2 Wie es dazu kam, dass die Freie und Hansestadt Hamburg Joséphines Schulden bezahlte

Als Bourrienne in das große Kabinett zurückkehrte, sah er den Ersten Konsul neben seinem Schreibtisch die Morgenpost lesen, die Bourrienne bereits geöffnet und vorbereitet hatte.

Bonaparte trug die Uniform eines Divisionsgenerals der Republik: blauer Rock ohne Epauletten mit einem einzelnen umlaufenden goldenen Lorbeerzweig, hirschlederne Kniehose, rote Weste mit breiten Aufschlägen und Stulpenstiefel.

Als er das Geräusch der Schritte seines Sekretärs vernahm, drehte er sich halb um. »Ah, Bourrienne, Sie sind es«, sagte er. »Ich habe nach Landoire geklingelt, damit er Sie ruft.«

»Ich war zu Madame Bonaparte gegangen, weil ich Sie dort wähnte, General.«

»Nein, ich habe im Paradeschlafzimmer übernachtet.«

»Hoho!«, sagte Bourrienne. »Im Bett der Bourbonen!«

»Meiner Treu, ja.«

»Und wie haben Sie darin geschlafen?«

»Schlecht; zum Beweis bin ich hier, ohne dass Sie mich wecken mussten. Das ist alles viel zu weich für mich.«

»Haben Sie die drei Briefe gelesen, die ich für Sie beiseitegelegt habe, General?«

»Ja, die Witwe eines Feldwebels der konsularischen Garde, der bei Marengo gefallen ist, bittet mich, die Patenschaft ihres Kindes zu übernehmen.«

»Was soll ich ihr antworten?«

»Dass ich annehme. Duroc wird mich vertreten; das Kind wird Napoléon heißen, und die Mutter erhält eine Leibrente von fünfhundert Francs, übertragbar auf ihren Sohn.«

»Und der, die im Glauben an Ihr Glück drei Zahlen für die Lotterie von Ihnen genannt haben will?«

»Das ist eine Verrückte; aber da sie auf meinen Stern vertraut und davon überzeugt ist zu gewinnen, wenn ich ihr die drei Zahlen nenne, obwohl sie noch nie gewonnen hat, werden Sie ihr antworten, dass man nur an den Tagen in der Lotterie gewinnt, an denen man nicht spielt, und der Beweis besteht darin, dass sie an keinem der Tage, an denen sie gespielt hat, in der Lotterie gewonnen hat, dafür aber an dem Tag, an dem sie vergaß zu spielen, und zwar dreihundert Francs.«

»Ich schicke ihr also dreihundert Francs?«

»Ja.«

»Und der letzte Brief, General?«

»Ich begann ihn zu lesen, als Sie eintraten.«

»Lesen Sie weiter, er wird Sie interessieren.«

»Lesen Sie ihn mir vor; die Schrift ist zittrig und ermüdet mein Auge.«

Bourrienne ergriff lächelnd den Brief.

»Ich weiß, warum Sie lachen«, sagte Bonaparte.

»Oh, das glaube ich nicht, General«, erwiderte Bourrienne.

»Sie denken sich, dass jemand, der meine Schrift entziffern kann, jede Schrift lesen kann, sogar die von Katzen und Staatsanwälten.«

»Meiner Treu, da haben Sie recht.«

Bourrienne begann:


