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30. 12. 1932


Seit die letzten Regenfälle den Himmel Richtung Erde verließen – der Himmel rein, die Erde feucht und spiegelnd –, hat die größere Klarheit des Lebens, die zugleich mit der Bläue in der Höhe zurückkehrte und sich hier unten an der frischen Nachregenstimmung freute, ihren Himmel in den Seelen, ihre Frische in den Herzen zurückgelassen.

Ob wir wollen oder nicht, wir sind Sklaven der Stunde, ihrer Farben und Formen, Untertanen des Himmels und der Erde. Selbst wer ein eher in sich zurückgezogenes Leben führt und verachtet, was ihn umgibt, lebt bei Regen anders als bei heiterem Himmel. Dunkle Wandlungen, empfunden vielleicht nur im Innersten abstrakter Gefühle, vollziehen sich, weil es regnet oder weil es aufgehört hat zu regnen, werden fühlbar, ohne daß man sie fühlen könnte, denn ohne es eigentlich zu fühlen, war man doch wetterfühlig.

Jeder von uns ist mehrere, ist viele, ist ein Übermaß an Selbsten. Deshalb ist, wer seine Umgebung verachtet, nicht derselbe, der sich an ihr erfreut oder unter ihr leidet. In der weitläufigen Kolonie unseres Seins gibt es Leute verschiedenster Art, die auf unterschiedliche Weise denken und fühlen. In diesem Augenblick, in dem ich während einer vertretbaren Pause bei meiner heute spärlichen Arbeit diese wenigen Eindrücke niederschreibe, bin ich der Mann, der sie aufmerksam niederschreibt, der zufrieden ist, daß er jetzt nicht arbeiten muß, der den von hier aus unsichtbaren Himmel sieht, der dies alles denkt, der seinen Körper zufrieden und seine Hände noch etwas klamm spürt. Und diese meine ganze Welt aus einander fremden Leuten wirft wie eine vielfältige, aber dichtgedrängte Menschenmenge einen einzigen Schatten – diesen stillen, schreibenden Körper, mit dem ich mich stehend an das hohe Schreibpult des Herrn Borges lehne, wo ich nach meinem Radiergummi gesucht habe, den ich ihm geliehen hatte.


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