13 Die drei Sainte-Hermines: Der Vater

Am nächsten Tag klopfte Hector de Sainte-Hermine im selben Augenblick, in dem es am Pavillon de l’Horloge drei Uhr schlug, an die Tür des Stadtpalais der Madame de Sourdis, dessen prachtvolle Terrasse mit Blick auf den Quai Voltaire Orangenbäumchen und Oleanderbüsche zierten.

Die Tür, an die Hector klopfte, öffnete sich auf die Rue de Beaune. Es war der Haupteingang. Eine kleinere Tür, unscheinbar bis zur Unkenntlichkeit, in der gleichen Farbe wie das Mauerwerk, ging auf den Quai.

Die Tür wurde geöffnet, der Türsteher fragte nach dem Namen des Besuchers und ließ ihn ein; ein Hausdiener, wahrscheinlich von Madame de Sourdis instruiert, erwartete ihn im Vorraum.

»Madame lässt sich entschuldigen«, sagte er, »sie kann nicht empfangen, aber Mademoiselle befindet sich im Garten und wird Madame vertreten.«

Er ging voran, um dem Grafen den Weg zu weisen; Hector folgte ihm zu der Tür, die in den Garten führte. »Nehmen Sie diesen Weg«, sagte der Diener zu ihm. »Mademoiselle befindet sich an seinem Ende in der Laube aus Jasmin.«

Unter den Strahlen einer milden Märzsonne sah Claire in ihrem Hermelinpelz fast aus, als wollte sie erblühen wie eine jener ersten Frühlingsblumen, deren frühes Erscheinen ihnen den Namen Schneeglöckchen beschert hat. Unter ihren Füßen lag ein Teppich aus Smyrna, um ihre himmelblauen Samtpantoffeln vor der Kälte des Bodens zu schützen.

Obwohl sie Sainte-Hermine erwartete und sicherlich die Schläge der Turmuhr vernommen hatte, färbte bei seinem Anblick ein rosiges Erröten ihre bleichen Wangen, bevor die Lilienblässe zurückkehrte. Lächelnd erhob sie sich.

Der junge Graf schritt schneller aus. Als er sie erreichte, deutete sie auf das Fenster des Salons, aus dem man in den Garten sah; hinter diesem Fenster saß ihre Mutter, die auf diese Weise ein Auge auf die jungen Leute hatte, ohne hören zu können, was gesprochen wurde.

Sainte-Hermine verbeugte sich tief zum Zeichen seines Dankes und seiner Hochachtung.

Claire wies ihm einen Stuhl und setzte sich wieder.

»Mademoiselle«, sagte er, »ich will nicht versuchen, Ihnen das Glück zu schildern, das es mir bedeutet, für einen Augenblick allein mit Ihnen sprechen zu können: Auf diesen Augenblick, den der Himmel in seiner Güte mir zuteilwerden ließ und von dem Glück oder Unglück meines künftigen Lebens abhängen wird, wartete ich seit einem Jahr, doch erst seit drei Tagen durfte ich auf ihn hoffen. Sie waren so gütig, mir bei dem Ball zu sagen, dass Ihnen meine Seelenpein aufgefallen sei, als ich die Freude und den Schmerz empfand, in Ihrer Gegenwart zu weilen, meine Seelenpein, Sie zu sehen, Schmerz und Freude, die mir das Herz zerrissen. Ich werde Ihnen den Grund nennen – vielleicht ein wenig weitschweifig, doch ich kann mich nur verständlich machen, wenn ich den Bericht, den Sie hören werden, in der Ausführlichkeit halte, die er erfordert.«

»Sprechen Sie, Monsieur«, sagte Claire. »Alles, was Sie mir sagen können, wird meine ungeteilte Aufmerksamkeit finden, dessen kann ich Sie versichern.«