Jersey, 26. Februar 1801

General, ich hoffe, Sie nach der Rückkehr von Ihren weiten Reisen in Ihrem Alltag stören zu dürfen, ohne Ihnen lästig zu fallen, und mich Ihnen in Erinnerung zu bringen. Es wird Sie wohl überraschen, welch unbedeutende Sache Gegenstand des Briefes ist, den Ihnen zu schreiben ich die Ehre habe. Sie werden sich erinnern, General, dass Ihr Herr Vater seinerzeit, als er sich genötigt sah, Ihre Brüder aus der Schule in Autun zu nehmen, und Sie bei dieser Gelegenheit in Brienne besuchte, kein Bargeld bei sich hatte. Er bat mich um fünfundzwanzig Louisdor, die ich ihm bereitwillig lieh; nach seiner Rückkehr hatte er keine Gelegenheit, sie mir zurückzugeben, und als ich Ajaccio verließ, bot mir Ihre gnädige Frau Mutter an, Silbergeschirr zu versetzen, um mir das Geld zu geben. Dieses Angebot lehnte ich ab und sagte zu ihr, wenn sie sich in der Lage sehe, es zu erstatten, würde ich den Schuldschein Ihres Vaters Monsieur Souires überlassen, so dass sie es nach eigenem Ermessen regeln könne. Ich nehme an, dass ihr dies noch nicht möglich erschien, als die Revolution kam.

Sie werden es vielleicht befremdlich finden, General, dass ich Sie um eines so geringen Geldbetrags wegen in Ihrer Tätigkeit zu stören wage, doch meine Lebensumstände sind hart, und dieser kleine Geldbetrag ist für mich ein großer Betrag geworden. Aus meinem Vaterland vertrieben, gezwungen, auf dieser Insel Zuflucht zu suchen, die mir verhasst ist, wo alles so kostspielig ist, dass man reich sein muss, um dort zu leben, empfände ich es als große Wohltat von Ihnen, wenn Sie mir diesen kleinen Betrag anweisen ließen, der mir in früheren Zeiten gleichgültig gewesen wäre.


Bonaparte nickte zustimmend. Bourrienne sah die Kopfbewegung.

»Sie erinnern sich an diesen wackeren Mann, General?«, fragte er.

»Gewiss«, sagte Bonaparte, »so gut, als wäre es gestern gewesen: Der Betrag wurde in meiner Gegenwart in Brienne abgezählt; er heißt Durosel, wenn ich mich nicht täusche.«

Bourrienne warf einen Blick auf die Unterschrift.

»In der Tat«, sagte er, »doch er hat einen zweiten Namen, der berühmter ist als der erste.«

»Und wie lautet er?«

»Durosel Beaumanoir.«

»Wir müssen herausfinden, ob er zu den bretonischen Beaumanoirs gehört; das ist ein Name, auf den man stolz sein kann.«

»Soll ich fortfahren?«

»Selbstverständlich.«

Bourrienne fuhr fort:


Sie werden verstehen, General, dass es einen Sechsundachtzigjährigen, der seinem Vaterland nahezu sechzig Jahre lang ohne Unterbrechung gedient hat, schwer ankommt, dass man ihm überall die Tür weist und er in Jersey Zuflucht suchen muss, um dort mit den spärlichen Mitteln sein Leben zu fristen, welche die Regierung den französischen Emigranten zur Verfügung stellt.

Ich sage: französische Emigranten, weil man mich gezwungen hat zu emigrieren; nicht im Traum wäre ich darauf verfallen, und ich habe mir kein anderes Vergehen vorzuwerfen als das, der dienstälteste General des Kantons und mit dem großen Ludwigskreuz ausgezeichnet gewesen zu sein.

Eines Abends wollte man mich ermorden; die Tür wurde eingetreten, doch durch das Geschrei meiner Nachbarn gewarnt, hatte ich gerade genug Zeit zu fliehen, ohne mehr mitzunehmen als das, was ich am Leibe trug. Da ich erkannte, dass es lebensgefährlich wäre, in Frankreich zu bleiben, ließ ich alles, was ich besaß, zurück, Vermögen wie Möbel, und da ich in meinem Vaterland nicht mehr sicher war, kam ich hierher zu meinem älteren Bruder, einem Deportierten, der kindisch geworden ist und den ich um nichts in der Welt im Stich lassen würde. Meiner achtzigjährigen Schwägerin hat man das Leibgedinge, das ich ihr aus meinem Besitz zukommen ließ, unter dem Vorwand vorenthalten, mein Besitz sei beschlagnahmt, was bedeutet, dass ich bankrott sterben werde, wenn kein Wunder geschieht, was ich sehr bezweifle.

