ANHANG

Nachwort des Herausgebers

Dass man bisweilen findet, ohne gesucht zu haben, kann daran liegen, dass man lange gesucht hat, ohne zu finden. Gegen Ende der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts war ich mit Recherchen in den Archives de la Seine beschäftigt, deren Gegenstand mir entfallen ist (denn so gründlich ich bin, wenn es um Daten zu Leben und Werk Alexandre Dumas’ geht, so nachlässig verfahre ich mit solchen meines eigenen Erdenwandels). Dieses Archiv war im Hôtel Le Maignan untergebracht, einem steinernen Ungetüm, das überall undicht war und auf Spitzhacke und Abrissbirne zu warten schien. Der Lesesaal war finster und selbst bei strahlendem Sommerwetter lichtarm; hastig blätterte man in alphabetisch geordneten, schmutzstarrenden und eselsohrigen Karteikärtchen, die sich auf das frühere Standesamtsregister bezogen, das nach dem Rathausbrand unter der Kommune rekonstruiert worden war. Es war, als flanierte man auf einem riesigen Friedhof.

Was mag ich gesucht haben? Etwas Bescheidenes vermutlich, vielleicht die Geburtsurkunde eines unehelichen Kindes Alexandre Dumas’ oder Unterlagen, die mir helfen sollten, die Identität einer seiner Mätressen zu bestimmen, einen seiner Verleger herauszufinden... Wahrscheinlich hatte ich die Akten bestellt und wartete. In den Archives de la Seine verbringt man mehr Zeit mit Warten als mit Recherchieren. Vor lauter Langeweile öffnete ich aufs Geratewohl eine Schublade und blätterte in ihren Karteikärtchen. War es Zufall, dass ich unter dem Buchstaben D folgende Eintragung zu lesen bekam: »Alexandre Dumas (Vater). Joséphines Schulden, L.a.s., 2 p.«?

Schnell war der Bestellzettel für das Geheimnis mit der Signatur 8 AZ 282 ausgefüllt und abgegeben, doch es erforderte noch einiges an Geduld, bis ich die zwei hellblauen Blatt karierten Papiers in Händen hielt.

Ich transkribiere das Dokument, wie es mir damals vorlag:


Joséphines Schulden


In Widerspruch zu der in der gestrigen Ausgabe des Pays eingerückten neuerlichen Notiz, abgedruckt im Moniteur universel, erhält unser Mitarbeiter und Freund Alexandre Dumas nicht nur seine Behauptungen aufrecht, sondern fügt zur Erbauung der Neugierigen den bereits von ihm erbrachten Beweisen neue Beweise hinzu.

Nicht er, sondern Bourrienne, der als Einziger die Rechnungen des Ersten Konsuls und Joséphines bezeugen kann, spricht hier:

»Man kann sich den Zorn und die Übellaunigkeit des Ersten Konsuls denken, denn obwohl ich ihm die Hälfte des Betrags gestanden hatte, argwöhnte er zu Recht, dass seine Frau etwas vor ihm zu verbergen hatte; dennoch sagte er zu mir: ›Nun denn! Nehmen Sie sechshunderttausend Francs; begleichen Sie die Schulden mit diesem Geld, und dass ich nie wieder davon höre. Ich ermächtige Sie, den Händlern damit zu drohen, dass sie gar nichts bekommen, wenn sie nicht auf ihre unermesslichen Gewinne verzichten; sie müssen lernen, nicht so leichtfertig auf Kredit ihre Waren zu liefern.‹«

An dieser Stelle hätte ich die überragende Macht desjenigen herausstellen können, der sich über die Verfassung des Jahres VIII hinweggesetzt und den 18. Brumaire inszeniert hatte und der keine Skrupel gehabt haben dürfte, sich über die Handelskammer hinwegzusetzen, indem er sich weigerte, die Schulden seiner Frau zu bezahlen, oder sie nur zur Hälfte bezahlte. Doch es scheint, als hätten damals sechshunderttausend Francs ausgereicht, um Schulden von zwölfhunderttausend Francs zu begleichen, denn Bourrienne sagt als Nächstes: »Nach lebhaften Vorhaltungen war es mir vergönnt, mit den sechshunderttausend Francs alles zu regeln«, auch wenn er nicht viel später hinzufügen muss: »Madame Bonaparte verfiel jedoch bald darauf in die gleiche Maßlosigkeit. Diese unbegreifliche Verschwendungssucht war die fast alleinige Ursache all ihrer Kümmernisse; ihre unbedachte Vergeudung stiftete ständige Unordnung in ihrem Haushalt, bis sie, wie es heißt, nach Bonapartes zweiter Ehe ordentlicher wurde.«

Man wird Bourrienne schwerlich der Böswilligkeit gegenüber Joséphine zeihen können, denn im Gegenteil war er bis zuletzt ihr bester Freund. Keine Gelegenheit, Lobreden auf Joséphine anzustimmen, lässt er ungenutzt verstreichen, kein einziges Mal erwähnt er sie, ohne auf seinen Dank für all die Wohltaten zu sprechen zu kommen, mit denen sie ihn überhäuft hat.

Doch lassen wir den Mann zu Worte kommen, der sich am besten mit Joséphines Schulden auskennen sollte, denn er beglich sie.

»Joséphine«, sagt der Kaiser, »neigte im Übermaß zum Luxus, zur Unordnung, zum gedankenlosen Geldausgeben, wie es den Kreolen angeboren ist. Unmöglich, ihrer Schulden jemals Herr zu werden, denn sie machte dauernd neue, und wenn sie ihre Schulden endlich bezahlen musste, kam es regelmäßig zu großem Streit. Oft habe ich erlebt, dass sie ihren Händlern ausrichten ließ, sie sollten nur die Hälfte des geschuldeten Betrags geltend machen. Bis nach Elba wurde ich mit solchen Erinnerungen an Joséphine aus allen Teilen Italiens überhäuft.« (Seite 400) Mémorial de Ste-Hélène, Bd. 3.

Schließen wir mit dem Vergleich, den Napoleon zwischen seinen zwei Ehefrauen anstellt:

»Zu keiner Zeit waren Haltung und Betragen Ersterer von anderer als erfreulicher und bezaubernder Art; niemals hätte sie sich anmerken lassen oder hätte man ihr ansehen können, dass dies irgendeine Beschwerlichkeit für sie bedeutete; alles, was die Kunst im Dienst der Anziehungskraft vermag, wurde von ihr angewendet, und mit so viel Geschick, dass nicht das Geringste davon zu merken war. Die andere hingegen ahnte nicht einmal, dass sich mit solch unschuldigen Kunstgriffen etwas erreichen ließ.

Die eine hielt es nie mit der Wahrheit, und ihr erster Impuls war stets das Leugnen; der anderen war jede Täuschung unbekannt und jede Unaufrichtigkeit fremd. Die Erste bat ihren Gatten nie um Geld, war aber überall verschuldet; die zweite zögerte nicht, um Geld zu bitten, wenn sie keines mehr hatte, was aber höchst selten vorkam; sie hätte sich niemals erlaubt, etwas zu erstehen, ohne es sofort zu bezahlen. Im Übrigen waren beide gutherzig, sanftmütig und ihrem Ehemann sehr zugetan. Doch man wird sie bereits erraten haben, und wer sie gekannt hat, wird die beiden Kaiserinnen wiedererkannt haben.« (S. 407) Mémorial de Ste-Hélène, Bd. 3.

Dies, mein lieber Verleger, hätte ich Monsieur Henry d’Escamps erwidern können, doch ich dachte mir, es sei nicht erforderlich, Le Pays um Gotteslohn einen Artikel zu schenken, der nicht gänzlich uninteressant ist.

Ich habe mich damit begnügt, ihm folgenden Brief zu schreiben:


»An den Herausgeber der Zeitung Le Pays.

Monsieur,

Ihre Antwort ist keine. Ich sprach von den zwölfhunderttausend Francs Schulden, die Joséphine von 1800 bis 1802 angehäuft hat, das heißt innerhalb eines Jahres. Nicht erwähnt habe ich ihre Schulden aus den Jahren 1804 bis 1809. Die Aufstellung dieser fünf Jahre überlasse ich den Herren Ballhouey und de Lavalette und Ihnen, da ich nicht daran zweifle, dass es Ihnen dreien gelingen wird, mir eine ebenso genaue Abrechnung zu erstellen, wie es Monsieur Magne mit den vier veruntreuten Milliarden gelungen ist, die sieben oder acht Jahre lang dazu benutzt wurden, das Budget auszugleichen.

Seien Sie meiner Hochachtung versichert

Alexandre Dumas.«


Es handelte sich zweifellos um Handschrift und Unterschrift Alexandre Dumas’ des Älteren – und nicht des Jüngeren oder General Matthieu Dumas’ oder irgendeines anderen der unzähligen Dumas.

Ich hatte gefunden, jetzt musste ich suchen.

Dumas hatte offenbar Joséphine unter der Knute ihrer Gläubiger dargestellt, in einem Text, der im Moniteur universel erschienen war, und hatte mit dieser Veröffentlichung Monsieur Henry d’Escamps von Le Pays in höchste Empörung versetzt. Dumas antwortete seinem Kritiker in einem offenen Brief, in dem er die Quellen angab, die er verwendet hatte – so viel war klar. Der Text, auf den Dumas sich bezog, war mir unbekannt; er war auch, wie ich mich vergewissern konnte, in keiner Bibliographie seiner Werke erwähnt (weder in Frank W. Reeds Bibliography of Dumas Père noch in Alexandre Dumas Père. A Bibliography of Works Published in French, 1825-1900 von Douglas Munro). Selbstverständlich war der Brief – wie fast immer bei Dumas – undatiert.

Ich wüsste nicht mehr im Einzelnen anzugeben, wie ich mich zum Ziel durchgekämpft habe. Ergebnislos suchte ich nach den Lebensdaten des Henry d’Escamps; vermutlich wusste ich, dass Pierre Magne von 1867 bis 1870 Finanzminister war; fruchtlos förderte ich im zweiten Band der Erinnerungen des Grafen Lavalette[11] auf Seite 376 eine Broschüre aus dem Jahr 1843 zutage, die lautete: Brief vom 16. Mai 1827 aus der Feder Monsieur Ballhoueys, des früheren Finanzsekretärs Ihrer Majestät Kaiserin Joséphine. Vermutlich war mir klar, dass der Moniteur universel nicht länger das offizielle Organ der Regierung des Zweiten Kaiserreichs gewesen sein konnte, wenn er etwas veröffentlichte, was Joséphines posthumem Ansehen abträglich war – was heißt, dass die Veröffentlichung nach dem 1. Januar 1869 erfolgt sein musste, dem Datum, an dem das Journal officiel als neues Regierungsblatt erstmals erschienen war.

Wie auch immer: Eines Tages saß ich unter der Kuppel des Zeitschriftensaals der Bibliothèque Nationale in der Rue de Richelieu in einem der Verschläge, die wie Beichtstühle aussehen, entrollte den Mikrofilm des Moniteur universel aus dem ersten Trimester 1869 und entdeckte... nicht etwa den Brief, den ich ausgegraben hatte (er ist nie erschienen, weder im Moniteur noch in Le Pays), und auch keinen Zeitungsartikel von Dumas über Joséphines Schulden, sondern einen Roman in Fortsetzungen, einen sehr umfangreichen, aber leider unvollendeten Roman: einhundertachtzehn Kapitel, in relativ unregelmäßiger Reihenfolge zwischen dem 1. Januar und dem 30. Oktober 1869 erschienen – fast ein ganzes Jahr lang! Ich war so glücklich, als hätte ich das sagenhafte Eldorado entdeckt. Ich hatte den letzten Roman Alexandre Dumas’ vor Augen, den Krankheit und Tod beendet hatten, an dem die unermüdliche Feder des Autors bis zuletzt geschrieben hatte!

Ich schlachtete mein Sparschwein und erhielt einige Monate später die Fotokopie der Fortsetzungen in Form eines dicken Papierstapels, auf den ich mich stürzte, um seinen Inhalt zu verschlingen. Damals war noch nicht abzusehen, dass Dumas eines Tages in das Panthéon aufgenommen werden würde.[12] Dass das Buch erscheinen konnte, verdanke ich Jean-Pierre Sicre, der sich mit allen Kräften dafür eingesetzt hat. Habent sua fata libelli (ein Text kann nur vermitteln, was der Leser auffasst), wie Dumas das Wort des Terentianus Maurus zu zitieren pflegte.


Der rekonstruierte Roman


Einhundertzwanzig Jahre vor der Wiederentdeckung der Fortsetzungen im Moniteur saß Alexandre Dumas an seinem Schreibtisch in der Wohnung am Boulevard Malesherbes oder in seinem großen niedrigen Bett und schrieb auf das hellblaue Papier im Format von 21 x 27 Zentimetern den ersten Satz seines Romans.

Im Vorjahr (1867) war in dem Periodikum La Petite Presse Dumas’ Roman Les Blancs et les Bleus in vier separaten Teilen als Fortsetzungsroman abgedruckt worden; dieses Panorama der französischen Geschichte zwischen Dezember 1793 und August 1799, also von der Terreur bis zu Bonapartes Rückkehr aus Ägypten, charakterisierte der Verfasser mit den Worten: »Dieses Buch ist alles andere als ein Roman und manchen Lesern wahrscheinlich nicht romanhaft genug; wir sagten schon, dass es verfasst wurde, um mit der Geschichte Schritt zu halten«[13], und an anderer Stelle sagt er: »Es lässt sich nicht leugnen, dass wir in diesem Werk eher romanhafter Historiker als historischer Romanschriftsteller sind. Wir glauben, unsere Phantasie oft genug bewiesen und uns das Recht erworben zu haben, historische Wahrhaftigkeit zu beweisen, ohne indessen unsere Erzählung der poetischen Einfälle zu entkleiden, welche die Lektüre leichter und angenehmer machen, als es die eines schmucklosen Geschichtswerks wäre.«[14]

Im November 1866 hatte Dumas in Vorbereitung seiner historischen Arbeit in ziemlich hoheitsvollem Ton folgenden Brief an Napoleon III., den kleinen Neffen des großen Korsen, geschrieben:


Erlauchter Kollege,

als Sie sich daranmachten, Ihre Lebensbeschreibung des Siegers über die Gallier[15] zu verfassen, war es den Bibliotheken ein Anliegen, Ihnen die Dokumente in ihrem Besitz zur Verfügung zu stellen.

Das Ergebnis war ein anderen Arbeiten überlegenes Werk, indem es die größtmögliche Anzahl historischer Dokumente umfasst.

Da ich gegenwärtig mit der Geschichte eines zweiten Cäsars namens Napoleon Bonaparte beschäftigt bin, benötige ich die Dokumente, die sein Auftreten im Weltgeschehen betreffen.

Kurzum, ich hätte gern Kenntnis von allen Schriften, die der 13. Vendémiaire[16] gezeitigt hat.

Ich bat die Bibliotheken darum, doch sie wurden mir verweigert.

Es bleibt mir daher nichts anderes übrig, als mich an Sie zu werden, mein erlauchter Kollege, dem niemand etwas abschlägt, und Sie zu bitten, in Ihrem Namen diese Schriften von den Bibliotheken zu erlangen und sie mir zur Verfügung zu stellen.

Sollte meine Bitte Ihr Gehör finden, würden Sie mir einen Dienst erwiesen haben, den ich nie vergessen werde.

Ich habe die Ehre, erlauchter Kollege, mich mit größter Hochachtung zu empfehlen als Ihr bescheidener und überaus dankbarer Kollege

ALEX. DUMAS.[17]

Allem Anschein nach wurde die Bitte Dumas’ erfüllt; Victor Duruy, der Unterrichtsminister, ermöglichte ihm den Zugang zu den gewünschten Quellen, und Dumas konnte Napoleon Bonaparte auf der Weltbühne auftreten lassen, den Mann, der »den ersten Teil des 19. Jahrhunderts mit der Fackel seines Ruhms erleuchtete«.[18]

Bei aufmerksamer Lektüre des Romans Les Blancs et les Bleus kann man einen flüchtigen Hinweis auf Hector de Sainte-Hermine finden, wenn sein älterer Bruder Charles dem Vendéegeneral Cadoudal erklärt, dass im Fall seiner Hinrichtung sein jüngerer Bruder ebenso in seine Fußstapfen treten werde, wie er in die seines füsilierten älteren Bruders getreten war und dieser in die des guillotinierten Vaters.

Unterdessen hatte Dumas im Februar 1868 sein letztes journalistisches Abenteuer mit dem Periodikum Le Dartagnan unternommen, dessen letzte Ausgabe Anfang Juli erschien; im Juli reiste er nach Le Havre, wo er neben seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen mit Unterstützung seines Mitarbeiters Alphonse Esquiros an dem sechzehn Jahre zuvor begonnenen Roman Création et Rédemption weiterschrieb. »Man darf ihm nicht gram sein, dass er vor vier Uhr nachmittags niemanden einlässt, denn bis zu dieser Stunde muss er arbeiten«, schrieb sein Sekretär Georges d’Orgeval.

Ich fasse im Folgenden zusammen, was meine Recherchen über ein gutes Dutzend Jahre hinweg zur Entstehung des verschollenen Hector de Sainte-Hermine ergeben haben.

In Le Havre hat Dumas vermutlich im Spätsommer 1868 einen Brief an Paul Dalloz, den Herausgeber des Moniteur universel, diktiert; Dalloz druckte zu jener Zeit eine Reihe von »Plaudereien über das Meer« von Dumas ab. In diesem Brief entwirft Dumas ein Projekt von kolossalen Ausmaßen, nämlich nichts Geringeres als die Fortsetzung der Geschichte Napoleons I. von seinem Aufstieg über seinen Triumph bis zu seinem Sturz.


Anbei, lieber Freund, was ich Ihnen vorschlage: ein Roman in vier oder sechs Bänden mit dem Titel Hector de Sainte-Hermine.

Hector de Sainte-Hermine ist der letzte Spross einer Adelsfamilie aus dem Jura (Besançon). Sein Vater, der Graf von Sainte-Hermine, wurde guillotiniert und hat seinen ältesten Sohn Léon de Sainte-Hermine schwören lassen, wie er für die royalistische Sache zu sterben; Léon wurde in der Festung von Harnem [sic] füsiliert und hat seinen Bruder Charles schwören lassen, wie er für die Sache der Bourbonen zu sterben; u. Charles de Sainte-Hermine wurde als Anführer der Compagnons de Jéhu in Bourg-en-Bresse guillotiniert, wobei er seinem jüngsten Bruder Hector de Sainte-Hermine das Versprechen abnahm, dem Beispiel des Vaters und der zwei älteren Brüder zu folgen.

Daraufhin hat Hector sich den Compagnons de Jéhu angeschlossen, hat den Bourbonen Treue geschworen u. Cadoudal Gehorsam gelobt, und obwohl er bis über die Ohren in eine junge, von Joséphine protegierte Kreolin verliebt ist u. von ihr geliebt wird, hat er nie gewagt, ihr seine Liebe zu erklären, weil er den Bourbonen u. Cadoudal sein Wort verpfändet hat.

Doch als die Vendée befriedet ist, kommt Cadoudal nach Paris u. trifft sich mit Bonaparte, der ihm den Rang eines Obersten oder hunderttausend Francs Pension anbietet.

Cadoudal lehnt ab, erklärt Bonaparte, er wolle nicht in Frankreich bleiben, sondern sich nach England zurückziehen, und als er das Land verlässt, beauftragt er seinen Freund Coster Saint-Victor, allen die Freiheit wiederzugeben, die ihm Treue geschworen hatten.

Erst da kann Hector de Sainte-Hermine, von seinem Wort befreit, Mademoiselle de La Clémencière seine Liebe gestehen, und er hält um ihre Hand an.

Sie wird ihm sofort gewährt; alles wird für die Hochzeit vorbereitet, der Tag ist festgesetzt, der Ehevertrag wird unterzeichnet, als im Moment der Unterzeichnung, als Hector schon die Feder in der Hand hält, ein maskierter Mann erscheint, auf ihn zutritt u. ihm ein Blatt Papier reicht.

Es ist die Ordre, sich unverzüglich in den Wald von Andelys zu begeben, wo seine Freunde von den Compagnons de Jéhu sich sammeln.

Geschehen war Folgendes:

Cadoudal hat sein Versprechen gehalten, aber Fouché, der Bonaparte Angst einjagen will, beauftragt Banden von Fußbrennern, in der Normandie und der Bretagne Bauernhöfe zu überfallen u. sich als Anhänger Cadoudals auszugeben.

Cadoudal erfährt davon, kehrt nach Frankreich zurück, landet an der Klippe von Biville u. bittet einen Bauern um Unterkunft.

Zufällig will eine Bande von Fußbrennern unter Führung eines falschen Cadoudal an diesem Abend den Bauernhof plündern.

Die Fußbrenner ergreifen den Bauern, seine Frau u. Kinder; sie verbrennen dem Bauern die Füße, seine Schreie rufen Cadoudal herbei, der mit einer Pistole in jeder Hand eintritt.

»Wer von euch ist Cadoudal?«, fragt er.

»Das bin ich«, antwortet ein Maskierter.

»Du lügst!«, sagt Cadoudal und pustet ihm das Lebenslicht aus. »Cadoudal bin ich!«

Und weil die andere Seite ihr Versprechen gebrochen hat, erklärt er seinen Leuten, dass er die Kriegshandlungen wiederaufnimmt und dass ihm alle wieder gehorchen müssen wie zuvor.

Diesen Befehl hat Hector erhalten, als er seinen Ehevertrag unterschreiben wollte, und deshalb musste er den Salon verlassen u. mit der Postkutsche nach Andelys aufbrechen.

Der Überfall auf die Eilpost findet statt, Hector wird verwundet und gefangen genommen, in Rouen ins Gefängnis geworfen, wo er den Präfekten kennt, den er zu sich bittet u. dem er sagt, dass er unbedingt den Polizeiminister Fouché sprechen müsse; der Präfekt übernimmt die Verantwortung für den Gefangenen und reist mit ihm nach Paris, wo sie Fouché aufsuchen.

Der junge Mann gesteht u. erbittet als einzige Gnade, dass man ihn füsiliert, ohne dass sein Name bekannt wird. Er war im Begriff, sich mit einer vornehmen Familie zu verbinden, eine Frau zu heiraten, die er abgöttisch liebt, und er will verschwinden, ohne Blut oder Schande über diejenige zu bringen, die seine Frau werden sollte.

Fouché steigt in einen Wagen, fährt zu den Tuilerien, erzählt alles Bonaparte, der nur sagt: »Gewähren Sie ihm die Gnade, um die er bittet, lassen Sie ihn füsilieren.«

Fouché verlangt beharrlich, dass der Gefangene am Leben bleibt. Bonaparte kehrt ihm den Rücken zu u. verlässt das Zimmer.

Fouché begnügt sich damit, den Gefangenen in ein Geheimverlies zu stecken, und will später wieder mit Bonaparte sprechen.

Die Verlobte ist verzweifelt, niemand kann ihr sagen, was mit ihrem Geliebten passiert ist. Die Verschwörung Pichegrus, Cadoudals u. Moreaus nimmt ihren Lauf. Cadoudal wird verhaftet. Pichegru wird verhaftet. Moreau wird verhaftet. Prozess. Zustände in Paris während des Prozesses. Gemütsverfassung des Ersten Konsuls. Hinrichtung Cadoudals. Pichegru erdrosselt sich. Moreau geht ins Exil.

Napoleon lässt sich krönen.

Am Vorabend der Krönung sucht Fouché ihn auf.

»Sire«, sagt er, »ich komme, um zu erfahren, was mit dem Grafen von Sainte-Hermine geschehen soll.«

»Wer soll das sein?«, fragt Bonaparte.

»Das ist der junge Mann, der Sie bat, ihn füsilieren zu lassen, ohne dass sein Name bekannt würde.«

»Nanu, ist er denn nicht füsiliert worden?«, fragt der Kaiser.

»Sire, ich dachte mir, dass der Kaiser am Vorabend seiner Krönung eine Gnade, um die ich ihn bitte, nicht abschlagen wird. Ich bitte ihn um Gnade für den jungen Mann, mit dessen Vater ich zusammen aufgewachsen bin.«

»Dann soll man ihn als einfachen Soldaten in die Armee schicken, wo er sich umbringen lassen kann.«

Hector de Sainte-Hermine wird einfacher Soldat und versucht sich während des langen Kampfs des Kaiserreichs gegen die ganze Welt umbringen zu lassen. Doch in jeder gefahrvollen Situation vollbringt er eine Heldentat, so dass er in alle Ränge befördert wird, für die der Kaiser nicht zustimmen muss, das heißt bis zum Rang des Hauptmanns.

Danach verweigert Napoleon, der den Namen wiedererkannt hat, zweimal die Beförderung. Bei Friedland wird er Zeuge einer Heldentat des armen Soldaten in Ungnade, erkennt ihn nicht, nähert sich ihm u. sagt: »Hauptmann, ich ernenne Sie zum Bataillonschef.«

»Das kann ich nicht annehmen«, erwidert Hector.

»Und warum nicht?«

»Weil Eure Majestät nicht wissen, wer ich bin.«

»Und wer sind Sie?«

»Ich bin der Graf Hector von Sainte-Hermine.«

Napoleon reißt sein Pferd herum u. galoppiert davon.

Zwei weitere Male wird Hector de Sainte-Hermine dem Kaiser als Bataillonschef vorgeschlagen, doch erst bei der Schlacht von Eylau ist er bereit, die Ernennung zu unterzeichnen.

Auf dem Rückzug aus Russland ist es Hector, der sich anerbietet, den Schlitten zu ziehen, der Napoleon nach Frankreich zurückbringt.

Napoleon hat sein Kreuz abgenommen, um es ihm zu geben, als der Muschik zurückweicht und sagt: »Verzeihung, Sire, ich bin der Graf von Sainte-Hermine.«

Napoleon nimmt sein Kreuz zurück.

Der Feldzug von 1814 kommt. Ein Bataillonschef bringt Bonaparte ein Schreiben des Marschalls Victor, als Napoleon auf dem Hügel eigenhändig eine Kanone bedient; eine Bombe fällt vor Napoleons Füßen nieder, der Bataillonschef reißt ihn weg und wirft sich zwischen ihn u. die Bombe.

