3 Die Compagnons de Jéhu

Es war nicht das erste Mal, dass Bonaparte versuchte, den berüchtigten Partisanen Cadoudal der Seite der Republik zuzuführen und an sich zu binden.

Etwas, was ihm kurz nach der Rückkehr aus Ägypten widerfahren war und Folgen gezeitigt hatte, die wir nachstehend schildern werden, hatte sich seinem Gedächtnis nachdrücklich eingeprägt.

Am 17. Vendémidiaire des Jahres VIII (9.Oktober 1799) war Bonaparte an Land gegangen, ohne sich vorher der Quarantäne unterzogen zu haben, obwohl er aus Alexandria kam.

Unverzüglich hatten er und sein bevorzugter Aide de Camp Roland de Montrevel eine Postkutsche bestiegen und waren nach Paris aufgebrochen.

Gegen vier Uhr nachmittags desselben Tages erreichten sie Avignon, machten fünfzig Schritte von der Porte d’Oulle entfernt halt, vor dem Palais de l’Égalité, das nach und nach wieder seinen früheren Namen Palais-Royal annahm, den es seit Beginn des 18. Jahrhunderts getragen hatte und heute noch trägt; Bonaparte stieg aus der Postkutsche in dem dringenden Bedürfnis, das zwischen vier und sechs Uhr nachmittags alle Sterblichen verspüren, dem Bedürfnis nach einer Mahlzeit, gut oder schlecht.

Bonaparte unterschied sich von seinem Gefährten nur durch entschiedeneres Auftreten und größere Wortkargheit, doch der Gastwirt wandte sich sogleich an ihn mit der Frage, ob er allein zu speisen wünsche oder an der Wirtstafel.

Bonaparte überlegte kurz; da die Nachricht von seiner Landung sich noch nicht im Land hatte verbreiten können, jedermann ihn noch in Ägypten wähnte und er und sein Gefährte mehr oder weniger die Kleidung jener Zeit trugen, war sein stets wacher Wunsch, mit eigenen Augen zu sehen und mit eigenen Ohren zu hören, stärker als seine Besorgnis, erkannt zu werden, und da ihm das Speisen an der Wirtstafel, an der soeben aufgetragen wurde, das Warten ersparen würde, erwiderte er, er wolle dort seine Mahlzeit einnehmen.

Dann wandte er sich an den Postillon, der ihn gefahren hatte: »In einer Stunde sollen die Pferde bereit sein.«

Der Gastwirt wies den Neuankömmlingen den Weg zur Wirtstafel; Bonaparte trat als Erster in den Speisesaal, Roland folgte ihm.

Die zwei jungen Männer – Bonaparte war neunundzwanzig oder dreißig Jahre alt, Roland sechsundzwanzig – setzten sich an das Tischende, mit einem Abstand von drei oder vier Gedecken zu den anderen Essensgästen.

Jeder, der gereist ist, weiß, welche Wirkung Neuankömmlinge auf eine Wirtstafel haben: Alle Blicke richten sich auf sie, sofort sind sie Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit.

Die anderen Gäste waren Stammgäste des Gasthauses sowie einige Reisende, mit der Schnellpost auf dem Weg von Marseille nach Lyon, und ein Weinhändler aus Bordeaux, der sich aus Gründen in Avignon aufhielt, die man noch erfahren wird.

Dass die Neuankömmlinge sich mit Bedacht abseits der anderen gesetzt hatten, steigerte deren Neugier nur umso mehr.

Obwohl sie gleich gekleidet waren – Stulpenstiefel und Kniehose, Gehrock mit langen Schößen, Reisemantel und breitkrempiger Hut – und den Anschein der Gleichheit zu erwecken suchten, schien der als Zweiter Eingetretene seinem Gefährten eine Ehrerbietung entgegenzubringen, die der Altersunterschied nicht rechtfertigte, sondern die einen Rangunterschied zu verraten schien. Zudem nannte er ihn Citoyen, während der andere ihn einfach Roland nannte.

