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16. 12. 1931


Heute ist er für immer dahin zurück, wo er herkam, der sogenannte Dienstmann des Büros, derselbe Mann, den ich bereits als Teil dieser menschlichen Zunft betrachtet habe und folglich als Teil meiner selbst und meiner Welt. Heute hat er uns verlassen. Auf dem Korridor, wo wir uns zufällig zur erwarteten Überraschung des Abschieds begegneten, habe ich ihn umarmt, was er schüchtern erwiderte, und genug Gegen-Seele besessen, um nicht loszuweinen, wie es sich meine heißen Augen im Herzen wünschten.

Was je einmal unser war, weil es unser war, wenn auch nur aus Zufall in unserem Alltag oder in unserem Blick, wird Teil von uns. Was da heute in ein mir unbekanntes galicisches Dorf heimgekehrt ist, war für mich nicht der Dienstmann des Büros: Es war ein vitaler, weil mit den Augen erlebter Teil der Substanz meines Lebens. Ich bin heute weniger geworden. Ich bin nicht mehr derselbe. Der Dienstmann des Büros hat uns verlassen.

Alles, was in unserem Umfeld geschieht, geschieht in uns selbst. Alles, was in unserem Gesichtskreis aufhört, hört in uns selbst auf. Alles, was einmal war, wenn wir es denn gesehen haben, als es war, wurde uns durch sein Fortgehen genommen. Der Dienstmann des Büros hat uns verlassen.

Schwerfälliger, um Jahre gealtert, widerwilliger setze ich mich an das hohe Pult und nehme die gestrige Buchführung wieder auf. Doch die unbestimmte Tragödie von heute drängt sich unterbrechend in meine Gedanken, und ich muß mich zum automatischen, ordnungsgemäßen Ablauf der Buchführung zwingen. Ich vermag nur zu arbeiten, weil ich in tätiger Trägheit Sklave meiner selbst sein kann. Der Dienstmann des Büros hat uns verlassen.

Jawohl, morgen oder an einem anderen Tag, wann immer die tonlose Glocke des Todes oder der Abreise erklingen mag, werde auch ich jemand sein, der nicht mehr hier ist, an seinem Platz, ein altes Kopiergerät, das man im Schrank unter dem Treppenabsatz verstaut. Jawohl, morgen, oder wenn das Schicksal sein Machtwort spricht, wird ein Ende haben, was in mir vorgab, ich zu sein. Werde ich in meine Heimat zurückkehren? Ich weiß es nicht. Heute ist die Tragödie sichtbar, weil jemand fehlt, fühlbar, weil sie nicht verdient, gefühlt zu werden. Mein Gott, der Dienstmann des Büros hat uns verlassen.


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