Die Bombe explodiert. Napoleon ist unverletzt, und obwohl er Hector de Sainte-Hermine erkennt, nimmt er sein Kreuz ab u. reicht es ihm mit den Worten: »Meiner Treu, was bleibt mir anderes übrig!«

Napoleon muss abdanken; die ganze Familie Sainte-Hermine sammelt sich um ihn; Hector ist knapp fünfunddreißig u. hat eine prachtvolle Laufbahn vor sich, wenn er den Bourbonen dienen will, denen seine Vorfahren, sein Vater u. seine Brüder gedient haben. Man ernennt ihn zum Hauptmann der Musketiere, was dem Rang eines Generals gleichkommt – er nimmt an.

Doch während seiner ersten Audienz bei Ludwig XVIII. kränkt er diesen, weil er ihn Majestät nennt. Der König gibt ihm zu verstehen, dass der Begriff Majestät durch den Usurpator geschändet wurde und man deshalb nicht mehr Majestät sagt, sondern sich der dritten Person bedient und »der König« sagt.

Nach dieser Audienz begegnet Hector einem Bettler, dem er ein Geldstück gibt.

»Ach«, sagt der Bettler, »das ist nicht sehr großzügig gegenüber einem alten Gefährten.«

»Gefährten?«

»Oder Kompagnon, wie Sie wollen. Compagnon de Jéhu. Wir waren bei dem denkwürdigen Überfall zusammen, als Sie sich erwischen ließen. Sie werden verstehen, dass ich mich nicht mit einem Almosen abspeisen lasse.«

»Du hast recht, dir steht mehr zu als das. Komm in die Nummer elf in der Rue de Tournon, dort wohne ich.«

»Und wann?«

»Komm gleich, ich werde dich erwarten.«

Hector spornt sein Pferd zum Galopp an, so dass er zehn Minuten vor dem Bettler zu Hause ist.

Er steckt ein Paar Pistolen ein, schickt seinen Diener fort, der Einkäufe machen soll, und wartet.

Der Bettler klingelt. Hector geht zur Tür. Er nimmt den Bettler in sein Arbeitszimmer mit, öffnet einen Sekretär voller Geld und sagt: »Bedien dich.«

Während der Bettler die Hand ausstreckt u. eine Handvoll Geld einstecken will, zieht Hector eine Pistole und schießt ihm eine Kugel in den Kopf – dann schließt er die Tür, geht in den Tuilerienpalast zurück, bittet, den König zu sprechen, und erzählt ihm, was vorgefallen ist.

Er erklärt ihm, dass er Wegelagerer war, um Geld für Cadoudal u. für die Sache des Royalismus zu besorgen.

Ludwig XVIII. ist noch beleidigt wegen der Anrede Majestät; er ist bereit, Hector zu begnadigen, aber nur unter der Bedingung, dass er seine Demission einreicht und Frankreich verlässt.

»Danke, Sire«, antwortet Hector.

Er geht nach Italien, schifft sich in Livorno ein und landet auf Elba. Dort trifft er auf Napoleon.

Er kehrt mit Napoleon von Elba zurück, wird bei der Schlacht von Ligny zum General ernannt, nimmt an der Schlacht von Waterloo teil, kehrt mit Ney nach Paris zurück. Labédoyère wird wie sie zum Tode verurteilt.

Daraufhin wirft sich Mademoiselle de La Clémencière, die zwölf Jahre in einem Kloster ihrer alten Liebe die Treue gewahrt hat, dem König Ludwig XVIII. zu Füßen u. bittet ihn um Gnade für Hector.

Ludwig XVIII. schlägt ihr die Bitte ab u. sagt: »Wenn ich Ihren Geliebten begnadige, muß ich auch Ney und Labédoyère begnadigen, und das kann ich nicht.«

»Wohlan, Sire«, erwidert Mademoiselle de La Clémencière, »dann gewähren Sie mir eine letzte Gunst. Sobald Graf Hector tot ist, gestatten Sie, dass ich seinen Leichnam mitnehme, um ihn in der Gruft meiner Familie beizusetzen. Da ich in dieser Welt nicht mit ihm leben durfte, werde ich wenigstens in der Ewigkeit neben ihm schlafen.«

Der König Ludwig XVIII. schreibt auf ein Blatt Papier: »Sobald der Graf von Sainte-Hermine tot ist, erlaube ich die Herausgabe des Leichnams an Mademoiselle de La Clémencière.«

Mademoiselle de La Clémencière ist mit Doktor Cabanis verwandt; sie fragt ihn, ob es ein Betäubungsmittel gibt, das einen so todesähnlichen Zustand hervorrufen kann, dass ein Gefängnisarzt den Betäubten für tot erklärt.

Cabanis bereitet den Schlaftrunk eigenhändig zu, man flößt ihn Hector ein, und in derselben Nacht, in der er füsiliert werden soll, stellt der Arzt der Conciergerie seinen Tod fest.

Um drei Uhr morgens findet sich Mademoiselle de La Clémencière mit einer Postkutsche vor dem Gefängnis ein u. zeigt den Befehl Ludwigs XVIII., ihr den Toten auszuhändigen.

Der Befehl ist echt, der Tote wird ihr übergeben, man bricht in die Bretagne auf, doch unterwegs flößt Mademoiselle de La Clémencière Hector ein Gegenmittel ein, und er erwacht in den Armen der Frau, die er vor zwölf Jahren geliebt hat, die er immer noch liebt, aber nie wiederzusehen gewagt hatte!

A. DUMAS[19]

Höchstwahrscheinlich hat Paul Dalloz im Herbst 1868 Dumas in Paris aufgesucht und mit ihm einen Vertrag ausgehandelt, den Dumas in einem Brief an Dalloz (undatiert wie fast immer) festgehalten hat; dieser Vertrag besagt, dass Dumas seinen neuen Roman für Le Grand Moniteur universel in sechs Lieferungen schreiben wird – Arbeitstitel Hector de Sainte-Hermine – und dass er die erste Lieferung rechtzeitig für eine Veröffentlichung in täglichen Fortsetzungen ab dem 1. Januar 1869 abgeben wird; Dalloz steht es frei, den Abdruck der Fortsetzungen je nach Erforderlichkeit zu unterbrechen, doch er ist der Ansicht, dass eine ununterbrochene Veröffentlichung vorzuziehen wäre; als Bezahlung sind 40 Centimes Zeilenhonorar vereinbart, und das Urheberrecht an dem Werk fällt nach der Veröffentlichung im Moniteur ohne Abstriche an den Verfasser zurück, unter der Bedingung, dass der Verleger der ersten Buchausgabe (Michel Lévy frères) eine Frist von zwei Monaten nach Erscheinen der letzten Fortsetzung einhält, bevor er eine gebundene Ausgabe auf den Markt bringt.

Anfang November 1868 weilt Dumas nachweislich in Paris, vermutlich unter anderem mit der Arbeit an Hector de Sainte-Hermine beschäftigt; Alter und Krankheit zwingen ihn, seine Texte zu diktieren, wenn seine Hand so stark zittert, dass er nicht schreiben kann; die Einrichtung seines Arbeitszimmers hat die Reiseschriftstellerin Mathilde Shaw überliefert: »In seinem Arbeitszimmer hatte er sein Schlafzimmer aufgeschlagen und seine Erinnerungen an Familie und Freunde untergebracht: das Porträt seines Vaters mit den Zügen eines Mulatten, voller Energie und Tapferkeit, Aquarelle, die sein Freund Wilhelm III. von Holland ihm geschenkt hatte, als er Kronprinz war, und eine Sammlung sehr schöner alter Waffen.«


Fortsetzung folgt (oder auch nicht)


Bei näherer Betrachtung der einzelnen Folgen des Romans im Moniteur universel fällt auf, dass die erste Lieferung aus zweiundzwanzig Kapiteln zwischen dem 1. Januar und dem 9. Februar 1869 in täglichen Fortsetzungen erschienen ist, unterbrochen nur montags, wenn das Theaterfeuilleton an ihre Stelle trat. Das Feuilleton befand sich traditionsgemäß am Fuß der ersten und zweiten Seite (Ausnahmen bilden der 9. und 17. Januar) und vom 21. Januar an lediglich am Fuß der ersten Seite (mit Ausnahme des letzten Abdrucks, der wieder auf der ersten und der zweiten Seite stand).

Die zweite Lieferung von sechsundzwanzig Kapiteln wurde vom 16. Februar an veröffentlicht und erschien unter wiederholten und unterschiedlich langen Pausen (die längste währte vom 8. bis zum 28. April) bis zum 5. Juni 1869.

Was lässt sich daraus schließen? Wohl nichts anderes, als dass Dumas den ersten Teil oder die erste Lieferung seines neuen Romans vor Beginn der Veröffentlichung im Moniteur universel fertiggestellt hatte, während er die weiteren Lieferungen ad hoc verfassen musste und es ihm oft schwerfiel, genug Stoff für die tägliche Fortsetzung zu verarbeiten.

Die nächste Lieferung erscheint vom 6. Juni an im Moniteur universel, diesmal wieder regelmäßig, abgesehen von wenigen Unterbrechungen, die ebenso gut redaktionelle Gründe haben können wie Verzögerungen seitens des Verfassers, und endet am 30. September. Das Manuskript dieser Lieferung hatte Dumas offenbar vor seiner Abreise am 20. Juli in die Bretagne Paul Dalloz überlassen. Den Sommer will Dumas in Roscoff verbringen und dort an seinem Großen Wörterbuch der Kochkunst weiterarbeiten; in seinen eigenen Worten bricht er auf, »erschöpft von der Galeerensklavenarbeit, die seit fünfzehn Jahren nicht weniger als drei Bände im Monat hervorbringt, mit überreizter Phantasie, schmerzgeplagtem Kopf, restlos ruiniert, aber schuldenfrei«, wie er in der Vorrede zu seinem kulinarischen Kompendium erklärt.

Der Abdruck der vierten Lieferung schließt fast nahtlos an die letzte Folge der dritten Lieferung an; er beginnt am 2. Oktober und endet am 30. Oktober 1869 und wird nur am 22. und 26. Oktober ausgesetzt. Mitte September war Dumas aus Roscoff nach Paris zurückgekehrt, und es ist denkbar, dass er die vierte Lieferung in Paris geschrieben hat.

Am Fuß der letzten Folge vom 30. Oktober steht unter dem Verfassernamen: »Ende des dritten Teils (Fortsetzung folgt)«, und das letzte Kapitel (»Die Jagd auf die Banditen«) bricht mitten in der Handlung ab.

Mehr war nicht zu finden, auch wenn ich noch so argusäugig die Mikrofilme des Moniteur universel absuchte: keine Fortsetzung in den Monaten November und Dezember 1869, keine in den Monaten Januar und Februar 1870 oder zu einem späteren Zeitpunkt. Ich musste mich damit abfinden, dass es keine Fortsetzung gab, keine fünfte und sechste Lieferung.


Andererseits gab es Briefe und Dokumente, aus denen man schließen konnte, Dumas habe auch nach dem Erscheinen der vierten Lieferung an seinem letzten Roman weitergeschrieben.

In einem ausnahmsweise datierten Brief vom 15. Januar 1870 lädt Dumas den Archivar im Marineministerium Pierre Margry zum Abendessen ein (Truthahn und Languste aus Roscoff) und bittet ihn – falls möglich -, verschiedene Unterlagen zu besorgen: »Das Manuskript des Barons Fain von 1812, Warrens Indien und Ségurs Kampagne in Russland«.[20]

Wozu benötigte er diese Werke?

Baron de Fains und Paul-Philippe Ségurs Schriften beziehen sich auf die politischen Ereignisse von 1812, den katastrophalen Russlandfeldzug Napoleons; Édouard de Warrens Bericht behandelt des Verfassers Tätigkeit als Beamter und Dolmetscher im Dienst Großbritanniens um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Indien.

Am Ende des abgebrochenen Romans haben wir mitten im 118. Kapitel den Helden Hector oder René gegen Anfang des Jahres 1807 in Kalabrien zurückgelassen. Wenn man nicht annehmen will, dass Dumas gegen alle Wahrscheinlichkeit und gegen all seine Usancen einen Zeitsprung von fünf Jahren zu machen beabsichtigte, um mit Napoleons Russlandfeldzug fortzufahren, dann darf man vermuten, dass das Ende des Erscheinens der Fortsetzungen im Moniteur universel nur eine Atempause für den Verfasser bedeutete, bevor er wieder anhob, um seinen Helden und den Roman bis zum Jahr 1812 (oder noch weiter?) zu führen.

Aus meiner Vermutung wurde Gewissheit, als ich Anfang 1990 eine verblüffende Entdeckung machte. In Maria Ullrichovàs Verzeichnis von Manuskripten Alexandre Dumas’, die seine Tochter Marie Alexandre vor ihrem Tod ihrem Freund Richard von Metternich geschenkt hatte, dem Sohn des früheren Staatskanzlers, stieß ich neben Beschreibungen der ersten Kapitel des vorliegenden Romans auch auf die Beschreibung des Fragments eines Kapitels über den Vizekönig Eugène Beauharnais und seine Bekanntschaft mit einem gewissen René im Jahr 1809 in Italien – »Der Vertrag von Campo Formio wird das Geschick der Republik Venedig entscheiden. Eugène Beauharnais wird von Napoleon zum Fürsten von Venedig ernannt. Seine Residenz ist Udine an der Ledra. Am 8. April 1809 erscheint bei ihm ein junger Offizier namens René, der Depeschen von Napoleon überbringt und ankündigt, dass Erzherzog Karl sie in wenigen Tagen angreifen werde. Beim Frühstück muss René seine abenteuerliche Lebensgeschichte erzählen. Er war Gefangener, Seemann, Reisender, Soldat, Jäger und Bandit. Er hat bei Cadiz und Trafalgar gekämpft, wurde zu Joseph Bonaparte und Murat geschickt. Neben seinen militärischen Fähigkeiten ist er sehr musikalisch und spielt vor der Prinzessin eine eigene Komposition, die von allen Anwesenden mit großem Beifall bedacht wird«[21] -, der sich entnehmen lässt, dass der Held des Romans ein neues waghalsiges Abenteuer unternimmt.

Ich war damals der einzige lebende Leser von Hector de Sainte-Hermine, aber ein treuer Leser, und ich wandte mich sofort an das Prager Archiv mit der Bitte um Kopien der entsprechenden Manuskripte, die ich einige Monate darauf erhielt.

Doch statt Licht in die Sache zu bringen, gaben diese Seiten mir neue und quälende Rätsel auf. Wenn dieses Fragment existierte, gab es dann möglicherweise noch weitere Kapitel in irgendwelchen Schubladen und ungesichteten Nachlässen oder im Besitz eifersüchtiger Sammler, die ihre Schätze mit niemandem teilen wollten – Kapitel, die beweisen konnten, dass Dumas seinen Roman zumindest bis zum Jahr der Handlung 1809 fortgesetzt hatte und bei seinem Tod im Begriff stand, die Zeitspanne zwischen 1809 und 1812 zu schildern?

Die Veröffentlichung aller bisher bekannt gewordenen Teile des Romans mag auch als Appell an alle Interessierten dienen, nach weiteren Manuskripten zu fahnden.


Polemik


Der nicht veröffentlichte Brief, den Dumas dem Herausgeber des Moniteur universel als Reaktion auf die »neuerliche Notiz« von Henry d’Escamps in Le Pays zur Verfügung gestellt hatte (und der mir dazu verholfen hatte, den Roman auszugraben), war als letzte Replik in einem Schlagabtausch gedacht, den die Veröffentlichung des ersten Romankapitels über Joséphines Schulden ausgelöst hatte.

Seit dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851, mit dem Louis-Napoléon sich umfassende Regierungsvollmachten gesichert hatte, war Le Pays offiziöses Organ der Regierungspartei. In der Ausgabe vom 8. Januar 1869 hatte Henry d’Escamps eine heftige Attacke gegen den von ihm nicht mit Namen genannten Verfasser des Romanabdrucks geritten und ihn antibonapartistischer Umtriebe geziehen: »Wir müssen unsere Leser bitten, sich vor dem Eindruck zu hüten, wir verwendeten einen Titel wie ›Joséphines Schulden‹. Das ist der Titel eines Feuilletons, welches in den ersten Ausgaben des Moniteur universel veröffentlicht wurde. Der Verfasser inszeniert darin den Ersten Konsul, seine Ehefrau und seinen Sekretär Monsieur Bourrienne mit so abscheulichem und albernem Sprechen und Fühlen, dass die Geschichte lautstark dagegen protestieren muss. Um die Unangemessenheit einer solchen Veröffentlichung ins rechte Licht zu rücken, genügt es, einige Auszüge zu zitieren.«

Nach langatmigem Zurückweisen dessen, was Henry d’Escamps als unangemessen empfindet, schließt er mit hymnischen Worten über die historische Joséphine: »Die Erinnerung an die Kaiserin, die sich zunehmend aus den Wolken befreit, mit denen sie bisweilen aus böswilliger Absicht oder aus Dummheit verhüllt werden sollte, wird für alle Zeiten wie eine Aureole des Ruhms und der Milde Napoleons siegreiche Stirn schmücken, und sie selbst wird im Gedenken des französischen Volkes, das sie über alles liebte, seiner Kinder und Kindeskinder ›die gute Joséphine‹ bleiben.«


Man kann sich denken, dass Alexandre Dumas so viel Aufsehen in Zusammenhang mit dem Vorabdruck seines neuen Romans nicht ungelegen kam.

Gleichzeitig nutzte er seine Antwort an den Bonapartisten, um in dem ausgefeilten Schreiben seine Vorstellung von Geschichtsschreibung darzulegen und das bonapartistische Bild Napoleons III. als Befreier Italiens zu erschüttern. Dieser Brief findet sich in der Ausgabe des Moniteur vom 11. Januar 1869 abgedruckt.


An den Herausgeber von Le Pays

Monsieur,

es gibt zwei Arten von Geschichtsschreibung.

Die eine ad narrandum – um zu erzählen -, wie bei Monsieur Thiers.

Die andere ad probandum – um zu beweisen -, wie bei Michelet.

Letztere scheint uns die Bessere zu sein, und wir sagen gern, warum.

Erstere zieht offizielle Verlautbarungen zu Rate, den Moniteur, Zeitungen, Briefe und Unterlagen in Archiven, anders gesagt die Ereignisse, wie sie von jenen dargestellt sind, die sie bewirkt haben, und folglich fast ausnahmslos von ihnen zu ihrem Nutzen verdreht.

So lässt Napoleon sein Leben auf Sankt Helena Revue passieren und arrangiert es für die Nachwelt.

In Monsieur de Montholons Hand sah ich das Original der Notiz, mit der Hudson Lowe Napoleons Tod mitgeteilt wurde. An drei Stellen hatte Napoleon sie eigenhändig korrigiert.

So hat der sterbende Napoleon sich einen napoleonischen Tod arrangiert.

Diese Methode ist unserer Ansicht nach nicht wahrheitsförderlich, sondern wendet Monsieur de Talleyrands Maxime an, die da lautet: Die Sprache ist uns gegeben, um unsere Gedanken zu verbergen.

Die zweite Methode verfährt völlig anders; sie rekonstruiert die chronologische Reihenfolge der Ereignisse, anders gesagt: der unwiderlegbaren Tatsachen; und erst dann sucht sie nach Ursache und Folgen dieser Ereignisse in den Erinnerungen der Zeitzeugen. Zuletzt zieht sie ihre Schlüsse, Schlüsse, die jenen versagt sind, die nur schreiben, um zu erzählen, und deren sich jene, die schreiben, um zu beweisen, triumphierend bedienen können.

In der Geschichtsschreibung ad narrandum hieße es beispielsweise: »Italiens Einigung wurde unter der Oberhoheit Napoleons III. in die Tat umgesetzt.«

In der Geschichtsschreibung ad probandum hieße es hingegen: »Italiens Einigung wurde gegen den Widerstand Napoleons III. durchgesetzt; er musste sich mit Siziliens Eroberung durch Garibaldi abfinden, untersagte es diesem aber, die Meerenge von Messina zu überschreiten, und die Großherzöge der Toskana und anderer Kleinstaaten wurden gestürzt trotz aller Unterstützung, die ihnen unser Konsul in Livorno auf Befehl Monsieur Walewskis zukommen ließ und deren Scheitern der Anlass war, dass er nach Amerika entsandt wurde.«

Im Geist dieser Methode, im Berücksichtigen kleinster Details, habe ich vierhundert Bände historischer Romane verfasst, die wahrhaftiger sind als die Geschichtsschreibung.

Und anhand des Romans Hector de Sainte-Hermine, über den sich beunruhigt zu zeigen Sie mir die Ehre erweisen, werde ich es Ihnen beweisen.

Zu der Notwendigkeit, historische Persönlichkeiten genau zu untersuchen, will ich eine Stelle aus den Memoiren der Herzogin von Abrantès anführen; Madame d’Abrantès war nicht nur überaus geistreich, sondern obendrein von kaiserlichem Geblüt, denn sie stammte von den Comnènes ab.

Folgendes bemerkt sie über die vortreffliche Person, die Joséphine genannt wurde, die man »Notre Dame des Victoires« nannte und von der behauptet wurde, mit ihr habe Napoleon das Glück verlassen: »Es gibt Personen«, schreibt Madame d’Abrantès, »die der Geschichte gehören, und zu ihnen zählt Joséphine. Ob man sie als Mademoiselle de la Pagerie betrachten will, als Madame de Beauharnais oder als Madame Bonaparte, unterliegt ihre Person zwangsläufig genauester Beobachtung. Aus dem Zusammenführen, Annähern und Vergleichen dieser Beobachtungen wird die Nachwelt dereinst ein Porträt Joséphines gewinnen, das eine gewisse Ähnlichkeit beanspruchen kann. Die scheinbar unbedeutendsten Dinge bieten oftmals den Gegenstand tiefgründiger Überlegungen. Als Ehefrau des Mannes, der die Welt regierte und über den sie selbst eine gewisse Herrschaft ausgeübt hat, ist Joséphine eine Persönlichkeit, die zu studieren von unmittelbarem Interesse ist; obwohl sie als Person nicht das geringste Interesse verdiente, muss man sie eingehendst studieren.

Erstaunlich bleibt, welchen Ruf sich Madame Bonaparte von Anfang an zu verschaffen verstand. Ich werde in der Folge oft genug Gelegenheit haben, sie in ihrem wahren Licht zu zeigen, einem Licht von äußerst zweifelhafter Helligkeit, sobald Monsieur de Bourrienne sie nicht anleitete, denn er hatte sich ihres Geistes oder eher ihres schwachen Charakters bemächtigt, und sobald sie in Mailand eintraf, geriet sie zweifellos, ohne sich darüber im Klaren zu sein, unter seine direkte Leitung.«

Dies, Monsieur, sind zwei Absätze, die uns klipp und klar sagen, dass Joséphine eine historische Persönlichkeit ist, die in allen Facetten untersucht werden muss, und dass Monsieur de Bourrienne sich ihres Geistes oder eher ihres schwachen Charakters ganz und gar bemächtigt hatte.

Lassen wir Bourrienne selbst sagen, in welchem Verhältnis er zum Ersten Konsul und auch zu Madame Bonaparte stand: »In den ersten Monaten im Tuilerienpalast schlief Bonaparte immer bei seiner Frau. Jeden Abend ging er zu Joséphine hinunter und benutzte die kleine Treppe, die in einen Ankleideraum führt, der zu einem Kabinett gehört, das früher einmal das Betzimmer der Maria von Medici war. Auch ich habe Bonapartes Schlafzimmer immer nur über diese Treppe betreten. Und er kam immer durch dieses Ankleidezimmer in unser Arbeitskabinett hinauf.«

Sie behaupten, Monsieur, es sei undenkbar, dass Bourrienne sich erlaubt hätte, morgens in Bonapartes Schlafgemach einzudringen, während Joséphine noch im Bett lag.

Sie werden noch ganz andere Dinge erfahren, die ihm nicht nur erlaubt, sondern sogar angeordnet waren: »Zu den besonderen Anordnungen, die Bonaparte mir gegeben hatte, gehört eine besonders merkwürdige. ›Kommen Sie nachts so selten wie möglich in mein Zimmer‹, hatte er gesagt. ›Wecken Sie mich nie, wenn Sie eine gute Nachricht haben. Gute Nachrichten sind nicht eilig; aber wenn es sich um eine schlechte Nachricht handelt, dann wecken Sie mich auf der Stelle, denn dann darf man keine Minute verlieren.‹«

Sie sehen also, Monsieur, dass Bourrienne sehr wohl befugt war, nachts Bonapartes Zimmer zu betreten. Folglich hatte er einen Schlüssel zu diesem Zimmer, damit er es jederzeit betreten konnte, oder aber der Schlüssel steckte in der Tür, da die Treppe zu Bonapartes Kabinett führte.

Auch diese Stelle beweist, dass er den Befehl hatte, jeden Morgen um sieben Uhr das Zimmer zu betreten: »Bonaparte schlief fest, so fest, dass er verlangte, jeden Morgen um sieben Uhr von mir geweckt zu werden. Ich betrat deshalb als Erster sein Zimmer, doch oft sagte er im Halbschlaf zu mir, wenn ich ihn weckte: ›Ach, Bourrienne, lassen Sie mich noch einen Augenblick schlafen!‹ Und wenn nichts allzu Dringendes zu erledigen war, kam ich um acht Uhr wieder.«

Bourrienne sagt unmissverständlich, dass Bonaparte nach dem ersten Jahr im Tuilerienpalast die eheliche Gepflogenheit aufgab, jede Nacht bei seiner Frau zu verbringen, und dass er bisweilen nach seinen nächtlichen Spaziergängen mit Duroc oder aus anderen Gründen in einem Junggesellenzimmer schlief, das er sich im ersten Stock hatte einrichten lassen; an diesen Tagen betrat Bourrienne, der von Bonapartes nächtlichen Eskapaden nichts wusste, morgens wie gewohnt das Schlafzimmer des Ersten Konsuls, wo er Joséphine allein vorfand.

Im Übrigen wüsste ich gern, Monsieur, ob es nicht unanständiger ist, einen Mann und eine Frau im selben Bett zu sehen, auch wenn es sich um Ehemann und Ehefrau handelt, als eine Frau allein in ihrem Bett – in einer Epoche, die eng auf die Zeit folgte, als Frauen im Bett zu empfangen pflegten und dies mit den guten Sitten durchaus in Einklang stand?

Aber gehen wir zu Joséphines Schulden über. Diese Schulden hatten für so großes Aufsehen gesorgt, dass niemand wagte, das Thema dem Ersten Konsul gegenüber anzuschneiden.

