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Mit jedem noch so einfachen Tun wird ein geistiges Geheimnis verletzt. Jedes Tun ist ein revolutionärer Akt; ein Abgetrenntsein vielleicht von der wirklichen [Natur][54] unserer Absichten.
Handeln ist ein Auswuchs des Denkens, ein Krebsgeschwür der Einbildungskraft. Handeln heißt sich trennen. Alles Handeln ist unvollständig und unvollkommen. Solange ich ein Gedicht nur träume und nicht versuche, es zu Papier zu bringen, ist es vollkommen. So steht es bereits im Mythos Jesu geschrieben; die Menschwerdung Gottes konnte nur im Martyrium enden. Der höchste Träumer hat das höchste Martyrium zum Sohn.
Die löchrigen Schatten der Blätter, der zaghafte Gesang der Vögel, die langen Arme der Flüsse, ihr kühles Glitzern in der Sonne, das Grün, der Mohn und die Einfachheit der Empfindungen – und während ich all dies empfinde, sehne ich mich danach, als empfände ich es nicht, während ich es empfinde.
Wie ein Karren in der Abenddämmerung kehren die Stunden knarrend durch die Schatten meiner Gedanken zurück. Wenn ich aufschaue von meinem Denken, brennen mir die Augen vom Schauspiel der Welt.
Wer einen Traum verwirklichen will, muß ihn vergessen, ihm die Aufmerksamkeit entziehen. Daher heißt verwirklichen nicht verwirklichen. Das Leben ist voller Paradoxe wie die Rosen voller Dornen.
Ich würde gerne mit der Apotheose einer neuen Unvereinbarkeit die negative Verfassung einer neuen Anarchie der Seelen begründen. Ein digest meiner Träume schien mir stets von Nutzen für die Menschheit, weshalb ich auch nie versucht habe, einen solchen zusammenzustellen. Allein der Gedanke, Gewinnbringendes tun zu können, hat mich betrübt und erschöpft.
Ich besitze Güter in der Umgebung des Lebens. Ich ziehe mich aus der Stadt meines Handelns zurück zwischen die Bäume und Blumen meiner Träumerei. Nicht ein Echo aus dem Leben meines Tuns dringt vor in mein grünes Refugium. Meine Erinnerung macht mich schläfrig wie eine endlose Prozession. Aus den Kelchen meiner Meditation trinke ich nur das Lächeln goldgelben Weines; ich trinke ihn nur mit geschlossenen Augen, und das Leben zieht vorüber wie ein Schiff in der Ferne.
Sonnentage schmecken für mich nach dem, was ich nicht habe. Der blaue Himmel, die weißen Wolken, die Bäume, die Flöte, die hier fehlt – Hirtengedichte, unvollständig durch die Unrast der Zweige … All das ist eine stumme Harfe, über die ich leichtfingrig streiche.
Die hohe Schule stummer Gewächse … dein Name klingt wie Mohn … die Teiche … meine Rückkehr … der verwirrte Priester, der während der Messe den Verstand verlor. Erinnerungen, die meinen Träumen angehören … Ich schließe die Augen nicht und sehe dennoch nichts … Sie sind nicht hier, die Dinge, die ich sehe … Wasser …
In einer heillosen Verwirrung ist das Grün der Bäume Teil meines Blutes. Das Leben pocht in meinem fernen Herzen. Ich war nicht für die Wirklichkeit bestimmt, doch das Leben kam und fand mich.
Eine Marter, das Schicksal! Vielleicht sterbe ich morgen! Vielleicht widerfährt meiner Seele heute Schreckliches! … Mitunter, wenn ich daran denke, erfaßt mich Angst vor dieser höchsten Tyrannei, die uns zwingt, voranzuschreiten, nicht wissend, wohin unsere ungewissen Wege führen.