30 Jupiter auf dem Olymp

Man wird nicht übersehen haben, wie gewissenhaft wir bemüht waren, die historischen Persönlichkeiten, die in dieser Erzählung eine Rolle spielen, unseren Lesern so unvoreingenommen wie möglich zu schildern, ja so zu schildern, wie sie selbst sich von der unvoreingenommenen Geschichte geschildert wünschten. Wir ließen uns dabei weder von den persönlichen Erinnerungen an die Missgeschicke unserer Familie beeinflussen, deren Ursprung bis zu Bonapartes Zwist mit Kléber in Ägypten zurückreicht (denn für Kléber hatte mein Vater Partei ergriffen), noch von dem Hosianna-Geschrei der unermüdlichen Bonapartisten, die grundsätzlich alles an ihrem Idol bewundern, noch von der Mode, ausgelöst durch erneute Opposition gegen Napoleon III., die Vergangenheit in Bausch und Bogen zu verurteilen, um die Grundfesten seiner wackeligen Dynastie zu erschüttern. Nein; fern sei mir zu behaupten, ich sei gerecht gewesen, denn welcher Mensch könnte das von sich sagen?, doch aufrichtig war ich, und ich bin mir sicher, dass an dieser Aufrichtigkeit niemand zweifelt. Nun denn! Es ist meine aufrichtige Überzeugung, dass zu jener Zeit, von der soeben die Rede war, in dem Wissen, dass für die Vollendung seiner hochgesteckten Ziele der Frieden nicht minder nützlich wäre als der Krieg, der Erste Konsul ernsthaft den Frieden wünschte. Ich will damit keineswegs behaupten, dass ihm, der so erfolgreich, so versiert und so sicher das blutige Spiel der Schlachten zu spielen verstand, nicht bisweilen die Schatten von Arcoli und Rivoli den Schlaf verdüsterten, ich will nicht behaupten, dass nicht von Zeit zu Zeit die geschmeidigen Palmen des Nils oder die starren Pyramiden von Giseh ihm in wachen Stunden vor das innere Auge traten, und ebenso wenig will ich leugnen, dass ihn dann der blendende Schnee des Sankt Bernhard oder der beißende Rauch von Marengo aus diesen Halbträumen rissen. Dagegen will ich bereitwillig behaupten, dass er die goldenen Früchte und Eichenlaubkronen schimmern sah, die der Frieden jenen schenkt, denen ein günstiges Geschick vergönnt, die Türen des Janustempels zu schließen.

Denn Bonaparte war gelungen, im Alter von einunddreißig Jahren das zu tun, was weder Marius noch Sulla, noch Cäsar in ihrem ganzen Leben hatten tun können.

Doch würde es in seiner Macht liegen, diesen Frieden zu bewahren, der so teuer erworben war? Und würde England, dessen drei Leoparden er die Krallen gestutzt und die Zähne ausgerissen hatte, Cäsar die Zeit lassen, ein Augustus zu werden?

Und doch benötigte Bonaparte den Frieden, um den Thron Frankreichs zu erobern, wie Napoleon den Krieg benötigt hatte, um auf Kosten der anderen Throne Europas diesen Thron fester zu verankern. Zudem gab Bonaparte sich keinen Illusionen über die Absichten seines ewigen Widersachers hin; er wusste sehr wohl, dass England den Frieden nur geschlossen hatte, weil es den Krieg ohne seine Alliierten nicht fortsetzen konnte, und er wusste, dass England Frankreich nicht genug Zeit lassen würde, seine Marine wiederaufzubauen, was vier bis fünf Jahre in Anspruch nehmen musste. Bonaparte war sich der diesbezüglichen Pläne des Kabinetts von Saint James so gewiss, dass er, wenn von den Bedürfnissen der Völker die Rede war, von den Vorteilen des Friedens und seinen wohltätigen Auswirkungen auf die innere Ordnung, die Künste, Handel und Gewerbe, kurzum alles, was gebündelt den allgemeinen Wohlstand ausmacht, nichts davon leugnete, doch erwiderte, all diese Dinge seien nur im Zusammenwirken mit England erreichbar und man könne sich darauf verlassen, dass es keine zwei Jahre dauern werde, bis England von Neuem das Gewicht seiner Marine in die Waagschale der Welt werfen und mit seinem Gold alle Kabinette Europas zu beeinflussen suchen werde. Dann brachen seine Gedanken hervor wie ein Fluss, der sich von seinem Damm nicht mehr halten lässt, und er schien zu spüren, wie der Frieden seinen Händen entglitt, nachgerade, als wohnte er den Sitzungen des englischen Kabinetts bei.