»Eines Abends gegen halb zwölf Uhr sprach Monsieur de Talleyrand dieses heikle Thema an. Sobald er gegangen war, kehrte ich in das kleine Arbeitskabinett zu Bonaparte zurück, und er sagte zu mir: ›Bourrienne, Talleyrand hat mir von den Schulden meiner Frau berichtet. Ich habe das Hamburger Geld; lassen Sie sich von ihr eine korrekte Aufstellung geben. Sie soll keine Ausflüchte machen, ich will die Sache ein für alle Mal bereinigen und nichts mehr davon hören; aber bezahlen Sie nichts, ohne mir vorher die Rechnungen dieser Halunken zu zeigen, die ein Haufen Halsabschneider sind.‹

Bis dahin hatte die Furcht vor einer lautstarken Szene, bei deren bloßer Vorstellung Joséphine in größte Ängste geriet, mich davon abgehalten, dieses unerquickliche Thema vor dem Ersten Konsul zur Sprache zu bringen; doch nachdem Monsieur de Talleyrand glücklicherweise die Initiative ergriffen hatte, beschloss ich, alles zu tun, was in meiner Macht stand, um diese unerfreuliche Sache zu beenden.

Gleich am nächsten Morgen sprach ich mit Joséphine. Zuerst machte das Vorhaben ihres Mannes sie überglücklich, doch diese Gemütsverfassung hielt nicht an. Als ich von ihr die genaue Aufstellung ihrer Schulden verlangte, beschwor sie mich, darauf nicht zu beharren, sondern mich mit dem Betrag zufriedenzugeben, den einzugestehen sie bereit war.

Nach einer weiteren Viertelstunde fruchtlosen Debattierens sah ich mich genötigt, ihren lebhaften Vorstellungen nachzugeben und ihr zu versprechen, dem Ersten Konsul nicht mehr als sechshunderttausend Francs Schulden zu gestehen.

Man kann sich den Zorn und die Übellaunigkeit des Ersten Konsuls lebhaft ausmalen; er ahnte wohl, dass seine Frau ihm etwas verheimlichte, doch er sagte zu mir: ›Wohlan, nehmen Sie sechshunderttausend Francs, aber begleichen Sie mit diesem Betrag alle Schulden, und lassen Sie mich von dieser Sache nie wieder etwas hören. Ich ermächtige Sie, den Lieferanten damit zu drohen, dass sie gar nichts bekommen, wenn sie nicht bereit sind, auf ihre übermäßigen Profite zu verzichten; sie müssen lernen, weniger leichtsinnig auf Kredit zu liefern.‹

Madame Bonaparte übergab mir all ihre Unterlagen. Die übermäßige Höhe der Preise als Folge der Befürchtung, mit erklecklicher Verspätung bezahlt zu werden und dabei erheblich heruntergehandelt zu werden, spottete jeder Beschreibung. Zudem hatte ich den Eindruck, dass in den Mengen der gelieferten Artikel gewaltig übertrieben wurde. Auf der Mahnung des Modisten fanden sich für einen Monat achtunddreißig höchst kostspielige neue Hüte; es wurden Reiherfedern für tausendachthundert Francs und Federbüsche für achthundert Francs in Rechnung gestellt. Ich fragte Joséphine, ob sie jeden Tag zwei Hüte aufsetzte; sie beteuerte, es müsse sich um einen Irrtum handeln. Die Übertreibungen des Sattlers hinsichtlich seiner Preise und für Artikel, die er niemals geliefert hatte, waren schlichtweg lächerlich. Von den übrigen Lieferanten brauche ich nicht zu sprechen: Sie waren allesamt die gleichen Halsabschneider.

Die Ermächtigung des Ersten Konsuls nutzte ich weidlich und sparte weder mit Vorwürfen noch mit Drohungen. Ich schäme mich zu sagen, dass die Mehrzahl der Lieferanten sich mit der Hälfte des verlangten Betrags zufriedengab; einer von ihnen erhielt fünfunddreißigtausend Francs statt achtzigtausend Francs und besaß die Unverfrorenheit, mir ins Gesicht zu sagen, er habe dabei einen guten Schnitt gemacht.

Zuletzt war ich so glücklich, nach heftigsten Streitigkeiten die ganze Sache mit sechshunderttausend Francs zu bereinigen. Madame Bonaparte verfiel jedoch bald wieder in die alten Unsitten. Glücklicherweise war inzwischen mehr Geld zur Hand. Diese unvorstellbare Verschwendungssucht war ursächlich für fast all ihre Kümmernisse verantwortlich; ihre unüberlegten Ausgaben sorgten für ständige Unordnung in ihrem Haushalt, was bis zu Bonapartes zweiter Eheschließung anhielt, woraufhin sie, wie ich hörte, vernünftiger wurde. Aus ihrer Zeit als Kaiserin im Jahr 1804 kann ich dergleichen nicht behaupten.«

Und vielleicht ist Ihnen nicht bekannt, Monsieur, dass ich vor bald zwei Jahren einen Prozess gewonnen habe, der für alle Verfasser historischer Romane von größter Bedeutung sein dürfte.

In meiner Studie des Wegs nach Varennes hatte ich erzählt, dass der König am Gipfel des Anstiegs, von wo aus man die ganze Stadt überblicken kann, auf eine Eskorte treffen sollte.[22] Die Dragoner waren jedoch nicht gekommen, und einer der Leibgardisten, die den König begleiteten, ging den Weg hinunter und klopfte an die Tür eines Hauses, durch dessen Fensterläden man Licht schimmern sah.

Die Königin und Monsieur de Valory näherten sich ebenfalls dem Haus, doch man schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. Der Leibgardist tritt vor, stößt die Tür auf und sieht sich einem etwa fünfzigjährigen Mann im Morgenrock, mit nackten Beinen und in Pantoffeln gegenüber.

Es war dies ein Edelmann, dessen Namen ich hier nicht wiederholen will und der in seiner Eigenschaft als Major und als Ritter des Ordens von Saint-Louis zweimal dem König den Treueeid geschworen hatte. Doch unter den Umständen dieses Augenblicks hatte ihn aller Mut verlassen; als er die Königin erkannte, weigerte er sich zuerst, ihr zu antworten, antwortete dann stotternd und schloss ihr zuletzt die Tür vor der Nase, so dass die erhabenen Reisenden so hilflos wie zuvor waren. Sein Enkelsohn hat als frommer Wächter über die Ehre seiner Vorfahren einen Verleumdungsprozess gegen mich angestrengt, um seinen Großvater zu verteidigen. Das Gericht entschied, daß in Fällen wie diesem, in dem ich mich zudem auf zwei Zeitzeugen stützen konnte, jeder, der in historischen Ereignissen eine Rolle gespielt hatte, der Geschichte Rechenschaft schuldete, wies die Klage des Enkels zurück und verurteilte ihn dazu, die Prozesskosten zu tragen.

Dies, Monsieur, wollte ich Ihnen sagen, und ich danke Ihnen für die Gelegenheit, dem Publikum auf diesem Weg darzulegen, dass ich mich in meinen Büchern eng an die historischen Zeugnisse halte.

ALEXANDRE DUMAS

Der Brief wurde am Tag darauf in Le Pays abgedruckt, begleitet von folgendem Kommentar Henry d’Escamps’:

»Die Leitung des Moniteur universel appelliert an unsere Kollegialität und bittet uns um den Abdruck obigen Leserbriefes; wir rücken ihn umso bereitwilliger ein, als er unsere Aussagen zur Gänze bestätigt.

Was seinen Roman betrifft, führt unser Widersacher zwei Arten der Geschichtsschreibung ins Feld, die Monsieur Thiers’ und die Monsieur Michelets, und positioniert sich bescheiden zwischen diesen beiden Namen, indem er hinzufügt, dass in seinen Augen die beste Methode der Geschichtsschreibung darin bestehe, nicht in veröffentlichten und seriösen Dokumenten Nachforschungen zu betreiben, sondern in den zeitgenössischen Memoiren.

Dergleichen Theorien müssen wir nicht weiter erörtern, doch mit Fug und Recht darf man sich wundern, dass dieser Verfasser, obwohl kein Mangel an diesbezüglichen Dokumenten besteht, für die Schilderung einer Kaiserin, die vom französischen Volk abgöttisch geliebt wurde, ausgerechnet die Erinnerungen eines Monsieur de Bourrienne zu Rate zieht, die Erinnerungen eines Mannes, der sich genötigt sah, seinen Dienst bei dem Ersten Konsul unter seinem Ruf wenig förderlichen Umständen zu quittieren. Ein solcher Mitarbeiter muss demjenigen, der sich seiner Feder und seiner Zitate bedient, zwangsläufig Unglück bringen.

Und wahrhaftig beweisen die Zitate, auf welchen der Verfasser des betreffenden Romans so hartnäckig herumreitet, genau des Gegenteil dessen, was er mit ihnen belegen will.

Um nur eine Stelle zu zitieren: Monsieur Bourrienne schreibt dort: ›Ich fragte Joséphine, ob sie jeden Tag zwei Hüte aufsetzte; sie beteuerte, es müsse sich um einen Irrtum handeln.‹ Ungeachtet dieser Widerlegung, ungeachtet Bourriennes eigenen Zeugnisses behandelt der Romancier die Behauptung als Wahrheitsbeweis. Wir überlassen es dem verständigen Publikum, sein eigenes Urteil zu treffen.

Was die historischen Beweise des Verfassers betrifft, sehen sie so aus: Er konnte zwischen dem Grafen La Valette, den wir erwähnten, und Monsieur Bourrienne wählen, und er hat sich für Letzteren entschieden.

Wir könnten seinen vorangehenden Brief Zeile für Zeile widerlegen, doch wir wollen nicht einmal den Anschein erwecken, als wollten wir ein Angedenken verteidigen, das sogar seitens des Auslands mit Ehrerbietung behandelt wird.

Der Leser weiß so gut wie wir, dass es Dinge gibt, deren Erörterung sich erübrigt. Was den Verfasser des Romans betrifft, so nötigt er uns zu der Erkenntnis, dass es eine Tugend gibt, die für den Romancier so unerlässlich ist wie für den Historiker und die weder durch Phantasie noch Begabung oder Geist aufzuwiegen ist: und zwar das moralische Empfinden.«


Der eingangs zitierte und nie erschienene Brief Dumas’ war also die Antwort auf diesen Kommentar aus Le Pays. Leider verstummte nicht nur die Kontroverse, sondern erstarb auch bald jedes Interesse an dem Romanabdruck. Pierre Margry berichtet in einer Notiz von einem seiner Besuche am Krankenbett des alten und leidenden Dumas von einem Gespräch, in dem ein befreundeter Geistlicher Dumas zu der Feuilletonveröffentlichung seines letzten Romans gratulierte, die er, wie er sagte, mit großem Vergnügen verfolge, worauf Dumas ihm traurig erwiderte, er sei der Einzige, der ein freundliches Wort über sein Buch zu ihm sage.


Die unvollendete Kathedrale


Der historische Roman findet im Werk von Alexandre Dumas, dessen Anfänge ganz im Theater gründen, erst spät seinen Platz. In seinen frühen historischen Chroniken und Szenenfolgen teilt Dumas die Geschichte Frankreichs in vier Epochen auf, die er anhand der Verteilung des Landbesitzes unterscheidet: die Zeit der Lehensherrschaft, die Zeit des Feudalwesens, die Zeit der Aristokratie und die Zeit des Privatbesitzes. Unter diesem Aspekt behandeln die Romane La Reine Margot, La Dame de Monsoreau und Les Quarante-Cinq den Verfall des Feudalwesens, Die drei Musketiere, Zwanzig Jahre danach und Der Vicomte de Bragelonne zeigen den Untergang des Feudalwesens und das Heraufkommen der absolutistischen Monarchie, die Mémoires d’un médecin markieren das Ende der Aristokratie, und die Trilogie aus Les Blancs et les Bleus, Les Compagnons de Jéhu und Le Chevalier de Sainte-Hermine führt uns in die Neuzeit, deren Held schlechthin der Graf von Monte Christo ist.

Nach dem großen Erfolg seiner ersten historischen Romane Die drei Musketiere und Zwanzig Jahre danach schrieb Dumas seinem Freund Bérenger: »Mein ganzes künftiges Leben bilden im Voraus gefüllte Abteilungen, künftige Arbeiten, die bereits angelegt sind. Wenn Gott mir noch fünf Lebensjahre vergönnt, werde ich die Geschichte Frankreichs vom heiligen Ludwig bis zum heutigen Tag erschöpfend behandelt haben. Wenn er mir noch zehn Jahre vergönnt, werde ich Cäsar mit dem heiligen Ludwig unauflöslich verbunden haben. Verzeihen Sie mir die Eitelkeit, die Sie diesen Zeilen entnehmen mögen, doch es gibt Menschen, in deren Augen ich als derjenige erscheinen will, der ich bin, und unter diesen sind Sie gewiss nicht der Letzte.«[23]

Dumas wollte die Geschichte Frankreichs in Romanform kleiden, doch was ihm vorschwebte, waren nicht in die Geschichte eingebettete Romane mit allem pittoresken Drumherum, sondern Romane, in denen die Geschichte selbst eine tragende Rolle spielte und deren Helden die sozialen Klassen verkörperten, deren Widerstreit die Dynamik des Stoffes bildete. In Les Compagnons de Jéhu, dem zweiten Band seiner Bürgerkriegstrilogie, erklärte er seine »Methode« folgendermaßen: »Diejenigen, die jedes unserer Bücher für sich allein lesen, wundern sich vielleicht, dass wir manchmal auf Einzelheiten eingehen, die für das betreffende Buch etwas weithergeholt erscheinen. Der Grund ist, dass wir das Buch nicht für sich allein geschrieben haben, sondern [...] dass wir einen unermesslich großen Rahmen ausfüllen oder auszufüllen versuchen. Für uns beschränkt sich die Gegenwart unserer Figuren nicht auf ihr Auftreten in einem einzigen Buch: Der Mann, den Sie in diesem Buch als Adjutanten sehen, wird Ihnen im nächsten als König wiederbegegnen und im dritten als Verfolgter, dessen Leben ein Erschießungskommando ein Ende setzt. Balzac hat ein großes und schönes hundertgesichtiges Werk mit dem Titel Die menschliche Komödie geschaffen. Unser eigenes Werk, das wir zur gleichen Zeit begannen wie er das seine, ohne dass wir uns mit ihm vergleichen wollten, könnte Das Drama Frankreichs heißen.«[24]

Als Dumas gegen Ende seines Lebens – nicht fünf, sondern fünfundzwanzig Jahre nach den Zeilen an Bérenger – sein vollendetes Werk betrachtete, musste er sich die schmerzlichen Lücken eingestehen, darunter insbesondere die der Zeit zwischen 1799 und 1815. War die große Kathedrale seines Werks dazu bestimmt, wie so viele Bauwerke unvollendet zu bleiben? Der letzte Stein, den er in sein Bauwerk einfügte, war sein unvollendeter letzter Roman, in dem die vielgesichtige Figur Napoleons mit dem Helden kontrastiert wird, dem letzten Sprössling der Familie Sainte-Hermine, der für Napoleon eine unauflösbare Mischung aus Bewunderung und Abscheu empfindet.


Napoleon als Darsteller im Drama Frankreichs


Gegen Lebensende des Schriftstellers ist Napoleon bereits in die Geschichte eingegangen, doch der junge Dumas hat ihn noch mit eigenen Augen gesehen.

In einem Vortrag vor dem Cercle national des Beaux-Arts im Jahr 1865 in Paris erinnert sich Dumas:


Napoleon verließ Elba am 26. Februar [1815]. Am 2. März landete er im Golf von Juan. Am 20. erreichte er Paris.

Villers-Cotterêts lag auf dem Weg, den die Armee nehmen musste, um dem Feind zu begegnen.

Nach einem Jahr Herrschaft der Bourbonen, anders gesagt, nach einem Jahr der Verleugnung eines Vierteljahrhunderts unserer Geschichte, war es – wie ich zugeben muss – für die Witwe und den Waisensohn eines Revolutionsgenerals eine große Freude, die alten Uniformen wiederzusehen, die alten Kokarden, die sich auf dem Weg von Elba nach Paris in den Trommeln der Tamboure gefunden hatten, und die ruhmreichen alten Trikoloren mit den Löchern der Kugeln von Austerlitz, Wagram und der Schlacht von Borodino.

Ein herrliches Schauspiel war der Anblick dieser alten Garde – einer Art von Militär, die es heutzutage nicht mehr gibt und die man als lebende Verkörperung jener kaiserlichen Epoche betrachten kann, die wir kurz zuvor durchlebt hatten, der lebendigen und ruhmvollen Legende Frankreichs.

Innerhalb von drei Tagen durchquerten dreißigtausend Mann unsere Ortschaft, dreißigtausend Riesen von entschlossenem, ruhigem, beinahe nüchternem Auftreten. Jedem von ihnen war bewusst, dass ein Teil des großen napoleonischen Bauwerks aus seinem Blut zementiert war, auf seinen Schultern ruhte, und wie Pugets schöne Karyatiden, die den Ritter Bernini so erschreckt hatten, als er in Toulon an Land ging, schienen alle stolz auf die Last zu sein, die sie trugen, auch wenn es fast über ihre Kräfte ging.

Oh, vergessen wir sie nicht, vergessen wir sie niemals, die Männer, die mit festem Schritt nach Waterloo marschierten, anders gesagt dem Grab entgegen, denn sie verkörperten Aufopferung, Tapferkeit, Ehrgefühl; sie verkörperten das edelste Blut Frankreichs, zwanzig Jahre ununterbrochenen Kampfs gegen ganz Europa, die Revolution, unsere Mutter, den Ruhm der Vergangenheit und die Freiheit der Zukunft, sie waren nicht der Adel Frankreichs, sondern der Adel des französischen Volkes.

Ich sah sie alle vorbeimarschieren, alle bis zu den letzten Überbleibseln des Ägyptenfeldzugs: zweihundert Mamelucken in ihren roten Hosen und weißen Turbanen und mit ihren gebogenen Säbeln.

Etwas nicht allein Erhabenes, sondern sogar Religiöses, Heiliges, Geheiligtes ging von diesen Männern aus, die so unausweichlich und unwiderruflich verurteilt waren wie die Gladiatoren der Antike und wie sie hätten sagen können: »Caesar, morituri te salutant (Cäsar, die Todgeweihten entbieten dir ihren Gruß).

Doch diese Männer gingen nicht zum Zeitvertreib ihres Herrschers in den Tod, sondern für die Unabhängigkeit eines Volkes, und sie wurden nicht gezwungen, sondern gingen aus freien Stücken, aus freiem Willen.

So zogen sie an uns vorbei!

Eines Morgens verstummte das Geräusch ihrer Schritte, und die letzten Klänge ihrer Marschmusik verhallten.

Die Musik war das Stück »Veillons au salut de l’Empire«.

Dann verkündeten die Zeitungen, dass Napoleon am 12. Juni aus Paris aufbrechen und sich seiner Armee anschließen werde.

Napoleon nahm immer den Weg, den seine Garde genommen hatte. Er würde also durch Villers-Cotterêts kommen.

Ich muss gestehen, dass es mich unbändig danach verlangte, diesen Mann zu sehen, der mit allem Gewicht seines Genius’ auf Frankreich und ganz besonders schwer auf mir gelastet hatte, dem armen Atom, das sich unter zweiunddreißig Millionen Menschen verlor und das er dennoch weiterhin zu Boden drückte, ohne sich meiner Existenz gewahr zu sein.

Am 11. erfuhren wir, dass er nachweislich durch unsere Stadt kommen würde, denn die Pferde waren bei der Poststation bestellt.

Er würde gegen drei Uhr morgens aus Paris abreisen und folglich Villers-Cotterêts zwischen sieben und acht Uhr morgens durchqueren.

Ab sechs Uhr morgens wartete ich nach einer schlaflos durchwachten Nacht am einen Ende der Stadt in Gesellschaft der körperlich tüchtigsten Bewohnerschaft, das heißt all derer, die mit den kaiserlichen Kutschen mithalten konnten.

In der Tat konnte man Napoelon während seiner Vorbeifahrt nicht gut sehen, sondern erst während seines Aufenthalts.

Das wurde mir klar, und kaum hatte ich in einer Viertelmeile Entfernung den Staub gesehen, den die wartenden Pferde aufwirbelten, rannte ich zur Poststation, so schnell ich konnte.

Je näher ich ihr kam, desto lauter hörte ich hinter mir, ohne die Zeit zu erübrigen, mich umzudrehen, Räder donnernd näher kommen.

Ich erreichte die Poststation, drehte mich um und sah wie einen Wirbelsturm drei Kutschen herbeirollen, so schnell, dass ihre Räder Funken schlugen, von schäumenden Pferden gezogen und von Postillionen in vollem Staat mit gepuderten Haaren und Ordensbändern gelenkt.

Alle Gaffer drängten sich um die Kutsche des Kaisers.

Selbstverständlich befand ich mich in der ersten Reihe.

Ich sah ihn!

Er saß rechts hinten im Wagen und trug die grüne Uniform mit weißen Aufschlägen und den Orden der Ehrenlegion.

Sein bleiches, kränkliches Antlitz, das dennoch so schön wie eine antike Münzprägung war, sah aus, als wäre es ohne Widerstand aus einem Stück Elfenbein geschnitten, dessen gelbliche Färbung es hatte, und er hielt es leicht auf die Brust gesenkt. Zu seiner Linken saß sein Bruder Jérôme, der ehemalige König von Westfalen, der jüngste und treueste seiner Brüder; Jérôme gegenüber und vorne im Wagen saß der Adjutant Le Tort.

Als erwachte er aus einer Betäubung oder aus seinen Gedanken, hob der Kaiser den Kopf, sah sich um, ohne etwas zu sehen, und fragte: »Wo sind wir?«

»In Villers-Cotterêts, Sire«, sagte eine Stimme.

»Also sechs Meilen von Soissons entfernt?«, fragte er.

»Sechs Meilen von Soissons entfernt, jawohl, Sire.«

»Beeilen Sie sich.«

Und er fiel in den Halbschlaf zurück, aus dem ihn das Anhalten des Wagens gerissen hatte.

Die Pferde waren ausgetauscht, die neuen Postillione saßen auf dem Kutschbock, und die Stallknechte, die seine Pferde ausgespannt hatten, schwenkten die Hüte und riefen: »Es lebe der Kaiser!«

Die Peitschen knallten; Napoleon machte eine leichte Kopfbewegung, die einen Gruß bedeutete, und die Kutschen wurden im Galopp entführt und verschwanden in der Kurve der Straße nach Soissons.

Das riesige Tableau war entschwunden.

Sechs Tage vergingen, und während dieser sechs Tage erfuhren wir von dem Übergang über die Sambre, von der Einnahme Charlerois, von der Schlacht von Ligny und der bei Quatrebras.

So waren die ersten Meldungen Siegesmeldungen.

Am 18. Juni, dem Tag der Schlacht von Waterloo, hatten wir den Ausgang der Schlachten vom 15. und 16. Juni erfahren.

Begierig erwarteten wir weitere Nachrichten. Der 19. verging, ohne dass wir etwas Neues hörten.

Der Kaiser, hieß es in den Zeitungen, habe das Schlachtfeld von Ligny besucht und habe angewiesen, dass den Verwundeten geholfen werde.

General Le Tort, den ich dem Kaiser gegenüber in seiner Kutsche sitzen gesehen hatte, war bei der Einnahme von Charleroi getötet worden.

Napoleons Bruder Jérôme, der neben ihm gesessen hatte, war im Kampf um Charleroi von einer Kugel der Degenknauf abgeschosssen worden.

Der Tag des 20. Juni verging langsam und bedrückend, der Himmel war finster und stürmisch. Regenströme hatten sich ergossen, und alle dachten sich, dass bei einem solchen Wetter, wie es seit drei Tagen anhielt, sicherlich keine Gefechte hatten stattfinden können.

Und unvermittelt machte das Gerücht die Runde, dass Männer, die schlechte Nachrichten brachten, festgehalten und in den Hof des Rathauses gebracht worden seien.

Alle eilten dorthin, ich, wie man sich denken kann, unter den Ersten.

Tatsächlich sehen wir sieben oder acht Männer, die einen noch zu Pferde, die anderen neben ihren Pferden stehend, von der Menge umringt, die sie nicht aus den Augen läßt.

Sie sind blutbeschmiert, von Kopf bis Fuß verschmutzt und zerlumpt!

Sie bezeichnen sich als Polen und können nur mühsam ein paar Worte auf Französisch radebrechen.

Ein ehemaliger Offizier, der Deutsch spricht, kommt und befragt sie auf Deutsch.

Mit dieser Sprache vertrauter, erzählen sie, dass Napoleon am 18. einen Kampf gegen die Engländer geführt habe. Die Schlacht, sagen sie, habe gegen Mittag begonnen. Um fünf Uhr seien die Engländer geschlagen gewesen. Doch um sechs Uhr sei Blücher, der den Kanonenschüssen folgte, mit vierzigtausend Mann Verstärkung erschienen und habe die Schlacht zugunsten des Gegners entschieden. »Entscheidungsschlacht. Die französische Armee ist nicht auf dem Rückzug, sondern auf der Flucht.«

Sie sind die Vorhut der Flüchtenden.

Es ist ungefähr drei Uhr nachmittags. Innerhalb von achtundvierzig Stunden sind diese Männer von Planchenois hergekommen.

Sie haben mehr als eineinhalb Meilen in der Stunde zurückgelegt. Unglücksboten haben Flügel.

Ich kehre nach Hause zurück. Ich berichte meiner Mutter, was ich gesehen habe. Sie schickt mich zur Poststation: Dort erhält man immer die allerneuesten Nachrichten.

Ich beziehe dort Stellung.

Um sieben Uhr kommt ein Eilbote: Er trägt die grüne und goldene kaiserliche Livree.

Er ist von Kopf bis Fuß mit Schmutz bedeckt, sein Pferd zittert am ganzen Körper und bäumt sich auf, um nicht vor Erschöpfung umzufallen.

Der Bote verlangt vier Pferde für einen Wagen, der ihm folgt; man bringt ihm ein neues, gesatteltes Pferd; man hilft ihm beim Aufsteigen; er gibt ihm die Sporen und ist fort.

Vergebens hat man ihn auszufragen versucht; er weiß nichts oder gibt vor, nichts zu wissen.

Die vier verlangten Pferde werden aus dem Stall geholt; sie werden angeschirrt, man wartet auf den Wagen.

Ein dumpfes, schnell lauter werdendes Grollen kündigt ihn an.

Man sieht ihn um die Straßenbiegung kommen; er bleibt vor der Poststation stehen.

Der Postmeister tritt verblüfft vor.

Ich ziehe ihn am Ärmel: »Er ist es, der Kaiser!«, sage ich.

