5 Die Falle

Man wird sich denken können, dass Cadoudal weder so ausführlich noch so wohlwollend geschildert würde, wäre er nicht dazu bestimmt, eine der Hauptpersonen unserer Erzählung abzugeben, und wir begäben uns nicht in die Gefahr, uns zu wiederholen, wäre es uns nicht darum zu tun, durch ein möglichst genaues Porträt dieses außergewöhnlichen Mannes die Hochachtung, die Bonaparte für ihn hegte, verständlich zu machen.

Indem wir sein Handeln beobachten, indem wir zeigen, wie er sich zu helfen weiß, werden wir am ehesten die Avancen begreifen, einem Gegner gegenüber gemacht von jemandem, zu dessen Gepflogenheiten dies nicht einmal seinen Freunden gegenüber zählte.

Beim Ton einer Glocke, die ein Ave Maria erklingen ließ, zog Cadoudal seine Uhr.

»Elf Uhr«, sagte er.

»Ich stehe zu Ihren Diensten«, erwiderte Roland.

»Wir haben eine kriegerische Unternehmung in etwa sechs Wegstunden Entfernung vor. Wollen Sie sich vorher ausruhen?«

»Ich?«

»Ja, wenn Sie wollen, können Sie eine Stunde schlafen.«

»Danke, das ist nicht nötig.«

»Dann«, sagte Cadoudal, »brechen wir auf, sobald Sie bereit sind.«

»Und Ihre Männer?«

»Ach ja, meine Männer. Meine Männer stehen bereit.«

»Wo denn das?«, fragte Roland.

»Überall.«

»Zum Teufel! Das würde ich gerne sehen!«

»Sie werden es sehen.«

»Und wann?«

»Wenn es Ihnen beliebt. Meine Männer sind ausgesprochen diskret und lassen sich nur blicken, wenn ich sie dazu auffordere.«

»Und wenn ich sie sehen will...?«

»Werden Sie es mir sagen, ich mache ein Zeichen, und sie werden sich zeigen.«

Roland begann zu lachen.

»Glauben Sie mir nicht?«, fragte Cadoudal.

»Ganz im Gegenteil – nur... Brechen wir auf, General.«

»Brechen wir auf.«

Die beiden jungen Männer hüllten sich in ihre Mäntel und verließen das Haus.

»Zu Pferde!«, sagte Cadoudal.

»Welches ist für mich bestimmt?«, fragte Roland.

»Ich dachte mir, es wäre Ihnen recht, Ihr Pferd frisch und ausgeruht vorzufinden, und deshalb habe ich zwei meiner Pferde für diese Unternehmung bestimmt. Wählen Sie selbst, sie stehen einander in nichts nach, und in ihren Pistolenhalftern befindet sich jeweils ein exzellentes Paar Pistolen englischen Fabrikats.«

»Bereits geladen?«, fragte Roland.

»Und zwar gut geladen, Oberst, denn das ist eine Aufgabe, die ich keinem anderen anvertraue.«

»Zu Pferde dann«, sagte Roland.

Cadoudal und sein Begleiter saßen auf und schlugen den Weg nach Vannes ein. Cadoudal ritt neben Roland, und in zwanzig Schritt Entfernung folgte ihnen Branche-d’Or, der Generalstabschef der Armee, wie Georges ihn genannt hatte.

Die Armee selbst blieb unsichtbar. Die Straße, die so gerade verlief, als wäre sie mit dem Lineal gezogen, wirkte völlig verlassen.

Die zwei Reiter legten etwa eine halbe Wegstunde zurück.

Nach Ende dieser Zeit fragte Roland ungeduldig: »Zum Teufel auch, wo stecken Ihre Männer?«

»Meine Männer? Zu unserer Rechten, zu unserer Linken, vor uns, hinter uns, überall. Ich scherze nicht, Oberst. Halten Sie mich etwa für so tollkühn, dass ich mich ohne Aufklärer mitten unter derart erfahrene und wachsame Männer wie Ihre Republikaner wagen würde?«

Roland schwieg einen Augenblick und sagte dann zweifelnd: »Wenn ich mich recht erinnere, General, sagten Sie, ich brauchte es nur zu sagen, wenn ich Ihre Männer sehen wollte. Nun gut, jetzt will ich sie sehen!«

»Ganz oder teilweise?«

»Wie viele, sagten Sie, haben Sie bei sich?«

»Dreihundert.«

»Wohlan! Dann will ich hundertfünfzig von ihnen sehen.«

»Halt!«, rief Cadoudal.

