24 Gegenordre

Kein Mann im ganzen Morbihan hätte es gewagt, die Hand gegen Cadoudal zu erheben, oder gezögert, seine Befehle zu befolgen. Der Unteranführer der Bande, der die zwei Kinder noch an der Hand hielt, setzte sie ab und trat zu Cadoudal mit den Worten: »General, was befehlen Sie?«

»Binden Sie zuerst das bedauernswerte Paar los.«

Die Banditen stürzten sich auf Bauer und Bäuerin und lösten im Handumdrehen die Fesseln. Die Frau ließ sich in einen Lehnstuhl sinken, nahm ihre Kinder in die Arme und presste sie ans Herz. Der Mann erhob sich, ging zu Cadoudal und drückte ihm die Hand.

»Und jetzt?«, fragte der »Offizier«.

»Jetzt«, sagte Cadoudal, »will ich wissen, ob es stimmt, dass ihr drei Banden seid.«

»Ja, General.«

»Wer hat euch dazu angestiftet, euch zusammenzurotten und dieses verabscheuenswürdige Gewerbe zu betreiben?«

»Es ist jemand aus Paris gekommen, der uns versichert hat, Sie würden vor Ablauf eines Monats zu uns stoßen, und der uns in Ihrem Namen befohlen hat, uns zu sammeln.«

»Als Chouans, das würde ich ja noch verstehen, aber als Fußbrenner! Bin ich vielleicht ein Fußbrenner?«

»Man hat uns sogar gesagt, wir sollten den zum Anführer machen, der Georges II. hieß, weil er Ihnen so ähnlich sah, damit jeder glaubt, dass Sie unter uns weilen. Wie sollen wir unser Vergehen jetzt sühnen?«

»Euer Vergehen besteht darin, dass ihr geglaubt habt, ich wäre imstande, Anführer einer Bande von Fußbrennern zu werden, und dafür gibt es keine Sühne. Bringt auf der Stelle den anderen Truppen meinen Befehl, sich zu zerstreuen und vor allen Dingen mit ihrem schändlichen Treiben aufzuhören. Dann benachrichtigt alle ehemaligen Anführer, insbesondere Sol de Grisolles und Guillemot, dass sie die Waffen wieder ergreifen und sich bereithalten sollen, auf mein Geheiß erneut in den Kampf zu ziehen. Aber kein Schritt, keine Handlung ohne meinen ausdrücklichen Befehl!«

Ohne ein Wort, beinahe lautlos, zogen die Banditen sich zurück.

Der Bauer und seine Frau räumten ihre Schränke wieder ein, die Wäsche in die Fächer, das Silberbesteck in die Schubladen. Nach einer halben Stunde waren keine Spuren des Überfalls mehr zu sehen.

Madame Doley hatte sich nicht getäuscht: Ihr Ehemann hatte tagsüber seine Vorkehrungen getroffen. Er hatte den größten Teil des Silbergeschirrs, einen Teil des Bestecks und die Goldmünzen im Wert von ungefähr zwölftausend Francs in ein sicheres Versteck gebracht.

Von allen Bauern ist der Bretone der misstrauischste und vielleicht auch der vorausschauendste. Trotz Cadoudals Wort hatte Doley geargwöhnt, dass die Sache schlecht ausgehen könnte, und für diesen Fall wollte er wenigstens den größeren Teil seines Vermögens in Sicherheit wissen, was ihm auch gelungen war.

Jean und seine Frau wurden benachrichtigt, und die Türen wurden geschlossen, nachdem der Leichnam Georges’ II. hinausgeschafft worden war. Cadoudal, der seit dem Morgen nichts gegessen hatte, speiste so ungerührt zu Abend, als wäre nichts geschehen; er lehnte das Bett ab, das der Bauer ihm anbot, und schlief in der Scheune im frischen Stroh.

Am nächsten Tag kam Cadoudals einstiger Adjutant Sol de Grisolles, kaum dass Cadoudal auf den Beinen war. Sol de Grisolles wohnte in Auray, zweieinhalb Wegstunden von Plescop entfernt. Einer der Briganten hatte ihn sofort benachrichtigt, in der Hoffnung, damit Gnade vor Cadoudal zu finden.

Sol de Grisolles war nicht wenig erstaunt, Cadoudal wiederzusehen: Wie alle Welt hatte er ihn in London geglaubt.

