107 Der letzte Kampf

Als die Verfolger die Grafschaft Molise erreichten, sah die Landschaft aus, als hätte eine unvorstellbare Katastrophe sie heimgesucht, denn einige Zeit zuvor hatte ein Erdbeben die Provinz erschüttert; die geflohenen Bewohner kehrten nach und nach in ihre zerstörten Häuser zurück; andere hatten in hastig errichteten Baracken Schutz gesucht; doch Major Hugo, der schon oft mit ihnen zu tun gehabt hatte, wusste, wie gutwillig und gastfreundlich sie waren; er zweifelte keinen Augenblick lang daran, dass sie alles tun würden, um ihm zu helfen, und die Bauern, die er als Kuriere beschäftigte, waren ohne Ansehen der Gefahr Tag und Nacht unermüdlich unterwegs, um Fragen zu überbringen und Antworten zurückzubringen. Überall boten sich die Nationalgardisten als Führer und als Kundschafter an, ohne sich darum zu scheren, dass ihre Häuser dem Erdboden gleichgemacht waren oder welches Unglück ihnen widerfahren war; dies erstaunte Fra Diavolo nicht wenig, und es erschreckte ihn zu sehen, dass seine Landsleute zu seinen Feinden wurden.

Einer unbezwingbaren Macht gehorchend, sah der Bandit sich genötigt, nicht dem eigenen Plan zu folgen, sondern dem Willen seines Widersachers, und schon bald erfuhr Major Hugo, dass die Briganten, denen seine Truppen von allen Seiten nachsetzten, in das Bojanotal hinunterstiegen.

Das Wetter war abscheulich; Bäche und Flussläufe strömten wild und unberechenbar. Bei jedem Schritt traf man auf einen Wasserlauf, den es zu überqueren galt, und oft reichte das Wasser den Soldaten bis zum Gürtel. Der Biferno, der normalerweise nicht mehr als zwei Fuß Wasser führt, war so gestiegen, dass Fra Diavolo in der Falle gesteckt hätte, wenn die Nationalgarde von Cinchiaturo rechtzeitig eingetroffen wäre, um die Brücke zu halten, denn den Fluss konnte man unmöglich durchwaten.

An einem Tag, der aus Regenguss um Regenguss bestand, trafen die Soldaten des afrikanischen Korps und die Männer Fra Diavolos zwischen Bojano und dem Dorf La Guardia aufeinander; die Soldaten Major Hugos, von ihm befehligt, kämpften gegen eine vierfache Übermacht. Glücklicherweise stießen die anderen Kolonnen, die Fra Diavolo verfolgten, eine nach der anderen hinzu und mischten sich in die Kampfhandlungen; doch die anhaltenden Regenstürme führten dazu, dass nur noch mit Gewehrkolben, Bajonetten und Dolchen gekämpft wurde.

Dieser scheußliche Kampf oder eher dieses gewaltige Duell, in dem jeder seinen Gegner tötete oder von ihm getötet wurde, währte länger als zwei Stunden; nach wahren Wundern an Mut und Hartnäckigkeit konnten die Banditen zuletzt zerstreut werden; von den fünfzehnhundert Männern waren nur hundertfünfzig übrig, und diese überquerten die Brücke von Vinchiaturo und flohen das Tal von Tammaro bis nach Benevent entlang; die Soldaten machten etwa dreißig Gefangene, und tausend Gefallene bedeckten das Schlachtfeld oder ertranken in den reißenden Wasserläufen. Hätte Major Hugo seine Dragoner bei sich gehabt, wäre die ganze Bande zersprengt und Fra Diavolo gefasst worden.

Auf dem Weitermarsch näherte sich einer der Gefangenen dem Major und bot an, ihm im Tausch gegen seine Freiheit die Stelle zu zeigen, wo zehntausend Dukaten beziehungsweise fünfundvierzigtausend Francs aus dem Besitz der Banditen vergraben waren.

Major Hugo ging auf diesen Handel nicht ein; seine Aufgabe war nicht, Beute zu machen, sondern Fra Diavolo zu verfolgen.

