17 Die Höhlen von Ceyzériat

Als Diana in Paris ankam, erbat sie eine Audienz bei dem Ersten Konsul Bonaparte. Es war wenige Tage nach Rolands Rückkehr von seinen Verhandlungen mit Cadoudal. Roland interessierte sich bekanntlich nicht sonderlich für Frauen. Er sah Porcia, zerbrach sich jedoch nicht weiter den Kopf über sie. Möglicherweise hielt er sie gar nicht für eine Frau, sondern für einen Chouan. Barras war entmachtet, und Diana verschwendete keinen Gedanken an ihn.

In ihrem Audienzbegehren gab sie an, sie wisse, wie man der Compagnons de Jéhu habhaft werden könne, und sie sei bereit, unter bestimmten Bedingungen, die sie mit dem Ersten Konsul persönlich auszumachen wünsche, dieses Wissen zu offenbaren.

Bonaparte verabscheute nichts mehr als Frauen, die sich in die Politik einmischten.

Er befürchtete, es mit einer Abenteurerin zu tun zu haben, und ließ ihren Brief Fouché übergeben, den er beauftragte, sich diese Mademoiselle Diana de Fargas näher anzusehen.


Kennen Sie Fouché, Mademoiselle?«, fragte Hector, der seinen Bericht unterbrach.

»Nein, Monsieur«, antwortete Claire.

»Er ist der Inbegriff der Abscheulichkeit. Augen wie aus Stein, die in verschiedene Richtungen blicken, gelbe, spärliche Haare, ein aschfarbener Teint, eine platte Nase, ein schiefer Mund voller scheußlicher Zähne, ein fliehendes Kinn und ein rötlicher Bart, der wie Schmutz im Gesicht klebt – das ist Fouché.


Das Schöne ekelt sich naturgemäß vor dem Hässlichen.

Als Fouché sich bei Diana einfand, halb unterwürfig, halb anmaßend und durchdrungen von der geheuchelten Demut des einstigen Zöglings des Priesterseminars, weckte er in ihr höchsten moralischen und physischen Abscheu.

Man hatte ihr den Polizeiminister angekündigt; dieser Titel öffnete alle Türen und hatte Fouché auch Dianas Tür geöffnet; als sie jedoch dieses Scheusal erblickte, schrak sie instinktiv auf ihrem Kanapee zurück und vergaß sogar, Fouché zum Sitzen aufzufordern.

Er nahm sich ungefragt einen Sessel; und da Diana ihn weiterhin mit unverhüllt angewiderter Miene betrachtete, sagte er: ›Nun, kleine Dame, wir haben also Enthüllungen, die wir der Polizei machen wollen, und einen Handel, den wir ihr anzubieten gedenken?‹

Diana sah sich mit solchem Erstaunen um, dass der gewandte Politiker begriff, dass diese Verwunderung nicht gespielt war. ›Wonach suchen Sie?‹, fragte er.

›Nach der Person, an die Sie sich wenden, Monsieur.‹

›Das sind Sie, Mademoiselle‹, erwiderte Fouché dreist.

›Da täuschen Sie sich, Monsieur‹, sagte Diana. ›Ich bin keine kleine Dame, ich bin eine große Dame, Tochter des Grafen von Fargas, der in Avignon ermordet wurde, und Schwester des Vicomte de Fargas, der in Bourg ermordet wurde. Ich bin nicht gekommen, um der Polizei Enthüllungen zu machen oder irgendeinen Handel anzubieten. So etwas überlasse ich denen, die in der bedauernswerten Lage sind, ihre Leiter oder Angestellten zu sein. Ich kam, um Gerechtigkeit zu verlangen‹, sagte sie und erhob sich, ›und da ich bezweifle, dass Sie mit dieser keuschen Göttin auch nur entfernt zu tun haben, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie zu der Einsicht gelangen wollten, dass Sie sich offenbar in der Tür geirrt haben, als Sie zu mir kamen.‹

Und als sie sah, dass Fouché sich nicht von der Stelle rührte – sei es vor Verblüffung, sei es aus Dreistigkeit -, verließ sie den Salon und ging in ihr Zimmer, das sie verriegelte.