»Der Frieden wird nicht von Bestand sein«, rief er, »und England wird ihn brechen. Wäre es da nicht klüger, den Engländern zuvorzukommen? Wäre es nicht besser, ihnen keine Zeit zu lassen, uns zuvorzukommen, sondern einen großen, schrecklichen Erstschlag zu führen, der die ganze Welt in Erstaunen versetzen müsste?«

Und daraufhin verlor er sich in einen jener tiefgründigen Gedankengänge, die Frankreich aufmerksam und Europa staunend verfolgten.

In der Tat rechtfertigte Englands Betragen Bonapartes Misstrauen nur allzusehr oder, anders gesagt, indem England annahm, Bonaparte wolle den Krieg, handelte England ganz genau so, wie Bonaparte erwartete, und das Einzige, was dieser an jenem auszusetzen hätte haben können, war, dass es schneller handelte, als selbst Bonaparte wünschen konnte.

Der englische König hatte seinem Parlament eine Nota übermittelt, in der er sich darüber beschwerte, dass in den Häfen Frankreichs offenbar gerüstet werde, und verlangte, dass Gegenmaßnahmen getroffen würden, damit man sich der Angriffe erwehren könne, welche die Franzosen im Schilde führten. Dieses Misstrauen erboste den Ersten Konsul im höchsten Maß: Kaum hatte sich seine Beliebtheit verdoppelt dank des heißersehnten Friedens, den er seinem Land endlich beschert hatte, drohte England bereits, diesen Frieden zu brechen.

England hatte sich im Vertrag von Amiens verpflichtet, die Insel Malta abzutreten, doch nichts dergleichen getan. Es sollte sich aus Ägypten zurückziehen, doch nichts war geschehen. Es sollte das Kap der Guten Hoffnung an Frankreich abtreten, dachte jedoch nicht daran.

Zu guter Letzt beschloss der Erste Konsul, diese Situation zu beenden, die quälend, unerträglich und schlimmer als der Krieg war, und er nahm sich vor, mit ungeschminkter Ehrlichkeit mit dem englischen Gesandten zu sprechen, um diesem klarzumachen, dass in zwei Punkten seine Meinung feststand, nämlich bezüglich der Räumung Maltas und der Räumung Ägyptens. Was er vorhatte, war etwas völlig Neues: ohne Umschweife mit dem Gegner zu sprechen und ihm zu sagen, was man sonst nie sagt, die Wahrheit über das, was man denkt.

Am 18. Februar 1803 war Lord Whitworth in den Tuilerienpalast eingeladen; Bonaparte empfing ihn in seinem Kabinett, bot ihm einen Sitz am einen Ende eines langen Tischs an und nahm am anderen Ende Platz. Sie waren allein, wie es sich für eine derartige Besprechung geziemt.

»Milord«, sagte Bonaparte, »ich wollte Sie unter vier Augen sehen und Ihnen unmittelbar meine wahren Absichten enthüllen, etwas, was kein Minister an meiner Stelle tun könnte.«

Dann erinnerte er sein Gegenüber an den Verlauf seiner Beziehungen zu England seit seinem Eintritt in das Konsulat – mit welcher Umsicht er noch am selben Tag seine Ernennung zum Konsul der englischen Regierung hatte mitteilen lassen, wie unverschämt Mister Pitt alle Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte, wie unverdrossen er wiederum die Verhandlungen erneut aufgenommen hatte, sobald es ohne Ehrverlust möglich war, und unter welchen Zugeständnissen es zum Friedensschluss von Amiens gekommen war. Mehr im Scherz als im Zorn sprach er von dem Kummer, den es ihm bereitete, seine Bemühungen um ein gedeihliches Auskommen mit Großbritannien so gänzlich fruchtlos zu sehen. Er erinnerte den Botschafter daran, dass die üblen Machenschaften, die mit den Feindseligkeiten hätten aufhören sollen, stattdessen seit dem Unterzeichnen des Abkommens offenbar zugenommen hatten; er beklagte sich, dass die englischen Gazetten anscheinend dazu ermuntert wurden, gegen ihn vom Leder zu ziehen, dass man den Gazetten der Emigranten erlaubte, ihn unflätig zu beschimpfen, dass den französischen Prinzen in ganz England ein königlicher Empfang bereitet werde, und zuletzt ließ er durchblicken, dass er bei jeder neuen Verschwörung gegen ihn die Hand Englands im Spiel sehe.