Als die Vorhut der Kolonne, die Fra Diavolo auf den Fersen war, den Calore erreichte, musste man feststellen, dass der Fluss bis zu einer Höhe von fünfzehn, sechzehn Fuß gestiegen war; die Kolonne kehrte nach Benevent zurück, wo sie Major Hugo mitteilte, auf welches Hindernis sie gestoßen war. Fra Diavolo gewann so einen Vorsprung von vierundzwanzig Stunden gegenüber seinen Verfolgern, die nun befürchten mussten, dass es ihm gelingen würde, das Ufer zu erreichen und nach Capri überzusetzen, wenn sie seine Fährte verloren.

Major Hugo ließ Schuhe an seine Leute verteilen und zwang sie, trotz vereinzelten Murrens eine Stunde nach Mitternacht wieder aufzubrechen.

In Montesarchio erfuhr er, dass Fra Diavolo sich zwischen seinen Kolonnen hindurchgeschlängelt und den jenseitigen Abhang des Monte Vergine erreicht hatte.

Montesarchio liegt an der Straße von Neapel nach Benevent; an dieser Straße befinden sich die berühmten kaudinischen Pässe, unter denen vorbeizuziehen die römische Armee im Krieg gegen die Samniten gezwungen wurde. Der Engpass, den sie bilden, wird auf der einen Seite vom Monte Taburno und auf der anderen vom Monte Vergine abgeschlossen, der seinen Namen einem prachtvollen Kloster am gegenüberliegenden Hang verdankt; doch nach Benevent hin sind die Berge so steil, dass nur Hirten auf der Suche nach ihren Ziegen sich in diese Höhen wagen.

Major Hugo ließ seine Soldaten den unbesteigbaren Berg erklettern; so holte er nicht nur die vierundzwanzig Stunden Vorsprung des Gejagten auf, sondern hatte sogar die Chance, ihn einzuholen; obwohl die Führer nichts unversucht ließen, den Major von seinem Vorhaben abzubringen, beharrte er darauf, und bei Tagesanbruch begann er mit der Besteigung; als Führer dienten nur Hirten, die als Einzige bereit waren, an einem solchen Wagnis teilzunehmen; Hugos Soldaten folgten murrend, doch sie folgten.

Den immensen Schwierigkeiten dieser Bergbesteigung gesellte sich feiner Schneefall hinzu, der den Pfad, der über nacktes Felsgestein führte, noch unwegsamer machte. Das Glück wollte es, dass verstreut Bäume wuchsen, an deren Zweigen man sich festhalten konnte. Und nach drei Stunden unvorstellbarer Mühen gelangten die Soldaten, in denen die Erschwernisse der Bergwanderung Ehrgeiz geweckt hatten und die nun über ihre Stürze und ihr Stolpern lachen konnten, auf ein Hochplateau im Nebel, dessen Lage sich nicht einmal erraten ließ.

Doch kaum hatten sie ihre schneegetränkte Kleidung geschüttelt, fuhr ein Windstoß über die Gipfel, zerriss den Wolkenschleier, der sie einhüllte, und als höbe sich ein Vorhang im Theater, erblickten sie den Golf von Neapel in all seiner Pracht und Größe.

Der Berg war erstiegen. Froh, doch schweigend machte sich die Kolonne daran, in Richtung Aletta hinunterzusteigen, als sie von Musketenfeuer überrascht wurde; der Zufall hatte sie mitten in Fra Diavolos Bande geführt.

Fra Diavolo wäre nur zu gern geflohen, ohne zu kämpfen, doch das war ausgeschlossen: Die korsische Vorhut befand sich bereits im Handgemenge mit seinen Männern; die anderen Abteilungen eilten herbei, als sie die Schüsse hörten, und stürzten sich mit gesenktem Kopf in den Kampf, denn sie wussten, dass die Entscheidung bevorstand; doch auch diesmal gelang es Fra Diavolo, sich mit dreißig seiner Männer den Verfolgern zu entziehen, die seit zwei Nächten nicht geschlafen hatten. Hundertzwanzig Briganten blieben zurück und wurden entweder gefangen genommen oder warfen ihre Waffen weg und flohen, was den Major nicht weiter kümmerte, denn der Einzige, um den es ihm ging, war ihr Anführer. Sobald dieser gefasst wäre, bliebe von der Bande nichts übrig, denn die Männer, die unter ihm gedient hatten, hätten sich niemals einem anderen untergeordnet.

Fra Diavolo, der durch die lichte Bewaldung floh, die das Durchkommen nicht hinderte, und der mit der Gegend völlig vertraut war, konnte noch immer hoffen zu entkommen, doch dafür musste er die Straße nach Apulien erreichen und ihr eine Zeit lang folgen.

