23 Die Fußbrenner

Erklären wir unseren Lesern das unbegreifliche Verschwinden des Verlobten von Mademoiselle de Sourdis im Augenblick der Vertragsunterzeichnung – ein Verschwinden, das die Gäste in Erstaunen, die Gräfin in Mutmaßungen unausdenklichster Art und ihre Tochter in tränenreiche Verzweiflung gestürzt hatte.

Wie erinnerlich, hatte Fouché am Tag vor der Bekanntgabe seiner Entlassung den Chevalier de Mahalin empfangen und ihn beauftragt, im Westen Banden von Fußbrennern zu gründen, damit Fouché in sein Ministerium zurückgeholt würde.

Diese Banden machten sich bald bemerkbar, und keine vierzehn Tage nach dem Aufbruch des Chevaliers aus Paris sprach sich herum, dass zwei Landgüter in Buré und in Saulnaye von den Fußbrennern verwüstet worden waren.

Furcht und Schrecken verbreiteten sich im ganzen Morbihan.

Fünf Jahre lang hatte der Bürgerkrieg in diesem bejammernswerten Land getobt, doch unter den unmenschlichsten Taten, die begangen wurden, fand sich das schändliche Treiben des Fußbrennens nicht. Um dieser Form des Folterns zu begegnen, musste man bis zu den bösen Tagen unter Ludwig XV. und den religiösen Verfolgungen unter Ludwig XIV. zurückgehen.

Banden von zehn, fünfzehn, zwanzig Männern erschienen wie der Erde entsprossen, bewegten sich wie Schatten, folgten dem Verlauf von Schluchten, stiegen über Reisigzäune, so dass der Bauer, der sich verspätet hatte und sie in der Dunkelheit vorbeiziehen sah, sich voller Schrecken hinter Bäumen versteckte oder am Fuß einer Hecke zu Boden warf; dann drangen sie unvermutet durch ein offen stehendes Fenster, eine nachlässig geschlossene Tür in einen Bauernhof oder ein Schloss ein, überraschten und würgten die Bediensteten, entfachten mitten in der Küche ein großes Feuer und zerrten den Hausherrn oder die Hausherrin zu diesem Feuer, legten ihr Opfer auf den Fußboden, führten seine Fußsohlen an das Feuer und hielten sie hinein, bis das Opfer die Schmerzen nicht mehr ertrug und verriet, wo es sein Geld versteckt hatte; manchmal ließen die Banditen dann Gnade walten, doch andere Male, wenn sie nach erfolgtem Geständnis fürchteten, man könne sie wiedererkennen, erstachen, erhängten oder erschlugen sie die von ihnen Bestohlenen.

Nach dem dritten oder vierten Überfall dieser Art, von den Behörden als Brandstiftung und Mord klassifiziert, wurde gemunkelt – erst leise, dann immer lauter, Cadoudal persönlich führe diese Banden an. Anführer und Banditen waren maskiert, doch jene, welche die stärkste dieser nächtlichen Einheiten gesehen hatten, beteuerten, in dem Kommandanten an seiner Größe, seiner Haltung und vor allem an seinem großen runden Kopf Georges Cadoudal erkannt zu haben.

Zuerst wollte niemand so etwas glauben; jeder wusste, wie ritterlich Georges war, und niemand konnte sich vorstellen, dass er sich unversehens in einen elenden, schamlosen und erbarmungslosen Anführer von Fußbrennern verwandelt haben sollte.

Dennoch verbreitete sich das Gerücht wie von allein; immer wieder wurde behauptet, man habe Georges gesehen, und schon bald verkündete Le Journal de Paris, Georges Cadoudal habe unter Missachtung seines Ehrenworts, nicht als Erster wieder zu den Waffen zu greifen, verlassen von seinen Männern, an die fünfzig Banditen zusammengetrommelt, mit denen er nun raubend und plündernd durch die Lande zog.

Le Journal de Paris wurde auch in London ausgeliefert; vielleicht wäre die Zeitung Cadoudal nie zu Augen gekommen, doch ein Freund wies ihn darauf hin. Er las darin die Anschuldigung, die gegen ihn erhoben wurde und die eine unüberbietbare Schmähung seiner Ehre und seiner Loyalität darstellte.