»Wir entstammen – besser gesagt: ich entstamme, denn ich bin der Letzte unseres Hauses – einem angesehenen Geschlecht im Jura. Mein Vater war Stabsoffizier unter Ludwig XVI. und zählte am 10. August zu seinen Verteidigern; doch statt die Flucht zu ergreifen wie die Fürsten und Höflinge, blieb er bei ihm. Nach dem Tod des Königs hoffte er, dass noch nicht alles verloren sei und dass man die Königin aus dem Temple-Gefängnis retten könne; es gelang ihm, beträchtliche Geldmittel aufzubringen und in der Stadtverwaltung einen jungen Mann aus dem Süden Frankreichs namens Toulan ausfindig zu machen, der in die Königin verliebt war und alles für sie tun würde. Mein Vater beschloss, sich diesem Mann anzuvertrauen oder vielmehr dessen Stellung im Temple zu benutzen, um die Gefangene zu befreien.

Da mein ältester Bruder Léon de Sainte-Hermine es leid war, der Sache, an die zu glauben man ihn gelehrt hatte, nicht dienen zu können, erbat er von meinem Vater die Erlaubnis, Frankreich zu verlassen und in die Armee des Prinzen von Condé einzutreten, was er nach erfolgter Erlaubnis unverzüglich tat.

Unterdessen wurde ein Plan gefasst.

Noch immer gab es viele Neugierige, darunter auch ergebene Bediente, die von den diensthabenden städtischen Beamten, in deren Zuständigkeit dies fiel, die Gunst erbaten, die Königin zu sehen.

Da die Königin zweimal täglich hinunterkam und im Garten spazieren ging, verteilten die Beamten ihre Freunde auf dem Weg, den die hohe Gefangene nehmen musste, und wenn der Beamte wegsah, konnte man unter Umständen ein Wort mit ihr wechseln oder ihr einen Brief zustecken.

Gewiss war all das lebensgefährlich, doch es gibt Augenblicke, in denen man dem Leben keinen großen Wert beimisst.

Toulan stand in der Schuld meines Vaters; Dankbarkeit und Liebe bewegten ihn dazu, folgendem Plan zuzustimmen:

Unter dem Vorwand, die Königin sehen zu wollen, sollten meine Eltern, verkleidet als reiche Bauern aus dem Jura, die mit dem Akzent von Leuten aus der Gegen von Besançon sprachen, den Temple aufsuchen und Monsieur Toulan sprechen wollen.

Toulan würde sie an dem Spazierweg der Königin positionieren.

Zwischen den Gefangenen im Temple und ihren royalistischen Anhängern gab es eine Vielzahl von Signalen, mit deren Hilfe sie sich verständigten wie Schiffe auf dem Meer.

Am Tag des Besuchs meiner Eltern hatte die Königin beim Verlassen ihres Zimmers einen Strohhalm vorgefunden, der an der Wand lehnte, was bedeutete: ›Seien Sie wachsam, man hat Sie nicht vergessen.‹

Die Königin sah den Strohhalm nicht, aber Madame Élisabeth, weniger in Gedanken versunken, sah ihn und machte ihre Schwägerin darauf aufmerksam.

Die zwei Gefangenen bemerkten, dass Toulan an diesem Tag Dienst hatte.

Toulan war bis zum Wahnsinn in die Königin verliebt. Diese hatte im Wissen um die Liebe des unglücklichen jungen Mannes auf einen Zettel, den sie immer im Mieder verborgen bei sich trug, die Worte geschrieben: Ama poco che teme la morte! (Wenig liebt, wer den Tod fürchtet!) Als sie Toulan erblickte, steckte sie ihm das Billett zu.

Ohne zu wissen, was es enthielt, geriet Toulan vor Freude außer sich. Noch am selben Tag würde er der Königin beweisen, dass er den Tod nicht fürchtete.

Er brachte meine Eltern in das Treppenhaus des Turms, wo die Königin sie beim Vorbeigehen fast berühren musste.