Cadoudal erzählte ihm, was vorgefallen war; auf dem Küchenboden waren noch Ruß und Blutspuren zu sehen.

Offensichtlich hatte die Polizei ein Komplott geschmiedet, um das Abkommen mit Bonaparte zu unterminieren, indem man Cadoudal beschuldigte, es gebrochen zu haben. Falls sich das so verhielt, stand es Cadoudal frei zu tun, was er wollte; und darüber wollte er sich mit Sol de Grisolles beraten.

Als Erstes wollte er sich unmittelbar an Bonaparte wenden und ihm schreiben, dass er aufgrund des Vorgefallenen sein Wort zurücknehme; nachdem er ihm einwandfrei dargelegt hätte, dass er mit den neuen Mordbrennereien im Westen nichts zu tun hatte und ihnen sogar unter Einsatz des eigenen Lebens ein Ende bereitet hatte, würde er ihm den Krieg erklären – nicht von Herrscher zu Herrscher, denn einen solchen Krieg konnte er nicht finanzieren, sondern einen Rachefeldzug in korsischer Manier. Und Sol de Grisolles war dazu ausersehen, Bonaparte die Vendetta anzukündigen.

Sol de Grisolles sagte ohne Widerrede zu; er gehörte zu denen, die dem, was sie für ihre Pflicht halten, nie ausweichen.

Als Nächstes sollte Sol de Grisolles Laurent ausfindig machen, wo er sich auch befinden mochte, und ihn auffordern, seine Compagnons de Jéhu wieder zu sammeln und loszuschlagen, während Cadoudal keinen Augenblick verlieren und sich unverzüglich nach London zurückbegeben wollte, um von dort nach Paris aufzubrechen und seine Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Tatsächlich verabschiedete Cadoudal sich von seinen Gastgebern, nachdem er Sol de Grisolles seine Anweisungen erteilt hatte, bat sie um Verzeihung, dass ihr Haus als Schauplatz der schrecklichen Szenen hatte dienen müssen, die sich dort abgespielt hatten, stieg auf sein Pferd, und während Sol de Grisolles sich nach Vannes aufmachte, ritt Cadoudal zu dem Strand von Erdeven und Carnac, wo sein Fischerboot zu Wasser wartete.

Die Rückfahrt verlief so reibungslos wie die Herfahrt.

Drei Tage später war Sol de Grisolles in Paris und erbat sich beim Ersten Konsul einen Geleitbrief und einen Gesprächstermin wegen einer Sache von höchster Dringlichkeit.

Der Erste Konsul schickte Duroc. Sol de Grisolles entschuldigte sich mit der Höflichkeit eines Edelmanns und erklärte, nur General Bonaparte mitteilen zu können, was General Cadoudal ihm aufgetragen habe.

Duroc ging zurück und kam wieder, um Sol de Grisolles zu holen.

Sol de Grisolles fand Bonaparte empört und voller Zorn auf Cadoudal vor. Bonaparte ließ Cadoudals Abgesandten gar nicht erst zu Wort kommen. »So also«, sagte er, »hält Ihr General sein Wort! Er verspricht, sich nach London zurückzuziehen, und stattdessen verschanzt er sich im Morbihan, wo er Banden aushebt, mit denen er dem Gewerbe des Fußbrennens nachgeht und nach Herzenslust das Land unsicher macht wie ein Mandrin oder ein Poulailler! Aber ich habe meine Befehle gegeben, alle Behörden sind alarmiert, und wenn er gefasst wird, dann machen sie kurzen Prozess mit ihm wie mit dem erstbesten Hühnerdieb. Sagen Sie jetzt nicht, es sei alles nicht wahr: Le Journal de Paris hat darüber berichtet, und die Berichte stimmen mit den Auskünften meiner Polizei überein; zudem wurde er erkannt.«

»Würde der Erste Konsul mir gestatten, ihm zu antworten«, fragte Sol de Grisolles, »und ihm in wenigen Worten die Unschuld meines Freundes zu beweisen?«

Bonaparte zuckte die Schultern.