»Gewiss!«

Es war der Kaiser, ebendort, wo ich ihn vor acht Tagen gesehen hatte, in einem ähnlichen Wagen, mit einem Adjutanten neben ihm und einem gegenüber.

Doch die beiden sind nicht Jérôme und Le Tort. [...]

Es ist der Kaiser, zweifellos, es ist derselbe Mann, es ist die gleiche bleiche, kränkliche, reglose Miene.

Nur ist der Kopf diesmal noch etwas weiter auf die Brust gebeugt.

Liegt es nur an der Erschöpfung?

Ist es der Schmerz, um die Welt gespielt und verloren zu haben?

Wie beim ersten Mal hebt er den Kopf, als er merkt, dass der Wagen anhält, sieht sich mit demselben vagen Blick um, der so durchbohrend wird, wenn er sich auf einen Menschen oder einen Horizont richtet, die zwei geheimnisvollen Dinge, hinter denen sich immer eine Gefahr verbergen kann.

»Wo sind wir?«, fragt er.

»In Villers-Cotterêt, Sire«, antwortet der Postmeister.

»Also achtzehn Meilen von Paris entfernt?«

»Ja, Sire.«

»Weiter!«

Und wie beim ersten Mal gab er nach einer ähnlichen Frage in fast den gleichen Worten den gleichen Befehl und fuhr schnell weiter.

Auf den Tag genau waren drei Monate seit seiner Rückkehr von der Insel Elba in den Tuilerienpalast vergangen.

Doch zwischen dem 20. März und dem 20. Juni grub Gott einen Abgrund, der seinen Glücksstern verschlang.

Dieser Abgrund ist Waterloo.[25]


Dumas fühlte sich »vom Gewicht Napoelons erdrückt« als Sohn eines Mannes, dessen Karriere ein brüskes und vorzeitiges Ende fand, weil er zu jenen gehörte, denen Bonaparte nicht verzeihen konnte, dass sie ihre republikanische Gesinnung nicht verleugneten. General Alexandre Dumas, der an den schicksalsträchtigen Tagen im Vendémiaire des Jahres IV (Oktober 1795) nicht in Paris geweilt hatte und daher der Aufforderung des Konvents, den Aufstand der royalistischen Sektionen niederzuschlagen, nicht rechtzeitig Folge hatte leisten können, was dem jungen und ehrgeizigen General Bonaparte Gelegenheit gab, sich an Stelle des damals berühmteren Dumas hervorzutun, hatte sich in Ägypten mit Bonaparte überworfen, war auf der Rückkehr durch einen Sturm gezwungen worden, im Königreich Neapel zu landen, und war dort bis zum Frühjahr 1801 gefangen gehalten worden. Schwer erkrankt und mittellos nach Hause zurückgekehrt, musste er feststellen, dass er aus dem aktiven Dienst entfernt worden war, und 1806 starb er an den Folgen seiner Haft; mit keinem seiner Bittschreiben hatte er Napoleon dazu bewegen können, ihm wenigstens einen Teil seines ausstehenden Solds zu bezahlen, und er hinterließ Frau und Kind in Armut.

Diese nahe und schmerzliche Vergangenheit seiner Kindheit wird Dumas sein Leben lang nicht loslassen: die abgöttische Liebe zu dem kaum gekannten Heldenvater und die Mischung aus Bewunderung und Abscheu gegenüber demjenigen, der einerseits Frankreich über alle anderen Länder erhoben hat und andererseits der »korsische Menschenfresser« war, der das Land ausblutete.

Unter der Restauration nahm die Gestalt des nach Sankt Helena verbannten Napoleons dann schnell umso mythischere Züge an, je unbeliebter die Bourbonen sich machten; Dumas schreibt dazu: »Es war so weit gekommen, dass meine Mutter und ich, trotz aller Gründe, die wir hatten, Napoleon zu verfluchen, allmählich die Bourbonen noch weit mehr verabscheuten, die uns kein Leid angetan hatten oder die uns eher mehr Gutes als Böses hatten angedeihen lassen.«

In seiner Geschichtsstudie Gaule et France von 1833 charakterisiert er Napoleon folgendermaßen:

»Drei Männer waren meiner Meinung nach von Gott dazu ausersehen, das Werk der [nationalen] Erneuerung zu vollbringen: Cäsar, Karl der Große und Napoleon.

Cäsar ebnet dem Christentum den Weg, Karl der Große der Zivilisation und Napoleon der Freiheit. [...]

Als Napoleon am 18. Brumaire Frankreich eroberte, war das Land noch im Fieberwahn des Bürgerkriegs befangen, und in seinem Überschwang hatte es sich so weit vor allen anderen Völkern vorgewagt, dass die anderen Nationen nicht mehr folgen konnten; das Gleichgewicht des allgemeinen Fortschritts war durch das Übermaß individuellen Fortschritts beeinträchtigt; Frankreich war freiheitstrunken, und die Könige befanden, dass man es anketten müsse, damit es zur Besinnung kam.

Napoleon betrat die Bühne mit seiner Doppelbefähigung zum Despoten und zum Feldherrn, seiner doppelten Natur volkstümlicher und aristokratischer Ausprägung, den Gedanken Frankreichs hinterherhinkend, aber den Gedanken Europas vorauseilend, Mann des Widerstrebens nach innen, Mann des Fortschritts nach außen.

In ihrer Verblendung bekriegten die Könige ihn!

Daraufhin nahm Napoleon, was Frankreich an Unverdorbenstem, Intelligentestem und Fortschrittlichstem zu bieten hatte, und bildete daraus seine Armeen, die er über Europa verbreitete; überall brachten sie den Königen den Tod und den Völkern den Lebensatem, überall, wo Frankreichs Geist weht, macht die Freiheit in seinem Gefolge einen gewaltigen Schritt und verstreut die Revolutionen im Wind wie ein Sämann den Weizen.

[Nach dem katastrophalen Russlandfeldzug] ist Napoleons Auftrag abgeschlossen und der Augenblick seines Sturzes gekommen, denn nun ist sein Sturz für die Freiheit so nützlich, wie es einst sein Aufstieg gewesen war. [...] Gott zieht seine Hand von Napoelon ab, und damit das göttliche Eingreifen in die menschlichen Belange auch klar zu erkennen ist, tragen nicht Menschen über andere Menschen den Sieg davon, sondern die Jahreszeiten verschwören sich gegen sie, Schnee und Eis machen ihnen den Garaus, die Elemente töten eine ganze Armee. [...]

So folgen mit neunhundert Jahren Abstand aufeinander und wie als lebender Beweis für unsere Worte, dass der herausragende Geist umso blinder ist, je herausragender er ist:

Cäsar, der Heide, der das Christentum einleitet,

Karl der Große, der Barbar, der die Zivilisation einleitet,

Napoleon, der Despot, der die Freiheit einleitet.

Wäre man nicht fast versucht zu glauben, es handelte sich um ein und denselben Mann, der zu bestimmten Epochen unter verschiedenen Namen erscheint, um ein und denselben Gedanken auszuführen?«

Dieser Sicht des Schicksals Napoleons als vorherbestimmt wird Dumas bis zuletzt treu bleiben – in seinem Theaterstück über Napoleon aus dem Jahr 1831 mit dem Titel Napoléon Bonaparte ou Trente ans de l’histoire de France ebenso wie in seinen historischen Porträts (Napoléon von 1839), seinen journalistischen Arbeiten und seinem Romanwerk, in dem Napoleon in Les Blancs et les Bleus und in Le Chevalier de Sainte-Hermine eine tragende Rolle spielt.


Der jüngere Monte Christo


Dem historischen Goliath Napoleon stellt Dumas in seinem letzten Roman einen erfundenen David gegenüber, Hector, den letzten Sprössling der Grafen von Sainte-Hermine, der seine Brüder und seinen Vater in dem Bürgerkrieg zwischen Republikanern und Royalisten verloren hat.

Wie Edmond Dantès im Graf von Monte Christo erlebt der junge Mann seine Kerkerhaft als seelischen Reifungsprozess, aus dem er als neuer Mensch hervorgeht, besser gesagt als Übermensch. Äußeres Indiz dieser Verwandlung ist der neue Name: Während der Plebejer Edmond Dantès sich den Titel eines Grafen von Monte Christo zulegt, entscheidet sich der Adelige Hector de Sainte-Hermine für den schlichten Vornamen René. In den drei Jahren, die Hector im Kerker verbringt, ist er ganz auf sich gestellt; Fouché, der aus der Ferne über sein Geschick wacht, ist kein Abbé Faria, der Edmond Dantès aktiv zu einer neuen Lebensperspektive verhilft.

Der junge Mann, der nach drei Jahren Kerkerhaft in die Welt zurückkehrt, hat seine Vergangenheit hinter sich gelassen, auf alle Hoffnungen und Wünsche verzichtet, und dieser Verzicht bedeutet zugleich eine Befreiung, denn Hector ist nicht nur desillusioniert, sondern auch aller Verpflichtungen ledig, die ihm Familientradition und Standeszugehörigkeit auferlegt hatten. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Hector grundlegend von Edmond Dantès: Den Grafen von Monte Christo treibt unstillbarer Rachedurst an, es all jenen heimzuzahlen, die ihm Unrecht getan haben, Hector hingegen, der »ohne Begeisterung und ohne Überzeugung« getan hatte, was ihm auferlegt worden war, kann das eigene Schicksal so kaltblütig und unbeteiligt betrachten wie die Weltgeschichte; sein künftiges Handeln ist nicht von persönlichen Motiven diktiert, sondern Ergebnis einer fast unpersönlichen, nahezu wissenschaftlichen Neugier. Hector kämpft weder für noch gegen Napoleon: Er ist Zeuge der Geschichte Napoleons.

Claude Schopp


Anmerkungen und Erläuterungen

Die Handlung ist in dem Zeitraum zwischen Februar 1801 und April 1809 angesiedelt; daneben gibt es zahlreiche Rückblenden in die Zeit der Französischen Revolution (1789 bis 1794) und des an die Revolutionsregierung anschließenden Direktoriums, das von Ende 1795 bis 1799 bestand und mit Napoleon Bonapartes Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November) 1799 gestürzt und durch die Regierungsform des dreiköpfigen Konsulats ersetzt wurde (mit Bonaparte als Erstem Konsul und einem Zweiten und Dritten Konsul mit lediglich beratender Stimme in den Regierungsgeschäften, die nicht ohnehin dem Ersten Konsul allein oblagen); nicht gespart wird mit Andeutungen, in denen die unheilschwangeren Worte Waterloo und Sankt Helena fallen.

Dumas beschäftigte sich leidenschaftlich und engagiert mit der Zeitgeschichte und recherchierte akribisch, wobei er die Hilfe eines ganzen Stabs bezahlter Mitarbeiter in Anspruch nahm. Die Beschreibungen von Bällen, Bespitzelungsaktionen, Gefechten, Hinrichtungen und Unterredungen der historisch verbürgten Personen halten sich äußerst zuverlässig an die von ihm verwendeten Dokumente, die der Herausgeber Claude Schopp überprüft und im Anhang aufgeführt hat.

Anmerkungen des Autors, wie sie in den Fortsetzungsabdrucken im Moniteur universel eingerückt waren, sind in Entsprechung dazu als Fußnoten aufgeführt. Für die deutsche Ausgabe wurde der Anmerkungsapparat des Herausgebers bearbeitet und ergänzt; nicht aufgenommen wurden Querverweise auf einzelne Passagen aus Romanen Alexandre Dumas’, die nur einem des Französischen mächtigen Leserkreis bekannt sein können. Eine Zeittafel wurde angefügt, um die Orientierung in einem Geschehen zu erleichtern, das der Autor kunstvoll und spannungsreich und nicht selten verwirrend mit häufigen Schauplatzwechseln und Zeitsprüngen erzählt. Französische Titel und Anredeformen wurden beibehalten. In der Originalausgabe wurden Flüchtigkeitsfehler beziehungsweise Druckfehler und orthographische Unklarheiten stillschweigend bereinigt; kleinere Unstimmigkeiten inhaltlicher Natur werden dem aufmerksamem Leser nicht entgehen – wenn eine Brigg sich unversehens in einen Kutter verwandelt, aus dreihundert Kombattanten vierhundert werden, wenn Bonaparte sich etliche Kapitel zu spät entsinnt, dass er früher einmal in Madame Permon verliebt war, oder wenn die Belagerung und Eroberung von Gaeta durch die Franzosen nach der Schlacht von Jena und Auerstädt stattfindet (und nicht ein halbes Jahr vorher), sind dies anschauliche Beispiele für die Arbeitsweise eines Verfassers von Fortsetzungsromanen, den in diesem Fall der Tod der Möglichkeit beraubte, vor einer Buchveröffentlichung Ungereimtheiten auszuräumen und Schönheitsfehler zu tilgen.

Das »Ausleihen« ganzer Kapitel aus früheren Dumas-Romanen, das akribische Nacherzählen von Reiseführern und ausgiebiges Zitieren und Paraphrasieren lassen sich mit der Erfordernis erklären, die täglichen Fortsetzungen zu liefern; Dumas befand sich wie üblich in Zeitnot und Geldnot, aber Krankheit und Erschöpfung erschwerten ihm in den letzten Lebensjahren seine Galeerensklaventätigkeit nicht unbeträchtlich. Für eine spätere Buchausgabe hätte er den Text seines letzten Romans vermutlich erheblich gestrafft und um allzu offenkundig entbehrliche Kapitel erleichtert.

Angaben zu deutschen Ausgaben der Quellen, die Dumas für seinen Roman verwendet hat, finden sich am Ende der Anmerkungen.


Kapitel 1: Joséphines Schulden


Die Selbstverständlichkeit, mit der Dumas schon auf der ersten Seite des Romans anspricht, dass das Romangeschehen fortsetzt, wovon die Romane Les Compagnons de Jéhu (erschienen 1857) und Les Blancs et les Bleus (erschienen 1867; der Titel spielt auf die Bezeichnungen für königstreue Rebellen und loyale Republikaner an) handelten, mag auf den ersten Blick befremden, doch ein so populärer Autor wie Dumas konnte sich darauf verlassen, dass seine vorausgegangenen Bürgerkriegsromane einem breiten Publikum vertraut waren.

Als Quelle für die Schilderung von Lebensumständen und Tagesablauf des Ersten Konsuls im Tuilerienpalast hat Dumas die Erinnerungen von Bonapartes Jugendfreund und zeitweiligem Sekretär Louis Antoine Fauvelet de Bourrienne benutzt, die 1829 erschienen waren (Mémoires de M. de Bourrienne, ministre d’État, sur Napoléon, le Directoire, le Consulat, l’Empire et la Restauration); auf Bourriennes Erinnerungen basieren auch die Ausführungen zu Joséphines Verschwendungssucht.

Der Begriff Citoyen bezeichnete im späten 18. Jahrhundert den stimmoder wahlberechtigten Bewohner einer Stadt (cité); seit dem 10. Brumaire des Jahres II (31. Oktober 1793) waren per Dekret des Konvents Citoyen und Citoyenne als einzig erlaubte demokratische Anrede anstelle der verbotenen Formen Monsieur und Madame wie auch das Duzen anstelle des Siezens Vorschrift; unter Kaiser Napoleon I. wurden diese Verordnungen 1804 aufgehoben.

Der republikanische Kalender wurde am 5. Oktober 1793 vom Konvent verabschiedet und trat rückwirkend in Kraft – der erste Tag des Jahres eins der Republik war der 22. September (1. Vendémiaire) 1792, wobei zufälligerweise das Datum der Tag- und Nachtgleiche mit dem Datum der Erklärung der Republik identisch ist. Das Jahr hatte zwölf Monate und begann im Herbst mit dem »Weinlesemond« Vendémiaire, gefolgt von Brumaire (Nebelmonat), Frimaire (Reifmonat), Nivôse (Schneemonat), Pluviôse (Regenmonat), Ventôse (Windmonat), Germinal (Keimmonat), Floréal (Blütemonat), Prairial (Wiesenmonat), Messidor (Erntemonat), Thermidor (Hitzemonat) und Fructidor (Fruchtmonat). Der Monat bestand aus dreißig Tagen oder drei Dekaden, und am Jahresende wurde das Jahr durch fünf (in Schaltjahren sechs) Feiertage ergänzt, die Sansculotiden. Die Tage der Dekaden waren mit Ordnungsnamen bezeichnet: Primidi, Duodi usw., Ruhetage waren Quintidi und Dekadi.

Am 31. Dezember 1805 war es mit der republikanischen Zeitmessung vorbei. Während der Pariser Kommune 1871 wurde sie für kurze Zeit wiederbelebt.

Der Tuilerienpalast (zwischen Louvre und Tuileriengarten gelegen) wurde während der Pariser Kommune in Brand gesteckt und 1882 abgerissen.

Der Louisdor war die 1640 unter Ludwig XIII. eingeführte Hauptgoldmünze, ursprünglich im Wert von zehn Livres, die bis 1793 geprägt wurde; die 1803 erstmals ausgegebenen Goldmünzen im Wert von zwanzig Francs oder Livres wurden bald als Napoleondor, kurz Napoleon, bekannt. Der Franc oder Franken ist seit 1795 Einheit des französischen Münzfußes und entspricht zwanzig Sous oder hundert Centimes.


Kapitel 2: Wie es dazu kam, dass die Freie und Hansestadt Hamburg Joséphines Schulden bezahlte


Der Bittbrief zu Beginn des zweiten Kapitels entstammt wörtlich dem vierten Band der Erinnerungen Bourriennes.


Kapitel 3: Die Compagnons de Jéhu


Die konterrevolutionären Gruppierungen, die seit den ersten Tagen der Revolutionsregierung fern von Paris offen oder heimlich gegen den jakobinischen Obrigkeitsterror agitierten und kämpften, hatten wesentlich länger Bestand als ihre ursprüngliche Gegnerschaft.

Die Chouans (abgeleitet von chat-huant, »Waldkauz«, mit dessen Ruf die Chouans sich verständigten) waren bereits ab 1791 im Maine und in der Bretagne als Guerillabewegung aktiv; der große Aufstand in der benachbarten Vendée brach im März 1793 aus – nicht unbedingt aus Königstreue der Bauern und Landadeligen, sondern eher als Revolte gegen die neue wohlhabende Klasse der städtischen Bourgeoisie – und mündete in einen regelrechten Bügerkrieg, der am Jahresende mit der vernichtenden Niederlage der Aufständischen ein vorläufiges Ende fand; gegen die Partisanentrüppchen allerdings blieb die Regierung machtlos, und selbst der Genozid an der Bevölkerung durch die Vergeltungs- und Präventivschläge der berüchtigten, wahllos brandschatzenden und mordenden colonnes infernales des Generals Turreau konnte die immer wieder aufflackernden Unruhen nicht ersticken; erst Bonaparte gelang um 1800 eine Befriedung der Vendée durch Versöhnung.

Als terreur blanche wurden die Repressalien gegen die ehemaligen Terroristen jakobinischer Prägung bezeichnet, die im Frühsommer 1795 in Lyon, Marseille und Avignon ausbrachen; eine zweite, schwächere Welle erfasste im Sommer 1799 die Vendée, die Normandie, das Maine und abermals den Süden.

Den Namen der Compagnons de Jéhu (»Gefährten Jehus«), die in und um Lyon herum tätig waren, erklärt Dumas völlig zutreffend mit dem Zitat aus dem 2. Buch Richter, 9 und 10; es ist verblüffend, wie viele seriöse Historiker sich noch heute über den Ursprung dieser Bezeichnung den Kopf zerbrechen. Auf dem benachbarten Terrain der Provence und des Gard operierte die Compagnie du Soleil. Beide Insurgentenbewegungen wurden zweifellos von emigrierten Royalisten und von der englischen Regierung alimentiert.

Roland de Montrevel und Alfred de Barjols sind fiktive Figuren. Eine Dynastie de la Baume-Montrevel ist im frühen 17. Jahrhundert erloschen.


Kapitel 6: Der Kampf der Hundert


Bei der sogenannten Schlacht der Dreißig handelt es sich um eine Episode des bretonischen Erbfolgekriegs; am 27. März 1351 wurde dieser Kampf zwischen je dreißig Vertretern des französischen Heeres und der englischen Belagerer ausgefochten und von den Franzosen gewonnen.


Kapitel 8: Die Begegnung


Die in diesem Kapitel zitierten Meldungen des Moniteur sind von Dumas stark ausgeschmückt; die Zeitung Gazette nationale ou le Moniteur universel war anlässlich der Einberufung der Generalstände im Frühjahr 1789 gegründet worden und bildete seit Dezember 1799 das offizielle Organ der Republik.

Der erste Brief des späteren Ludwig XVIII. vom 20. Februar 1800 oder dem 1. Ventôse des Jahres VIII an Bonaparte ist nach Bourriennes Erinnerungen wiedergegeben, ebenso der zweite, nicht datierte, sowie Bonapartes Antwortschreiben vom 7. September 1800 (20. Fructidor VIII).

George Monk oder Monck, erster Herzog von Albemarle, General im englischen Bürgerkrieg, erreichte nach Cromwells Tod die Ablösung des Langen Parlaments durch ein neues Parlament, das zur Wiedereinführung der Monarchie verpflichtet war, und ermöglichte dadurch die Inthronisierung Karls II.

Das Sueton-Zitat (ornandum et tollendum) lautet korrekt: ornandum tollendumque (»schmücken und erheben«) und entstammt dem Abschnitt über Augustus in seinem Leben der Cäsaren (um 120 n. Chr. erschienen).; tollere heißt pikanterweise auch »aufknüpfen«.


Kapitel 9: Zwei Waffenbrüder


Madame de Sourdis und ihre Tochter Claire sind ebenso wie Hector de Sainte-Hermine und seine Familie fiktives Romanpersonal. Der Name Sainte-Hermine ist bei einem alten französischen Adelsgeschlecht aus der Vendée entlehnt, das allerdings keinen aktiven Konterrevolutionär zu seinen Mitgliedern zählte, aber mit einem Geschlecht der Sourdis verwandt war.


Kapitel 10: Zwei junge Mädchen


Von April bis August 1794 war Joséphine de Beauharnais im Carmes-Gefängnis inhaftiert; ihr Ehemann, vormals Kommandant der Rheinarmee, war am 5. Thermidor (23. Juli) im Rahmen der sogenannten Carmes-Verschwörung zusammen mit fünfundvierzig weiteren »Verschwörern« guillotiniert worden. Kinder aus vormals vornehmen Familien wurden in der Revolutionszeit umerzogen, indem man sie bei aufrechten Citoyens aus dem vierten Stand in die Lehre gab.


Kapitel 11: Der Ball bei Madame de Permon


Den Ball bei Madame de Permon hat Dumas aus zwei Bällen amalgamiert, die in den Erinnerungen der seinerzeitigen Debütantin Laure de Permon, der späteren Gattin Junots und noch späteren Herzogin von Abrantès, Erwähnung finden (Mémoires de Mme la duchesse d’Abrantès, ou Souvenirs historiques sur Napoléon, la Révolution, le Directoire, le Consulat, l’Empire et la Restauration, Paris, 1835).


Kapitel 13: Die drei Sainte-Hermines: Der Vater


Dumas zitiert und entlehnt für dieses Kapitel aus seinem Roman Le Chevalier de Maison-Rouge. Als historisches Ausgangsmaterial für das Schicksal der Eltern Hector de Sainte-Hermines benutzt er die sogenannte Nelkenverschwörung, mittels deren im August 1792 Marie-Antoinette aus der Conciergerie befreit werden sollte; Alexandre Gousse oder Gonsse, der sich Chevalier de Rougeville nannte, und sein Helfer Michonis aus der Gefängnisverwaltung warfen zwei Nelken mit einem verborgenen Zettel in die Zelle der Königin, die durch den Gendarmen Gilbert antworten ließ, doch weiter gedieh das Befreiungsunternehmen nicht, denn es war bereits dem Wohlfahrtsausschuss denunziert worden; der »Chevalier« rettete sich nach Belgien.


Kapitel 14: Léon de Sainte-Hermine


Der Inhalt der Kapitel vierzehn bis neunzehn ist den zwei vorausgegangenen Bänden von Dumas’ Bürgerkriegstrilogie entlehnt.

Der junge Charles ist der Dichter Charles Nodier, dessen Erinnerungen (Souvenirs, épisodes et portraits pour servir à l’histoire de la Révolution et de l’Empire, Paris, 1831) Dumas für dieses und die folgenden Kapitel teilweise benutzt hat.

Die Abschiedsworte León de Sainte-Hermines zitieren die letzten Worte Karls I. von England vor seiner Enthauptung – »Erinnere dich«.


Kapitel 15: Charles de Sainte-Hermine (1)


Die Familie de Fargas ist fiktiv. Für die Szene der Ermordung des Vaters dürfte der Lynchmord an dem republikanischen Kanzleisekretär Nicolas-Jean-Baptiste Lescuyer im Oktober 1791 in Avignon Pate gestanden haben; Jules Michelet schildert ihn in seiner Geschichte der Französischen Revolution (6. Buch, 2. Kapitel) in aller Scheußlichkeit, und Dumas greift darauf in Les Compagnons de Jéhu zurück.


Kapitel 17: Die Höhlen von Ceyzériat


Die Abteikirche von Brou in Bourg-en-Bresse ist ein berühmtes spätgotisches Bauwerk; sie enthält die Grabmäler der Margarete von Bourbon, ihres Sohnes Philiberts des Schönen und Margaretes von Österreich, der Gemahlin Philiberts, die das vormalige Priorat Brou zu einer Klosteranlage ausbauen ließ und die prunkvolle Grabanlage in Auftrag gab, die drei überlebensgroße Grabplastiken von Conrat Meit enthält.

Bei der Gefangennahme der Compagnons de Jéhu wird Diana poetisch mit Racines mörderischer Liebesgöttin in Phädra verglichen, die sich an ihr Opfer krallt – »à sa proie attachée«.

Die Gefährten Charles de Sainte-Hermines in der Bruderschaft Jehu sind ebenso fiktiv wie er.


Kapitel 18: Charles de Sainte-Hermine (2)


Charles de Sainte-Hermines letzte Worte auf dem Schafott an seinen jüngeren Bruder sind eine Wiederholung der Worte Léon de Sainte-Hermines im vierzehnten Kapitel.


Kapitel 19: Hector de Sainte-Hermine


Der royalistische Bandit Jean-Charles Laurent findet in Charles Nodiers Erinnerungen Erwähnung; das Montaigne-Zitat entstammt dessen Essais (II, 17).