Zwei Stunden später kam Roland de Montrevel, um sie im Auftrag des Ersten Konsuls abzuholen.

Roland führte sie mit aller Höflichkeit, die ihn seine vornehme Erziehung unter der Aufsicht seiner Mutter Damen gegenüber gelehrt hatte, in den Audienzsalon, dann ging er, Bonaparte zu benachrichtigen.

Nach wenigen Minuten erschien der Erste Konsul. ›So, so!‹, sagte er, als Diana sich verneigte, was er mit einem wohlwollenden Nicken erwiderte, ›hat dieser Bauernstoffel Fouché mal wieder gedacht, er hätte es mit einer seiner Straßendirnen zu tun, und sich Ihnen gegenüber höchst unpassend aufgeführt? Sie müssen ihn entschuldigen: Was kann man anderes von einem ehemaligen Oratorianerhilfslehrer erwarten?‹

›Ich habe nichts anderes erwartet, Citoyen Erster Konsul, doch von Ihnen hätte ich einen anderen Boten erwarten dürfen.‹

›Sie haben recht‹, sagte Bonaparte, ›und Sie haben mir weiß Gott zwei Lektionen auf einmal erteilt. Da bin ich nun: Sprechen Sie; es scheint, als hätten Sie mir etwas Interessantes mitzuteilen.‹

›Sie können nicht zuhören, ohne sich zu bewegen; mir ist wichtig, dass Sie zuhören; wollen wir auf und ab gehen?‹

›Gehen wir‹, sagte Bonaparte. ›Das missfällt mir so an den Frauen: Wenn ich ihnen eine Audienz gewähre, wollen sie sitzen.‹

›Mag sein. Aber wenn man zwei Jahre lang Ordonnanz bei Cadoudal war, ist einem das Gehen selbstverständlich.‹

›Sie waren zwei Jahre lang Ordonnanz bei Cadoudal?‹

›Ja.‹

›Und wie kommt es, dass mein Aide de Camp Roland Sie weder gesehen noch von Ihnen gehört hat?‹

›Das kommt daher, dass man mich in der Bretagne nur unter dem Namen Porcia kennt und dass ich mich die ganze Zeit, die er in Cadoudals Nähe war, ferngehalten habe.‹

›Aha! Dann haben Sie sich einen Dolch durch den Arm gestoßen, um Ihre Aufnahme in die Reihen der Chouans zu bewirken?‹

›Hier ist die Narbe‹, sagte Diana und streifte den Ärmel ihres Kleides zurück.

Bonaparte warf einen Blick, der nur der Narbe galt, auf ihren herrlichen Arm. »Das ist eine merkwürdige Verwundung‹, sagte er.

›Der Dolch, der sie geschlagen hat, ist noch merkwürdiger‹, sagte Diana. ›Hier ist er.‹ Und sie zeigte dem Ersten Konsul den Eisendolch der Compagnons de Jéhu.

Bonaparte ergriff ihn und betrachtete aufmerksam das Messer, von dessen starrer Form etwas Schreckliches ausging. ›Und woher haben Sie diesen Dolch?‹, fragte er.

›Aus der Brust meines Bruders, in dessen Herzen er steckte.‹

›Erzählen Sie, aber schnell, meine Zeit ist kostbar.‹

›Nicht kostbarer als die der Frau, die seit zwei Jahren auf ihre Rache wartet.‹

›Sind Sie Korsin?‹

›Nein, aber ich spreche zu einem Korsen; er wird mich verstehen.‹

›Was wollen Sie?‹

›Ich will das Leben derer, die meinem Bruder das seine genommen haben. ‹

›Wer ist es?‹

›Ich sagte es in meinem Brief, es sind die Compagnons de Jéhu.‹

›Sie haben auch gesagt, Sie wüssten, wie man sie gefangen nehmen kann.‹

›Ich habe ihre Parolen und zwei Briefe, einen von Cadoudal, einen von Coster Saint-Victor, an ihren Anführer Morgan.‹