Doch es geschah, was in solchen Fällen zu geschehen pflegt: Nach einer Minute ausgiebigen Beäugens der neuen Gäste wandte man den Blick von ihnen ab und widmete sich wieder den Gesprächen, die für einen Augenblick verstummt waren.

Es ging um ein Thema, das für die Reisenden von größtem Interesse war: die thermidorianische Reaktion und die neu entfachten lebhaften Hoffnungen der Royalisten; ungeniert war die Rede von einer baldigen Wiedereinsetzung des Hauses Bourbon, was höchstens noch sechs Monate auf sich warten lassen konnte, da Bonaparte in Ägypten festgehalten wurde. Lyon, eine der Städte, die während der Revolution am meisten gelitten hatten, war wie selbstverständlich das Hauptquartier der Verschwörung.

Eine wahre provisorische Regierung hatte sich gebildet, mit königlichem Rat, königlicher Verwaltung, königlichem Stab und königlichen Armeen.

Um diese Armeen zu besolden und um den unablässigen Krieg in der Vendée und im Morbihan zu bezahlen, brauchte es allerdings Geld und noch mehr Geld. England gab Geld, aber knauserig; nur die Republik konnte den Sold für ihre Gegner aufbringen. Statt jedoch einen schäbigen Handel mit ihr anzustreben, auf den sie nie und nimmer eingegangen wäre, hatte der königliche Rat Räuberbanden aufgestellt, deren Aufgabe das Entwenden von Staatseinnahmen war und das Überfallen der Kutschen, in denen öffentliche Gelder transportiert wurden. Das Bürgerkriegsdenken mit seinen lockeren Moralbegriffen betrachtete das Plündern der Schnellkutsche des Schatzamts nicht als Diebstahl, sondern als kriegerische Operation, als Waffengang.

Eine dieser Banden war auf der Straße von Lyon nach Marseille tätig, und als die Neuankömmlinge bei Tisch Platz genommen hatten, war gerade die Rede davon gewesen, dass sie eine Kutsche der Schnellpost mit sechzigtausend Francs Regierungsgeldern überfallen hatte. Dieser Überfall hatte sich am Abend zuvor zwischen Marseille und Avignon, zwischen Lambesc und Pont-Royal ereignet.

Die Räuber, wenn man die edlen Erleichterer des Staatssäckels so nennen will, hatten vor dem Kutscher, dem sie eine Quittung über den Betrag ausgehändigt hatten, kein Hehl daraus gemacht, dass das Geld das Land sicherer überqueren würde, als sein Gefährt gewährleisten konnte, und dazu bestimmt war, die Armee Cadoudals in der Bretagne zu unterstützen.

All das war neu, unerhört, ja schier unvorstellbar für Bonaparte und Roland, die Frankreich vor zwei Jahren verlassen hatten und sich nicht träumen ließen, welche unermessliche Korruption sich unter der väterlichen Regierung des Direktoriums in allen Gesellschaftsklassen breitgemacht hatte.

Der Zwischenfall hatte sich auf der Straße ereignet, auf der auch sie gekommen waren, und derjenige, der davon berichtete, war selbst ein Hauptakteur dieses Überfalls durch Wegelagerer: der Weinhändler aus Bordeaux.

Am neugierigsten auf Einzelheiten waren neben Bonaparte und seinem Begleiter, die sich mit Zuhören begnügten, die Reisenden der Schnellpost, die auf ihre Weiterreise warteten. Die anderen Gäste, die aus der näheren Umgebung stammten, waren mit solchen Katastrophen so wohlvertraut, dass sie jederzeit Einzelheiten hätten beisteuern können, statt davon zu hören. Der Weinhändler stand im Mittelpunkt der Neugier, und es muss gesagt werden, dass er sich seiner Rolle würdig erwies, denn er antwortete auf alle Fragen, die man ihm stellte, mit größter Liebenswürdigkeit.

