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6. 4. 1930


Die Umgebung ist die Seele der Dinge. Jedes Ding hat seinen eigenen Ausdruck, und dieser Ausdruck kommt ihm von außen zu.

Jedes Ding ist der Schnittpunkt dreier Linien, und diese drei Linien bilden das Ding: eine bestimmte Quantität Materie, die Art, wie wir sie deuten, und die Umgebung, in dem es sich befindet. Der Tisch, an dem ich schreibe, ist ein Stück Holz, ist ein Tisch und eines von mehreren Möbeln in diesem Zimmer. Mein Eindruck von diesem Tisch wird, will ich ihn wiedergeben, aus den Feststellungen bestehen, daß er aus Holz ist, daß ich das Holz als Tisch bezeichne, ihm einen bestimmten Gebrauch und Zweck zuschreibe und daß sich die Gegenstände, die auf ihm liegen und in deren Nebeneinander er seine äußere Seele findet, in ihm spiegeln, in ihn eingehen und ihn verwandeln. Und seine Farbe, das Verblassen dieser Farbe, seine Flecken und Risse – all dies kam ihm wohlgemerkt von außen zu und verleiht ihm weit mehr Seele als das Holz, aus dem er besteht. Auch das Innere dieser Seele, sein Tischsein, seine Persönlichkeit, wurde ihm von außen verliehen.

Ich betrachte es daher weder als menschlich noch literarisch falsch, Dingen, die wir als seelenlos bezeichnen, eine Seele zuzuschreiben. Ein Ding sein heißt Gegenstand einer Zuschreibung sein. Vielleicht ist es falsch zu sagen, ein Baum fühlt, ein Fluß fließt, ein Sonnenuntergang ist melancholisch oder das stille Meer (blau dank eines nicht blauen Himmels) lächelt (dank einer Sonne außerhalb von ihm). Doch ebenso falsch ist es, Dingen Schönheit zuzuschreiben, Farbe, Form und womöglich sogar Sein. Dieses Meer ist salziges Wasser. Dieser Sonnenuntergang bedeutet, daß auf diesem Breiten- und Längengrad das Sonnenlicht weniger wird. Dieses Kind, das vor mir spielt, ist eine geistige Anhäufung von Zellen – ja, mehr noch, ein Uhrwerk subatomarer Bewegungen, ein merkwürdiges elektrisches Konglomerat von Millionen Sonnensystemen in minimalster Miniaturausgabe.

Alles kommt von außen, und die menschliche Seele selbst ist vielleicht nicht mehr als der Sonnenstrahl, der leuchtet und den Misthaufen, der unser Körper ist, vom Boden isoliert.

Diese Überlegungen könnten eine Philosophie enthalten für einen, der fähig wäre, aus ihnen Folgerungen zu ziehen. Ich bin es nicht, mir kommen nur von ungefähr klare Gedanken an logische Möglichkeiten, die sich alle trüben beim Anblick eines Sonnenstrahls, der einen Misthaufen, auf einem fast schwarzen Boden neben einer Steinmauer, wie dunkles, feucht zusammengepreßtes Stroh vergoldet.

So bin ich. Wenn ich denken will, sehe ich. Wenn ich in meine Seele hinabsteigen will, bleibe ich plötzlich an der Treppenspirale nach unten stehen und betrachte durch das Fenster des letzten Stockwerks selbstvergessen die Sonne, die mit ihrem Abschiedsrot die weite Landschaft der Dächer tränkt.


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