21 In welchem Kapitel Fouché daran arbeitet, in das Polizeiministerium zurückzukehren, aus dem er noch nicht ausgeschieden ist

Fouché verließ den Tuilerienpalast zornentbrannt. Er war ein kluger Kopf, aber ein kluger Kopf mit begrenztem Wirkungsfeld. Ohne seine Polizei war Fouché nur von zweitrangiger Bedeutung.

Er hatte ein nervöses, reizbares, ängstliches Naturell, und die Natur schien ihm schielende Augen und große Ohren verliehen zu haben, damit er gleichzeitig in verschiedene Richtungen sehen und in alle Richtungen lauschen konnte. Bonaparte hatte ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen: Indem er die Polizei verlor, verlor er die Oberaufsicht über das Glücksspiel, die ihm jährlich mehr als zweihunderttausend Francs einbrachte. Unvorstellbar reich, hatte Fouché nur eines im Sinn, nämlich das Vermögen zu mehren, das zu genießen ihm nicht gegeben war, und sein Ehrgeiz, die Grenzen seines Landbesitzes in Pontcarré zu weiten, war kaum geringer als Bonapartes Ehrgeiz, Frankreichs Grenzen weit in das Ausland zu versetzen.

Er ging nach Hause, begab sich in sein Kabinett und warf sich in seinen Sessel, ohne mit einer Menschenseele ein Wort gewechselt zu haben. Seine Gesichtsmuskeln bebten wie die Meeresoberfläche bei Sturm. Nach einigen Minuten glätteten sich seine Züge: Fouché war der Einfall gekommen, den er gesucht hatte, und das matte Lächeln, das auf seine Züge trat, verriet, dass zumindest Windstille eingekehrt war, wenngleich das schöne Wetter noch auf sich warten ließ.

Er ergriff die Klingelschnur über seinem Schreibtisch und zog daran mit noch leicht bebender Hand.

Der Bürodiener erschien.

»Monsieur Dubois!«, rief Fouché.

Der Bürodiener machte eine Kehrtwendung und verschwand.

Unmittelbar darauf wurde die Tür geöffnet, und Dubois trat ein.

Dubois war ein Mann mit sanften, ruhigen Zügen und mildem Lächeln, alles andere als modisch gekleidet, aber mit größter Reinlichkeit, wie die weiße Krawatte und die Manschetten bezeigten.

Er trat näher, wobei er sich leicht in den Hüften wiegte und wie ein Tanzlehrer mit den Schuhsohlen über den Teppich glitt.

»Monsieur Dubois«, sagte Fouché, der sich in seinem Sessel zurücklehnte, »heute bin ich auf all Ihre Intelligenz und all Ihre Verschwiegenheit angewiesen.«

»Ich kann dem Herrn Minister allein meine Verschwiegenheit zusichern«, sagte Dubois. »Der Wert meiner Intelligenz bemisst sich nur in Abhängigkeit von der Ihren.«

»Schon gut, schon gut, Monsieur Dubois«, sagte Fouché etwas gereizt. »Keine Komplimente. Haben Sie in Ihrer Behörde einen Mann, dem man vertrauen kann?«

»Zuerst müsste ich wissen, wofür er benötigt wird.«

»Das ist wahr. Er soll in die Bretagne fahren und dort drei Banden von Fußbrennern ins Leben rufen: Eine, die wichtigste, soll auf der Straße von Vannes nach Muzillac operieren; die zwei anderen kann er einrichten, wo er will.«

»Ich höre«, sagte Dubois, als er sah, dass Fouché innehielt.

»Die eine soll sich ›Cadoudals Bande‹ nennen und so tun, als wäre Cadoudal selbst ihr Anführer.«

»Nach dem, was Eure Exzellenz mir sagen -«

»Dieses eine Mal lasse ich es durchgehen«, rief Fouché lachend, »insbesondere Sie mich nicht mehr lange so nennen können.«

Dubois verneigte sich, und als Fouché ihn mit einer Geste dazu aufforderte, fuhr er fort: »Nach dem, was Eure Exzellenz mir sagen, wird ein Mann gebraucht, der notfalls im zerstreuten Gefecht kämpft.«

»Der notfalls alles tut.«

Monsieur Dubois überlegte und schüttelte dann den Kopf. »So jemanden habe ich nicht unter meinen Leuten«, befand er.