›Sind Sie sicher, dass Sie sie ergreifen werden?‹

›Völlig sicher, vorausgesetzt, man stellt mir einen tapferen und intelligenten Mann zur Seite, beispielsweise Monsieur Roland de Montrevel, und genügend Soldaten.‹

›Und Sie sagten, Sie würden Ihre Bedingungen nennen: Wie lauten sie?‹

›Erstens, dass ihnen keine Gnade gewährt wird.‹

›Diebe und Mörder begnadige ich grundsätzlich nicht.‹

›Zweitens, dass man mich den Auftrag, den ich auszuführen habe, auch ausführen lässt.‹

›Wie lautet er?‹

›Ich soll das Geld abholen, das Cadoudal benötigt und das der Grund ist, warum er mir seine Geheimnisse anvertraut hat.‹

›Sie verlangen, nach eigenem Gutdünken über dieses Geld zu verfügen? ‹

›Ah! Citoyen Erster Konsul‹, sagte Mademoiselle de Fargas, ›mit diesen Worten haben Sie die gute Erinnerung geschmälert, die ich mir ansonsten von unserer Unterhaltung bewahrt hätte.‹

›Was zum Teufel wollen Sie mit diesem Geld anstellen?‹

›Ich will sichergehen, dass es seiner Bestimmung zugeführt wird.‹

›Ich soll Ihnen gestatten, denjenigen Geld zu schicken, die gegen mich Krieg führen? Niemals!‹

›Dann gestatten Sie mir, mich von Ihnen zu verabschieden, General, denn wir haben nichts mehr zu besprechen.‹

›Oho! Was für ein Dickkopf!‹, rief Bonaparte.

›Nicht mit dem Kopf weist man schändliche Ansinnen zurück, sondern mit dem Herzen.‹

›Ich kann doch nicht allen Ernstes meinen Gegnern Waffen liefern!‹

›Haben Sie volles Vertrauen in Monsieur Roland de Montrevel?‹

›Ja.‹

›Und Sie wissen, dass er nichts tun wird, was Ihrer Ehre und Frankreichs Interessen abträglich sein könnte?‹

›Selbstverständlich.‹

›Nun, dann beauftragen Sie ihn mit diesem Unternehmen. Ich werde mich mit ihm darüber verständigen, wie wir es durchführen wollen, und mit ihm die Bedingungen aushandeln, unter denen ich mich daran beteilige. ‹

›Gut‹, sagte Bonaparte. Und ohne zu zaudern, wie er in allen Dingen zu handeln pflegte, rief er Roland herbei, der vor der Tür wartete: ›Komm zu uns, Roland!‹

Roland trat ein.

›Du hast unbeschränkte Vollmachten, handele im Einverständnis mit Madame, und schaffe mir endlich diese Herren Straßenräuber vom Halse, die unsere Postkutschen anhalten und ausrauben und sich dabei als untadelige Edelmänner gerieren.‹

Dann, mit der Andeutung einer Verbeugung, wandte er sich an Diana de Fargas. ›Vergessen Sie nicht‹, sagte er, ›dass ich Sie mit größtem Vergnügen wiedersehen werde, wenn Sie Erfolg haben.‹

›Und wenn ich scheitern sollte?‹

›Geschlagene kenne ich nicht.‹

Obwohl Roland nichts für Operationen übrig hatte, an denen Frauen beteiligt waren, stand Diana de Fargas ihrem Geschlecht so fern, dass er sie von Anfang an wie einen wackeren Kameraden behandelte, mit einer Vertraulichkeit, die ihr ebenso zusagte, wie ihr Fouchés Dreistigkeit widerstrebt hatte. Innerhalb von einer Stunde hatten sie alles besprochen und beschlossen, noch am Abend auf verschiedenen Wegen nach Bourg-en-Bresse aufzubrechen, wo sie ihr Hauptquartier aufschlagen wollten.