»Wohlan«, sagte er, »indem sie mir das vorwerfen, brechen sie das Bündnis, das wir geschlossen hatten: Mit Schwert und Gewehr konnten sie mir nichts anhaben, deshalb haben sie zur Verleumdung gegriffen. Sie wollen den Krieg? Den können sie haben.«

Und am selben Abend bestieg Georges ein Fischerboot, das ihn fünf Tage später an der Küste Frankreichs zwischen Port-Louis und der Halbinsel Quiberon absetzte.

Zur gleichen Zeit wie er machten sich zwei Männer namens Saint-Régeant und Limoëlan auf den Weg von London nach Paris, doch durch die Schlucht von Biville und durch die Normandie. Sie hatten am Tag ihrer Abreise eine Stunde mit Georges verbracht und ihre Anweisungen von ihm erhalten.

Limoëlan war mit allen Wassern des Bürgerkriegs gewaschen, und Saint-Régeant war ein ehemaliger Marineoffizier, der vor nichts zurückschreckte und Pirat zu Lande geworden war, nachdem er Pirat zur See gewesen war. Auf solche ehrlosen Gesellen anstelle eines Guillemot oder Sol de Grisolles musste Cadoudal sich bei seinen neuen Vorhaben stützen.

Zweifellos würden sie sich irgendwo vereinen, und sicherlich konnten sie unterwegs miteinander Kontakt halten; es stand außer Frage, dass sie zu ein und demselben Ziel aufgebrochen waren. Doch überstürzen wir nichts.

Im späten April 1804 ritt gegen fünf Uhr abends ein in einen Mantel eingemummter Mann in den Hof des Bauernhofs von Plescop ein, der dem reichen Bauern Jacques Doley gehörte.

Außer Jacques Doley wohnten auf dem Hof seine sechzigjährige Schwiegermutter, seine dreißigjährige Frau und ihre Kinder, ein Knabe von zehn Jahren und ein siebenjähriges Mädchen.

Ein Dutzend Landarbeiter kam hinzu, Männer und Frauen.

Der Vermummte verlangte, den Hausherrn zu sprechen, schloss sich mit ihm für eine halbe Stunde ein und ward nicht mehr gesehen. Jacques Doley kehrte allein zu seiner Familie zurück.

Während des Abendessens fielen Doleys Schweigsamkeit und Geistesabwesenheit auf. Mehrmals richtete seine Frau das Wort an ihn, ohne dass er antwortete. Nach der Mahlzeit wollten die Kinder wie gewohnt mit ihm spielen, doch er wies sie sanft ab.

Wie man weiß, speisen die Dienstboten in der Bretagne mit ihrer Herrschaft am selben Tisch; auch sie bemerkten an diesem Tag die Geistesabwesenheit und Bekümmertheit Jacques Doleys, umso mehr, als er an und für sich ein fröhlicher Mensch war.

Da wenige Tage zuvor das Schloss von Buré überfallen worden war, hatten die Tagelöhner das ganze Essen über leise von diesem Geschehen gesprochen. Doley hatte zugehört, mehrmals den Kopf erhoben, als wolle er etwas fragen, ohne den Mund aufzumachen, und weiter zugehört. Nur die alte Frau hatte sich ab und zu bekreuzigt, und gegen Ende des Berichts hatte sich Madame Doley, die sich vor Furcht nicht mehr zu helfen wusste, neben ihren Mann gesetzt.

Es war acht Uhr abends, und die Dunkelheit war hereingebrochen; zu dieser Stunde pflegten sich alle Landarbeiter zurückzuziehen, die einen in ihre Scheunen, die anderen in ihre Ställe. Doley machte den Eindruck, als wolle er sie nicht gehen lassen, denn er gab ihnen immer wieder etwas zu tun auf, was sie in seiner Nähe hielt, und immer wieder betrachtete er die zwei, drei zweiläufigen Gewehre, die neben dem Kamin hingen, als gelüste es ihn, sie im Zweifelsfall zu benutzen und nicht dort hängen zu lassen.

Nach und nach gingen alle zu Bett.

Zuletzt brachte die alte Mutter die Kinder in ihre Bettchen zwischen dem Elternbett und der Wand, kam, um Schwiegersohn und Tochter einen Gutenachtkuss zu geben, und begab sich ebenfalls zur Ruhe in eine Kammer neben der Küche.

