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Da ich es mir aber zur Pflicht machte, nie zielgerichtet zu handeln im Leben, und stets bemüht war, mit den Dingen zu brechen, gelangte ich genau dahin, wovor ich zu fliehen gesucht hatte. Ich wollte das Leben nicht fühlen, nicht an den Dingen rühren, da mich meine natürliche Erfahrung im Umgang mit der Welt gelehrt hatte, daß jedes Wahrnehmen des Lebens für mich stets mit Schmerz verbunden war. Indem ich diesen Umgang aber vermied, begab ich mich ins Abseits, isolierte mich, und indem ich dies tat, steigerte ich meine ohnehin überreizte Sensibilität noch weiter. Wenn es möglich wäre, ganz und gar mit den Dingen zu brechen, nähme meine Sensibilität nicht weiter Schaden. Doch diese völlige Isolation ist nicht aufrechtzuerhalten. Denn wie wenig ich auch tue, ich atme, wie wenig ich auch handle, ich bewege mich. Und da sich meine Sensibilität durch die Isolation weiter steigerte, empfand ich schließlich selbst unbedeutendste Vorkommnisse, die zuvor nicht einmal mich berührt hatten, als Katastrophen. Ich wählte den falschen Fluchtweg. Über einen unbequemen Umweg gelangte ich genau an den Punkt, an dem ich mich bereits befunden hatte, und zum Entsetzen, dort leben zu müssen, kam noch die Erschöpfung, die jene Reise mit sich brachte. Ich habe den Selbstmord nie als Lösung in Betracht gezogen, denn ich hasse das Leben aus Liebe zum Leben. Ich brauchte lange, um mich von diesem jämmerlichen Irrtum zu überzeugen, in dem ich mit mir lebe. Doch einmal davon überzeugt, wurde ich ärgerlich, wie immer, wenn ich mich von etwas überzeugen lassen muß, denn jede Überzeugung geht für mich mit dem Verlust einer Illusion einher.

Mit dem Analysieren meines Willens habe ich ihn in mir abgetötet. Könnte ich doch nur zurück in jene Kindheit vor der Analyse, auch wenn sie die Zeit vor dem Willen wäre!

In meinen Gärten herrscht Todesschlaf, die Teiche schlummern in der Mittagssonne, wenn das Summen der Insekten übermächtig wird und das Leben mich nicht niederdrückt wie ein Kummer, sondern ein anhaltender physischer Schmerz.

Ferne Paläste, versonnene Parks anlegen, Alleen, die sich in der Ferne verengen, tote Anmut der Steinbänke, auf denen keiner mehr sitzt – toter Pomp, zerfallene Anmut, verlorener Flitter. Mein schwindendes Sehnen – empfände ich doch wieder jenen Kummer, mit dem ich dich erträumte!


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