104 Fra Diavolo

Kurz vor dem weißen Anxur, wie Vergil es nennt, und dem staubigen Terracina, wie wir es weniger poetisch, aber um nichts weniger treffend nennen wollen, bewachte ein französischer Posten die römische Grenze.

Die Reisenden, die einen leeren Wagen zu Fuß zu begleiten schienen, denn die Banditen hatten sich auf den Wagenboden gleiten lassen, wurden bei ihrem Eintreffen sogleich von Gaffern umringt, und da man sie auf den ersten Blick als Franzosen erkannte, rekrutierten die Neugierigen sich ausschließlich aus den Reihen französischer Soldaten.

Das Rätsel war mit dem ersten Blick in das Wageninnere gelöst.

»Sehr gut«, sagte der befehlshabende Sergeant, »da haben wir zwei Galgenstricke. Offizier, bringen Sie sie nach Neapel, da werden die Herren genug Gesellschaft ihres Schlages vorfinden.«

Die Reisenden fuhren in den Ort und hielten am Hotel zur Post an, vor dem ein Offizier hin und her spazierte. Manhès trat auf ihn zu und sagte: »Hauptmann, ich bin Hauptmann Manhès und Adjutant des Großherzogs von Berg, des Generals Murat.«

»Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise zu Diensten sein, lieber Kollege?«, fragte ihn der Offizier.

»Eine halbe Meile von hier entfernt wurden wir von sechs Briganten überfallen; drei haben wir getötet; wenn Sie die Leichen begraben lassen wollen, um der Pestgefahr zu begegnen, finden Sie sie auf der Straße, tot oder so gut wie tot. Wir haben zwei Gefangene gemacht. Hätten Sie die Freundlichkeit, ihnen eine Wache zu geben mit der Empfehlung, ihnen bei der ersten Bewegung das Bajonett in den Bauch zu stoßen, solange wir ein Frühstück einnehmen, das wir dringend benötigen und zu dem wir Sie gerne einladen würden, sollten Sie so gütig sein, daran teilzunehmen? Sie können uns berichten, wie die Dinge hier stehen, und wir können Ihnen berichten, wie die Dinge dort stehen.«

»Meiner Treu«, sagte der Offizier, »dieses Angebot ist zu verlockend, als dass ich widerstehen könnte.«

Sogleich befahl er zwei Soldaten, ihr Gewehr zu ergreifen und sich links und rechts neben dem Wagen zu postieren, und auch der Wink bezüglich des Bajonetts wurde nicht vergessen.

»Und jetzt«, sagte der Offizier, »erweisen Sie mir die Ehre, mich Ihrem Reisegefährten vorzustellen, damit Sie ihm meinen Namen nennen können, mag er noch so unbekannt sein; ich bin Hauptmann Santis.«

Beide betraten die Küche der Herberge, wo sie Leo vorfanden, der damit beschäftigt war, sich unter dem Wasserhahn Gesicht und Hände zu waschen. »Mein Lieber«, sagte Manhès, »ich stelle Ihnen Hauptmann Santis vor, der unsere Banditen von zwei Schildwachen bewachen lassen wird. Hauptmann Santis, ich stelle Ihnen Graf Leo vor.«

»Ein schöner Name, Monsieur«, sagte Hauptmann Santis.

»Und wohlverdient«, sagte Manhès, »das kann ich Ihnen versichern; Sie hätten ihn vorhin erleben müssen: Zwei Schuss, zwei Tote; und der dritte war ihm nicht einmal die Mühe wert, zu zielen; er hat sich in den Kopf gesetzt, ihn lebend zu fassen, und mit dieser kleinen weißen Hand, die Sie sehen, hat er ihn am Hals gepackt und beinahe erwürgt; daraufhin bat der Brigant um Gnade und hat alles gestanden.«

Der Wirt trat näher, um zuzuhören; Manhès ergriff die Zipfelmütze des Wirts an ihrem Zipfel, wirbelte sie um den Finger wie ein spielendes Kind, und als der Wirt seine Mütze zu erhaschen trachtete, sagte er: »Mein guter Mann, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie versäumt haben, uns zu grüßen. Jetzt haben Sie es getan, und Sie können Ihre Baumwollmütze zurückhaben; bereiten Sie uns jetzt das denkbar beste Frühstück zu, und während wir darauf warten, geben Sie uns zwei oder drei Flaschen des berühmten Lacrimae Christi, den kennenzulernen es mich schon so lange gelüstet.«

Der Herbergswirt ging, um seinen Kellermeister in den Keller zu schicken, seine Küchenjungen die Öfen heizen zu lassen und seine Zimmermädchen den Tisch decken zu lassen.

