106 Major Hugo

König Joseph ließ also wie gesagt Major Hugo nach Portici kommen; er kannte ihn seit Langem und brachte ihm die Wertschätzung entgegen, die er verdiente; zugleich aber flößte Napoleon aller Welt und sogar seinen Brüdern so große Furcht ein, dass König Joseph nichts für den Mann zu tun wagte, der die Stirn besessen hatte, Napoleons Missfallen zu erregen, sondern gewissermaßen höherer Gewalt nachgeben wollte, indem er Major Hugo Gelegenheit gab, sich auszuzeichnen und den Mann dingfest zu machen, an dem die Tapfersten und die Geschicktesten sich bislang die Zähne ausgebissen hatten.

Erinnern wir uns, dass der berühmte MacDonald fünf Jahre lang in Ungnade war, weil er mit Moreau befreundet war und in Verdacht stand, dessen republikanische Gesinnung zu teilen, und dass Prinz Eugène in Rom einen Patzer nach dem anderen begehen musste, bis Napoleon sich des Generals entsann und ihn zum Oberkommandierenden ernannte, wofür dieser sich revanchierte, indem er in der Schlacht von Wagram die Armee rettete und wie ein Held kämpfte.

Der König befahl Major Hugo, eine Kolonne aus Männern zu bilden, die er einzelnen Infanterieregimentern und der königlichen Garde, dem afrikanischen Korps, der korsischen Legion und der ersten und zweiten neapolitanischen Legion entnehmen sollte; an der Spitze dieser Kolonne von acht- bis neunhundert Mann sollte er Fra Diavolo verfolgen, ohne dem Gejagten eine Sekunde Atempause zu lassen.

Geschütze und fünfzig Dragoner vervollständigten die Kolonne.

Fra Diavolo hatte sich zu einem regelrechten Partisanenanführer entwickelt; unter seinem Befehl standen an die fünfzehnhundert Mann, und das Gebiet, auf dem unsere Leute ihm nachsetzten, umfasste die Berge zwischen dem Meer, dem Kirchenstaat und dem Fluss Garigliano.

Major Hugos Instruktionen besagten, dass er den Fluss überqueren solle, den Gegner auffinden und nicht mehr aus den Augen lassen, bis er ihn vernichtet hätte; strategische Vorkehrungen waren getroffen worden, um die Briganten daran zu hindern, das Gebiet, auf dem sie sich befanden, zu verlassen. General Duhesme hielt mit seiner Division die römischen Staaten besetzt; General Goullus bewachte mit einer Brigade das Soratal; Truppen waren gestaffelt am Fluss Garigliano aufgestellt, und General Valentin, der im Gebiet von Gaeta den Oberfehl hatte, sollte verhindern, dass Fra Diavolo auf dem Seeweg das Land verließ.

Man sieht, dass Fra Diavolo als ernst zu nehmender Gegner eingestuft wurde: Drei Generäle hielten ihn eingekreist, und ein Major sollte ihn angreifen.

Major Hugo schickte seine zwei Kanonen, die seine Operationen nur erschwert hätten, unter dem Schutz der Eskorte zurück; sollte er seine Dragoner benötigen, würde er sie rufen lassen, und sie würden sofort zu ihm eilen.

Doch die französischen Offiziere hatten es mit einem Widersacher zu tun, der ihnen auf unwegsamem Gelände durchaus die Stirn bieten konnte. Kaum hatte Fra Diavolo erkannt, mit welchen Maßnahmen man ihn einkreisen wollte, suchte er nicht etwa den Kampf mit der Kolonne Major Hugos, sondern unternahm einen Überraschungsangriff auf die Nationalgarde von San Guglielmo, überrumpelte ein Batallion, das unterhalb von Arce lagerte, und marschierte auf Cervaro zu.

Major Hugo setzte ihm nach und marschierte eine Stunde nach den Partisanen in Cervaro ein.

Hinter diesem wilden und waldigen Dorf teilte der Major seine Truppe, denn er vermutete, dass der Gegner sich in dem Dorf verschanzt hatte; der eine Teil der Truppe durchkämmte die Berge, der andere durchsuchte das Dorf.

Der Major hatte sich nicht getäuscht: Schon bald verkündeten Schüsse, dass der Gegner gefunden war, doch der Schusswechsel war zwar heftig, aber von kurzer Dauer. Mutmaßend, dass die erschöpften Franzosen nicht mit ihm Schritt halten konnten, war Fra Diavolo den Berg hinaufgestürmt und hatte die Gegner hinter sich gelassen. Die hereinbrechende Nacht, die Gefahr, sich auf unbekanntem Terrain in den Wäldern zu verirren, und die Notwendigkeit, sich zu verproviantieren, nötigten Major Hugo, gegen zehn Uhr abends die Verfolgung abzubrechen und nach Cervaro zurückzukehren.

