Der Major
Nichts enthüllt mir so vertraulich und vermittelt mir so uneingeschränkt die Substanz meines angeborenen Unglücks wie die Form der Träumerei, die ich tatsächlich am zärtlichsten liebe, den Balsam, den ich heimlich am häufigsten wähle, um meine tiefe Lebensangst zu lindern. Die Quintessenz dessen, was ich wünsche, ist dies: das Leben zu schlafen. Ich liebe das Leben zu sehr, um es mir gelebt zu wünschen; ich liebe das ungelebte Leben zu sehr, um ein unangebrachtes Verlangen nach ihm zu verspüren.
Deshalb ist mir der Traum, den ich hier niederschreibe, der liebste von all meinen Träumen. Abends, wenn es still ist in der Wohnung, da die Vermieter ausgegangen oder in Schweigen verfallen sind, verschließe ich mein Fenster bisweilen mit den schweren Innenläden, mache es mir, in einem alten Anzug, in meinem tiefen Sessel bequem und gebe mich dem Traum hin, in dem ich ein Major außer Dienst bin, der in einem Hotel in der Provinz nach dem Abendessen mit dem einen oder anderen etwas nüchterneren Tischgenossen als er selbst träge und grundlos zusammensitzt.
So, stelle ich mir vor, bin ich geboren. Die Jugend des Majors im Ruhestand interessiert mich sowenig wie seine militärischen Rangstufen, über die er dahin gekommen ist, wonach es mich sehnt. Unabhängig von Zeit und Leben besitzt der Major, der ich mir vorstelle zu sein, kein Vorleben, noch hat oder hatte er Familie; er lebt ewig in diesem Leben jenes Provinzhotels, müde schon der Unterhaltungen und Witze mit den Gefährten seines Verweilens.