Man kann sich denken, dass Diana de Fargas, die sich wieder als Chouan gekleidet hatte und sich Porcia nannte, im Besitz aller erforderlichen Auskünfte, des bindenden Befehls, der Parolen und der Briefe Cadoudals und Coster Saint-Victors ohne Schwierigkeiten in die Kartause von Seillon eindringen konnte, in der sich die vier Anführer der Compagnons de Jéhu versammelt hatten.

Keiner von ihnen ließ sich träumen – nicht dass es sich um eine Frau handelte, was trotz der Männerkleidung leicht zu erkennen war, sondern dass es sich bei dieser Frau um Mademoiselle de Fargas handelte, die Schwester desjenigen, den sie ermordet hatten, um ihn für seinen Verrat zu bestrafen.

Da der Geldbetrag, den Cadoudal verlangte – hunderttausend Francs -, in der Abtei von Seillon nicht vollständig vorrätig war, verabredeten die Anführer sich für Mitternacht in den Höhlen von Ceyzériat, um Diana dort die fehlenden vierzigtausend Francs auszuhändigen.

Nachdem Diana Roland davon unterrichtet hatte, ließ dieser sofort den Gendarmeriehauptmann und den Dragoneroberst rufen, die in der Stadt stationiert waren.

Als sie eintrafen, wies er sich aus. In dem Dragoneroberst fand er ein passives Instrument vor; er stellte sich samt der Anzahl Soldaten, die Roland verlangen würde, zur Verfügung doch anders verhielt es sich mit dem Gendarmeriehauptmann, einem alten Haudegen voller Hass auf die Compagnons de Jéhu, die ihn, wie er sagte, seit drei Jahren zum Narren hielten.

Zehnmal hatte er sie erspäht, erblickt, verfolgt, und jedes Mal waren sie ihm entkommen, wie der alte Soldat gestehen musste, sei es, weil sie die besseren Pferde hatten, sei es, weil sie schlauer, geschickter oder strategisch überlegen waren.

Einmal war er zufällig im Wald von Seillon auf ihre Fährte gestoßen, ohne dass sie damit rechneten: Tapfer hatten sie sich dem Kampf gestellt, hatten drei seiner Männer getötet und sich mit zwei Verwundeten zurückgezogen.

Er hatte jede Hoffnung aufgegeben, ihrer jemals Herr zu werden, und hegte nur noch einen Wunsch, nämlich den, nie wieder von der Regierung gezwungen zu werden, sich mit ihnen zu befassen, als Roland ihn aus seiner Ruhe weckte oder, besser gesagt, aus dem Stupor riss, in den die Verzweiflung ihn gestürzt hatte.

Doch als Roland die Höhlen von Ceyzériat als den Treffpunkt erwähnte, der seiner Gefährtin genannt worden war, blickte der alte Hauptmann ihn nachdenklich an, nahm dann seinen Dreispitz ab, als wäre dieser dem ungehinderten Entfalten seiner Gedanken hinderlich, legte ihn auf den Tisch, blinzelte und sagte: ›Warten Sie, warten Sie! Die Höhlen von Ceyzériat, die Höhlen von Ceyzériat … die halten wir.‹

Und er setzte seinen Hut wieder auf.

Der Dragoneroberst lächelte von einem Ohr zum anderen. ›Er hält sie!‹, sagte er.

Roland und Diana wechselten einen zweifelnden Blick. Sie hatten keineswegs das gleiche Vertrauen wie der Oberst in den alten Hauptmann.

›Erklären Sie uns das‹, sagte Roland.

›Als die Demagogen die Kirche von Brou zerstören wollten‹, sagte der alte Hauptmann, ›hatte ich einen Einfall …‹

›Das wundert mich nicht‹, sagte Roland.

›Ich wollte nicht nur unsere Kirche retten, sondern auch die herrlichen Grabmale, die sich in ihr befinden.‹

›Und wie?‹, fragte Roland.