Daraufhin verließen Doley und seine Frau die Küche und zogen sich in ihr Schlafzimmer zurück, das mit der Küche durch eine Glastür verbunden war und zwei Fenster zum Garten hatte, verschlossen mit soliden eichenen Fensterläden, an deren oberem Ende sich zwei kleine rautenförmige Öffnungen befanden, die bei geschlossenen Läden gerade genug Licht einfallen ließen, dass man sich im Zimmer zurechtfand.

Es war die Stunde, zu der sich Madame Doley für gewöhnlich auskleidete und zu Bett begab. Auf dem Bauernhof steht man früh auf und geht früh zu Bett; doch an diesem Abend, an dem Madame Doley sich von unbenennbaren Ängsten heimgesucht sah, konnte sie sich nicht dazu durchringen, sich zu entkleiden; zu guter Letzt entschied sie sich dazu, doch sie verlangte von ihrem Mann, vorher mit ihr alle Türen zu kontrollieren und sich zu vergewissern, dass sie auch abgeschlossen waren.

Doley war einverstanden, zuckte die Schultern, als hielte er diese Vorsichtsmaßnahme für übertrieben, und begann die Patrouille mit der Untersuchung der Fenster und Türen der Küche; die erste Tür, an die sie gelangten, führte in die Molkerei, doch da die Molkerei keine Außentür besaß, gab Madame Doley sich damit zufrieden, dass ihr Mann sagte: »Diesen Raum kann man nur von der Küche aus betreten, und die Küche haben wir seit dem Nachmittag nicht verlassen.«

Dann untersuchten sie die Tür zum Hof, die mit einem Eisenriegel und zwei Vorhängeschlössern versperrt war.

Das Fenster war ebenfalls zu.

Die Tür zur Backstube war mit einer Eichentür verschlossen, deren Schloss von außen nicht zu öffnen war.

Es blieb die Tür zum Garten, doch um sie von draußen zu erreichen, musste man zuerst über eine Mauer von zehn Fuß Höhe springen oder sich durch eine andere Tür Einlass verschaffen.

Madame Doley ging erleichtert zurück; ein unerklärliches Gefühl der Unruhe konnte sie dennoch nicht abschütteln.

Doley setzte sich an seinen Schreibtisch und tat so, als sähe er seine Unterlagen durch; trotz aller Selbstbeherrschung konnte er seine Besorgnis nicht verbergen, die sich durch unwillkürliche Zuckungen und durch seine Aufmerksamkeit für die geringsten Geräusche verriet.

Falls diese Besorgnis mit der Warnung vor der Gefahr zusammenhing, die ihm an diesem Tag erteilt worden war, dann war sie wohlbegründet.

Gegen ein Uhr morgens verließ den Wald von Meucon in der Nähe der Ortschaft Plescop eine Gruppe von zwanzig Mann, die sich über die Felder bewegte.

Wie eine Vorhut ritten vier Männer voraus, in die Uniform der Nationalgendarmen gekleidet; die Übrigen folgten ihnen ohne Uniform, mit Gewehren und Mistgabeln bewaffnet.

Diese Truppe gab sich größte Mühe, nicht gesehen zu werden; sie schlich Hecken entlang, stieg in Schluchten, kletterte Hügel entlang und näherte sich immer wieder Plescop, bis sie keine hundert Schritte mehr von dem Ort entfernt war.

Dann machte sie halt, um zu beratschlagen.

Als Nächstes löste einer der Männer sich aus der Gruppe und beschrieb einen Bogen, bevor er sich dem Bauernhof näherte, während die anderen warteten.

Der Aufklärer kam zurück; er hatte den Bauernhof umrundet, aber keine Stelle gefunden, an der man eindringen konnte; es wurde abermals beratschlagt, und man beschloss, sich mit Gewalt Zutritt zu verschaffen, da es mit List nicht möglich war.

Die Bande setzte sich in Bewegung und blieb erst am Fuß der Mauer stehen.

Seit einiger Zeit war Hundegebell zu vernehmen, ohne dass man hätte sagen können, ob es von dem Bauernhaus oder von einem der benachbarten Häuser aus ertönte.

