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Keiner versteht den anderen. Wir sind – wie der Dichter sagte – Inseln im Meer des Lebens; zwischen uns das Wasser, das uns bestimmt und trennt. Sosehr eine Seele sich auch bemühen mag, zu wissen, was eine andere Seele ist, sie wird nur wissen, was ihr das Wort vermittelt: einen undeutlichen Schatten auf dem Grund ihres Verstehens.

Ich liebe Äußerungen, denn nichts weiß ich von dem, was sie ausdrücken. Wie der Meister der Heiligen Marta begnüge ich mich mit dem, was man mir gibt. Ich sehe, und das ist viel. Wer vermag schon zu verstehen?

Vielleicht ist es diese Skepsis gegenüber unserem Verstehen, die mich einen Baum und ein Gesicht, ein Plakat und ein Lächeln auf ein und dieselbe Weise betrachten läßt. (Alles ist natürlich, alles ist künstlich, alles ist gleich.) Alles, was ich sehe, ist für mich das Nur-Sichtbare, sei es der tiefblaue, weißgrüne Himmel des anbrechenden Morgens, sei es die Grimasse, zu der sich das Gesicht von einem verzieht, der in Gegenwart anderer dem Tod eines geliebten Menschen beiwohnt.

Hampelmänner, Bilder, Buchseiten, wir betrachten sie und drehen sie um. Mein Herz hängt nicht an ihnen, und meine Aufmerksamkeit fast noch weniger, sie geht über sie hinweg wie eine Fliege über ein Blatt Papier.

Weiß ich denn, ob ich fühle, denke, existiere? Nichts weiß ich: Ich kenne nur ein objektives Schema von Farben, Formen und Äußerungen, deren schwankender Spiegel ich bin, zu verkaufen, nutzlos.


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