Meine Mutter hielt einen großen Strauß Nelken in der Hand. Beim Anblick der Nelken rief die Königin: ›Oh, was für schöne Blumen! Und wie herrlich sie duften!‹

Meine Mutter zog die schönste Nelke aus dem Strauß und reichte sie der Königin. Diese blickte zu Toulan, um zu sehen, ob sie sie nehmen dürfe. Toulan nickte unmerklich. Die Königin nahm die Blume.

Unter gewöhnlichen Umständen wäre all dies nicht weiter schwierig gewesen, doch in jenen Tagen klopfte einem das Herz bis zum Hals und man wagte kaum zu atmen.

Die Königin begriff sogleich, dass in dem Blütenkelch der Nelke ein Billett versteckt war, und sie nahm sie und verbarg sie unter ihrem Brusttuch.

Öfter als einmal hat mein Vater uns erzählt, wie tapfer die Gräfin von Sainte-Hermine sich gehalten habe, dass ihre Gesichtsfarbe jedoch fahler gewesen sei als die Steine des Gefängnisturms.

Die Königin war so mutig, ihren gewohnten Spaziergang nicht abzukürzen. Zu ihrer gewohnten Stunde ging sie wieder hinauf, und erst als sie sich mit Schwester und Tochter allein wusste, holte sie aus ihrem Mieder die Blume hervor.

In der Tat barg der Blütenkelch ein Billett; mit feiner, aber ausgezeichnet lesbarer Schrift war auf Seidenpapier folgender tröstliche Ratschlag geschrieben:


›Übermorgen, Mittwoch, bitten Sie, in den Garten gehen zu dürfen, was man Ihnen gestatten wird, da Ordre besteht, Ihnen diese Gunst zu gewähren, wenn Sie sie erbitten. Nach drei, vier Runden stellen Sie sich müde, nähern sich der Cantine im Garten und bitten Madame Plumeau, sich zu ihr setzen zu dürfen.

Sie müssen darauf achten, diese Erlaubnis um Punkt elf Uhr vormittags zu erbitten, damit Ihre Befreier ihr Handeln mit dem Ihren abstimmen können.

Kurz darauf stellen Sie sich, als gehe es Ihnen schlechter und als würden Sie ohnmächtig. Man wird die Türen verschließen, um Ihnen zu Hilfe zu kommen, und Sie bleiben allein mit Madame Élisabeth und Madame Royale. Unverzüglich wird die Falltür zum Keller geöffnet werden. Stürzen Sie sich mit Schwester und Tochter in diese Öffnung, und Sie werden alle drei gerettet sein.‹


Das Zusammentreffen dieser drei Dinge ließ die Gefangenen Zuversicht fassen: Toulans Anwesenheit, der Strohhalm im Flur und die genauen Angaben des Billetts.

Was riskierten sie schon bei ihrem Fluchtversuch? Das Leben konnte ihnen kaum schwerer gemacht werden, als es der Fall war. Sie beschlossen, so zu handeln, wie es ihnen in dem Billett empfohlen wurde.

Am Mittwoch, dem übernächsten Tag, las die Königin hinter zugezogenen Bettvorhängen nochmals das Billett, das meine Mutter ihr in der Nelke zugesteckt hatte, um keine der Instruktionen zu übersehen, die es enthielt, zerriss es dann in winzige Schnipsel und begab sich um neun Uhr in das Zimmer der Madame Royale.

Sie verließ das Zimmer gleich darauf und rief nach den Wachen, die gerade beim Essen saßen, so dass sie zweimal rufen musste, bis eine der Wachen erschien.

›Was willst du, Citoyenne?‹, fragte die Wache.

Marie-Antoinette erklärte, dass Madame Royale mangels Bewegung erkrankt sei, dass man sie nur mittags hinauslasse, wenn die Sonne so stark brenne, dass sie nicht spazieren gehen könne, und dass sie um die Erlaubnis bitte, die Zeit ihres täglichen Spaziergangs vorzuverlegen, den sie lieber zwischen zehn und zwölf Uhr statt zwischen zwölf Uhr und zwei Uhr machen wolle; die Königin bat die Wache, ihre Bitte General Santerre vorzutragen, dem die Entscheidungsgewalt oblag, und fügte hinzu, sie werde zutiefst dankbar sein.