Kapitel 21: In welchem Kapitel Fouché daran arbeitet, in das Polizeiministerium zurückzukehren, aus dem er noch nicht ausgeschieden ist


Die Wahrsagerin und Kartenlegerin Marie-Anne-Adélaide Lenormand (»Sybille des Faubourg Saint-Germain«) begann ihre Karriere zur Zeit der Terreur und will unter anderen David, Marat, Robespierre, Saint-Just und Tallien geweissagt haben; nach dem Thermidor war sie die gefragteste Wahrsagerin der feinen Kreise, aber auch des Dienstpersonals – eine Kombination, die einem klugen Kopf nur nützen konnte; Joséphine war ihre treueste Stammkundin, Fouché und Talleyrand erpressten sie und benutzten sie als Informantin. Sie hat umfangreiche Erinnerungen hinterlassen, am berühmtesten darunter zwei Bände Enthüllungen mit dem Titel Mémoires historiques et secrets de l’impératrice Joséphine, Marie-Rose Tascher-de-la-Pagerie, première épouse de Napoléon (Paris, 1820).


Kapitel 24: Gegenordre


Bonaparte vergleicht Cadoudal in seinem Zornesausbruch mit dem berühmten Wegelagerer des Ancien Régime Louis Mandrin (1725-1755), der einen Kleinkrieg gegen die Generalpächter im Südosten Frankreichs führte, und mit dem weniger berühmten, aber zeitgenössischeren Einbrecher und Dieb Jean Chevalier, genannt Poulailler, der 1786 gehängt wurde.

Fouchés Spitzel Victor mit dem Beinamen »der Limousiner« ist eine fiktive Figur, für deren frappierende Verwandlungskünste der legendäre Polizeispitzel und Geheimpolizist François Vidoqc Pate gestanden haben dürfte.


Kapitel 25: Der Herzog von Enghien (1)


Die Entfernung zwischen Ettenheim und Straßburg beträgt nicht zwanzig, sondern mehr als fünfzig Kilometer.

Die Geheimgesellschaft der »Philadelphes«, von der Sol de Grisolles dem Herzog von Enghien erzählt, ist mit keiner der Freimaurerlogen gleichen Namens identisch und wohl kaum mit der Société des Philadelphes, die der sechzehnjährige Charles Nodier gründete und deren Mitglieder einem Tugend- und Freundschaftskult mit viel zahlenmystischem Hokuspokus huldigten; Claude Schopp charakterisiert sie als »Zusammenschluss von Royalisten und Republikanern, die ihr Hass auf Bonaparte einte und die bis in die Kaiserzeit Verschwörungen anzettelten, die nie weit gediehen«.


Kapitel 27: Die Höllenmaschine


Die Verschwörung einiger Jakobiner und Babeuf-Anhänger unter Anführung des korsischen Offiziers Joseph-Antoine Aréna – von Bonaparte nach dem Staatsstreich des 18. Brumaire seiner Ämter enthoben -, welche zum Ziel hatte, während eines Opernbesuchs im Oktober 1800 den Ersten Konsul zu beseitigen, wurde als conspiration des poignards »Verschwörung der Dolche« bekannt; sie war nicht sehr ernst zu nehmen und wurde umgehend durch die Polizei vereitelt; die Beteiligung des Bildhauers Ceracchi und des Malers Topino-Lebrun ist ebenso zweifelhaft, wie offenkundig ist, dass diese laienhafte Konspiration nichts mit dem Sprengstoffattentat zwei Monate später zu tun hat; am 31. Januar 1801 wurden Aréna, Ceracchi, Demerville (ehemaliger Sekretär des einstigen Wohlfahrtsausschussmitglieds Bertrand de Barère, dem diese Entsorgung eines potentiell gefährlichen Mitwissers seiner Vergangenheit sicherlich nicht ungelegen kam) und Topino-Lebrun guillotiniert.

Mit »September-Blutsäufern« meint Bonaparte in seinem Wutausbruch jene »sansculottischen Patrioten«, die, von Danton angestachelt, in den ersten Tagen des Septembers 1792 in mehreren Pariser Gefängnissen ein fürchterliches Gemetzel anrichteten, weil das Gerücht umging, unter den Gefangenen befänden sich gefährliche, bis an die Zähne bewaffnete Konterrevolutionäre, die einen konzertierten Ausbruch nebst darauffolgender Machtergreifung planten; als »Versailles-Mörder« bezeichnet er diejenigen, die am 6. Oktober 1798 die königliche Familie aus Versailles nach Paris brachten, »31.-Mai-Briganten« bezieht sich auf den Aufstand der Pariser Kommune gegen den Konvent im Mai 1793, und die »Prairial-Verschwörer« sind die Pariser Sansculotten, die im Mai 1795 mit der Losung »Brot und Verfassung!« den Konvent stürmten, den Abgeordneten Féraud ermordeten, seinen Kopf auf eine Pike spießten und ihn dem Vorsitzenden Boissy d’Anglas präsentierten.

François-Noël (genannt Gracchus) Babeuf und seine Mitangeklagten kennt man unter dem Begriff der »Verschwörung der Gleichen« – die Verschwörung beschränkte sich auf die Bildung eines »Geheimdirektoriums der Wohlfahrt«, das mit Pamphleten und Anschlägen das Pariser Volk »revolutionieren« wollte; das echte Direktorium verstand in Sachen soziale Revolution keinen Spaß und nutzte die Gelegenheit, sich sogenannter Verschwörer zu entledigen; von den rund fünfzig Angeklagten wurden nur Babeuf und ein Mann namens Darthé zum Tode verurteilt und nach einem Selbstmordversuch am 26.5.1797 guillotiniert.


Kapitel 28: Die wahren Schuldigen


Die Erinnerungen Charles Desmarets’, des Chefs der Geheimpolizei während der Zeit des Konsulats und des Kaiserreichs, aus denen Dumas in diesem und den folgenden Kapiteln schöpft, sind unter dem Titel Témoignages historiques, ou Quinze ans de haute police sous Napoléon 1833 erschienen.

Die Liste der Verschwörer, die an dem Attentat mit der »Höllenmaschine« beteiligt waren, umfasst Pierre Robinault de Saint-Régeant (oder Réjant), Pierre Picot de Limoëlan, Georges Cadoudal, Jean-Baptiste Coster, genannt Saint-Victor, Joyaux d’Assas, Jérôme Pétion de Villeneuve, Lahaye Saint-Hilaire und den in Paris angeheuerten Chouan François-Joseph Carbon.

Die Notiz im Moniteur über die Hinrichtung der zwei Attentäter ist ein klein wenig umfangreicher als zitiert und lautet: »Das Kassationsgericht hat das Urteil bestätigt, das vom Kriminalgericht des Seine-Bezirks über die Angeklagten verhängt wurde, die des Attentats auf die Person des Ersten Konsuls am Abend des vergangenen 3. Nivôse für schuldig befunden wurden. Carbon und Saint-Régeant haben heute die Todesstrafe erlitten.«


Kapitel 29: König Ludwig von Parma


Im XIX. Gesang der Odyssee (Vers 560-569) spricht Penelope von den zwei Pforten des Schlafs aus Horn und aus Elfenbein, aus denen die wahren und die trügerischen Träume kommen; Vergil hat diese Stelle fast wörtlich in die Äneis übernommen (VI. Buch, Vers 893-896); bei Dumas ist die Anspielung obendrein eine versteckte Hommage an den toten Freund Gérard de Nerval, dessen Erzählung Aurélia mit diesem Bild beginnt (»Der Traum ist ein zweites Leben. Nie konnte ich ohne Zittern die hörnerne oder die elfenbeinerne Pforte durchqueren, die uns von der Welt des Unsichtbaren tennen«).

Am 13. Vendémiaire im Jahr III (5. 10. 1795) schlug Bonaparte mit bewaffneten Einheiten im Auftrag des Direktoriumsmitglieds Paul-François (Vicomte de) Barras den royalistischen Aufstand einiger Pariser Sektionen nieder; am 18. Fructidor im Jahr V (4. 9. 1797) kam es zu einem republikanischen Staatsstreich des Direktoriums, in dessen Folge royalistische Abgeordnete verhaftet und Royalisten deportiert wurden.

Henri du Vergier, Graf von La Rochejacquelein, Charles-Melchior-Artus, Marquis de Bonchamps, Maurice-Joseph-Louis Gigost d’Elbée, François-Athanase de Charette de la Contrie und Louis-Marie, Marquis de Lescure, sind berühmte, ja legendäre, aber historisch verbürgte Vendée-Anführer, Valensolles, Jahiat, Ribier und Sainte-Hermine sind fiktive.

Metge, Veycer und Chevalier sind jakobinische »Verschwörer«, die im Januar 1801 im Zuge von Napoleons gnadenlosem Abrechnen mit Linksextremisten hingerichtet wurden – Metge war Verfasser glühender antibonapartistischer Pamphlete, Chevalier ein Chemiker, der mit Sprengstoffen experimentiert und sich damit als Bombenbauer verdächtig gemacht hatte.

Bei dem Herzog von Rovigo, Napoleons ehemaligem Adjutanten, handelt es sich um Anne-Jean-Marie-René Savary, aus dessen Erinnerungen Dumas hier zitiert (Mémoires du duc de Rovigo pour servir à l’histoire de l’empereur Napoléon, Paris, 1828).


Kapitel 30: Jupiter auf dem Olymp


Thomas Alexandre Davy de La Pailletterie (kurz: Alexandre) Dumas, Vater des Verfassers, Sohn einer farbigen Mutter und eines französischen Adeligen, wurde mit Mutter und Geschwistern vom Vater an einen anderen Plantagenbesitzer auf Santo Domingo verkauft, erhielt 1791 die Freiheit und brachte es durch Tapferkeit und Wagemut früh zum General; in Ägypten schlug er den Aufstand von Kairo nieder, geriet auf der Rückkehr in österreichische Gefangenschaft, kehrte krank (infolge mehrerer Vergiftungsversuche) nach Frankreich zurück und wurde 1802 in den Ruhestand verabschiedet, weil er aus seinem Missvergnügen an Napoleons Regime kein Geheimnis machte.

Die Note des englischen Königs an das Parlament zitiert Dumas nach dem von ihm in diesem Kapitel erwähnten Geschichtswerk Histoire du Consulat et de l’Empire (1845-62) von Adolphe Thiers, das auch die Quelle für die Tiraden ist, mit denen Bonaparte den englischen Gesandten überschüttet.


Kapitel 31: Der Krieg


Joachim Murat, Junots Nachfolger als Gouverneur von Paris, war mit Bonapartes Schwester Caroline verheiratet.

Capucinades – Kapuzinaden oder Kapuzinerpredigten – sind derbkomische Strafpredigten, wie in manchen Orden üblich und besonders durch Abraham a Sancta Clara berühmt geworden.


Kapitel 32: Die Polizei des Citoyen Régnier und die Polizei des Citoyen Fouché


Neben den Erinnerungen Desmarets’ und Savarys dient Dumas als Quelle für die »Höllenmaschinen-Verschwörung« Deux conspirations sous l’Empire des mit ihm befreundeten Émile Marco de Saint-Hilaire (1845).

In Georges Cadoudal et la chouannerie (Paris, 1887) sind folgende Royalisten als diejenigen genannt, die am 21. August 1803 bei Biville an Land gingen: Hermely, Lahaye Saint-Hilaire, Brèche, Joyaux, Querelle, Troche junior und Cadoudals Diener Louis Picot.


Kapitel 33: Das Nest ist leer


Ein Manuskript Bonapartes, mit dem Schiff Le Héron von Sankt Helena nach Frankreich gebracht, konnte Claude Schopp nicht ausfindig machen.


Kapitel 34: Die Enthüllungen eines Gehenkten


Der Brief Bouvet de Loziers findet sich in Deux conspirations von Marco de Saint-Hilaire (unter Kapitel 32 aufgeführt).


Kapitel 36: Georges


Die Assassinen (»Haschischraucher«) spalteten sich im 11. Jahrhundert als Geheimbund von den schiitischen Ismailiten ab; Alter vom Berge (Scheich-al-Djebel, wörtlich: »Gebieter des Gebirges«) ist die Bezeichnung für das Oberhaupt der Assassinen im syrischen Bergland; die Assassinen bekämpften muslimische Fürsten und Kreuzfahrer mit gedungenen Meuchelmördern.


Kapitel 37: Der Herzog von Enghien (2)


Der »aberwitzige Komet von 1811«, den Bonaparte mit seinem Glücksstern verwechselt, ist die Geburt seines legitimen Sohnes, des »Königs von Rom«.

Die Briefe des Herzogs und des Prinzen von Condé konnte Dumas in der Veröffentlichung Le Duc d’Enghien, épisode historique du temps du Consulat von Émile Marco de Saint-Hilaire (1843) nachlesen.

Charles-François Du Périer, genannt Dumouriez, hatte unter dem Ancien Régime seine Karriere als militärischer Geheimagent begonnen, sie als »revolutionärer Patriot« fortgesetzt und war im April 1793 zu den Österreichern übergelaufen; sein Name war keine Empfehlung.

Chateaubriands Erinnerungen, Reiseerlebnisse und Reflexionen in diesem und den folgenden Kapiteln entstammen paraphrasiert und wörtlich (wenn auch nicht immer als Zitat erkennbar) dessen Essai historique, politique et moral (1797), Erinnerungen (1848-50) und Reise in Amerika (1827). Die durchgehende Selbststilisierung ihres Verfassers ist nicht unbedingt Garant für größtmögliche historische Akkuratesse: Für die Altersgleichheit mit Bonaparte musste Chateaubriand sich um ein Jahr verjüngen, der Besuch bei Washington fand in Washingtons Abwesenheit statt, und Chateaubriands Gespräche mit bedeutenden Zeitgenossen sind in seiner Wiedergabe, gelinde gesagt, farbig ausgeschmückt.


Kapitel 38: Chateaubriand


Die Darstellung von Jakobinern und Cordeliers ist ein Pasticcio der entsprechenden Passagen in Chateaubriands Erinnerungen und der Kapitel über Jakobiner und Cordeliers in Jules Michelets Geschichte der Französischen Revolution (4. Buch, 5. und 6. Kapitel).

Die Assignaten, das Papiergeld der Revolutionszeit, waren 1789 auf die enteigneten geistlichen und königlichen Güter in Umlauf gesetzt worden, in kurzer Zeit fast völlig entwertet und wurden 1796 durch eine neue Papierwährung ersetzt.

Chateaubriands exotisch-romantische Erzählung Atala erschien 1801 mit großem Erfolg, seine ein Jahr später veröffentlichte Schrift Der Geist des Christentums wurde ebenfalls begeistert aufgenommen; in diese Schrift waren Atala, Les Natchez und René eingefügt.

Der Begriff »das Infame« in der Unterhaltung Bonapartes mit Chateaubriand bezieht sich auf Voltaires Motto Écrasez l’infâme (sehr frei interpretierbar als: »Rottet den abscheulichen Aberglauben aus, denn nichts anderes ist die Religion«).

Die Guillotine, ursprünglich Louison (nach ihrem Erfinder, dem Instrumentenbauer Antoine Louis), befand sich seit dem Sturz der Robespierristen wieder auf dem Grève-Platz vor dem Pariser Rathaus.


Kapitel 39: Die römische Gesandtschaft


Die Fürstin Borghese, der Chateaubriand in Rom seine Aufwartung macht, ist niemand anders als Bonapartes Schwester Pauline, vormalige Madame Leclerc, die nach dem Tod des Generals 1803 den Principe Camillo Borghese heiratete.

Die schwindsüchtige Pauline de Beaumont war Chateaubriands Gönnerin und Geliebte; nach ihrem Tod in Rom ließ er in der Kirche San Luigi dei Francesi ein marmornes Grabmal für sie errichten und mit der griechischen Grabinschrift versehen, die Dumas zitiert.

Die schmeichlerische Widmung Chateaubriands an den Ersten Konsul war nur in der zweiten Auflage von Der Geist des Christentums aus dem Jahr 1803 enthalten.


Kapitel 40: Der Entschluss


Napoleons Tobsuchtsanfall ist Lesefrucht des von seinem letzten Sekretär Emmanuel de Las Cases verfassten und 1823 zuerst erschienenen Mémorial de Sainte-Hélène (Eintragung vom 20. 11. 1816).

Bourrienne hat in diesem Kapitel einen Nachfolger in Napoleons Diensten, weil er wegen Unterschlagungen im großen Stil (und deren Aufdeckung) entlassen worden war.

Marie Nicolas Sylvestre Guillon war Bibliothekar und Hauskaplan der Prinzessin von Lamballe, die bei den Septembermassakern 1792 im Gefängnis La Force ermordet wurde. Seine Wendigkeit ermöglichte ihm, danach unter Napoleon, den Bourbonen und dem Haus Orléans Karriere zu machen. Sein Namensvetter ist Abbé Aimé Guillon, genannt de Montléon, aus Lyon, erbitterter Konterrevolutionär, der eine Geschichte Lyons unter der Revolution verfasst hat, die trotz ihrer Einseitigkeit eine wertvolle Quelle ist.

Der Eridanos ist ein mythischer Strom und als Gottheit Sohn des Okeanos und der Thetys; geographisch wurde er oft mit dem Po gleichgesetzt. Pontos Euxeinos ist das Schwarze Meer.


Kapitel 41: Der schmerzensreiche Weg


Als Quellen für die Darstellung von Entführung und »Hinrichtung« des Herzogs von Enghien dienen Dumas Bourriennes Erinnerungen, der unter dem 37. Kapitel erwähnte, von Marco de Saint-Hilaire herausgegebene Dokumentenband (Deux conspirations) und die unter Kapitel 29 genannten Erinnerungen A. J. M. R. Savarys (Mémoires du duc de Rovigo).

Der Hund des Herzogs von Enghien hieß nicht Fidèle, sondern Mohiloff (Helmut Domke: Der Tod des Herzogs von Enghien, München, 1984), aber vielleicht wählte Dumas den Namen Fidèle als Reminiszenz an den treuen Hund aus Bernardin de Saint-Pierres Roman Paul und Virginie, den er in den Kapiteln 60 und 61 ausführlich würdigt.


Kapitel 42: Selbstmord


In diesem und den folgenden Kapiteln hält Dumas sich eng an die vorab erwähnten Quellensammlungen von Desmarets (Témoignages historiques) und Marco de Saint-Hilaire (Deux conspirations) sowie an Charles Nodiers Erinnerungen (unter dem 14. Kapitel erwähnt).

»Incroyables« und »Merveilleux« sind die Stutzer oder Gecken und ihre weiblichen Pendants, die »Merveilleuses«, zur Zeit des Direktoriums, auf zahlreichen Stichen mit spöttischen Bildlegenden verewigt.

Thags oder Thugs ist der Name einer indischen Raubmördersekte, deren Mitglieder mit seidenen Schlingen Reisende erdrosselten, um sie der Göttin Kali als Opfer darzubringen; um die Mitte des 19. Jahrhunderts rotteten die Engländer sie aus.

Der Spieler ist die Hauptfigur des gleichnamigen Theaterstücks von Jean-François Regnard (1696); sein Diener hält ihm anhand eines Seneca-Traktats eine Standpauke.

Der »Selbstmord« Pichegrus im Gefängnis bleibt so mysteriös, wie es Dumas’ akribische Schilderung der rekonstruierten Todesumstände vermuten lässt.


Kapitel 44: Das Temple-Gefängnis


Neben den bereits genannten Quellen hat Dumas für dieses Kapitel die Erinnerungen des royalistischen Agenten Abraham-Louis Fauche, genannt Fauche-Borel, verwendet (Mémoires de Fauche-Borel, Paris, 1829).

Moreau hatte keinen Sohn, sondern eine Tochter.


Kapitel 45: Das Gericht


Die Wiedergabe von Verhören, Prozessführung und Hinrichtung in den folgenden Kapiteln stützt sich auf Marco de Saint-Hilaires Deux conspirations und auf Bourriennes Erinnerungen.


Kapitel 46: Das Urteil


Paul Pélisson oder Pellisson, königlicher Rat unter Ludwig XIV., wurde für vier Jahre in der Bastille eingekerkert, weil er für seinen Freund, den Finanzminister Nicolas Fouquet, eingetreten war, nachdem der König diesen unter fadenscheinigen Vorwänden zu lebenslanger Haft verurteilt hatte; Fouquet war so unvorsichtig gewesen, mit Vaux le Vicomte ein Schloss- und Gartenensemble anlegen zu lassen, das Versailles in den Schatten stellte; als Minister hatte er Neid und Missgunst Colberts geweckt, den es nach seinem Posten gelüstete.


Kapitel 47: Die Hinrichtung


Die Schreckensherrschaft oder Terreur wurde vom Wohlfahrtsausschuss offiziell am 5. September 1793 in Kraft gesetzt, als ultima ratio gegen die äußere und innere Bedrohung der Republik; sie bedeutete Notstandsgesetze, Sondergerichte, Verhaftung (und Hinrichtung) auf bloßen Verdacht bzw. bloße Denunziation hin und dergleichen mehr; sie endete am 11. Thermidor des Jahres II (29. 7. 1794) nach Sturz und Guillotinierung der Robespierristen (9. und 10. Thermidor) mit einer letzten Hinrichtungsorgie an siebzig Kommunemitgliedern.

Am 18. 5. 1804 hatte sich Napoleon per Senatsbeschluß zum Kaiser erklären lassen.

Im 26. Kapitel wird Hector de Sainte-Hermine in Vincennes eingekerkert, nicht im Abbaye-Gefängnis.


Kapitel 48: Nach drei Jahren Kerkerhaft


Haidar, Heider oder Hyder Ali, muslimischer Herrscher des südindischen Fürstentums Mysore, bekriegte die Briten mit Unterstützung der Franzosen; sein Sohn Tipu Sahib oder Tipu Sultan setzte die Feldzüge fort und besiegte die Briten 1783. Vizeadmiral Pierre André de Suffren, der spätere Bailli de Suffren, war Haidar Alis Verbündeter auf französischer Seite. Joseph Dupleix war Gouverneur von Pondicherry und Generalgouverneur der französischen Kolonien in Indien, Marquis Charles de Bussy war französischer Feldmarschall, der für Dupleix und die Compagnie des Indes (die französische Ostindienkompanie) gegen die englische Ostindienkompanie, die East India Company, kämpfte.


Kapitel 49: Saint-Malo


Das umfangreiche Wissen über Geschichte und Topographie Saint-Malos, das Dumas in diesem und den folgenden Kapiteln entfaltet, verdankt sich höchstwahrscheinlich nicht allein entsprechender Lektüre; vermutlich unternahm Dumas im Mai 1869 eine Reise nach Saint-Malo, um dort zu recherchieren; einen Beweis seines Aufenthalts liefert ein Brief an den Archivar des Marineministeriums Pierre Margry, in dem er seinen Aufenthalt explizit erwähnt.

Der Benediktinermönch Matthew Paris ist ein bedeutender Geschichtsschreiber und Kartograph des frühen 13. Jahrhunderts, beliebt seines lebendigen, anschaulichen Stils wegen.

Het Zwin oder der Swin ist eine im 16. Jahrhundert versandete belgisch-niederländische Nordseeflussmündung.

»Ligue du Bien public« nannte sich der Zusammenschluss französischer Fürsten unter Karl dem Kühnen von Burgund zu einer Adelsrevolte gegen Ludwig XI., weil die Adeligen ihre Vorrechte durch den König geschmälert sahen.

Neufundland wurde je nach Überlieferung von den Wikingern um das Jahr 1000 oder etwas später von isländischen, baskischen, französischen oder portugiesischen Fischern entdeckt; verbürgt ist, dass Giovanni Caboto unter dem Namen John Cabot 1497 die englische Flagge auf neufundländischem Boden hisste; Baccalaos oder Isla dos Bacalhao wurde die Insel von den Europäern der frühen Neuzeit genannt (bacalao, bacalhau oder baccalà heißt der gesalzene, getrocknete Kabeljau auf Spanisch, Portugiesisch und Italienisch, wohl abgeleitet von dem lateinischen baculus, Stock), denn die Gewässer vor Neufundland waren für geradezu märchenhafte Kabeljaubestände berühmt. – Dumas kehrt Ursache und Wirkung um: Der Stockfisch heißt nicht nach der Insel (manche halten Baccalao sogar für ein indianisches Wort), sondern die Insel nach der transporttauglichen Dörrform des Kabeljaus.

Ligisten sind in diesem Fall die Anhänger der 1576 in Frankreich ins Leben gerufenen »heiligen Liga« zur Bekämpfung der Hugenotten.

René Duguay-Trouin war Marineoffizier und erfolgreicher Korsar; er eroberte 1711 Rio de Janeiro. Der Name René, den Hector de Sainte-Hermine sich in seinem neuen Leben zulegt, symbolisiert die Zerrissenheit oder Dialektik des Helden: einerseits verträumt, melancholisch und lebensüberdrüssig, wie René de Chateaubriand sich selbst darzustellen liebte, andererseits modern, zupackend und tatkräftig wie der Korsar René Duguay-Trouin.

Jean-Baptiste Le Carpentier rühmte sich vor dem Konvent, in seiner Eigenschaft als Konventskommissar (und nicht Prokonsul) in Saint-Malo »mittels revolutionärer Säuberungsmaßnahmen die Aristokratie, den Föderalismus und den Aberglauben mit Stumpf und Stiel ausgerottet« zu haben; von Ende 1793 bis Juli 1794 brachte er es auf dreihundert Guillotinierungen; zurückbeordert wurde er 1794 nach dem Sturz Robespierres.


Kapitel 50: Die Herberge der Madame Leroux


Die Revenant ließ Robert Surcouf, der berühmte Korsar im Dienst Napoleons, erst im Frühjahr 1807 vom Stapel. Für dieses und die folgenden Kapitel benutzt Dumas die Dokumentensammlung Histoire de Robert Surcouf capitaine de corsaire (hrsg. von Charles Cunat, 1842) sowie Louis de Garnerays zweibändiges Werk Voyages, aventures et combats (Band 1: Corsaire de la République, Band 2: Le Négrier de Zanzibar) als lockeren Leitfaden durch das Leben des Seeräubers. Karl May hat 1882 unter dem Pseudonym Ernst von Linden die Erzählung Robert Surcouf. Ein Seemannsbild veröffentlicht.


Kapitel 51: Die falschen Engländer


Île de France hieß die Insel Mauritius von 1715 bis 1810.

Das in diesem Kapitel geschilderte Abenteuer firmiert in keinem der historischen Werke über Surcouf.