Bald war es so weit.

Eine tiefe Schlucht auf der anderen Straßenseite verhinderte dort das Weiterkommen; hinter dem Gejagten waren die Soldaten des Majors, und vor sich erblickte er plötzlich ein französisches Kavallerieregiment auf Patrouille, das ihm entgegenkam: Ging er weiter, musste er auf das Regiment treffen, ging er zurück, schnitten ihm die Verfolger den Weg ab, wenn sie die Straße erreichten, und jenseits der Straße gähnte der Abgrund.

Seine Gefährten blieben zitternd stehen, und ihre ängstlichen Blicke schienen zu besagen: »Nur du kannst uns aus dieser Klemme retten, und zwar mit einer der teuflischen Listen, die dir den Namen Fra Diavolo eingebracht haben.«

Und wahrhaftig ließ sein Einfallsreichtum ihn auch in dieser schwierigen Lage nicht im Stich.

»Bindet mir schnell die Hände hinter dem Rücken«, sagte er, »und tut das Gleiche mit meinem Leutnant.«

Die Briganten starrten ihn an, sprachlos vor Verblüffung.

»Beeilt euch! Beeilt euch!«, rief Fra Diavolo. »Wir dürfen keine Zeit verlieren!«

Der Gehorsam siegte: Da sie keine Stricke hatten, nahmen sie ihre Taschentücher und banden den beiden Männern die Hände.

»Und jetzt«, sagte Fra Diavolo, »marschieren wir frech dem Kavallerieregiment entgegen, und wenn ihr gefragt werdet, wer wir sind, antwortet ihr, wir seien zwei Banditen aus der Räuberbande des Fra Diavolo, die ihr gefangen genommen habt und nach Neapel bringt, um die Belohnung zu kassieren.«

»Und wenn sie euch selbst hinbringen wollen?«

»Dann lasst ihr sie gewähren und verzieht euch unter lautem Gezeter ob des Unrechts, das sie euch antun.«

»Aber Sie, Hauptmann?«

»Pah! Man stirbt nur einmal.«

Sein Befehl wurde ausgeführt. Fra Diavolo und sein Leutnant setzten mürrische Arme-Sünder-Mienen auf, und die vorgebliche Bürgerwehr wanderte munter den Soldaten entgegen, die sie anhielten und ausfragten. Als Neapolitaner ist man der geborene Improvisator, und einer der Briganten ergriff das Wort und erzählte, wie sie die Gefangenen gemacht hatten. Die Reiter spendeten ihm Beifall, und auf diese Weise gelangte das Trüppchen allmählich an das Ende des Regiments, bis man sich voneinander verabschiedete und einander eine gute Reise wünschte.

Dreihundert Schritt hinter der Nachhut des Regiments stießen die Banditen auf einen Pfad, der die Straße kreuzte und in eine Lichtung mündete. Fra Diavolo und sein Leutnant ließen sich losbinden, und Fra Diavolo befahl, auf das Reiterregiment zu schießen.

Die Soldaten wussten nicht, wer ihnen da entwischt war; sie merkten nur, dass man sich über sie lustig machte; doch da sie zu Pferde waren und die Gegend nicht kannten, dachten sie nicht daran, in beinahe undurchdringlichem Gebüsch Männer zu verfolgen, die zu Fuß waren und das Land wie ihre Westentasche kannten; wie sehr man sie zum Besten gehalten hatte, wurde ihnen erst klar, als sie auf der Straße den Soldaten Major Hugos begegneten, die ihnen sagten, mit wem sie es zu tun gehabt hatten.

Die Jagd ging weiter. Am Abend erreichte Major Hugo mit seiner Kolonne Lettere in der Nähe von Castellamare. Dort erfuhr er, dass in einiger Entfernung Lagerfeuer gesichtet worden waren, und es kam zu einem weiteren Scharmützel, in dessen Verlauf die meisten der Männer getötet wurden, die dem Räuberhauptmann geblieben waren; er selbst wurde verwundet und rettete sich nach La Cava. Da er fast niemanden mehr hatte, musste man ihn nicht mehr fürchten, doch zu befürchten blieb, dass er ein Boot fand, mit dem er nach Capri oder nach Sizilien übersetzen konnte, um dort eine neue Bande ins Leben zu rufen.