Und er hielt seine Hände wie einen Trichter vor den Mund und ließ den Ruf des Käuzchens ertönen, gefolgt vom Ruf der Schleiereule, mit dem Unterschied allerdings, dass der Ruf des Käuzchens nach rechts erfolgte und der Schleiereulenruf in die linke Richtung.

Kaum waren die letzten Töne des klagenden Rufes verstummt, sah man zu beiden Seiten der Straße Gestalten auftauchen, die den Graben zwischen Straße und Unterholz überquerten und links und rechts neben den Pferden Aufstellung bezogen.

»Wer führt rechts das Kommando?«, fragte Cadoudal.

»Ich, General«, erwiderte ein Bauer, der vortrat.

»Wer bist du?«

»Moustache.«

»Und wer ist es links?«, fragte der General.

»Ich, Chante-en-Hiver«, erwiderte ein zweiter Bauer, der sich ebenfalls näherte.

»Wie viele Männer führst du an, Moustache?«

»Hundert, mein General.«

»Und wie viele Männer führst du an, Chante-en-Hiver?«

»Fünfzig.«

»Insgesamt also einhundertundfünfzig?«, fragte Cadoudal.

»Ja«, erwiderten die zwei bretonischen Anführer.

»War das Ihre Schätzung, Oberst?«, fragte Georges lachend.

»Sie können zaubern, General.«

»O nein! Ich bin ein armer Chouan, ein bedauernswerter Bretone wie jeder andere. Ich kommandiere eine Truppe, in der sich jeder Kopf darüber im Klaren ist, was er tut, in der jedes Herz für die zwei großen Grundsätze unserer Welt in den Kampf zieht: Religion und Königtum«, und an seine Männer gewandt fragte Cadoudal: »Wer befehligt die Vorhut?«

»Fend-l’Air«, erwiderten die zwei Chouans.

»Und die Nachhut?«

»La Giberne.«

»Dann können wir also unbesorgt weiterreiten?«, fragte Cadoudal seine zwei Freischärler.

»Ganz genauso, als ginge es zur Messe in Ihrer Dorfkirche«, erwiderte Fend-l’Air.

»Reiten wir also weiter«, sagte Cadoudal zu Roland, bevor er sich wieder an seine Männer wandte: »Verstreut euch, Burschen«, sagte er.

Im gleichen Augenblick sprangen alle wie ein Mann in den Graben und waren verschwunden.

Einige Sekunden lang hörte man das Rascheln von Zweigen im Unterholz, das Geräusch von Schritten im Gebüsch, dann herrschte Stille.

»Wohlan!«, sagte Cadoudal, »denken Sie, dass ich mit solchen Männern etwas von Ihren Blauen zu befürchten hätte, seien sie noch so tapfer und geschickt?«

Roland seufzte. Er teilte Cadoudals Ansicht ganz und gar.

Weiter ging es.

Eine Wegstunde von La Trinité entfernt zeigte sich auf der Straße ein dunkler Punkt, der schnell größer wurde.

Mit einem Mal veränderte er sich nicht mehr.

»Was ist das?«, fragte Roland.

»Ein Mensch«, sagte Cadoudal.

»Das kann ich sehen«, erwiderte Roland. »Aber wer ist dieser Mensch?«

»Angesichts seiner Schnelligkeit hätten Sie erraten können, dass es sich um einen Boten handelt.«

»Warum hält er inne?«

»Sicherlich deshalb, weil er drei Männer zu Pferde gesehen hat und nicht weiß, ob er näher kommen oder zurückweichen soll.«

»Was wird er tun?«

»Er wartet ab, bevor er sich entscheidet.«

»Worauf wartet er?«

»Auf ein Zeichen, zum Teufel.«

»Und auf dieses Zeichen wird er antworten?«

»Nicht allein antworten, er wird auch gehorchen. Wollen Sie, dass er näher kommt oder dass er zurückweicht? Dass er sich versteckt?«

»Ich wünsche, dass er näher kommt«, sagte Roland, »denn auf diese Weise werden wir die Nachricht erfahren, die er überbringt.«

Der bretonische Anführer ließ den Ruf des Kuckucks so täuschend echt ertönen, dass Roland sich unwillkürlich umsah.

»Das war ich«, sagte Cadoudal, »suchen Sie nicht weiter.«

»Der Bote wird also herkommen?«

»Er wird nicht kommen, er kommt gerade.«

Tatsächlich hatte der Bote sich wieder aufgemacht und näherte sich schnellen Schritts, und nach wenigen Sekunden stand er vor seinem General.

»Aha«, sagte dieser, »bist du es, Monte-à-l’Assaut?«

Der General beugte sich vom Pferd, und Monte-à-l’Assaut sagte ihm etwas ins Ohr.