»Sie behaupten also, Citoyen«, sagte ein dicker Mann, an den sich blass und zitternd eine hagere Frau schmiegte, deren Knochen man fast klappern zu hören vermeinte, »dieser Raubüberfall habe auf der Straße stattgefunden, auf der wir herkamen!«

»Ja, Citoyen. Ist Ihnen zwischen Lambesc und Pont-Royal eine Stelle aufgefallen, wo die Straße ansteigt und sich zwischen zwei Hügeln verengt, eine sehr steinige und felsige Stelle?«

»O ja, mein Lieber«, fiel die Frau ein und drückte den Arm ihres Mannes, »das ist mir aufgefallen, und ich habe sogar gesagt, daran erinnerst du dich doch gewiss: Was für ein unguter Ort! Da komme ich lieber tagsüber vorbei als nachts.«

»Aaah, Madaaame«, sagte ein junger Mann, der die lässige Aussprache der Zeit besonders affektiert praktizierte und der an der Wirtstafel offenbar den Ton angab, »wissen Sie denn nicht, dass es für die Herrschaften der Compagnons de Jéhu keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht gibt?«

»Wahrhaftig«, stimmte der Weinhändler zu, »so ist es, denn man hat uns um zehn Uhr vormittags am helllichten Tag überfallen.«

»Und wie viele waren es?«, fragte der Dicke.

»Vier, Citoyen.«

»Auf der Straße unterwegs?«

»Nein, sie kamen zu Pferde, bis an die Zähne bewaffnet und maskiert.«

»Das ist ihre Aaart, das ist ihre Aaart«, sagte der junge Mann affektiert. »Und dann haben sie sicher gesagt: Wehren Sie sich nicht, es wird Ihnen kein Haar gekrümmt; wir wollen nur das Geld der Regierung.«

»Wort für Wort, Citoyen.«

»Jaaa«, fuhr der verblüffend gut informierte Zeitgenosse fort. »Zwei sind abgestiegen, haben die Zügel ihrer Pferde ihren Kumpanen zugeworfen und den Kutscher aufgefordert, ihnen das Geld auszuhändigen.«

»Citoyen«, sagte der Dicke staunend, »Sie erzählen das Ganze wahrhaftig so, als wären Sie dabei gewesen!«

»Monsieur war vielleicht dabei«, sagte Roland.

Der junge Mann bedachte den Offizier mit einem kampflüsternen Blick. »Citoyen«, sagte er, »ich weiß nicht, ob Sie beabsichtigten, unhöflich zu mir zu sein, doch das können wir nach dem Essen regeln. Jedenfalls kann ich Ihnen versichern, dass meine politischen Ansichten so beschaffen sind, dass ich Ihren Verdacht nicht als Beleidigung auffasse, solange er nicht als Beleidigung beabsichtigt gewesen sein sollte. Gestern Vormittag gegen zehn Uhr, just zu dem Zeitpunkt, als die Schnellpost vier Meilen von hier entfernt war, speiste ich hier, wie diese Herren Ihnen bestätigen können, und zwar zwischen den Herren, die links und rechts neben mir zu sitzen mir in diesem Augenblick die Ehre erweisen.«

»Und wie viele Männer«, fragte Roland den Weinhändler, »waren Sie in der Kutsche?«

»Wir waren sieben Männer und drei Frauen.«

»Sieben Männer, ohne den Kutscher zu rechnen?«, wiederholte Roland.

»Sehr wohl«, erwiderte der Mann aus Bordeaux.