Das Meer war seine letzte Hoffnung. Da er annahm, allein eher fliehen zu können, verabschiedete er seine letzten Gefährten.

Auf seinen Kopf war eine Belohnung von sechstausend Dukaten ausgesetzt (achtundzwanzigtausend Francs). Die Nationalgarden der Umgebung und die französischen Truppen waren sämtlich alarmiert; so kam es, dass Fra Diavolo im Königreich beider Sizilien beinahe ebenso viele Feinde hatte, wie es dort Männer gab, die es nach sechstausend Dukaten Belohnung gelüstete.

Gegen Ende November konnte er am Fuß der Berge nicht mehr im Freien lagern, da es nachts sehr kalt war und Schnee den Boden bedeckte; zudem hatte er bei einer erneuten Auseinandersetzung mit der Bürgerwehr eine zweite Verwundung davongetragen und war sehr geschwächt; seit neunundzwanzig Tagen war er auf der Flucht vor den Franzosen; er stand im wahrsten Sinn des Wortes kurz vor dem Verhungern, denn seit Aletta hatte er nichts mehr gegessen. Die zehntausend Dukaten, die am Berghang vergraben waren und die einer seiner Männer Major Hugo angeboten hatte, hätte er sicherlich mit Freuden gegen ein Stück Brot und eine Nacht Schlaf eingetauscht.

Eine Stunde oder zwei wanderte er aufs Geratewohl dahin; die neue Gegend war ihm völlig unbekannt. Gegen neun Uhr abends fand er sich vor der Hütte eines Schäfers wieder; durch ein Astloch nahm er das Innere in Augenschein und sah, dass ein einzelner Mann sie bewohnte; er trat ein und bat um Gastfreundschaft, entschlossen, sie sich mit Gewalt zu verschaffen, sollte sie ihm verweigert werden.

Der Hirte gewährte sie ihm mit der Großzügigkeit, mit der die Armen das Wenige teilen, das Gott ihnen gegeben hat.

Fra Diavolo befragte seinen Gastgeber, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass in der Umgebung noch nie eine Bürgerwehr gesehen worden war, legte er seine Waffen in eine Ecke, setzte sich nahe an das Feuer und aß die Reste, die vom Abendessen des Hirten geblieben waren, anders gesagt ein paar Kartoffeln, die dieser in der Asche vergessen hatte.

Dann warf sich Fra Diavolo auf einen Sack mit Maisstroh und schlief ein.

An die Bürgerwehr hatte er gedacht, doch nicht an die Räuber. Gegen Mitternacht betraten vier einheimische Banditen zufällig die Hütte, in der Fra Diavolo schlief. Der Hirte und sein Gast erwachten, als ihnen ein Pistolenlauf an die Kehle gedrückt wurde, und da Fra Diavolo nicht wissen konnte, ob er es mit seinesgleichen oder mit der Bürgerwehr zu tun hatte, verriet er nicht, wer er war, und ließ sich ohne Widerstand Waffen und Geld entwenden.

Nach diesem Besuch hoffte Fra Diavolo, dass ihm nichts mehr zu fürchten geblieben war als der Tod. Seit Major Hugo ihn verfolgte, hatte ihn das Glück ganz und gar im Stich gelassen; jedes Mal war er geschlagen worden; verwundet, ohne Mittel, ohne Waffen, was sollte seiner noch harren?

Doch der Unglückliche hatte den Kelch noch nicht bis zur Neige geleert; kaum hatten die Räuber hundert Schritte getan, kam ihnen der Gedanke, dass sie in der Hütte einen Mann zurückgelassen hatten, der sie anzeigen konnte, und sie machten kehrt und zwangen ihn, ihnen zu folgen.

Ihm blieb nichts übrig, als zu gehorchen.

Doch da er seit neunundzwanzig Tagen durch Dornen, Stacheln und über Felsbrocken geflohen war, die letzten drei Tage ohne Schuhe, waren die Füße des Bedauernswerten eine einzige offene Wunde. Die Banditen, die sahen, dass er seine Schmerzen zu verbergen trachtete, ihnen aber trotz aller Mühen nicht folgen konnte, trieben ihn vor sich her, indem sie ihn mit ihren Gewehrkolben schlugen und mit ihren Bajonetten stachen.

»Tötet mich, wenn ihr wollt«, sagte Fra Diavolo, »aber ich kann keinen Schritt mehr gehen.«

Und er stürzte hin.


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