»Aber wenn Sie sich in fünf Minuten eingestehen müssten, dass Ihre Zeitungen und Polizeiberichte im Unrecht sind und dass ich recht habe, was würden Sie dann sagen?«

»Ich würde sagen... dass Régnier ein Idiot ist, weiter nichts.«

»Nun, General, die Ausgabe des Journal de Paris, in der gemeldet wurde, Cadoudal habe Frankreich gar nicht verlassen, sondern Räuberbanden im Morbihan ausgehoben, kam ihm in London in die Hände; sofort hat er ein Fischerboot bestiegen und sich zur Halbinsel Quiberon begeben. Versteckt in einem Bauernhaus, das nachts von Fußbrennern überfallen wurde, hat er sein Versteck in dem Augenblick verlassen, in dem der Anführer dieser Bande, der sich seines Namens bediente, den Bauern foltern wollte. Dieser Bauer heißt Jacques Doley, das Landgut Plescop. Cadoudal trat auf den Bandenführer zu, erschoss ihn und sagte: ›Du lügst, Cadoudal bin ich.‹

General, er hat mir aufgetragen, Ihnen auszurichten, dass Sie oder wenigstens Ihre Polizei es waren, die ihn entehren wollten, indem Sie einen Mann, der ihm täuschend ähnlich sah und den man für ihn halten konnte, zum Anführer dieser Banden machten. Er hat sich an diesem Mann gerächt; er hat ihn mitten unter seinen Leuten getötet und hat die anderen aus dem Haus verjagt, in das sie eingedrungen waren, obwohl sie zwanzig Männer waren, während er allein war.«

»Was Sie da sagen, kann unmöglich wahr sein.«

»Ich habe den Toten mit eigenen Augen gesehen, und hier ist die Bestätigung des Bauernpaares.« Sol de Grisolles reichte dem Ersten Konsul die Niederschrift dessen, was er ihm erzählt hatte, abgezeichnet von Monsieur und Madame Doley.

»Und von diesem Augenblick an«, fuhr er fort, »hat er Sie von Ihrem Wort entbunden und sich von seinem Wort entbunden, und da er Ihnen nicht den Krieg erklären kann, denn seine Verteidigungsmittel haben Sie ihm genommen, erklärt er Ihnen die korsische Vendetta, den Krieg Ihrer Heimat. Seien Sie auf der Hut! Er wird auf der Hut sein!«

»Citoyen«, rief Duroc, »haben Sie vergessen, mit wem Sie es zu tun haben?«

»Ich habe es mit einem Mann zu tun, der uns sein Wort gab, wie wir ihm unseres gaben, der gebunden war wie wir und der so wenig wie wir das Recht hatte, es zu brechen.«

»Er hat recht, Duroc«, sagte Bonaparte. »Jetzt wüsste ich nur gern, ob er auch die Wahrheit sagt.«

»General, wenn ein Bretone sein Wort gibt...«, protestierte Sol de Grisolles.

»Auch ein Bretone kann sich täuschen oder getäuscht werden. Duroc, holen Sie mir Fouché.«

Zehn Minuten später stand Fouché im Kabinett des Ersten Konsuls.

Sobald Bonaparte den ehemaligen Polizeiminister erblickte, rief er: »Monsieur Fouché, wo ist Cadoudal?«

Fouché lachte. »Ich könnte Ihnen antworten, dass ich es nicht weiß.«

»Und warum?«

»Nun, schließlich bin ich nicht mehr Ihr Polizeiminister.«

»Oh, Sie wissen sehr wohl, dass Sie es nach wie vor sind.«

»In partibus, von mir aus.«

»Keine Scherze. Jawohl, in partibus sind Sie es. Ich werde Sie als solchen behandeln; Sie führen dieselben Spitzel, und Sie sind mir für alles verantwortlich, als wären Sie noch nominell Minister. Ich habe Sie gefragt, wo Cadoudal ist.«

»Um diese Zeit müsste er auf dem Rückweg nach London sein.«

»Er hatte England also verlassen?«

»Ja.«

»Und zu welchem Zweck?«

»Um einen Bandenchef zu erschießen, der sich erdreistet hat, seinen Namen zu benutzen.«

»Und hat er ihn erschossen?«

»Mitten unter seinen zwanzig Gefolgsleuten auf dem Landgut Plescop; aber Monsieur«, und er deutete auf Sol de Grisolles, »kann Ihnen mehr darüber sagen als ich, denn er war fast Zeuge der Ereignisse. Plescop liegt, wenn ich mich nicht täusche, nur zweieinhalb Meilen von Auray entfernt.«

»Wie! Das wussten Sie alles, und Sie haben mich nicht gewarnt?«

»Monsieur Régnier ist Polizeipräfekt, und Sie zu warnen ist seine Aufgabe; ich bin nur ein Privatier, ein Senator.«

»Es ist also wahr«, rief Bonaparte ungehalten, »dass ehrbare Leute in diesem Gewerbe einfach nicht zu gebrauchen sind!«

»Danke, General«, sagte Fouché.