»Acht Männer haben sich von vier Banditen ausrauben lassen! Ich muss Ihnen gratulieren, Monsieur.«

»Wir wussten, mit wem wir es zu tun hatten«, erwiderte der Weinhändler, »und wir hüteten uns, zur Waffe zu greifen.«

»Warum das?«, fragte Roland. »Sie hatten es doch mit Strauchdieben zu tun, mit Galgenstricken, mit Straßenräubern.«

»Aber keineswegs, denn sie haben sich ja ausgewiesen.«

»Ausgewiesen?«

»Sie haben gesagt: Wir sind keine Straßenräuber, wir sind Mitglieder der Compagnons de Jéhu. Jede Gegenwehr ist zwecklos, meine Herren; fürchten Sie sich nicht, meine Damen.«

»So ist es«, sagte der junge Mann, der das große Wort an der Wirtstafel zu führen schien, »sie geben sich immer zu erkennen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.«

»Oho«, sagte Roland, indes Bonaparte schwieg, »was ist denn dieser Jéhu für ein Zeitgenosse, dass seine Gefährten so erlesene Umgangsformen haben? Ist er ihr Anführer?«

»Monsieur«, sagte ein Mann, dessen Kleidung den ehemaligen Priester wittern ließ und der offenbar in Avignon wohnte und zu den Stammgästen der Wirtstafel gehörte, »wenn Sie in der Lektüre der Heiligen Schrift bewanderter wären, als Sie es allem Anschein nach sind, dann wüssten Sie, dass dieser Zeitgenosse namens Jéhu vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden das Zeitliche gesegnet hat und aus einleuchtenden Gründen heutzutage keine Schnellposten auf den Reisestraßen überfallen kann.«

»Herr Abbé«, erwiderte Roland, »trotz Ihres verschnupften Tons machen Sie mir den Eindruck eines äußerst gebildeten Mannes, und deshalb bitte ich Sie, einem armen Unwissenden nähere Auskünfte über diesen Jéhu zu erteilen, der vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden gestorben ist und sich dennoch der Ehre erfreut, Gefährten zu besitzen, die sich mit seinem Namen schmücken.«

»Monsieur«, fuhr der Geistliche im gleichen säuerlichen Ton fort wie zuvor, »Jéhu war ein König Israels, den Elisa salbte unter der Bedingung, dass Jéhu Ahab und seine Sippe ausrottete und Isebel erschlug und alle Priester Baals vernichtete.«

»Herr Abbé«, sagte der junge Offizier lachend, »ich danke Ihnen für die Erläuterung. Ich bezweifle nicht, dass sie zutrifft und sicherlich überaus gelehrt ist, aber ich muss gestehen, ich bin um keinen Deut klüger als zuvor.«

»Aaaber, Citoyen«, warf wieder der Stutzer ein, »begreifen Sie etwa nicht, dass Jéhu seine Majestät Ludwig XVIII. ist, auserwählt von Gott und gesalbt unter der Bedingung, dass er die Verbrechen der Republik bestraft und die Priester des Baal erschlägt, anders gesagt die Girondisten, Cordeliers, Jakobiner, Thermidorianer und alle Übrigen, die zu dem abscheulichen Zustand beigetragen haben, den man seit sieben Jahren die Revolution nennt?«

»Aha!«, sagte Roland. »Ich beginne zu verstehen; aber zählen Sie zu jenen, die von den Compagnons de Jéhu ausgerottet werden sollen, auch die tapferen Soldaten, die Frankreichs Grenzen gegen die Mächte des Auslands verteidigt haben, und die herausragenden Generäle, die ihre Armeen in Tirol, im Departement Sambre-et-Meuse und in Italien angeführt haben?«

»Aber sicherlich und mehr noch als alle anderen.«

Rolands Augen sprühten Blitze, er blähte die Nasenflügel, presste die Lippen aufeinander und erhob sich von seinem Stuhl; doch sein Gefährte zog ihn am Rock, so dass er sich wieder setzen musste und das Wort »Schlingel«, das er seinem Gegenüber ins Gesicht schleudern wollte, nicht aussprach.

