Wachen im Hof nicht mehr hören, doch das mochte an dem Schnee liegen, der als dicker Teppich den Boden bedeckte. Sie öffneten das Fenster und blickten vorsichtig hinaus. Offenbar wärmten die Engländer sich am Feuer in der Wachstube, statt draußen Wache zu stehen.

Der Ire holte einen Stein aus einer Ecke und warf ihn über die Mauer. Im nächsten Augenblick wurde von der anderen Seite ein Seil über die Mauer geschleudert und hing in der Luft.

»Nun denn«, sagte der Ire, »dann wollen wir die Gitterstange vollends durchfeilen.«

»Wozu Zeit verlieren?«, sagte René und ergriff die Stange mit beiden Händen; schon beim ersten Rütteln lockerte sich der Stein, in den die Stange gemauert war.

»Das genügt mir als Waffe«, sagte René, »mehr brauche ich nicht.«

Der Ire kroch als Erster durch die so entstandene Öffnung ins Freie und erkundete den Hof; weit und breit war keinerlei Wache zu sehen; er verknotete das Seil an einem Haken in der Mauer, und das Seil spannte sich, was anzeigte, dass auf der anderen Seite jemand stand und es festhielt; dann klemmte sich der Ire sein Stuhlbein mit der Segelmacherahle zwischen die Zähne, kletterte gemächlich auf die Mauer und sprang auf der anderen Seite hinunter.

Die anderen folgten nacheinander, ohne gestört zu werden, und als der Letzte in Sicherheit war, warfen sie das Seil in den Hof.

Es war eine jener pechfinsteren nördlichen Nächte, in denen man die Hand nicht vor Augen sieht; in der Gewissheit, dass niemand sie verfolgte, bat der Ire um einen Augenblick, um sich zurechtzufinden, und lauschte angestrengt. »Dort drüben ist das Meer«, sagte er und deutete nach Osten, »besser gesagt nicht das offene Meer, dafür ist es zu leise, sondern der St.-George-Kanal; in diese Richtung wird man uns verfolgen, falls man uns verfolgt, und deshalb müssen wir uns in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Wir gehen nach Norden, bis wir Limerick erreichen; ich kenne mich in der Gegend aus und kann mich dafür verbürgen, dass wir uns nicht verirren werden; wenn wir aber einen Kompass hätten, wäre das nicht von Nachteil.«

»Bitte sehr«, sagte René und holte einen kleinen Kompass hervor, den er immer bei sich trug und der ihm in Indien schon viele gute Dienste geleistet hatte.

»Ha«, sagte der Ire, »vortrefflich! Machen wir uns auf den Weg.«

Sie mussten aus Cork hinausgelangen; glücklicherweise ist die Stadt nicht befestigt, doch eine Garnison gab es. Die Entflohenen hatten kaum hundert Schritte getan, als sie die regelmäßigen Schritte einer englischen Patrouille hörten.

Der Ire gebot Schweigen und führte sein Trüppchen ebenso regelmäßigen, wenn auch leiseren Schritts rückwärts, bis die acht Flüchtigen sich in einer Toreinfahrt in einem Gässchen verbergen konnten.

Die Patrouille marschierte so nahe an ihnen vorbei, dass sie sie mit ausgestrecktem Arm hätten berühren können, und alle hielten den Atem an. Einer der Engländer brummte: »Der Hauptmann hätte uns in der Wachstube in Ruhe lassen sollen. Selbst ein Franzose müsste den Teufel im Leib haben, wenn es ihn bei so einem Wetter nach einem Fluchtversuch gelüsten sollte.«

Das Geräusch ihrer Schritte verklang, und die Flüchtlinge verließen ihr Versteck und stahlen sich in die entgegengesetzte Richtung davon; zehn Minuten später hatten sie die Stadt Cork verlassen und spürten am Körper den scharfen Nordwind, den Hamlet auf der Terrasse von Helsingör beklagt.

Das Trüppchen machte abermals kurz halt.