»Jeder Windstoß aus England«, fügte er hinzu, »bringt mir neben dem alten Hass neuen Schimpf. Und jetzt, Milord, haben wir eine Situation erreicht, aus der wir uns unter allen Umständen befreien müssen; wollen Sie den Vertrag von Amiens einhalten oder nicht?

Ich für meinen Teil habe ihn bis in alle Einzelheiten erfüllt. Dieser Vertrag hat mich genötigt, Neapel, Tarent und die römischen Staaten binnen drei Monaten zu verlassen, und innerhalb von zwei Monaten hatten die französischen Truppen sich aus all diesen Ländern zurückgezogen.

Vor zehn Monaten wurden die Verträge bestätigt, und noch heute halten die englischen Truppen Malta und Alexandria besetzt.

Wollen Sie Frieden? Oder wollen Sie Krieg? Mein Gott, wenn Sie Krieg wollen, müssen Sie es nur sagen. Wenn Sie Krieg wollen, können Sie ihn haben, und zwar bis zum letzten Mann unserer beiden Völker.

Wollen Sie Frieden? Dann müssen Sie Malta und Alexandria räumen. Die felsige Insel Malta, auf der so viele Befestigungen aufeinandergetürmt wurden, mag von großer strategischer Bedeutung sein, doch sie ist für mich von noch größerer Bedeutung, was die Ehre Frankreichs betrifft. Was würde die Welt sagen, wenn wir zuließen, dass ein feierlich mit uns geschlossener Vertrag mit Füßen getreten würde? Sie müßte an unserem Mut zweifeln. Ich habe mich entschieden, und ich sähe Sie lieber im Besitz der Butte Montmartre und der Butte Chaumont als im Besitz Maltas.«[2]

Lord Whitworth, der nicht im Geringsten auf diesen Ausfall gefasst war, hatte schweigend und reglos zugehört, denn er besaß keine Instruktionen seiner Regierung für den Fall derartiger Vorwürfe; nun erwiderte er auf den Redeschwall des Ersten Konsuls: »Wie soll es möglich sein, innerhalb weniger Monate den Hass zu ersticken, den ein über zweihundert Jahre währender Krieg zwischen den zwei Nationen entfacht hat?

Sie wissen, wie wenig Macht die englischen Gesetze uns über die Presse einräumen; uns sind die Hände gefesselt, sogar gegenüber denen, die jeden Tag die englische Regierung mit Schimpf und Schande überhäufen. Die Bezüge der Chouans wiederum sind der Lohn für vergangene Dienste und nicht etwa Zahlungen für künftige. Und der Empfang, der den emigrierten Prinzen zuteil wird, ist der noble Ausdruck englischer Gastfreundschaft.«

»Doch all das«, unterbrach ihn Bonaparte, »rechtfertigt weder die Nachsicht, mit der die französischen Pamphletisten behandelt werden, noch die Ruhegelder, die Sie den Meuchelmördern zahlen, noch die Ehrenbezeigungen, die den bourbonischen Prinzen zuteil werden.« Er brach in Gelächter aus. »Einem Mann, den ich so schätze wie Sie«, sagte er, »will ich nicht die Haltlosigkeit Ihrer Argumente vor Augen führen. Kehren wir zu Malta zurück.«

»Nun denn, ich kann Ihnen versichern«, sagte Lord Whitworth schnell, »dass unsere Soldaten zum gegenwärtigen Zeitpunkt Alexandria geräumt haben dürften, und das Gleiche träfe auch auf Malta zu, hätte Ihre Politik nicht so gewaltige Veränderungen in Europa bewirkt.«

»Auf was für Veränderungen spielen Sie an?«, rief Bonaparte.