»Ha! Die Grille fehlte Ihnen noch, sich als ehrbaren Mann ausgeben zu wollen. An Ihrer Stelle würde ich meinen Ehrgeiz auf andere Ziele richten, weiß Gott. Monsieur de Grisolles, danke für Ihren Besuch. Als Mann und Korse nehme ich die Vendetta an, die Cadoudal mir erklärt hat. Er sei auf der Hut, wie ich auf der Hut sein werde; doch wenn er gefasst wird, dann kenne ich keine Gnade.«

»So sieht er es auch«, sagte der Bretone mit einer tiefen Verbeugung. Dann verließ er das Kabinett des Ersten Konsuls und ließ diesen mit Fouché zurück.

»Sie haben es gehört, Monsieur Fouché: Die Vendetta ist erklärt, jetzt ist es an Ihnen, mich zu beschützen.«

»Machen Sie mich wieder zum Polizeiminister, und ich werde es tun.«

»Sie sind ein rechter Einfaltspinsel, Monsieur Fouché, mögen Sie sich für noch so geistreich halten. Je weniger Sie Polizeiminister sein werden – wenigstens in den Augen der Öffentlichkeit -, desto leichter werden Sie mich beschützen können, da man sich vor Ihnen nicht in Acht nehmen wird. Außerdem kann ich das Polizeiministerium nicht ohne stichhaltige Gründe wieder einrichten, nachdem ich es vor kaum zwei Monaten aufgelöst habe. Retten Sie mich aus einer großen Gefahr, und ich gebe es Ihnen zurück. Bis dahin gewähre ich Ihnen einen Kredit von fünfhunderttausend Francs auf Geheimgelder. Tun Sie sich keinen Zwang an, und wenn der Kredit ausgeschöpft ist, sagen Sie es mir. Aber vor allem will ich, dass Cadoudal kein Haar gekrümmt wird und man ihn lebend ergreift!«

»Man wird sich bemühen, aber dafür muss er zuerst nach Frankreich zurückkehren.«

»Oh, seien Sie unbesorgt, das wird er tun! Ich erwarte, von Ihnen zu hören.«

Fouché verneigte sich vor dem Ersten Konsul, eilte zu seinem Wagen zurück, sprang hinein und rief dem Kutscher zu: »Schnell nach Hause!«

Als er ausstieg, befahl er: »Man hole sofort Monsieur Dubois und wenn möglich Victor, einen seiner fähigsten Spitzel.«

Eine halbe Stunde später befanden sich die verlangten zwei Personen in Fouchés Kabinett.

Obwohl Monsieur Dubois nunmehr dem neuen Polizeipräfekten unterstand, hatte er Fouché die Treue gewahrt, und das nicht aus Prinzipientreue, sondern aus Eigennutz: Er wusste, dass Fouché sich nie länger als vorübergehend in Ungnade befinden würde und dass er selbst gut beraten wäre, ihn nicht als Menschen, sondern als Füllhorn der Fortuna zu betrachten, dem man keinesfalls die Treue aufkündigen durfte. Folglich war er zusammen mit drei oder vier anderen der schlauesten Spitzel weiterhin Fouché ergeben geblieben, und als Fouché ihn rufen ließ, kam er unverzüglich.

Auf dem Kaminsims waren Goldstücke in zwei Säulen angeordnet, als Dubois und der Polizeispitzel Victor das Kabinett des eigentlichen Polizeiministers betraten.

Der Spitzel Victor war als Mann aus dem Volk gekleidet, denn zum Umziehen war nicht genug Zeit geblieben.