Als Fouché verärgert eine Handbewegung machte, sagte er: »Warten Sie, warten Sie einen Augenblick. Gestern hat sich mir ein gewisser Chevalier de Mahalin vorgestellt, ein Bursche, der bei den Compagnons de Jéhu war und den es nur nach einer Sache gelüstet, wie er behauptet, nämlich nach gefährlichen Aufträgen, die gut bezahlt sind. Ein Spieler in der ganzen Bedeutung des Wortes, bereit, sein Leben wie sein Geld auf einen Würfelwurf zu setzen. Das ist unser Mann.«

»Haben Sie seine Adresse?«

»Nein; doch er kommt heute zwischen ein und zwei Uhr in mein Büro, und jetzt ist es eins. Er ist entweder schon dort oder wird bald eintreffen.«

»Dann holen Sie ihn und bringen Sie ihn her.«

Als Monsieur Dubois gegangen war, stand Fouché auf und holte einen Karton, dem er ein Dossier entnahm, das er auf seinen Schreibtisch legte.

Es war das Dossier über Pichegru.

Er studierte es mit größter Aufmerksamkeit, bis Monsieur Dubois in Begleitung des Mannes, über den sie gesprochen hatten, zurückkam.

Es war derselbe, der Hector de Sainte-Hermine an sein feierliches Gelöbnis erinnert und ihn in Laurents Bande eingeführt hatte. Als ihm dort die Arbeit ausgegangen war, hatte sich der wackere Edelmann anderswo nach Betätigung umgesehen.

Er mochte zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren zählen, war von angenehmem Äußeren, mehr schön als hässlich, mit gewinnendem Lächeln, und man hätte ihn für durch und durch einnehmend halten können, wäre in seinen Augen nicht etwas Verstörendes, Beunruhigendes gewesen, das sich dem Gemüt jener, die mit ihm zu tun hatten, sogleich mitteilte. Im Übrigen war er nach der Mode der Zeit gekleidet, nicht schlicht, sondern eher elegant.

Fouché maß ihn mit dem Blick, mit dem er einen Menschen moralisch einzuschätzen pflegte. In diesem Mann erriet er die Liebe zum Geld, Mut in der Verteidigung, weniger beim Angriff, und den unbezähmbaren Willen, in seinen Unternehmungen erfolgreich zu sein.

Das war der Mann, den er suchte.

»Monsieur«, sagte Fouché, »man hat mir hinterbracht, Sie wollten in die Dienste der Regierung eintreten. Ist das wahr?«

»Es ist mein größter Wunsch.«

»Und in welcher Funktion?«

»In jeder Funktion, in der es Schläge zu kassieren und Geld einzustecken gibt.«

»Kennen Sie die Bretagne und die Vendée?«

»In- und auswendig. Ich war dreimal zu General Cadoudal entsendet.«

»Hatten Sie mit den anderen Anführern zu tun?«

»Mit einigen, vor allem mit einem Leutnant Cadoudals, den man seiner Ähnlichkeit mit dem General wegen Georges II. nannte.«

»Ei der Teufel!«, sagte Fouché. »Der könnte uns sehr nützlich sein. Trauen Sie sich zu, drei Banden von jeweils zwanzig Mann aufzustellen?«

»In einem Land, dessen Gemüter noch vom Bürgerkrieg erhitzt sind, kann man jederzeit drei Banden von je sechzig Mann aufstellen. Geht es um einen Zweck, den man offenbaren kann, werden die braven Bürger Ihnen Ihre sechzig Mann stellen, und Sie werden nicht viel mehr dafür benötigen als schöne Worte und hochtrabendes Gerede. Wenn es um einen etwas trüberen Zweck geht, werden Sie dafür weniger reine Gewissen und käufliche Arme finden, doch die sind natürlich kostspieliger.«

Fouché bedachte Dubois mit einem Blick, der bedeutete: »Mein Lieber, da haben Sie einen prächtigen Fund getan«, und zu dem Chevalier sagte er: »Monsieur, innerhalb von zehn Tagen benötigen wir drei Banden von Fußbrennern, zwei im Morbihan, eine in der Vendée, und alle drei sollen in Cadoudals Namen tätig werden. In einer von ihnen soll ein Maskierter sich Cadoudal nennen und so tun, als wäre er der ehemalige bretonische Anführer.«