Am Fuß der Mauer wussten die Eindringlinge nicht weiter; zwischen ihnen und dem Hund lag offenbar nur die Mauer. Sie machten einige Schritte der Tür entgegen, der Hund begleitete sie jenseits der Mauer mit wütendem Gebell.

Von einem Überraschungsüberfall konnte nicht mehr die Rede sein; sie waren entdeckt.

Die als Gendarmen verkleidete Vorhut saß ab und trat an die Tür, während die übrigen Banditen sich am Fuß der Mauer verbargen.

Der Hund hatte zur gleichen Zeit die Tür erreicht und kläffte erbitterter denn je, wobei er die Schnauze in den Türspalt zu quetschen versuchte.

Die Stimme eines Mannes ertönte. »Was ist los, Blaireau? Was ist los, mein braver Hund?«

Der Hund lauschte auf die Stimme und ließ ein schmerzliches Jaulen ertönen.

Weiter weg rief eine Frauenstimme: »Du wirst doch nicht etwa die Tür aufmachen!«

»Und warum nicht?«, fragte die Männerstimme.

»Weil das Briganten sein könnten, du Dummkopf!«

Dann verstummten beide.

»Im Namen des Gesetzes, öffnen Sie!«, wurde von draußen gerufen.

»Wer sind Sie, dass Sie im Namen des Gesetzes sprechen?«, fragte die Männerstimme, die dem Gärtner gehörte.

»Wir kommen von der Gendarmerie in Vannes, um den Bauernhof von Meister Doley zu durchsuchen, den man beschuldigt, Chouans zu beherbergen.«

»Hör nicht auf sie, Jean«, sagte seine Frau, »das ist eine Lüge. Begreife doch: Sie sagen das nur, damit du sie hereinlässt!«

Jean war zweifellos der Ansicht seiner Frau, denn er trug lautlos eine Leiter von einer Seite der Mauer zur anderen und stieg geräuschlos hinauf; als er oben angekommen war, sah er die vier Männer zu Pferde und die zwölf oder fünfzehn Männer, die sich am Fuß der Mauer zu verbergen trachteten.

Unterdessen riefen die als Gendarmen verkleideten Männer weiter: »Öffnen Sie im Namen des Gesetzes!«, und drei oder vier andere hieben mit ihren Gewehrkolben auf die Tür ein, um sie mit Gewalt zu öffnen.

Der Lärm dieser Hiebe war bis in das Schlafzimmer des Hausherrn gedrungen und hatte Madame Doleys Ängste ins Unermessliche gesteigert. Unter dem Eindruck des Entsetzens seiner Frau zögerte Doley an der Tür, bis der Unbekannte aus der Molkerei trat, ihn am Arm ergriff und sagte: »Worauf warten Sie? Sagte ich nicht, dass ich die Verantwortung für alles übernehme?«

»Mit wem sprichst du da?«, rief Madame Doley.

»Mit niemandem«, erwiderte Doley und wendete sich zum Garten.

Kaum hatte er die Tür geöffnet, hörte er alles, was sich zwischen dem Gärtner, dessen Frau und den Banditen abspielte. Obwohl Doley sich so wenig wie sein Gärtner von der List täuschen ließ, rief er mit gespielter Einfalt: »He, Jean, warum weigern Sie sich, den Gendarmen zu öffnen? Sie wissen doch, dass wir uns schuldig machen, wenn wir uns den Behörden widersetzen! Entschuldigen Sie ihn, meine Herren«, fuhr er fort, während er zur Tür ging, »er hat nicht in Befolgung meiner Anordnungen gehandelt.«

Jean hatte seinen Herrn erkannt und warf sich ihm jetzt in den Weg. »Oh, Meister Doley!«, rief er, »nicht ich täusche mich, sondern Sie gehen diesen Spitzbuben auf den Leim; es sind keine Gendarmen, sondern Straßenräuber, die sich als Gendarmen verkleidet haben. Bei allem, was Ihnen heilig ist, öffnen Sie ihnen nicht!«

»Ich weiß, was ich zu tun habe«, erwiderte Jacques Doley, »geh zurück in deine Wohnung und schließ dich ein oder versteck dich mit deiner Frau im Weidendickicht, denn dort werden sie nicht nach dir suchen.«

»Aber Sie! Aber Sie! Aber Sie!«

»Ich habe jemanden bei mir, der versprochen hat, mich zu verteidigen.«

»Holla, wird uns jetzt geöffnet?«, rief der Anführer draußen mit Donnerstimme, »oder muss ich erst die Tür einschlagen?«

Und die Kolbenhiebe, die unmittelbar auf seine Drohung folgten, hoben die Tür aus den Angeln.