›Indem ich die Kirche zum Furagemagazin für die Kavallerie erklärte.‹

›Ich verstehe‹, sagte Roland, ›das Heu hat den Marmor gerettet. Sie haben recht, mein Freund, das ist ein Einfall.‹

›Und da die Kirche mir zugeteilt war, wollte ich sie in allen Einzelheiten erkunden.‹

›Hauptmann, wir lauschen Ihnen andächtig.‹

›Nun, am Ende der Krypta entdeckte ich eine kleine Tür, durch die man in ein Untergeschoss gelangt, und nach einem Weg von etwa einer Viertelmeile mündet dieses Untergeschoss, das mit einem Gitter verschlossen ist, in die Höhlen von Ceyzériat.‹

›Ha!‹, rief Roland. ›Ich beginne zu verstehen.‹

›Ich verstehe gar nichts‹, sagte der Dragoneroberst.

›Es ist doch sonnenklar‹, warf Mademoiselle de Fargas ein.

›Erklären Sie es dem Oberst, Diana‹, sagte Roland, ›und zeigen Sie ihm, dass Sie nicht vergebens zwei Jahre lang Aide de Camp bei Cadoudal waren. ‹

›Ja, erklären Sie es mir‹, sagte der Oberst, der die Beine spreizte, sich auf seinen Säbel stützte und die Augen weit aufriß, so dass er beim Anblick des Himmels blinzeln musste.

›Gut‹, sagte Mademoiselle de Fargas. ›Der Hauptmann durchquert mit zehn oder fünfzehn Mann die Kirche von Brou und nimmt Aufstellung am Ende des Untergeschosses. Wir greifen mit etwa zwanzig Mann vom Höhleneingang aus an. Die Compagnons de Jéhu werden durch den zweiten Zugang fliehen wollen, von dem sie wissen, und dort werden sie auf den Hauptmann und seine Männer stoßen, so dass sie in der Falle stecken.‹<

›Meiner Treu! Ganz genau! Das ist es!‹, rief der Hauptmann voller Bewunderung, dass eine Frau seinen Plan erraten hatte.

›Wie dumm von mir!‹, sagte der Dragoneroberst und schlug sich mit der Hand vor die Stirn.

Roland nickte unauffällig, aber zustimmend. Dann wandte er sich an den Hauptmann: ›Aber worauf es ankommt, Hauptmann, ist, dass Sie zuerst da sind und durch die Kirche kommen. Die Gefährten Jéhus werden sich erst in der Dunkelheit in die Höhlen begeben und zweifellos von der anderen Seite aus. Ich werde mit Mademoiselle de Fargas kommen, als Chouans verkleidet. Ich werde die vierzigtausend Francs an mich nehmen, mich mittels der Parole den zwei Wächtern nähern und sie erdolchen. Das Geld werden wir verstecken und unter Bewachung eines Gendarmen zurücklassen. Dann kehren wir in die Höhle zurück und greifen die Compagnons de Jéhu an. Sie werden zu fliehen versuchen und hinter dem Gitter auf den Hauptmann und seine Gendarmen treffen, die ihnen den Weg versperren; sie werden in der Falle sitzen und sich entweder ergeben oder bis zum letzten Mann erschießen lassen müssen.‹

›Ich werde vor Tagesanbruch auf meinem Posten sein‹, sagte der Hauptmann. ›Ich nehme Lebensmittel für den ganzen Tag mit, und am Abend geht es auf in den Kampf!‹

Er zog den Säbel, führte einen Fechthieb gegen die Mauer und steckte den Säbel wieder in die Scheide.

Roland wartete, bis die heroische Geste ausgekostet war, und klopfte dem alten Soldaten dann auf die Schulter. ›An Ihrem Plan und an meinem gibt es nichts zu verändern. Um Mitternacht werden Mademoiselle de Fargas und ich in die Höhlen eindringen, um unser Geld in Empfang zu nehmen, und eine Viertelstunde später, beim ersten Gewehrschuss, den Sie hören: Auf in den Kampf, wie Sie sagen, mein lieber Hauptmann!‹

›Auf in den Kampf!‹, rief der Dragoneroberst wie ein Echo.

