Göttlicher Neid



Immer wenn ich in Gesellschaft anderer eine angenehme Empfindung verspüre, neide ich es ihnen, wenn sie diese Empfindung mit mir teilen. Es erscheint mir schamlos, daß sie das gleiche fühlen wie ich, daß sie mittels ihrer übereinstimmend fühlenden Seele in die meine sehen.

Wie kann ich eine Landschaft ungetrübt betrachten, wenn ich mit schmerzlicher Gewißheit weiß, daß sie bereits ein anderer in der gleichen Absicht betrachtet hat?

Zu anderen Stunden, gewiß, und an anderen Tagen. Doch mich darauf hinzuweisen hieße, mir mit einer Wortklauberei schmeicheln und mich besänftigen wollen, die meiner unwürdig ist. Ich weiß, daß es auf diesen Unterschied nicht ankommt und daß andere mit der gleichen Geisteshaltung im Blick die Landschaft zwar nicht wie, aber ähnlich wie ich betrachtet haben.

Daher bin ich stets bestrebt, alles, was ich sehe, so zu verändern, daß es unbestreitbar mein wird; ich verändere die Linie eines Höhenzuges so, daß sie Linie um Linie gleich verläuft und gleich schön bleibt, ich ersetze bestimmte Bäume oder Blumen durch andere, im weitesten Sinne ganz und gar andere Bäume oder Blumen, und sehe andere im Sonnenuntergang gleich wirkende Farben; so erschaffe ich dank meiner Erfahrung und meines gewohnten spontanen Sehens eine innere Version der äußeren Welt.

Auf diese Weise läßt sich für mich Sichtbares am einfachsten ersetzen. In meinen besten und intensivsten Traummomenten jedoch ersinne ich weit mehr.

Ich lasse die Landschaft auf mich wirken wie Musik, lasse sie Bilder in mir wachrufen – ein sonderbarer und äußerst schwierig zu erringender Triumph der Ekstase, schwierig, da das auslösende Moment gleicher Art ist wie die Empfindungen, die es auslöst. Meinen höchsten Triumph dieser Art erlebte ich, als ich zu einer bestimmten Stunde, in der Licht und Atmosphäre vieldeutig waren, den Cais do Sodré[77] betrachtete und ihn klar und deutlich als eine chinesische Pagode sah, an deren äußeren Dachspitzen, wie absurde Hüte, seltsame Glöckchen hingen, eine seltsame chinesische Pagode, in den Raum gemalt, wie, weiß ich nicht, auf einen Raum aus Satin, einen Raum, der fortdauert in der abscheulichen dritten Dimension. Und jene Stunde roch für mich wahrhaftig wie ein irgendwo in der Ferne schleifender Stoff, überaus eifersüchtig auf Wirklichkeit …


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