»Aber ich habe doch gesagt, dass ich Ihnen öffne«, rief Jacques Doley, und er öffnete die Tür.

Die Banditen stürzten sich auf ihn und packten ihn am Schlafittchen.

»Oh, meine Herren«, sagte er, »vergessen Sie nicht, dass ich Ihnen aus freien Stücken geöffnet habe, vergessen Sie nicht, dass ich an die zehn Männer auf meinem Hof habe, mit deren Hilfe ich mich hätte verbarrikadieren können, so dass Sie uns nur unter großen Verlusten überwältigt hätten.«

»Du dachtest doch, du hättest es mit den Gendarmen zu tun und nicht mit uns.«

Jacques wies auf die Leiter, die an der Mauer lehnte. »Das hätte ich geglaubt, wenn Jean euch nicht von der Mauer aus gesehen hätte.«

»Und was versprechen Sie sich davon, dass Sie uns öffnen?«

»Dass Sie weniger hart sein werden: Hätte ich Ihnen nicht geöffnet, wären Sie imstande, vor Zorn meinen Hof abzubrennen.«

»Und woher willst du wissen, dass wir deinen Hof nicht vor Freude abbrennen werden?«

»Das wäre eine unnötige Grausamkeit. Ihr wollt mein Geld, ihr sollt es haben; doch meinen Ruin könnt ihr nicht wollen.«

»Wohlan«, sagte der Anführer, »dieser Mann ist wenigstens vernünftig. Und hast du viel Geld?«

»Nein, denn ich habe vor acht Tagen meine Steuern bezahlt.«

»Zum Teufel! Das sind schlechte Neuigkeiten, die du uns da auftischst.«

»Sie mögen schlecht sein, sind aber um nichts weniger wahr.«

»Dann hat man uns wohl schlecht informiert, denn wir haben gehört, wir würden bei dir ein Vermögen finden.«

»Man hat euch belogen.«

»Einen Georges Cadoudal belügt man nicht.«

Während dieses Wortwechsels hatten sie sich dem Haus genähert, und jetzt wurde Jacques Doley in die Küche geschubst. Die Fußbrenner, die so viel Kaltblütigkeit nicht gewohnt waren, betrachteten ihn mit größtem Erstaunen.

»Meine Herren, meine Herren«, sagte Madame Doley, die unterdessen aufgestanden war und sich angekleidet hatte, »wir geben Ihnen gerne alles, was wir haben, und Sie werden uns doch nichts antun, nicht wahr?«

»Na«, sagte einer der Räuber, »du kommst mir vor wie das Schwein, das quiekt, bevor es abgestochen wird.«

»Genug geplaudert«, sagte der Anführer, »her mit dem Geld!«

»Frau«, sagte Doley, »gib die Schlüssel heraus. Die Herren werden selbst suchen, dann können sie uns nicht vorwerfen, wir wollten sie betrügen.«

Die Bäuerin sah ihren Mann erstaunt an.

»Tu es«, sagte er. »Wenn ich sage: Tu es, dann tu es.«

Die arme Frau konnte nicht verstehen, warum ihr Mann tat, was die Banditen verlangten. Sie lieferte die Schlüssel aus und sah voller Schrecken, dass der Anführer sich einem ihrer Schränke aus Nussbaum näherte, in dem die Bauern alles aufbewahren, was ihnen kostbar ist, angefangen mit ihrer Wäsche.

Das Silberbesteck befand sich in einer Schublade.

Der Anführer holte es heraus und warf es auf den Küchenboden, doch zur Verblüffung der Bäuerin waren es nur sechs Bestecke statt acht.

In der zweiten Schublade befanden sich ein Beutel mit Silbergeld und ein Beutel mit Gold im Wert von insgesamt fünfzehntausend Francs, doch der Räuber konnte wühlen, so viel er wollte, er fand – zum wachsenden Erstaunen der Bäuerin – nur den Beutel mit Silber.

Die Bäuerin sah ihren Mann an, der ihren Blick nicht erwiderte, doch einer der Fußbrenner bemerkte ihn.