Roland wiederholte nochmals alles, was man vereinbart hatte, damit jeder sich gut einprägte, was er zu tun hatte, und verabschiedete sich dann von den beiden Offizieren, die er erst am Schauplatz ihres Kampfes wiedersehen würde.

Alles ging vor sich wie vereinbart.

Diana de Fargas und Roland betraten unter dem Namen und in der Kleidung von Bruyère und von Branche-d’Or die Höhlen von Ceyzériat, nachdem sie das Passwort mit den zwei Wachen getauscht hatten, die am Fuß des Hügels und am Eingang der Höhle stationiert waren.

Doch eine unerwartete Schwierigkeit stellte sich heraus: Morgan war in dringenden Angelegenheiten abwesend. Monbart und die zwei anderen Anführer d’Assas und Adler führten in seiner Abwesenheit das Kommando.

Sie hegten keinerlei Argwohn und übergaben Diana und Roland die vierzigtausend Francs.

Den getroffenen Vorbereitungen ließ sich ablesen, dass die Compagnons de Jéhus die Nacht in der Höhle verbringen wollten.

Doch ihr Oberhaupt war nicht da.

Wenn Roland und Diana ihr Coup gelänge, wäre der Erfolg dadurch geschmälert, dass sie Morgan nicht mit den anderen zusammen einfingen. Vielleicht käme Morgan im Verlauf der Nacht zurück, aber wann?

Alles war in die Wege geleitet, und es wäre sicherlich besser, drei Anführer zu fassen, als alle vier entwischen zu lassen. Und solange der vierte nicht das Land verließ, würde man ihn als Einzelnen leichter fassen können als vier Anführer mit ihren Helfern. Vielleicht würde er sich sogar stellen, wenn er keinen Rückhalt mehr hatte.

Zwei Blicke, zwischen Roland und Diana getauscht, genügten, und sie wussten, dass sich an ihren Plänen nichts geändert hatte.

Roland näherte sich der Wache und nannte das Passwort. Nach wenigen Sekunden taumelte die Wache und fiel mit dem Gesicht zu Boden. Roland hatte sie erstochen.

Die zweite Wache fiel wie die erste ohne einen Laut.

Und dann erschienen auf das vereinbarte Signal hin der Oberst und seine zwanzig Mann. Der Oberst war kein Mann von Geist, aber ein tapferer alter Haudegen, auf den nicht weniger Verlass war als auf seinen Säbel. Diesen Säbel zog er aus der Scheide und stellte sich an die Spitze seiner Männer. Roland ging zu seiner Rechten, Diana zu seiner Linken.

Sie hatten sich keine zwanzig Schritte vorwärtsbewegt, als zwei Gewehrschüsse ertönten: einer der Wegelagerer, die Montbar nach Ceyzériat geschickt hatte, war auf Rolands Dragoner gestoßen.

Die eine Kugel traf nicht, die andere zerschmetterte einem Mann den Arm.

Dann der Ruf: ›Zu den Waffen!‹

Im nächsten Augenblick zeigte sich im Lichtschein der brennenden Fackeln in einer der Kammern links und rechts des Hauptteils der Grotte ein Mann, der mit rauchendem Gewehr in der Hand um sein Leben rannte. ›Zu den Waffen!‹, schrie er. ›Zu den Waffen! Die Dragoner kommen!‹

›Ich bin der Kommandant!‹, rief Montbar. ›Löscht alle Lichter und zieht euch in die Kirche zurück.‹

Seine Männer gehorchten so prompt, wie man es tut, wenn man die Gefahr erkannt hat.

Montbar, der mit den verschlungenen Gängen der Höhlen vertraut war, verschwand darin mit seinen Gefährten, doch mit einem Mal war ihm, als höre er keine vierzig Schritte entfernt ein leise geäußertes Kommando und danach das Klicken, mit dem Gewehre geladen werden.

›Halt!‹, flüsterte er mit ausgebreiteten Armen.

›Feuer!‹, befahl eine Stimme.