»Wir wollten keine Sekunde verlieren«, sagte Dubois, »und ich habe Ihnen einen meiner zuverlässigsten Männer in der Kostümierung mitgebracht, die er trug, als ich Ihre Nachricht erhielt.«

Ohne zu antworten, trat Fouché zu dem Spitzel und sah ihn mit seinem scheelen Blick an. »Verwünscht aber auch, Dubois!«, sagte er, »das ist der falsche Mann.«

»Was für einen Mann hätten Sie gebraucht, Citoyen Fouché?«

»Ich muss einen bretonischen Rädelsführer verfolgen lassen, vielleicht in Deutschland, mit Sicherheit in England. Ich brauche einen Mann von Stand, der ihm unauffällig in Cafés folgen kann, in Clubs, notfalls in Salons. Ich brauche einen Gentleman, und Sie bringen mir einen Limousiner Bauernlümmel!«

»Oh, da haben Sie recht«, sagte der Agent, »Cafés, Clubs und Salons sind nicht mein Wirkungsgebiet, aber wenn Sie mich in eine Kneipe schicken, auf einen volkstümlichen Ball oder in ein Musiklokal, dann würden Sie sehen, dass ich mich dort wacker schlage.«

Dubois starrte ihn mit unverhohlenem Erstaunen an, doch der Agent machte ihm ein Zeichen, und Dubois begriff.

»Sie werden mir also«, sagte Fouché, »auf der Stelle jemanden besorgen, der sich auf einem Abendempfang bei dem englischen Prinzregenten sehen lassen kann. Ich werde ihm seine Instruktionen geben.« Dann nahm er zwei Louisdors von einem dritten Stapel Münzen und sagte zu dem Polizeispitzel Victor: »Nehmen Sie das, mein Freund, als Entschädigung dafür, dass Sie bemüht wurden; sollte ich Sie für Beobachtungen im volkstümlichen Milieu benötigen, werde ich Sie benachrichtigen lassen. Aber schweigen Sie über unser Gespräch.«

»Ich schweige«, sagte der Spitzel mit seinem Limousiner Akzent, »mit Vergnügen. Sie lassen mich rufen, Sie sagen mir nichts, und Sie geben mir zwei Louis, damit ich den Mund halte. Nichts leichter als das.«

»Schon gut, schon gut, junger Mann«, sagte Fouché, »verschwinde!«

Die Besucher stiegen in ihren Wagen, und Fouché bezeigte leichte Ungeduld, doch da er nicht genau genug erklärt hatte, was für einen Polizeispitzel er benötigte, wusste er, dass die Verzögerung seine Schuld war, und schwieg.

Lange musste er nicht warten. Nach einer Viertelstunde meldete man ihm denjenigen, den er erwartete.

»Ich sagte, man solle ihn einlassen!«, rief er ungeduldig. »Herein mit ihm!«

»Bin schon da, bin schon da, Citoyen«, sagte ein junger Mann von fünf- oder sechsundzwanzig Jahren mit schwarzem Haar und Augen, die vor Geist sprühten, untadelig gekleidet, der lebhaft, aber vollendet weltmännisch den Raum betrat. »Ich habe keinen Augenblick gesäumt, und hier bin ich!«

Fouché beäugte ihn durch sein Lorgnon. »Sehr gut!«, sagte er. »Das ist mein Mann!«

Und nach kurzem Schweigen, währenddessen er seine Musterung fortsetzte: »Sie wissen, worum es geht?«

»Gewiss doch, es geht darum, einen verdächtigen Citoyen zu beschatten, mit ihm nach Deutschland zu gehen, unter Umständen nach England; nichts leichter als das, ich spreche Deutsch wie ein Deutscher, Englisch wie ein Engländer; ich werde ihn beschatten und nicht aus den Augen lassen. Sie müssen ihn mir nur zeigen oder mir sagen, wo er sich aufhält; ich muss ihn einmal gesehen haben.«

»Er heißt Sol de Grisolles und ist Cadoudals Aide de Camp; er wohnt im Hotel L’Unité in der Rue de la Loi. Möglicherweise ist er schon abgereist; in diesem Fall müssten Sie in Erfahrung bringen, welchen Weg er eingeschlagen hat, und sich ihm an die Fersen heften. Ich muss über jeden seiner Schritte Bescheid wissen. Und das ist für Sie«, fügte Fouché hinzu und nahm die zwei Stapel Goldmünzen vom Kaminsims, »um Ihnen zu erleichtern, an Auskünfte zu kommen.«

Der junge Mann streckte seine elegant behandschuhte Hand aus und steckte das Geld ein, ohne nachzuzählen. »Muss ich Ihnen jetzt die zwei Louisdor des Limousiner Bauernlümmels zurückgeben?«, fragte der junge Stutzer.