»Bénédicte hatte mich bereits vorgewarnt«, sagte Georges.

Nachdem Cadoudal ein paar Worte mit Monte-à-l’Assaut gewechselt hatte, ahmte er zweimal den Ruf der Eule nach und einmal den der Schleiereule, und sofort umringten ihn seine dreihundert Gefolgsleute.

»Bald sind wir da«, sagte er zu Roland. »Jetzt müssen wir die Straße verlassen.«

Oberhalb des Dorfs Trédion ging es querfeldein, wie von Cadoudal angegeben, dann gelangten sie nach Treffléan, vorbei an Vannes zur Linken. Doch statt die Ortschaft zu durchqueren, nahm der bretonische Anführer den Umweg links um das Dorf herum, der ihn zum Saum des Wäldchens führte, das sich zwischen Grand-Champ und Larré erstreckt.

Seit dem Verlassen der Landstraße hatten seine Männer sich um ihn geschart. Cadoudal schien auf Nachrichten zu warten, bevor er sich weiter vorwagte.

In der Richtung von Treffléan und Saint-Nolff begann graues Dämmerlicht den Horizont zu färben, Vorbote des Tageslichts, doch der dichte, dampfende Nebel, der vom Erdboden aufstieg, machte es unmöglich, weiter als auf fünfzig Schritt zu sehen.

Mit einem Mal war in etwa fünfhundert Schritt Entfernung ein Hahnenschrei zu vernehmen.

Georges spitzte die Ohren; die Chouans sahen einander lachend an. Der Hahnenschrei erklang wieder, diesmal näher.

»Das ist er«, sagte Cadoudal. »Er antwortet.«

In Rolands unmittelbarer Nähe erklang Hundegeheul, so täuschend ähnlich, dass der junge Mann wider besseres Wissen mit dem Blick nach dem Tier suchte, das dieses finstere Geheul ausstieß. Im gleichen Augenblick sah man mitten im Nebel einen Mann, der sich den zwei Reitern schnell näherte.

Cadoudal trat drei Schritte vor und legte den Finger auf den Mund, um dem anderen zu bedeuten, leise zu sprechen.

»Wohlan, Fleur-d’Épine«, sagte Georges, »haben wir sie?«

»Wie die Maus in der Mausefalle. Kein Einziger wird nach Vannes zurückkehren, wenn Sie wollen, General.«

»Ausgezeichnet. Wie viele sind es?«

»Hundert Mann, befehligt von General Harty persönlich.«

»Wie viele Wagen?«

»Siebzehn.«

»Sind sie weit von hier?«

»Ungefähr eine Dreiviertelwegstunde.«

»Auf welcher Straße?«

»Auf der von Grand-Champ nach Vannes.«

»Ausgezeichnet.«

Cadoudal rief seine vier Oberleutnants herbei und gab jedem seine Befehle. Jeder von ihnen wiederum ließ den Ruf der Schleiereule ertönen und verschwand mit fünfzig Mann.

Der Nebel wurde zunehmend dichter, und in hundert Schritt Entfernung verschwanden die jeweils fünfzig Mann wie Schatten.

Cadoudal blieb mit hundert Mann und Fleur-d-Épine zurück.

»Wohlan, General«, sagte Roland, als er ihn zurückkommen sah, »verläuft alles nach Ihren Wünschen?«

»Mehr oder weniger ja«, erwiderte Cadoudal, »und in einer Viertelstunde werden Sie sich selbst ein Bild machen können.«

»Nicht wenn dieser dichte Nebel anhält.«

Cadoudal sah sich um.

»In einer halben Stunde wird er sich vollständig gelichtet haben. Wollen Sie die halbe Stunde nutzen, um etwas zu essen und einen Morgentrunk zu nehmen?«

»Meiner Treu, General«, sagte Roland, »ich muss gestehen, dass die fünf oder sechs Stunden Marschieren mir gewaltiges Magenknurren beschert haben.«

»Und ich«, sagte Georges, »gestehe gerne, dass ich vor einem Kampf so gut wie möglich zu speisen pflege. Wenn man im Begriff steht, in die Ewigkeit einzugehen, sollte man das nach Möglichkeit mit vollem Bauch tun.«

»Aha!«, sagte Roland. »Sie werden also kämpfen?«

»Deshalb bin ich hier, und da wir es mit Ihren Freunden, den Republikanern, und General Harty persönlich zu tun haben, bezweifle ich, dass sie sich ohne Gegenwehr ergeben werden.«

»Und wissen die Republikaner, dass ihnen ein Kampf mit Ihnen bevorsteht?«

»Sie ahnen nichts davon.«

»Sie bereiten Ihnen eine Überraschung?«

»Nicht ganz; sobald sich in zwanzig Minuten der Nebel lichtet, werden sie uns so deutlich sehen, wie wir sie sehen werden. Brise-Bleu«, sagte Cadoudal, »hast du ein Frühstück für uns?«

Der Chouan, der offenbar Proviantmeister war, nickte, ging in den Wald und kam mit einem Esel zurück, der zwei Körbe trug.