›Flach auf den Boden!‹ rief Montbar.

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, erleuchtete eine gewaltige Detonation die Höhle. Alle, die sich auf Montbars Befehl zu Boden geworfen hatten, spürten, wie die Kugeln über ihre Köpfe sausten. Zwei, drei Männer, die sich nicht rechtzeitig geduckt hatten oder den Befehl nicht verstanden hatten, wurden getötet.

In dem kurzzeitigen Lichtschein erkannten Montbar und seine Gefährten die Uniformen der Gendarmen.

›Feuer!‹, rief nun seinerseits Montbar; zwölf oder mehr Gewehrschüsse ertönten und erhellten abermals die Höhle.

Drei Compagnons de Jéhu lagen reglos da.

›Sie haben uns den Rückzug abgeschnitten‹, sagte Montbar. ›Wir müssen kehrtmachen; wenn wir überhaupt eine Chance haben, dann dem Wald entgegen.‹<

Er lief los, gefolgt von seinen Gefährten.

Eine zweite Gewehrsalve der Gendarmen war zu hören; ein Seufzen und das Geräusch eines Körpers, der zu Boden fiel, verrieten, dass sie nicht folgenlos geblieben war.

›Voran, Freunde‹, rief Montbar, ›verkaufen wir ihnen unsere Haut so teuer wie möglich!‹

Doch je weiter er vordrang, desto stärker fiel Montbar Rauchgeruch auf, der ihn beunruhigte. ›Mir scheint, diese Schufte wollen uns ausräuchern‹, sagte er.

›Das hatte ich befürchtet‹, sagte Adler.

›Sie glauben wohl, sie hätten es mit Füchsen zu tun.‹

›Unsere Krallen werden ihnen zeigen, dass wir Löwen sind.‹

Der Rauch wurde immer dichter, der Feuerschein greller. Sie erreichten die letzte Wegbiegung.

Fünfzig Schritt vor dem Höhleneingang war ein Scheiterhaufen entzündet, nicht um sie auszuräuchern, sondern um Licht zu spenden. Im Feuerschein sah man die Karabinergewehre und Säbel der Soldaten schimmern.

›Auf‹, rief Montbar, ›sterben wir, aber töten wir zuerst!‹

Und er stürzte sich als Erster in den Lichtschein und schoss beide Läufe seines Jagdgewehrs auf die Dragoner ab. Dann schleuderte er sein nutzlos gewordenes Gewehr fort, zog die Pistolen aus dem Gürtel und warf sich mit gesenktem Kopf den Dragonern entgegen.

Ich will gar nicht erst versuchen«, fuhr der junge Graf fort, »Ihnen zu schildern, was sich daraufhin ereignete; es war ein entsetzliches Handgemenge, begleitet von einem Orkan der Verwünschungen, Gotteslästerungen und Schreie der Verwundeten, als dessen Blitze Pistolenschüsse den Rauch durchzuckten; und als die Pistolen abgeschossen waren, wurde zum Dolch gegriffen.

Die Gendarmen kamen mittlerweile hinzu und mischten sich unter die Kämpfenden, über die sich roter Rauch senkte, dann hob und sich wieder senkte. Wutgeheul war zu hören, Todesröcheln, das Seufzen Sterbender.

Dieses Gemetzel währte eine Viertelstunde oder vielleicht zwanzig Minuten; dann sah man in den Höhlen von Ceyzériat zwanzig Tote liegen: dreizehn Dragoner und Gendarmen, neun Compagnons de Jéhu.

Fünf Compagnons hatten überlebt; von der Übermacht überwältigt, von Wunden bedeckt, waren sie lebendigen Leibes gefangen genommen worden. Mademoiselle de Fargas bedachte sie mit dem Blick der antiken Nemesis. Die verbliebenen Gendarmen und Dragoner umringten sie mit gezücktem Säbel.

Der alte Hauptmann hatte einen gebrochenen Arm, dem Oberst war eine Kugel durch den Oberschenkel gefahren. Roland, über und über vom Blut seiner Gegner bespritzt, hatte keinen Kratzer abbekommen.