»Nicht weiter schwierig, aber teuer, wie ich bereits sagte.«

»Genügen fünfzigtausend Francs?«

»O ja, das ist mehr als genug.«

»Dann wäre das geklärt; wenn Sie Ihre drei Banden auf die Beine gestellt haben, könnten Sie dann nach England gehen?«

»Nichts leichter als das, wenn man bedenkt, dass ich englischer Herkunft bin und Englisch wie meine Muttersprache spreche.«

»Kennen Sie Pichegru?«

»Dem Namen nach.«

»Haben Sie Mittel und Wege, sich mit ihm bekannt zu machen?«

»Ja.«

»Wenn ich Sie frage, welche Mittel -«

»Würde ich es Ihnen nicht sagen; auch ich muss meine Geheimnisse haben, sonst wäre ich wertlos für Sie.«

»Sie haben recht. Sie werden nach England reisen, Sie werden Pichegru auf den Zahn fühlen und in Erfahrung bringen, ob er gegebenenfalls nach Paris zurückkehren würde; wenn er es wollte und Geld benötigen sollte, können Sie es ihm im Namen von Fauche-Borel anbieten; merken Sie sich diesen Namen.«

»Der Name des Schweizer Buchhändlers, der ihm schon im Auftrag des Prinzen von Condé Avancen gemacht hat, ich kenne ihn; und wenn er Geld benötigen und nach Paris kommen wollen sollte, an wen habe ich mich dann zu wenden?«

»An Monsieur Fouché auf seinem Landsitz in Pontcarré, merken Sie sich das gut; auf keinen Fall an den Polizeiminister.«

»Und dann?«

»Dann kehren Sie nach Paris zurück, wo Sie weitere Anweisungen erhalten werden. Monsieur Dubois, Sie zahlen dem Chevalier fünfzigtausend Francs aus. Und noch etwas, Chevalier.«

Der Chevalier drehte sich um.

»Wenn Sie Coster Saint-Victor begegnen sollten, bringen Sie ihn dazu, nach Paris zurückzukehren.«

»Droht ihm nicht die Verhaftung?«

»Nein, es wird ihm alles erlassen werden, das dürfen Sie mir glauben.«

»Was soll ich ihm sagen, um ihn zu überzeugen?«

»Dass alle Frauen von Paris ihm nachtrauern und ganz besonders Mademoiselle Aurélie de Saint-Amour; sagen Sie ihm außerdem, seine galante Karriere wäre unvollständig, wenn er nach Barras nicht auch den Ersten Konsul zum Rivalen gehabt hätte. Das wird ihn dazu bewegen, herzukommen, es sei denn, heilige Bande hielten ihn in London fest.«

Als die Tür geschlossen war, ließ Fouché durch eine Ordonnanz folgenden Brief zu Dr. Cabanis bringen:


Mein lieber Doktor,

der Erste Konsul, den ich bei Madame Bonaparte sah, hat äußerst wohlwollend das Begehren der Madame de Sourdis hinsichtlich der Heirat ihrer Tochter aufgenommen, und er schenkt dieser Heirat seine volle Zustimmung.

Unsere liebe Schwester kann Madame Bonaparte den fraglichen Besuch machen, je eher, desto besser.

Seien Sie meiner aufrichtigen Freundschaft versichert, lieber Freund

IHR J. FOUCHÉ Am Tag darauf fand sich Madame de Sourdis in besagter Absicht im Tuilerienpalast ein und stieß auf eine vor Freude jubilierende Joséphine und eine in Tränen aufgelöste Hortense.

Hortenses und Louis Bonapartes Heirat war so gut wie beschlossen, und das war der Grund für Hortenses Kummer und Joséphines Freude.

Was war geschehen?

Als Joséphine aus Bonapartes Gebaren erraten hatte, dass er aus unerfindlichen Gründen guter Laune war, ließ sie ihn bitten, nach seiner Rückkehr vom Staatsrat zu ihr zu kommen.

Doch bei seiner Rückkehr hatte der Erste Konsul Cambacérès vorgefunden, der auf ihn wartete, um ihm Erklärungen zu einigen Punkten des Code Napoléon zu geben, die ihm noch nicht klar genug erschienen.

Sie hatten bis spät in die Nacht gearbeitet, und dann war Junot gekommen, um Bonaparte seine Hochzeit mit Mademoiselle de Permon zu melden.

