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10. 12. 1930
Ich kenne lange Phasen des Stillstands. Nicht daß ich, wie so viele, ganze Tage verstreichen ließe, um mit einer Postkarte auf einen eiligen Brief zu antworten. Nicht daß ich, wie kaum einer, das Leichte, mir Nützliche oder das Nützliche, mir Angenehme auf die lange Bank schöbe. Mein mangelndes Einvernehmen mit mir selbst ist subtiler geartet. Ich stehe seelisch still. Wille, Gefühl und Denken setzen aus, und dieses Aussetzen zieht sich über endlose Tage hin; nur das vegetative Leben meiner Seele – Worte, Gesten, Gewohnheiten – bringt mich anderen, und durch sie mir selbst zum Ausdruck.
Während dieser Schattenzeiten bin ich außerstande zu denken, zu fühlen, zu wollen. Ich kann nur Zahlen schreiben oder Striche kritzeln. Ich fühle nichts, und der Tod eines geliebten Menschen wirkt auf mich, als sei er in einer fremden Sprache geschehen. Ich bin hilflos, es ist, als schliefe ich und als seien meine Gesten, meine Worte, mein bewußtes Tun nicht mehr als ein peripheres Atmen, der rhythmische Instinkt irgendeines Organismus.
So vergehen Tage um Tage; und zählte ich sie alle zusammen, wer weiß, wie viele meines Lebens nicht auf die Weise vergangen sind? Bisweilen, wenn ich mich dieser Erstarrung entledige, frage ich mich, ob ich vielleicht nicht weit weniger entblößt dastehe, als ich denke, und ob da nicht noch etwas nicht Greifbares ist, das die ewige Abwesenheit meiner wahren Seele verhüllt, und ich frage mich, ob Denken, Fühlen, Wollen nicht ebenfalls Stillstand bedeuten können angesichts eines weiterreichenden Denkens, eines persönlicheren Fühlens, eines Wollens, verloren im Labyrinth dessen, was ich wirklich bin.
Wie dem auch sei, ich lasse es geschehen. Und dem Gott oder den Göttern, die es geben mag, übergebe ich, was ich bin, so wie das Schicksal es fügt und der Zufall es mit sich bringt, getreu einem vergessenen Versprechen.