Doch gegen drei Uhr morgens waren der Major und seine Soldaten wieder auf den Beinen und schwärmten diesmal in drei Kolonnen aus. Fra Diavolo hatte in den Schluchten von Acquafondata eine Nachhut hinterlassen, die diesen Durchgang gegen die Franzosen verteidigen sollte. Major Hugo stellte sich an die Spitze der neapolitanischen Grenadiere der zweiten Legion, die bei diesem Gefecht ihre Feuertaufe erlebten, und schlug mit ihnen die Nachhut in die Flucht; doch wieder brach die Nacht herein, von Wolkenbrüchen begleitet; die Franzosen mussten wohl oder übel Unterschlupf suchen und in einer kleinen verlassenen Meierei übernachten; bei Tagesanbruch machten sie sich wieder auf den Weg.

Fra Diavolo, der alle Wege kannte, folgte keinem; er benutzte Trampelpfade und wechselte alle naselang die Richtung. Um ihm auf der Fährte zu bleiben, waren die Franzosen auf die Hilfe der Schäfer angewiesen, denn gegen gute Bezahlung zeigten diese den Soldaten die kürzesten Wege, die oft nichts anderes waren als Flussbette, deren Windungen man folgen oder deren Wasserfälle man erklimmen musste; diese Flussbette waren so steinig, dass die Soldaten immer wieder innehalten mussten, um ihre Stiefel auszuziehen und barfuß weiterzugehen.

Diese hartnäckige Verfolgungsjagd währte inzwischen acht Tage; man war noch nicht in Berührung mit dem Feind gekommen, doch man war ihm dicht auf den Fersen; die Soldaten ruhten sich kaum noch aus, aßen im Gehen und schliefen im Stehen. Major Hugo sandte scharenweise Spione aus, mit denen die Polizei ihn unterstützte, und überzog das Land mit Eilboten, die er zu den Gouverneuren, Präfekten und Bürgermeistern entsandte; er wusste Tag für Tag, wo Fra Diavolo war und was er tat, doch er hatte ihn noch nicht eng genug im Schraubstock, um sich mit dessen Bande einen Kampf zu liefern.

Doch ein französisches Bataillon, das sich den Abruzzen näherte, ohne dass Fra Diavolo davon wusste, erfuhr, dass er sich mit seiner Bande im Wald nahe einem Dorf aufhielt, das es durchquerte; das Bataillon machte halt, nahm sich einen Führer, überfiel die Banditen und tötete an die hundert Mann.

Major Hugo hörte die Gewehrschüsse und eilte mit seiner Kolonne herbei. Fra Diavolo, der sich umzingelt sah und sich von einem Gefecht nichts erhoffen konnte, musste sich mit einer List retten.

Er versammelte seine Leute. »Teilt euch auf«, sagte er zu ihnen, »bildet kleine Einheiten von etwa zwanzig Mann; jede dieser Einheiten soll so tun, als wäre ich bei ihr, und auf die ihr am sichersten erscheinende Weise den Seeweg suchen. In Sizilien wollen wir uns wieder zusammenfinden.«

Gesagt, getan; die Bande teilte sich in Grüppchen auf, die sich wie Rauch oder Nebel in alle Richtungen zerstreuten; Major Hugo wurde von allen Seiten gemeldet, man habe Fra Diavolo gesehen, was ihn in größte Ratlosigkeit stürzte, denn die Berichterstatter wollten den Gesuchten ebenso in die Abruzzen fliehen gesehen haben wie zum linken oder rechten Ufer des Biferno, nach Apulien ausweichen oder die Flucht nach Neapel antreten.

Nach kurzem Überlegen erriet Major Hugo die Kriegslist des Banditen: Es war die gleiche List, deren sich Marschall von Rantzau bedient hatte.

Aber in welchem der Grüppchen war Fra Diavolo zu finden?

Um dies zu ergründen, musste man sie zwingen, allesamt die gleiche Richtung einzuschlagen. Und deshalb ließ Major Hugo am rechten Ufer des Biferon neapolitanische Truppenkontingente vorrücken, ließ die korsische Legion aus Isernia kommen und machte sich mit der königlichen Garde und dem afrikanischen Korps nach Cantalupo und zum Bojanotal auf.[10]


Загрузка...