»Folgt mir«, sagte der Ire, »wir befinden uns auf dem Weg nach Blarney; falls ihr dort übernachten wollt, habe ich dort Freunde, doch mir scheint es klüger zu sein, der Straße bis Mallow zu folgen, denn es ist niemand auf ihr unterwegs, und wir kommen an keinem bewohnten Haus vorbei.«

»Und kennst du jemanden in Mallow?«, fragte René.

»In Mallow kommen zehn Freunde auf jeden Einzelnen von uns.«

»Dann auf nach Mallow«, sagte René. »Das verschafft uns immerhin einen Tag Vorsprung vor denjenigen, die uns morgen früh nachsetzen werden.«

Gegen sechs Uhr morgens, eine halbe Stunde vor Tagesanbruch, erreichten sie Mallow; der Ire marschierte schnurstracks auf ein Haus zu, klopfte an die Tür, und auf die Frage: »Wer da?«, die aus einem Fenster im ersten Stock ertönte, antwortete er mit der Frage: »Wohnt hier Farrill?«

»Gewiss«, erwiderte die Stimme, »ich selbst bin es, und wer bist du?«

»Ich bin Sullivan.«

»Warte, warte, ich komme dir öffnen.«

Die Tür wurde geöffnet, und die zwei Männer umarmten einander.

Farrill bat seinen Freund einzutreten, denn dessen Gefährten standen so dicht an der Mauer, dass er sie nicht sehen konnte, und dieser sagte: »Ich bin nicht allein gekommen, sondern mit Kameraden, für die ich Gastfreundschaft bis heute Nacht erbitten muss.«

»Und wenn ihr zu zehnt wärt oder von mir aus zu hundert, sie wird euch gewährt werden – nicht so, wie Farrill sie euch angedeihen lassen wollte, sondern so, wie seine Mittel es ihm ermöglichen. Tretet ein, wer ihr auch sein mögt.«

Die Entflohenen kamen näher.

»Mein Herr«, sagte René, »wir sind französische Gefangene, die gestern Abend aus dem Gefängnis von Cork geflohen sind. Unser Kamerad Sullivan hat sein Wort für Sie verpfändet, und wir vertrauen Ihnen und geben unser Leben in Ihre Hand.«

Die Tür stand offen; Farrill machte ein Zeichen, alle traten unauffällig ein, und die Tür wurde geschlossen.

Sullivan hatte René darauf aufmerksam gemacht, dass er Farrill für seine Gastfreundschaft nichts anbieten dürfe, da jedes Angebot eine Beleidigung bedeuten würde.

Die Entflohenen hatten zehneinhalb Meilen zurückgelegt; den Tag verbrachten sie damit, zu schlafen und zu essen, um sich zu erholen.

Obwohl Farrill sichtlich alles andere als wohlhabend war, bewirtete er seine Gäste so entgegenkommend, wie er versprochen hatte, herzlich und ausreichend, wenn schon nicht opulent und prachtvoll.

Im Haushalt gab es noch Mehl und ein paar Flaschen Dubliner Bier, die zu diesem Anlass geleert wurden. Gegen sieben Uhr abends machten die Flüchtlinge sich auf den Weg. Diesmal mussten sie nachts den Weg nach Bruree zurücklegen, das heißt sieben Meilen. Das Schuhwerk zweier Flüchtlinge war in schlechtem Zustand, doch Farrill, der tagsüber ihre alten Galoschen anprobiert hatte, war es gelungen, zwei Paar neue Schuhe zu erwerben, so dass dem Marsch in dieser Hinsicht nichts entgegenstand.

Gegen fünf Uhr morgens kamen sie in Bruree an.

Sullivan hatte Sorge getragen, auf dem rechten Ufer des Flüsschens Maigue zu gehen, an dem das Dorf liegt. In der Ortschaft hatte er einen Bekannten, der nicht weniger gastfrei war als der wackere Farrill; alles verlief in etwa ähnlich wie beim ersten Mal, die Flüchtlinge tranken, aßen und schliefen nach Herzenslust und brachen noch in derselben Nacht nach Askeaton auf: Diesmal jedoch hatte Sullivans Freund sich als Führer angeboten, da der Weg durch eine Gegend führte, die schwieriger zu durchqueren war und in der Sullivan sich nicht auskannte, wie er hatte einräumen müssen.