Die letzten Worte hatte die Königin so anmutig und bezaubernd geäußert, dass die Wache ihr nicht widerstehen konnte; der Mann lüpfte seine rote Mütze und sagte: ›Madame, der General wird in einer halben Stunde kommen, und sobald er da ist, wird man ihn um alles bitten, was Sie wünschen‹ – und wie um sich Mut zu machen, dass er im Recht sei, sich den Wünschen der Gefangenen zu fügen, dass er aus Vernunft handle und nicht aus Schwäche, wiederholte er: ›Das ist nur recht und billig! Alles in allem ist das nur recht und billig!‹

›Was ist recht und billig?‹, fragte ihn die andere Wache.

›Dass diese Frau mit ihrer kranken Tochter spazieren geht.‹

›Schon gut‹, erwiderte der andere, ›dann soll sie mit ihr auf die Place de la Révolution vor dem Temple kommen, dann kann sie dort spazieren gehen.‹

Die Königin hörte die Antwort der zweiten Wache und erschauerte, doch sie wich nicht ab von ihrem Vorhaben, die erhaltenen Instruktionen peinlich genau zu befolgen.

Um halb zehn traf Santerre ein. Dieser Santerre war kein übler Mensch, ein wenig schroff, ein wenig brutal; zu Unrecht hatte man ihn beschuldigt, den schrecklichen Trommelwirbel angeordnet zu haben, der dem König auf dem Schafott die letzten Worte abschnitt, was er nie verwunden hatte. Doch war er so unvorsichtig gewesen, sich sowohl mit der Generalversammlung als auch mit der Kommune anzulegen, was ihn beinahe den Kopf gekostet hatte.

Er erteilte die Erlaubnis, um die ersucht wurde.

Eine der Wachen ging zur Königin hinauf und teilte ihr mit, dass der General ihrer Bitte stattgebe.

›Ich danke Ihnen, Monsieur‹, sagte sie mit dem bezaubernden Lächeln, das Barnave und Mirabeau in ihr Verderben gelockt hat; dann wendete sie sich an ihren kleinen Hund, der auf die Hinterpfoten aufgerichtet hinter ihr lief: ›Komm, Black, freu dich mit mir, wir werden spazieren gehen‹, und an die Wache gewendet: ›Wir dürfen hinausgehen; um wie viel Uhr?‹

›Um zehn Uhr; war das nicht die Stunde, die Sie selbst vorschlugen?‹

Die Königin verneigte sich, die Wache verließ das Zimmer.

Die drei Frauen blieben allein zurück und wechselten Blicke, in denen sich Hoffnung und Freude mischten. Madame Royale warf sich der Königin in die Arme, Madame Élisabeth trat zu ihr und reichte ihr stumm die Hand.

›Beten wir‹, sagte die Königin, ›aber beten wir so, dass niemand uns beten sieht.‹ Alle drei beteten schweigend.

Die Uhr schlug zehn. Waffenlärm drang bis zu der Königin.

›Das ist die Wachablösung‹, sagte Madame Élisabeth.

›Dann wird man uns jetzt holen‹, sagte Madame Royale.

Die Königin sah, wie ihre Schwägerin und ihre Tochter erbleichten. ›Nur Mut‹, sagte sie, obwohl sie selbst erbleichte.

›Es ist zehn Uhr‹, hörten sie von unten rufen, ›bringt die Gefangenen herunter!‹

›Hier sind wir, Citoyens‹, erwiderte die Königin.

Die erste Tür wurde aufgeschlossen. Durch sie gelangte man in einen finsteren Flur. Dank dem Dämmerlicht konnten die Gefangenen ihre Erregung verbergen.