»Haben Sie sich etwa nicht zum Präsidenten der Republik Italien ernennen lassen?«

»Milord«, sagte Bonaparte lachend, »ist Ihr Zahlengedächtnis so schwach, dass Sie vergessen haben sollten, dass diese Präsidentschaft mir vor dem Vertrag von Amiens angetragen wurde?«

»Und was ist mit dem Königreich Etrurien, das Sie geschaffen haben«, erwiderte der Gesandte, »ohne England zu diesem Gegenstand im Mindesten zu konsultieren?«

»Da irren Sie sich, Milord: England wurde so eingehend konsultiert, obwohl es sich dabei um eine überflüssige Formalität handelte, dass es die umgehende Anerkennung dieses Königreichs in Aussicht gestellt hat.«

»England«, erwiderte Lord Whitworth, »hat Ihre Zusage verlangt, den König von Sardinien wieder in Besitz seiner Länder zu setzen.«

»Und ich habe Österreich, Russland und Ihnen erwidert, dass ich ihm nicht nur seine Länder nicht wiedergeben, sondern ihn auch nicht entschädigen werde. Sie wussten schon immer, denn es war nie ein Geheimnis, dass ich mich seit Langem mit der Absicht trage, Piemont mit Frankreich zu vereinigen; diese Vereinigung ist Voraussetzung für meine Herrschaft über Italien, eine ungeschmälerte Herrschaft, weil ich es so will, und so soll es bleiben. Aber lassen Sie uns beide ruhig einen Blick auf die Karte Europas werfen: Sehen Sie selbst, sehen Sie nur. Gibt es in irgendeinem Winkel, an irgendeinem Flecken ein Regiment meiner Armee, das dort nichts zu suchen hat? Gibt es irgendwo einen Staat, den ich bedrohe oder den ich überfallen will? O nein, das wissen Sie sehr wohl, zumindest solange der Frieden Bestand haben wird.«

»Wären Sie offen, Citoyen Erster Konsul, gäben Sie zu, dass Sie Ägypten noch immer im Sinn haben.«

»Gewiss habe ich Ägypten im Sinn, gewiss doch, gewiss werde ich es immer im Sinn behalten, und das erst recht, wenn Sie mich zwingen sollten, Krieg zu führen. Doch Gott bewahre mich davor, den Frieden aufs Spiel zu setzen, den wir seit so Kurzem erst genießen, und das einer bloßen Frage der Chronologie wegen. Das Osmanische Reich bröckelt an allen Ecken und Enden und steht kurz vor dem Zusammenbruch; sein Platz ist nicht in Europa, sondern in Asien; ich werde mich dafür einsetzen, es solange wie möglich am Leben zu erhalten, doch wenn es zerbricht, dann will ich, dass auch Frankreich davon profitiert. Sie müssen zugeben, nichts wäre leichter gewesen, als eine der zahlreichen Schiffsbemannungen, die ich nach Santo Domingo führe, Kurs auf Alexandria nehmen zu lassen. Sie haben dort viertausend Mann stationiert, die seit zehn Monaten Ägypten hätten verlassen sollen; diese viertausend Mann wären kein Hindernis für mich gewesen, sondern im Gegenteil ein Vorwand. Ich hätte Ägypten in vierundzwanzig Stunden erobert, und diesmal hätten Sie es mir nicht wieder abgejagt. Sie denken, meine Machtfülle mache mich blind für das Bild, das die öffentliche Meinung in Frankreich und in Europa von mir hat. Ich aber sage Ihnen, dass diese Machtfülle nicht so groß ist, dass sie mir einen mutwillig vom Zaun gebrochenen Angriffskrieg erlauben würde. Wäre ich so töricht, England ohne einen schwerwiegenden Grund anzugreifen, wäre mein politisches Ansehen, das weit mehr moralische als materielle Grundlagen hat, auf der Stelle in den Augen ganz Europas verwirkt. Frankreich wiederum muss ich beweisen, dass man mich bekriegt hat, ohne von mir dazu herausgefordert worden zu sein, wenn ich den Kampfgeist in ihm wecken will, den ich für den Krieg gegen Sie benötigen werde, falls sie mich zu diesem Krieg zwingen; dann müssen Sie ganz und gar im Unrecht sein, und ich muss im Recht sein! Und sollten Sie noch an meinem ernsthaften Wunsch zweifeln, den Frieden zu erhalten, dann hören und urteilen Sie selbst.