Diese Heirat stimmte den Ersten Konsul nicht annähernd so zufrieden wie die der Mademoiselle de Sourdis. Zum einen war er früher einmal in Madame de Permon verliebt gewesen und hatte beabsichtigt, sie zu heiraten; Madame de Permon hatte seinen Antrag abgelehnt, und das hatte er ihr nie ganz verziehen; zum anderen hatte er Junot empfohlen, eine reiche Erbin zu ehelichen, und stattdessen hatte Junot die Tochter eines Bankrotteurs gewählt. Die Mutter entstammte einem alten byzantinischen Herrschergeschlecht, und das junge Mädchen, das Bonaparte vertraulich Loulou nannte, war eine Comnène, doch seine Mitgift betrug nicht mehr als fünfundzwanzigtausend Francs.

Bonaparte sagte Junot zu, ihm mit hunderttausend Francs unter die Arme zu greifen. Als Gouverneur von Paris würde er Einkünfte in Höhe von fünfhunderttausend Francs beziehen. Damit musste er auskommen.

Joséphine hatte den ganzen Abend ungeduldig auf ihren Ehemann gewartet, doch dieser hatte mit Junot gespeist und war mit ihm ausgegangen. Um Mitternacht sah sie ihn im Schlafrock und mit einem Seidentuch auf dem Kopf eintreten, was bedeutete, dass er erst am nächsten Morgen in sein Zimmer zurückgehen würde, und die Freude, die sie bezeigte, verriet, dass sie für ihr langes Warten entschädigt werden würde.

Während solcher nächtlichen Besuche erlangte Joséphine all ihren Einfluss auf Bonaparte wieder.

Nie zuvor hatte sie die Heirat Hortenses mit Louis Bonaparte hartnäckiger verlangt, und als der Erste Konsul zurück in seine Räume ging, hatte er so gut wie eingewilligt.

Joséphine hielt Madame de Sourdis zurück, um ihr eingehend von ihrem Glück zu berichten; Claire schickte sie zu Hortense, damit sie diese tröstete.

Claire versuchte gar nicht erst, Trost anzubieten, denn sie wusste nur zu gut, was es sie gekostet hätte, auf Hector zu verzichten.

Sie weinte mit Hortense und riet ihr zu, sich an den Ersten Konsul zu wenden, der sie gewiss zu sehr liebte, um sie in ihr Unglück zu stürzen.

Mit einem Mal kam Hortense ein eigenartiger Gedanke, den sie ihrer Freundin mitteilte – der Gedanke, mit der Erlaubnis ihrer beiden Mütter Mademoiselle Lenormand zu befragen.

Joséphine hatte sie seinerzeit aufgesucht, und es ist bekannt, was sie ihr geweissagt hat.

Und nun wollte Hortense erfahren, ob ihr Traum Wirklichkeit werden würde.

Mademoiselle de Sourdis wurde mit der Aufgabe betraut, den Wunsch der beiden vorzutragen und die Erlaubnis zu erwirken, ihn in die Tat umzusetzen.

Die Verhandlungen dauerten lange. Hortense lauschte an der Tür und unterdrückte ihr Schluchzen.

Claire kam freudig zurück: die Erlaubnis war erteilt, allerdings unter der Bedingung, dass Mademoiselle Louise, Madame Bonapartes erste Kammerfrau, die deren ungeteiltes Vertrauen genoss, den beiden jungen Damen nicht von der Seite wich.

Mademoiselle Louise wurde geholt und mit strengsten Instruktionen versehen. Sie gelobte hoch und heilig, sich daran zu halten, und die jungen Damen bestiegen tiefverschleiert den unauffälligen Wagen ohne Wappen, den Madame de Sourdis für ihre Vormittagsbesuche zu benutzen pflegte.

Der Kutscher wurde angewiesen, vor dem Haus Nummer sechs in der Rue de Tournon zu halten, ohne dass man ihm einen Namen nannte.

Mademoiselle Louise stieg wie angewiesen als Erste aus; sie wusste, dass Mademoiselle Lenormand am Ende des Hofs wohnte, dass man dort drei Stufen die Treppe hinaufgehen und dann an der rechten Tür klopfen musste.