Im Handumdrehen war ein Mantel auf einer Erderhebung ausgebreitet, und darauf servierte Brise-Bleu ein gebratenes Hühnchen, ein Stück kaltes Selchfleisch, Brot und Buchweizenfladen; und da man sich im Feld befand, hatte er es für erforderlich gehalten, sich den Luxus einer Flasche Wein und eines Glases zu erlauben.

»Sehen Sie?«, sagte Cadoudal zu Roland.

Roland bedurfte keiner weiteren Einladung; er sprang vom Pferd und reichte den Zügel einem Chouan. Cadoudal tat es ihm gleich.

»Und jetzt«, sagte Georges, zu seinen Männern gewandt, »habt ihr zwanzig Minuten Zeit, das Gleiche zu tun, was wir tun, und diejenigen, die es versäumen, diese Zeit zu nutzen, werden mit leerem Magen in den Kampf ziehen.«

Man hätte meinen können, dass jeder der Männer nur auf diese Aufforderung gewartet hatte, um ein Stück Brot und einen Buchweizenfladen aus der Tasche zu ziehen und dem Beispiel des Generals und seines Gastes zu folgen, wenn auch ohne gebratenes Huhn.

Da sie nur ein Glas hatten, tranken beide abwechselnd daraus.

Der Tag brach an, während sie nebeneinander frühstückten, und im Morgenlicht sahen sie aus wie zwei Freunde während einer Jagdpause.

Jeden Augenblick wurde der Nebel lichter, wie Cadoudal vorausgesagt hatte.

Auf der Landstraße zwischen Grand-Champ und Plescop tauchte eine Reihe von Wagen auf, die sich im Wald verlor; die Wagen bewegten sich nicht, allem Anschein nach von einem unerwarteten Hindernis überrascht.

In der Tat waren eine halbe Viertelwegstunde vor dem ersten Wagen die zweihundert Chouans von Monte-à-l’Assaut, Chante-en-Hiver, la Giberne und Fend-l’Air zu erkennen, die den Weg versperrten.

Die knapp hundert Republikaner hatten haltgemacht und warteten darauf, dass der Nebel sich vollständig hob, um die Zahl ihrer Gegner einzuschätzen und zu sehen, mit wem sie es zu tun hatten.

Beim Anblick dieses Trüppchens, das von der vierfachen Zahl Gegner umstellt war, und beim Anblick der Uniformen, deren Farbe den Republikanern die Bezeichnung der Blauen eingebracht hatte, erhob Roland sich schnell.

Cadoudal hingegen blieb gelassen im Gras liegen und beendete seine Mahlzeit.

Ein Blick genügte, und Roland wusste, dass die Republikaner verloren waren. Cadoudal verfolgte die unterschiedlichen Gefühle, die das Mienenspiel des jungen Mannes offenbarte.

»Nun denn!«, sagte er nach einem Augenblick schweigenden Beobachtens, »finden Sie meine Aufstellung gelungen, Oberst?«

»Sie könnten sie sogar als Vorsichtsmaßnahme bezeichnen, General«, sagte Roland mit spöttischem Lächeln.

»Ist es nicht die Gepflogenheit des Ersten Konsuls«, fragte Cadoudal, »jeden Vorteil zu nutzen, den ihm der Zufall verschafft?«

Roland biss sich auf die Lippen.

»General«, sagte er, »ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, den Sie mir hoffentlich nicht verweigern werden.«

»Welchen?«

»Die Erlaubnis, mich mit meinen Kameraden umbringen zu lassen.«

Cadoudal erhob sich. »Mit dieser Bitte habe ich gerechnet«, sagte er.

»Sie gewähren sie mir also?«, sagte Roland, dessen Augen vor Freude funkelten.

»Ja, aber zuerst muss ich eine Gefälligkeit von Ihnen verlangen«, sagte der royalistische Anführer mit vollendeter Würde.

»Ich bitte darum, Monsieur.«

Und Roland wartete, kaum minder ernst und stolz als der Anführer der Royalisten.

Das alte und das neue Frankreich fanden sich in diesen zwei Männern verkörpert.


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