Kapitel 54: In See gehen


Joseph de Boulogne de Saint-George, genannt Chevalier de Saint-George, Sohn eines Adeligen und einer farbigen Sklavin, war ein berühmter Komponist und Fechtvirtuose, Freund und Förderer des späteren Generals Alexandre Dumas; anlässlich der Wiedereinsetzung der Sklaverei in den französischen Kolonien und des Verbots von Eheschließungen zwischen Weißen und Farbigen hielt Napoleon I. es für ratsam, nicht nur sämtliche Schriften des gefährlichen farbigen Aufrührers Toussaint l’Ouverture (der 1791 einen erfolgreichen Sklavenaufstand auf Santo Domingo angeführt und die Unabhängigkeit der Insel eingeleitet hatte) verbrennen zu lassen, sondern auch die des Chevaliers de Saint-George.

Baptiste-Pierre-François Bisson war für seine Tapferkeit im Feld als Revolutionssoldat und als Offizier unter Napoleon ebenso berühmt wie für seine Fress- und Saufgelage; Jean-Anthelme Brillat-Savarin hat ihn in seiner Physiologie des Geschmacks (1825) literarisch verewigt – »General Bisson, der täglich acht Flaschen Wein zum Frühstück trank, sah aus, als rühre er nichts an«.


Kapitel 57: Das Sklavenschiff


Die Sklaverei in den französischen Kolonien wurde allen Bemühungen der von Brissot 1788 in Paris gegründeten Gesellschaft zur Befreiung der Schwarzen zum Trotz und dank erfolgreicher Intervention der Verteidiger der Sklaverei, die sich 1789 zu der Société correspondante des colons français zusammengeschlossen hatten, erst im Februar 1794 vom Konvent aufgehoben; schon im Mai 1802 führte Bonaparte sie wieder ein, und endgültig beseitigt wurde sie nicht vor 1848. England verbot den Sklavenhandel englischer Schiffe im Jahr 1807, die Sklaverei selbst duldete es in seinen Kolonien noch bis weit ins 19. Jahrhundert. In dänischen und niederländischen Kolonien wurde die Sklaverei 1848 und 1863 abgeschafft, auf den spanischen Besitzungen Kuba und Puerto Rico 1870/73 und in Brasilien 1888.


Kapitel 59: Die Île de France

Mascarenhas oder Maskarenen lautet die Bezeichnung der Inselgruppe, die aus Mauritins, La Réunion und Rodriguez besteht; Mauritius, die größte der drei Inseln, wurde gegen 975 von den Arabern entdeckt und Dina Arobi (Silberinsel) genannt, 1507 von den Portugiesen entdeckt und Ilha do Cirne oder Cerne (Schwaneninsel) genannt, 1598 von den Holländern übernommen und Mauritius genannt, 1715 den Franzosen überlassen und zu Île de France umbenannt, 1810 an England abgetreten und wieder Mauritius genannt; La Réunion wurde 1507 nach ihrem portugiesischen Entdecker Mascarenhas getauft, 1638 von den Franzosen annektiert und Île de Bourbon genannt, 1793 in Île de Réunion umgetauft und zum französischen Departement erklärt, 1803 zur Kolonie zurückgestuft; Rodriguez, die kleinste der Maskarenen-Inseln, heißt seit 1507 unverändert Rodriguez.

François Leguat, ein hugenottischer Flüchtling, bereiste Ende des 17. Jahrhunderts die Inselgruppe der Maskarenen und veröffentlichte 1708 einen Bericht seiner Reiseabenteuer und seiner naturkundlichen Beobachtungen (Voyages et aventures de François Leguat et de ses compagnons en deux isles désertes des Indes orientales.)

Die Anspielung auf die Ehrenrettung Bertrand-François Mahé de Ra Bourdonnais’ durch die Literatur bezieht sich auf seine achtungsvolle und bewundernde Erwähnung in Jacques-Henri Bernardin de Saint-Pierres Roman Paul und Virginie (1788); die herzergreifende Geschichte des jungen Liebespaares mit ihrem tragischen Ende ist auf Mauritius zur Zeit Mahé de la Bourdonnais’ angesiedelt; der Verfasser kannte die Insel aus eigener Anschauung und machte sie mit seinem Roman weltberühmt.


Kapitel 60: An Land


Die Umstände der Veröffentlichung von Paul und Virginie erzählt Dumas in enger Anlehnung an die diesbezüglichen Auslassungen des Verfassers in seinem umfangreichen Vorwort zu Paul und Virginie von 1806, das mit einer blumigen Widmung an die Adresse Napoleons und Joseph Bonapartes endet (beziehungsweise beinahe endet, denn angefügt ist eine umfangreiche Darlegung des irrsinnigen Systems, mit dem Bernardin de Saint-Pierre durch eine ganz eigene Kosmologie die Naturwissenschaften zu revolutionieren gedachte und dessen hartnäckige Propagierung seinem Ansehen nicht sehr zuträglich war).

Da Bernardin de Saint-Pierre in der Einleitung zu Paul und Virginie beteuert, eine wahre Begebenheit zu berichten, ist es wenig verwunderlich, dass Lebensstationen und Gräber der Protagonisten zu besichtigen sind; die landschaftlichen Bezeichnungen gehen allerdings nicht auf die Erzählung zurück.

Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de Sévigné, tat in einem ihrer Briefe die berühmte, wenn auch unzutreffende Prophezeiung: »Racine passera comme le café« (der Tragödiendichter Racine wird ebenso aus der Mode kommen wie der Kaffeegenuss).

Armenien, Anatolien, das Quellgebiet von Euphrat und Tigris, aber auch das tiefer gelegene Zweistromland gehören zu den immer wieder genannten Kandidaten derjenigen, die einen geographisch lokalisierbaren Garten Eden beweisen wollen, so wie Santorin (Thera) zu den Inseln zählt, in denen man Atlantis vermutet.


Kapitel 61: Die Rückkehr (1)


Charles-Marie-René Leconte, genannt de Lisle (weil er von der Île de Bourbon stammt), wurde 1877 – sieben Jahre nach Dumas’ Tod – erstmals für die Académie Française vorgeschlagen, doch erst 1886 auf den Sitz des verstorbenen Victor Hugo gewählt; Dumas’ Spekulation, die an das Zitat aus dem Gedicht des Freundes anschließt, war wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl. Das Gedicht ist eine Hommage an die Jugendliebe des Dichters, seine Cousine Elixène.


Kapitel 64: Die malaiischen Piraten


Perahu Besar ist die malaiische Bezeichnung für »großes Schiff«.

»Veillons au salut de l’Empire« ist eine Arie aus Nicolas-Marie Dalayracs komischer Oper Renaud d’Ast aus dem Jahr 1787, deren Libretto 1791 dem politischen Zeitgeschmack angepasst wurde.


Kapitel 65: Die Ankunft


Zu Anfang des 14. Kapitels erzählt Hector seiner Verlobten, wie sein Vater nach dem erfolglosen Versuch, Marie-Antoinette zur Flucht zu verhelfen, guillotiniert wurde, seine Mutter einige Zeit darauf an Gram und Herzeleid starb und seine älteren Brüder danach im Kampf gegen die Republik ihr Leben ließen; hier ist die Reihenfolge verändert.

Hélène zitiert Hamlet, der zu Rosenkranz und Güldenstern (2. Aufzug, 2. Szene, in der Fassung von A. W. von Schlegel und L. Tieck) sagt: »O Gott, ich könnte in eine Nussschale eingesperrt sein und mich für einen König von unermesslichem Gebiete halten, wenn nur meine bösen Träume nicht wären.«

»Une fièvre brûlante« entstammt André-Erneste-Modeste Grétrys komischer Oper Richard Cœur-de-Lion, »Dernière pensée« ist die Umwandlung eines frühen Trios oder einer Variation für Klavier des (1786 geborenen) Wunderknaben Carl Maria von Weber zu einem Lied; in Paris beliebte Komponisten der Zeit um 1800 waren Cherubini, Gossec, Grétry, Lesueur und Méhul.

André-Marie de Chénier, Mitglied im gemäßigten Club der Feuillants, wurde 1794 kurz vor dem Sturz Robespierres guillotiniert, nachdem er die Jakobiner immer wieder mit heftigen polemischen Artikeln angegriffen hatte; sein dichterisches Werk war nur in Auszügen bekannt und wurde 1819 posthum veröffentlicht; Charles-Hubert Millevoye hingegen war um 1800 einer der bekanntesten und beliebtesten Dichter Frankreichs, berühmt vor allem durch seine melancholischen Elegien.

Chiang Saen liegt in der Provinz Chiang Rai, die lange zu Birma (heute Myanmar) gehörte, bis König Rama I. sie 1786 wieder Siam (heute Thailand) eingliederte; Chiang Saen wurde im Lauf der Jahrhunderte wiederholt zerstört und wiederaufgebaut.

Die Shwedagon-Pagode von Rangun ist ein weltberühmtes buddhistisches Wallfahrtsziel; sie wurde 588 v. Chr. errichtet und erhielt ihre heutige Gestalt im 17. und 18. Jahrhundert; die Dächer der Pagode sind mit Goldplatten belegt, und ihre Schirme sind mit unzähligen Edelsteinen verziert; nach buddhistischer Überlieferung birgt sie den Reliquienschatz von acht Haupthaaren Buddhas.


Kapitel 66: Pegu


Zamindar ist das Hindi-Wort für einen Steuereintreiber, aus dem Persischen abgeleitet (zamin für »Erde« und dar für »halten«); Shabundar oder Shabandar ist die malaiische Bezeichnung (von shah für »Herrscher« und bandar für »Stadt, Hafen«) eines königlichen Beamten, der Händler beaufsichtigt, Häfen kontrolliert und Zölle kassiert; die Bezeichnungen Nak-kann und Serodogee konnten nicht verifiziert werden.

Die Frucht des Wegerichs ist als Flohsamen bekannt, in der Volksmedizin ein Mittel zur Darmreinigung, aber der Betelnuss nicht unbedingt ähnlich; woher Dumas die Information hatte, die Betelpalme sei eine Schlingpflanze, konnte nicht eruiert werden.

Die Zwölftafelgesetze sind die Grundlage des römischen Rechts, vermutlich auf die Solonische Gesetzgebung Athens zurückgehend; der Überlieferung nach sollen sie um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. als bronzene oder hölzerne Tafeln existiert haben und bei der Eroberung Roms durch die Gallier 387 v. Chr. vernichtet worden sein.

»Sklavin des Götterbildes« ist eine blumige Formulierung der eigentlichen Wortbedeutung von Devadasi, nämlich »Dienerin Gottes«.


Kapitel 67: Die Reise


Palankin ist die Bezeichnung für einen Tragesessel oder eine Sänfte, aber auch für die Sitzgelegenheit auf dem Elefantenrücken, meist aus Holz gezimmert.

Bei der Belagerung und Einnahme der griechischen Stadt Methone verlor der makedonische König Philipp II. das rechte Auge durch einen Pfeilschuss; in Kapitel 85 lässt Dumas die entsprechende Anekdote ausführlich erzählen.


Kapitel 68: Der Königspython


René vergleicht die Kugeln des Waffenschmieds Lepage mit Apollons Pfeilen in Anspielung auf dessen Erlegung des Drachen Python zu Delphi.


Kapitel 69: Die Wegelagerer


Der Naturforscher François Levaillant unternahm mehrere Reisen in das Innere des afrikanischen Kontinents; seine Reiseberichte Voyage dans l’intérieur de l’Afrique von 1790 und Second voyage dans l’intérieur de l’Afrique von 1796 wurden in mehrere Sprachen übersetzt.


Kapitel 71: Das irdische Paradies


Das Königreich Pegu wurde 1539 dem birmanischen Königreich Taungu, Taungoo oder Toungoo einverleibt und dem Königreich Ava unterworfen; nach einer Rebellion erklärte es sich 1740 als Königreich Hongsawadi unabhängig; 1757 eroberten die Birmanen es zurück, wobei die Stadt Pegu zerstört wurde.

Zu Anfang des Kapitels spricht Dumas von einem Abstand von fünfundzwanzig Jahren zwischen dem ersten Aufenthalt des Vicomte de Sainte-Hermine in Pegu und dem Eintreffen seiner Töchter in diesem Land; einige Absätze später schrumpft diese Zeitdifferenz zu siebzehn Jahren.

Wie Claude Schopp schreibt, kommt sich Augustus in seinem entsprechenden Monolog in Corneilles Drama Cinna ou la Clémence d’Auguste vor, als wäre er Herrscher über das Universum.


Kapitel 73: Das Begräbnis des Vicomte de Sainte-Hermine


Das Bild der mit erhobenem Wurfspieß laufenden Thessalierinnen, dessen sich Phädra entsinnt, stammt aus Euripides’ Drama Hippolytos.


Kapitel 74: Tiger und Elefanten


Die Manton-Gewehre Sir James Asplays sind von Joseph Manton gefertigt, dem berühmten englischen Büchsenmacher, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Steinschlossgewehr zu einem bis dahin ungekannten Grad perfektionierte.


Kapitel 75: Janes Leiden


Die Chronologie der Ereignisse im Leben der beiden Familien Sainte-Hermine ist trotz der verworrenen und verwirrenden Lebensläufe fast durchgehend stimmig; im 56. Kapitel erzählt Hélène, Hector sei bei ihnen aufgewachsen und als Achtjähriger mit ihrem Vater, dem Vicomte, erstmals zur See gefahren, während im 65. Kapitel und hier für Hector die einleuchtendere Altersangabe von elf Jahren im Jahr 1790 und dreizehn Jahren beim Verlassen seines Onkels und seiner Cousinen 1792 genannt wird, was zudem damit übereinstimmt, dass er 1804 fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig Jahre alt sein soll; die kleine Verlobte des Knaben Hector war im 65. Kapitel die seinerzeit siebenjährige Hélène, während es hier in Kapitel 75 Jane gewesen zu sein scheint, was angesichts des Altersunterschieds wenig wahrscheinlich ist.

Im 26. Kapitel wird Hector de Sainte-Hermine in Vincennes eingekerkert, im 47. Kapitel ist es das Abbaye-Gefängnis und hier nun das Temple-Gefängnis.


Kapitel 77: Die Nächte Indiens


Puschkin findet in diesem Zusammenhang unter anderem deshalb Erwähnung, weil Dumas Teile seiner Verserzählung Der eherne Reiter übersetzt hat, aber möglicherweise auch der vergleichbaren Herkunft wegen, denn Puschkins Großvater war Mohr am Zarenhof; die Stelle des Gedichts, auf die Dumas anspielt, lautet (in der Übersetzung von Rolf-Dietrich Keil): »Ich lieb [...] / Den mondlos blassen Dämmerschein / Deiner gedankenvollen Nächte, / Wo ich in meinem Kämmerlein / Kann ohne Lampe lesen, schreiben, / Wo scharf die Schlafkonturen bleiben / Der Straßenschlucht, wo schimmernd steht / Der Pfeil der Admiralität; / Wo, dass nicht decken dunkle Schatten / Der Himmel goldgetönte Pracht, / Sich Abendrot und Frührot gatten / Und kaum ein Stündchen bleibt der Nacht.«

Die Worte, es gebe keine Pyrenäen mehr, schreibt Voltaire Ludwig XIV. zu; sie beziehen sich darauf, dass Ludwigs Enkel Philippe von Anjou Nachfolger des spanischen Königs Karl II. wurde.

Das Edikt von Nantes, mit dem Heinrich IV. 1598 den Hugenotten Religionsfreiheit und Bürgerrechte eingeräumt hatte, wurde schon unter Ludwig XIII. beschnitten und von Ludwig XIV. 1685 mit dem Edikt von Fontainebleau aufgehoben; trotz Auswanderungsverbots flüchteten an die zweihunderttausend Hugenotten nach Holland, Deutschland und Übersee; Ludwig XVI. erließ 1787 ein Toleranzedikt, das die Religionsausübung erlaubte, aber volle Bürgerrechte für Protestanten wurden erst 1789 von der Nationalversammlung dekretiert.

Hector/René teilt Dumas’ und Michelets leidenschaftlichen Abscheu gegenüber dem katholischen Klerus des Ancien Régime, und deshalb schreibt er den Widerruf des Edikts von Nantes den Einflüsterungen François d’Aix de La Chaises, Beichtvater Ludwigs XIV., und dessen frömmlerischer letzter Mätresse und heimlicher Ehefrau Madame de Maintenon zu; weniger pfaffenfeindliche Historiker bescheinigen sowohl dem Beichtvater als auch Madame de Maintenon eher mäßigenden Einfluss auf den König mit seiner rigorosen Ausmerzungspolitik gegenüber Protestanten und Jansenisten.

Mit der Fortsetzung des fatalen Werks Ludwigs XIV. durch seinen Enkel Ludwig XV. meint René hier weniger die katastrophale Staatsverschuldung als vielmehr das moralisch wenig erbauliche Schauspiel eines Königs, der sich offizielle maîtresses en titre hält, und er zählt die Damen in der Reihenfolge ihrer Amtsinhaberschaft auf (Marie-Anne de Mailly-Nesle, Marquise de La Tournelle, Herzogin von Châteauroux, Jeanne-Antoinette Poisson, Dame Le Normant d’Étioles, Marquise de Pompadour, und Marie-Jeanne Bécu, Comtesse de Dubarry).

Der »bestochene Minister« ist der Herzog von Choiseul und Marquis de Stainville, Außen- und Kriegsminister unter Ludwig XV., der die Ehe zwischen dem Thronfolger und Maria Theresias Tochter Marie-Antoinette vermittelte – bestochen, wie René glaubt, vom Hause Habsburg, das die Herrschaft über Frankreich an sich zu bringen trachtete.


Kapitel 78: Die Hochzeitsvorbereitungen


In seinem berühmten Monolog (3. Aufzug, 1. Szene) spekuliert Hamlet über »das unentdeckte Land, von des Bezirk kein Wandrer wiederkehrt«.


Kapitel 80: Eurydike


Die Dryade Eurydike, Gattin des Orpheus, trat auf der Flucht vor dem Gott Aristaios auf eine Schlange, deren Biss tödlich war.

Marie-François-Xavier Bichat, Begründer der Histologie, der ohne Mikroskop einundzwanzig Gewebetypen des menschlichen Körpers entdeckte und als Vorläufer Virchows in der Zellularpathologie gilt, konnte während der Revolution zahlreiche Experimente zur Reaktion des Herzmuskels auf elektrische Stimulation an frisch guillotinierten Leichen machen; ein Klassiker der modernen Pathologie ist sein 1800 erschienenes Buch Recherches physiologiques sur la vie et la mort. Franz Joseph Gall und sein Schüler Johann Caspar Spurzheim sind die Begründer der Schädellehre oder Phrenologie, einer Pseudowissenschaft, die Charaktereigenschaften und Temperament der Schädelform ablesen wollte, aber neben allem unhaltbar Spekulativen sind sie mit ihrer Lokalisationstheorie letztlich die Vorläufer der modernen Hirnforschung. Ihre Veröffentlichungen konnte René zur Zeit seines Kerkeraufenthalts noch nicht gelesen haben. Bichat betrachtet er als Antagonisten der Phrenologen, weil Bichat Materialist ist, während die Phrenologen Spinner sind, um es anspruchslos auszudrücken, oder etwas anspruchsvoller: Bichat führt zur modernen Medizin, Gall und Spurzheim führen zur Forensik und zur Eugenik.

Janes Definition des Betens als Opiat klingt nach einer Reverenz vor dem Freund des Verfassers, Heinrich Heine, dem auch Karl Marx die Definiton der Religion als Opium verdankt.

Jan Swammerdam hat in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter dem Mikroskop Insekten seziert und aufsehenerregende anatomische Entdeckungen gemacht, bevor er in Schwermut und religiöse Schwärmerei verfiel und in geistiger Umnachtung starb; auf ihn spielt Jane an.

Die von Jane zitierten Worte Shakespeares stammen aus der 1. Szene des 2. Aufzugs von Hamlet.

In Kapitel 67 hat der Biss der birmanischen Giftschlange die Wirkung, dass die Opfer bei Sonnenuntergang oder bei Sonnenaufgang sterben, unabhängig von der Tageszeit des Bisses.

In Kapitel 74 erwägt nicht Jane, sondern Hélène, René die gelehrigen Elefanten abzukaufen, und er macht sie den Schwestern zum Geschenk.


Kapitel 81: Die Rückkehr (2)


»Eichenholz und dreifache Erzschicht umschloss die Brust des Mannes, der zuerst den zerbrechlichen Kahn der wilden See anvertraute«, schreibt Horaz in seinem Geleitgedicht an das Schiff, das ihn trägt (Oden, I, 3, 9).


Kapitel 83: Rückkehr zum Quai Chien-de-plomb


Die Saint-Géran ist das Schiff, das in Paul und Virginie die junge Heldin aus Frankreich zurückbringt und vor der Insel Mauritius im Sturm Schiffbruch erleidet.


Kapitel 85: Die Armenkollekte


Der Faustkampf zwischen Dares und Entellus ereignet sich im fünften Kapitel der Äneis bei den Trauerfeierlichkeiten anlässlich der Beisetzung des Anchises; der junge Dares ist voller Kampfbegier, der abgeklärte Entellus muss zum Kampf genötigt werden und besiegt den Jüngeren.


Kapitel 86: Aufbruch


Der »Chant du départ« war die Nationalhymne zur Feier des Bastillesturms (Verse von Marie-Joseph Chénier, Musik von Étienne-Nicolas Méhul), die sich großer und lang anhaltender Beliebtheit erfreute.


Kapitel 87: Was sich unterdessen in Europa ereignete


Dieses und das folgende Kapitel entstammen Dumas’ Roman La San Felice (1864), der nach der Schlacht von Abukir am Hof von Neapel spielt.

Als Geburtsdatum Lord Horatio Nelsons nennt Dumas den 20. September 1758; andere Quellen geben den 19. und auch den 29. September dieses Jahres an. Nelson hatte insgesamt zehn Geschwister; als seine Mutter 1767 starb, waren acht der elf Kinder noch am Leben. Nelsons Onkel, der den Zwölfjährigen als Midshipman in seine Mannschaft aufnahm, war Maurice Suckling, der Bruder von Nelsons Mutter; sie und ihr Bruder waren Großnichte und Großneffe des ersten britischen Premierministers Robert Walpole. Das von Suckling kommandierte Kriegsschiff, auf dem Nelson seinen ersten Dienst antrat, hieß nicht Redoutable, sondern Raisonnable.

Die Arztwitwe Frances Nisbett heiratete Nelson vor seiner Rückkehr nach England 1787 auf der Karibikinsel Nevis.

Sir William Hamilton, Wissenschaftler und Gelehrter, war seit 1764 englischer Gesandter am Hof des Königs von Neapel und beider Sizilien; seine Geliebte Amy Lyon (Künstlername Emma Hart) hatte er 1791 geheiratet.

Der Jakobinerhass Ferdinands IV. und seiner Gemahlin Caroline Marie hängt zweifellos damit zusammen, dass Carolines Schwester Marie-Antoinette von der französischen Republik guillotiniert worden war.

Der Marinehafen Toulon hatte sich im August 1793 auf die Seite der Royalisten geschlagen und die republikanischen Kriegsschiffe im Hafen den Engländern überantwortet; dem Artillerieoffizier Buonaparte war nach zäher Belagerung im Dezember die Vertreibung der Engländer und die Rückeroberung Toulons gelungen.

Die Geschehnisse des 13. Vendémiaire sind in den Anmerkungen zum 29. Kapitel referiert.

In der Schlacht von Montenotte (12. April 1796) und in der Schlacht von Dego (14. April 1796) besiegte Bonaparte die Österreicher unter Graf Argenteau; in der Schlacht von Arcole (15. bis 17. November 1796) besiegte er die Österreicher unter Baron Alvinczy, in der ersten Schlacht von Rivoli (22. November 1796) besiegte er die Österreicher unter Baron Davidovich, und in der zweiten Schlacht von Rivoli (14. bis 15. Januar 1797) besiegte er abermals die Österreicher unter Alvinczy. (Sieger gegen Napoleon war Feldzeugmeister Joseph Freiherr Alvinczy von Borberek in der zweiten Schlacht von Bassano am 6. November 1796 und in der Schlacht von Caldero oder Caldiero am 12. November 1796.) Feldmarschall Dagobert Sigismund Wurmser wurde von Napoleon in der Schlacht von Castiglione (5. August 1796) und in der ersten Schlacht von Bassano (8. September 1796) besiegt. General Jean-Pierre, Baron de Beaulieu, unterlag Napoleon in der Schlacht von Lodi (10. März 1796) und in der Schlacht von Borghetto (30. Mai 1796). Erzherzog Karl von Österreich wurde von Napoleon in der Schlacht von Valvassone (16. März 1797) geschlagen (und 1809 in den Schlachten von Eckmühl, Regensburg und Wagram, während er im selben Jahr in der Schlacht von Aspern gegen die Franzosen siegte).

Herodot ist Urheber oder zumindest Chronist der üblen Nachrede, die Kambyses III., der Ägypten in das persische Großreich eingliederte, als geisteskranken, lasterhaften Willkürherrscher darstellt.

Der Sultan, der Nelson eine Diamantbrosche verehrte, war Selim III., der König von Sardinien war Karl Emmanuel IV. – Die Geschenke, die Nelson erhielt, finden sich ausführlich beschrieben und akribisch aufgelistet in Robert Southeys Life of Nelson aus dem Jahr 1813.

Hallowells »Zertifikat« und seinen Brief an Nelson kann Dumas Southeys Nelson-Porträt oder auch der Veröffentlichung The Dispatches and Letters of Vice-Admiral Lord Viscount Nelson (herausgegeben und annotiert von Sir Nicholas Harris Nicolas, London, 1845) entnommen haben.


Kapitel 88: Emma Lyon


Zum Herzog von Bronte (nach dem Kyklopen Brontes) ernannte Ferdinand IV. Admiral Nelson im Jahr 1799 zum Dank für die Wiedereroberung Neapels und seine, Ferdinands, Wiedereinsetzung als König.

Amy oder Emma Lyon wuchs bei ihrer Großmutter in Wales auf und wurde mit zwölf Jahren als Dienstmädchen nach London verdingt. Den Maler George Romney, der sie wiederholt malte, lernte sie 1782 in London kennen.

Eine Miss Arabell gibt es nicht unter den Mätressen des Prinzregenten George IV.; Anfang der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts war er mit Grace Elliott und mit Frances Villiers liiert.