Der kleine Hund lief ihnen freudig voraus. Doch als er die Tür des Raums erreichte, den sein Herr bewohnt hatte, hielt er inne, schob seine Schnauze in den Schlitz unter der Tür, schnaufte heftig und ließ nach einigen kläglichen Lauten das tiefe und schmerzliche Bellen ertönen, das man gemeinhin als Totengeheul bezeichnet.

Die Königin ging schnell an ihm vorbei, sah sich jedoch einige Schritte weiter genötigt, an der Mauer Halt zu suchen. Die zwei anderen Frauen traten zu ihr und verharrten reglos. Der kleine Black lief zu ihnen.

›Was ist?‹, rief eine Stimme. ›Kommt sie herunter oder nicht?‹

›Wir kommen schon‹, antwortete die Wache, die sie begleitete.

›Gehen wir‹, sagte die Königin, die sich zusammenriss. Und es gelang ihr, die Treppe hinunterzusteigen.

Als sie den Fuß der Wendeltreppe erreicht hatte, erklang ein Trommelwirbel – nicht um die Königin zu ehren, sondern um ihr zu verstehen zu geben, dass sie sich angesichts solcher Vorsichtsmaßnahmen jeden Fluchtversuch aus dem Kopf schlagen könne.

Die schwere Tür öffnete sich langsam, ächzend und quietschend.

Die drei Gefangenen befanden sich im Hof. Schnell begaben sie sich in den Garten. Die Mauern des Hofs bedeckten Schmähinschriften und obszöne Kritzeleien, die sie zur Zielscheibe hatten und mit denen die Soldaten sich die Zeit vertrieben.

Das Wetter war herrlich, die Sonne schien noch nicht so heiß, dass es unerträglich gewesen wäre.

Die Königin ging ungefähr eine Dreiviertelstunde lang spazieren; dann, als es etwa zehn vor elf war, näherte sie sich der Cantine, in der eine Frau namens Mutter Plumeau Wurstwaren, Wein und Schnaps an die Soldaten verkaufte.

Die Königin befand sich bereits auf der Schwelle der Cantine, im Begriff, einzutreten und um Erlaubnis zu bitten, sich zu setzen, als sie sah, dass der Schuster Simon an einem der Tische saß, wo er soeben seine Mittagsmahlzeit beendete.

Unwillkürlich wich sie zurück: Simon war einer ihrer unflätigsten Widersacher. Sie trat einen Schritt zurück und rief ihren kleinen Hund zu sich, der vor ihr in den Raum gesprungen war.

Black aber war unverzüglich zu einer Falltür in den Keller gelaufen, in dem die Witwe Plumeau ihre Lebensmittel und ihre Getränke aufbewahrte. Aufmerksam beschnüffelte er den Rand der Falltür.

Zitternd, denn sie erriet, was den Hund irritierte, rief die Königin Black zu sich, doch der Hund schien sie nicht zu hören oder wollte nicht hören.

Unversehens begann er zu knurren und dann laut zu bellen.

Als der Schuster sah, mit welcher Hartnäckigkeit der kleine Hund seiner Herrin den Gehorsam verweigerte, zuckte es ihm wie eine Erleuchtung durch das Hirn. Er sprang zur Tür und rief: ›Zu den Waffen! Verrat! Zu den Waffen!‹

›Black! Black!‹, rief die Königin mit verzweifelter Stimme und tat einige Schritte in die Cantine. Doch der Hund gehorchte ihr nicht, sondern bellte immer wütender.

›Zu den Waffen!‹, schrie Simon wie am Spieß. ›Zu den Waffen! Im Keller der Citoyenne Plumeau halten sich Aristokraten versteckt, um die Königin zu retten. Verrat! Verrat!‹

›Zu den Waffen!‹, riefen die Wachen. Vereinzelte Nationalgardisten griffen zum Gewehr und liefen zur Königin, zu ihrer Tochter und ihrer Schwägerin, nahmen sie zwischen sich und führten sie zum Turm zurück.