Ich muss gestehen, General, dass ich mich auf den neuen Stil nicht verstehe, doch im alten Stil verbleibe ich als

Ihr ergebener Diener

DUROSEL BEAUMANOIR


»Wohlan! General, was sagen Sie?«

»Ich sage«, erwiderte der Erste Konsul mit leicht belegter Stimme, »dass es mich zutiefst erschüttert, dergleichen zu erfahren. Diese Schuld ist eine heilige Schuld, Bourrienne. Schreiben Sie General Durosel, ich werde den Brief unterzeichnen. Sie werden ihm zehntausend Francs schicken, bis wir mehr für ihn tun können, denn das bin ich diesem Mann schuldig, der meinem Vater geholfen hat; ich werde mich um ihn kümmern... Aber apropos Schulden, Bourrienne: Ich muss mit Ihnen über eine ernste Sache sprechen.«

Bonaparte setzte sich; seine Stirn verfinsterte sich.

Bourrienne blieb neben ihm stehen.

»Ich muss mit Ihnen über Joséphines Schulden sprechen.«

Bourrienne fuhr zusammen. »Sehr wohl«, sagte er. »Und wer hat Ihnen dazu geraten?«

»Die Stimme des Volkes.«

Bourrienne verbeugte sich, als verstehe er nicht ganz, wage aber nicht nachzufragen.

»Stell dir vor, Bourrienne« (wenn Bonaparte erregt war, kam es vor, dass er sich vergaß und seinen alten Kameraden duzte), »stell dir vor, ich habe mich mit Duroc unter die Leute gemischt, um zu hören, was geredet wird.«

»Und haben Sie viel Schlechtes über den Ersten Konsul zu hören bekommen?«

»Tatsächlich«, sagte Bonaparte lachend, »hätte ich fast Prügel bezogen, weil ich Schlechtes über ihn gesagt habe; ohne Duroc und die Hiebe, die er mit seinem Knüppel verteilt hat, wären wir wahrscheinlich festgenommen und der Polizeiwache von Château-d’Eau vorgeführt worden.«

»Aber das erklärt nicht, wie mitten unter den Lobreden auf den Ersten Konsul die Rede auf die Schulden Madame Bonapartes gekommen sein kann.«

»Mitten unter den Lobreden auf den Ersten Konsul wurden sehr wenig schmeichelhafte Dinge über seine Frau geäußert. Es hieß, Madame Bonaparte ruiniere ihren Mann mit ihren Toiletten, sie mache überall Schulden, das unscheinbarste ihrer Kleider koste hundert Louisdors und der schlichteste ihrer Hüte zweihundert Francs. Ich glaube kein Wort davon, Bourrienne, das weißt du; aber kein Rauch ohne Feuer. Letztes Jahr habe ich Schulden von dreihunderttausend Francs beglichen. Man hat sich darauf berufen, dass ich aus Ägypten kein Geld geschickt hatte. Schön und gut. Aber das hier ist eine andere Sache. Joséphine erhält von mir sechstausend Francs im Monat für ihre Toilette, und ich erwarte, dass sie damit auskommt. Mit übler Nachrede dieser Art wurde die arme Marie-Antoinette dem Volk verhasst gemacht. Du musst Joséphine zur Rede stellen, Bourrienne, und Ordnung in diese Geschichte bringen.«

»Sie können sich nicht vorstellen«, erwiderte Bourrienne, »wie froh ich bin, dass Sie von sich aus dieses Thema zur Sprache bringen. Heute Morgen, als Sie mich bereits ungeduldig erwarteten, bat mich Madame Bonaparte genau darum, mit Ihnen über die missliche Lage zu sprechen, in der sie sich befindet.«

»Missliche Lage, Bourrienne! Was verstehen Sie darunter?«, fragte Bonaparte, der seinen Sekretär jetzt nicht mehr duzte.