Und derjenige, der soeben seine Macht über seinen Gefährten bewiesen hatte, ergriff mit ruhiger Stimme zum ersten Mal das Wort: »Citoyen, Sie müssen zwei Reisende entschuldigen, die vom anderen Ende der Welt kommen, fast wie aus Amerika oder Indien, die Frankreich seit zwei Jahren nicht gesehen haben und nichts von alldem wissen, was sich dort zugetragen hat, und die begierig darauf sind, es zu erfahren.«

»Sagen Sie, was Sie wissen wollen«, sagte der junge Mann, der die Beleidigung, die auszusprechen Roland im Begriff gewesen war, offenbar nicht recht wahrgenommen hatte.

»Ich dachte«, fuhr Bonaparte fort, »die Bourbonen hätten sich mit ihrem Exil abgefunden; ich dachte, die Polizei verhinderte, dass es Banditen oder Diebe auf den Straßen geben kann; und ich dachte, General Hoche hätte die Vendée befriedet.«

»Aber woher kommen Sie denn? Woher nur?«, rief der junge Mann und begann zu lachen.

»Ich sagte es doch, Citoyen, vom anderen Ende der Welt.«

»Nun gut! Ich werde es Ihnen erklären: Die Bourbonen sind nicht reich; die Emigranten, deren Vermögen verkauft wurde, sind ruiniert. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, ohne Geld zwei Armeen im Westen zu unterhalten und in den Bergen der Auvergne eine dritte auf die Beine zu stellen. Nun, indem die Compagnons de Jéhu die Schnellpost überfallen und die Geldkassetten der Steuereintreiber plündern, erklären sie sich zu den Steuereinnehmern der royalistischen Generäle. Fragen Sie Charette, Cadoudal oder Teyssonnet.«

»Aber«, warf der Weinhändler aus Bordeaux ängstlich ein, »wenn die Herren Compagnons de Jéhu es nur auf das Geld der Regierung abgesehen haben...«

»Selbstverständlich nur auf das Geld der Regierung; sie haben noch nie einen Bürger ausgeraubt.«

»Und wie kommt es dann«, fragte der Weinhändler etwas mutiger, »dass sie außer dem Geld der Regierung einen versiegelten Geldsack mit zweihundert Louisdor entwendet haben, der mir gehört?«

»Mein werter Monsieur«, erwiderte der junge Mann, »ich sagte Ihnen, dass es sich um einen Irrtum handeln muss und dass Ihnen dieses Geld eines Tages erstattet werden wird, so wahr ich Alfred de Barjols bin.«

Der Weinhändler seufzte hörbar und schüttelte den Kopf mit der Miene eines Menschen, dessen Zweifel allen Beteuerungen zum Trotz nicht völlig ausgeräumt wurden.

Doch als hätte das Eintreten des jungen Edelmanns, der seinen Namen und damit auch seinen gesellschaftlichen Rang enthüllt hatte, das Zartgefühl jener geweckt, für die er sein Wort gegeben hatte, kam ein Pferd angaloppiert und blieb vor der Tür des Gasthauses stehen; man vernahm Schritte im Flur, die Tür zum Speisesaal wurde aufgerissen, und auf der Schwelle erschien ein maskierter und bis an die Zähne bewaffneter Mann.

Alle Blicke richteten sich auf ihn.

»Meine Herren«, sagte er in der unnatürlichen Stille, die sein unerwartetes Erscheinen ausgelöst hatte, »befindet sich unter Ihnen ein Reisender mit Namen Jean Picot, der in der Schnellpost fuhr, die von den Compagnons de Jéhu zwischen Lambesc und Pont-Royal überfallen wurde?«

»Ja«, sagte der Weinhändler in größtem Erstaunen.

»Sind das vielleicht Sie, Monsieur?«, fragte der Maskierte.