»Wie! Die zwei Louisdor des Limousiner Bauernlümmels?«, wiederholte Fouché.

»Die Sie mir vorhin gegeben haben.«

»Sie waren das vorhin?«

»Gewiss, und der Beweis: Hier sind sie.«

»Gut«, sagte Fouché, »dann gehört Ihnen auch der dritte Stapel, aber als Belohnung. Gehen Sie jetzt, verlieren Sie keine Zeit; heute Abend will ich von Ihnen hören.«

»Das werden Sie.«

Der Spitzel ging, ebenso zufrieden mit Fouché wie dieser mit ihm.

Am Abend erhielt Fouché folgendes erstes Bulletin:


Ich habe im Hotel L’Unité in der Rue de la Loi ein Zimmer neben dem des Citoyen Sol de Grisolles genommen. Vom Balkon vor unseren vier Fenstern konnte ich sein Zimmer einsehen: Es enthält ein Kanapee, das, nützlich für Gespräche, an der Trennwand zu meinem Zimmer steht; ich habe ein Loch in die Wand gebohrt, das mir ermöglicht, alles zu sehen und zu hören, ohne mich aufzudrängen. Citoyen Sol de Grisolles hat den Mann, den er sehen wollte, im Hotel Mont-Blanc nicht angetroffen, er wird im Hotel L’Unité bis um zwei Uhr morgens auf ihn warten und hat dort mitgeteilt, er erwarte den späten Besuch eines Freundes.

Ich werde als unbekannter Dritter bei diesem Besuch anwesend sein.

DER LIMOUSINER

P.S. Morgen in aller Frühe ein zweites Bulletin.

Am nächsten Tag wurde Fouché bei Tagesanbruch mit einem zweiten Bulletin geweckt, das lautete wie folgt:


Der Freund, den Citoyen Sol de Grisolles erwartete, war der berüchtigte Bandit Laurent, genannt »der schöne Laurent«, der Anführer der Compagnons de Jéhu. Der Befehl, den Cadoudals Aide de Camp für Laurent hatte, war der, alle Mitstreiter an ihr Gelübde zu erinnern. Am kommenden Samstag sollen sie ihre Überfälle wiederaufnehmen und die Schnellpost von Rouen nach Paris im Wald von Vernon überfallen. Wer sich nicht einfindet, wird mit dem Tode bestraft.

Citoyen Sol de Grisolles reist um zehn Uhr vormittags nach Deutschland ab, und ich reise mit ihm; über Straßburg werden wir uns, soweit ich weiß, nach Ettenheim begeben, wo sich der Herzog von Enghien aufhält.

DER LIMOUSINER

Diese zwei Bulletins fielen als doppelter Sonnenstrahl auf Fouchés Schachbrett, denn ihr Licht erlaubte dem Polizeiminister in partibus, Cadoudals Schachbrett zu überschauen. Cadoudal hatte keine leere Drohung ausgestoßen, als er Bonaparte die Vendetta erklärte. Während seines Aufenthalts in Paris hatte er die Compagnons de Jéhu wiedererweckt, die er nur bis auf weiteres beurlaubt hatte, und seinen Adjutanten hatte er bis zum Wohnsitz des Herzogs von Enghien vorgeschickt. Überdrüssig der Ausflüchte des Sohns des Grafen von Artois und des Grafen von Artois – die einzigen Personen königlichen Geblüts, mit denen er zu tun gehabt hatte und die ihm stets nicht nur Geld und Männer versprochen hatten, sondern auch den Schutz ihrer königlichen Persönlichkeit, und die keines ihrer Versprechen gehalten hatten -, wandte er sich nun an den letzten Erben der kriegerischen Rasse der Condés, um zu erfahren, ob dieser ihm mehr zu bieten haben würde als fromme Wünsche und Ermunterungen.

Fouché, der seine Schlingen ausgelegt hatte, wartete ruhig wie eine Spinne in ihrem Netz.

Doch die Gendarmerie von Andelys und Vernon wurde beauftragt, Tag und Nacht gesattelte Pferde bereitzuhalten.


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