Unter Dankesbezeigungen in seinem Namen und in dem seiner Freunde hatte er daher das Angebot seines Freundes angenommen, und von ihm geführt, erreichten sie Askeaton.

Bei dem Zauberwort: »Es sind Franzosen!« öffneten sich Arme und Türen, und sogar die Hausdrachen lächelten, obwohl die damit verbundenen zusätzlichen Kosten in einem so armen Land wie Irland alles andere als erfreulich sein mussten.

Diesmal hatte ihr Führer sie zu seinem Schwager gebracht.

Es gab daher nicht viel zu bereden, obwohl der Weg des nächsten Tages besprochen werden musste. René hatte angeboten, eine Barke zu kaufen, sie mit den notwendigen Lebensmitteln zu beladen und mit ihr nach Frankreich zurückzufahren, aber Sullivan hatte bei diesem Vorschlag den Kopf geschüttelt, denn den Bewohnern der Hafenstädte, die auf den Handel mit den Engländern angewiesen waren, vertraute er weniger als denen aus dem Landesinneren. Er vertrat deshalb den Vorschlag, eine Barke zu kapern und sie zu benutzen, egal, in welchem Zustand sie sich befand; landen konnte man notfalls jederzeit, um Vorräte einzukaufen; zudem hatte man gesehen, dass englische Soldaten den Flüchtlingen überall hinterherjagten, und an der ganzen Küste hatte sich das Gerücht verbreitet, dass acht französische Gefangene aus dem Gefängnis von Cork entwichen waren.

Man begnügte sich daher damit, in der Nacht nur vier Meilen zu marschieren und in Loghill zu nächtigen; dort erkundigte man sich nach den Schiffen, die in der Mündung des Shannon ankerten.

In Foynes gab es eine Slup, doch sie ankerte zu tief im Landesinneren; der Führer unserer Flüchtlinge riet ihnen, sich lieber eines der Schiffe zu bemächtigen, die zwischen Tarbert und der kleinen Insel gegenüber lagen.

Man vereinbarte, zwischen drei und vier Uhr morgens zu handeln. Und gegen sieben Uhr abends nahmen sie mit typisch irischer Sorglosigkeit von einem Boot Besitz, das am Flussufer lag, fuhren damit zu einem Kutter und kaperten ihn. Der Kutter war von drei Männern und einer Frau bemannt, die zu schreien begannen, als sie ihre Angreifer erblickten.

Sullivan machte ihnen jedoch in ausgezeichnetem Irisch deutlich, dass sie gut daran täten, den Mund zu halten, weil er und seine Gefährten sich sonst genötigt sähen, sie zum Schweigen zu bringen, und da er ihnen seine Segelmacherahle zeigte, um seine Worte zu unterstreichen, hielten die armen Teufel den Mund.

Im Handumdrehen war der Anker gelichtet und das Segel gesetzt, und da Nordwind herrschte, fuhr der Kutter so majestätisch auf den Atlantik hinaus wie ein ausgewachsenes Kriegsschiff.

Nach einer Seemeile ließ man die vier Iren das Boot besteigen, von dem aus man den Kutter gekapert hatte; René gab ihnen zwanzig Louisdor und versprach ihnen, falls er wohlbehalten Frankreich erreichen werde, einem Bankier in Dublin das Doppelte des Betrags, den ihr Schiff wert war, anweisen zu lassen.

Die guten Leute hielten dies für nichts weiter als große Worte, doch da er ihnen aus freien Stücken zwanzig Louisdor gegeben hatte, waren sie bereit, ihm zu glauben; die Strömung führte sie bald munter dem Fluss Shannon entgegen, und sie hatten ihren Ankerplatz wieder erreicht, bevor sie sich im Klaren waren, ob das, was sie erlebt hatten, Wirklichkeit oder ein Hirngespinst war.


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