Zwei der Gefangenen mussten auf Bahren getragen werden.

Fackeln wurden entzündet, und man machte sich auf den Weg in die Ortschaft. Als man die Landstraße erreichte, war ein galoppierendes Pferd zu vernehmen. Roland blieb stehen und versperrte die Straße. ›Geht weiter‹, sagte er zu den anderen, ›ich werde abwarten, wer der Reiter ist.‹

›Wer da?‹, rief Roland, als der Reiter keine zwanzig Schritte mehr entfernt war.

›Ein weiterer Gefangener, Monsieur‹, erwiderte der Reiter. ›Ich konnte an dem Kampf nicht teilnehmen. Aber ich will das Schafott mit den anderen teilen! Wo sind meine Freunde?‹

›Dort, Monsieur‹, sagte Roland.

›Verzeihen Sie‹, sagte Morgan zu den Gendarmen, ›ich verlange einen Platz unter meinen drei Freunden, dem Vicomte de Jahiat, dem Grafen von Valensolles und dem Marquis de Ribier. Ich bin der Graf Charles de Sainte-Hermine.‹

Die drei Gefangenen stießen einen Ruf der Bewunderung aus, und in diesen Ruf mischte sich Dianas Freudenschrei. Sie hielt ihre Beute gepackt: Keiner der vier Anführer war ihr entkommen.

Am selben Abend wurden die vierhunderttausend Francs der Compagnons de Jéhu in die Bretagne expediert, wie Roland es Cadoudal zugesagt hatte.

Rolands Auftrag war beendet; die Compagnons de Jéhu waren der Justiz überantwortet. Roland kehrte zum Ersten Konsul zurück, reiste in die Bretagne, wo er sich erfolglos bemühte, Cadoudal für die Sache der Republik zu gewinnen, kehrte nach Paris zurück, begleitete den Ersten Konsul auf seinem Feldzug in Italien und fiel in der Schlacht von Marengo.

Diana de Fargas war zu verstrickt in ihren Hass und zu rachedurstig, als dass sie darauf verzichtet hätte, diese bis zur Neige auszukosten. Der Prozess stand bevor, sollte schnell geführt und mit einer vierfachen Hinrichtung beendet werden, der sie unbedingt beiwohnen wollte.

In Besançon von der Verhaftung meines Bruders informiert, eilte ich nach Bourg-en-Bresse, wo die Geschworenen tagen würden.

Die Untersuchung nahm ihren Verlauf.

Es gab insgesamt sechs Gefangene, die fünf aus der Höhle und den, der sich freiwillig gestellt hatte. Zwei waren so schwer verwundet, dass sie innerhalb von acht Tagen nach ihrer Festnahme an ihren Verletzungen starben.

Sie hätten von einem Militärgericht abgeurteilt und zum Tod durch Erschießen verurteilt gehört, doch das verhinderte das Gesetz, dem zufolge seit Neuestem politische Verfahren von Zivilgerichten zu führen waren. Die Hinrichtungsform der Zivilgerichte war das Schafott.

Die Guillotine ist entehrend, das Füsilieren ist es nicht. Vor einem Militärtribunal hätten die Gefangenen alles gestanden; vor dem Zivilgericht stritten sie alles ab.

Unter den Namen d’Assas, d’Adler, de Montbar und de Morgan verhaftet, erklärten sie, diese Namen noch nie gehört zu haben und folgendermaßen zu heißen: Louis-André de Jahiat, geboren in Bâgé-le-Châtel, Departement Ain, siebenundzwanzig Jahre alt; Raoul-Frédéric-Auguste de Valensolles, geboren in Sainte-Colombe, Departement Rhône, neunundzwanzig Jahre alt; Pierre-Auguste de Ribier, geboren in Bollène, Departement Vaucluse, sechsundzwanzig Jahre alt, und Charles de Sainte-Hermine, geboren in Besançon, Departement Doubs, vierundzwanzig Jahre alt.


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