Dumas zitiert Alphonse de Lamartines Beurteilung Lady Hamiltons in dessen Nelson-Porträt (1853); wörtlich lautet die Stelle: »Zum ersten Mal strauchelte sie nicht in das Laster, sondern in Unbesonnenheit und Güte.«

Die berüchtigten press gangs waren zur Zeit des Seekriegs gegen Napoleon eine wohlbekannte Institution der englischen Marine, die von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende der Napoleonischen Kriege existierte. Da die königliche Marine auf legalem Weg nie genug Seeleute anwerben konnte, war sie ermächtigt, im Namen des Königs englische »diensttaugliche Vollmatrosen im Alter zwischen achtzehn und fünfundfünfzig Jahren« zwangszuverpflichten; mit Alter, Nationalität und seemännischer Tauglichkeit der Gepressten nahm man es manchmal nicht allzu genau, wenngleich kundige und körperlich einsatzfähige Seeleute aus naheliegenden Gründen bevorzugt wurden; in näherer Umgebung der Hafenstädte war der Hass der Bevölkerung auf den Impress Service groß. Die Romane Billy Budd von Herman Melville und Sylvias Lovers von Elizabeth Gaskell handeln von der Praxis des Impressments an Land und zur See und den daraus resultierenden Konflikten.

John Willet-Payne, Emmas erster »Patron«, war Kapitän, nicht Admiral. Sir Henry Fatherson hieß korrekt Sir Harry Featherstonehaugh; er erwarb Emma von dem schottischen Wunderdoktor James Graham und war der Vater ihrer Tochter Emma Carew, die von Emmas Großmutter aufgezogen wurde. Die drei Kinder, die als Frucht des Zusammenlebens mit dem Neffen Sir William Hamiltons bezeichnet werden, hat es in dieser expliziten Form nicht gegeben.

Die von Dumas erwähnte Bibliothèque impériale trug diesen Namen unter den Kaisern Napoleon I. und Napoleon III.; in republikanischen Tagen hieß sie Bibliothèque de la Nation, vor der Revolution und seit der Zeit Karls V. Bibliothèque du Roi, von 1815 bis 1848 Bibliothèque royale, danach bis zum Putsch Louis-Napoléons Bibliothèque nationale, wie sie auch heute heißt.


Kapitel 89: In welchem Kapitel Napoleon erkennen muss, dass die Menschen manchmal schwerer zu lenken sind, als es das Glück ist


Das Gefecht, in dem General Baron Mack im Dienst Ferdinands IV. mit sechzigtausend Soldaten von Jean-Étienne Championnet mit kaum zehntausend Soldaten vernichtend geschlagen wurde, ereignete sich im Dezember 1798 und eröffnete Championnet den Weg nach Neapel, das er im Januar 1799 einnahm und zur Hauptstadt der Parthenopäischen Republik erklärte. Das Königshaus beider Sizilien und die feinen Kreise Neapels hatten sich im Dezember gerade noch rechtzeitig von Nelson nach Palermo bringen lassen.

Der neapolitanische Admiral Francesco Caracciolo war nach einem Zerwürfnis mit Ferdinand IV. in den Dienst der Parthenopäischen Republik getreten; er wurde nach der Übergabe Neapels an Kardinal Ruffo im Juni 1799 am Mast seiner Fregatte standrechtlich gehängt. Der unbarmherzige Rachefeldzug gegen »Franzosenfreunde« im Auftrag Ferdinands IV. ist selbst in den Augen der Bewunderer Nelsons ein bleibender Makel an seinem Charakter.

Die Ortschaft Merton, der Wohnsitz Nelsons ab 1800, gehört heute zu Greater London und liegt unmittelbar südlich von Wimbledon.

Dumas vergleicht Napoleon in dessen Vermessenheit mit Ajax, dem Lokrer, der auf der Rückkehr von Troja von Poseidon persönlich vernichtet wird, als er prahlt, er werde dem Sturm auch ohne Hilfe der Götter entrinnen (Odyssee, IV, 500-511).


Kapitel 90: Der Hafen von Cadiz


Napoleons Grande Armée hatte am 24. September 1805 den Rhein überquert. Vorgefechte zwischen Franzosen und Österreichern fanden am 8. Oktober bei Wertingen und am 9. Oktober bei Günzburg statt, die Schlacht von Elchingen fand am 14. Oktober statt, am 15. Oktober schlossen die Franzosen Ulm ein, und am 20. Oktober kapitulierten die Österreicher unter Feldmarschall Baron Mack in Ulm.


Kapitel 91: Der kleine Vogel


Emma Hamiltons Ehemann Sir William Hamilton war 1803 gestorben.

Lord Nelson war am 18. August 1805 in England gelandet und hatte sich nach Merton zurückgezogen; am 13. September suchte ihn Kapitän Henry Blackwood auf, um ihm mitzuteilen, dass die Franzosen in Cadiz blockiert waren, und am 15. September ging Nelson an Bord der Victory und segelte aus Spithead ab.

Den optischen Telegraphen erfand 1791 der französische Physiker Claude Chappe; dieser sogenannte Balkentelegraph bestand aus einem an erhöhtem Standpunkt angebrachten Masten mit einem daran befestigten Balken und an diesem angebrachten Armen; Balken und Arme ließen sich mittels Hebeln verstellen. In Deutschland stellte Johann Lorenz Beckmann 1794 seine Weiterentwicklung des Chappeschen Telegraphen vor, in England und Russland wurde die optische Telegraphie ebenfalls eingeführt, die noch eine Zeit lang neben der seit den Zwanzigerjahren Fortschritte machenden elektrischen Telegraphie weiterbestand.

Linienschiffe waren im 18. Jahrhundert Kriegsschiffe mit zwei bis vier Batteriedecks (im Unterschied zu den kleineren Fregatten mit nur einem Geschützdeck), die in einer Schlachtlinie hintereinander segelten.


Kapitel 92: Trafalgar


Der »makedonische Keil« ist die von Philipp II. eingeführte und von seinem Sohn Alexander dem Großen perfektionierte keil- oder winkelförmige Schlachtordnung anstelle der bis dahin vorherrschenden griechischen Phalanx in rechteckiger Form.

Nelson verfügte für die Schlacht von Trafalgar über siebenundzwanzig Linienschiffe und vier Fregatten, der gegnerische Oberkomandierende Admiral Pierre-Charles Jean-Baptiste Silvestre de Villeneuve über vierunddreißig Linienschiffe und sechs Fregatten.

Die Vielsprachigkeit der Schiffsnamen – sowohl die Engländer als auch die Franzosen setzten in der Schlacht von Trafalgar eine Neptune und eine Swiftsure ein, und die Belleisle war ein englisches Schiff, die Berwick hingegen ein französisches – rührt daher, dass eroberte oder gekaperte Schiffe nicht immer umgetauft wurden, sondern ihren Namen behalten konnten.

Nelson hatte als Signal an seine Schiffe bei Schlachtbeginn als Losung ausgeben lassen wollen: »Nelson confides that every man will do his duty«, verzichtete dann auf seinen Namen und nannte lieber das Vaterland, doch der Signalmaat flaggte statt »confides« (»vertraut darauf«), was ihm zu umständlich war, »excpects« (»erwartet«).

Der Bath-Orden war Nelson 1797 für seine Leistung in der Schlacht von St. Vincent verliehen worden; den Orden des türkischen Halbmonds hatte ihm der türkische Sultan für seinen Sieg in der Schlacht von Abukir verliehen; den sizilianischen Ritterorden des heiligen Ferdinands hatte Ferdinand IV. Nelson zusammen mit der Ernennung zum Herzog von Bronte 1799 verliehen, und das Johanniter- oder Malteserkreuz hatte der Seeheld für die Rückeroberung Maltas verliehen bekommen.

Kettenkugeln und Stangenkugeln, von Surcouf in Kapitel 55 als Abtakelungsgeschosse erwähnt, hatten durch ihre Sperrigkeit eine besonders zerstörerische Wirkung.


Kapitel 93: Unstern


Auf der Rückkehr aus englischer Kriegsgefangenschaft starb Admiral Villeneuve am 22. April 1806 in einem Gasthaus bei Rennes; als Todesursache wurde Selbstmord angegeben, was angesichts der Zahl der Messerstiche wenig wahrscheinlich ist. Wie im Fall Pichegrus darf man einen Auftragsmord vermuten.

Dumas nennt als Quelle für die letzten Stunden Lord Nelsons den Bericht des Schiffsarztes Sir William Beatty, 1807 veröffentlicht unter dem Titel An Authentic Narrative of the Death of Lord Nelson, with the Circumstances preceding, attending and subsequent to that Event; the Professional Report of His Lordship’s Wound; and several Interesting Anecdotes.


Kapitel 94: Der Sturm


Die Geschichte der Marine, auf die Dumas sich bezieht, wurde von William James verfasst und trägt den Titel Naval History of Great Britain from the Declaration of War by France in 1793 to the Accession of George IV in February 1820 (1822-24); in dem im 92. Kapitel von Dumas in einer Fußnote erwähnten »ausgezeichneten Buch« Jean-Pierre Edmond Jurien de La Gravières mit dem vollständigen Titel Guerres maritimes sous la République et l’Empire (1847) konnte Dumas die Stelle über den »tapferen Kapitän Camas« in französischer Übersetzung lesen, denn dort wird aus James’ Werk zitiert.

Das Linienschiff Le Vengeur unter dem Kommando Kapitän Renaudins weigerte sich im Verlauf der Seeschlacht zwischen England und Frankreich namens Bataille d’Ouessant beziehungsweise Glorious Battle of the 1st of June am 1. Juni 1794 (13. Prairial des Jahres II), sich zu ergeben, und wurde versenkt.

Die britische Flotte verzeichnete nach der Schlacht von Trafalgar zwischen vierhundert und vierhundertvierzig Tote und tausend bis tausendzweihundert Verwundete, die spanische tausend Tote und tausendvierhundert Verwundete, die französische dreitausend Tote und tausend Verwundete.

Die Santa Ana wurde nicht von Cuthbert Collingwood versenkt, sondern am 23. Oktober den Engländern von einem französischen Prisenkommando unter Kapitän Julien Cosmao-Kerjulien wieder abgejagt.

Als größten brennenden Scheiterhaufen aller Zeiten auf dem Meer bezeichnet Dumas die brennende Santissima Trinidad, das bis dahin größte Schiff aller Zeiten.

Nach Cadiz gelangte die Bucentaure nicht, wie Dumas weiter oben verriet; sie wurde nicht an Felsklippen zerschmettert, sondern sank, bevor sie den Hafen erreichte.

Die Indomptable hatte die Überlebenden der Bucentaure an Bord genommen; von den mehr als tausend Schiffbrüchigen überlebten keine hundertfünfzig den Untergang des Schiffs.

Der Dreimaster und Kauffahrer Samson ist fiktiver Natur.


Kapitel 95: Die Flucht


Hulken, Holken oder Blockschiffe (englisch hulks, französisch pontons) sind Gefängnisschiffe, entmastete ehemalige Kriegsschiffe, von Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem an Englands Küsten und in der Themsemündung in Gebrauch; sie waren leicht zu bewachen, die Unterbringung der Kettensträflinge spottete jeder Beschreibung, ein Entkommen war kaum zu bewerkstelligen; in den ersten Kapiteln seines Romans Große Erwartungen schildert Charles Dickens diese schwimmenden Kerker sehr anschaulich.

»Die Luft geht scharf, es ist entsetzlich kalt«, sagt Hamlet zu Horatio (in der Übersetzung von A. W. von Schlegel; 1. Aufzug, 4. Szene), und dieser erwidert: »’s ist eine schneidende und strenge Luft.«


Kapitel 97: Die Ratschläge Monsieur Fouchés


Die Umschreibung »Tag von Offenburg« bezieht sich auf die Entführung des Herzogs von Enghien.

Die neuen Verbündeten, die Napoleon nach seinem Aufenthalt in München besuchte, waren die Regenten des von ihm frisch gebackenen Königreichs Württemberg in Stuttgart und des ebenso neuen Großherzogtums Baden in Karlsruhe, die er durch Familienbande noch enger an sich zu binden gedachte.

Kapitän Lucas bittet René, ihn am 29. Januar 1806 aufzusuchen; eine halbe Seite weiter ist aus dem 29. Januar der 4. Februar geworden.


Kapitel 98: Die Postkutsche von Rom


Das Konkordat, das 1801 zwischen Papst Pius VII. und dem französischen Staat geschlossen wurde, hatte die Wiederherstellung der Freiheit und Öffentlichkeit des katholischen Kultus in Frankreich (der jedoch nicht wieder zur Staatsreligion erklärt wurde) zum Gegenstand; die Geistlichen wurden verbeamtet, die Bischöfe mussten den Treueeid auf den Ersten Konsul leisten, der sie ernannte.


Kapitel 99: Die Via Appia


Für dieses und die folgenden Kapitel hat Dumas seinen unvollendeten Roman Isaac Laquedem (1853; über den Anfang ist das Projekt eines Romans über den Ewigen Juden nie hinausgediehen), seine Reisebeschreibung Le Corricolo (1853) und seinen Roman La San Felice (1864) ausgeschlachtet. Als Wissensquelle für die Geschichte der Via Appia diente ihm neben den antiken Autoren die Studie Rome au siècle d’Auguste, ou voyage d’un Gaulois à Rome, à l’époque du règne d’Auguste pendant une partie du règne de Tibère des Historikers und Archäologen Louis Charles Dezobry aus dem Jahr 1835.

Die lateinischen Inschriften bzw. deren Abkürzungen auf den Grabmälern an der Via Appia lauten: »fertigte es zu Lebzeiten«, »errichtete es zu Lebzeiten für sich« und »ließ es zu Lebzeiten fertigen«.


Kapitel 100: Was sich fünfzig Jahre vor Christus auf der Via Appia abspielte


Lupanaria hießen in Rom die Bordelle, die vor allem in der Nähe des Circus Maximus und im übelbeleumdeten Viertel Subura gelegen waren.

Die Marsi oder Marser sind ein mittelitalisches Volk, das seit Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. Bundesgenosse der Römer war; wie der Name, der sich von dem des Kriegsgotts herleitet, andeutet, galten sie als besonders kriegerisch. Mit dem germanischen Volk der Marser, das zuerst am Rhein und später zwischen Ruhr und Lippe siedelte, haben die italischen Marser nichts zu tun; Dumas bezieht sich auf die italischen Marser.

In der Schlacht bei Philippi unterlag die republikanische Armee 42 v. Chr. den Truppen Marcus Antonius’ und Octavians.

Julia, Enkelin des Augustus, wurde wegen lasterhaften Lebenswandels lebenslänglich verbannt und gebar in der Verbannung ein Kind, das Augustus ihr aufzuziehen verbot; Opfer der moralischen Entrüstung des Herrschers wurde auch der mit Julia befreundete Ovid, den Augustus nach Tomis am Schwarzen Meer verbannte, was mit der Unsittlichkeit seiner Gedichte begründet wurde; die Mutter eines kleinen Agrippa war nicht die Julia, deren Verbannung Ovids Verbannung nach sich zog, sondern ihre Mutter Julia, von deren Vater Augustus in die dritte Ehe mit Tiberius gezwungen, was sie mit zahlreichen Seitensprüngen und Konspirationen zur Beseitigung des Tiberius quittierte, woraufhin ihr Vater die Scheidung verfügte und seine Tochter in die Verbannung schickte.

Murrhinische Gefäße, Trinkgefäße aus in Parthien gefördertem Flußspat, der erhitzt und mit Myrrhenharz eingerieben wurde, galten im Rom der Spätantike als höchster Luxus.

Die letzten Worte des Augustus sind nach Suetons Leben der Cäsaren zitiert.


Kapitel 101: Archäologische Unterhaltung zwischen einem Marineleutnant und einem Husarenhauptmann


In den Georgica (I, 497) spricht Vergil von den Gebeinen hünenhafter Krieger: »Kommt wohl einst die Zeit, da findet der Bauer in jenen Ländern, wenn er das Feld durchfurcht mit gebogenem Pfluge, Speere, zerfressen von schäbigem Rost [...] und sieht voll Erstaunen mächtiges Heldengebein in aufgeworfenen Gräbern.«

Der mitteilungsfreudige Reisende vermischt die Geschichte des Maxentius (römischer Kaiser von 306 bis 312 n. Chr.) mit der des Galerius Maximianus (dessen Tochter Valeria Maximilla mit Maxentius vermählt wurde) und versetzt diese Mischung mit Zutaten aus der eigenen Phantasie (Caracalla und Heliogabal lebten hundert Jahre früher; welchen Alexander er meint, bleibt eine offene Frage); Galerius Maximianus wurde in seiner Heimat Pannonien bestattet, nicht in Rom; Maxentius, der im Kampf gegen Konstantin im Tiber ertrank, wurde posthum der Kopf abgeschlagen; den Zirkus ließ Maxentius 309 n. Chr. erbauen und seinem Sohn Romulus widmen.

Caecilia Metella war nicht die Gattin des für seinen Reichtum berühmten Marcus Licinius Crassus Dives, sondern seines älteren Sohnes Marcus Licinius Crassus.

Nicht die Quintilier wollten Commodus ermorden, sondern dieser verfolgte die Brüder, um sich ihres Vermögens zu bemächtigen; die missglückte Verschwörung mit anschließender Hinrichtung der Verschwörer, die René schildert, wurde nicht von den Quintiliern betrieben, sondern von Lucilla, der Schwester des Commodus, zusammen mit ihrem Vetter Marcus Ummidius Quadratus; Commodus’ Vorliebe für Spiele und Wettkämpfe brachte Rom in beträchtliche Geldnot; der Historiker Herodianos war Lehrer des Commodus und verfasste eine Geschichte der römischen Kaiser vom Tod Marc Aurels bis zur Thronbesteigung Gordians III.


Kapitel 102: In welchem Kapitel der Leser den Namen eines der zwei Reisenden errät und den des anderen erfährt


Der Kampf zwischen Rom und Alba Longa über die Vorherrschaft wurde der Überlieferung nach zwischen den Drillingspaaren der römischen Horatier und der albanischen Curiatier ausgetragen und vom letzten überlebenden Horatier entschieden.

Domitian genoss den Ruf eines besonders grausamen Menschen, der sich daran erfreut haben soll, Fliegen fangen zu lassen, um sie dann mit einem Federkiel zu erstechen.

Clodius hatte nicht vier Schwestern, sondern drei Schwestern, die alle Clodia hießen; mit dem Rhetor Hortensius war keine der Schwestern verheiratet; Lesbia war der Kosename Catulls für die von ihm geliebte zweitälteste Schwester des Clodius; die üble Nachrede Ciceros, der diese Clodia als »Viergroschenhure« schmähte, hat die Geschichtsschreibung lange beeinflusst.

Die dritte Ehefrau Cäsars, der Clodius nachstellte, hieß Pompeia, nicht Mussia, und war keine Tochter des Pompeius.

Die Feierlichkeiten zu Ehren der Bona Dea, einer Frauengottheit, unter Ausschluss der Männer vereinen vermutlich die Kulte um eine italische und eine griechische Gottheit.

Die Ecole de Mars wurde auf Konventsbeschluss am 13. Prairial des Jahres II (1. Juni 1794) gegründet und bald danach sang- und klanglos zugemacht; sechs Sechzehnjährige pro Distrikt, zur Hälfte ländliche und zur Hälfte städtische Sansculottenkinder, sollten den Umgang mit Waffen lernen sowie »Brüderlichkeit, Disziplin, Bedürfnislosigkeit, gute Sitten, Vaterlandsliebe und Hass auf das Königtum«.

Joachim Murat wurde im März 1806 von seinem Schwager zum Großherzog von Berg und Kleve ernannt. Manhès berichtet seinem Reisebegleiter von Napoelons Einzug in Berlin (27. Oktober 1806) und von der Schlacht von Jena/Auerstädt (14. Oktober 1806), doch zu Beginn des folgenden Kapitels erleben die Reisenden die Belagerung von Gaeta mit, das sich nach langem Widerstand im Juli hatte ergeben müssen, also einige Monate vor Napoleons Sieg gegen die Preußen. Die vertauschte Chronologie zieht sich auch durch die nächsten Kapitel.


Kapitel 103: Die Pontinischen Sümpfe


Augustus stammte aus wohlhabender, wenn auch nicht besonders vornehmer Familie; sein Vater war der Prätor, Tribun und Quästor Caius Octavius, seine Mutter Atia war die Tochter des Prätoren Manus Acilius Balbus, der mit Cäsars Schwester Julia verheiratet war. Die Gerüchte über die Herkunft des Augustus verdankt Dumas Suetons Leben der Cäsaren (»Derselbe Antonius jedoch, der auch auf die mütterliche Abkunft des Augustus verächtlich herabsieht, wirft ihm vor, sein Urgroßvater stamme von Afrikanern ab und habe bald einen Salbenhandel, bald das Müllergewerbe in Aricia betrieben«).

Faunus kann seiner Tochter Bona Dea erst beiwohnen, als er sich in eine Schlange verwandelt; Klatsch und Tratsch im alten Rom übertrugen dies auf die Umstände der Zeugung des Augustus.

Das Bild von Ernest Hébert heißt La Malaria und wurde erstmals im Salon von 1850/51 ausgestellt; heute befindet es sich im Musée d’Orsay.


Kapitel 104: Fra Diavolo


Anxur lautet der – vermutlich volskische – Name Terracinas, der um 500 v. Chr. in Tarracina geändert wurde; Vergil erwähnt in der Äneis (7, 799) lediglich den dort verehrten Jupiter Anxurus; Horaz spricht in seinen Satiren (I, 5, 26) von »Anxur, das von seinem weißen Felsen weit in die Ferne glänzt«; in Le Corricolo hat Dumas das Zitat korrekt Horaz zugeschrieben.

Fra Diavolo wurde am 11. November 1806 in Neapel öffentlich gehängt, und wenn der Adjutant des Großherzogs von Berg am 10. November vormittags von Rom aufbricht und am 11. in Terracina berichten kann, was am 8. November in Magdeburg geschah, dann müsste er die Reise von Berlin nach Rom an einem einzigen Tag bewältigt haben.


Kapitel 105: Die Jagd


Fra Diavolo oder das Gasthaus in Terracina des Gespanns Daniel-François-Esprit Auber und Augustin-Eugène Scribe von 1830 war auf Anhieb ein Erfolg; als Fra Diavolo oder auch The Devil’s Brother verfilmte Hal Roach die Operette 1933 mit den Banditen Stanilo und Olivero in tragenden Nebenrollen.

Sanfedista hießen die Partisanen der von Kardinal Ruffo ins Leben gerufenen Freischaren für Glaube, Gott und König, die mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln den gottlosen Franzosen das Handwerk legen sollten.

Dumas zitiert aus Victor Hugos Gedichtzyklus La Légende des siècles das Gedicht »Après la bataille« (Teil XLIX, »Le Temps présent«), verfasst am 18. Juni 1850, dem Jahrestag von Waterloo. Der Zyklus erschien erstmals 1859.


Kapitel 106: Major Hugo


Als Quelle dient Dumas die Veröffentlichung Mémoires du général Hugo, gouverneur de plusieurs provinces et aide-major-général des armées en Espagne (Paris, 1823).

El Empecinado (»Pechmann« oder »Pechsieder«) war Juan Martín Díaz, der als Guerillaführer die Franzosen in Spanien so erfolgreich bekämpfte, dass General Hugo zu seinem »ausschließlichen Verfolger« ernannt wurde; Hugo nahm Díaz’ Mutter (erfolglos) als Geisel, was El Empecinado mit verschärften Angriffen und der Erschießung von hundert französischen Soldaten erwiderte. Nach der Restauration von 1823 wurde der Volksheld als Liberaler festgenommen und 1825 gehängt (statt, wie er es sich erbeten hatte, füsiliert). Sein Spitzname ist im Spanischen zum Synonym für Hartnäckigkeit geworden.

Die Kriegslist des Marschalls von Rantzau, deren Fra Diavolo sich bedient, ist das Manöver, mit dessen Hilfe Josia Rantzau im Dreißigjährigen Krieg im Februar 1636 Saint-Jean-de-Losne bei Nacht und Nebel einnehmen konnte.


Kapitel 107: Der letzte Kampf


Die kaudinischen Pässe sind der Engpass nahe dem samnitischen Ort Caudium zwischen Neapel und Benevent, wo die Samniten unter Gaius Pontius den Römern 321 v. Chr. eine vernichtende Niederlage bereiteten; die römischen Feldherren Titus Veturius und Spurius Postumnius samt ihren überlebenden Soldaten sollen genötigt worden sein, zum Zeichen ihrer Demütigung unter einem Joch aus Speeren hindurchzugehen (daher der Begriff des kaudinischen Jochs für eine Zwangslage, aus der es kein ehrenvolles Entkommen gibt).

Ein Improvisator ist ein mündlicher Stegreifdichter; die berühmtesten neapolitanischen Improvisatoren des späten 18. Jahrhunderts fielen den »blutigen Reaktionsexzessen« Ferdinands und Kardinal Ruffos 1799 zum Opfer.

Ende November kann die Flucht Fra Diavolos nicht geendet haben, wenn er Anfang November hingerichtet wurde; die Wetterverhältnisse wiederum sind für Ende Oktober etwas verfrüht.


Kapitel 108: La Forca


Der Titel des Kapitels ist die italienische Bezeichnung für den Galgen.

Das »erstklassige« Hotel La Vittoria wurde von Dumas während seiner ersten Neapelreise beehrt, und in seinem Reisebuch Le Corricolo singt er das Loblied des Hoteliers Martin Zir.


Kapitel 109: Christophe Saliceti, Polizeiminister und Kriegsminister


Saliceti ist 1757 geboren und 1809 gestorben.

Der Satz, in dem Dumas das bunte Treiben am Kai von Neapel schildert, hört nach den Zeilen des Dichters Metastasio abrupt auf.

Das Atrium ist der Mittelraum des italischen Hauses, das Impluvium ist das rechteckige Sammelbecken für Regenwasser im Fußboden des Atriums, und Triclinium ist die Bezeichnung für drei Klinen (Ruhebetten, nicht nur zum Schlafen, auch zum Speisen), die um einen zentralen Tisch herum angeordnet sind.

Moccoletti sind »Kerzchen«.

Ein grano ist wörtlich ein Gran, im übertragenen Sinn eine Münze von bescheidenem Geldwert.

Die verwirrenden Zeitangaben zur Belagerung von Gaeta ziehen sich seit Kapitel 102 durch den Text. Nicht zu übersehen ist auch, dass die Handlung des ganzen Kapitels 109 an einem einzigen Tag spielen soll, obwohl vom 11. November oder vom Ende des Monats zur zweiten Januarhälfte gesprungen wird.

Antonius von Ägypten oder der Große wird mit Schweinen zusammen abgebildet, weil er als Einsiedler in der Wüste dämonischen Versuchungen ausgesetzt war, in denen schweineartige Tiere vorkamen; später entwickelte der Orden daraus den Brauch des Antonius-Schweins, das am Antoniustag geschlachtet, gesegnet und an die Armen verteilt wurde.