»Ich verstehe darunter, dass ihr das Leben schwer gemacht wird.«

»Und durch wen?«

»Durch ihre Gläubiger.«

»Ihre Gläubiger! Ich dachte, ich hätte sie von ihren Gläubigern befreit.«

»Vor einem Jahr, ja.«

»Nun?«

»Nun, die Situation hat sich im Verlauf dieses Jahres grundlegend geändert. Vor einem Jahr war sie die Ehefrau des Generals Bonaparte, heute ist sie die Ehefrau des Ersten Konsuls.«

»Bourrienne, damit muss ein für alle Mal Schluss sein. Ich will nie wieder solche Dinge zu hören bekommen.«

»Das ist ganz meine Meinung, General.«

»Es darf kein anderer als Sie damit befasst sein, all diese Schulden zu bezahlen.«

»Ich könnte mir nichts Besseres wünschen. Geben Sie mir die erforderlichen Mittel, und die Sache wird im Handumdrehen erledigt sein, dafür lege ich die Hand ins Feuer.«

»Wie viel benötigen Sie?«

»Wie viel ich benötige? Nun, ja, hm...«

»Nun?«

»Nun! Das ist genau das, was Madame Bonaparte Ihnen nicht zu sagen wagt.«

»Wie! Was sie mir nicht zu sagen wagt? Und du?«

»Ich genauso wenig, General.«

»Du auch nicht! Dann muss es bodenlos sein!«

Bourrienne seufzte hörbar.

»Alles in allem«, fuhr Bonaparte fort, »wenn ich letztes Jahr die Schulden bezahlt habe und dir jetzt dreihunderttausend Francs gebe...«

Bourrienne schwieg. Bonaparte betrachtete ihn beunruhigt.

»Sag endlich etwas, du Dummkopf!«

»Nun denn! Mit dreihunderttausend Francs, General, geben Sie mir nur die Hälfte des geschuldeten Betrags.«

»Die Hälfte!«, rief Bonaparte und erhob sich. »Sechshunderttausend Francs! Sie muss – sechshunderttausend Francs?«

Bourrienne nickte zustimmend.

»Hat sie Ihnen diesen Betrag gestanden?«

»Ja, General.«

»Und wie soll ich diese sechshunderttausend Francs aufbringen? Vielleicht aus den fünfhunderttausend Francs, die ich als Konsul verdiene?«

»Nun ja, sie vermutet sicherlich, dass Sie hie und da ein paar hunderttausend Francs zurückgelegt haben.«

»Sechshunderttausend Francs!«, wiederholte Bonaparte. »Und zur gleichen Zeit, in der meine Frau sechshunderttausend Francs für ihre Toilette ausgibt, gebe ich der Witwe und den Waisen tapferer Soldaten, die vor den Pyramiden und bei Marengo fielen, hundert Francs Rente! Und so viel kann ich noch nicht einmal allen von ihnen geben! Ein ganzes Jahr lang müssen sie von diesen hundert Francs leben, während Madame Bonaparte Kleider für hundert und Hüte für fünfundzwanzig Louisdor trägt. Sie haben sich sicher verhört, Bourrienne, es können nicht sechshunderttausend Francs sein.«

»Ich habe mich nicht verhört, General, und Madame Bonaparte ist sich erst gestern über ihre Lage klar geworden, als sie eine Rechnung über vierzigtausend Francs für Handschuhe erhielt.«

»Was sagen Sie da?«, rief Bonaparte.

»Ich sagte, vierzigtausend Francs für Handschuhe, General. Was sollen wir tun? So ist es nun einmal. Sie hat gestern Abend mit Madame Hulot ihre Rechnungen nachgezählt. Die ganze Nacht über hat sie geweint, und heute Morgen habe ich sie in Tränen aufgelöst vorgefunden.«

»Bah! Soll sie nur weinen! Soll sie weinen vor Scham oder besser noch vor Gewissensbissen! Vierzigtausend Francs für Handschuhe! In welchem Zeitraum?«

»In einem Jahr«, erwiderte Bourrienne.