Ich bin zweiunddreißig Jahre alt; mit zweiunddreißig Jahren genieße ich eine Macht und ein Prestige, die zu steigern schwerfallen dürfte. Soll ich diese Macht, soll ich dieses Prestige leichtfertig aufs Spiel setzen, um einen aussichtslosen Kampf zu führen? O nein, das täte ich nur, wenn mir keine andere Wahl bliebe. Dann aber täte ich Folgendes: Ich würde keinen Scharmützelkrieg und keinen Blockadekrieg führen, keinen Krieg, bei dem hie und da ein Schiff auf dem Meer in Brand gesetzt wird und vom Meer gelöscht werden kann; o nein, ich würde zweihunderttausend Mann zusammenrufen und mit einer unermesslich großen Flotte den Ärmelkanal überqueren. Vielleicht verlöre ich dabei wie Xerxes meinen Ruhm und mein Glück, die zum Meeresboden sänken! Und sogar das Leben! Denn von solchen Expeditionen kehrt man nicht zurück – entweder man hat Erfolg, oder man kommt um!« Und da Lord Whitworth ihn sprachlos vor Erstaunen ansah, fuhr er fort: »Ein befremdlich kühner Einfall, nicht wahr, England überfallen zu wollen! Aber warum nicht? Was Cäsar gelang, ist auch mir gelungen; warum sollte mir nicht gelingen, was Wilhelm dem Eroberer gelang? Und deshalb will ich diese Kühnheit wagen, sollten Sie mich dazu zwingen. Ich werde meine Armee und mich selbst dem Wagnis unterziehen; ich habe die Alpen im Winter überschritten, und ich weiß, wie man möglich macht, was dem Hausverstand unmöglich erscheint. Doch sollte ich dabei Erfolg haben, dann werden noch Ihre fernsten Neffen blutige Tränen über den Entschluss vergießen, den zu treffen Sie mich gezwungen haben werden. Wenn ich sage: Ich will den Frieden, kann ich Ihnen keine anderen Beweise meiner Aufrichtigkeit geben. Und es wäre besser für Sie und für mich, wenn wir den Rahmen der Verträge einhielten: Ziehen Sie sich von Malta zurück und aus Ägypten, bringen Sie Ihre Gazetten zum Schweigen, verjagen Sie die feigen Mörder, die mir nach dem Leben trachten, aus Ihrem Land, handeln Sie im Einvernehmen mit mir, und ich verspreche Ihnen meinerseits ungetrübtes Einvernehmen. Nähern wir unsere Nationen einander an, schweißen wir sie aneinander, und wir werden eine Herrschaft über die Welt ausüben, wie sie weder Frankreich noch England allein ausüben könnte! Sie besitzen eine Marine, der ich mit zehn Jahren ununterbrochener Anstrengung und unter Einsatz all meiner Mittel nichts Vergleichbares zur Seite stellen könnte; ich hingegen habe fünfhunderttausend Mann, die bereit sind, unter meinem Befehl zu marschieren, wohin ich will. Sind Sie die Herren der Meere, so bin ich der Herr des Landes; ziehen wir also in Betracht, uns zu vereinen, statt einander zu befehden, und wir werden die Geschicke der übrigen Welt nach unserem Gutdünken leiten!«

Lord Whitworth informierte die englische Regierung von seiner Unterredung mit dem Ersten Konsul. Unglücklicherweise war er zwar ein Ehrenmann und ein Mann von Welt, doch kein großes Licht, und hatte deshalb den Gedanken, die der Erste Konsul entwickelt hatte, nicht ganz folgen können.

Auf Bonapartes lange und beredte Stegreifrede antwortete König George mit folgender Nota an sein Parlament:


George, König...

Seine Majestät hält es für erforderlich, das Unterhaus davon in Kenntnis zu setzen, dass beträchtliche militärische Vorbereitungen in den Häfen Frankreichs und Hollands getroffen werden und dass er es deshalb als geraten erachtet, neue Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit Großbritanniens zu gewährleisten. Wiewohl die erwähnten Vorbereitungen allem Anschein nach Kolonialexpeditionen ermöglichen sollen, hat Seine Majestät es angesichts der gegenwärtigen ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen Seiner Majestät und der französischen Regierung, deren Ausgang ungewiss ist, für ratsam gehalten, seinem treuen Unterhaus zu versichern, dass er im vollen Vertrauen darauf, sich von seinem Parlament in seinem dringlichen und unermüdlichen Eintreten für den Frieden unterstützt zu wissen, ebenfalls auf dessen Bürgergeist und Großzügigkeit vertraut und darauf, dass es ihm ermöglichen wird, alle Maßnahmen zu ergreifen, welche die Umstände erfordern mögen, auf dass die Ehre der englischen Krone und das Wohlergehen des englischen Volkes erhalten bleiben.