Kapitel 110: König Joseph


Den Brief Napoleons an seinen Bruder Joseph entnimmt Dumas der Veröffentlichung Correspondance de Napoléon 1er (veröffentlicht auf Anweisung des Kaisers Napoleon III., 1863, Bd. 13, Brief 10573 vom 30. Juli 1806).


Kapitel 111: Il Bizzarro


Il Bizzarro konnte nach dem Mordanschlag der (zwei, nicht fünf) Brüder seiner Geliebten auf ihn nicht in die Berge entfliehen, sondern wurde bei seinem Fluchtversuch aus der Kirche ertappt und musste mehrere Jahre als Galeerensträfling Frondienste tun.


Kapitel 112: In welchem Kapitel die zwei jungen Männer Abschied voneinander nehmen, damit der eine seinen Dienst bei Murat wieder antreten und der andere Reynier bitten kann, ihn in Dienst zu nehmen


Der Serapistempel von Pozzuoli ist kein Tempel, sondern das macellum, die Markthalle der Stadt aus antiker Zeit.


Kapitel 114: In welchem Kapitel René sieht, dass Saliceti sein Wort gehalten hat


Seit Kapitel 109 spielt die Handlung des Romans im Januar des Jahres 1807, obwohl der Sieg der englischen Truppen unter Sir John Stuart in der Schlacht von Maida, in deren Folge General Jean-Louis-Ebénézer Reynier Kalabrien räumen musste, am 4. Juli 1806 stattgefunden hatte, zwei Wochen bevor Gaeta sich am 18. Juli den französischen Belagerern ergab.


Kapitel 115: Das Dorf mit Namen Li Parenti


Die Geschichte, die General Reynier in diesem und dem folgenden Kapitel erzählt, ist mit Anekdoten zu Leben, Taten und Sterben diverser Briganten des frühen 19. Jahrhunderts im Süden Italiens angereichert, darunter Giovanni Benincasa, genannt Specchiale, Lorenzo Benincasa, Vincenzo Barberio, genannt Occhiodipecora, Francatrippa, Nicola Gualtieri, genannt Panedigrano, Pietropaolo Mancuso, genannt Parafante oder König Parafante, Franceso Moscato oder Muscato, genannt Il Bizzarro, Angelo Paonessa, genannt Panzanera, Antonio Santoro, genannt König Corenne, Arcangelo Scozzafava, genannt Galano. Dumas konnte für seine Darstellung des Brigantenwesens auf Pietro Collettas Storia del Reame di Napoli zurückgreifen (Capolago, 1834) und auf die von Francesco Montefredine zusammengestellten und herausgegebenen Erinnerungen des Generals Manhès (Memorie autografe del generale Manhès intorno a’ briganti. Neapel, 1861).

Das Brigantenwesen jener Zeit hatte sich zuerst gegen die Großgrundbesitzer gerichtet; Ferdinand IV. und Kardinal Ruffo verstanden es geschickt gegen die Franzosen zu instrumentieren, unter deren Herrschaft die Bauern sich von den Besatzern ebenso ausgebeutet fanden wie zuvor von den Grundbesitzern; schnell begriffen die Briganten, dass es einträglicher war, die Beute nicht mit König und Kirche zu teilen, und dass man auf eigene Faust und Rechnung Bauern, Großgrundbesitzer und französische Besatzer gleichermaßen terrorisieren konnte. Charles-Antoine Manhès (Beiname »Exterminator«) wurde nach seiner erfolgreichen Eindämmung des Brigantenwesens in den Abruzzen beauftragt, die Briganten in Kalabrien und in der Basilikata auszurotten, was ihm mit Maßnahmen von unerhörter Grausamkeit und Härte innerhalb von kaum sechs Monaten auch weitgehend gelang.

Der Hinterhalt in dem Dorf Li Parenti, in den französische Soldaten gelockt wurden, bevor man sie massakrierte, gehört zu den Anekdoten über Francatrippa, die Manhès in seinen Erinnerungen berichtet.

Der Dreikampf der Drillingspaare der Horatier und Curiatier ist in Kapitel 102 erwähnt.

Parafante wurde nach seinem Tod (1811) gevierteilt, seine Körperteile wurden in eisernen Käfigen zur Erbauung des Publikums zur Schau gestellt, und seinen Kopf brachte Manhès nach Cosenza, um ihn dort auszustellen.


Kapitel 118: Die Jagd auf die Banditen


Das Kapitel und der Romanabdruck im Moniteur enden abrupt mitten in Renés Vorbereitungen zur Verfolgung des Bizzarro; Claude Schopp hat die Verfolgungsjagd fortgesetzt und mit dem historisch verbürgten Ende des Bizzarro durch die Hand einer von ihm entführten Frau beendet sowie ein weiteres Kapitel angefügt, in dem René nach vollbrachter Mission in Kalabrien und Lukanien nach Neapel zurückkehrt; diese Zusätze aus der Feder des Herausgebers sind kursiv gedruckt.

Das Kapitol als Stätte des wichtigsten römischen Heiligtums und der tarpejische Felsen (der Abhang am Rand des Kapitols, von dem gestürzt wurde, wer sich falschen Zeugnisses, Verrats, Blutschande, Verrats am Volk oder Hochverrats schuldig gemacht hatte) gehören zum festen Bestand der französischen Revolutionsrhetorik, die in napoleonischer Zeit weiterhin verwendet wurde.


Kapitel 119: Die Hand der Herzogin


Nach einer erfolgreich geschlagenen Schlacht soll Heinrich IV. zu Louis de Balbe de Bertonde Crillon, der zu spät kam, gesagt haben: »Häng dich auf, mein wackerer Crillon, wir schlugen uns bei Argues, und du warst nicht dabei!« Crillon hatte den Beinamen »Mann ohne Furcht«, und Heinrich nannte ihn den Tapfersten der Tapferen.


PRAGER MANUSKRIPT


Erstes Kapitel: Seine Kaiserliche Hoheit Vizekönig Eugène-Napoléon


Die folgenden drei Kapitel wurden von Claude Schopp als späterer Teil des vorliegenden Romans identifiziert und als Prager Manuskript bezeichnet (das Manuskript in Dumas’ Handschrift befindet sich im Fonds Metternich in Prag).

In Kapitel 118 erlebten die Protagonisten im Jahr 1807 Ereignisse aus der ersten Hälfte des Jahres 1806; dieses neue Kapitel beginnt am 8. April 1809; man darf annehmen, dass eine zwischen diesen Zeitangaben situierte Handlung, deren Manuskript Claude Schopp für verschollen hält, Renés Reisegefährten Manhès ins Spiel gebracht hätte, der zwischen 1807 und 1811 die Briganten und ihre Helfershelfer in Süditalien das Fürchten lehrte und den Dumas sicherlich nicht in die Handlung eingeführt hatte, um ihn nach ein paar Stadtrundfahrten auf Nimmerwiedersehen aus dem Roman verschwinden zu lassen.

Die Cisalpinische Republik mit der Hauptstadt Mailand hatte Napoleon Ende 1796 ins Leben gerufen; 1799 wurde sie nach den Siegen der Russen und Österreicher in Oberitalien aufgelöst, 1800 wurde sie wiederhergestellt, kurz darauf in die Republik Italien umgewandelt (unter Präsident Bonaparte), die 1805 zum Königreich Italien wurde, mit dem es zehn Jahre später vorbei war.

Seinen Stiefsohn Eugène de Beauharnais hatte Napoleon 1805 zum Prinzen von Frankreich und zum Vizekönig von Italien (weitgehend ohne Befugnisse) ernannt; im Januar 1806 hatte er ihn mit Prinzessin Auguste Amalie von Bayern verheiratet, und 1807 ernannte er ihn zum Fürsten von Venedig.

Die Fechtstunden des halbwüchsigen Eugène de Beauharnais in Straßburg sind nur demjenigen vertraut, der Les Blancs et les Bleus gelesen hat, in dem sie vorkommen.


Zweites Kapitel: Das Mittagessen


General Jean-Maximilien Lamarque eroberte 1808 die von den Engländern unter General Hudson Lowe besetzt gehaltene Insel Capri nach dreizehntägiger Belagerung zurück.


Drittes Kapitel: Vorbereitungen


Renaud de Montauban ist Hauptfigur eines mittelalterlichen Heldenlieds aus dem 12. Jahrhundert und einer der Protagonisten in Ariosts Rasendem Roland; seine sprichwörtliche Eleganz findet sich auf Bildteppichen und Miniaturen verewigt.

René hat offenbar Goethe gelesen, wie man seiner Dichtung entnehmen kann; zeitlich wäre es durchaus möglich, dass er beispielsweise »Wandrers Nachtlied« in der Februarausgabe von 1801 der Londoner Zeitschrift The mouthly magazine gelesen hätte.


Biographische Notiz

Alexandre Dumas wurde am 24. Juli 1802 in Villers-Cotterêts in der Nähe von Paris geboren und starb am 5. Dezember 1870 in Puys bei Dieppe in der Normandie. Seine Eltern waren der Revolutionsgeneral Thomas Alexandre Davy-Dumas de La Pailleterie aus Haiti, unehelicher Sohn eines französischen Adeligen und dessen schwarzer Sklavin, und Marie-LouiseÉlisabeth Labouret, Tochter des ehemaligen Hoteliers Claude Labouret in Villers-Cotterêts. Der frühe Tod des in Ungnade geratenen und deshalb vorzeitig in den Ruhestand versetzten Vaters im Jahr 1806 hinterließ die Witwe mit ihrer dreizehnjährigen Tochter und dem kleinen Sohn so gut wie mittellos. Die Tochter Marie-Alexandre-Aimée mußte aus dem Mädchenpensionat nach Hause zurückkehren, und an eine gründliche Schulbildung für den Sohn war nicht mehr zu denken; statt dessen wurde Alexandre Dumas mit vierzehn Jahren in die Kanzlei eines Notars gegeben, wo er als Schreiber arbeitete. In seiner freien Zeit vergnügte der phantasiebegabte Knabe sich mit dem Verfassen und Aufführen von Theaterstücken.

Durch die Vermittlung eines Freundes seines Vaters erhielt Dumas 1822 als Zwanzigjähriger in Paris eine Stelle im Büro des Herzogs von Orleans, des späteren »Bürgerkönigs« Louis-Philippe. Schnell fand der junge Dichter und Dramatiker Zugang zum Kreis der romantischen Schriftsteller um Victor Hugo, Alfred de Vigny und Charles Nodier, denen er ein Leben lang freundschaftlich verbunden blieb. 1824 wurde sein (unehelicher) Sohn Alexandre geboren, der erste von vielen illegitimen und – bisweilen – legitimen Nachkommen.

In den folgenden Jahren verfaßte Dumas, oft in Zusammenarbeit mit Freunden und Schriftstellerkollegen wie Gérard de Nerval, zahlreiche Theaterstücke, Reiseberichte und journalistische Arbeiten. Ein Theaterstück über Heinrich III. (Henri III et sa cour) brachte 1829 erstmals den erhofften Publikumserfolg, der dem Dramatiker Dumas von da an treu blieb.

Der überzeugte Republikaner Dumas engagierte sich als Offizier der Nationalgarde aktiv in der Julirevolution von 1830, die durch rigorose absolutistische Ausnahmegesetze Karls X. ausgelöst worden war; auch an den Aufständen von 1832 und an der Februarrevolution von 1848 gegen Louis-Philippe beteiligte er sich. Zu Beginn des Jahres 1851 emigrierte er bei Nacht und Nebel nach Brüssel, aber nicht aus Gründen politischer Verfolgung wie sein Freund Victor Hugo, sondern weil ihm wegen seines gigantischen Schuldenbergs das Schuldgefängnis drohte. 1853 durfte er sich in Paris wieder blicken lassen, und Ende dieses Jahres gründete er seine erste Zeitschrift, Le Mousquetaire, gefolgt von Le Monte-Cristo. 1885 und 1859 bereiste Dumas Rußland, die Türkei und Griechenland, und im Frühjahr 1860 fuhr er nach Turin, um Garibaldi kennenzulernen, dessen Erinnerungen er überarbeiten sollte; im Juli gründete er in Palermo die Zeitschrift L’Indipendente, doch Garibaldis Partisanenfeldzug unterstützte er nicht nur ideell, sondern auch finanziell, und erst im März 1865 kehrte Dumas nach Frankreich zurück. Im Februar 1868 gründete er seine letzte Zeitschrift Dartagnan. Die letzten Lebensmonate verbrachte der chronisch schuldengeplagte und gesundheitlich zerrüttete Autor abwechselnd in Paris und in verschiedenen Seebädern, von seinem Sohn, dem Erfolgsautor Alexandre Dumas d. J., finanziell unterstützt.

Seit Mitte der dreißiger Jahre hatte Dumas sich dem Genre der Erzählungen und Novellen zugewendet und sich auf historische Romane und Abenteuerromane spezialisiert, wie Sir Walter Scott sie im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts mit Waverley und Ivanhoe international in Mode gebracht hatte; dieser Schritt machte Dumas schnell zu einem der auflagenstärksten Verfasser der damals äußerst beliebten und lukrativen Fortsetzungsromane. Zu seinen bekanntesten Romanen zählen Die drei Musketiere (1844), Der Mann mit der eisernen Maske oder Zwanzig Jahre danach (1845), Königin Margot oder Die Bartholomäusnacht (1845), Der Graf von Monte-Christo (1845-6), Joseph Balsamo (1846-8), Das Halsband der Königin (1848-50), Der Vicomte von Bragelonne oder Zehn Jahre später (1850), Die schwarze Tulpe (1850), Ange Pitou (1851), Die Gräfin von Charny (1852-5) und Die Mohikaner von Paris (1855). Die mit seiner Popularität einhergehende große Nachfrage befriedigte Dumas, indem er nicht nur unermüdlich ein Buch nach dem anderen schrieb, sondern Co-Autoren wie Auguste Maquet und Paul Lacroix beschäftigte, die für ihn recherchierten und Handlungsstränge konzipierten. Als erfahrener Dramatiker verstand Dumas es meisterhaft, mit pointierten Dialogen eine spannende Romanhandlung zu gestalten, statt sich in umständlichen Beschreibungen zu ergehen oder sich in den Abgründen einer immer unwahrscheinlicheren Handlung zu verlieren, und Liebesszenen zu schreiben, die ohne allzu larmoyante Sentimentalität auskamen.

Im Brüsseler Exil veröffentlichte Dumas seine mehrbändigen Erinnerungen (Mémoires, 1852-4), und in seinen letzten Lebensmonaten verfaßte er neben seinen schriftstellerischen Arbeiten ein umfangreiches Wörterbuch der Kochkunst, das 1871 posthum erschien. Zeit seines Lebens war ihm jedoch die literarische Annerkennung verwehrt worden. Diese erteilte man ihm erst anlässlich seines 200. Geburtstags: Im Juli 2002 wurde er feierlich im Pariser Panthéon zwischen Victor Hugo und Emile Zola beigesetzt.


Auswahlbibliographie deutscher Ausgaben einzelner von Dumas verwendeter Quellen

Laure Junot d’Abrantès: Memoiren der Herzogin von Abrantès. Leipzig, 1903.

Hortense Beauharnais: Um Napoleon. Memoiren der Königin Hortense. München, 1920.

Napoleon Bonaparte: Briefe Napoleons des Ersten. Stuttgart, 1910. – Die Memoiren seines Lebens. Hamburg / Zürich, 1910. – Gespräche Napoleons des Ersten. Stuttgart, 1911-13.

Louis A. F. Bourrienne: Memoiren über Napoleon, das Directorium, das Consulat, das Kaiserreich und die Restauration. Leipzig, 1829-1830.

François-René de Chateaubriand: Von jenseits des Grabes. Denkwürdigkeiten. Leipzig, 1848-50. – Reise in Amerika. Freiburg i. Br., 1827-38. – Über Bonaparte und die Bourbonen. Hamburg, 1814.

Charles M. Dezobry: Rom im Jahrhundert des Augustus oder Reise eines Galliers nach Rom zur Zeit von Augustus’ Regierung und während eines Theils der Regierung Tibers. Leipzig, 1837.

Agathon J. F. Fain: Neun Jahre Napoleons Sekretär, 1806-1815. Memoiren. Berlin, 1926.

Agathon J. F. Fain: Manuscript vom Jahre Tausend Achthundert und Zwölf. Darstellung der Begebenheiten dieses Jahres als Beitrag zur Geschichte des Kaisers von Baron Fain, damaligem Cabinets-Sekretär. Leipzig, 1827.

Joseph Fouché: Erinnerungen von Joseph Fouché, Polizeiminister Napoleons I. Stuttgart, 1925.

Antoine-Marie Chamans, Graf von Lavalette: Im Dienste Napoleons. Erinnerungen des Grafen von Lavalette. Stuttgart, 1900.

Jules Michelet: Geschichte der Französischen Revolution. Hamburg, 1929-30.

M. E. de Rémusat: Napoelon I. und sein Hof, Memoiren 1802-1810. Köln, 1880-82.

Anne-Jean-Marie-René Savary: Memoiren des Herzogs von Rovigo, als Beiträge zur Geschichte des Kaisers Napoleon. Leipzig, 1828.

Paul-Philippe Ségur: Denkwürdigkeiten, Rückerinnerungen und Anekdoten aus dem Leben des Grafen von Ségur. Stuttgart, 1825-26.

Paul-Philippe de Ségur: Geschichte Napoleons und der großen Armee im Jahre 1812. Stuttgart, 1835.

Robert Southey: Lord Nelson. Ein literarisches Porträt. Leipzig, 1837.

Adolphe Thiers: Geschichte des Konsulats und des Kaiserreichs. Leipzig, 1843-64.


Zeittafel


1768Die Republik Genua tritt Korsika an Frankreich ab

1769Geburt Nabulione bzw. Napoleone Buonapartes (15. August) in Ajaccio

1776Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika

1779Buonaparte ist Stipendiat der Militärschule von Brienne

1784Buonaparte wird in die Militärschule von Paris aufgenommen

1785Buonaparte dient als Artillerieleutnant

1789Beginn der Französischen Revolution; Bauernaufstände in den Provinzen

1790Mulattenaufstand auf Martinique; Sklavenaufstand auf Santo Domingo (Haiti)

1791Verfassung der konstitutionellen Monarchie in Frankreich; erneuter Sklavenaufstand auf Santo Domingo; Staatsbürgerschaft der Juden; konterrevolutionäre und revolutionäre Ausschreitungen in Avignon

1792Beginn der französischen Revolutionskriege; Buonaparte wird zum Hauptmann befördert; siegreicher Sklavenaufstand auf Santo Domingo; Ausbruch des Vendée-Aufstands; Septembermassaker; Einberufung des Konvents, Erklärung der Republik Frankreich

1793Hinrichtung Ludwigs XVI.; Kriegseintritt Englands, Bildung der Ersten Koalition gegen Frankreich; Ausbreitung des Vendée-Aufstands und Bürgerkrieg; Errichtung der Revolutionsregierung; Terreur; Revolutionstribunal; Entchristlichungskampagne; Buonaparte wird zum Brigadegeneral befördert

1794Beförderung Buonapartes zum General; Abschaffung der Sklaverei durch Konventsbeschluss; Sturz der Robespierristen und thermidorianische Reaktion

1795Eroberung der Niederlande; Friedensschluss in Basel mit Preußen und Spanien; Germinal- und Prairialaufstand in Paris; Verfassung des »Jahres III«; Niederschlagung des Vendémiaire-Aufstands in Paris durch Buonaparte; Beginn der Herrschaft des Direktoriums

1796Heirat Napoleone Buonapartes mit Joséphine de Beauharnais; Namensänderung; Italienfeldzug unter Oberbefehl Bonapartes; Bündnis Frankreichs mit dem bourbonischen Spanien

1797»Verschwörung der Gleichen«, Hinrichtung Babeufs und Darthés; Gründung der Cisalpinischen Republik; Staatsstreich des Direktoriums vom 18. Fructidor; Friedensschluss von Campo Formio zwischen Frankreich und Österreich; Liquidierung der Republik Venedig

1798Gründung der Römischen und der Helvetischen Republik; Ägyptenexpedition Bonapartes; Bildung der Zweiten Koalition gegen Frankreich

1799Syrienfeldzug Bonapartes; Staatsstreich vom 30. Prairial; Staatsstreich vom 18. Brumaire und Absetzung des Direktoriums; Verkündung der Verfassung »des Jahres VIII«: Bonaparte wird zum Ersten Konsul, Cambacérès und Lebrun werden zu Mitkonsuln ernannt

1800Plebiszit über die Konsulatsverfassung; Amnestierung der Chouans; Bonaparte bezieht den Tuilerienpalast; Schlacht von Marengo; Teilamnestierung der Emigranten; Sieg Moreaus bei Hohenlinden; Attentat der »Höllenmaschine« auf Bonaparte

1801Senatsbeschluss über die Deportation von hundertdreißig »Jakobinern«;Frieden von Lunéville; Unterzeichnung des Konkordats; Organisation der nationalen Gendarmerie

1802Cisalpinische Republik wird Republik Italien; Frieden von Amiens; Generalamnestie für die Emigranten; Entlassung Fouchés als Polizeiminister; Gesetz über öffentlichen Unterricht; Verbot der Eheschließung zwischen Farbigen und Weißen; Wiedereinführung der Sklaverei in den französischen Kolonien; Verbot für Farbige und Schwarze, in die Armee einzutreten; Bonaparte lässt Schriften farbiger Autoren verbrennen; Plebiszit bestätigt Bonaparte als Konsul auf Lebenszeit; Annexion Piemonts; Aufstand auf Santo Domingo

1803Ende der Helvetischen Republik, Umwandlung in Konföderation; Verkauf von Louisiana an die USA; Wiederaufnahme des Kriegs gegen England; heimliche Rückkehr Cadoudals aus England

1804Endredaktion des Code civil; Erschießung des Herzogs von Enghien; Senat befürwortet erbliches Kaisertum Napoleons; Verfassung »des Jahres XII«; Senatsbeschluss über Kaiserwürde; Hinrichtung Cadoudals; Wiederberufung Fouchés zum Polizeiminister; Kaiserkrönung Napoleons I. in Notre-Dame

1805Republik Italien wird zum Königreich erklärt; Dritte Koalition gegen Frankreich; Annexion Genuas; Eugène Beauharnais Vizekönig von Italien; Nelsons Sieg und Tod in Seeschlacht von Trafalgar; Schlacht von Austerlitz; Friedensschluss von Preßburg zwischen Frankreich und Österreich, Ende der Dritten Koalition; Flucht der Bourbonen aus Neapel

1806Wiedereinführung des Gregorianischen Kalenders; Joseph Bonaparte König von Neapel; Louis Bonaparte König von Holland; Verbot der Spielkasinos in Frankreich; Gründung des Rheinbunds; Auflösung des Heiligen Römischen Reiches und des Reichstags zu Regensburg; Schlacht von Jena und Auerstädt; Einzug Napoleons in Berlin; »Dekret von Berlin« über Kontinentalsperre gegen England; Einzug in Warschau; Beitritt Sachsens zum Rheinbund; Kriegserklärung der Türkei an Russland

1807Schlacht von Eylau; Dekret über Status der Juden; Schlacht von Friedland; Friedensschluss von Tilsit; Ende der Vierten Koalition; Gründung des »Großherzogtums Warschau«; Entlassung Talleyrands als Außenminister; Jérôme Bonaparte König von Westfalen; »Oktoberedikt« in Preußen über Aufhebung der Erbuntertänigkeit; französisch-spanischer Geheimvertrag zur Aufteilung Portugals

1808Senatsbeschluss über die Schaffung des kaiserlichen Adels; Erhebungen in Spanien gegen Besatzung; Annexion Parmas und der Toskana; Joseph Bonaparte König von Spanien; Joachim Murat König von Neapel; Kapitulation von Cintra; Spanienfeldzug Napoleons; Städteordnung in Preußen

1809Talleyrand fällt in Ungnade; Fünfte Koalition; Tiroler Aufstand unter Andreas Hofer; Annexion des Kirchenstaates und Gefangennahme von Papst Pius VII.; Schlacht von Aspern und Essling; Exkommunikation Napoleons durch Papst Pius VII.; Schlacht bei Wagram; Sieg Lord Wellingtons bei Talavera; Frieden von Schönbrunn, Bildung der »Illyrischen Provinzen«, Ende der Fünften Koalition; Senatsbeschluss über Napoleons Scheidung von Joséphine

1810Anullierung der Ehe Napoleons und Joséphines; Wiedereinführung der Zensur in Frankreich; Erschießung Andreas Hofers; zivile und kirchliche Trauung Napoleons mit Marie Louise von Österreich; Unabhängigkeitskriege in Spanisch-Amerika; Polizeiminister Fouché durch Savary abgelöst; Thronverzicht Louis Bonapartes, König von Holland

1811Code pénal tritt in Kraft; 20. März Geburt des »Königs von Rom«; Rückzug aus Portugal; Wirschaftskrise in Frankreich

1812Napoleon setzt Konkordat außer Kraft; französisch-preußischer Bündnisvertrag; Judenemanzipation in Preußen; französisch-österreichischer Bündnisvertrag; Schlacht von Borodino; Einzug in Moskau; gescheiterter Putsch des republikanischen Generals Malet in Paris, Erschießung der Putschisten; Schlacht an der Beresina; russisch-preußische Konvention von Tauroggen

1813Russisch-preußischer Bündnisvertrag von Kalisch; preußische Kriegserklärung an Frankreich; sechster Koalitionskrieg; Schlacht von Lützen-Großgörschen; Sieg Wellingtons bei Vitoria; Kriegserklärung Österreichs an Frankreich; Schlacht von Dresden; Abfall Bayerns von Napoleon; Völkerschlacht von Leipzig mit Niederlage Napoleons

1814Wiederherstellung des Kirchenstaates; Kapitulation von Paris, Einmarsch der Alliierten; Abdankung Napoleons; Einzug Ludwigs XVIII. in Paris; Tod Joséphines in La Malmaison; Verkündung der »Charte« Ludwigs XVIII.; Eröffnung des Wiener Kongresses

1815Landung Napoleons und Einzug in Paris; Bildung einer provisorischen Regierung; Beschluss in Wien der siebten Koalition und der Ächtung Napoleons; Schlacht bei Waterloo; zweite Abdankung Napoleons, zweiter Einmarsch der Alliierten in Paris; Bildung der »Heiligen Allianz«; Verbannung Napoleons nach Sankt Helena

1821Tod Napoleons (5. Mai) in Longwood auf Sankt Helena

1840Überführung Napoleons sterblicher Überreste nach Paris

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