Und während er sich kopfschüttelnd entfernte, hob er die Arme und murmelte: »Questi Francesi! Questi Francesi!«

Manhès brach in Gelächter aus. »Wir sind«, sagte er, »und bleiben ein ewiges Rätsel für diese guten Leute, die nicht begreifen können, dass wir uns wie die Löwen schlagen und wie die Kinder spielen können; sie können nicht begreifen, was unsere Stärke ausmacht. Auf, Kellermeister, bring uns zu unserem Zimmer und lass uns den Lacrymae Christi deines Wirts verkosten; und ich gebe dir mein Wort, dass ich dich zwingen werde, eine Flasche zu leeren, ohne abzusetzen, wenn er nichts taugt.«

Der Kellermeister stieg die Treppe hinauf, und die beiden Offiziere und Graf Leo folgten ihm.

Wie der Zufall es wollte, war der Wein gut.

»Mein Junge«, sagte Manhès, nachdem er den Wein gekostet hatte, »du wirst mir nicht den Verdruss bereiten, diesen Wein, dem ich ein anderes Schicksal zu bereiten gedenke, in deinen Magen zu versenken, aber du wirst mir die Freude machen, diese Münze in deine Tasche zu stecken.«

Und er warf dem Kellermeister ein Geldstück im Wert von drei Francs zu, das dieser in seiner Schürze auffing.

»Und jetzt«, sagte er zu dem Hauptmann, »erzähl uns, was hier vor sich geht.«

»Ich glaube, dass das, was dort vor sich geht, interessanter ist«, erwiderte dieser.

»Die Sache ist die«, sagte Manhès, »dass die Kampagne langsam angegangen wurde. Das Ganze hat einen Monat gedauert; die Kampagne begann am 8. Oktober, die Kapitulation Magdeburgs erfolgte am 8. November; in dieser Zeit fielen dreißigtausend Mann, tausend am Tag; das ist gute Arbeit, nicht wahr? Hunderttausend wurden gefangen genommen; von den fünfunddreißigtausend, die blieben, hat kein Einziger die Oder überquert; die Sachsen flüchteten nach Sachsen, die Preußen verstreuten ihre Waffen überall. Die Preußen hatten eine Armee von hundertsechzigtausend Mann, Napoleon hat sie weggepustet, und sie hat sich in Luft aufgelöst und hat auf dem Schlachtfeld, auf dem wir uns mit ihr gemessen haben, dreihundert Kanonen und genug Fahnen zurückgelassen, um den Invalidendom damit zu tapezieren. Der König von Preußen ist noch immer König von Preußen, nur hat er nun weder ein Königreich noch eine Armee.«

»Nun«, sagte der Offizier, »obwohl die Bourbonen sich nach Sizilien zurückgezogen haben, sind sie noch immer reicher als der König von Preußen, und noch besitzen sie mit Caserta Gaeta, das wir bombardieren und das sie halten, das sich aber früher oder später ergeben muss, und in Kalabrien haben sie eine Armee; dieses Heer besteht aus Zwangsausgehobenen, was nicht hindern wird, dass diese Söldner uns gemütlich einen nach dem anderen erwürgen. Ha! Der große Krieg! Der große Krieg! Nur diesen Krieg gibt es, mein lieber Kollege«, fuhr der Offizier fort, »denn der Krieg, den wir führen, ist nichts anderes als ein abscheuliches Gemetzel, und ich bedaure tapfere Offiziere wie General Verdier und General Reynier, dass sie gezwungen sind, diese Schlächterei zu betreiben.«

Der Wirt unterbrach den Hauptmann in seinen Klagen mit dem Frühstück.