Der Erste Konsul erfuhr durch Monsieur de Talleyrand von dieser Verlautbarung. Er geriet in einen Zornesausbruch wie seinerzeit Alexander der Große; doch Monsieur de Talleyrand gelang es, ihn zu beruhigen und ihm das Versprechen abzuringen, sich zu beherrschen und es den Engländern zu überlassen, sich durch den ersten Schritt ins Unrecht zu setzen. Unglückseligerweise war der übernächste Tag ein Sonntag und der Tag, an dem im Tuilerienpalast die Diplomaten empfangen wurden. Alle Gesandten waren aus schierer Neugier anwesend. Jeder wollte wissen, wie Bonaparte den Schimpf ertragen und wie er mit dem englischen Botschafter verfahren würde.

Der Erste Konsul wartete bei Madame Bonaparte auf die Gäste und spielte mit dem ersten Kind König Louis’ und Königin Hortenses, als man ihm meldete, die Gesandten seien vollzählig versammelt.

Monsieur de Rémusat, der Präfekt des Palasts, trat ein und verkündete, dass alle anwesend seien.

»Ist Lord Whitworth auch da?«, fragte Bonaparte lebhaft.

»Ja, Citoyen Erster Konsul«, erwiderte Monsieur de Rémusat. Bonaparte, der auf dem Teppich lag, stieß das Kind weg, das er in den Armen hielt, richtete sich auf, ergriff Madame Bonapartes Hand, durchschritt die Tür zum Empfangssalon, ging an den ausländischen Ministern vorbei, ohne ihren Gruß zu erwidern, trat zu dem Vertreter Englands und sagte: »Milord, haben Sie Nachrichten aus England?«

Und ohne ihm Zeit für eine Antwort zu lassen, fügte er hinzu: »Sie wollen also Krieg?«

»Nein, General«, erwiderte der Botschafter, der sich verneigte, »dafür sind wir uns der Vorteile des Friedens allzu bewusst.«

»Sie wollen also Krieg«, sagte der Erste Konsul mit lauter Stimme, als hätte er die Antwort nicht gehört, wollte aber von allen Anwesenden gehört werden. »Wir haben einander zehn Jahre lang bekämpft, und Sie wollen, dass wir einander noch zehn Jahre länger bekämpfen! Wie konnte man sich zu der Lüge versteigen, Frankreich rüste? Man hat Europa belogen und der Welt Lügengeschichten erzählt! In unseren Häfen ankert kein einziges Kriegsschiff; alle diensttauglichen Kriegsschiffe wurden nach Santo Domingo geschickt. Das einzige vorhandene bewaffnete Schiff befindet sich in holländischen Gewässern, und jedermann weiß, dass es für Louisiana bestimmt ist. Es wurde das Gerücht verbreitet, zwischen Frankreich und England bestünden Meinungsverschiedenheiten. Ich weiß nichts davon; ich weiß nur, dass die Insel Malta nicht innerhalb der vereinbarten Zeitspanne geräumt wurde, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre Minister der englischen Loyalität untreu werden wollen, indem sie sich weigern sollten, einen Vertrag einzuhalten. Ebenso wenig will ich glauben, dass Sie mit Ihrem Rüsten das französische Volk einzuschüchtern gedächten. Man kann es töten, Milord, aber einschüchtern? Niemals!«

»General«, warf der Botschafter ein, völlig benommen von diesem Ausfall Bonapartes, »es ist unser höchstes Bestreben, in gutem Einvernehmen mit Frankreich zu leben.«

»Aber dann«, rief der Erste Konsul voller Vehemenz, »müssen Sie die Verträge einhalten! Wehe dem, der die Verträge bricht! Wehe dem Volk, dessen Verträge mit einem schwarzen Schleier bedeckt werden müssen!«

Und indem er abrupt Miene und Ton wechselte, um Lord Whitworth deutlich zu machen, dass die soeben ausgesprochene Schmähung seiner Regierung und nicht ihm persönlich galt, sagte er: »Milord, erlauben Sie mir, mich nach Ihrer Gemahlin, der Herzogin von Dorset, zu erkundigen; nachdem sie den Winter in Frankreich verbracht hat, hoffe ich, dass sie die schöne Jahreszeit hier wird genießen können. Doch dies hängt nicht von mir ab, sondern von England; und sollten wir uns genötigt sehen, wieder zu den Waffen zu greifen, läge die Verantwortung dafür voll und ganz und in den Augen Gottes und der Meinen bei den Eidbrüchigen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen wollten.«

Und er ging nach einem Gruß an Lord Whitworth und die übrigen Gesandten, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, und ließ das ganze ehrbare diplomatische Korps in der tiefsten Verwirrung zurück, die es seit Langem erlebt hatte.


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