»Das bin ich.«

»Hat man Ihnen nichts entwendet?«

»O doch, man hat mir einen Geldsack mit zweihundert Louisdor entwendet, den ich dem Kutscher anvertraut hatte.«

»Und ich muss hinzufügen«, sagte Monsieur Alfred de Barjols, »dass Monsieur soeben erst davon sprach und sein Geld als verloren betrachtete.«

»Monsieur hat sich getäuscht«, sagte der maskierte Unbekannte. »Wir führen Krieg gegen die Regierung, aber nicht gegen einzelne Bürger. Wir sind Partisanen, keine Strauchdiebe. Hier haben Sie Ihre zweihundert Louisdor, Monsieur, und wenn künftig ein ähnlicher Irrtum geschehen sollte, dann fordern Sie Ihr Eigentum zurück und berufen Sie sich auf den Namen Morgan.«

Und mit diesen Worten setzte der Maskierte zur Rechten des Weinhändlers einen Geldsack ab und ging, nachdem er sich mit einer höflichen Geste von den Anwesenden verabschiedet hatte, die vor Entsetzen oder vor Verblüffung über solchen Wagemut sprachlos waren.

Im selben Augenblick wurde Bonaparte gemeldet, dass die Pferde vorgespannt waren.

Roland bezahlte den Wirt, während Bonaparte sich erhob und sich anschickte, die Kutsche zu besteigen.

Als er sich anschließend zu seinem Reisegefährten gesellen wollte, sah er sich Alfred de Barjols gegenüber.

»Verzeihen Sie, Monsieur«, sagte dieser, »aber Sie haben einen Ausruf unterdrückt, der unzweideutig mir galt; darf ich erfahren, was der Grund für diese Zurückhaltung war?«

»Oh, Monsieur«, sagte Roland, »der Grund für diese Zurückhaltung ist schlicht der, dass mein Gefährte mich am Rock gezogen hat und ich deshalb, um ihn nicht zu verärgern, darauf verzichtet habe, Sie als Schlingel zu titulieren, wie es meine Absicht war.«

»Wenn es Ihre Absicht war, mir diesen Schimpf anzutun, Monsieur, darf ich dann die Absicht für die Tat nehmen?«

»Wenn es Ihnen genehm ist, Monsieur...«

»Es ist mir genehm, denn es gibt mir Gelegenheit, Satisfaktion von Ihnen zu verlangen.«

»Monsieur«, sagte Roland, »mein Reisegefährte und ich sind in großer Eile, wie Sie unschwer sehen können; wenn Sie aber meinen, eine Stunde würde uns genügen, um unsere Meinungsverschiedenheit auszutragen, dann würde ich bereitwillig diese Stunde Verspätung auf mich nehmen.«

»Eine Stunde wird genügen, Monsieur.«

Roland salutierte und eilte zur Postkutsche.

»Aha«, sagte Bonaparte. »Du schlägst dich?«

»Ich konnte nicht anders, General«, erwiderte Roland. »Aber mein Gegner ist sehr entgegenkommend; es wird nicht länger dauern als eine Stunde. Sobald wir fertig sind, nehme ich ein Pferd und werde Sie gewiss bis Lyon eingeholt haben.«

Bonaparte zuckte die Schultern.

»Raufbold!«, sagte er; dann reichte er ihm die Hand und fügte hinzu: »Sieh zu, dass du wenigstens nicht ums Leben kommst, ich brauche dich in Paris.«

»Ach, seien Sie unbesorgt, General, zwischen Valence und Vienne werden Sie mich wiedersehen.«

Bonaparte fuhr ab.

Eine Meile hinter Valence hörte er ein Pferd im Galopp und ließ die Kutsche anhalten.

»Ach, Roland, du bist es«, sagte er. »Offenbar ist alles gut ausgegangen.«

»Ganz ausgezeichnet«, sagte Roland, der die Miete für das Pferd entrichtete.

»Hast du dich geschlagen?«

»Ja, mein General.«

»Und wie?«

»Mit Pistolen.«

»Und?«

»Ich habe ihn erschossen, mein General.«

Roland nahm wieder seinen Platz neben Bonaparte ein, und die Postkutsche folgte im Galopp ihrem Weg.

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