»In einem Jahr! Der Lebensunterhalt von vierzig Familien! Bourrienne, ich will alle Unterlagen sehen.«

»Wann?«

»Auf der Stelle. Es ist acht Uhr, Cadoudal hat um neun Uhr Audienz, ich habe genug Zeit. Auf der Stelle, Bourrienne, auf der Stelle!«

»Sie haben recht, General, bringen wir es zu Ende, wenn wir schon dabei sind.«

»Holen Sie mir die Rechnungen, und zwar alle, ohne Ausnahme; wir werden sie gemeinsam durchsehen.«

»Unverzüglich, General.«

Und Bourrienne lief die Treppe hinunter, die zu Madame Bonaparte führte.

Wieder allein, ging der Erste Konsul mit großen Schritten auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und überließ sich dem nervösen Zucken von Schulter und Mund, während er murmelte: »Ich hätte bedenken sollen, was Junot mir bei den Quellen von Messoudia gesagt hat, ich hätte auf meine Brüder Joseph und Lucien hören sollen, die mir geraten haben, sie nach meiner Rückkehr nicht wiederzusehen. Aber wie soll man Hortense und Eugène widerstehen! Die lieben Kinder! Sie haben mich zu ihr zurückgeführt!

Oh, die Scheidung! In Frankreich könnte ich sie erlangen und mich von dieser Frau befreien, die mir kein Kind gebiert und mich ruiniert!«

»Nun gut«, sagte Bourrienne, der eben zurückkam, »sechshundertausend Francs werden Sie nicht in den Ruin stürzen, und Madame Bonaparte ist noch jung genug, um Ihnen einen Knaben zu schenken, der in vierzig Jahren Ihre Nachfolge als Konsul auf Lebenszeit antreten wird.«

»Du warst schon immer auf ihrer Seite, Bourrienne!«, sagte Bonaparte und zwickte seinen Sekretär schmerzhaft ins Ohr.

»Ich kann es nicht ändern, General, ich bin immer auf der Seite der Schönen, Guten und Schwachen.«

Mit unverhohlenem Zorn ergriff Bonaparte den Armvoll Papiere, die Bourrienne mitbrachte, und zerknüllte die Blätter wutentbrannt. Dann hielt er eine Rechnung aufs Geratewohl hoch und las vor: »Achtunddreißig Hüte... in einem Monat! Setzt sie etwa jeden Tag zwei Hüte auf? Reiherfedern für eintausendachthundert Francs! Und Federbüsche für achthundert Francs!«, woraufhin er die Rechnung hinwarf und sich eine andere vornahm: »Parfumeriehandlung Mademoiselle Martin; dreitausendunddreihundert Francs für Rouge, davon eintausendsiebenhundertneunundvierzig Francs allein im Monat Juni. Rouge für hundert Francs der Tiegel! Merken Sie sich diesen Namen, Bourrienne, dieses liederliche Frauenzimmer namens Mademoiselle Martin gehört nach Saint-Lazare expediert, haben Sie mich gehört?«

»Ja, General.«

»Aha, jetzt kommen die Kleider! Monsieur Leroy... Früher hatte man Schneiderinnen, heute unterhält man Damenschneider, weil das offenbar moralischer ist. Hundertfünfzig Kleider jährlich; vierhunderttausend Francs für Kleider! Aber wenn das so weitergeht, bleibt es nicht bei sechshunderttaussend Francs, sondern wir werden in kürzester Zeit bei einer Million angelangt sein, bei zwölfhunderttausend Francs.«

»Oh, General«, sagte Bourrienne schnell, »manche Rechnungen wurden bereits beglichen.«

»Drei Kleider für fünftausend Francs!«

»Ja«, sagte Bourienne, »aber es sind auch solche für fünfhundert Francs darunter.«

»Machen Sie sich über mich lustig, Monsieur?«, fragte Bonaparte mit gerunzelter Stirn.