Black rührte sich nicht von der Stelle, obwohl seine Herrin nicht mehr im Raum war; dieses eine Mal hatte der Instinkt das arme Tier getäuscht, denn es hatte die Rettung für eine Gefahr gehalten.

Ein Dutzend Nationalgardisten war in die Cantine eingedrungen. Simon zeigte ihnen voller Eifer die Kellertür, an der Black noch immer bellte.

›Dort sind sie, unter der Falltür!‹, rief Simon. ›Ich habe gesehen, wie die Falltür sich bewegt hat, das schwöre ich!‹

›Legt an!‹, riefen die Wachen.

Geräuschvoll legten die Nationalgardisten ihre Gewehre an.

›Dort!‹, rief Simon. ›Dort, dort!‹

Der Offizier ergriff den Ring der Falltür, und zwei kräftige Männer kamen ihm zu Hilfe, doch die Falltür ließ sich nicht bewegen.

›Sie halten die Falltür von innen fest!‹, rief Simon. ›Schießt durch die Tür, schießt!‹

›Und was ist mit meinen Flaschen?‹, rief die Citoyenne Plumeau. ›Sie werden meine Flaschen in Scherben schießen!‹

Simone schrie noch immer: ›Feuer!‹

›Gib endlich Ruhe, du Schreihals‹, befahl der Offizier. ›Und ihr holt Äxte und schlagt die Falltür ein.‹

Seine Leute taten wie geheißen.

›Und jetzt‹, sagte der Offizier, ›haltet euch bereit, und sobald die Falltür geöffnet wird, eröffnet ihr das Feuer.‹

Die Axt fuhr in die Bohlen, zwanzig Gewehre senkten sich der Öffnung entgegen, die sich jeden Augenblick erweiterte.

Doch niemand war dahinter zu erkennen. Der Offizier entzündete eine Fackel und warf sie in den Keller. Der Keller war leer.

›Folgt mir‹, rief der Offizier und stürzte sich in den Keller. ›Vorwärts!‹, riefen die Nationalgardisten, die ihrem Anführer folgten.

›Oh, Frau Plumeau!‹, rief Simon und drohte der Wirtin mit der Faust, ›du stellst deinen Keller den Aristokraten zur Verfügung, damit sie die Königin entführen!‹

Doch Simon beschuldigte die gute Frau zu Unrecht. Die Kellerwand war eingeschlagen; ein unterirdischer Gang von drei Fuß Breite und fünf Fuß Höhe, dessen Boden viele Füße festgetreten hatten, führte in Richtung der Rue de la Corderie.

Der Offizier eilte in diesen Gang, der wie der Eingang eines Schützengrabens aussah, doch nach zehn Schritten stand er vor einem Eisengitter. ›Halt‹, sagte er zu den Soldaten, die hinter ihm herstürmten, ›hier geht es nicht weiter. Vier Mann sollen hier Wache halten und jeden töten, der sich zu zeigen wagt. Ich werde meinen Bericht verfassen. Die Aristokraten haben versucht, die Königin zu entführen.‹

Diese Verschwörung wurde später unter dem Namen Nelkenverschwörung bekannt; ihre drei Hauptakteure waren mein Vater, der Ritter von Maison-Rouge und Toulan, und meinen Vater und Toulan hat sie auf das Schafott gebracht. Der Ritter von Maison-Rouge, der sich bei einem Gerber im Faubourg Saint-Victor versteckt hielt, entkam allen Nachstellungen.

Doch bevor er starb, verpflichtete mein Vater meinen älteren Bruder, seinem Beispiel zu folgen und wie er für die Krone zu sterben.«

»Und Ihr Bruder?«, flüsterte Claire, die sein Bericht sichtlich ergriffen hatte. »Hat er dem Wunsch Ihres Vaters gehorcht?«

»Das werden Sie erfahren«, erwiderte Hector, »wenn Sie mir gestatten fortzufahren.«

»Oh, sprechen Sie weiter! Bitte!«, rief Claire, »Ich lausche Ihnen mit Ohren und Herz!«


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