»Die Soldaten dürfen im Dienst nicht trinken«, sagte Graf Leo, »doch die Gefangenen müssen allmählich verschmachten; bringen Sie ihnen einen Fiasko mit Wein und lassen Sie sie trinken, ohne ihre Hände zu entfesseln. Die Soldaten aber mögen unbesorgt sein! Sobald sie abgelöst werden, sollen sie ihre Belohnung erhalten. Und sagen Sie dem unverletzten Gefangenen, dass ihm der Wein von dem Reisenden spendiert wird, der sein Leben verschont hat; geben Sie auch unserem Postillion und unserer Eskorte aus den Pontinischen Sümpfen zu essen und zu trinken, selbst wenn sie für meinen Geschmack ein wenig zu eilfertig dem Befehl gehorcht haben, sich mit dem Gesicht nach unten zu Boden zu werfen. Dann lassen Sie anspannen, und geben Sie uns zwei verlässliche Postpferde als Eskorte mit.«

Als das Frühstück beendet war, tranken die drei Anwesenden auf Frankreich, reichten einander die Hand und gingen hinunter.

Leo dankte den zwei Schildwachen, sagte ihnen, dass ein üppiges Frühstück ihrer im Wirtshaus harre, und er und Manhès bestiegen ihre Pferde und machten sich zusammen mit einem neuen Postillion, der versprach, alles Menschenmögliche zu tun, im Galopp auf den Weg nach Capua, wo sie zum ersten Mal die Pferde wechseln sollten.

An Gaeta kamen die Reisenden in ebendem Augenblick vorbei, als man den Leichnam General Vallongues zurückbrachte, dem eine Kanonenkugel den Kopf abgerissen hatte; sechzig Artilleriegeschütze, Mörser und Vierundzwanzigerkanonen beschossen die Zitadelle.

Der Postillion hatte versprochen, die Pferde anzutreiben, und er hielt sein Wort; um acht Uhr morgens war Capua erreicht, und um Viertel nach elf Uhr betrat man Neapel.

Die Stadt der Sonne, die so lärmend und überschwänglich ist, dass man bereits aus einer Meile Entfernung ihre Geräusche vernimmt, wirkte an jenem Tag noch närrischer als sonst; alle Fenster waren mit den neuen neapolitanischen Farben geschmückt; auf den Straßen drängten sich die Leute, die nicht allein aus der Stadt stammten, sondern auch aus den benachbarten Dörfern gekommen waren.

Sobald der Wagen der zwei Reisenden in diesen Malstrom geraten war, blieb ihm und den beiden Reitern, die ihm folgten, nichts anderes übrig, als dem Strom zu folgen. Und der führte sie zur Piazza del Mercato, wo ein riesengroßer Galgen von achtzehn Fuß Höhe errichtet war. Ursache des Volksauflaufs war eine bevorstehende Hinrichtung, und der Name Fra Diavolo, der von allen Seiten erscholl, erhellte die zwei Reisenden über die Person des armen Sünders, dessen Hinrichtung vorbereitet wurde und dessen Bedeutung die Zuschauermenge bezeigte, die sich eingefunden hatte, um seinem Sterben beizuwohnen.

Während der Wagen mit den Gefangenen und ihrer Eskorte die Piazza del Mercato von der Piazza del Carmine aus erreichte, kam der Karren mit dem zum Tode Verurteilten über die Gasse mit dem Namen »de Sospiri del Abisso«, der sich trefflich als »Seufzer aus dem Abgrund« wiedergeben lässt.

Dieses Gässchen heißt so, weil der Verurteilte, der es überquert, zum ersten Mal den Galgen oder das Schafott erblickt, die Werkzeuge seiner Hinrichtung.

Und nur in den seltensten Fällen stößt der Verurteilte bei diesem Anblick keinen Seufzer aus.

Beim Anblick des Fra Diavolo, des Banditen, den man für unfassbar gehalten hatte und der wider alle Erwartungen dingfest gemacht worden war, ertönten von allen Seiten des Platzes laute Unmutsbekundungen, und sogar die gefesselten Briganten erhoben sich in dem Kabriolett.

Im selben Augenblick kamen Manhès und Graf Leo herbei, doch mit der blutrünstigen Munterkeit, die jedem Volk eigentümlich ist, ganz besonders aber dem neapolitanischen Volk, sagte der Postillion: »Lassen Sie die armen Teufel ruhig zusehen; was sie zu sehen bekommen, wird ihnen eine nützliche Lehre sein.«

Und er machte es sich auf seinem Pferd so bequem wie möglich, um das Schauspiel in aller Behaglichkeit zu genießen.

Wir wollen sehen, ob derjenige, der ganz Neapel so aus dem Häuschen brachte, seinen Ruf auch verdient hatte.


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