»Nein, General, nach Scherzen ist mir nicht zumute, aber ich sage Ihnen, dass es Ihrer nicht würdig ist, einer solchen Bagatelle wegen in Rage zu geraten.«

»Ludwig XVI. war immerhin König und ist wegen solcher Dinge in Rage geraten, obwohl er fünfundzwanzig Millionen Zivilliste bezog!«

»General, Sie sind ein größerer König als Ludwig XVI. und werden es sein, wenn es Ihnen beliebt. Außerdem war Ludwig XVI. ein bedauernswerter Mann, das müssen Sie einräumen.«

»Ein wackerer Mann, Monsieur.«

»Ich frage mich, was der Erste Konsul davon halten würde, wenn die Leute ihn für einen wackeren Mann hielten.«

»Wenn diese Kleider für fünftausend Francs wenigstens Gewänder wären wie die schönen Toiletten aus der Zeit Ludwigs XVI., mit Volants, mit Reifrock, mit Schößchen, für die man fünfzig Meter Stoff benötigte, das könnte ich ja noch verstehen, aber diese Kleider, die wie Säcke aussehen oder besser wie Regenschirme im Futteral!«

»Der Mode muss man sich beugen, General.«

»Ganz genau, und das versetzt mich so in Rage. Wir bezahlen nicht für den Stoff. Wenn es so wäre, dann profitierten wenigstens die Manufakturen davon; nein, wir bezahlen für den eleganten Schnitt eines Monsieur Leroy: fünfhundert Francs für Stoff und viertausendfünfhundert Francs für den Zuschnitt. Die Mode! Heutzutage muss man sechshunderttausend Francs auftreiben, um die Mode zu bezahlen.«

»Haben wir denn nicht vier Millionen zur Hand?«

»Vier Millionen! Wie kommen Sie darauf?«

»Ich meine das Geld, das der Senat von Hamburg Ihnen dafür bezahlt hat, dass Sie die Auslieferung der beiden Iren ermöglichten, deren Leben Sie verschont haben.«

»Ach ja, Napper-Tandy und Blackwall.«

»Ich glaube, es sind sogar viereinhalb Millionen, die Ihnen der Senat unmittelbar und durch die Vermittlung des Monsieur Chapeau-Rouge ausgezahlt hat.«

»Meiner Treu«, sagte Bonaparte, der lachen musste, weil die Erinnerung an den Streich, den er der Freien und Hansestadt gespielt hatte, ihn in gute Laune versetzte, »ich weiß nicht, ob ich mit meinem Handeln nicht ein bisschen weit gegangen bin, aber ich kam gerade aus Ägypten zurück und habe die Hamburger so behandelt, wie ich es mir den Paschas gegenüber angewöhnt hatte.«

In diesem Augenblick schlug es neun Uhr.

Die Tür wurde geöffnet, und Rapp, der Dienst hatte, meldete, dass Cadoudal und seine zwei Aides de Camp im Audienzsaal warteten.

»Wohlan, einverstanden«, sagte Bonaparte zu Bourrienne, »nehmen Sie sechshunderttausend Francs aus diesem Topf und sehen Sie zu, dass ich nie wieder von dieser Sache zu hören bekomme!«

Und Bonaparte verließ das Zimmer, um dem bretonischen General Audienz zu gewähren.

Kaum war die Tür geschlossen, klingelte Bourrienne; Landoire erschien sofort.

»Sagen Sie Madame Bonaparte, dass ich eine gute Nachricht für sie habe, sie aber bitten muss, mich aufzusuchen, weil ich mein Kabinett nicht verlassen kann, da ich dort allein bin, haben Sie mich verstanden, Landoire? Da ich dort allein bin.«

Auf die Worte hin, dass es sich um eine gute Nachricht handele, eilte Landoire zur Treppe.

Jedermann liebte Joséphine abgöttisch, Bonaparte nicht ausgenommen.

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