»Oho, Mütterchen«, sagte er, »dein edler Gatte will uns wohl hinters Licht führen?«

»O nein«, rief sie, »ich schwöre Ihnen -«

»Oder du weißt mehr als er. Dann wollen wir mit dir anfangen.«

Die Fußbrenner leerten den Schrank, fanden aber nichts weiter. Im nächsten Schrank fanden sie nichts als vier Louisdors, fünf oder sechs Münzen im Wert von sechs Francs und Kleingeld, das in einer Holzschale versteckt war.

»Vielleicht hast du recht«, sagte der Anführer zu dem Briganten, der die Bäuerin beschuldigt hatte, sie zu betrügen.

»Man hat ihn vor uns gewarnt, und er hat sein Geld vergraben«, sagte einer der Banditen.

»Tod und Teufel!«, fluchte der Anführer. »Wer wie wir die Toten aus der Erde herbeischaffen kann, der wird erst recht Geld herbeischaffen können. Los, her mit einem Bündel Reisig und einem Büschel Stroh!«

»Wozu das?«, rief die Bäuerin schreckerfüllt.

»Hast du etwa noch nie gesehen, wie man ein Schwein am Spieß brät?«, fragte der Anführer.

»Jacques! Jacques!«, lamentierte die Bäuerin. »Hörst du, was sie sagen?«

»Gewiss höre ich es«, sagte der Bauer, »aber was soll ich tun, sie haben das Sagen, wir müssen sie gewähren lassen.«

»Gnädiger Herr im Himmel!«, rief die Frau verzweifelt, als sie zwei Banditen aus der Backstube treten sah, die ein Strohbüschel und ein Bündel Ginster mitbrachten. »Und du lässt sie einfach gewähren!«

»Ich hoffe, dass Gott eine so abscheuliche Untat wie die Vernichtung zweier seiner Geschöpfe nicht zulassen wird, zweier Geschöpfe, die vielleicht nicht frei von Sünde sind, aber frei von jedem Verbrechen.«

»Ha, ha!«, sagte der Anführer der Bande. »Wird er eigens einen Engel schicken, der dir gegen uns beistehen soll?«

»Es wäre nicht das erste Mal«, sagte Jacques, »dass er ein solches Wunder wirkte.«

»Nun, das werden wir sehen«, sagte der Anführer, »und damit er Gelegenheit hat, zwei Fliegen auf einen Streich zu erlegen, wollen wir Eber und Bache gemeinsam anzünden.«

Schallendes Gelächter war die Antwort seiner Leute auf diesen grobschlächtigen Scherz.

Die Briganten stürzten sich auf Jacques Doley, rissen ihm die Schlappen von den Füßen und Hosen und Strümpfe von den Beinen, zogen seiner Frau den Unterrock aus und fesselten Mann und Frau mit den Händen auf dem Rücken; dann schoben sie beide an den Schultern dem lodernden Feuer entgegen, bis ihre Füße es fast berührten.

Bauer und Bäuerin stießen gleichzeitig einen Schmerzensschrei aus.

»Wartet!«, brüllte einer der Briganten, »ich habe die Frischlinge gefunden, die müssen mit Vater und Mutter ins Feuer!«

Und er kam herein, an jeder Hand ein Kind hinter sich herzerrend; er hatte die Kinder zitternd und weinend in der Bettritze des Elternbetts aufgestöbert.

Das war mehr, als Jacques Doley ertragen konnte. »Wenn Sie ein Mann sind, dann halten Sie jetzt Ihr Wort!«, rief er.

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als die Tür der Molkerei aufgestoßen wurde und ein Mann heraustrat, mit hängenden Armen, doch in jeder Hand eine Pistole.

»Welcher von euch nennt sich Georges Cadoudal?«, fragte er.

»Ich«, sagte der größte und dickste der Maskierten und richtete sich zu voller Größe auf.

»Du lügst«, sagte der Fremde.

Er zückte eine Pistole und schoss den anderen in die Brust. »Ich bin Cadoudal«, sagte er.

Der Tote stürzte mit voller Wucht zu Boden, und die Banditen traten erschrocken zurück, denn sie erkannten, dass ihnen tatsächlich der wahre Cadoudal gegenüberstand, den sie in England gewähnt hatten.


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