Sie klingelte, man öffnete, ließ sie eintreten und führte sie auf Mademoiselle Louises Bitte in einen kleinen Raum, der normalerweise den Besuchern nicht zugänglich war.

Die jungen Mädchen wurden aufgefordert, nacheinander einzutreten, in der Reihenfolge der ersten Buchstaben ihres Nachnamens, denn Mademoiselle Lenormand wurde nie in Anwesenheit mehrerer Personen tätig.

So kam es, dass Hortense Beaumarchais die Erste war.

Nach einer halben Stunde des Wartens wurde sie vorgelassen.

Mademoiselle Louise war schrecklich nervös, da man ihr eingeschärft hatte, keines der jungen Mädchen aus den Augen zu lassen. Blieb sie bei Claire, entwischte ihr Hortense. Begleitete sie Hortense, entzog sich Claire ihrer Aufsicht.

Die Frage war so wichtig, dass man sie mit Mademoiselle Lenormand erörterte, die einen Vorschlag hatte, wie alles unter einen Hut gebracht werden konnte.

Mademoiselle Louise blieb bei Claire, doch die Tür zu dem Kabinett wurde nicht geschlossen, so dass Hortense sichtbar blieb, gleichzeitig aber weit genug von ihren Begleiterinnen entfernt war, dass diese die leise gemurmelten Worte der Seherin nicht vernehmen konnten.

Selbstverständlich hatte Hortense darum gebeten, dass alle Tarotkarten gelegt wurden.

Was Mademoiselle Lenormand in ihren Karten sah, schien sie stark zu beeindrucken; ihre Gesten und ihr Gesichtsausdruck kündeten von wachsendem Erstaunen.

Als sie ihre Karten abgelegt und sich die Handfläche des jungen Mädchens genau angesehen hatte, erhob sie sich und sagte nachdrücklich einen einzigen Satz zu Hortense, den diese mit sichtlich ungläubiger Miene vernahm.

Auf alle weiteren Fragen Hortenses blieb die Pythia stumm und sagte nur die Worte: »Das Orakel hat gesprochen, glauben Sie dem Orakel!«

Dann bedeutete sie ihr mit einer Handbewegung, dass sie gehen und ihrer Freundin Platz machen solle.

Obwohl Mademoiselle de Beauharnais die Idee gehabt hatte, Mademoiselle Lenormand aufzusuchen, war Claire durch das, was sie mit angesehen hatte, fast ebenso neugierig geworden wie ihre Freundin, und sie ließ sich nicht zweimal bitten, das Allerheiligste der Prophetin zu betreten.

Doch dass ihr Schicksal Mademoiselle Lenormand nicht weniger erstaunen würde als das ihrer Freundin Hortense, damit hatte Claire nicht gerechnet.

Mit der Sicherheit einer Frau, die weiß, was sie tut, und die zögert, etwas zu sagen, was völlig unwahrscheinlich klingt, mischte Mademoiselle Lenormand ihre Karten dreimal neu, betrachtete die rechte Handfläche und dann die linke, entdeckte beide Male die Linie des gebrochenen Herzens, die Glückslinie, die bis zur Herzlinie verläuft und sich bei Saturn verzweigt, und dann sprach sie so feierlich, wie sie Mademoiselle de Beauharnais geweissagt hatte, ihr Orakel für Mademoiselle de Sourdis, die daraufhin totenbleich und mit tränennassen Augen zu Mademoiselle Louise und Hortense zurückkehrte.

Solange sie unter dem Dach Mademoiselle Lenormands weilten, hatten die jungen Mädchen kein Wort gesagt und einander keine Fragen gestellt. Man hätte meinen können, sie fürchteten, ein Wort oder eine Frage müssten das Haus unweigerlich zum Einsturz bringen.

Doch sobald sie im Wagen saßen und der Kutscher seine Pferde lostraben ließ, fragten beide wie aus einem Mund: »Was hat sie Ihnen gesagt?«

Hortense, die als Erste bei der Seherin gewesen war, antwortete zuerst. »Sie hat gesagt: ›Du wirst die Frau eines Königs und die Mutter eines Kaisers, und du wirst im Exil sterben.‹ Und was hat sie dir gesagt?«, fragte sie neugierig.

»Sie hat gesagt: ›Du wirst vierzehn Jahre lang die Witwe eines Lebenden sein und dein restliches Leben lang die Gattin eines Toten!‹«


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